1987  
  1986                   1988 [ ‹ ]
87.001 Erziehungsmaßregeln
 
  1. BVerfG,     B, 13.01.87,     – 2_BvR_209/84 –

  2. BVerfGE_74,102 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.12 Abs.2, GG_Art.12 Abs.3; JGG_§_10 Abs.1 S.3 Nr.4

 

Die im Jugendgerichtsgesetz als Erziehungsmaßregel vorgesehene Weisung, Arbeitsleistungen zu erbringen (§ 10 Abs.1 Satz 3 Nr.4 JGG), berührt nicht den Schutzbereich des Art.12 Abs.2 und 3 GG.

§§§

87.002 Altersruhegeld
 
  1. BVerfG,     B, 28.01.87,     – 1_BvR_455/82 –

  2. BVerfGE_74,163 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.3 Abs.2; AnBG_§_25 Abs.3 (= RVO_§_1248 Abs.3)

 

Es ist mit GG Art.3 Abs 2 vereinbar, daß Frauen Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Unterschied zu Männern bereits mit Vollendung des sechzigsten Lebensjahres beziehen können (§ 25 Abs.3 Angestelltenversicherungsgesetz - AnVG = § 1248 Abs.3 Reichsversicherungsordnung).

§§§

87.003 Einheitswert
 
  1. BVerfG,     U, 10.02.87,     – 1_BvL_18/81 –

  2. BVerfGE_74,182 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.3 Abs.1; BewG_§_76 Abs.1, BewG_§_76 Abs.3 Nr.1

 

1) Die Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der unterschiedlichen Bewertung von Einfamilienhäusern im Ertragswertverfahren und Sachwertverfahren ( § 76 Abs.1 und Abs.3 Nr.1 BewG) hängt nicht von der vorhergehenden Prüfung ab, ob eine neue Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes von Verfassungs wegen geboten ist.

 

2) Die Regelung in § 76 Abs.1 und Abs.3 Nr.1 BewG ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar, soweit die Bewertung von Einfamilienhäusern im Sachwertverfahren zu höheren Einheitswerten führt als die Bewertung im Ertragswertverfahren.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

Die Regelung in § 76 Abs.1 und Abs.3 Nr.1 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der Fassung vom 1974-09-26 (Bundesgesetzblatt I Seite 2369) ist mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit die im Sachwertverfahren zu ermittelnden Einheitswerte von Einfamilienhäusern über dem Wertniveau der Einfamilienhäuser liegen, die im Ertragswertverfahren zu bewerten sind.

§§§

87.004 5.Rundfunkentscheidung
 
  1. BVerfG,     B, 24.03.87,     – 1_BvR_147/86 –

  2. BVerfGE_74,297 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.5 Abs.1 S.2; (BW) LMG_§_13 Abs.2 , LMG_§_44 Abs.3, LMG_§_45 Abs.2

 

1) Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Freiheit des Rundfunks verwehrt es dem Gesetzgeber prinzipiell, die Veranstaltung bestimmter Rundfunkprogramme und rundfunkähnlicher Kommunikationsdienste zu untersagen oder andere Maßnahmen zu treffen, welche die Möglichkeit verkürzen, durch Rundfunk verbreitete Beiträge zur Meinungsbildung zu leisten. Auch jenseits der Grundversorgung durch die öffentlich-rechtlichen Anstalten (BVerfGE_73,118 <157 f>) ist es dem Gesetzgeber daher versagt, die Veranstaltung dieser Programme und Dienste ausschließlich privaten Anbietern vorzubehalten.

 

2) Soweit das Landesmediengesetz Baden-Württemberg die Landesrundfunkanstalten von der Veranstaltung regionaler und lokaler Rundfunkprogramme ausschließt (§ 13 Abs.2 Satz 1 und 2) und die Veranstaltung von Tonbilddiensten und Bewegtbilddiensten auf Abruf durch die Landesrundfunkanstalten unter den Vorbehalt einer besonderen Zulassung durch Gesetz oder Staatsvertrag stellt (§ 45 Abs.2), ist dies mit Art.5 Abs.1 Satz 2 GG nicht vereinbar. Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind hingegen:

a) das Werbeverbot im öffentlich-rechtlichen Regionalfunk und Lokalfunk (§ 13 Abs.2 Satz 4 LMedienG),

b) der Vorbehalt einer besonderen gesetzlichen oder staatsvertraglichen Zulassung für Rundfunkprogramme der Landesrundfunkanstalten, welche Abonnenten oder Einzelentgeltzahlern vorbehalten bleiben (§ 13 Abs.3 LMedienG),

c) die Beschränkungen einer Kooperation zwischen privaten Rundfunkveranstaltern und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (§ 13 Abs.4 LMedienG),

d) die Verpflichtung der Landesrundfunkanstalten, freie Videotextkapazitäten ihrer Programme privaten Anbietern zur Verfügung zu stellen (§ 44 Abs.3 LMedienG).

§§§

87.005 Boxberg
 
  1. BVerfG,     U, 24.03.87,     – 1_BvR_1046/85 –

  2. BVerfGE_74,264 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.14 Abs.3 S.2

 

1) Das Bundesbaugesetz läßt eine Enteignung mit dem Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen und dadurch die regionale Wirtschaftsstruktur zu verbessern, nicht zu.

 

2) Eine Enteignung zugunsten eines privatrechtlich organisierten Unternehmens ist nicht schon deswegen unzulässig, weil sich der Nutzen für das allgemeine Wohl nicht aus dem Unternehmensgegenstand selbst ergibt, sondern nur mittelbare Folge der Unternehmenstätigkeit ist. Erforderlich ist jedoch nach Art.14 Abs.3 Satz 2 GG ein Gesetz, das den nur mittelbar verwirklichten Enteignungszweck deutlich umschreibt, die grundlegenden Enteignungsvoraussetzungen und das Verfahren zu ihrer Ermittlung festlegt sowie Vorkehrungen zur Sicherung des verfolgten Gemeinwohlziels regelt.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

I. Der Flurbereinigungsbeschluß des Landesamtes für Flurbereinigung und Siedlung Baden-Württemberg vom 25.Juni 1982 - Verfahrens-Nr.1914 -, der Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Flurbereinigung und Siedlung Baden-Württemberg vom 5. November 1982 - RV-Nr.57/1/82 A -, das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 6. Juli 1983 - 7 S.2751/82 - und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.März 1985 - BVerwG 5 C 130.83 - verletzen die Grundrechte der Beschwerdeführer aus Artikel 14 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Das Verfahren wird an das Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung über die Kosten zurückverwiesen.

II. Das Land Baden-Württemberg hat den Beschwerdeführern drei Viertel, die Bundesrepublik Deutschland ein Viertel der notwendigen Auslagen zu erstatten.

§§§

87.006 Unschuldsvermutung
 
  1. BVerfG,     B, 26.03.87,     – 2_BvR_589/79 –

  2. BVerfGE_74,358 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.2 Abs.1 GG_Art.20 Abs.3; StPO_§_383 Abs.2

 

Mit der im Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes wurzelnden Unschuldsvermutung ist es nicht vereinbar, wenn das Gericht das Privatklageverfahren nach § 383 Abs.2 StPO einstellt und in den Gründen des Einstellungsbeschlusses von der Schuld des Beschuldigten oder Angeklagten ausgeht, ohne zuvor die Hauptverhandlung bis zur Schuldspruchreife durchgeführt zu haben. Gleiches gilt, wenn es die Entscheidung über Kosten und Auslagen auf die Annahme gründet, der Beschuldigte sei einer strafbaren Handlung schuldig.

§§§

87.007 Völkerrecht
 
  1. BVerfG,     B, 31.03.87,     – 2_BvM_2/86 –

  2. BVerfGE_75,1 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.25, GG_Art.100 Abs.2, GG_Art.103 Abs.3; IRG_§_15 Abs.2, IRG_§_41, BtMG_§_29 Abs.IRG_§_29 Abs.1; EuAIÜ_Art.2 ff; 1 Nr.1; EMRK_Art.6 Abs.3

 

Zur Frage einer Geltung des Grundsatzes ne bis in idem im allgemeinen Völkerrecht.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

Eine allgemeine Regel des Völkerrechts des Inhalts, daß eine Person wegen desselben Lebenssachverhalts, dessentwegen sie bereits in einem dritten Staat zu einer Freiheitsentziehung verurteilt wurde und diese auch verbüßt hat, in einem anderen Staat nicht neuerlich angeklagt oder verurteilt werden darf, oder jedenfalls die Zeit der im dritten Staat erlittenen Freiheitsentziehung im Falle einer neuerlichen Verurteilung angerechnet oder berücksichtigt werden muß, ist nicht Bestandteil des Bundesrechts. Ebensowenig ist eine allgemeine Regel des Völkerrechts, die der Zulässigkeit einer Auslieferung nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13.Dezember 1957 entgegensteht, wenn der Verfolgte wegen desselben Lebenssachverhalts, der dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegt, bereits in einem dritten Staat eine Freiheitsentziehung erlitten hat, und deren Zeit bei einer neuerlichen Verurteilung im ersuchenden Staat nicht angerechnet oder berücksichtigt wird, Bestandteil des Bundesrechts.

§§§

87.008 Privatschulfinanzierung
 
  1. BVerfG,     U, 08.04.87,     – 1_BvL_8/84 –

  2. BVerfGE_75,40 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.3 Abs.1, GG_Art.7 Abs.4 S.1; (Hb) PrivSchG_§_18, PrivSchG_§_20 Abs.3

 

1) Art.7 Abs.4 Satz 1 GG legt dem Staat die Pflicht auf, das private Ersatzschulwesen zu schützen.

 

2) Eine aus der Schutzpflicht folgende Handlungspflicht wird erst ausgelöst, wenn das Ersatzschulwesen in seinem Bestand bedroht ist.

 

3) In welcher Weise diese Schutzpflicht erfüllt wird, obliegt der Entscheidung des Gesetzgebers. Entschließt er sich, im Rahmen seiner Schutzpflicht Ersatzschulen finanziell zu fördern, so unterliegt er hierbei den Beschränkungen aus Art.3 Abs.1 GG.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

1. Privatschulgesetz der Freien und Hansestadt Hamburg vom 1977-12-12 (Hamburgisches Gesetzblatt und Verordnungsblatt I S. 389) § 18, zuletzt geändert durch Gesetz vom September 1985 (Hamburgisches Gesetzblatt und Verordnungsblatt I S.262), ist mit Art.7 Abs.4 in Verbindung mit Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit danach Finanzhilfe nur für schulpflichtige oder als schulpflichtig gelten de Schüler gewährt wird. 2. Privatschulgesetz der Freien und Hansestadt Hamburg § 20 Abs.3 ist mit Art.7 Abs.4 in Verbindung mit Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes nach Maßgabe der Gründe unvereinbar.

§§§

87.009 Kloppenburg-Beschluß
 
  1. BVerfG,     B, 08.04.87,     – 2_BvR_687/85 –

  2. BVerfGE_75,223 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.24 Abs.1, GG_Art.101 Abs.1 S.2; EGV_Art.177 Abs.3

 

Zur Bindungswirkung von Vorabentscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Art.101 Abs.1 Satz 2 GG).

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25.April 1985 - V R 123/ 84 - verstößt gegen Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben. Die Sache wird an den Bundesfinanzhof zurückverwiesen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu erstatten.

§§§

87.010 KünstlersozialversicherungsG
 
  1. BVerfG,     B, 08.04.87,     – 2_BvR_909/82 –

  2. BVerfGE_75,108 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.2 Abs.1, GG_Art.3 Abs.1, GG_Art.74 Nr.12, GG_Art.84 Abs.1; KSVG_§_52 Abs.5 KSVG_§_27 Abs.1 +2,

 

1) a) Der Begriff "Sozialversicherung" in Art.74 Nr.12 GG ist als weitgefaßter verfassungsrechtlicher Gattungsbegriff zu verstehen (BVerfGE_11,105 <112>). Neue Lebenssachverhalte können in das Gesamtsystem "Sozialversicherung" einbezogen werden, wenn die neuen Sozialleistungen in ihren wesentlichen Strukturelementen, insbesondere in der organisatorischen Durchführung und hinsichtlich der abzudeckenden Risiken dem Bild entsprechen, das durch die "klassische" Sozialversicherung geprägt ist.

b) Als Beteiligter darf ein nicht selbst Versicherter nur dann zur Finanzierung von Sozialleistungen herangezogen werden, wenn es dafür einen sachorientierten Anknüpfungspunkt in den Beziehungen zwischen Versicherten und Beitragspflichtigen gibt, der diese Heranziehung nicht außerhalb der Vorstellungen liegend erscheinen läßt, von denen die Sozialversicherung in ihrem sachlichen Gehalt bestimmt wird.

c) Sozialversicherungsbeiträge sind keine Sonderabgaben im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl zuletzt BVerfGE_67,256 <274 ff>).

 

2) a) Ein Gesetz regelt das Verfahren der Landesbehörden im Sinne von Art.84 Abs.1 GG, wenn es verbindlich die Art und Weise sowie die Formen ihrer Tätigkeit zur Ausführung seiner Bestimmungen vorschreibt. Das ist nicht der Fall, wenn eine Norm einen materiell-rechtlichen Anspruch gewährt und damit zwar ein Handeln der Behörde erzwingt, aber das Verfahren hierfür - auch indirekt - nicht mit festlegt.

b) Zur Einrichtung der Behörden im Sinne von Art.84 Abs.1 GG gehört auch die Festlegung ihres näheren Aufgabenkreises. Dies ist zu sehen; rein quantqualitativ itative Vermehrungen bereits bestehender Aufgaben greifen nicht in den den Ländern vorbehaltenen Bereich ein.

 

3) Im Sachbereich der Sozialversicherung verlangt der Gleichheitssatz des Art.3 Abs.1 GG einen - bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise - sachlich einleuchtenden Grund dafür, daß ein Privater im Unterschied zu anderen Privaten über seine Steuerpflicht hinaus als Beteiligter im Sinne des Sozialversicherungsrechts zu einer Abgabe herangezogen wird, die weder ihm selbst noch seiner Gruppe zugute kommt, ihm vielmehr als fremdnützige Abgabe auferlegt wird, die sozialen Ausgleich und Umverteilung zum Ziel hat und herstellt.

 

4) Während jeder Bürger ohne weiteres der Steuergewalt unterworfen ist, bedürfen weitere, auf Ausgleich und Umverteilung angelegte Abgabenbelastungen im Hinblick auf die Belastungsgleichheit der Bürger einer besonderen Rechtfertigung. Eine solche Rechtfertigung fremdnütziger Sozialversicherungsbeiträge kann sich aus spezifischen Solidaritätsbeziehungen und Verantwortlichkeitsbeziehungen zwischen Zahlungsverpflichteten und Versicherten ergeben, die in den Lebensverhältnissen, wie sie sich geschichtlich entwickelt haben und weiter entwickeln, angelegt sind. Solche Beziehungen, die von einer besonderen Verantwortlichkeit geprägt sind, können zB aus auf Dauer ausgerichteten integrierten Arbeitszusammenhängen oder aus einem kulturgeschichtlich gewachsenen besonderen Verhältnis gleichsam symbiotischer Art entstehen.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

§ 52 Absatz 5 des Gesetzes über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten (Künstlersozialversicherungsgesetz) vom 27.Juli 1981 (Bundesgesetzbl. I S.705) ist mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar. Die Vorschrift verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Im übrigen werden die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen.

§§§

87.011 Verspätetes Vorbringen
 
  1. BVerfG,     B, 14.04.87,     – 1_BvR_162/84 –

  2. BVerfGE_75,183

  3. GG_Art.20 Abs.3; ZPO_§_296 Abs.1, ZPO_§_528 Abs.3

 

1) Beruht die Verspätung eines Vorbringens oder das Unterlassen ihrer Entschuldigun auch auf einer Verletzung der richterlichen Fürsorgepflicht, schließt die rechtsstaatlich gebotene faire Verhandlungsführung eine Präklusion gemäß § 296 Abs.1 ZPO aus.

 

2) § 528 Abs.3 ZPO ist verfassungskonform dahin auszulegen, daß eine in erster Instanz unterlassene Entschuldigung für das verspätete Vorbringen mit der Berufung nachgeholt werden kann.

§§§

87.012 Sparkassen
 
  1. BVerfG,     B, 14.04.87,     – 1_BvR_775/84 –

  2. BVerfGE_75,192 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.19 Abs.3; (Ns) NSpG_§_3 Abs.1; GKG_§_29 Abs.2

 

Zur Grundrechtsfähigkeit öffentlich-rechtlicher Sparkassen.

 

LB 2) Auf öffentlich-rechtliche Sparkassen sind die als verletzt bezeichneten Grundrechte Artikel 2 Abs.1, 3 Abs.1 und 20 Abs.3 GG nach ihrem Wesen nicht anwendbar.

 

LB 3) Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen hat das Bundesverfassungsgericht für solche juristische Personen des öffentlichen Rechts anerkannt, die von den ihnen durch die Rechtsordnung übertragenen Aufgaben her unmittelbar einem durch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich zugeordnet sind (BVerfGE_15,256 <262> - Universitäten und Fakultäten -; BVerfGE_31,314 <322>; BVerfGE_59,231 <254> - Rundfunkanstalten -) oder kraft ihrer Eigenart ihm von vornherein zugehören (vgl BVerfGE_18,385 <386 f> - Kirchen -).

 

LB 4) Auch nach ihrer heutigen Ausgestaltung und Aufgabenstellung weisen die öffentlich-rechtlichen Sparkassen Merkmale auf, die es rechtfertigen, an ihrer Einordnung als Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge festzuhalten.

 

LB 5) Das Bundesverfassungsgericht hat es als zulässig angesehen, daß auch juristische Personen des öffentlichen Rechts sich jedenfalls auf die grundrechtsähnlichen Rechte der Art.101 Abs.1 Satz 2 und 103 Abs.1 GG berufen können (BVerfGE_61,82 <104> mwN).

§§§

87.013 Arzneimittel-Selbstbedienung
 
  1. BVerfG,     B, 14.04.87,     – 1_BvL_25/84 –

  2. BVerfGE_75,166 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.3 Abs.1; ApothBetrO_§_12; AMG_§_43 Abs.1, AMG_§_46

 

Es ist mit Art.3 Abs.1 GG unvereinbar, die Zulässigkeit der Selbstbedienung bei frei verkäuflichen Arzneimitteln für Apotheken und für den übrigen Einzelhandel unterschiedlich zu regeln.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

Es ist mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, daß der Vertrieb apothekenfreier Arzneimittel im Wege der Selbstbedienung in Apotheken untersagt ist (§ 10 Absatz 2 Satz 1 der Verordnung über den Betrieb von Apotheken - Apothekenbetriebsordnung - vom 7.August 1968 ), während er im übrigen Einzelhandel zulässig ist, sofern eine sachkundige Person zur Verfügung steht (§ 52 Abs.1 Satz 2 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln - Arzneimittelgesetz - in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24.August 1976 ).

§§§

87.014 Rechtsbeistand
 
  1. BVerfG,     B, 05.05.87,     – 1_BvR_724/81 –

  2. BVerfGE_75,246

  3. GG_Art.12 Abs.1

 

1) Art.12 Abs.1 GG bindet den Gesetzgeber nicht starr an traditionell vorgeprägte Berufsbilder und zwingt ihn insbesondere nicht, Berufe mit (teil)identischen Tätigkeitsbereichen aber unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen auf Dauer nebeneinander bestehen zu lassen.

 

2) Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, daß der Gesetzgeber die Erteilung einer Vollerlaubnis zur Rechtsberatung sowie die Erteilung von Teilerlaubnissen für Bürgerliches Recht, für Handels- und Gesellschaftsrecht und für Wirtschaftsrecht abgeschafft hat und daß daher diese Tätigkeiten künftig Rechtsanwälten vorbehalten bleiben.

 

3) Zur Beurteilung von Übergangsvorschriften für Berufsanwärter anläßlich der Neuordnung des Rechtsbeistands-Berufes.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

I. Artikel 2 Absatz 6 Nummer 1 des Fünften Gesetzes zur Änderung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte vom 18.August 1980 (Bundesgesetzbl.I S.1503) ist mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit die Berufe eines Rechtsbeistandes mit Vollerlaubnis oder eines Rechtsbeistandes mit Teilerlaubnis für "Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht" sowie für "Wirtschaftsrecht" geschlossen werden; ebenso ist die Überleitungsvorschrift des Artikel 3 Satz 2 des Fünften Änderungsgesetzes mit dem Grundgesetz vereinbar.

II. Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen.

§§§

87.015 Präklusion
 
  1. BVerfG,     B, 05.05.87,     – 1_BvR_903/85 –

  2. BVerfGE_75,302 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.103 Abs.1; ZPO_§_272 Abs.1, ZPO_§_275, ZPO_§_296 Abs.1

 

1) Nicht jede fehlerhafte Anwendung von Präklusionsvorschriften verletzt Art.103 Abs.1 GG.

 

2) Die Anwendung des absoluten Verzögerungsbegriffs ist grundsätzlich mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör vereinbar. Verspätetes Vorbringen darf jedoch nicht ausgeschlossen werden, wenn offenkundig ist, daß dieselbe Verzögerung auch bei rechtzeitigem Vortrag eingetreten wäre.

 

3) Eine Belehrung über die Folgen der Versäumung richterlicher Fristen ist verfassungsrechtlich nicht geboten, wenn die Partei anwaltlich vertreten ist.

 

LB 4) Verfassungsrecht ist also nicht schon dann verletzt, wenn eine Entscheidung am einfachen Recht gemessen objektiv fehlerhaft ist. Der Fehler muß gerade in der Nichtbeachtung von Grundrechten liegen (BVerfGE_18,85 <92 f>; stRspr).

 

LB 5) Das muß grundsätzlich auch für die Überprüfung der Anwendung und Auslegung von Präklusionsvorschriften gelten; denn auch sie sind zunächst einfachrechtlicher Natur, und das Bundesverfassungsgericht ist -- unabhängig vom Prüfungsgegenstand -- auf den Prüfungsmaßstab des Verfassungsrechts beschränkt.

§§§

87.016 Sachverständiger
 
  1. BVerfG,     B, 05.05.87,     – 1_BvR_1113/85 –

  2. BVerfGE_75,318 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.13 Abs.2 +3; ZPO_§_758, ZPO_§_937 Abs.2

 

Das Betreten einer Wohnung durch einen Sachverständigen, der vom Gericht im Rahmen eines zwischen dritten Personen schwebenden Zivilprozesses bestellt worden ist, darf grundsätzlich nur nach vorheriger Anhörung der Wohnungsinhaber angeordnet werden.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

Der Beschluß des Amtsgerichts Wiesbaden vom 30.August 1984 -- 97 C 1676/84 --, das Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 28. September 1984 -- 97 C 1676/84 -- und das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 19.August 1985 -- 1 S 44/85 -- verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 13 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht zurückverwiesen. Das Land Hessen hat den Beschwerdeführern die notwendigen Auslagen zu erstatten.

§§§

87.017 Umweltstrafrecht
 
  1. BVerfG,     B, 06.05.87,     – 2_BvL_11/85 –

  2. BVerfGE_75,329 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.3 Abs.1, GG_Art.20 Abs.2, GG_Art.103 Abs.2, GG_Art.104 Abs.1; StGB_§_327 Abs.2 Nr.1

 

Zur hinreichenden Bestimmtheit von Straftatbeständen auf dem Gebiet des Umweltschutzes (hier: § 327 Abs.2 Nr.1 StGB).

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

§ 327 Absatz 2 Nummer 1 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Gesetzes vom 28.März 1980 (Bundesgesetzbl.I S.373) ist mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit hiernach bestraft wird, wer eine genehmigungsbedürftige Anlage im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ohne die nach diesem Gesetz erforderliche Genehmigung betreibt.

§§§

87.018 Familiennachzug
 
  1. BVerfG,     B, 12.05.87,     – 2_BvR_1226/83 –

  2. BVerfGE_76,1 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.6 Abs.1, GG_Art.6 Abs.2 S.1; AuslG_§_2 Abs.1 S.2

 

1) Weder Art.6 Abs.1 noch Art.6 Abs.2 Satz 1 GG begründen einen grundrechtlichen Anspruch von ausländischen Ehegatten oder Familienangehörigen auf Nachzug zu ihren berechtigterweise in der Bundesrepublik Deutschland lebenden ausländischen Ehegatten oder Familienangehörigen.

 

2) Der Pflicht des Staates, Ehe und Familie zu schützen, entspricht ein Anspruch des Trägers der Grundrechte aus Art.6 Abs.1 und Abs.2 Satz 1 GG darauf, daß die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren nach § 2 Abs.1 Satz 2 Ausländergesetz die bestehenden ehelichen und familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen in einer Weise berücksichtigen, die der großen Bedeutung entspricht, welche das Grundgesetz dem Schutz von Ehe und Familie erkennbar beimißt.

 

3) Die Beeinträchtigung der Belange von Ehe und Familie durch das Erfordernis einer dreijährigen Ehebestandszeit als Nachzugsvoraussetzung übersteigt auch im Blick auf entgegenstehende öffentliche Interessen das von den Betroffenen hinzunehmende Maß.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

1. Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 2 BvR 101/84 wird zurückgewiesen.

2. Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 17. März 1983 - 4 K 233/82 - und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 23. Juni 1983 - 13 S. 878/83 - verletzen Artikel 6 Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht Freiburg zurückverwiesen.

3. Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. Juli 1983 - VRS 7 K 1250/83 - und des Verwaltungsgerichtshofs Baden- Württemberg vom 27. Januar 1984 - 1 S. 2190/83 - verletzen Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht Stuttgart zurückverwiesen.

4. Das Land Baden-Württemberg hat den Beschwerdeführern der Verfahren 2 BvR 1226/83 und 2 BvR 313/84 die notwendigen Auslagen zu erstatten.

§§§

87.019 Strauß-Karikatur
 
  1. BVerfG,     B, 03.06.87,     – 1_BvR_313/85 –

  2. BVerfGE_75,369 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.1 Abs.1, GG_Art.5 Abs.3; StGB_§_185

 

Karikaturen, die in den durch Art.1 Abs.1 GG geschützten Kern menschlicher Ehre eingreifen, sind durch die Freiheit künstlerischer Betätigung (Art.5 Abs.3 GG) nicht gedeckt.

§§§

87.020 Zwangsvollstreckung
 
  1. BVerfG,     B, 16.06.87,     – 1_BvR_1202/84 –

  2. BVerfGE_76,83 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.13 Abs.1; ZPO_§_827 Abs.3

 

Die Durchsuchung von Räumen des Schuldners durch den Gerichtsvollzieher zur Erledigung mehrerer Pfändungsaufträge (§ 827 Abs.3 ZPO) verstößt gegen Art.13 Abs.1 GG, wenn für einen Teil der Gläubiger keine Durchsuchungsanordnung vorliegt, der Gerichtsvollzieher sich aber wegen der Vollstreckung für die übrigen Gläubiger länger in den Räumen des Schuldners aufhalten muß.

§§§

87.021 Landes-Raumordnungsprgramm
 
  1. BVerfG,     B, 23.06.87,     – 2_BvR_826/83 –

  2. BVerfGE_76,107 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.28 Abs.2; BVerfGG_§_93 Abs.2

 

1) Angriffsgegenstand einer Kommunalverfassungsbeschwerde können alle Arten vom Staat erlassener Rechtsnormen sein, die Außenwirkung gegenüber Gemeinden entfalten.

 

2) Vor der Erhebung einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde gegen eine untergesetzliche Rechtsnorm ist, soweit statthaft, ein Normenkontrollverfahren durchzuführen. Dieses muß, soll die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde offengehalten werden, binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten der Rechtsnorm eingeleitet werden; mit dessen Abschluß beginnt die Jahresfrist des § 93 Abs.2 BVerfGG zu laufen.

 

3) Ein allgemeiner Eingriff in die kommunale Planungshoheit liegt nicht vor, wenn ein Gesetz den Verordnungsgeber nur zu Einschränkungen der Planungshoheit einzelner Gemeinden in räumlich klar abgegrenzten Gebieten ermächtigt. Die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie erlaubt eine derartige Sonderbelastung einzelner Gemeinden nur, wenn sie durch überörtliche Interessen von höherem Gewicht erfordert wird (Anschluß BVerfGE_56,298 <314>).

 

4) Soweit bei der verfassungsgerichtlichen Überprüfung einer Planungsentscheidung über Wertungen und Prognosen des Normgebers zu befinden ist, hat das Bundesverfassungsgericht seine Nachprüfung darauf zu beschränken, ob diese Einschätzungen und Entscheidungen offensichtlich fehlerhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der verfassungsrechtlichen Ordnung widersprechen.

§§§

87.022 Raumordnungsprogramm
 
  1. BVerfG,     B, 23.06.87,     – 2_BvR_826/83 –

  2. DVBl_88,41 = UPR_88,19 = BRS_47_Nr.21

  3. VwGO_§_47

 

Angriffsgegenstand einer Kommunalverfassungsbeschwerde können alle Arten vom Staat erlassener Rechtsnormen sein, die Außenwirkungen gegenüber Gemeinden entfalten.

§§§

87.023 Ahmadiyya
 
  1. BVerfG,     B, 01.07.87,     – 2_BvR_478/86 –

  2. BVerfGE_76,143

  3. GG_Art.4 Abs.1 +2, GG_Art.16 Abs.2 S.2

 

Zur Asylgewährung bei Einschränkungen der Freiheit des religiösen Bekenntnisses.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

1. Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. November 1984 -- 19 A 10 962/82 -- und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 30. April 1982 -- 17 K 12 444/80 -- verletzen den Beschwerdeführer zu 1 in seinem Grundrecht aus Artikel 16 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Der Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 1986 -- 9 B 17.85 -- wird damit gegenstandslos.

2. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 18.März 1986 -- 2 K 10 596/85 -- verletzt den Beschwerdeführer zu 2 in seinem Grundrecht aus Artikel 16 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Der Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein- Westfalen vom 9.Juli 1986 -- 19 B 20 315/86 -- wird damit gegenstandslos.

3. Das Land Nordrhein-Westfalen hat den Beschwerdeführern die notwendigen Auslagen zu erstatten.

§§§

87.024 Standesrichtlinien
 
  1. BVerfG,     B, 14.07.87,     – 1_BvR_537/81 –

  2. BVerfGE_76,171 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.12 Abs.1 S.2; BRAO_§_43

 

1) Es wird nicht daran festgehalten, daß die Richtlinien des anwaltlichen Standesrechts als Hilfsmittel zur Auslegung und Konkretisierung der Generalklausel über die anwaltlichen Berufspflichten (§ 43 BRAO) herangezogen werden können. Eine rechtserhebliche Bedeutung kommt den Richtlinien im ehrengerichtlichen Verfahren nur noch für eine Übergangszeit bis zur Neuordnung des anwaltlichen Berufsrechts zu, soweit ihre Heranziehung unerläßlich ist, um die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege aufrechtzuerhalten.

 

2. Ehrengerichtliche Maßnahmen wegen Verletzung des in den Standesrichtlinien niedergelegten Sachlichkeitsgebots sind nur unerläßlich, soweit es sich um strafbare Beleidigungen, die bewußte Verbreitung von Unwahrheiten oder solche herabsetzenden Äußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlaß gegeben haben.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

1. Der Beschluß des Ehrengerichts für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer Hamm/Westfalen vom 25.März 1981 und die Bescheide der Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Hamm vom 10.Mai und 29.September 1980 -- EV/I/410/ 79 A/I/172/80 -- verletzen den Beschwerdeführer zu 1) in seinem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird zur Entscheidung über die Kosten des Verfahrens an das Ehrengericht zurückverwiesen.

2. Der Beschluß des Ehrengerichts für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer Köln vom 17.November 1986 -- IV. Kammer EV 79/ 86 -- und die Bescheide der Rechtsanwaltskammer Köln vom 4. September 1985 und 20. Januar 1986 -- Abt.II 156/85 -- verletzen den Beschwerdeführer zu 2) in seinem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird zur Entscheidung über die Kosten des Verfahrens an das Ehrengericht zurückverwiesen.

3. Das Land Nordrhein-Westfalen hat den Beschwerdeführern die ihnen entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

§§§

87.025 General Bastian
 
  1. BVerfG,     B, 14.07.87,     – 1_BvR_242/86 –

  2. BVerfGE_76,211 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.2 Abs.1, GG_Art.103 Abs.2; StGB_§_240; BVerfGG_§_15 Abs.3

 

Zur verfassungsrechtlichen Beurteilung von Sitzblockaden als Nötigung.

§§§

87.026 Beamtenversorgung
 
  1. BVerfG,     B, 30.09.87,     – 2_BvR_933/82 –

  2. BVerfGE_76,256 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.3 Abs.1, GG_Art.14, GG_Art.33 Abs.5; BVG_§_55 Abs.1 S.1; AbgG_§_29 Abs.4

 

1) Im Rahmen des Art.33 Abs.5 GG verbleibt dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum des politischen Ermessens, innerhalb dessen er die Versorgung der Beamten regeln und den besonderen Gegebenheiten, den tatsächlichen Notwendigkeiten sowie der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen kann.

 

2) Der Dienstherr kann sich von der ihm nach Art.33 Abs.5 GG obliegenden Alimentationspflicht dadurch entlasten, daß er den Versorgungsberechtigten auf Einkünfte aus einer anderen öffentlichen Kasse verweist, sofern diese ebenfalls der Existenzsicherung des Versorgungsberechtigten und seiner Familie zu dienen bestimmt sind.

 

3) Unter dem Blickwinkel des Alimentationsprinzips handelt es sich bei den Renten im Sinne des § 55 Abs.1 Satz 1 Beamtenversorgungsgesetz um auf die Versorgungsbezüge anrechenbare Leistungen aus einer öffentlichen Kasse.

 

4) Der Beamte hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, daß die Versorgungsregelung, unter der er in das Beamtenverhältnis und Ruhestandsverhältnis eingetreten ist, ihm unverändert erhalten bleibt. Der Gesetzgeber darf Versorgungsbezüge kürzen, wenn dies im Rahmen des von ihm zu beachtenden Alimentationsgrundsatzes aus sachlichen Gründen gerechtfertigt erscheint. Jedoch ist verfassungsrechtlich zwingend gefordert, daß der Beamte innerhalb des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses und Treueverhältnisses rechtlich und wirtschaftlich abgesichert und die personale Bindung des Beamten zum Dienstherrn für die Unterhaltsgewährung ungeschmälert bestehen bleibt.

 

5) a) Zwischen Abgeordneten und Beamten bestehen grundlegende statusrechtliche Unterschiede.

b) Soweit das Abgeordnetengesetz in § 29 Abs.4 eine im Vergleich zu § 55 Beamtenversorgungsgesetz günstigere Anrechnungsregelung enthält und überdies eine Anrechnung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Entschädigung und die Versorgungsansprüche der Abgeordneten des Deutschen Bundestages nicht vorsieht, liegt darin angesichts der wesentlichen Verschiedenheiten der zu regelnden Sachverhalte keine, gemessen am Willkürverbot, nicht mehr hinnehmbare Ungleichbehandlung (Abweichung von BVerfGE_40,296).

 

6) Die durch Art.2 § 1 Nr.7 2.Haushaltsstrukturgesetz bewirkte tatbestandliche Rückanknüpfung verstößt nicht gegen die rechtsstaatlichen Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes.

§§§

87.027 Lappas
 
  1. BVerfG,     B, 01.10.87,     – 2_BvR_1165/86 –

  2. BVerfGE_76,363 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.104 Abs.1 S.1, GG_Art.44 Abs.1, GG_Art.44 Abs.2 S.1; StPO_§_70 Abs.2

 

Die den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen verfassungsrechtlich eingeräumte Befugnis, die erforderlichen Beweise in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über den Strafprozeß zu erheben, berechtigt sie auch, gegen den Zeugen, der grundlos das Zeugnis verweigert, Ordnungsgeld festzusetzen und zur Erzwingung des Zeugnisses die Anordnung der Haft beim zuständigen Gericht zu beantragen. Hierbei sind die Grundrechte des Betroffenen und insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.

§§§

87.028 Neue Heimat
 
  1. BVerfG,     B, 01.10.87,     – 2_BvR_1178/86 –

  2. BVerfGE_77,1 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.2 Abs.1, GG_Art.14, GG_Art.19 Abs.3, GG_Art.39 Abs.1 S.2, GG_Art.44 StPO_§_94 Abs.1 +2

 

1) Der Bundestag kann innerhalb seines Aufgabenbereichs Untersuchungsaufträge zur Aufklärung von Mißständen jedenfalls auch im Bereich solcher privater Unternehmen - einschließlich der mit ihnen eng, insbesondere konzernmäßig verbundenen - erteilen, die aufgrund "gemeinwirtschaftlicher" Zielsetzung ihrer Tätigkeit in erheblichem Umfang aus staatlichen Mitteln gefördert oder steuerlich begünstigt werden und besonderen rechtlichen Bindungen unterliegen; dies gilt jedenfalls insoweit, als hieran ein öffentliches Untersuchungsinteresse von hinreichendem Gewicht besteht.

 

2) Untersuchungsausschüsse des Bundestages, deren Mitglieder von den Fraktionen im Verhältnis ihrer Stärke benannt werden, besitzen die erforderliche demokratische Legitimation für eine hoheitliche Tätigkeit nach außen.

a) Untersuchungsausschüsse haben zur Erfüllung des ihnen vom Bundestag erteilten Auftrags die Befugnis, unter Beachtung der Grundrechte und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Beschlagnahmen gegenüber Privaten bei dem zuständigen Gericht zu beantragen.

b) Das Gericht hat sicherzustellen, daß beschlagnahmte Unterlagen, die ersichtlich grundrechtlich bedeutsame Daten enthalten, erst dann im Untersuchungsausschuß erörtert werden, wenn ihre Beweiserheblichkeit im einzelnen und die Frage der Zulässigkeit der Beweiserhebung im Blick auf ausreichende Geheimschutzmaßnahmen geprüft wurden. Die Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände unmittelbar an den Untersuchungsausschuß darf nur angeordnet werden, wenn aus grundrechtlicher Sicht hiergegen keine Bedenken bestehen, insbesondere wenn ihre potentielle Beweisbedeutung im Gesamten von vornherein feststeht und nach dem mutmaßlichen Inhalt Geheimschutzmaßnahmen voraussichtlich nicht erforderlich werden oder solche bereits in hinreichendem Umfang getroffen sind.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

1. Die Beschlüsse des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 22. Oktober 1986 - 5/28 Qs 16/86 - und vom 31. Oktober 1986 - 5/28 Qs 19/86 - sowie der Beschluß des Amtsgerichts Frankfurt a.M. vom 29. September 1986 - 931 Gs 3417/86 - verletzen die Beschwerdeführerin zu 1) in ihren Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 3 des Grundgesetzes, die Beschwerdeführer zu 2) und 3) in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 3 des Grundgesetzes, soweit eine unbeschränkte Herausgabe der beschlagnahmten Aufsichtsratsprotokolle an den Untersuchungsausschuß angeordnet wurde und es damit zunächst allein diesem überlassen blieb zu entscheiden, welche der Unterlagen im einzelnen für den vom Landgericht als Grundlage der Beschlagnahme herangezogenen Teil des parlamentarischen Untersuchungsauftrags von Bedeutung sein können. Die Entscheidungen werden insoweit aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Frankfurt aM zurückverwiesen. Im übrigen werden die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen.

2. Das Land Hessen hat den Beschwerdeführern die Hälfte der notwendigen Auslagen zu erstatten.

§§§

87.029 Filmaterial-Beschlagnahme
 
  1. BVerfG,     B, 01.10.87,     – 2_BvR_1434/86 –

  2. BVerfGE_77,65 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.5 Abs.1 S.2; StPO_§_97 Abs.5, StPO_§_53 Abs.1 Nr.5

 

Die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Beschlagnahme von Gegenständen, die sich im Gewahrsam von Angehörigen des Rundfunks befinden, sind auch insoweit mit Art.5 Abs.1 Satz 2 GG vereinbar, als sie grundsätzlich den Zugriff auf selbstrecherchiertes Material ermöglichen.

§§§

87.030 Arbeitnehmerüberlassung
 
  1. BVerfG,     B, 06.10.87,     – 1_BvR_1086/82 –

  2. BVerfGE_77,84 = www.dfr/BVerfGE

  3. BVerfGG_§_31; AFG_§_12a

 

1) Die Bindungswirkung des § 31 BVerfGG und die Rechtskraft normverwerfender verfassungsgerichtlicher Entscheidungen hindern den Gesetzgeber nicht, eine inhaltsgleiche oder inhaltsähnliche Neuregelung zu beschließen.

 

2) Das Verbot der Arbeitnehmerüberlassung in Betriebe des Baugewerbes (§ 12a AFG) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

§ 12a des Arbeitsförderungsgesetzes, eingefügt durch Artikel 1 § 1 Nummer 2 des Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz -- AFKG) vom 22.Dezember 1981 (Bundesgesetzbl.I S.1497), ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen.

§§§

87.031 Teso
 
  1. BVerfG,     B, 21.10.87,     – 2_BvR_373/83 –

  2. BVerfGE_77,137 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.3 Abs.1, GG_Art.16 Abs.1, GG_Art.116 Abs.1, GG_Art.8 Abs.1, GG_Art.11 Abs.1 +2, GG_Art.12 Abs.1

 

1) Aus dem Gebot der Wahrung der Einheit der deutschen Staatsangehörigkeit (Art.116 Abs.1, Art.16 Abs.1 GG), das eine normative Konkretisierung des im Grundgesetz enthaltenen Wiedervereinigungsgebots ist, folgt, daß dem Erwerb der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik für die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland in den Grenzen des ordre public die Rechtswirkung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit beizumessen ist.

 

2) Erst wenn eine Trennung der Deutschen Demokratischen Republik von Deutschland durch eine freie Ausübung des Selbstbestimmungsrechts besiegelt wäre, ließe sich die in der Deutschen Demokratischen Republik ausgeübte Hoheitsgewalt aus der Sicht des Grundgesetzes als eine von Deutschland abgelöste fremdstaatliche Gewalt qualifizieren.

 

3) Dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zufolge eines Erwerbs der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik stehen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland weder aus allgemeinem Völkerrecht noch aus ihren vertraglichen Bindungen zur Deutschen Demokratischen Republik entgegen.

 

4) Der völkerrechtlichen Beurteilung der Rechtslage Deutschlands durch die zuständigen Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland könnte das Bundesverfassungsgericht nur entgegentreten, wenn sie offensichtlich völkerrechtswidrig wäre (vergleiche BVerfGE_55,349 <368 f>).

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

1. Der Bescheid des Oberstadtdirektors der Stadt Köln vom 10. Dezember 1974, das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 4. Februar 1976 -- 9 K 914/75 -- und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. November 1982 -- 1 C 72.78 -- verletzen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Artikel 16 Absatz 1, 116 Absatz 1 sowie aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 8 Absatz 1, 9 Absatz 1, 11 Absatz 1 und 12 Absatz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen.

2. Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

§§§

87.032 Lagerung chemischer Waffen
 
  1. BVerfG,     B, 29.10.87,     – 2_BvR_/83 –

  2. BVerfGE_77,170 = www.dfr/BVerfGE = NJW_88,1651 = ESBImSchG_ _22 - 15 NJW_88,2393

  3. GG_Art.2 Abs.2 S.1, GG_Art.20, GG_Art.24 Abs.2, GG_Art.58, GG_Art.59 Abs.2 S.1 GG_Art.87a, GG_Art.115a NTS_Art.2 S,1; ZA-NTS_Art.53 Abs.1 S.1; BImSchG_§_3 Abs.1, BImSchG_§_3 Abs.5 Nr.3, BImSchG _60 Abs.1; WHG_§_19g Abs.1; StVOGG_Art.2 Abs.1 S.1 SmogVO_§_3, SmogVO_§_4, SmogVO_§_5

 

1) a) Die Mitwirkung der Bundesregierung beim Abschluß von Ausfertigung und der Verkündung der Zustimmungsgesetze (etwa über Art.58 GG) zuzurechnen sind, haben sie - im vorliegenden Zusammenhang - gegenüber dem Gesetzesbeschluß des Bundestages keine selbständige Bedeutung.

 

2) a) Dem Gesetzgeber wie der vollziehenden Gewalt kommt bei der Erfüllung von Schutzpflichten aus Art.2 Abs.2 Satz 1 GG ein weiter Einschätzungsspielraum, Wertungsspielraum und Gestaltungsspielraum zu, der auch Raum läßt, etwa konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen.

b) Diese weite Gestaltungsfreiheit kann von den Gerichten je nach Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden und der Bedeutung der auf dem Spiele stehenden Rechtsgüter, nur in begrenztem Umfang überprüft werden (Vergleiche BVerfGE_50,290 <332 f>).

c) Um den Anforderungen an die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde zu entsprechen, die auf die Verletzung der sich aus dem Grundrecht des Art.2 Abs.2 Satz 1 GG ergebenden Schutzpflicht gestützt wird, muß der Beschwerdeführer schlüssig dartun, daß die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen hat oder daß offensichtlich die getroffenen Regelungen und Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das Schutzziel zu erreichen.

 

3) a) Zwar können staatliche Maßnahmen zur Abwehr eines bewaffneten Angriffs von außen mit Gefahren für die eigene Zivilbevölkerung verbunden sein. Solche Gefahren und daraus gegebenenfalls entstehende Schäden zu vermeiden, überschreitet indes die staatlichen Möglichkeiten, wenn eine wirkungsvolle Landesverteidigung, die gerade dem Schutz der freiheitlichen- auch die Grundrechte verbürgenden - Ordnung dient, gewährleistet bleiben soll. b) Mit der Entscheidung für die militärische Landesverteidigung ( Art.24 Abs.2, 87a, 115a ff GG) hat das Grundgesetz zu erkennen gegeben, daß der Schutzbereich des Art.2 Abs.2 Satz 1 GG Rückwirkungen auf die Bevölkerung bei einem völkerrechtsgemäßen Einsatz von Waffen gegen den militärischen Gegner im Verteidigungsfall nicht umfaßt.

 

4) Die Stationierung chemischer Waffen in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Ziel, einen möglichen Gegner von einem C-Waffen-Einsatz abzuhalten, und ein etwaiger völkerrechtsgemäßer Zweiteinsatz dieser Waffen halten sich im Rahmen des dem NATO-Vertrag zugrundeliegenden Bündnisprogramms.

 

LB 5) Zur abweichenden Meinung des Vizepräsidenten Dr Mahrenholz, siehe BVerfGE_77,234 = www.dfr/BVerfGE, Abs.155 ff.

§§§

87.033 Herrnburger Bericht
 
  1. BVerfG,     B, 03.11.87,     – 1_BvR_1257/84 –

  2. BVerfGE_77,240 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.5 Abs.3 S.1; StGB_§_86, StGB_§_86a Abs.3

 

1) Die Freiheitsgarantie des Art.5 Abs.3 Satz 1 GG schützt auch die Werbung für ein Kunstwerk.

 

2) Eine Einschränkung der vorbehaltlos gewährleisteten Kunstfreiheit läßt sich nicht formelhaft mit dem "Schutz der Verfassung" oder mit der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege rechtfertigen.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

I. Das Urteil des Landgerichts München I vom 6.Dezember 1983 -- 13 Ns 115 Js 3948/82 --, soweit die Beschwerdeführer zu I.) unter Aufhebung der Entscheidung des Amtsgerichts München vom 9. August 1983 verurteilt wurden, und der Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 21. August 1984 -- RReg.3 St 74/84 a, b -- verletzen die Beschwerdeführer zu I.) in ihren Grundrechten aus Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil des Landgerichts wird in dem beschriebenen Umfang und hinsichtlich der Kostenentscheidung, soweit diese zum Nachteil der Beschwerdeführer ergangen ist, der Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts wird insgesamt aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen. Der Freistaat Bayern hat den Beschwerdeführern zu I.) die notwendigen Auslagen zu erstatten.

II. Das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 27. Februar 1984 -- 39 Ls/29 Js 542/83; 39 (254/83) --, soweit die Beschwerdeführerin zu II.) der Verwendung von Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation schuldig gesprochen und mit Strafvorbehalt verwarnt wurde, das Urteil des Landgerichts Essen vom 27. September 1984 -- 21 (48/84); 29 Js 542/83 --, soweit die Berufung der Beschwerdeführerin zu II.) verworfen wurde, und der Beschluß des Oberlandesgerichts Hamm vom 22. Mai 1985 -- 2 Ss 144/85 -- verletzen die Beschwerdeführerin zu II.) in ihrem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes. Die Urteile des Amtsgerichts Essen und des Landgerichts Essen werden in dem beschriebenen Umfang und hinsichtlich der Kostenentscheidungen, der Beschluß des Oberlandesgerichts Hamm wird insgesamt aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat der Beschwerdeführerin zu II.) die notwendigen Auslagen zu erstatten.

§§§

87.034 Flächennutzungsplanung
 
  1. BVerfG,     B, 09.12.87,     – 2_BvL_16/84 –

  2. BVerfGE_77,288 = DVBl_88,482 = NVwZ_88,619 = NJW_88,2032 = DÖV_88,465 = BayVBl_88,720 = ZfBR_88,136 = JuS_89,58

  3. (78) KSVG_§_195 Abs.3; (76) BBauG_§_2 Abs.1 (= BauGB_§_2 Abs.1), BBauG_§_1 Abs.2 (= BauGB_§_1 Abs.2), BBauG_§_4 Abs.1, BBauG_§_4 Abs.2, BBauG_§_4 Abs.8 (= BauGB_§_204 ), BBauGB_§_147 Abs.2 (= BauGB_§_203); GG_Art.84 Abs.1

 

Art.84 Abs.1 Grundgesetz erlaubt dem Bundesgesetzgeber die Zuweisung von Aufgaben an die Gemeinde als Selbstverwaltungsaufgaben, wenn es sich um eine punktuelle Annexkompetenz zu einer zur Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers gehörenden materiellen Regelung handelt und wenn diese Annexregelung für den wirksamen Vollzug der materiellen Bestimmungen des Gesetzes notwendig ist (im Anschluß an BVerfG_22,180 (209 f)).

 

2) Der Bund hat in den §§ 2 Abs.1, 4 und 147 Bundesbaugesetz von seiner Kompetenz zur Regelung der Trägerschaft der Bauleitplanung umfassend Gebrauch gemacht; die Zuständigkeiten für die Bauleitplanung ist in diesen Vorschriften erschöpfend geregelt.

 

3) Ein Zusammenschluß von Gemeinden im Sinne von § 4 Abs.8 Bundesbaugesetz liegt nur vor, wenn die Gemeinden entweder selbst die Mitglieder sind oder jedenfalls diejenigen Mitwirkungsrechte haben, die sie in einem mitgliedschaftlich organisierten Verband hätten.

§§§

87.035 Arbeitnehmerweiterbildung
 
  1. BVerfG,     B, 15.12.87,     – 1_BvR_563/85 –

  2. BVerfGE_77,308 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.12 Abs.1 S.2, GG_Art.70, GG_Art.72 Abs.1, GG_Art.74 Nr.12; (He) AWbG_§_3 Abs.1; (NW) AWbG_§_1, AWbG_§_7

 

1) Die Länder sind kraft konkurrierender Gesetzgebungskompetenz befugt, arbeitsrechtliche Regelungen zur Arbeitnehmerweiterbildung zu treffen ( Art.70, Art.72 Abs.1, Art.74 Nr.12 GG). Das Recht der Arbeitnehmerweiterbildung ist vom Bundesgesetzgeber nicht abschließend geregelt.

 

2) Die Bestimmungen im Hessischen Gesetz über den Anspruch auf Bildungsurlaub und im nordrhein-westfälischen Gesetz zur Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung (Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz), die den Arbeitnehmern bezahlten Bildungsurlaub einräumen, sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

 

3) § 3 Abs.1 Hessischen Gesetzes über den Anspruch auf Bildungsurlaub vom 16.Oktober 1984 (Gesetz- und Verordnungsbl.I S.261) ist mit Art.12 Abs.1 Satz 2 GG insoweit unvereinbar, als er Entgeltfortzahlungspflichten den Arbeitgebern für den Zusatzurlaub pädagogischer Mitarbeiter auferlegt, ohne Ausgleichsmöglichkeiten vorzusehen.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

I. 1. § 3 Absatz 1 des Hessischen Gesetzes über den Anspruch auf Bildungsurlaub vom 16. Oktober 1984 (Gesetz- und Verordnungsbl.I S.261) ist insoweit mit Artikel 12 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes unvereinbar, als er den Arbeitgebern Entgeltfortzahlungspflichten für den Zusatzurlaub pädagogischer Mitarbeiter auferlegt, ohne Ausgleichsmöglichkeiten vorzusehen.

2. Im übrigen wird die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 582/85 zurückgewiesen.

3. Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 974/86 wird zurückgewiesen.

4. Das Land Hessen hat den Beschwerdeführern im Verfassungsbeschwerde- Verfahren 1 BvR 582/85 ein Zehntel der notwendigen Auslagen zu erstatten.

II. 1. § 1 und § 7 des Gesetzes zur Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung -- Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz (AWbG) -- des Landes Nordrhein- Westfalen vom 16. November 1984 (Gesetz- und Verordnungsbl. S.678) sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

2. Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 563/85 wird zurückgewiesen.

§§§

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§§§