1984 | ||
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[ 1983 ] [ ] [ ] [ 1985 ] | [ ] |
84.001 | Unterhalt | |
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Es ist mit Art.6 Abs.1 in Verbindung mit Art.3 Abs.1 GG vereinbar, daß der Gesetzgeber in den Fällen, in denen das verfügbare Einkommen des Unterhaltsverpflichteten nicht zur Befriedigung des Mindestbedarf aller Unterhaltsberechtigten ausreicht (Mangelfall), dem Unterhaltsanspruch des wegen Kindesbetreuung bedürftigen geschiedenen Ehegatten selbst dann den Vorrang einräumt, wenn auch der neue Ehegatte an einer Erwerbstätigkeit durch die Pflege und Erziehung eines Kindes gehindert ist (§ 1582 Abs.1 Satz 2 BGB). | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel:
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§§§ |
84.002 | Springer/Wallraff | |
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1. Das Grundrecht der Pressefreiheit (Art.5 Abs.1 Satz 2 GG) gewährleistet auch die Vertraulichkeit der Arbeit von Zeitungsredaktionen und Zeitschriftenredaktionen. Die Tragweite dieses Schutzes im konkreten Fall ergibt sich allerdings erst, wenn die Schranken des Grundrechts berücksichtigt werden. | ||
2) a) Die Veröffentlichung rechtswidrig beschaffter oder erlangter Informationen wird vom Schutz der Meinungsfreiheit (Art.5 Abs.1 GG) umfaßt. Auch insoweit kommt es jedoch auf die Schranken des Grundrechts an. | ||
3) Zur Bedeutung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung (Art.5 Abs.1 Satz 1 GG) für die Beurteilung herabsetzender Äußerungen im öffentlichen Meinungskampf. | ||
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T-84-01 | Schutz-Redaktionsarbeit | |
"3. a) Der Schutzbereich des Art.5 Abs.1 Satz 2 GG umfaßt auch die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit eines Presseunternehmens. | ||
Dies hat das Bundesverfassungsgericht bisher noch nicht ausdrücklich entschieden; es liegt jedoch in der Konsequenz seiner Rechtsprechung zur Pressefreiheit. So hat das Gericht mehrfach die Bedeutung einer freien Presse für den freiheitlichen Staat hervorgehoben (besonders eingehend BVerfGE_20,162 <174 f> - Spiegel -; ferner etwa BVerfGE_52,283 <296> - Tendenzschutz -), zugleich indessen darauf hingewiesen, daß die der Presse zufallende "öffentliche Aufgabe" nicht von der staatlichen Gewalt erfüllt werden kann. Presseunternehmen müssen sich im gesellschaftlichen Raum frei bilden können; sie arbeiten nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen und in privatrechtlichen Organisationsformen; sie stehen miteinander in geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz, in welche die öffentliche Gewalt grundsätzlich nicht eingreifen darf (BVerfGE_20,162 <175>). | ||
Der Funktion der freien Presse im demokratischen Staat entspricht ihre verfassungsrechtliche Stellung. Als subjektives Recht gewährleistet die Pressefreiheit den im Pressewesen tätigen Personen und Unternehmen Freiheit von staatlichem Zwang. In ihrer objektiven Bedeutung schützt sie die "institutionelle Eigenständigkeit" der Presse von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung (BVerfGE_10,118 <121> st Rspr; vgl etwa noch BVerfGE_62,230 <243> - Boykottaufforderung -). In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt aufd ie Bedeutung hingewiesen, die dem Schutz der Informationsquellen für das Pressewesen zu kommt (BVerfGE_20,162 <176, 187>; 36,193 <204>; 50,234 <240>; 64,108 <114 f>) und insofern das Redaktionsgeheimnis als durch die Pressefreiheit geschützt angesehen. | ||
Die so umschriebene Pressefreiheit ist für alle Presseveröffentlichungen gewährt (BVerfGE_25,296 [307 | ||
Für die Bestimmung des Schutzbereichs der Pressefreiheit kommt es hiernach wesentlich darauf an, was notwendige Bedingung der Funktion einer freien Presse ist. Zu diesen Bedingungen gehört die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit. Hierfür spricht zunächst der enge Zusammenhang mit dem Informantenschutz: Auch wenn bei einer Aufdeckung von Interna der Redaktion nicht über Informanten berichtet wird, kann, wie der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger in seiner Stellungnahme zutreffend ausgeführt hat, die Möglichkeit solcher Publikationen die Gefahr in sich tragen, Informationsquellen versiegen zu lassen. Auch allgemeine Erwägungen sprechen für einen solchen Schutz: Wenn die Vertraulichkeit nicht gewährleistet ist, wird auch nicht offen und ohne Rücksicht auf die Gefahr verkürzter oder entstellter Weitergabe gesprochen. Der Bundesgerichtshof hat in der angegriffenen Entscheidung auf die Bedeutung des Schutzes vor Indiskretionen hingewiesen, ohne den der vertrauensvollen Zusammenarbeit und der unbefangenen Mitarbeit in einem Unternehmen vor allem in seinen hierfür im Vordergrund stehenden Entscheidungsgremien die Grundlage entzogen wäre. Das gilt auch für die Arbeit einer Zeitungs- oder Zeitschriftenredaktion. Wo deren Vertraulichkeit nicht mehr gesichert ist, wird es spontane, "ins U nreine" gesprochene, möglicherweise verfehlte, gleichwohl die Diskussion fördernde Äußerungen kaum noch geben; eine Zeitungs- oder Zeitschriftenredaktion, in der es keine freie Rede gibt, wird aber schwerlich das leisten, was sie leisten soll. Darauf ist auch in der erwähnten Stellungnahme hingewiesen worden: Die Aufgabe einer Redaktion erfordere eine Arbeitsweise, die es nicht vertrage, wenn jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werde, weil es nach außen getragen werden könne. | ||
Daß der Schutz der Vertraulichkeit der gesamten Redaktionsarbeit notwendige Bedingung einer freien Presse ist, ergibt sich unmittelbar, wenn die Grundrichtung dieses Schutzes in Betracht gezogen wird: diejenige gegen den Staat. Es wäre mit dem Grundrecht unvereinbar, wenn staatliche Stellen sich Einblick in die Vorgänge verschaffen dürften, welche zur Entstehung einer Zeitung oder Zeitschrift führen. In dieser Staatsgerichtetheit fällt die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit daher eindeutig in den Schutzbereich der Pressefreiheit. Was demgegenüber "Eingriffe" gesellschaftlicher Kräfte oder Privater betrifft, so kann Art.5 Abs.1 Satz 2 GG als subjektivem Recht keine der Staatsgerichtetheit entsprechende "Dritt-Gerichtetheit" zukommen. Die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit gehört jedoch zu den Bedingungen einer freien Presse, die nicht nur durch den Staat, sondern auch durch gesellschaftliche Kräfte oder Private beeinträchtigt werden können. Insoweit ist sie Bestandteil der Garantie der Eigenständigkeit der Presse als objektives Prinzip, das Auslegung und Anwendung der maßgeblichen bürgerlich-rechtlichen Vorschriften bestimmt. | ||
b) Wie alle Grundrechte des Art.5 Abs.1 GG kann allerdings auch die Pressefreiheit eingeschränkt sein; soweit die Einwirkung des Grundrechts auf privatrechtliche Vorschriften in Frage steht, können ihm im Hinblick auf die Eigenart der geregelten Rechtsverhältnisse andere, unter Umständen engere Grenzen gezogen sein als in seiner Bedeutung als Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe. Erst wenn diese Grenzen berücksichtigt werden, ergibt sich im konkreten Fall die Tragweite des Grundrechts. Schranken können sich aus den in Art.5 Abs.2 GG genannten Gesetzen, aber auch unmittelbar aus der Verfassung selbst ergeben (vgl BVerfGE_44,37 (49 f) mwN - für Art.4 GG). | ||
4. In Fällen der vorliegenden Art sind Schranken der Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit, die durch "allgemeine Gesetze" gezogen sind, nicht erkennbar; auch mit dem Schutz der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre hat diese Ausformung der Pressefreiheit nichts zu tun. In Betracht zu ziehen sind indessen Schranken, die sich aus der Verfassung selbst ergeben: Es kommt darauf an, ob das Recht (Dritter), eine Meinung frei zu äußern (Art.5 Abs.1 Satz 1 GG) und die Pressefreiheit als Recht, Meinungsäußerungen in einem Druckwerk zu publizieren (Art.5 Abs.1 Satz 2 GG), den verfassungsrechtlichen Schutz der Vertraulichkeit der Pressearbeit begrenzen. | ||
a) Das setzt zunächst voraus, daß der Bericht über die Redaktionskonferenz in den Schutzbereich der beiden Grundrechte fällt, die unter dem hier wesentlichen Aspekt den gleichen Inhalt haben, mithin nicht gesondert erörtert werden müssen. | ||
Der in direkter Rede verfaßte Bericht steht in engem Zusammenhang mit der Kritik des Zweitbeklagten; er enthält Tatsachenmitteilungen, deren Inhalt die Beschwerdeführerin offenbar nicht bestritten hat. Solche Mitteilungen haben grundsätzlich am Schutz des Art.5 Abs.1 GG teil (vgl BVerfGE_61,1 <8 f> - Meinungsäußerung im Wahlkampf -). Vonw esentlicher Bedeutung ist jedoch die Art der Beschaffung der Information, also die Täuschung über die Identität des Zweitbeklagten in der Absicht, die so erlangten Informationen gegen die Beschwerdeführerin zu verwerten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob zwischen der Beschaffung der Information und deren späterer Verbreitung eine "Handlungseinheit" besteht, wie in der Verfassungsbeschwerde betont wird, oder ob Beschaffung und Verbreitung voneinander zu trennen sind, wie dies in der Stellungnahme der Beklagten ausgeführt ist, weil in beiden Fällen die Konsequenzen für die Zulässigkeit der Verbreitungd ie gleichen sein müssen. | ||
aa) Weder das Grundrecht der Freiheit der Meinungsäußerung noch die Pressefreiheit schützen die rechtswidrige Beschaffung von Informationen. Als eine solche hat der Bundesgerichtshof das Verhalten des Zweitbeklagten in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise gewürdigt, indem er dieses als unzulässiges "Einschleichen" und illegales Vorgehen gekennzeichnet hat. Ebensowenig schützt das Grundrecht der Informationsfreiheit (Art.5 Abs.1 Satz 1, 2.Halbsatz GG) eine solche Beschaffung: Dieses gewährleistet nur das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Daß die Redaktion eines privaten Verlags nicht zu diesen Quellen zu rechnen ist, bedarf keiner Erläuterung. Auf weiteres kommt es daher nicht an. | ||
bb) Demgegenüber fällt die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen in den Schutzbereich des Art.5 Abs.1 GG. Hierfür sprechen mehrere Gründe. Einmal wäre es wenig folgerichtig, ein Aussageverweigerungsrecht aus der Pressefreiheit abzuleiten, wenn diese nicht auch die Veröffentlichung dessen umfaßte, was ein Informant auf rechtswidrige Weise erlangt und der Presse zugetragen hat. Zum anderen könnte die Kontrollaufgabe der Presse leiden, zu deren Funktion es gehört, auf Mißstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen (vgl BVerfGE_60,234 (240 f) - Kredithaie -). Das gleiche gilt für die Freiheit des Informationsflusses, die gerade durch die Pressefreiheit erhalten und gesichert werden soll. Unter diesem Gesichtspunkt, aber auch unter dem des Schutzes der Presse und ihrer Tätigkeit würde ein gänzlicher Ausschluß der Verbreitung rechtswidrig beschaffter Informationen aus dem Schutzbereich des Art.5 Abs.1 GG dazu führen, daß der G rundrechtsschutz von vornherein auch in Fällen entfiele, in denen es seiner bedarf. Das ist bei der Vielfalt möglicher Fallgestaltungen nicht ausgeschlossen. Diese kann hinsichtlich des Inhalts der Information von der Aufdeckung eines schweren Verbrechens bis hin zur Veröffentlichung persönlicher Angelegenheiten eines Bürgers reichen. Ebenso kann es im Hinblick auf die Art der Erlangung der Information verschiedene Stufungen geben, einerseits etwa den vorsätzlichen Rechtsbruch, um die auf diese Weise verschaffte Information zu publizieren oder gegen hohes Entgelt weiterzugeben, andererseits die bloße Kenntniserlangung von einer rechtswidrig beschafften Information, bei der die Rechtswidrigkeit dieser Beschaffung möglicherweise auch bei Wahrung der publizistischen Sorgfaltspflicht nicht einmal erkennbar ist. Auch kann es eine Rolle spielen, in welchem Maße Rechte eines Betroffenen verletzt worden sind. Infolgedessen ist die Verbreitung auch rechtswidrig erlangter Informationen in den Schutzbereich des Art.5 Abs.1 GG einzubeziehen. Den Besonderheiten des konkreten Falles ist im Rahmen der Würdigung der Schrankenproblematik Rechnung zu tragen. | ||
b) Eine Beschränkung der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit kann sich in Fällen wie dem vorliegenden aus den §§ 823 und 826 iVm § 1004 BGB ergeben. Diese Vorschriften sind allgemeine Gesetze im Sinne des Art.5 Abs.2 GG. Wenn, wie der Bundesgerichtshof als zuständiger oberster Gerichtshof annimmt, § 823 Abs.1 BGB in seiner Bedeutung für den Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs einen nach Umfang und Inhalt "offenen" Haftungstatbestand enthält und Entsprechendes für § 826 BGB gilt, so führt das namentlich für die höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Notwendigkeit, solche Offenheiten konkretisierend zu schließen, indem unter Berücksichtigung der Besonderheiten der zu beurteilenden Sachverhalte und der Bedeutung der Grundrechte - hier des Art.5 Abs.1 GG (vgl BVerfGE_7,198 <208>) - Grundsätze entwickelt werden, welche die Entscheidung des Einzelfalles normativ zu leiten imstande sind: Das, was das Gesetz offenläßt, ist durch Richterrecht auszufüllen. Diese Aufgabe ist nicht gleichbedeutend mit derjenigen einer unvermittelten einzelfallbezogenen Güter- und Interessenabwägung. Eine solche mag zwar in besonderem Maße Einzelfallgerechtigkeit verwirklichen. Sie kann aber die Rechtsfindung nicht normativ leiten, wie es die Aufgabe der Gesetze und des ergänzenden Richterrechts ist; ebensowenig vermag sie dem rechtsstaatlichen Gebot der Berechenbarkeit des Rechts, der R echtsklarheit und Rechtssicherheit gerecht zu werden. | ||
Soweit hiernach bei der Konkretisierung offener Normen Art.5 Abs.1 GG zu berücksichtigen ist, wird der Stellenwert dieser Gewährleistung vor allem durch zwei Faktoren bestimmt. Auf der einen Seite kommt es auf den Zweck der strittigen Äußerung an: Dem Grundrecht der Meinungsfreiheit kommt um so größeres Gewicht zu, je mehr es sich nicht um eine unmittelbar gegen ein privates Rechtsgut gerichtete Äußerung im privaten, namentlich im wirtschaftlichen Verkehr und in Verfolgung eigennütziger Ziele, sondern um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt (BVerfGE_7,198 <212>, st Rspr; vgl etwa noch BVerfGE_61,1 <11>). Auf der anderen Seite ist aber auch das Mittel von wesentlicher Bedeutung, durch welches ein solcher Zweck verfolgt wird, inF ällen der vorliegenden Art also die Veröffentlichung einer durch Täuschung widerrechtlich beschafften und zu einem Angriff gegen den Getäuschten verwendeten Information - nicht etwa nur die Verbreitung einer wertenden Äußerung. Ein solches Mittel indiziert in der Regel einen nicht unerheblichen Eingriff in den Bereich eines anderen, namentlich dann, wenn dieser wegen seiner Vertraulichkeit geschützt ist; darüber hinaus gerät es in einen schwerwiegenden Widerspruch mit der Unverbrüchlichkeit des Rechts, einer Grundvoraussetzung der Rechtsordnung. Bei dieser Sachlage hat d ie Veröffentlichung grundsätzlich zu unterbleiben. Eine Ausnahme kann nur gelten, wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiegt, welche der Rechtsbruch für den Betroffenen und die (tatsächliche) Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehen muß. Das wird in der Regel dann nicht der Fall sein, wenn die in der dargelegten Weise widerrechtlich beschaffte und verwertete Information Zustände oder Verhaltensweisen offenbart, die ihrerseits nicht rechtswidrig sind; denn dies deutet darauf hin, daß es sich nicht um Mißstände von erheblichem Gewicht handelt, an deren Aufdeckung einü berragendes öffentliches Interesse besteht. | ||
c) Diese Verfassungslage ist für die Beurteilung von Fällen der vorliegenden Art von ausschlaggebender Bedeutung. | ||
aa) Das angegriffene Urteil enthält Ausführungen, denen sich ein Grundsatz zur Ausfüllung des § 823 Abs.1 und § 826 BGB entnehmen läßt: Die nachteiligen Wirkungen der Veröffentlichung könnten nur dann hingenommen werden, wenn Ernsthaftigkeit und Bedeutung des Anliegens, das der Kritiker mit seinem Beitrag verfolge, das Gewicht dieser Nachteile für den Betroffenen und für die Rechtsordnung in den Hintergrund drängten; dabei geht der Bundesgerichtshof, wie der Zusammenhang des Textes zeigt, davon aus, daß das "Anliegen" des Kritikers ein Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage sein muß. Ein solcher Grundsatz ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. | ||
bb) Verfassungsrechtlichen Einwänden unterliegt jedoch die Anwendung dieses Grundsatzes. Der Bundesgerichtshof hat jenem Anliegen zu hohes, dem Einbruch in die Sphäre der Beschwerdeführerin und den aus der Folgenlosigkeit eines solchen Vorgehens resultierenden Nachteilen für die Rechtsordnung zu geringes Gewicht beigemessen. Zwischen beiden besteht ein Mißverhältnis. | ||
Gewiß kann der Hauptzweck der strittigen Veröffentlichung nicht in der Verfolgung eigennütziger Ziele der Beklagten gesehen werden. Es ging vielmehr in erster Linie darum, die Kritik an der "Bild"-Zeitung durch die Aufdeckung wirklicher oder vermeintlicher Mißstände im Bereich der Herstellung dieses Blattes über das bloß Meinungsmäßige hinaus durch eine tatsächliche Grundlage zu unterbauen und damit um so wirksamer zu machen. Angesichts der lebhaften Diskussion über Ziele und Funktion der "Bild"-Zeitung betraf diese Kritik auch eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage. Die Schilderung der Redaktionskonferenz deckt indessen auch nach Auffassung des Bundesgerichtshofs keine gravierenden Mißstände auf; vollends offenbart sie nichts, was als rechtswidrig angesehen werden könnte. Es werden lediglich Themen durchgesprochen, wie sie täglich in der "Bild"-Zeitung behandelt werden und von denen einige auch eine gewisse Tendenz erkennen lassen. Das läßt sicher, wie der Bundesgerichtshof ausgeführt hat, Einblicke in das "Klima" einer Redaktionskonferenz zu, kann aber für sich genommen schwerlich als Gegenstand eines besonderen Öffentlichkeitsinteresses betrachtet werden. | ||
Dies hat auch der Bundesgerichtshof gesehen. Nach seiner Auffassung kommt es indessen nicht darauf an, daß die Aufzeichnung der Redaktionskonferenz kein ausreichend deutlicher Beleg für den kritisierten Umgang mit Informationen bei "Bild"- Hannover sei. Die Schilderung müsse vielmehr im Zusammenhang der Gesamtveröffentlichung gesehen werden. Die Kritik, der diese Schilderung diene, werde durch zahlreiche andere Beispiele getragen. Deren Gegenstand seien gewichtige Mißstände, weshalb das illegale Vorgehen des Zweitbeklagten noch kein Verwertungsverbot für die zugrundeliegenden Informationen nach sich ziehen könne. Selbst bei einer Erweiterung der Würdigung auf einen solchen Gesamtzusammenhang bleibt es aber dabei, daß auch die weiteren Beispiele - mögen sie auch zu Beanstandungen Anlaß geben - nichts enthalten, was als rechtswidrig anzusehen wäre, und daß die Informationen nur zur Untermauerung der Kritik des Zweitbeklagten dienten. Diese mochte weniger wirksam sein, wenn sie auf die Verwertung der widerrechtlich beschafften Informationen verzichtet hätte. An Kritik war der Zweitbeklagte jedoch auch in einem solchen Falle nicht gehindert. | ||
Auf der anderen Seite hat der Bundesgerichtshof die Bedeutung des verfassungsrechtlich ebenfalls wesentlichen Mittels der Beschaffung und Veröffentlichung der Informationen unzutreffend gewürdigt. | ||
Nach seiner Auffassung wird die Rechtsordnung durch Mißstände in der Öffentlichkeitsarbeit der "Bild"-Zeitung, deren Aufklärung und Bewertung im Austausch der Meinungen zu den Aufgaben gehöre, um derentwillen das Grundgesetz die Meinungsfreiheit garantiere, insgesamt gesehen stärker betroffen als durch den Umstand, daß ihre Offenlegung zugleich die illegale Informationsbeschaffung manifest mache. Ein Veröffentlichungsverbot um der Ordnung willen müsse in diesem Konflikt als formales Abheben auf das zu beanstandende Verhalten nur der einen Seite, des Kritikers, erscheinen und die Störung der Ordnung durch die kritisierten Sachverhalte unbewertet lassen. Das aber müsse das Rechtsgefühl stärker belasten als die Zulassung der mit der Veröffentlichung verbundenen nachteiligen Wirkungen. | ||
Diese Ausführungen setzen sich nicht näher mit dem Umstand auseinander, daß, wie auch das Berufungsgericht ausgeführt hat, der Unrechtsgehalt der Beschaffung der Informationen durch den Zweitbeklagten erheblich ist. Dies ergibt sich aus dem besonderen Schutz der Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit. Zudem verletzen eine Täuschung durch den Publizierenden in der Absicht, die auf diese Weise erlangten Informationen gegen den Getäuschten zu verwenden, und die Realisierung dieser Absicht das Recht in schwerwiegender Weise. Der Erstbeklagte hat jedenfalls das Verhalten des Zweitbeklagten gebilligt. Die Beurteilung der hieraus resultierenden Nachteile für die Rechtsordnung vernachlässigt die Bedeutung der Verbindlichkeit des Rechts. Die Rechtsordnung besteht nicht nur aus "formalen" Regeln; ebensowenig ist sie nur Ordnung um der Ordnung willen, der sich eine "Ordnung" entgegensetzen läßt, welche durch die kritisierten, das bestehende Recht nicht verletzenden Sachverhalte gestört wird und der gegenüber der an Verfassung und Gesetz gebundene Richter sich unmittelbar auf das Rechtsgefühl berufen kann. Unter dem Grundgesetz ist die Rechtsordnung vielmehr eine förmliche und inhaltliche Ordnung, die der demokratische Gesetzgeber im Rahmen und nach den Richtlinien der Verfassung zu schaffen hat. Hiervon abgesehen ist die prinzipielle Verbindlichkeit des Rechts Grundvoraussetzung seiner Ordnungs- und Friedensfunktion, ohne die menschliches Zusammenleben in einem Gemeinwesen nicht möglich ist. | ||
Dem trägt es nicht hinreichend Rechnung, wenn der Bundesgerichtshof davon ausgeht, daß ein Verbot der Veröffentlichung der rechtswidrig beschafften Informationen lediglich formal zu begründen wäre, und wenn er die Nachteile als gering veranschlagt, welche der Beschwerdeführerin und zugleich der Rechtsordnung durch eine Hinnahme der Illegalität der Beschaffung erwachsen. Damit wird nicht nur die dargelegte Bedeutung und der Eigenwert der Verbindlichkeit des Rechts verkannt, sondern auch in einem unvertretbaren Maße die Schwelle heruntergesetzt, jenseits deren erhebliche Rechtsverletzungen folgenlos bleiben. | ||
5. Die angegriffene Entscheidung beruht auf diesem Fehler: Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Bundesgerichtshof, hätte er die nachteiligen Wirkungen einer Sanktionslosigkeit des Verhaltens der Beklagten anders beurteilt, einen Vorrang des von diesen verfolgten Anliegens verneint hätte, zumal der Bericht über die Redaktionskonferenz nur der erhöhten Wirksamkeit einer dem Zweitbeklagten unbenommenen Kritik diente, während er für sich genommen keine wesentliche Öffentlichkeitsbedeutung in Anspruch nehmen konnte. Bei einer solchen Beurteilung wäre die Veröffentlichung der Beklagten nicht durch Art.5 Abs.1 GG gedeckt. Damit fehlte es an einer Schranke der Pressefreiheit, soweit diese auch die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit von Presseunternehmen schützt (vgl oben 3). Die angegriffene Entscheidung zu dem Klagantrag 1) verstößt mithin gegen Art.5 Abs.1 Satz 2 GG." | ||
Auszug aus BVerfG B, 25.01.84, - 1_BvR_272/81 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.44 | ||
§§§ |
84.003 | Hochschule Hannover | |
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1) Durch Grundrechte von Studienbewerbern wurde der Gesetzgeber nicht daran gehindert, den bisherigen akademischen Mittelbau umzugestalten. Jedoch sind bei solchen Strukturreformen Verminderungen der vorhandenen Ausbildungskapazitäten soweit wie möglich zu vermeiden. | ||
2) Die Pflicht zur erschöpfenden Nutzung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten wird nicht dadurch verletzt, daß für die gesamte Stellengruppe der Hochschulassistenten ein einheitliches Lehrdeputat von vier Semesterwochenstunden und für Wissenschaftliche Mitarbeiter im Sinne des § 53 des Hochschulrahmengesetzes ein Lehrdeputat von acht Semesterwochenstunden zugrunde gelegt wird. Der Ansatz eines einheitlichen Lehrdeputats von acht Semesterwochenstunden für sämtliche Stellen, die mit Wissenschaftlichen Mitarbeitern oder mit Akademischen Räten, Oberräten und Direktoren alter Art besetzt sind, läßt sich weder mit der Strukturreform des akademischen Mittelbaus noch mit dem Stellenprinzip der Kapazitätsverordnung rechtfertigen. | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
84.004 | Zwangläufige Unerhaltsaufwendungen | |
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Im Einkommensteuerrecht darf der Gesetzgeber für die Berücksichtigung zwangsläufiger Unterhaltsaufwendungen keine realitätsfremden Grenzen ziehen. | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel:
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§§§ |
84.005 | Hochschulgesetz (SH) | |
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Die hälftige Aufteilung der Sitze in den Gremien der Hochschule zwischen den Hochschulassistenten und den übrigen Mitgliedern der Gruppe nach § 38 Abs.2 Satz 1 Nr.3 Hochschulrahmengesetz durch das Schleswig-Holsteinische Hochschulgesetz ist mit dem Bundesrecht vereinbar. | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel:
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§§§ |
84.006 | Emeritierungsalter | |
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Zur Verfassungsmäßigkeit von § 224 Absatz 3 Satz 1 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Übergangsregelung bei der Herabsetzung des Emeritierungsalters). | ||
LB 2) Zur abweichenden Meinung der Richter Steinberger und Böckenförde, siehe BVerfGE_67,21 = www.dfr/BVerfGE, Abs.53 ff. | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel:
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T-85-02 | Herabsetzung | |
"§ 224 Abs.3 Satz 1 LBG ist mit dem Bundesrecht vereinbar. I. | ||
Das Verwaltungsgericht hat in seinem Vorlagebeschluß § 224 Abs.3 Satz 1 LBG lediglich am Maßstab der Vorschriften des Grundgesetzes geprüft, ohne diese Regelung auch an den einschlägigen Normen des einfachen Bundesrechts, namentlich des Hochschulrahmengesetzes, zu messen. Die Prüfung des Bundesverfassungsgerichts im Verfahren der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG beschränkt sich jedoch nicht auf die Verfassungsmäßigkeit einer Norm nur unter dem Blickwinkel des vorlegenden Gerichts. Vielmehr ist die Norm insoweit, als sie zulässigerweise zur Prüfung gestellt wird, unter allen denkbaren verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten Gegenstand des Verfahrens (vgl BVerfGE_26,44 <58>). Verstieße die genannte landesrechtliche Vorschrift gegen das Hochschulrahmengesetz, so wäre sie nach Art.31 GG nichtig und könnte nur durch das Bundesverfassungsgericht verworfen werden, das aus diesen Gründen auch das einfache Bundesrecht als Prüfungsmaßstab heranzuziehen hat (Ulsamer in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/ Ulsamer, ua, BVerfGG, § 80 Rdnr.116 Fn.2). II. | ||
Das Land Nordrhein-Westfalen war weder aufgrund des Hochschulrahmengesetzes noch aufgrund der Verfassung verpflichtet, für alle Altprofessoren die Altersgrenze von 68 Jahren für die Emeritierung beizubehalten. | ||
1. § 224 Abs.3 Satz 1 LBG, wonach für diejenigen nach § 119 WissHG übergeleiteten ordentlichen Professoren, die vor dem 1. Januar 1981 das 65.Lebensjahr vollendet haben, nicht aber für diejenigen, die es nach diesem Zeitpunkt vollendet haben oder vollenden, das 68.Lebensjahr die Altersgrenze für die Emeritierung ist, verstößt nicht gegen das Hochschulrahmengesetz. Maßgeblich ist insoweit § 76 Abs.1 Satz 1 HRG. Danach bleibt das Recht der am Tag vor Inkrafttreten des jeweiligen Landeshochschulgesetzes vorhandenen ordentlichen und außerordentlichen Professoren, nach Erreichen der Altersgrenze von ihren Pflichten entbunden zu werden (Entpflichtung), unberührt. Die Altersgrenze wird nicht ausdrücklich festgelegt. Der Wortlaut der Vorschrift unterscheidet jedoch zwischen dem Erreichen der Altersgrenze einerseits und dem Recht, zu diesem Zeitpunkt von den amtlichen Pflichten entbunden zu werden, andererseits. Damit wird der Landesgesetzgeber erkennbar auf § 25 BRRG verwiesen, der es ihm überläßt, die Altersgrenze der Beamten zu bestimmen. Auch der rahmenrechtliche Charakter des § 76 Abs. 1 Satz 1 HRG spricht dafür, daß die sich aus ihm ergebende Einschränkung der Gesetzgebungskompetenz der Länder nicht weiter geht, als dies der Wortlaut zwingend erfordert (vgl BVerfGE_25,142 <152>). § 76 Abs.1 Satz 1 sichert deshalb den Altprofessoren nur das Recht zur Emeritierung, nicht auch das zum Verbleib im aktiven Dienst bis zum 68.Lebensjahr. | ||
2. Auch die Verfassung selbst, namentlich Art.33 Abs.5 GG, verpflichtet den Landesgesetzgeber nicht, für die Altprofessoren die Altersgrenze von 68 Jahren beizubehalten. | ||
Nach Art.33 Abs.5 GG muß zwar der Gesetzgeber bei der Regelung des Rechts des öffentlichen Dienstes die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums berücksichtigen. Geschützt werden aber im Unterschied zu Art.129 Abs.1 Satz 3 WRV nicht die "wohlerworbenen Rechte" der Beamten, sondern nur der Kernbestand von Strukturprinzipien der Institution des Berufsbeamtentums (BVerfGE_64,323 <351>; stRspr). Das Beamtenverhältnis der Hochschullehrer weist in vielen Beziehungen Besonderheiten gegenüber dem allgemeinen Beamtenverhältnis auf (BVerfGE_3,58 <141>). Soweit sich aus Art.33 Abs.5 GG allerdings Individualrechte bei beamteten Hochschullehrern herleiten lassen, können sich diese auch hier nur darauf beziehen, daß der Gesetzgeber hergebrachte Grundsätze zu beachten hat, welche den beamtenrechtlichen Status der Hochschullehrer betreffen | ||
Da die Emeritierung im Hochschulrahmengesetz für Altprofessoren beibehalten wurde, kann dahinstehen, ob sie als solche zu den durch Art.33 Abs.5 GG geschützten hergebrachten Grundsätzen des Hochschullehrerbeamtenrechts gehört. Das Emeritierungsalter von 68 Jahren gehört hierzu jedenfalls nicht. | ||
Die Altersgrenze für Hochschullehrer war im Laufe der Zeit unterschiedlich geregelt. Sie lag in der Weimarer Republik beispielsweise in den Ländern Hamburg, Sachsen und Württemberg bei 70, in Baden bei 68 und in Preußen bei 65 Jahren, allerdings mit der Maßgabe, daß die Emeritierung durch ministeriellen Erlaß im Interesse des Dienstes auf das 68. Jahr hinausgeschoben werden konnte. In Hessen und Thüringen war die Altersgrenze (65 bzw. 68 Jahre) nur fakultativ, in Bayern und Mecklenburg bestand eine Altersgrenze für Hochschullehrer nicht. In den meisten Ländern hatte der Hochschullehrer das Recht, sich mit 65 Jahren entpflichten zu lassen, ohne eine Notwendigkeit dafür begründen zu müssen (s Fischer in: Stier-Somlo/Elster, Handwörterbuch der Rechtswissenschaft, 2.Bd, 1927, Art Entbindung von den amtlichen Pflichten, S.271). | ||
Nach dem Gesetz über die Entpflichtung und die Versetzung von Hochschullehrern aus Anlaß des Neuaufbaus des deutschen Hochschulwesens vom 21.Januar 1935 (RGBl.I S.23), das bis zum 31.Dezember 1937 galt, wurden die beamteten Hochschullehrer des Deutschen Reiches zum Schluß des Semesters, in dem sie ihr 65. Lebensjahr vollendeten, kraft Gesetzes von ihren amtlichen Verpflichtungen entbunden. Danach wurden sie nach § 2 Abs.1 des Gesetzes vom 9.April 1938 (RGBl.I S.377) in Verbindung mit der DurchführungsVO vom 10. Juni 1939 (RGBl.I S.1010) mit dem Ende des Monats entpflichtet, in dem das zur Zeit der Vollendung des 65. Lebensjahres laufende Semester endete (vgl Brand, Das Deutsche Beamtengesetz, 4.Aufl, 1942, § 173 Anm.1). Erst in der Nachkriegszeit legten die einzelnen Länder die Altersgrenze für Hochschullehrer auf das 68. Lebensjahr fest (vgl Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 1956, S.271 f mit Fn.45). | ||
Nach alledem läßt sich ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums, nach dem die Altersgrenze für die Hochschullehrer bei 68 Jahren liegt, nicht feststellen. | ||
3. Neben der Sonderregelung für den öffentlichen Dienst in Art.33 Abs.5 GG scheidet Art.14 GG als Prüfungsmaßstab hinsichtlich etwaiger finanzieller Verluste, die die Professoren durch die vorgezogene Emeritierung erleiden, aus. Der verfassungsrechtlichen Prüfung ist insoweit im Rahmen der Beurteilung am Maßstab des Art.33 Abs.5 GG genügt (BVerfGE_16,94 <112 f, 114 f> mwN; BVerfGE_17,337 <355>; BVerfGE_52,303 <344 f>). III. | ||
Der Grundsatz des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes und das Grundrecht auf Freiheit von Forschung und Lehre werden durch § 224 Abs.3 Satz 1 LBG nicht verletzt. | ||
1. Art.33 Abs.5 GG, der heute im Zusammenhang mit dem Sozialstaatsprinzip und anderen Wertentscheidungen des Grundgesetzes gesehen werden muß (BVerfGE_44,249 <267>; BVerfGE_49,260 <273>; BVerfGE_52,303 <341>), verlangt vom Gesetzgeber auch in Fällen der vorliegenden Art eine sorgfältige Abwägung (vgl BVerfGE_43,242 <286 ff>; BVerfGE_52,303 <341>). Er fordert hierbei die ausreichende Berücksichtigung der konkreten Belange des öffentlichen Dienstes unter Einbeziehung derjenigen des betroffenen Beamten und der Bedeutung der Neuregelung für das Wohl der Allgemeinheit (vgl BVerfGE_43,242 <286>; BVerfGE_52,303 <341>). Der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes hat für das Beamtenrecht in aller Regel eine eigene Ausprägung und verfassungsrechtliche Ordnung erfahren (vgl BVerfGE_52,303 <345> mwN). Auch insoweit ist mithin die verfassungsrechtliche Prüfung am Maßstab des Art.33 Abs.5 GG ausreichend (BVerfGE_52,303 <345>). 43 Die rechtsstaatlichen Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ziehen allen Hoheitsakten, die belastend in verfassungsmäßig verbürgte Rechtsstellungen eingreifen, enge Grenzen (BVerfGE_63,343 <356 f>; vgl auch BVerfGE_30,392 <402 f>; BVerfGE_43,242 <286>). Diese Grenzen muß der Gesetzgeber insbesondere bei Rechtsnormen mit Rückwirkung beachten, wenn also der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereiches normativ auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm rechtlich existent, dh gültig geworden ist (BVerfGE_63,343 <353>). Eine Rückwirkung in diesem Sinne liegt hier nicht vor. Aber auch für Gesetze, die auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirken und damit zugleich die betroffenen Rechtspositionen nachträglich entwerten, können sich, obgleich sie grundsätzlich zulässig sind, aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes je nach Lage der Verhältnisse verfassungsrechtliche Grenzen ergeben (BVerfGE_30,392 <402> mwN; BVerfGE_39,128 <143 ff>; BVerfGE_43,242 <286>; BVerfGE_43,291 <391>; stRspr). Hierbei ist zwischen dem Vertrauen auf den Fortbestand des Rechtszustandes nach der bisherigen gesetzlichen Regelung und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit abzuwägen (BVerfGE_43,242 <286>; BVerfGE_43,291 <391>). Der Vertrauensschutz geht allerdings nicht so weit, den Betroffenen vor jeder Enttäuschung zu bewahren (BVerfGE_43,242 <286>; vgl. auch BVerfGE_24,220 <230> mwN). Auch im Bereich des Hochschullehrerbeamtenrechts ist es zulässig, das bestehende Recht an veränderte Gegebenheiten anzupassen oder aus politischen Gründen einen Wandel der Verhältnisse zu bewirken. Zu diesem Zweck kann es erforderlich sein, Normen zu erlassen, die in erheblichem Umfang an in der Vergangenheit liegende Umstände anknüpfen (vgl BVerfGE_63,343 <357>). | ||
Der Gesetzgeber ist allerdings bei der Aufhebung oder Modifikation geschützter Rechtspositionen, auch wenn der Eingriff an sich verfassungsrechtlich zulässig ist, aufgrund des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, eine angemessene Übergangsregelung zu treffen (BVerfGE_43,242 <288> mwN). Dabei steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht unterliegt insoweit nur, ob der Gesetzgeber bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe unter Berücksichtigung aller Umstände die Grenze der Zumutbarkeit überschritten hat (BVerfGE_43,242 <288 f>). | ||
2. Das ist hier nicht geschehen. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Abwägung genügt den von Verfassungs wegen zu stellenden Anforderungen. Die freilich sehr kurz bemessene Übergangsfrist des § 224 Abs.3 Satz 1 LBG ist noch ausreichend. Sie beträgt im ungünstigsten Fall zwölf, im Falle des Klägers des Ausgangsverfahrens achtzehn Monate. Bei der erforderlichen Abwägung ist einerseits zu berücksichtigen, daß durch die vorzeitige Emeritierung in die Rechte eines Professors eingegriffen wird. Neben regelmäßig eintretenden finanziellen Einbußen, namentlich dem Wegfall der Kolleggeldpauschale, ist insbesondere damit zu rechnen, daß längerfristig angelegte Forschungsvorhaben durchkreuzt werden (Mußgnug, MittHV 1980, S.22 <24 f>). Obwohl Forschungsmittel vor allem im Interesse der Hochschule bzw. der Allgemeinheit und nicht im eigenen Interesse des forschenden Hochschullehrers zur Verfügung gestellt werden, ist dennoch Art.5 Abs.3 GG bei der Verteilung der Mittel zu berücksichtigen, weil der Hochschullehrer als Inhaber des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit auf die äußeren Rahmenbedingungen für die Grundrechtsausübung angewiesen ist. Ein besonderes Interesse, erst mit 68 Jahren emeritiert zu werden, kann sich im Einzelfall auch daraus ergeben, daß der Hochschullehrer eine Berufung an die Hochschule eines anderen Bundeslandes, in dem nach wie vor die Altersgrenze von 68 Jahren für die Emeritierung der Altprofessoren gilt, abgelehnt hat, etwa im Vertrauen darauf, in Nordrhein-Westfalen bis zu diesem Alter im aktiven Dienst verbleiben zu können. Hingegen ist bei der Abwägung grundsätzlich außer acht zu lassen, daß durch die Emeritierung möglicherweise Nebentätigkeiten und die damit verbundenen Einkünfte verlorengehen. Denn zum einen werden die personellen und sachlichen Mittel den Professoren nicht zur Ausführung von Nebentätigkeiten überlassen. Zum anderen greift die Emeritierung in das Recht, Nebentätigkeiten durchzuführen, nicht ein. Sie hat insoweit allenfalls mittelbar die Wirkung, daß an einen emeritierten Professor weniger Aufträge zu Nebentätigkeiten vergeben werden als an einen aktiven. Das ist verfassungsrechtlich ohne Belang. Nichts anderes gilt, wenn einem Professor für die Dauer seines Amtes eine Funktion in einem privaten Forschungsinstitut übertragen worden ist (vgl BVerfGE_43,242 <284>). Daran ändert es auch nichts, daß der zuständige Minister die Tätigkeit des Klägers des Ausgangsverfahrens als Direktor des Deutschen Wollforschungsinstituts eV an der Technischen Hochschule Aachen bereits in der Berufungsvereinbarung genehmigt und somit die auch nach der Satzung des Instituts vorgesehene Verzahnung des Professorenamtes und der Tätigkeit als Institutsdirektor offenbar wurde. | ||
Den anerkennenswerten Interessen des Hochschullehrers stehen nämlich gewichtige Interessen der Allgemeinheit gegenüber, denen im Ergebnis der Vorrang eingeräumt werden durfte. Der Gesetzgeber des Landes Nordrhein-Westfalen war bestrebt, baldmöglichst die Altersgrenze für alle Beamten zu vereinheitlichen und sie auch für die emeritierungsberechtigten Hochschullehrer auf 65 Jahre festzulegen. Ein entscheidender Grund hierfür war, ausweislich einer Äußerung des Ministers für Wissenschaft und Forschung im Verlauf der Gesetzesberatungen, die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses (vgl die 67.Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung am 20. August 1979, Ausschußprotokoll 8/1577, S.45 f, siehe auch bereits die Äußerungen des Ministers in der ersten Lesung des Entwurfs des Gesetzes über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen | ||
Es ist ferner zu bedenken, daß die Rechtsstellung des Emeritus sich von derjenigen des infolge Erreichens der Altersgrenze in den Ruhestand versetzten Beamten wesentlich unterscheidet. Die Emeritierung bedeutet die Entbindung von den Pflichten des Amtes, verändert im übrigen die beamtenrechtliche Stellung des Professors jedoch nicht. Der Emeritus bleibt Angehöriger der Hochschule. Er darf nach wie vor zum Zwecke der Forschung Hochschuleinrichtungen benutzen und Lehrveranstaltungen durchführen (vgl statt aller: Dellian in: Dallinger/Bode/Dellian, Hochschulrahmengesetz, 1978, § 76 Rdnr.1; Reich, Hochschulrahmengesetz, 2.Aufl., 1979, § 76 Rdnr.2). Ein Teil der emeritierten Professoren, namentlich im Bereich der Geisteswissenschaften, deren Forschung auf Kliniken, Laboreinrichtungen und dergleichen nicht angewiesen ist, kann seine Vorhaben auch nach der Emeritierung fortsetzen. Dies gilt auch für Naturwissenschaftler, soweit sie theoretische Forschungen betreiben. Die Zahl der Emeriti, denen infolge der zur Prüfung gestellten Regelung die Forschung durch die vorgezogene Emeritierung tatsächlich unmöglich wird, dürfte nach alledem nicht groß sein, zumal ihnen die Hochschulen nach wie vor Möglichkeiten zur empirischen, etwa zur klinik- oder laborabhängigen Forschung zur Verfügung stellen können. Der Gesetzgeber durfte sich, wollte er im Interesse des wissenschaftlichen Nachwuchses das Freiwerden vieler Stellen erreichen und zu diesem Zweck zu einem möglichst frühen Zeitpunkt eine einheitliche Altersgrenze für alle Professoren festlegen, über die Interessen einzelner Professoren hinwegsetzen. | ||
Soweit den Professoren eine Übergangsfrist von zwölf oder, wie dem Kläger des Ausgangsverfahrens, achtzehn Monaten seit Inkrafttreten des Gesetzes und sogar eine etwas längere Frist seit der möglichen Kenntnisnahme von den gesetzgeberischen Plänen verblieb, um sich auf die neue Situation einzustellen, kann dies angesichts der überwiegenden Interessen der Allgemeinheit an der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses noch nicht als unzumutbar angesehen werden und ist deshalb verfassungsrechtlich noch nicht zu beanstanden. Zu Unrecht beruft sich der Kläger des Ausgangsverfahrens in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum hamburgischen Universitätsgesetz (BVerfGE_43,242), wonach das Gericht eine Frist von zwei Jahren, nach deren Ablauf die Instituts- und Klinikdirektoren nach der neuen Rechtslage, anders als vorher, abgewählt werden konnten, als "unverhältnismäßig kurz" ansah (BVerfGE_43,242 <289 f>). Im damaligen Verfahren stand der Eingriff des Gesetzgebers in Rechtspositionen zur Entscheidung, die auf individuellen Berufungsvereinbarungen beruhten, während hier die Überleitungsfrist bei Abänderung einer allgemeinen gesetzlichen Regelung zu beurteilen ist. | ||
Zu berücksichtigen ist auch, daß das Institut der Emeritierung wie auch ihr Zeitpunkt in den Jahren, in denen über die Strukturreform der Hochschulen beraten wurde, ständig Gegenstand politischer Erörterung waren; das Hochschulrahmengesetz hat das Institut der Emeritierung für die Zukunft abgeschafft. Demnach war mit der Änderung des insoweit geltenden Rechts über eine längere Zeit hinweg durchaus zu rechnen. | ||
3. § 224 Abs.3 LBG steht auch nicht im Widerspruch zu Art.5 Abs.3 Satz 1 GG. Wie das Bundesverfassungsgericht im sogenannten Hochschulurteil (BVerfGE_35,79) hervorgehoben hat, schützt zwar das in Art.5 Abs.3 GG enthaltene Freiheitsrecht als Abwehrrecht die wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe und steht jedem zu, der wissenschaftlich tätig ist oder tätig werden will. Dieser Freiheitsraum des Wissenschaftlers ist grundsätzlich ebenso vorbehaltlos geschützt wie die Freiheit künstlerischer Betätigung (BVerfGE_35,79 <112>). Das bedeutet aber nicht, daß dem Staat jede Neuordnung im Hochschulbereich untersagt wäre, nur weil sie Auswirkungen auf die Wissenschaftsfreiheit hat (vgl BVerfGE_35,79 <116>). Deshalb hindert Art.5 Abs. 3 GG den Staat grundsätzlich auch nicht, Neuregelungen im Bereich des Hochschullehrerbeamtenrechts vorzunehmen. Hier kann dahinstehen, welche Auswirkungen das Grundrecht der Freiheit von Forschung und Lehre auf das Dienstrecht der Hochschullehrer hat, da es im vorliegenden Falle nicht um dessen inhaltliche Ausgestaltung geht. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist zwar auch dadurch berührt, daß infolge der um drei Jahre vorgezogenen Emeritierung unter Umständen bestimmte Forschungsvorhaben der betroffenen Hochschullehrer sich nicht mehr durchführen lassen. Insoweit hat jedoch im Rahmen der Feststellung, daß die Angleichung des Emeritierungsalters der Hochschullehrer an das allgemeine beamtenrechtliche Pensionierungsalter und die in § 224 Abs.3 LBG getroffene Übergangsregelung weder Art.33 Abs.5 GG noch die Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verletzen, bei der gebotenen Abwägung zwischen dem Wohl der Allgemeinheit und dem Vertrauen, das die betroffenen Hochschullehrer in den Fortbestand des früheren Rechts setzen durften, auch deren durch das Grundrecht aus Art.5 Abs.3 Satz 1 GG geschützte Rechtsposition Berücksichtigung gefunden. Daneben bleibt hier für die Annahme eines Verstoßes gegen diese Verfassungsnorm kein Raum." | ||
Auszug aus BVerfG B, 10.04.84, - 2_BvL_19/82 -, www.BVerfG.de, Abs.31 ff | ||
§§§ |
84.007 | Asylantrag | |
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Für die gerichtliche Prüfung im Verfahren nach §§ 11, 10 Abs.3 Satz 2 des Asylverfahrensgesetzes, 80 Abs.5 der Verwaltungsgerichtsordnung der vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge getroffenen Feststellung, ein Asylantrag sei offensichtlich unbegründet, ist es von Verfassungs wegen geboten, daß sich die Verwaltungsgerichte nicht mit einer bloßen Prognose zur voraussichtlichen Richtigkeit der Feststellung begnügen, sondern die Frage der Offensichtlichkeit, soll sie bejaht werden, erschöpfend, wenngleich mit Verbindlichkeit nur für das Eilverfahren, klären und insoweit über eine lediglich summarische Prüfung hinausgehen. | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
84.008 | Wahlwerbung/WDR | |
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LB 1) Der Antragstellerin steht als politischer Partei der Weg der Verfassungsbeschwerde offen, wenn sie -- wie hier -- behauptet, durch eine Verwaltungsmaßnahme in ihrem Recht auf gleichberechtigte Benutzung einer Anstalt des öffentlichen Rechts verletzt zu sein ( BVerfGE_7,99 <103>; BVerfGE_14,121 <129>; BVerfGE_27,152 <158>). | ||
LB 2) Die Rundfunk- und Fernsehanstalten sind Anstalten des öffentlichen Rechts, die jedenfalls dann hoheitlich tätig werden, wenn sie in Ausübung des Rundfunkmonopols im Wahlkampf Sendezeiten für Wahlwerbung zuteilen oder verweigern (BVerfGE_47,198 <223> mwN). | ||
LB 3) Gegen die Zulässigkeit spricht auch nicht, daß der Rechtsweg im verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren nicht erschöpft ist (vgl BVerfGE_47,198 <224>). | ||
LB 4) Durch eine einstweilige Anordnung darf zwar nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Hauptsache nicht vorweggenommen werden (BVerfGE_12,276 <279<; BVerfGE_15,77 <78>; (vgl BVerfGE_46,160 <163 f>). | ||
LB 5) Dadurch wird die Zulässigkeit des Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung im vorliegenden Fall jedoch nicht in Frage gestellt, da unter den obwaltenden Umständen eine Entscheidung in der Hauptsache zu spät kommen würde und der Antragstellerin in anderer Weise ausreichender Rechtsschutz nicht mehr gewährt werden könnte (vgl BVerfGE_34,160 <162 f>). | ||
LB 6) Die Wahlwerbung in Hörfunk und Fernsehen gehört heute zu den wichtigen Mitteln im Wahlkampf der politischen Parteien. Die Vergabe von Hörfunk- und Fernsehzeiten für Wahlwerbesendungen muß daher dem Grundsatz der gleichen Wettbewerbschancen der politischen Parteien als dem für den gesamten Wahlvorgang gültigen Maßstab Rechnung tragen (BVerfGE_34,160 <163>; BVerfGE_47,198 <225>). | ||
LB 7) Der Grundsatz der Chancengleichheit gebietet, bei der Zuteilung von Sendezeit an zur Teilnahme an einer Wahl zugelassene Parteien auch kleineren oder neuen Parteien eine angemessene Sendezeit zur Verfügung zu stellen (BVerfGE_47,198 <225>). | ||
LB 8) Dabei dürfen zum Zwecke der Wahlwerbung vorgesehene Sendungen der politischen Parteien nur bei einem evidenten und ins Gewicht fallenden Verstoß gegen allgemeine Normen des Strafrechts zurückgewiesen werden; das den Rundfunkanstalten zustehende Prüfungsrecht ist großzügig zu handhaben (BVerfGE_47,198 <230 ff>). | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel:
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T-84-02 | Einstweilige Anordnung | |
"Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist zulässig. | ||
1. Der Antragstellerin steht als politischer Partei der Weg der Verfassungsbeschwerde offen, wenn sie -- wie hier -- behauptet, durch eine Verwaltungsmaßnahme in ihrem Recht auf gleichberechtigte Benutzung einer Anstalt des öffentlichen Rechts verletzt zu sein (BVerfGE_7,99 <103>; BVerfGE_14,121 <129>; BVerfGE_27,152 <158>). Die Rundfunk- und Fernsehanstalten sind Anstalten des öffentlichen Rechts, die jedenfalls dann hoheitlich tätig werden, wenn sie in Ausübung des Rundfunkmonopols im Wahlkampf Sendezeiten für Wahlwerbung zuteilen oder verweigern (BVerfGE_47,198 <223> mwN). | ||
2. Gegen die Zulässigkeit spricht auch nicht, daß der Rechtsweg im verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren nicht erschöpft ist (vgl BVerfGE_47,198 <224>). | ||
3. Durch eine einstweilige Anordnung darf zwar nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Hauptsache nicht vorweggenommen werden (BVerfGE_12,276 <279>; BVerfGE_15,77 <78>; BVerfGE_46,160 <163 f>). Dadurch wird die Zulässigkeit des Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung im vorliegenden Fall jedoch nicht in Frage gestellt, da unter den obwaltenden Umständen eine Entscheidung in der Hauptsache zu spät kommen würde und der Antragstellerin in anderer Weise ausreichender Rechtsschutz nicht mehr gewährt werden könnte (vgl BVerfGE_34,160 <162 f>). III. | ||
Das Bundesverfassungsgericht kann nach § 32 Abs.1 BVerfGG im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Die Voraussetzungen für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung sind hier gegeben. | ||
1. Die Wahlwerbung in Hörfunk und Fernsehen gehört heute zu den wichtigen Mitteln im Wahlkampf der politischen Parteien. Die Vergabe von Hörfunk- und Fernsehzeiten für Wahlwerbesendungen muß daher dem Grundsatz der gleichen Wettbewerbschancen der politischen Parteien als dem für den gesamten Wahlvorgang gültigen Maßstab Rechnung tragen (BVerfGE_34,160 <163>; BVerfGE_47,198 <225>). Der Grundsatz der Chancengleichheit gebietet, bei der Zuteilung von Sendezeit an zur Teilnahme an einer Wahl zugelassene Parteien auch kleineren oder neuen Parteien eine angemessene Sendezeit zur Verfügung zu stellen (BVerfGE_47,198 <225>). Dabei dürfen zum Zwecke der Wahlwerbung vorgesehene Sendungen der politischen Parteien nur bei einem evidenten und ins Gewicht fallenden Verstoß gegen allgemeine Normen des Strafrechts zurückgewiesen werden; das den Rundfunkanstalten zustehende Prüfungsrecht ist großzügig zu handhaben (BVerfGE_47,198 <230 ff>). | ||
2. Die angegriffenen Beschlüsse sind im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangen; sie nehmen jedoch die Entscheidung in der Hauptsache vorweg. Deshalb hat der Senat die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde in den Blick genommen (vgl BVerfGE_63,254). Bei dieser vorläufigen Prüfung haben sich erhebliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Beschlüsse ergeben. Vorbehaltlich einer abschließenden Prüfung im Hauptverfahren erscheint es zweifelhaft, ob diese Entscheidungen zu Recht einen evidenten und ins Gewicht fallenden Verstoß gegen § 185 und § 90a StGB angenommen haben. | ||
3. Die Zurückweisung der zur Ausstrahlung am 15.Mai 1984 vorgesehenen Wahlwerbesendung der Antragstellerin greift im Hinblick darauf, daß ihr als kleinerer Partei lediglich zwei Termine für Wahlwerbespots im Gemeinschaftsprogramm "Deutsches Fernsehen" zugewiesen worden sind, in erheblichem Maße in ihr Recht auf Chancengleichheit ein. Bei dieser Sachlage ist es geboten, der Antragstellerin einen weiteren geeigneten Termin zur Ausstrahlung einer Wahlsendung einzuräumen; dies ist in der Zeit bis zum 15.Juni 1984 ohne schwerwiegende Nachteile für andere Parteien noch möglich. Anhaltspunkte dafür, daß die Antragstellerin in mißbräuchlicher Weise die Nachholung der zurückgewiesenen Wahlwerbesendung zu einem für sie günstigeren Zeitpunkt angestrebt hätte, liegen nicht vor. | ||
4. Die Antragstellerin hat eine in Text und Bild geänderte -- sich jedoch mit Fragen des Schwangerschaftsabbruchs gleichfalls kritisch auseinandersetzende -- Fassung des beanstandeten Wahlwerbespots eingereicht. Diese unterscheidet sich von dem zurückgewiesenen Wahlwerbespot nicht so sehr, daß der Antragstellerin damit die Möglichkeit genommen wäre, ihre sachliche Aussage in aller Deutlichkeit zum Ausdruck zu bringen. In Anbetracht dessen erwächst ihr kein ins Gewicht fallender Nachteil im Sinne des § 32 BVerfGG, wenn ihre Wahlwerbesendung nicht in der ursprünglich beabsichtigten Fassung ausgestrahlt wird. Der damit verbundene Nachteil wiegt nicht so schwer, daß dessen Abwehr zum gemeinen Wohl dringend geboten ist; insoweit war deshalb der Antrag abzulehnen. | ||
Ein Wahlwerbespot mindestens in der nunmehr vorliegenden Form ist der Antragstellerin jedoch zuzubilligen." | ||
Auszug aus BVerfG B, 30.05.84, - 2_BvR_617/84 -, www.BVerfG.de, Abs.8 ff | ||
§§§ |
84.009 | G-10 | |
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1) Für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen Maßnahmen der Postkontrolle und Telefonkontrolle nach § 3 des Gesetzes zu Art.10 GG (G 10) reicht es aus, wenn der Bürge darlegt, daß er mit einiger Wahrscheinlichkeit durch die Anordnung des Bundesministers der Verteidigung in seinen Grundrechten aus Art.10 Abs.1 GG verletzt sei. | ||
2) Das grundrechtseinschränkende Gesetz zu Art.10 GG ist aus der Erkenntnis der grundlegenden Bedeutung des Postgeheimnisses, Briefgeheimnisses und Fernmeldegeheimnisses auszulegen und so in seiner grundrechtsbegrenzenden Wirkung selbst wieder im Lichte dieser Grundrechte einzuschränken. | ||
3) Mit Art.10 GG ist es nicht vereinbar, Überwachungsmaßnahmen nach § 3 G 10 zur Gefahrenabwehr für die innere Sicherheit einzusetzen. | ||
4) Für die zuständigen Anordnungsbehörden besteht bei Maßnahmen im Sinne des § 3 Abs.1 G 10 keine verfassungsrechtlich gebotene Verpflichtung, diese den davon betroffenen Personen mitzuteilen. | ||
LB 5) "Rechtsweg" im Sinne des § 90 Abs.2 S.1 BVerfGG ist jede gesetzlich normierte Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts. | ||
LB 6) Gerichte sind die von der gesetzgebenden und vollziehenden Gewalt verschiedenen unabhängigen und nur dem Gesetz unterworfenen staatlichen Organe der rechtsprechenden Gewalt (Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ulsamer, BVerfGG, Stand September 1979, § 90 Rdnr.195). | ||
LB 7) Die Beschwerdemöglichkeit im Sinne des § 9 Abs.2 Satz 3 G 10 gehört nicht zum Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs.2 Satz 1 BVerfGG, weil sie keinen Weg zu einem unabhängigen Gericht eröffnet. | ||
LB 8) Die Kommission ist ein Kontrollorgan eigener Art außerhalb der rechtsprechenden Gewalt, das als Ersatz gerade für den fehlenden gerichtlichen Rechtsschutz dient (vgl BVerfGE_30,1 <23>). | ||
§§§ |
84.010 | Flick-Untersuchungsausschuß | |
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1) Zur Parteifähigkeit und Prozeßführungsbefugnis in einem Organstreit gemäß Art.93 Abs.1 Nr.1 GG um das Beweiserhebungsrecht eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. | ||
2) Wird ein Untersuchungsausschuß des Bundestages zur Kontrolle der Bundesregierung eingesetzt, erstreckt sich das Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses nach Art.44 Abs.1 GG auch auf das Recht auf Vorlage der Akten. | ||
3) a) Auf ein solches Aktenherausgabeverlangen findet gemäß Art.44 Abs.2 Satz 1 GG die Vorschrift der § 96 StPO sinngemäß, dh unter Beachtung des Sinnes parlamentarischer Kontrolle, Anwendung. | ||
4) a) Zu den von § 96 StPO erfaßten öffentlichen Belangen kann auch das Steuergeheimnis im Sinne der § 30 AO gehören. | ||
5) a) Das Beweiserhebungsrecht und das Recht auf Aktenvorlage gemäß Art.44 Abs.1 GG können durch die Grundrechte eingeschränkt sein. Beweiserhebungsrecht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses und grundrechtlicher Datenschutz müssen im konkreten Fall einander so zugeordnet werden, daß beide soweit wie möglich ihre Wirkungen entfalten. | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
84.011 | Anachronistischer Zug | |
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Zur Tragweite der Gewährleistung der Kunstfreiheit (Art.5 Abs.3 Satz 1 GG) für die strafrechtliche Beurteilung eines politischen Straßentheaters. | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel:
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§§§ |
84.012 | Laternengarage | |
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1) Die Regelung des Parkens von Fahrzeugen gehört zum Bereich des Straßenverkehrs im Sinne von Art.74 Nr.22 GG. | ||
2) Das Parken von Fahrzeugen ist im Bundesrecht jedenfalls seit 1961 durch § 6 StVG, §§ 15 und 16 StVO aF/ § 12 StVO nF erschöpfend geregelt. | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel:
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§§§ |
84.013 | Zahntechniker-Innungen | |
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1) Die Befugnis juristischer Personen des öffentlichen Rechts zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde hängt namentlich von der Funktion ab, in der sie von dem beanstandeten Akt der öffentlichen Gewalt betroffen sind. Besteht diese in der Wahrnehmung gesetzlich zugewiesener und geregelter öffentlicher Aufgaben, so kann eine juristische Person (hier: Innung) sich insoweit auf Grundrechte nicht berufen (Art.19 Abs.3 GG). Das Gleiche gilt für einen Zusammenschluß derartiger juristischer Personen, selbst wenn dieser privatrechtlich organisiert ist (hier: Innungsverband). | ||
2) Art.5 Nr.6 Satz 1 des Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz vom 22.Dezember 1981 ist mit dem Grundgesetz vereinbar. | ||
* * * | ||
T-84-02 | Grundrechtsfähigkeit | |
"Auf die beschwerdeführenden Innungen und Innungsverbände als juristische Personen sind die Grundrechte in dem hier maßgeblichen Zusammenhang "nach ihrem Wesen" nicht anwendbar (Art.19 Abs.3 GG); die Beschwerdeführer zu I, II, 1 und III, 1 bis 3 können mithin durch die angegriffenen gesetzlichen Vorschriften nicht in ihren Grundrechten (§ 90 Abs.1 BVerfGG) verletzt sein. | ||
1.Nach ihrer Geschichte und ihrem heutigen Inhalt sind die Grundrechte in erster Linie individuelle Rechte, Menschen- und Bürgerrechte, die den Schutz konkreter, besonders gefährdeter Bereiche menschlicher Freiheit zum Gegenstand haben (BVerfGE_50,290 <337>; vgl auch BVerfGE_61,82 <100>). Demgemäß dienen sie vorrangig dem Schutz der Freiheitssphäre des einzelnen Menschen als natürlicher Person gegen Eingriffe der staatlichen Gewalt; darüber hinaus sichern sie Voraussetzungen und Möglichkeiten für eine freie Mitwirkung und Mitgestaltung im Gemeinwesen (vgl BVerfGE_15,256 <262>; 21,362 <369>; 59,231 <255>; 61,82 <100 f>; 65,1 <43>). Juristische Personen als Grundrechtsinhaber anzusehen und sie in den Schutzbereich bestimmter materieller Grundrechte einzubeziehen, ist nur dann gerechtfertigt, wenn deren Bildung und Betätigung Ausdruck der freien Entfaltung der privaten natürlichen Personen ist, insbesondere wenn der "Durchgriff" auf die hinter ihnen stehenden Menschen es als sinnvoll und erforderlich erscheinen läßt (BVerfGE_21,362 <369>; 61,82 <101>). | ||
Diese Voraussetzungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei juristischen Personen des Privatrechts vielfach erfüllt (vgl BVerfGE_39,302 [312 | ||
Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen hat das Bundesverfassungsgericht für solche juristische Personen des öffentlichen Rechts oder ihre Teilgliederungen anerkannt, die von den ihnen durch die Rechtsordnung übertragenen Aufgaben her unmittelbar einem durch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich zugeordnet sind (BVerfGE_15,256 <262> - Universitäten und Fakultäten: Art.5 Abs.3 Satz 1 GG; BVerfGE_31,314 <322>; 59,231 <254> - Rundfunkanstalten: Art.5 Abs.1 Satz 2 GG) oder kraft ihrer Eigenart ihm von vornherein zugehören (vgl BVerfGE_18,385 <386 f> - Kirchen). Bei diesen Ausnahmen handelt es sich durchweg um juristische Personen des öffentlichen Rechts, die (im Umfangd er dargelegten Zuordnung) Bürgern (auch) zur Verwirklichung ihrer individuellen Grundrechte dienen, und die als eigenständige, vom Staat unabhängige oder jedenfalls distanzierte Einrichtungen bestehen (BVerfGE_45,63 <79>; 61,82 <103>). Ihre Tätigkeit betrifft insoweit nicht den Vollzug gesetzlich zugewiesener hoheitlicher Aufgaben, sondern die Ausübung grundrechtlicher Freiheiten. In den grundrechtsgeschützten Lebensbereich gehört indessen das Wirken juristischer Personen des öffentlichen Rechts nicht allein deshalb, weil ihnen Selbstverwaltungsrechte zustehen (BVerfGE_21,362 <370>; 39,302 <314>; 61,82 <103>). Auch der Umstand, daß eine juristische Person des öffentlichen Rechts öffentliche Aufgaben, also Aufgaben im Interesse der Allgemeinheit, wahrnimmt, macht sie nicht zum grundrechtsgeschützten "Sachwalter" des Einzelnen bei der Wahrnehmung seiner Grundrechte. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß der Bürger selbst seine Grundrechte wahrnimmt und etwaige Verletzungen geltend macht (vgl BVerfGE_61,82 <103 f>). | ||
Die vorstehenden Darlegungen zeigen: Grund der Nicht-Anwendbarkeit der Grundrechte auf juristische Personend es öffentlichen Rechts ist nicht die Rechtsform als solche. Maßgebend ist vielmehr, ob und inwieweit in der Rechtsstellung als juristische Person des öffentlichen Rechts eine Sach- und Rechtslage Ausdruck findet, welche nach dem "Wesen" der Grundrechte deren Anwendung auf juristische Personen entgegensteht. Diese Frage wird sich nicht in einer generellen Formel beantworten lassen. Es kommt namentlich auf die Funktion an, in der eine juristische Person des öffentlichen Rechts von dem beanstandeten Akt der öffentlichen Gewalt betroffen wird. Besteht diese Funktion in der Wahrnehmung gesetzlich zugewiesener und geregelter öffentlicher Aufgaben, so ist die juristische Person zumindest insoweit nicht grundrechtsfähig. . | ||
2. Die beschwerdeführenden Zahntechnikerinnungen können sich hiernach gegenüber den von ihnen angegriffenen Vorschriften des Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetzes nicht auf die als verletzt gerügten Grundrechte berufen. | ||
a) Handwerksinnungen sind freiwillige Zusammenschlüsse der selbständigen Handwerker des gleichen Handwerks oder sich fachlich oder wirtschaftlich nahestehender Handwerke innerhalb eines bestimmten Bezirks (§ 52 Abs.1 HwO) zur Förderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder (§ 54 Abs.1 HwO). Sie sind Körperschaften des öffentlichen Rechts mit dem Recht auf Selbstverwaltung (§ 53 HwO) und unterliegen der Rechtsaufsicht der Handwerkskammer (§ 75 HwO). Ihnen sind eine Reihe von (Pflicht-)Aufgaben - vorwiegend im Bereich des handwerklichen Berufsausbildungs- und Prüfungswesens - zur Erfüllung mit hoheitlichen Mitteln übertragen. Der in § 54 Abs.1 HwO enthaltene Aufgabenkatalog ist nicht abschließend; es ist dem Staat unbenommen, weitere, ihm obliegende Aufgaben zu delegieren (vgl BVerfGE_15,235 <240, 242>). Insoweit nehmen die Innungen öffentliche Aufgaben in hoheitlicher Form wahr (vgl BVerfGE_20,312 <321>). Daneben sind in § 54 Abs.2 und 3 HwO freiwillige Aufgaben aufgeführt, einschließlich des Rechts, Tarifverträge abzuschließen (vgl hierzu BVerfGE, aaO <317 ff>). | ||
b) Handwerksinnungen sind damit, auch ohne Zwangsmitgliedschaft, einerseits Teil der (im weiteren Sinne) staatlichen Verwaltung; andererseits nehmen sie die gemeinsamen berufsständischen und wirtschaftlichen Interessen der in ihnen zusammengeschlossenen Handwerker wahr (vgl. zu dieser "Doppelnatur" Fröhler/Oberndorfer, Körperschaften des öffentlichen Rechts und Interessenvertretung, 1974; Bieback, Die öffentliche Körperschaft, 1976, S.315 ff; Schuppert, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten, 1981, S.106, 163 mit Anm.380). Inwieweit sie bei der Wahrnehmung der letztgenannten Aufgaben partiell Träger bestimmter Grundrechte sein können, ist hier nicht zu entscheiden. Denn die angegriffenen gesetzlichen Regelungen gehören in denjenigen Funktionsbereich, in dem die Innungen Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahrnehmen; sie werden insoweit als Träger öffentlicher, vom Staat durch Gesetz übertragener und geregelter Aufgaben und Befugnisse betroffen. | ||
aa) Das Sozialrecht ist eines der wichtigsten Instrumente staatlicher Sozialpolitik (vgl § 1 Abs.1 SGB I). Der Schutz in Fällen von Krankheit ist in der sozialstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes eine der Grundaufgaben des Staates. Ihr ist der Gesetzgeber nachgekommen, indem er durch Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung als öffentlich-rechtlicher Pflichtversicherung für den Krankenschutz eines Großteils der Bevölkerung Sorge getragen und die Art und Weise der Durchführung dieses Schutzes geregelt hat. | ||
Dementsprechend hat das in §§ 368 bis 368s RVO geregelte Kassenarztrecht die Rechtsbeziehungen zwischen Ärzten, Krankenkassen und Versicherten einschließlich der Leistungen und des Vertragssystems öffentlich-rechtlich ausgestaltet. Bis zum Jahre 1977 standen die Zahntechniker allerdings außerhalb dieses Systems. Die zahnärztliche Versorgung der Versicherten einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz erfolgte durch den Kassenzahnarzt, der seinerseits privatrechtliche Verträge mit den Zahntechnikern über die von ihnen zu erbringenden zahntechnischen Leistungen abschloß. Dabei ist es im Prinzip bis heute geblieben (vgl § 368 Abs.6 Satz 1 RVO). Durch das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz hat sich indessen in einem Teilbereich Entscheidendes geändert: Die Zahntechniker sind insoweit in das öffentlich-rechtliche System der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen worden, als es um die Festsetzung ihrer Vergütung sowie um Fragen der Rechnungsregelung geht (vgl BTDrucks.8/338, S.63). Diese gesetzliche Neuregelung hatte zur Folge, daß die Rechtsbeziehungen zwischen Zahntechnikern und Zahnärzten insoweit nunmehr öffentlichem Recht unterstehen (vgl. § 368 Abs.6 Satz 1 RVO). Die "besonderen Vereinbarungen über die Vergütung", wie sie jetzt § 368g Abs.5a Satz 2 RVO vorsieht, sind öffentlichrechtliche Verträge (vgl Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, 2. Aufl, Stand April 1983, Vor § 368 RVO, Anm.3.2, § 368g RVO, Anm.3.5). Die Vertragsabschlußkompetenz hat der Gesetzgeber den Innungen und Innungsverbänden der Zahntechniker auf der einen und den Landesverbänden der Krankenkassen auf der anderen Seite übertragen (§ 368g Abs.5a Satz 2 RVO). Die Innungen sind mithin Vertragspartner öffentlich-rechtlicher Vereinbarungen auf Grund staatlicher Kompetenzzuweisung und nach Maßgabe gesetzlicher Regelung. Über ihre Pflichtaufgaben hinaus, die ihnen durch § 54 Abs.1 HwO zugewiesen sind, ist ihnen durch § 368g Abs.5a Satz 2 RVO eine weitere Pflichtaufgabe übertragen worden, die materiell dem Bereich öffentlicher Verwaltung, also nicht dem Bereich der Interessenvertretung, zuzuordnen ist. | ||
bb) Die von den beschwerdeführenden Innungen angegriffenen gesetzlichen Regelungen betreffen unmittelbar (§ 368g Abs.5a Satz 2 RVO, Art.5 Nr.6 Satz 1 KVEG) oder mittelbar (§ 368g Abs.4 Satz 1 RVO) die Art der Festsetzung sowie die Regelung der Höhe der Vergütung für die zahntechnischen Leistungen, also ausschließlich ihren öffentlich-rechtlichen Funktionsbereich. Nicht Gegenstand der Verfassungsbeschwerden ist die Frage der Zulässigkeit der Übertragung hoheitlicher Aufgaben auf Verbände berufsständischer Selbstverwaltung, wie dies in Form der Einbeziehung der Organisationen des Zahntechnikerhandwerks in das öffentlich-rechtliche Gesamtvertragssystem des Kassenarztrechts durch § 368g Abs.5a Satz 2 RVO geschehen ist, soweit es sich um Fragen der Vergütung und der Rechnungsregelung handelt. | ||
c) Die beschwerdeführenden Innungen erfüllen auch nicht die Voraussetzungen, unter denen juristischen Personen des öffentlichen Rechts partiell Grundrechtsfähigkeit zukommt. Denn ihre hier in Frage stehende Tätigkeit ist nicht einem durch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich ähnlich wie dem der Wissenschaft oder des Rundfunks (Art.5 Abs.1 Satz 2 und Abs.3 GG) zugeordnet (vgl oben 1). Die Mitwirkung an Vereinbarungen gemäß § 368 g Abs. 5 a RVO ist unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Ausübung einer grundrechtlichen Freiheit; sie ist ausschließlich hoheitlicher Kompetenzvollzug. Hoheitliche Funktionen können aber nicht Gegenstand des Grundrechtsschutzes sein; die Verfassungsbeschwerde als Rechtsbehelf des Bürgers zur Verteidigung seiner Grundrechte kann nicht dazu benutzt werden, die Zuständigkeitsordnung im Verhältnis der Hoheitsträger untereinander zu schützen (vgl BVerfGE_21,362 <370 f>). Eine sinnvolle Verteilung und Ordnung der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und eine Anpassung der Staatsorganisation an die wechselnden Erfordernisse der wirtschaftlichen, sozialen und finanziellen Entwicklung würden erheblich erschwert werden, wenn sich die betroffenen selbständigen Verwaltungseinheiten bei Änderungen des Kompetenzgefüges, welche in ihren Funktionsbereich eingreifen, mit der Verfassungsbeschwerde zur Wehr setzen könnten. | ||
3. Die beschwerdeführenden Landesinnungsverbände des Zahntechnikerhandwerks sind, soweit ihre Mitwirkung an Vergütungsvereinbarungen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung in Frage steht, ebensowenig Träger von Grundrechten wie die Innungen. | ||
a) Ein Landesinnungsverband ist der freiwillige Zusammenschluß von Handwerksinnungen des gleichen Handwerks oder sich fachlich oder wirtschaftlich nahestehender Handwerke eines Bezirks oder eines Landes (§ 79 Abs.1 HwO). Der Verband ist juristische Person des privaten Rechts, der mit Genehmigung der Satzung durch die Landesregierung Rechtsfähigkeit erlangt (§ 80 HwO). Wie die Handwerksinnungen ist er Teil der staatlich geregelten Organisation des Handwerks. Er hat unter anderem die Interessen des Handwerks wahrzunehmen, die angeschlossenen Handwerksinnungen in der Erfüllung ihrer gesetzlichen und satzungsmäßigen Aufgaben zu unterstützen sowie den Behörden Anregungen und Vorschläge zu unterbreiten und ihnen auf Verlangen Gutachten zu erstatten (§ 81 Abs.1 HwO). Zu seinen freiwilligen Aufgaben gehört die Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Interessen der den Handwerksinnungen angehörenden Mitglieder einschließlich des Rechts, Tarifverträge abzuschließen (§ 82 HwO). | ||
b) Die Landesinnungsverbände des Zahntechnikerhandwerks nehmen auf Grund gesetzlicher Zuweisung (§ 368g Abs.5a Satz 2 RVO) gleiche öffentliche Aufgaben im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung wahr wie die Innungen. Deshalb kann für ihre Grundrechtsfähigkeit in diesem Wirkungsbereich nichts anderes gelten als für die Innungen. Die Organisation der Innungsverbände als juristische Person des Privatrechts vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. | ||
aa) Zwar sind, wie gezeigt, juristische Personen des privaten Rechts grundsätzlich fähig, Träger von Grundrechten zu sein (oben 1). Damit wird aber im Einzelfall eine Prüfung der Anwendbarkeit des jeweiligen Grundrechts nicht entbehrlich (vgl BVerfGE_21,362 <368 f>). Diese kann ebensowenig wie bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts allein von der Rechtsform abhängen, der lediglich eine indizielle Bedeutung zukommt. Auch hier sind maßgebend die Art der wahrzunehmenden Aufgaben und die Funktion, welche die juristische Person jeweils ausübt. Sind diese Aufgaben und Funktionen solche der öffentlichen Verwaltung, so kann die Organisationsform keinen ausschlaggebenden Unterschied begründen. Demgemäß hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß eine Aktiengesellschaft, deren alleiniger Aktionär eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, sich ebensowenig wie diese auf Individualgrundrechte berufen könne. Anderenfalls wäre die Frage der Grundrechtsfähigkeit der öffentlichen Hand in nicht geringem Umfang abhängig von den jeweiligen Organisationsformen (BVerfGE_45,63 <79 f>). | ||
Das gleiche hat zu gelten, wenn einer juristischen Person des Privatrechts, die als Teil einer gesetzlich geregelten Organisation durch staatlichen Akt Rechtsfähigkeit erlangt hat, durch Gesetz Aufgaben öffentlicher Verwaltung übertragen worden sind, wie dies bei den beschwerdeführenden Innungsverbänden der Fall ist. Die Entscheidung, auf welche Weise eine bestimmte öffentliche Aufgabe erfüllt werden soll, obliegt dem Gesetzgeber; dieser hat die Wahl zwischen einer Fülle organisatorischer Möglichkeiten (vgl BVerfGE_21,362 <370>), die bis zu einem gewissen Grade austauschbar sind. Daß dabei nicht nur die Zweckmäßigkeit, sondern auch andere, namentlich historische Gründe eine Rolle spielen können und wie gering deshalb der Indikationswert der Rechtsform für die Frage der Grundrechtsfähigkeit einer Organisation sein kann, zeigt gerade die Geschichte der Innungen und Innungsverbände seit dem 19.Jahrhundert: Beide sind zeitweise private Zusammenschlüsse, zeitweise öffentlich-rechtliche Körperschaften gewesen (vgl. dazu Bieback, aaO, S.345 ff; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 2.Aufl, Bd.1, 1953, S.227 f); besonders deutlich geht dieses Schwanken auch aus der Entstehungsgeschichte der Handwerksordnung hervor (vgl dazu Kübler/Aberle/Schubert, Die Deutsche Handwerksordnung, Stand 18.Lfg, Einleitung S.28 ff). | ||
bb) Einer Grundrechtsfähigkeit der Landesinnungsverbände steht ferner entgegen, daß sie eine atypische Erscheinungsform der juristischen Person des Privatrechts sind: Sie setzen sich ausschließlich aus als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisierten Innungen zusammen (§ 79 Abs.1 HwO) - der Möglichkeit, in der Satzung auch die Einzelmitgliedschaft selbständiger Handwerker vorzusehen (§ 79 Abs.3 HwO), kommt keine praktische Bedeutung zu. Ein Zusammenschluß grundrechtsunfähiger juristischer Personen kann aber nicht grundrechtsfähige juristische Person sein. Die Bildung und Betätigung der Innungsverbände ist auch nicht Ausdruck der grundrechtsgeschützten freien Entfaltung "hinter" ihnen stehender natürlicher Personen. Im vorliegenden Falle verteidigen sie zudem nicht Grundrechte einzelner Handwerker gegen staatliche Eingriffe, sondern sie wenden sich gegen die Neugestaltung der ihnen gesetzlich zugewiesenen Kompetenzen im Bereich ihrer Mitwirkung an dem öffentlich-rechtlichen Gesamtvertragssystem des Kassenarztrechts. Da sie jedenfalls insoweit nicht Träger von Grundrechten sein können, sind sie nicht befugt, gemäß § 90 Abs.1 BVerfGG Verfassungsbeschwerde zu erheben. II. | ||
1. Der beschwerdeführende Zahntechniker zu III, 4 und der Beschwerdeführer zu II, 3, der als Zahntechniker unter seiner Firma Verfassungsbeschwerde erhoben hat, können die von ihnen gerügten Grundrechtsverletzungen im Verfassungsbeschwerde-Verfahren geltend machen. Gleiches gilt für die beschwerdeführenden Gesellschaften zu II, 2 (vgl BVerfGE_20,323 <336>) und zu III, 5 (vgl BVerfGE_42,374 <383 f>). | ||
Unzulässig sind die von diesen Beschwerdeführern erhobenen Verfassungsbeschwerden jedoch, soweit sie sich gegen § 368g Abs.5a Satz 3 RVO richten, der die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Vertreter der Innungen und Innungsverbände verpflichtet, in ihren Vereinbarungen Höchstpreise vorzusehen und die Empfehlungen der konzertierten Aktion angemessen zu berücksichtigen. Durch diese Vorschrift sind die Beschwerdeführer nicht unmittelbar in ihren Grundrechten betroffen (vgl BVerfGE_1,97 <102 f>, stRspr). | ||
Die von den Beschwerdeführern geltend gemachten nachteiligen Wirkungen einer Festsetzung von Höchstpreisen und der Berücksichtigung von Empfehlungen der konzertierten Aktion treten nicht unmittelbar kraft Gesetzes ein, sondern - allenfalls - als Folge der von den Vertragsparteien geschlossenen Vergütungsvereinbarungen. Diese sind als "Vollziehungsakte" im Sinne der Rechtsprechung anzusehen; daß es sich nicht um Verwaltungsakte, sondern um öffentlich-rechtliche Verträge handelt, ist im vorliegenden Zusammenhang unerheblich. Erst die in Vollziehung der angegriffenen Bestimmung vereinbarten konkreten Festsetzungen, nicht die Vorschrift selbst, können für die Zahntechniker Rechtswirkungen entfalten und damit Rechtspositionen der Beschwerdeführer verändern. | ||
2. Soweit die Verfassungsbeschwerden dieser Beschwerdeführer sich gegen die in Art.5 Nr.6 Satz 1 KVEG angeordnete befristete Herabsetzung der Vergütungen für zahntechnische Leistungen richten, sind sie hingegen zulässig. | ||
Die angegriffene Regelung betrifft sie selbst und unmittelbar in ihrer Rechtssphäre (vgl BVerfGE_1,97 <101 ff>). Zwar sind sie nicht Vertragspartner der Vergütungsvereinbarungen gemäß § 368g Abs.5a Satz 2 RVO, so daß ihre Vertragsabschlußfreiheit insoweit nicht betroffen sein kann. Die beanstandete Rechtsnorm stellt indessen eine staatliche Preisregelung in Gesetzesform dar, die nicht nur einen Preisstop, sondern sogar eine Mindervergütung bewirkt. In Verbindung mit den jeweils geltenden Vergütungsvereinbarungen bestimmt sie unmittelbar die Höhe der Vergütung, welche die Zahntechniker nach dem Auslaufen der jeweiligen Vergütungsvereinbarung für die von ihnen erbrachten zahntechnischen Leistungen fordern können; eines Vollzugsaktes, etwa in Form der Umsetzung in entsprechende vertragliche Vereinbarungen durch die Vertragspartner des § 368g Abs.5a Satz 2 RVO, bedarf es nicht. Solche Vereinbarungen sollen nach dem Willen des Gesetzgebers für die Dauer eines Jahres gerade nicht geschlossen werden. | ||
Diese eigene und unmittelbare Betroffenheit ist auch eine "gegenwärtige" (BVerfGE aaO <102>; stRspr), weil die angegriffene Vorschrift den - wenn auch erst mit dem Auslaufen der bisherigen Vereinbarungen eintretenden - Zeitpunkt und das Ausmaß der Kürzungen genau bestimmt, der Eingriff also nicht nur ein "virtueller" ist." | ||
Auszug aus BVerfG B, 31.10.84, - 1_BvR_35/82 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.42 | ||
§§§ |
84.014 | Investitionshilfegesetz | |
---|---|---|
| ||
1) Die Erhebung einer Sonderabgabe aufgrund der Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Wirtschaft (Art.74 Nr.11 GG) setzt voraus, daß in dem Gesetz nicht nur die Belastung mit der Abgabe und die Verwendung ihres Aufkommens, sondern auch die gestaltende Einflußnahme auf die Wirtschaft zum Ausdruck kommt. Entsprechendes gilt bei der Inanspruchnahme der Kompetenz für das Wohnungswesen (Art.74 Nr.18 GG). | ||
2) Die in der Entscheidung BVerfGE_55,274 (Leitsätze 3a - c) dargelegten Erfordernisse für die Zulässigkeit einer Sonderabgabe gelten für alle Sonderabgaben, mit denen ein Finanzierungszweck -- sei es als Hauptzweck oder als Nebenzweck -- verfolgt wird (Weiterführung BVerfGE_55,274). | ||
3) Art.115 Abs.1 Satz 1 GG begründet keine Kompetenzen des Bundes im Verhältnis zu den Ländern oder besondere Befugnisse des Staates im Verhältnis zum Einzelnen; er betrifft nur das Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative. | ||
4) Der Steuerbegriff des Art.105 ff GG umfaßt nur Angaben, die dem Staat endgültig zufließen. Abgaben, deren Rückzahlung von vornherein vorgesehen ist (sogenannte Zwangsanleihen), sind keine Steuern im Sinne der Verfassung. | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
84.015 | Rechnungszinsfuß | |
---|---|---|
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Die Anhebung des Rechnungszinsfußes für Pensionsrückstellungen von 5,5 auf 6 vom Hundert (§ 6a Abs.3 letzter Satz des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des 2. Haushaltsstrukturgesetzes) ist mit dem Grundgesetz vereinbar. | ||
§§§ |
84.016 | Bauvorlagenberechtigung-II | |
---|---|---|
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Der Gesetzgeber darf für die Berechtigung zur Anerkennung von Bauvorlagen für einfache Bauvorhaben eine Mindesqualifikation vorschreiben. Jedoch hat er eine Übergangsregelung zugunsten derjenigen vorzusehen, welche diese Tätigkeit schon vor Inkrafttreten der Regelung geschäftsmäßig betrieben haben. | ||
§§§ |
84.017 | Bundesärzteordnung | |
---|---|---|
| ||
1. Unmittelbar gegen die Gebührenordnung für Ärzte vom 12. November 1982 erhobene Verfassungsbeschwerden sind mit Rücksicht auf den Grundsatz der Subsidiarität unzulässig. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rechtsverordnung erst dann auf Grundrechtsverstöße zu überprüfen, wenn die Gerichte zuvor über deren Gültigkeit entschieden und den Norminhalt sowie seine Bedeutung für einen vom Beschwerdeführer unterbreiteten Sachverhalt geklärt haben. | ||
2. Der Bundesgesetzgeber war nach Art.74 Nr.11 GG (Recht der Wirtschaft) zum Erlaß ärztlicher Gebührenvorschriften (hier: Ermächtigung zum Erlaß von Gebührenordnungen in § 11 Bundesärzteordnung) befugt. | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel:
| |
§§§ |
84.018 | Atomwaffenstationierung |
---|---|
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1. a) Art.59 Abs.2 Satz 1 GG ist im Lichte des Art.20 Abs.2 GG auszulegen. Eine Erweiterung der dem Bundestag durch Art.59 Abs.2 Satz 1 GG eingeräumten Mitwirkungsbefugnisse bei der staatlichen Willensbildung im Bereich der auswärtigen Beziehungen über den Kreis der dort genannten völkerrechtlichen Akte hinaus stellte einen Einbruch in zentrale Gestaltungsbereiche der Exekutive dar und liefe dem vom Grundgesetz normierten Gefüge der Verteilung von Macht, Verantwortung und Kontrolle zuwider. | |
2) a) Art.24 Abs.1 GG setzt nicht voraus, daß die Übertragung deutscher Hoheitsrechte auf eine zwischenstaatliche Einrichtung unwiderruflich ist. | |
3) Einschätzungen und Wertungen außenpolitischer und verteidigungspolitischer Art obliegen der Bundesregierung. Das Grundgesetz zieht der Beurteilungsmacht, die der Bundesregierung insoweit zusteht, nur die Grenze offensichtlicher Willkür. Innerhalb dieser äußersten Grenze hat das Bundesverfassungsgericht nicht nachzuprüfen, ob die Einschätzungen oder Wertungen der Bundesregierung zutreffend oder unzutreffend sind, da es insoweit rechtlicher Maßstäbe ermangelt; sie sind politisch zu verantworten. | |
4) Art.59 Abs.2 Satz 1 GG und Art.24 Abs.1 GG enthalten für die von ihnen erfaßten Sachbereiche eine abschließende Regelung, neben der sich Gesetzgebungsbefugnisse des Bundestages nicht selbständig aus dem Demokratieprinzip oder aus der Bedeutung und Tragweite einer Entscheidung für das Staatsganze ergeben. Unter der demokratisch-parlamentarischen Herrschaftsordnung des Grundgesetzes ist auch die Regierung institutionell, funktionell und personell demokratisch legitimiert und nicht von vornherein auf Vornahme politisch weniger bedeutsamer Akte beschränkt. | |
§§§ |
[ 1983 ] | RS-BVerfG - 1984 | [ 1985 ] [ ] |
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§§§