1978 | ||
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[ 1977 ] [ ] [ ] [ 1979 ] | [ ] |
78.001 | Bestimmtheitsgebot | |
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1) Ist ein Strafgesetz geeignet, seinen Zweck weitgehend zu erfüllen, läßt jedoch seine Fassung auch Verhaltensweisen zu, die der Absicht des Gesetzgebers zuwiderlaufen, so rechtfertigt das noch nicht den Schluß, daß das Gesetz zweckuntauglich und deshalb mit dem Grundgesetz unvereinbar sei. | ||
2) Art.103 Abs.2 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit, die Art und das Maß der Strafe so bestimmt zu umschreiben, daß der Normadressat anhand des gesetzlichen Tatbestandes voraussehen kann, ob ein Verhalten strafbar ist. Für die Frage, ob dies der Fall ist, ist in erster Linie der Wortlaut des Straftatbestandes maßgebend. | ||
§§§ |
78.002 | KBW | |
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Die Bestrafung eines Mitgliedes oder Anhängers einer politischen Partei wegen eines Vergehens nach § 89 StGB, das der Täter in Verfolgung der Ziele der Partei begangen hat, setzt nicht voraus, daß das Bundesverfassungsgericht gemäß Art.21 Abs.2 GG die Verfassungswidrigkeit der Partei festgestellt hat. | ||
§§§ |
78.003 | Schneller Brüter | |
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Es hält sich im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung des Verfahrensrechts, im Einklang mit der in § 90 Abs.2 Satz 2 BVerfGG vom Gesetz getroffenen Wertung den vorzeitigen Zugang zum Bundesverfassungsgericht im Verfahren nach Art.100 Abs.1 GG dann zu gestatten, wenn die Vorlagefrage von allgemeiner und grundsätzlicher Bedeutung für das Gemeinwohl und deshalb ihre Entscheidung dringlich ist. | ||
§§§ |
78.004 | Wahlwerbesendung | |
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1) Rundfunkanstalten und Fernsehanstalten sind befugt, die Ausstrahlung von Wahlwerbespots politischer Parteien an die Voraussetzung zu knüpfen, daß die Sendezeit nur zum Zwecke der Wahlwerbung und in rechtlich zulässiger Form, insbesondere ohne evidenten und ins Gewicht fallenden Verstoß gegen allgemeine Normen des Strafrechts genutzt wird, und die Erfüllung dieser Voraussetzungen zu überprüfen. | ||
2) Eine solche allgemeine Strafnorm ist § 90a Abs.1 StGB, deren Verletzung jedermann, also auch Funktionären, Mitgliedern und Anhängern politischer Parteien untersagt ist. | ||
3) Die Pflicht des Intendanten zu großzügiger Handhabung des ihm zustehenden Prüfungsrechts läßt eine spätere rechtliche Würdigung der Sachverhalte durch die Strafgerichte unberührt. | ||
4) Rundfunkanstalten und Fernsehanstalten sind nicht befugt, die Ausstrahlung einer Wahlsendung lediglich deshalb zu verweigern, weil der vorgelegte Wahlspot verfassungsfeindliche Äußerungen enthält. | ||
§§§ |
78.005 | Zwangsweiser Haarschnitt | |
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Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, StPO § 81a dahin auszulegen, daß er die Rechtsgrundlage für die zwangsweise Veränderung der Haartracht und Barttracht eines Beschuldigten - bis hin zu Eingriffen in die Substanz seiner Haartracht und Barttracht - zum Zwecke seiner Identifizierung bildet. | ||
§§§ |
78.006 | Milch- und Fettgesetz | |
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LB 1) § 1 Nr.20 UStG ist mit dem GG vereinbar. | ||
LB 2) Zur abweichenden Meinung des Richters Dr Steinberger, siehe BVerfGE_48,23 ff. | ||
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Beschuss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
78.007 | Gemeindeparlament | |
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1) Das Grundgesetz schreibt für die Gemeinden die demokratische Organisation der Staatsgewalt vor. Auch ihre Organe und Vertretungen bedürfen, soweit sie Staatsgewalt ausüben, einer Legitimation, die sich auf die Gesamtheit der Bürger als dem Volk, von dem alle Staatsgewalt ausgeht, zurückführen läßt. | ||
2) Die verfassungsrechtlich notwendige demokratische Legitimation erfordert eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern. | ||
3) Die in Art.28 Abs.1 Satz 2 und Art.38 Abs.1 Satz 1 GG umschriebenen Wahlrechtsgrundsätze gelten als allgemeine Rechtsprinzipien für Wahlen zu allen Volksvertretungen im staatlichen und kommunalen Bereich. | ||
4) Das Gebot einer freien Kandidatenaufstellung und ihr Nachweis, der die Beachtung dieses Gebotes sicherstellt, gehören zu den unabdingbaren Voraussetzungen einer freien Wahl. | ||
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Beschuss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
78.008 | Ermächtigungsnorm | |
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Zur Zulässigkeit von Gerichtsvorlagen nach Art.100 Abs.1 GG welche die Überprüfung einer Ermächtigungsnorm betreffen. | ||
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T-78-01 | Vorlagepflicht nach Art.100 Abs.1 | |
"Die in Art.100 Abs.1 GG, § 80 BVerfGG geregelte Vorlagepflicht greift nur dann ein, wenn es sich bei der Nachprüfung gestellten entscheidungserheblichen Norm um ein formelles Gesetz handelt. Die insoweit beim Bundesverfassungsgericht konzentrierte ausschließliche Zuständigkeit hat ihren tragenden Grund in der Achtung vor der gesetzgeberischen Gewalt, über deren Willen sich nicht jedes Gericht soll hinwegsetzen dürfen (vgl BVerfG_3,225 (250f)). Diesern Grund gilt nicht in gleicher Weise für Normen im Rang unter dem förmlichen Gesetz. Deren verfassungsrechtliche Nachprüfung obliegt vielmehr in Fällen ihrer Entscheidungserheblichkeit nach ständiger Rechtsprechung jedem Richter (BVerfGE_1,184 (195); BVerfGE_17,208 (210)). | ||
Auch in bezug auf förmliche Gesetze besteht nur dann ein Zwang zur Vorlage, wenn die verfassungsrechtlichen Bedenken dazu nötigen, die entscheidungserhebliche Gesetzesvorschrift für nichtig zu erklären. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in der Auslegung der Verfassung und in der verfassungsrechtlichen Beurteilung von Rechtsnormen das letzte Wort. Ausschließlich vorbehalten ist ihm aus dem schon genannten Grunde aber nur das "Verwerfungsmonopol" in bezug auf Gesetze. Deren Beurteilung als verfassungskonform einschließlich der Aufgabe einer verfassungskonformen Auslegung obliegt hingegen auch jedem anderen Richter, der as fragliche Gesetz im Einzelfall in Bindung an die Verfassung auslegen und anwenden muß. Das Vorlageverfahren gemäß Art.100 Abs.1 GG hat nicht etwa den Sinn, die anderen Gerichte von der Prüfung und Entscheidung aller verfassungsrechtlichen Fragen auszuschließen und eine verfassungskonforme Auslegung durch das jeweils zuständige Gericht zu erübrigen (vgl BVerfGE_22,373). ..." | ||
"Eine solche verfassungskonforme Auslegung kommt dann in Betracht, wenn eine auslegungsfähige Norm nach den üblichen Interpretationsregeln mehrere Auslegungen zuläßt, von denen eine oder mehrere mit der Verfassung übereinstimmen, während andere zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führen; solange eine Norm verfassungskonform ausgelegt werden kann und in dieser Auslegung sinnvoll bleibt, darf sie nicht für nichtig erklärt werden (vgl BVerfGE_2,266 (282); BVerfGE_19,1 (5); BVerfGE_32,373 (383)). Im Normprüfungsverfahren ermöglicht diese in der verfassungsgerichtliche Rechtsprechung allgemein anerkannte Auslegungsmethode (vgl den Generalbericht für die Zweite Konferenz der europäischen Verfassungsgerichte, EUGRZ_74,85), von der Absicht des Gesetzgebers das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was nach der Verfassung aufrechterhalten werden kann (BVerfGE_8,28 (34); BVerfGE_9,194 (200); BVerfGE_33,52, (70)). Wenn und soweit auf dem Wege über eine verfassungskonforme Auslegung die Nichtigkeitserklärung einer Norm vermieden werden kann, erübrigt sich eine Vorlage beim Bundesverfassungsgericht. ..." | ||
Auszug aus BVerfG B, 01.03.78, - 1_BvL_20/77 -, BVerfGE_48,40, S.44 | ||
§§§ |
78.009 | Hessisches Universitätsgesetz | |
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1) § 6 hessischen Universitätsgesetzes (Verpflichtung der Wissenschaftler an Universitäten, die gesellschaftlichen Folgen mitzubedenken und über gefährliche Forschungsergebnisse zu informieren) ist bei verfassungskonformer Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar: | ||
2) Die Dozenten auf Zeit nach dem Hessischen Universitätsgesetzes können zu den Hochschullehrern im Sinne des Hochschulurteils des Bundesverfassungsgerichts vom 29.Mai 1973 (BVerfGE_35,79 [126 f | ||
3) Die Befugnisse des Universitätspräsidenten nach dem Hessischen Universitätsgesetzes verletzen die Hochschullehrer nicht in ihrem Grundrecht aus Art.5 Abs.3 Grundgesetz. Diese Entscheidung hat Gesetzeskraft. | ||
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Beschuss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
78.010 | Inkompatibilität | |
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1) Art.137 Abs.1 GG gilt auch für die Beschränkung der Wählbarkeit zu dem kommunalen Vertretungskörperschaften. | ||
2) Der Grundgedanke des Art.137 Abs.1 GG rechtfertigt es nicht, die Angestellten privatrechtlicher, von der Gemeinde beherrschter Unternehmen, die wegen fehlender Leitungs- und Entscheidungsbefugnisse nur in verhältnismäßig loser Beziehung zur öffentlichen Hand stehen, dem öffentlichen Dienst im Sinne des Art.137 Abs.1 GG zuzurechnen. | ||
3) Der Grundsatz, daß Art.137 Abs.1 GG nur eine Wählbarkeitsbeschränkung, nicht aber eine Ausschließung erlaubt, gilt nicht unbegrenzt. Angesichts der besonderen Verhältnisse im kommunalen Bereich ist dort der faktische Ausschluß von der Wählbarkeit zu einem kommunalen Ehrenamt als eine mit dem Grundsatz der Wahlgleichheit vereinbare Folge anzuerkennen, wenn ansonsten der Gefahr von Interessenkollisionen nicht wirksam zu begegnen ist. | ||
LB 4) Zur abweichenden Meinung des Richters Dr Niebler, siehe BVerfGE_48,94 = www.dfr/BVerfGE, Abs.78 ff. | ||
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Beschuss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
78.011 | Wehrpflichtnovelle | |
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1) Die von der Verfassung geforderte militärische Landesverteidigung kann auf der Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht, aber - sofern ihre Funktionstüchtigkeit gewährleistet bleibt - verfassungsrechtlich unbedenklich beispielsweise auch durch eine Freiwilligenarmee sichergestellt werden. | ||
2) Die allgemeine Wehrpflicht ist Ausdruck des allgemeinen Gleichheitsgedankens. Ihre Durchführung steht unter der Herrschaft des Art.3 Abs.1 GG. | ||
3) Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen sind gemäß Art.12a Abs.2 iVm Art.4 Abs.3 GG von Verfassung wegen vom Wehrdienst nach Art.12a Abs.1 GG befreit. | ||
4) Der Kerngehalt des Grundrechts aus Art.4 Abs.3 GG besteht darin, den Kriegsdienstverweigerer vor dem Zwang zu bewahren, in einer Kriegshandlung einen anderen töten zu müssen, wenn ihm sein Gewissen eine Tötung grundsätzlich und ausnahmslos zwingend verbietet. | ||
5) Der Verfassungsgeber hat nicht eine allen Staatsbürgern lso gemäß Art. 3 Ab-a s. 2 GG auch dem weiblichen Teil der Bevölkerung - obliegende Dienstpflicht für das allgemeine Wohl zugelassen.D er in Art. 12a Abs. 2 GG vorgesehene Ersatzdienst ist vom Grundgesetz nicht alsa lternative Form der Erfüllung der Wehrpflicht gedacht; er ist nur Wehrpflichtigen vorbehalten, die den Dienst mit der Waffe aus Gewissensgründen verweigern. | ||
6) Dem Verfassungsgebot der staatsbürgerlichen Pflichtengleichheit in Gestalt der Wehrgerechtigkeit wird nicht schon dadurch genügt, daß die Wehrpflichtigen entwederz um Wehrdienst oder zum Ersatzdienst herangezogen werden. Das Grundgesetz verlangt vielmehr, daß der Wehrpflichtige grundsätzlich Wehrdienst leistet, und verbietet es deshalb, in den als Ersatz des Wehrdienstes eingerichteten Zivildienst andere als solche Wehrpflichtige einzuberufen, die nach Art.12a Abs.2 iVm Art.4 Abs.3 GG den Dienst mit der Waffe aus Gewissensgründen verweigern dürfen. | ||
7) Die Wehrgerechtigkeit fordert von jeder gesetzlichen Regelung nach Art.12a Abs.2 iVm Art.4 Abs.3 Satz 2 GG, daß nur solche Wehrpflichtige als Kriegsdienstverweigerer anerkannt werden, bei denen mit hinreichender Sicherheit angenommen werden kann, daß in ihrer Person die Voraussetzungen des Art.4 Abs.3 Satz 1 GGe rfüllt sind. § 25a Abs.1 nF WehrPflG genügt diesem Erfordernis nicht. | ||
8) Wie eine gesetzliche Regelung, welche die Ausgestaltung des Ersatzdienstes als einzige Probe auf die Gewissensentscheidung einsetzt, beschaffen sein muß, wenn sie der Verfassung entsprechen soll, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Der Gesetzgeber hat insoweit innerhalb des von Art.12a Abs.2 Satz 2 und 3 GG gezogenen Rahmens volle Gestaltungsfreiheit. Außer der Pflicht, Waffendienst zu leisten, kann er alle Pflichten und Belastungen, welche die Wehrdienstleistenden treffen, in gleichem Maße auch den Zivildienstleistenden auferlegen. | ||
9) Angesichts des Mißverhältnisses zwischen der Zahl der verfügbaren Ersatzdienstpflichtigen und der Zahl der vorhandenen und besetzbaren Einsatzplätze im Zivildienst sowie im Hinblick darauf, daß der Gesetzgeber den ihm von Art.12a Abs.2 Satz 2 und 3 GG für die rechtliche Ausgestaltung des Zivildienstes gezogenen Rahmen bislang nicht ausgeschöpft hat, kann die Ersatzdienstpflicht gegenwärtig nicht als eine im Verhältnis zur Wehrdienstpflicht auch nur gleichermaßen aktuelle und gleichbelastende Pflicht angesehen werden. | ||
10) Zustimmungsbedürftig nach Art.87b Abs.2 Satz 1 GG ist nicht nur ein solches Bundesgesetz, das den Gesetzesvollzug einer Verwaltungsmaterie erstmals den Ländern voll entzieht und in die Bundeseigenverwaltung überführt oder das bestimmt, daß es von den Ländern im Auftrag des Bundes ausgeführt wird. Das Erfordernis der Zustimmung des Bundesrates greift vielmehr auch dann ein, wenn ein Änderungsgesetz die früher mit Zustimmung des Bundesrates in die Bundeseigenverwaltung oder Bundesauftragsverwaltung überführte Verwaltungsaufgabe so umgestaltet oder erweitert, daß dieser Vorgang angesichts des Grundsatzes des Art.83 GG einer neuen Übertragung von Ausführungszuständigkeiten auf den Bund gleichkommt. | ||
11) Die Änderung der Vorschriften über die Anerkennung von Kriegsdienstverweigerern hat unmittelbar die grundlegende Umgestaltung des Zivildienstes zu einer nach Inhalt und Umfang alternativ neben den Wehrdienst tretenden zweiten Form eines Gemeindienstes zur Folge. Diese Qualitätsveränderung ist in § 25a nF WehrPflG unmittelbar angelegt. | ||
12) Die in den materiell-rechtlichen Vorschriften des Wehrpflichtänderungsgesetzes angelegte neue Verschiebung von Verwaltungszuständigkeiten zu Lasten der Länder war nur mit Zustimmung des Bundesrates zulässig. | ||
LB 13) Zur abweichenden Meinung des Richters Hirsch, siehe BVerfGE_48,185 = www.dfr/BVerfGE, Abs.109 ff. | ||
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Urteil | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
78.012 | Lohnfortzahlung | |
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Es ist mit Art.3 Abs.1 Grundgesetz nicht vereinbar, wenn die Umlage, die nach dem Lohnfortzahlungsgesetz zum Ausgleich der durch das Gesetz veranlaßten Arbeitgeberaufwendungen erhoben wird, bei Betrieben mit Kurzarbeit nach dem fiktiven Vollohn berechnet wird. | ||
* * * | ||
Beschuss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
78.013 | Nichtzulassungsbeschwerde | |
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Es ist mit Art.101 Abs.1 S.2 GG vereinbar, daß die ehrenamtlichen Richter am Bundessozialgericht an Entscheidungen über Nichtzulassungsbeschwerden gemäß § 160a Abs.4 S.2 SGG nur dann mitwirken, wenn über die Begründetheit eines solchen Rechtsmittels zu befinden ist. | ||
LB 2) Zur abweichenden Meinung des Richters Hirsch, siehe BVerfGE_48,264 ff. | ||
§§§ |
78.014 | Ehrengerichte | |
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Die Ehrengerichte für Rechtsanwälte genügen den Anforderungen, die das Grundgesetz an staatliche Gerichte stellt. | ||
§§§ |
78.015 | Familiennamen | |
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Es verstößt gegen Art.3 Abs.2 GG, daß für alle Ehegatten, die ihre Ehe zwischen dem 1.April 1953 und dem 30.Juni 1976 geschlossen haben, die Befugnis schlechthin ausgeschlossen ist, den Geburtsnamen der Frau zum Ehenamen zu bestimmen. | ||
§§§ |
78.016 | Hessisches Pressegesetz | |
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Das Land Hessen besaß nach der Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern keine Befugnis, die weitere Beschwerde gegenüber Entscheidungen des Beschwerdegerichts in pressebezogenen Beschlagnahmeverfahren zuzulassen. | ||
§§§ |
78.017 | Tierversuche | |
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Es ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, daß gemäß § 8 Absatz 2 Satz 1 des Tierschutzgesetzes Biologen Tierversuche mit operativen Eingriffen nur durchführen dürfen, wenn sie an "staatlichen" wissenschaftlichen Einrichtungen tätig sind. | ||
* * * | ||
Beschuss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
78.018 | Kontaktsperre-Gesetz | |
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Das Gesetz zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 30.September 1977 (BGBl.I S.1877) - sogenanntes Kontaktsperregesetz - ist mit dem Grundgesetz vereinbar. | ||
LB 2) Zur Einschränkung des Petitionsrechts aus Art.17 GG in der Untersuchungshaft. | ||
* * * | ||
T-78-02 | Petitionsrecht und Untersuchungshaft | |
"Wenn Art.17 GG seinem Wortlaut nach nicht die Möglichkeit vorsieht, das Petitionsrecht einzuschränken, so unterliegt dessen Ausübung im Bereich des Vollzugs der Untersuchungshaft und einer Freiheitsstrafe doch jedenfalls solchen Beschränkungen, die sich aus dem Haftzweck zwingend ergeben und den Gehalt des Rechts im Kern unangetastet lassen. Gefangene können deshalb aus Art.17 GG keinen Anspruch auf Kontaktaufnahme zu Mitgefangenen zum Zwecke der Abfassung einer gemeinschaftlichen Petition herleiten, sofern und solange solche Kontakte mit dem Haftzweck unvereinbar sind. Darüber hinaus gewährleistet Art.17 GG keinen absolut geschützten Anspruch auf sofortige Weiterleitung einer Petition. Vielmehr kann auch insoweit eine Güterabwägung im Interesse überragender Gemeinschaftswerte zu vorübergehenden Beschränkungen in der Grundrechtsausübung führen. ..." | ||
Auszug aus BVerfG B, 01.08.78, - 2_BvR_1013/77 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.117 | ||
§§§ |
78.019 | Untersuchungsgegenstand | |
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Das in Art.15 Abs.1 der Landessatzung für Schleswig-Holstein gewährleistete Recht der Minderheit auf Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses schließt grundsätzlich eine Befugnis der Mehrheit aus, den Untersuchungsgegenstand gegen den Willen der Minderheit durch Zusatzfragen zu erweitern. | ||
§§§ |
78.020 | Kalkar I | |
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1) Aus dem Grundsatz der parlamentarischen Demokratie darf nicht ein Vorrang des Parlaments und seiner Entscheidungen gegenüber den anderen Gewalten als ein alle konkreten Kompetenzzuordnungen überspielender Auslegungsgrundsatz hergeleitet werden. | ||
2) Die normative Grundsatzentscheidung für oder gegen die rechtliche Zulässigkeit der friedlichen Nutzung der Kernenergie im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland ist wegen ihrer weitreichenden Auswirkungen auf die Bürger, insbesondere auf ihren Freiheitsbereich und Gleichheitsbereich, auf die allgemeinen Lebensverhältnisse und wegen der notwendigerweise damit verbundenen Art und Intensität der Regelung eine grundlegende und wesentliche Entscheidung im Sinne des Vorbehalts des Gesetzes. Sie zu treffen ist allein der Gesetzgeber berufen. | ||
3) Hat der Gesetzgeber eine Entscheidung getroffen, deren Grundlage durch neue, im Zeitpunkt des Gesetzeserlasses noch nicht abzusehende Entwicklungen entscheidend in Frage gestellt wird, kann er von Verfassungs wegen gehalten sein zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung auch unter den veränderten Umständen aufrechtzuerhalten ist. | ||
4) In einer notwendigerweise mit Ungewißheit belasteten Situation liegt es zuvorderst in der politischen Verantwortung des Gesetzgebers und der Regierung, im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenzen die von ihnen für zweckmäßig erachteten Entscheidungen zu treffen. Bei dieser Sachlage ist es nicht Aufgabe der Gerichte, mit ihrer Einschätzung an die Stelle der dazu berufenen politischen Organe zu treten. Denn insoweit ermangelt es rechtlicher Maßstäbe. | ||
5) Die in die Zukunft hin offene Fassung des § 7 Abs.2 Nr.3 AtomG dient einem dynamischen Grundrechtsschutz. Sie hilft, den Schutzzweck des § 1 Nr.2 AtomG jeweils bestmöglich zu verwirklichen. | ||
6) Vom Gesetzgeber im Hinblick auf seine Schutzpflicht eine Regelung zu fordern, die mit absoluter Sicherheit Grundrechtsgefährdungen ausschließt, die aus der Zulassung technischer Anlagen und ihrem Betrieb möglicherweise entstehen können, hieße die Grenzen menschlichen Erkenntnisvermögens verkennen und würde weithin jede staatliche Zulassung der Nutzung von Technik verbannen. Für die Gestaltung der Sozialordnung muß es insoweit bei Abschätzungen anhand praktischer Vernunft bewenden. Ungewißheiten jenseits dieser Schwelle praktischer Vernunft sind unentrinnbar und insofern als sozialadäquate Lasten von allen Bürgern zu tragen. | ||
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T-78-03 | Zum Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes | |
"2. § 7 Abs.1 und 2 AtomG verstößt nicht gegen den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes. | ||
a) Der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes wird zwar in der Verfassung nicht ausdrücklich erwähnt, seine Geltung ergibt sich jedoch aus Art.20 Abs.3 GG ( BVerfGE_40,237 [248 | ||
In welchen Bereichen danach staatliches Handeln einer Rechtsgrundlage im förmlichen Gesetz bedarf, läßt sich nur im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und die Intensität der geplanten oder getroffenen Regelung ermitteln. Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien sind dabei in ersten Linie den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den vom Grundgesetz anerkannten und verbürgten Grundrechten zu entnehmen. | ||
Nach den gleichen Maßstäben beurteilt sich, ob der Gesetzgeber, wie der verfassungsrechtliche Gesetzesvorbehalt weiter fordert (BVerfGE_34,165 <192>), mit der zur Prüfung vorgelegten Norm die wesentlichen normativen Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs selbst festgelegt und dies nicht dem Handeln etwa der Verwaltung überlassen hat." | ||
Auszug aus BVerfG B, 08.08.78, - 2_BvL_8/77 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.75 ff | ||
§§§ |
78.021 | Zwangsversteigerung III | |
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Zum grundrechtlichen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz in der Zwangsversteigerung. | ||
LB 2) Zur abweichenden Meinung des Richters Böhmer, siehe BVerfGE_49,264 = www.dfr/BVerfGE, Abs.27 ff. | ||
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T-78-04 | effektiver Rechtsschutz | |
"1.Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach auf die Notwendigkeit einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung bei der Versteigerung eines Grundstücks hingewiesen und hierbei die besondere Bedeutung der Eigentumsgarantie im sozialen Rechtsstaat hervorgehoben (BVerfGE_42,64; BVerfGE_46,325). Die verfassungsrechtliche Gewährleistung beeinflußt nicht nur die Ausgestaltung des materiellen Rechts, sondern wirkt zugleich auf das zugehörige Verfahrensrecht ein. Unmittelbar aus Art.14 GG folgt die Pflicht der Gerichte, bei Eingriffen in dieses Grundrecht einen tatsächlich wirksamen Rechtsschutz zu gewähren. Dies gilt insbesondere für die Wahrnehmung von Rechtsschutzmöglichkeiten, welche die Prozeßordnung jeweils vorsieht. Zudem folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip der Anspruch auf eine "faire Verfahrensführung". | ||
Mit diesen verfassungsrechtlichen Grundsätzen steht es nicht im Einklang, daß der Rechtspfleger über den Antrag der Beschwerdeführerin vom 3.September 1976 erst nach Monaten gleichzeitig mit dem Zuschlagsbeschluß im Termin vom 21.Juli 1977 entschieden hat und die Gerichte dies gebilligt haben. | ||
2.Nach § 30a ZVG ist das Zwangsversteigerungsverfahren auf Antrag des Schuldners unter den im Gesetz bestimmten Voraussetzungen einzustellen. In einem solchen Antrag kann, wie das Oberlandesgericht klargestellt hat, zugleich ein Antrag auf Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO gesehen werden. | ||
Soweit ein Einstellungsantrag gemäß § 30a ZVG gestellt wird, soll der Versteigerungstermin erst nach Rechtskraft des die einstweilige Einstellung ablehnenden Beschlusses bekanntgegeben werden (§ 30b Abs.4 ZVG). Der Beschluß, durch den der Zuschlag erteilt wird, ist gemäß § 87 ZVG im Versteigerungstermin oder in einem sofort zu bestimmenden späteren Termin zu verkünden (vgl BVerfGE_46,325 <335>). Der Rechtspfleger hat von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch gemacht, sondern den Zuschlag sofort erteilt, ohne vorher über den seit Monaten anhängigen Einstellungsantrag zu entscheiden. | ||
Das Oberlandesgericht hat dieses Vorgehen jedenfalls für § 30b ZVG als unbedenklich angesehen, da es sich hierbei nicht um zwingendes Recht, sondern um eine Ermessensvorschrift handle. Es kann dahingestellt bleiben, welche Bedeutung solchen prozessualen" Sollvorschriften" zukommt. Verfassungsrechtlich ist jedenfalls folgendes zu berücksichtigen: Das Verfahrensrecht dient der Herbeiführungg esetzmäßiger und unter diesem Blickpunkt richtiger, aber auch gerechter Entscheidungen (BVerfGE_42,64 <73>). Sind dem Richter im Interesse einer angemessenen Verfahrensgestaltung Ermessensbefugnisse eingeräumt, so müssen diese Vorschriften im konkreten Fall im Blick auf die Grundrechte ausgelegt und angewendet werden; sie dürfen nicht zu einer Verkürzung des grundrechtlich gesicherten Anspruchs auf einen effektiven Rechtsschutz führen. | ||
Sowohl § 30b ZVG als auch die Möglichkeit der Bestimmung eines besonderen Verkündungstermins gemäß § 87 ZVG dienen dem Schuldnerschutz. Der Schuldner soll die Möglichkeit haben, die Zwangsversteigerung des durch Art.14 GG geschützten Eigentums abzuwenden. Diese grundrechtliche Schutzfunktion muß sich im sozialen Rechtsstaat gerade auch f ür den sozial Schwachen durchsetzen; denn dieser ist es, der dieses Schutzes ums einer Freiheit willen in besonderem Maße bedarf (BVerfGE_42,64 <77>). Dem Gläubiger wird lediglich ein zeitweiliges Stillhalten unter Fortbestand der Vollstreckungssicherheiten zugemutet. | ||
Hätte der Rechtspfleger vor Erteilung des Zuschlags über den Einstellungsantrag entschieden, so wäre die Beschwerdeführerin auf den Ernst der Lage hingewiesen worden. Sie hätte ihre rechtliche Situation überprüfen und sich schlüssig werden können, ob sie die titulierte Forderung bezahlen oder ob sie es auf die Versteigerung des Anwesens mit allen rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen ankommen lassenw ollte. Denn zunächst muß unterstellt werden, daß niemand ohne besonderen Grund wegen einer Forderung von etwa eintausend Deutsche Mark den Verlust eines von ihm selbst bewohnten und nicht mit Rechten Dritter belasteten Grundstücks in Kauf zu nehmen bereit ist. Eine rechtzeitige Entscheidung über ihren seit Monaten anhängigenA ntrag und die im ablehnenden Beschluß enthaltene Begründung, sie könne nicht mit Einwendungen gegen den Titel gehört werden und die Voraussetzungen für eine Einstellung lägen nicht vor, hätten ihr die Konsequenzen der Nichtbefriedigung der Gläubigerin deutlich vor Augen geführt. Sie wäre auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, sich gegebenenfalls die Mittel zur Begleichung der Forderung zu beschaffen oder sich zu einer ratenweisen Zahlung zu verpflichten, wenn sie ihr Eigentum nicht verlieren wollte. | ||
Das Verfahren des Rechtspflegers hat aber auch dazu geführt, daß der Beschwerdeführerin das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde praktisch e ntwertet wurde. Bei einer rechtzeitigen Entscheidung hätte sie bereits in diesem Verfahren alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte vortragen können, die sie später zur Begründung ihres Einstellungsantrags nach § 765a ZPO geltendg emacht hat, die nach Meinung des Oberlandesgerichts durchaus Gewicht hatten, mit denen sie aber nicht mehr gehört werden konnte. | ||
Der Beschwerdeführerin blieb zwar die Möglichkeit, gegen den Zuschlagsbeschluß Beschwerde einzulegen. Nach der einschränkenden Auslegung des § 100 ZVG durch das Oberlandesgericht können in diesem Verfahren aber nur Gründeb erücksichtigt werden, die schon vor der Erteilung des Zuschlags vorgetragen wurden und dem Vollstreckungsgericht bekannt waren. Eine Ergänzung des Vortrags zu der Frage der Einstellungsvoraussetzungen war mithin in diesem Verfahren nicht mehr gegeben. Dies hat dazug eführt, daß die Beschwerdeführerin mit ihrem detaillierten Vorbringen über die persönlichen Verhältnisse und die Hintergründe, die das Zwangsversteigerungsverfahren ausgelöst haben, ausgeschlossen war. Das Verfahren des Rechtspflegers hat damit letztlich dazu geführt, daß der Beschwerdeführerin die Vollstreckungsschutzmöglichkeit des § 765a ZPO beschnitten wurde. | ||
3.Da das Landgericht und auch das Oberlandesgericht das mit dem grundrechtlichen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nicht in Einklang stehende Verfahren des Rechtspflegers nicht beanstandet haben, beruhen auch ihre Entscheidungen auf dem geschilderten Verfassungsverstoß. Die angefochtenen Entscheidungen waren daher gemäß § 95 BVerfGG aufzuheben und das Verfahren an das Amtsgericht zurückzuverweisen." | ||
Auszug aus BVerfG B, 27.09.78, - 1_BvR_361/78 -, www-DFR/BVerfGE, Abs.16 | ||
§§§ |
78.022 | Ortszuschlagsstufe 1 | |
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Die Zurückführung der geschiedenen Beamten, die ihrem früheren Ehegatten nicht unterhaltspflichtig sind, in die Ortszuschlagsstufe 1 fügt sich in das Ortzuschlagssystem des Besoldungsrechts ein, ohne die dem Dienstherrn obliegenden Alimentierungspflicht in Frage zu stellen. Sie verstößt weder gegen Art.33 Abs.5 GG noch gegen Art.3 Abs.1 GG. | ||
LB 2) Zur abweichenden Meinung des Richters Hirsch, siehe BVerfGE_49,276 ff. | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
78.023 | Vergleichsmiete II | |
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Zu den Anforderungen an Mieterhöhungsverlangen nach dem Wohnraumkündigungsschutzgesetz vom 25.November 1971 - BGBl.I S.1839 - (vgl BVerfGE_37,132). | ||
§§§ |
78.024 | Ortszuschlagssystem | |
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Die Zurückführung der geschiedenen Beamten, die ihrem früheren Ehegatten nicht unterhaltspflichtig sind, in die Ortszuschlagsstufe 1 fügt sich in das Ortszusschlagssystem des Besoldungsrechts ein, ohne die dem Dienstherrn obliegenden Alimentationspflicht in Frage zu stellen. Sie verstößt weder gegen Art.33 Abs.5 GG noch gegen Art.3 Abs.1 GG. | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
78.025 | Zeugenentschädigung | |
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LB 1) Die Zeugenpflicht ist nach deutscher Rechtstradition eine allgemeine Staatsbürgerpflicht, für deren Erfüllung ein Entgelt nicht verlangt werden kann. | ||
LB 2) Die Ehefrau, der die Haushaltsführung überlassen ist, erfüllt ihre Verpflichtung durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushalts (§ 1360 Satz 2 BGB) und leistet damit einen der Erwerbstätigkeit des Mannes gleichwertigen Beitrag zur Existenzsicherung der Familie. | ||
LB 3) Unter diesem Blickpunkt steht die Hausfrau, die durch die Erfüllung der Zeugenpflicht ihrer -- nur beschränkt nachholbaren -- häuslichen Tätigkeit entzogen wird, dem Erwerbstätigen, der einen Verdienstausfall erleidet, näher, als dem Zeugen, der einen sonstigen -- meist in der Einbuße von Freizeit sich erschöpfenden -- Nachteil hinnehmen muß. Wenn der Gesetzgeber diese Besonderheit in § 2 Abs.3 ZuSEG dadurch berücksichtigt, daß er den Hausfrauen einen höheren Entschädigungssatz zubilligt, so ist das jedenfalls nicht sachfremd und steht mit der vom Grundgesetz in Art.3 Abs.2 GG getroffenen Wertung in Einklang. | ||
* * * | ||
Beschuss | Entscheidungsformel: | |
* * * | ||
T-78-05 | Zeugenentschädigung + Gleichheitssatz | |
"§ 2 Abs.3 ZuSEG ist in dem zur Nachprüfung gestellten Umfang mit dem Grundgesetz vereinbar. | ||
Durch diese Vorschrift werden aus der Gruppe derjenigen Personen, die durch ihre Inanspruchnahme als Zeuge keinen Verdienstausfall aber andere Nachteile erleiden, die Hausfrauen begünstigt. Während ihnen eine Entschädigung in Höhe von 6 Deutsche Mark je Stunde zugebilligt wird, erhalten die übrigen Zeugen lediglich eine Entschädigung in Höhe von 2 Deutsche Mark je Stunde. Diese Differenzierung ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar. | ||
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts enthält der Gleichheitssatz für den Gesetzgeber die allgemeine Weisung, bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Er ist erst verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt. Der Gesetzgeber hat hiernach weitgehende Gestaltungsfreiheit. Das gilt in noch höherem Maße bei einer rechtsgewährenden Regelung. Der Gesetzgeber besitzt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit größere Gestaltungsfreiheit als innerhalb der Eingriffsverwaltung (BVerfGE_11,50 <60>; BVerfGE_17,210 <216>; BVerfGE_22,100 <103>; BVerfGE_23,258 <264>; BVerfGE_36,230 <235>) und ist in diesem Bereich in weitem Umfang zum Erlaß typisierender und generalisierender Regelungen berechtigt (BVerfGE_26,16 <31>). Das gilt im Grundsatz auch dann, wenn der Gesetzgeber wie hier für Nachteile, die dem Bürger als Folge der Erfüllung allgemeiner staatsbürgerlicher Pflichten entstehen, einen Ausgleich gewährt, zu dem er verfassungsmäßig nicht verpflichtet ist (vgl BVerfGE_29,51 <56>). Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz käme mithin nur in Betracht, wenn sich aus dem Gegenstand der Regelung für die Art der Differenzierung kein sachlich vertretbarer Grund anführen ließe oder wenn der Gesetzgeber die besonderen Wertentscheidungen der Verfassung außer acht gelassen hätte (vgl BVerfGE_12,354 <367>; BVerfGE_17,122 <131>; BVerfGE_17,210 <216 f>; BVerfGE_36,230 <235>). Davon kann nicht die Rede sein. | ||
2. Die Zeugenpflicht ist nach deutscher Rechtstradition eine allgemeine Staatsbürgerpflicht, für deren Erfüllung ein Entgelt nicht verlangt werden kann (vgl dazu etwa die Begründung zum Gesetz betreffend die Änderung der Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige vom 10. Juli 1914 -- RGBl. S.214 -- Drucksache Nr.38 <1913> zu den Verhandlungen des Bundesrates des Deutschen Reiches sowie die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften -- BTDrucks.II 2545, S.212 f). Unbeschadet dessen wird jedoch, neben dem für alle Zeugen in den §§ 9-11 ZuSEG vorgesehenen Ersatz der tatsächlich entstandenen Aufwendungen, dem Zeugen, dem ein Verdienstausfall entsteht, darüber hinaus aus Billigkeitsgründen eine -- allerdings der Höhe nach begrenzte (§ 2 Abs.2 Satz 1 und Abs.5 ZuSEG) -- Entschädigung dafür gewährt, daß er seine geldwerte Arbeitsleistung nicht hat erbringen können. | ||
Für die Fälle, in denen ein Verdienstausfall nicht entstanden oder nicht konkret nachweisbar ist, bestimmt § 2 Abs.3 ZuSEG wiederum aus Billigkeitsgründen, daß ein Zeuge, der zwar keinen Verdienstausfall aber einen sonstigen Nachteil erleidet, die nach dem geringsten Satz bemessene Entschädigung in Höhe von 2 Deutsche Mark, eine Hausfrau indes eine Entschädigung in Höhe von 6 Deutsche Mark je Stunde erhalten. Auch dabei handelt es sich nicht um einen vollen Ausgleich von Nachteilen, sondern lediglich um die Gewährung einer pauschalierten teilweisen Entschädigung. | ||
Zu der Gruppe von Zeugen, die nur eine nach dem geringsten Satz bemessene Entschädigung beanspruchen können, gehörten nach früherem Recht auch die Hausfrauen. Im Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen vom 26.Juli 1957 (BGBl.I S.902) traf der Gesetzgeber erstmals eine Sonderregelung für nicht erwerbstätige Hausfrauen und billigte ihnen eine höhere Entschädigung zu. Er trug damit auch in diesem Bereich einer im Grundgesetz enthaltenen Forderung Rechnung. Wie das Bundesverfassungsgericht bereits in anderem Zusammenhang hervorgehoben hat, ist es eine der wichtigsten Aufgaben des Art.3 Abs.2 GG, der rechtlichen Unterbewertung der Arbeit der Frau in Haushalt und Familie ein Ende zu setzen und ihr eine gerechte Berücksichtigung zu sichern (vgl BVerfGE_17,1 <12 f>). Die Ehefrau, der die Haushaltsführung überlassen ist, erfüllt ihre Verpflichtung durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushalts (§ 1360 Satz 2 BGB) und leistet damit einen der Erwerbstätigkeit des Mannes gleichwertigen Beitrag zur Existenzsicherung der Familie. Unter diesem Blickpunkt steht die Hausfrau, die durch die Erfüllung der Zeugenpflicht ihrer -- nur beschränkt nachholbaren -- häuslichen Tätigkeit entzogen wird, dem Erwerbstätigen, der einen Verdienstausfall erleidet, näher, als dem Zeugen, der einen sonstigen -- meist in der Einbuße von Freizeit sich erschöpfenden -- Nachteil hinnehmen muß. Wenn der Gesetzgeber diese Besonderheit in § 2 Abs.3 ZuSEG dadurch berücksichtigt, daß er den Hausfrauen einen höheren Entschädigungssatz zubilligt, so ist das jedenfalls nicht sachfremd und steht mit der vom Grundgesetz in Art.3 Abs.2 GG getroffenen Wertung in Einklang. | ||
Daß der Gesetzgeber sich bei der Entschädigung sonstiger Nachteile für Pauschbeträge entschieden hat, begegnet ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der mit einer weiteren Differenzierung notwendig verbundene Verwaltungsaufwand ließe sich in Anbetracht der relativ geringen Höhe der Entschädigung schwerlich rechtfertigen. | ||
(Abs.20) Ob die vom Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit gefundene Lösung im einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste ist, hat das Bundesverfassungsgericht nicht zu prüfen." | ||
Auszug aus BVerfG B, 10.10.78, - 2_BvL_3/78 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.13 ff | ||
§§§ |
78.026 | Transsexuelle I | |
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Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG gebietet es, die Eintragung des männlichen Geschlechts eines Transsexuellen im Geburtenbuch jedenfalls dann zu berichtigen, wenn es sich nach den medizinischen Erkenntnissen um einen irreversiblen Fall von Transsexualismus handelt und eine geschlechtsanpassende Operation durchgeführt worden ist. | ||
§§§ |
78.027 | Sachverständigenhaftung | |
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Eine aus § 823 Abs.1 BGB folgende Haftung wegen Verletzung des Rechts der persönlichen Freiheit darf durch den Richter nicht dahin eingeschränkt werden, daß ein gerichtlich bestellter Sachverständiger selbst für die Folgen einer grob fahrlässigen Falschbegutachtung nicht einzustehen habe. | ||
§§§ |
78.028 | Durchsuchung | |
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Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, daß die Zulässigkeit einer strafprozessualen Beschwerde gegen eine richterliche Durchsuchungsanordnung mangels Rechtsschutzbedürfnisses grundsätzlich dann verneint wird, wenn die Durchsuchung bereits abgeschlossen ist (sogenannte prozessuale Überholung). | ||
§§§ |
78.029 | Änderung-Gemeindeverhältnisse | |
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Die Erhebung einer Abgabe wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse infolge von Baumaßnahmen (§ 9 Kommunalabgabengesetz des Landes Schleswig-Holstein) ist mit dem Grundgesetz vereinbar. | ||
LB 2) Zur abweichenden Meinung des Richters Hirsch, siehe BVerfGE_49,363 ff = www.dfr/BVerfGE, Abs.75 ff. | ||
§§§ |
78.030 | Laatzen |
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LB: Zur Verfassungsmäßigkeit kommunaler Neugliederungsmaßnahmen. | |
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T-78-06 | Kommunale Neugliederung |
"1. Art.28 Abs.2 Satz 1 GG gewährleistet die Gemeinden nur institutionell, aber nicht individuell. Das Grundgesetz steht Eingriffen in die gemeindliche Gebietshoheit, auch soweit sie gegen den Willen der betroffenen Gemeinde erfolgen, nicht von vornherein entgegen. Auflösungen von Gemeinden, Gemeindezusammenschlüsse, Eingemeindungen und sonstige Gebietsänderungen beeinträchtigen den verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts grundsätzlich nicht (vgl Maunz in: Maunz-Dürig-Herzog-Scholz, Grundgesetz, Art.28 Rdnr 45; Niedersächsischer Staatsgerichtshof, DVBl_74,520; Granderath, DÖV_73,332 <334>). | |
Indessen gehört zum verfassungsrechtlich garantierten Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung, so wie diese sich geschichtlich entwickelt hat (vgl BVerfGE_11,266 <274>; 26,228 <238>; 38,258 >278 f>, daß Bestandsänderungen und Gebietsänderungen von Gemeinden nur aus Gründen des öffentlichen Wohls und nach vorheriger Anhörung der betroffenen Gebietskörperschaften zulässig sind (vgl auch §§ 17, 18 der Niedersächsischen G emeindeordnung). Diese Begrenzung der Befugnisse des staatlichen Gesetzgebers gegenüber den Gemeinden folgt auch aus dem Rechtsstaatsprinzip. Die Bindung an das Gemeinwohl ist im übrigen selbstverständliche Voraussetzung jeder verfassungsrechtlich gebundenen Gesetzgebung. | |
Macht eine Gemeinde mit der Verfassungsbeschwerde nach Art.93 Abs.1 Nr.4b GG (§ 91 BVerfGG) geltend, daß ein in ihre Gebietshoheit eingreifendes Gesetz das Recht auf Selbstverwaltung gemäß Art.28 Abs.2 Satz 1 GG verletze, so kommt es darauf an, einerseits dem Gesetzgeber die ihm zukommende politische Entscheidungsbefugnis und Gestaltungsfreiheit ungeschmälert zu belassen und andererseits den Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie zu wahren, der sich bei Eingriffen in Bestand und Gebiet von Gemeinden vornehmlich in der Bindung des Gesetzgebers an Gründe des öffentlichen Wohls niederschlägt. Das Verfassungsgericht hat insbesondere nachzuprüfen, ob der Gesetzgeber den für seine Maßnahmen erheblichen Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt und dem Gesetz zugrunde gelegt hat, ob er alle Gemeinwohlgründe sowie die Vorteile und Nachteile der gesetzlichen Regelung umfassend und in nachvollziehbarer Weise abgewogen hat und ob der gesetzgeberische Eingriff geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist und die Gebote der Sachgerechtigkeit und Systemgerechtigkeit beachtet. Soweit indessen über die Zielvorstellungen, Sachabwägungen, Wertungen und Prognosen des Gesetzgebers zu befinden ist, darf sich das Verfassungsgericht nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen, sondern hat seine Nachprüfung darauf zub eschränken, ob die Einschätzungen und Entscheidungen des Gesetzgebers offensichtlich fehlerhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der verfassungsrechtlichen Wertordnung widersprechen. Für die Kontrolle von Neugliederungsgesetzen durch das Bundesverfassungsgericht gelten die gleichen Grundsätze wie sie von den Landesverfassungsgerichten in ständiger Rechtsprechung entwickelt worden sind (vgl Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, DVBl_69,799 ff.; Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen, OVGE_26,286 ff; 28,291 ff; Staatsgerichtshof Baden-Württemberg, NJW_75,1205 ff; Niedersächsischer Staatsgerichtshof, DVBl_74,520). | |
2. Die Beschwerdeführerin, die sich dagegen wendet, daß bestimmte früher zu Laatzen und Rethen gehörende Gebiete in die Landeshauptstadt Hannover eingegliedert worden sind, ist gemäß Art I § 10 des Gesetzes über die kommunale Neugliederung im Raum Hannover zugleich mit dieser Gebietsumgliederung aus dem Zusammenschluß der (ehemaligen) Stadt Laatzen mit der Gemeinde Rethen und drei weiteren Gemeinden entstanden. Sie kann mit der Verfassungsbeschwerde nur eine Verletzung ihres eigenen Rechts auf Selbstverwaltung geltend machen. | |
Der Gemeindezusammenschluß selbst wird mit der Verfassungsbeschwerde nicht angegriffen. Die Beschwerdeführerin könnte mithin in dem verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich ihres Selbstverwaltungsrechts nur dadurch verletzt sein, daß bei der Gemeindezusammenlegung und Neubildung einer Stadt Laatzen nicht auch das zum ehemaligen Laatzen- gehörende Gelände der Hannover Messe und der zu den früheren Gemeinden Laatzen und Rethen gehörende Anteil am Kronsberg in ihr neues Gemeindegebiet einbezogen worden ist. Eine Beeinträchtigung der Beschwerdeführerin in ihrem Selbstverwaltungsrecht kommt bei dieser Sachlage nur in Betracht, wenn greifbare Anhaltspunkte dafür erkennbar werden, daß die neugebildete Stadt ohne die genannten Gebiete die ihr obliegenden Selbstverwaltungsaufgaben nicht effektiv erfüllen kann und deshalb auf die Dauer nicht lebensfähig ist. Nur im Rahmen dieser Prüfung ist erheblich, ob die Ausgliederung von Gebietsteilen aus der Gesamtgebietsmasse mehrerer zur Zusammenlegung anstehender Gemeinden in eine dritte Gemeinde durch Gründe des öffentlichen Wohls gerechtfertigt ist. | |
3.Die Entscheidung des Gesetzgebers, der Verwaltungsreform und Gebietsreform im Raum Hannover ein bestimmtes dreistufiges Modell zugrundezulegen und auf Eingemeindungen in die Kernstadt Hannover möglichst zu verzichten, fällt in den verfassungsgerichtlich nicht zu überprüfenden Bereich gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit. Die dem Neugliederungsgesetz zugrundeliegenden Wertungen, Abwägungen und Prognosen sind weder offensichtlich fehlerhaft noch eindeutig widerlegbar noch widersprechen sie der verfassungsrechtlichen Wertordnung. | |
Soweit gemäß Art I § 1 des Neugliederungsgesetzes ausnahmsweise doch Eingemeindungen und Gebietseingliederungen in die Landeshauptstadt Hannover angeordnet werden, stehen der Grundsatz der Systemgerechtigkeit und das Willkürverbot solchen Abweichungen von der Grundkonzeption nicht von vornherein entgegen. Erforderlich ist nur, daß die Ausnahmen ihrerseits auf sachgerechten Erwägungen beruhen. Ist dies - wie hier - im Ergebnis der Fall, so ergeben sich verfassungsrechtliche Bedenken auch nicht daraus, daß die Ausnahmen das Ergebnis politischer Kompromisse zum Zwecke der parlamentarischen Mehrheitsbildung gewesen sind (vgl auch Staatsgerichtshof Baden-Württemberg, NJW_75,1205 <1213>; Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen, OVGE_28,307 <308 f>)." | |
Der Eingliederung des Kronsberges nach Hannover liegen keinee rsichtlich unrichtigen Sachverhaltsannahmen zugrunde. Zwar steht eine Besiedlung dieses Gebietes zur Zeit nicht unmittelbar bevor. Der Niedersächsische Ministerpräsident hat aber unwidersprochen vorgetragen, daß die Absicht, dort nach einheitlichem Plan eine größere Wohnsiedlung zu errichten, nicht endgültig aufgegeben ist und jederzeit wieder aufgenommen werden kann. Der Gesetzgeber ist mithin nicht von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen. Die Erwägung, daß ein einheitliches Siedlungsgebiet jedenfalls langfristig einem einzigen Planungsträger zugewiesen werden sollte und daß hierfür nur Hannover in Betracht komme, zu dem der größere Teil des Kronsberges ohnehin gehört, ist nicht offensichtlich fehlerhaft. Ob eine Zuweisung des südlichen Kronsberges an die neugebildete Stadt Laatzen ebenso zweckmäßig gewesen wäre, ist vom Verfassungsgericht nicht zu prüfen. | |
Auch hinsichtlich der Eingliederung des Messegeländes nach Hannover ist der Gesetzgeber nicht von unrichtigen Sachverhaltsannahmen ausgegangen. Trotz der Zuständigkeit des Verbandes Großraum Hannover für die Regionalplanung und den öffentlichen Nahverkehr gemäß dem Gesetz über den Verband Großraum Hannover idF des Art II des Gesetzes über die kommunale Neugliederung im Raum Hannover und der Zuständigkeit des Bundes und des Landes für wesentliche Bereiche der Straßenplanung bleibt noch Raum füre ine in die Zuständigkeit der Stadt Hannover als Gemeinde fallende Planung in bezug auf das Messegelände, in Sonderheit durch die Aufstellung von Bauleitplänen (vgl §§ 2, 10 BBauG). Durch die Eingliederung des Messegeländes kann also der planerische Einfluß der Stadt Hannover auf das Messegelände verstärkt werden. Daß eine solche Verstärkung des planerischen Einflusses Hannover auf die Messe notwendig sei und zu einer Verbesserung der bestehenden Verhältnisse führen könne, ist Gegenstand von Wertungen und Prognosen des Gesetzgebers. Offensichtlich fehlerhaft und eindeutig widerlegbar sind die vom Gesetzgeber hierzu angestellten Erwägungen jedenfalls nicht. Auch hier kommt es nicht darauf an, ob die weitere Entwicklung der Messe ebensogut auch von der neuen Stadt Laatzen aus hätte geplantw erden können. | |
Aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin haben sich keine greifbaren Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die vom Gesetzgeber zur Begründung der Eingliederungen angeführten, am Gemeinwohl ausgerichteten Gründe nur vorgeschoben sein könnten. Bei beiden Eingliederungsmaßnahmen hat der Gesetzgeber ersichtlich auch das Für und Wider hinreichend abgewogen." | |
Die angegriffenen Maßnahmen sind auch geeignet, dem Reformziel des Neugliederungsgesetzes zu dienen. Die einheitliche Zuordnung eines größeren künftigen Siedlungsgebietes und des Geländes einer überregionalen Einrichtung wie der Messe in den Kompetenzbereich der Stadt Hannover als desO berzentrums für den Raum Hannover läßt gegenüber dem bisherigen Zustand eine Verbesserung der Verwaltung, Planung und Entwicklung erwarten. Die insoweit angestellte Prognose des Gesetzgeberse rscheint jedenfalls nicht offensichtlich falsch. | |
Um die vom Gesetzgeber für erforderlich erachteten Verbesserungen in den Planungszuständigkeiten zu erreichen, ist die Eingliederung der beiden Gebiete nach Hannover erforderlich. Es ist nicht ersichtlich, durch welche für die Beschwerdeführerin weniger einschneidende Maßnahme das genannte Ziel ebensogut hätte erreicht werden können." | |
Eine Gegenüberstellung der mit der Eingliederung des Kronsberges und des Messegeländes nach Hannover verbundenen Vorteile mit den für die Beschwerdeführerin dadurch bewirkten Nachteilen ergibt keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß die gesetzgeberischen Maßnahmen als unverhältnismäßig oder gemeinwohlschädlich bezeichnet werden müßten. Auf der Schadensseite kommt hier eine durch bestimmten Gebietszuschnitt bewirkte Beeinträchtigung der zukünftigen kommunalen Verwaltungskraft und Leistungskraft der Beschwerdeführerin in Betracht. Die Beschwerdeführerin fordert insoweit Schutz ihres Vertrauens auf die Erhaltung eines ungeschmälerten Gebietsbestandes auch im Rahmen der Zusammenlegung mit anderen Gemeinden, weil sie ihre Entwicklung gerade darauf ausgerichtet habe, daß die nach Hannover eingegliederten Gebiete ihrer Gebietshoheit auch künftig unterstellt blieben. Ein so weitgehender Vertrauensschutz ist indessen nicht Inhalt des durch Art.28 Abs.2 GG garantierten Selbstverwaltungsrechts. Sprechen vernünftige, nicht offensichtlich fehlerhafte Erwägungen des öffentlichen Wohls dafür, Teile des Gebietes einer Gemeinde einer anderen Gemeinde zuzuordnen, weild adurch eine nicht nur geringfügige Verbesserung in der Erfüllung öffentlicher Aufgaben erreicht werden kann, so muß die betroffene Gemeinde dies grundsätzlich hinnehmen, auch wenn sie deshalb bestimmte in Gang befindliche Entwicklungsmaßnahmen abbrechen muß und zu größeren Umstellungen gezwungen wird. Dies gilt erst recht, wenn gleichzeitig mit der Gebietsausgliederung durch Zusammenschluß der betroffenen Gemeinde mit anderen Gemeinden eine neue Gemeinde entsteht und deshalb ohnehin ein kommunaler Neuanfang auf einem veränderten und vergrößerten Gebiet erforderlich wird. Die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit findet hier ihre aus der Garantie des Selbstverwaltungsrecht in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abzuleitende Grenze nicht schon da, wo besondere Vorteile für die Zukunft aufgehoben werden, sondern erst dort, wo die neu gebildete Gemeinde infolge der Abtrennung bestimmter Gebiete trotz gleichzeitiger Gebietsvergrößerung an anderer Stelle in Zukunft nicht mehr in der Lage ist, als Selbstverwaltungskörperschaft zu bestehen und ihre Verwaltungsaufgaben, Daseinsvorsorgeaufgaben und Entwicklungsaufgaben angemessen zu erfüllen. Die Beschwerdeführerin hat zwar wiederholt behauptet, daß ein solcher Zustand bei ihr eintreten werde bzw schon eingetreten sei. Ihr Vorbringen ist insoweit aber nicht hinreichend substantiiert. Es fehlt eine Darlegung, welche konkreten Aufgaben oder Entwicklungsprojekte auf dem verbliebenen bzw neu hinzugewonnenen Gemeindegebiet nicht mehr wahrgenommen werden können und inwiefern die Situation der Beschwerdeführerin und ihrer Bürger wegen der Gebietsausgliederung schlechter als die der anderen neu gegliederten Gemeinden im Raum Hannover geworden ist. Die seit Inkrafttreten des Gesetzes eingetretene Entwicklung und insbesondere die vom Niedersächsischen Ministerpräsidenten unwidersprochen vorgetragenen Angaben über die Finanzkraft und das Steueraufkommen der Beschwerdeführerin sprechen sogar deutlich dagegen, daß die Beschwerdeführerin ohne die nach Hannover eingegliederten Gebiete nicht lebensfähig und als Gebietskörperschaft funktionsuntüchtig sein könnten." | |
Auszug aus BVerfG B, 27.11.78, - 2_BvR_165/75 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.1 ff | |
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[ 1977 ] | RS-BVerfG - 1978 | [ 1979 ] [ ] |
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