2004 (2) | ||
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04.031 | Grundgehaltsstufen | |
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LB 1) Auf dem Gebiet des Besoldungsrechts hat der Gesetzgeber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine verhältnismäßig weite Gestaltungsfreiheit (vgl BVerfGE_8,1 <22>; BVerfGE_13,356 <362>; BVerfGE_26,141 <158 ff>; BVerfGE_71,39 <52 f>; BVerfGE_103,310 <319 f>). | ||
LB 2) Wegen des weiten Spielraums politischen Ermessens, innerhalb dessen der Gesetzgeber das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen darf, überprüft das Bundesverfassungsgericht nicht, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat. Es kann, sofern nicht von der Verfassung selbst getroffene Wertungen entgegen stehen, nur die Überschreitung äußerster Grenzen beanstanden, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen (vgl BVerfGE_65,141 <148 f>). | ||
LB 3) Dem Gesetzgeber steht es im Besonderen frei, aus der Vielzahl der Lebenssachverhalte die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Gleich- oder Ungleichbehandlung maßgebend sein sollen (vgl BVerfGE_71,39 <53>; BVerfGE_76,256 <295, 330>). | ||
LB 4) Jede Regelung des Besoldungsrechts muss zwangsläufig generalisieren und typisieren und wird in der Abgrenzung unvermeidbare Härten mit sich bringen; sie wird insoweit vielfach unter irgendeinem Gesichtspunkt für die unmittelbar Betroffenen fragwürdig erscheinen (vgl BVerfGE_26,141 <159>). | ||
LB 5) Die vielfältigen zu berücksichtigenden Gesichtspunkte werden nicht immer miteinander in Einklang zu bringen sein. Die sich daraus ergebenden Unebenheiten, Friktionen und Mängel sowie gewisse Benachteiligungen in besonders gelagerten Einzelfällen müssen hingenommen werden, sofern sich für die Gesamtregelung ein vernünftiger Grund anführen lässt (vgl BVerfGE_26,141 <159>; BVerfGE_49,260 <273>; BVerfGE_65,141 <148>; BVerfGE_76,256 <295>; zusammenfassend BVerfGE_103,310 <320>)." | ||
LB 6) Ziel des Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstrechts war die zeitgemäße und anforderungsgerechte Erneuerung des öffentlichen Dienstrechts, damit eine funktionstüchtige öffentliche Verwaltung auch in Zeiten knapper Kassen die öffentlichen Aufgaben zuverlässig, effektiv und kostenbewusst erfüllen kann. | ||
LB 7) Dem rascheren und stärkeren Einkommenszuwachs in den frühen Berufsjahren liegt die Überlegung zu Grunde, dass hier sowohl der Leistungszuwachs wie auch der persönliche Bedarf durch Aufbau einer eigenen Existenz und Familiengründung am höchsten sind. | ||
LB 8) Die durch das Reformgesetz bewirkte Besoldungsanhebung in den frühen Dienstjahren wie auch die Absenkung der Besoldung in den späteren Dienstjahren beruhen damit auf dem jeweiligen persönlichen Bedarf der Beamten in den einzelnen Zeitabschnitten wie auch auf dem Gesichtspunkt des möglichen Leistungszuwachses. | ||
LB 9) Die längeren Leistungsintervalle bieten zum einen eine Perspektive, bei herausragenden Leistungen vorzeitig in die nächst höhere Stufe aufzurücken. Zum anderen sind sie geeignet, einer unterdurchschnittlichen Leistung mit der Konsequenz einer noch längeren Verweildauer in einer Leistungsstufe entgegen zu wirken. Insoweit ist es auch unter dem Gesichtspunkt des Leistungsgedankens durchaus konsequent, wenn die Neuregelung auf alle Beamten erstreckt wird. | ||
LB 10) Art.33 Abs.5 GG mit dem darin verankerten Alimentationsprinzip schränkt den unter I. umrissenen weiten Typisierungsspielraum des Besoldungsgesetzgebers nicht über die Grenzen des Art.3 Abs.1 GG hinaus ein (BVerfGE_103,310 <320 f> mN der ständigen Rechtsprechung). | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel:
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T-04-14 | Verfassungsmäßigkeit-Besoldung | |
"Die Vorlage ist zulässig. Der vom vorlegenden Gericht in der Sache vertretenen Auffassung kann jedoch nicht beigetreten werden. Die zur Prüfung vorgelegte Regelung verstößt weder gegen Art.3 Abs.1 GG noch gegen Art.33 Abs.5 GG. | ||
Auf dem Gebiet des Besoldungsrechts hat der Gesetzgeber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine verhältnismäßig weite Gestaltungsfreiheit (vgl BVerfGE_8,1 <22>; BVerfGE_13,356 <362>; BVerfGE_26,141 <158 ff>; BVerfGE_71,39 <52 f>; BVerfGE_103,310 <319 f>). Er muss nämlich innerhalb des Besoldungsrechts nicht nur auf das Verhältnis einzelner Ämter zu benachbarten oder nahe stehenden Ämtern sehen, sondern auch übergreifende Gesichtspunkte, vor allem solche der Rückwirkung einer konkreten Differenzierung oder Nichtdifferenzierung auf das übrige Besoldungsgefüge, berücksichtigen. Er darf unter dem Gesichtspunkt der richtigen Einordnung eines Amtes in die Besoldungsordnung nicht nur die Aufgaben und die Verantwortung, die mit dem Amt verbunden sind, sondern unter Umständen auch die Notwendigkeit der Gewinnung von Nachwuchs oder ein besonderes Risiko berücksichtigen. Schließlich muss der Gesetzgeber die Freiheit haben, auch von der bisherigen Bewertung eines Amtes im Verhältnis zu einem anderen Amt abzuweichen. Anders lässt sich, wenn man eine Besoldungsordnung in ihrem Bestand nicht versteinern will, eine vom Gesetzgeber für notwendig gehaltene vernünftige Neuregelung und Verbesserung nicht bewerkstelligen (vgl BVerfGE_26,141 <158>). | ||
Wegen des weiten Spielraums politischen Ermessens, innerhalb dessen der Gesetzgeber das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen darf, überprüft das Bundesverfassungsgericht nicht, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat. Es kann, sofern nicht von der Verfassung selbst getroffene Wertungen entgegen stehen, nur die Überschreitung äußerster Grenzen beanstanden, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen (vgl BVerfGE_65,141 <148 f>). Dem Gesetzgeber steht es im Besonderen frei, aus der Vielzahl der Lebenssachverhalte die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Gleich- oder Ungleichbehandlung maßgebend sein sollen (vgl BVerfGE_71,39 <53>; BVerfGE_76,256 <295, 330>). Ihm muss zugestanden werden, auch das gesamte Besoldungsgefüge und übergreifende Gesichtspunkte in den Blick zu nehmen (vgl BVerfGE_26,141 <158>). Jede Regelung des Besoldungsrechts muss zwangsläufig generalisieren und typisieren und wird in der Abgrenzung unvermeidbare Härten mit sich bringen; sie wird insoweit vielfach unter irgendeinem Gesichtspunkt für die unmittelbar Betroffenen fragwürdig erscheinen (vgl BVerfGE_26,141 <159>). Die vielfältigen zu berücksichtigenden Gesichtspunkte werden nicht immer miteinander in Einklang zu bringen sein. Die sich daraus ergebenden Unebenheiten, Friktionen und Mängel sowie gewisse Benachteiligungen in besonders gelagerten Einzelfällen müssen hingenommen werden, sofern sich für die Gesamtregelung ein vernünftiger Grund anführen lässt (vgl BVerfGE_26,141 <159>; BVerfGE_49,260 <273>; BVerfGE_65,141 <148>; BVerfGE_76,256 <295>; zusammenfassend BVerfGE_103,310 <320>).
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Hieran gemessen begegnet die zur Prüfung vorgelegte Bestimmung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. | ||
1. Ziel des Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstrechts war die zeitgemäße und anforderungsgerechte Erneuerung des öffentlichen Dienstrechts, damit eine funktionstüchtige öffentliche Verwaltung auch in Zeiten knapper Kassen die öffentlichen Aufgaben zuverlässig, effektiv und kostenbewusst erfüllen kann. Zur Verwirklichung dieses Zieles sollten die Verstärkung des Leistungsgedankens, die Verbesserung von Mobilität und die Intensivierung von Führungskraft dienen (BTDrucks 13/3994, S.1). Die Verstärkung des Leistungsgedankens sollte dabei hauptsächlich dadurch umgesetzt werden, dass die Leistungselemente bei der Bezahlung verbessert und das Besoldungssystem insgesamt nach den Gesichtspunkten Attraktivität und Flexibilität neu gestaltet werden (BTDrucks 13/3994, S.1). Das Besoldungsrecht sollte den Leistungsgesichtspunkt stärker als bisher berücksichtigen und in seiner Anwendung flexibler und dezentraler ausgestaltet werden. Zusammen mit der neuen Struktur der Grundgehaltstabellen und der Umgestaltung des Ortszuschlages in einen Familienzuschlag sollte das Bezahlungssystem zeitgemäß, bedarfsgerecht und transparent werden (BTDrucks 13/3994, S.29). | ||
Als Maßnahmen zur Umsetzung sollten zum einen Steigerungen im Grundgehalt leistungsabhängig und nicht durch reinen Zeitablauf erfolgen. Leistungsprämien sollten von der Bundesregierung und den jeweiligen Landesregierungen als ergänzende Bezahlungstatbestände eingeführt werden können. Zum anderen sollte die Einführung von Öffnungsklauseln es den jeweiligen Verordnungsgebern ermöglichen, die Zahlung von Leistungsprämien und Leistungszulagen auf ihren Bedarf abzustimmen. Außerdem sollte durch die Übertragung der Regelungskompetenz zu Gunsten der Länder das bisherige bundesgesetzliche Regelwerk zur Begrenzung der Zahl der Beförderungsstellen von Beamten (Stellenobergrenzen) flexibilisiert und durch eine zeitgemäße Regelung ersetzt werden. Als drittes Element sollte das gesetzgeberische Ziel schließlich durch die Neugestaltung der Grundgehaltstabellen verwirklicht werden (BTDrucks 13/3994, S.29). | ||
2. a) Das vorlegende Gericht greift unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Maßstabes, den der Gesetzgeber zutreffend zu Grunde legt, zu kurz, wenn es ausführt, dass der Gesetzgeber ein neues Bezahlungssystem entwickelt habe, dessen Ausgewogenheit sich erst in seiner alle Altersjahrgänge erfassenden Gesamtheit erschließe. Dieser Überlegung liegt der so auch ausdrücklich formulierte Gedanke zu Grunde, dass die spätere Verlangsamung und Verminderung des Besoldungsanstiegs durch die anfängliche Beschleunigung und Erhöhung der Besoldungszuwächse weitgehend kompensiert werde. Das Gesetz wird an einer Konzeption gemessen, nach der das Gesamtlebenseinkommen nahezu unverändert bleiben und lediglich eine Umschichtung zu Gunsten der jüngeren Beamten erfolgen soll. Damit löst sich die Vorlage jedoch von den geltenden verfassungsrechtlichen Maßstäben ebenso wie von den in der Gesetzesbegründung enthaltenen Einzelaussagen zu den das Reformgesetz leitenden Prinzipien. | ||
Dem rascheren und stärkeren Einkommenszuwachs in den frühen Berufsjahren liegt die Überlegung zu Grunde, dass hier sowohl der Leistungszuwachs wie auch der persönliche Bedarf durch Aufbau einer eigenen Existenz und Familiengründung am höchsten sind (BTDrucks 13/3994, S.29). Die Verlängerung der Aufstiegsintervalle ab den mittleren Stufen kann in diesem Zusammenhang nicht allein in der beabsichtigten Kostenneutralität begründet gesehen werden. Die dadurch bewirkte Besoldungsabsenkung wurzelt vielmehr in der Erwägung, dass der persönliche Bedarf ab den mittleren gegenüber den Anfangsstufen geringer ist, weil die Existenz- und die Familiengründung hier in der Regel abgeschlossen ist und es insoweit vornehmlich um den Zuwachs an Lebenskomfort geht (vgl insoweit zB Schwegmann/Summer, BBesG, 111.Erg-Lief März 2004 | ||
Die durch das Reformgesetz bewirkte Besoldungsanhebung in den frühen Dienstjahren wie auch die Absenkung der Besoldung in den späteren Dienstjahren beruhen damit auf dem jeweiligen persönlichen Bedarf der Beamten in den einzelnen Zeitabschnitten wie auch auf dem Gesichtspunkt des möglichen Leistungszuwachses. Letzterer wird von dem Gesetzgeber als in den Anfangsjahren höher angesehen, weil der Lern- und Erfahrungsprozess hier intensiver ist als in den späteren Jahren, in denen auf den gewonnenen Erkenntnisschatz aufgebaut und dieser erweitert wird. Mithin liegen bezogen auf die einzelnen Dienstaltersphasen jeweils konkrete und auf die zu regelnde Sache bezogene Erwägungen des Gesetzgebers vor, die er folgerichtig auf die jeweils betroffenen Beamtengruppen erstreckt. Schon unter diesem Gesichtspunkt ist die vom vorlegenden Gericht behauptete Systemwidrigkeit nicht gegeben. | ||
Auch der Annahme, dass der Gesetzgeber mit der neuen Struktur der Grundgehaltssätze nur eine Umschichtung des Lebenseinkommens bei nahezu unverändert bleibendem Gesamtlebenseinkommen beabsichtigt habe, kann nicht gefolgt werden. Dies lässt sich weder dem Reformgesetz noch den Gesetzesmaterialien ausdrücklich oder den Umständen nach entnehmen. Die in den Gesetzesmaterialien verwendete Formulierung "Umschichtung des Lebenseinkommens" kann den vom vorlegenden Gericht gezogenen Schluss alleine nicht tragen. Dieser Terminus wird lediglich in abstrakter Weise zur plakativen Umschreibung der neuen Besoldungsstruktur verwendet, nicht aber in dem Sinne, dass das bisherige Gesamtlebenseinkommen unverändert aufrechterhalten bleiben und lediglich anders verteilt werden sollte. Vielmehr geht aus dem Gesamtzusammenhang hervor, dass insgesamt eine Absenkung des Gesamtlebenseinkommens beabsichtigt war. Berücksichtigt man, dass die besoldungsrechtlichen Maßnahmen auch die Einführung von Leistungselementen, konkret die vorgezogene Erhöhung des Grundgehalts und die Zahlung von Leistungsprämien und -zulagen, vorsehen, so erschließt sich, dass auch diese auf die Stärkung des Leistungsgesichtspunktes zielenden Maßnahmen durch die Absenkung der Besoldung finanziert werden sollten. Demgemäß spricht die Gesetzesbegründung davon, dass die Neuregelungen für Bund, Länder und Gemeinden in der Gesamtbetrachtung kostenneutral seien und dass durch den Umbau der Gehaltstabellen nach einer Übergangszeit von wenigen Jahren Minderausgaben erzielt würden, die für leistungsbezogene Bezahlungselemente zur Verfügung stünden (BTDrucks 13/3994, S.252 f). | ||
b) Ferner hat das vorlegende Gericht nicht hinreichend beachtet, dass das Reformgesetz nicht bei der Neugestaltung der Besoldungstabellen stehen bleibt, sondern die Besoldung auch an Leistungsgesichtspunkte gebunden hat. Sein Hinweis, dass es sich bei der Neugestaltung der Besoldungstabellen und den neu eingeführten Leistungselementen um zwei voneinander getrennte Prinzipien handele, ist nur zum Teil zutreffend. | ||
Die Anhebung der Besoldung in den frühen Dienstjahren und das erst spätere Erreichen des Endgrundgehaltes bewirkten zwar die Absenkung der Besoldung in den folgenden Dienstjahren leistungsunabhängig. Auch folgt der Aufstieg innerhalb der neuen Besoldungsstufen im Grundsatz nach wie vor einem Automatismus. Gleichwohl kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass die Neugestaltung der Besoldungstabellen nicht auch mit der Stärkung des Leistungsgedankens in Zusammenhang stehe. Der Aufstiegsautomatismus kann bei herausragenden Leistungen mit einem vorzeitigen Aufstieg in die nächste Leistungsstufe wie auch bei ungenügenden Leistungen mit einer Hemmung des Aufstiegs durchbrochen werden. Diese Elemente können - sieht man von der Gruppe der Beamten auf Probe ab - zwar auch innerhalb der gegenüber der früheren Regelung beibehaltenen zweijährigen Aufstiegsintervalle bis zur fünften Stufe ihre Wirkung entfalten. Jedoch erzeugt die Verlängerung der Aufstiegsintervalle ab der fünften Stufe, mithin einem Zeitpunkt, in dem nach der Gesetzesbegründung der stärkste Leistungszuwachs vorüber ist, für die Beamten einen stärkeren Leistungsanreiz und fördert damit mittelbar den Leistungsgedanken. | ||
Die längeren Leistungsintervalle bieten zum einen eine Perspektive, bei herausragenden Leistungen vorzeitig in die nächst höhere Stufe aufzurücken. Zum anderen sind sie geeignet, einer unterdurchschnittlichen Leistung mit der Konsequenz einer noch längeren Verweildauer in einer Leistungsstufe entgegen zu wirken. Insoweit ist es auch unter dem Gesichtspunkt des Leistungsgedankens durchaus konsequent, wenn die Neuregelung auf alle Beamten erstreckt wird. | ||
Von einer evidenten Sachwidrigkeit der Neuregelung kann nach alledem auch insoweit als sie die Beamten der Besoldungsgruppe A 14 in der Dienstaltersstufe 12 alten Rechts betrifft, keine Rede sein. | ||
3. Aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art.33 Abs.5 GG folgt nichts Abweichendes. Art.33 Abs.5 GG mit dem darin verankerten Alimentationsprinzip schränkt den unter I. umrissenen weiten Typisierungsspielraum des Besoldungsgesetzgebers nicht über die Grenzen des Art.3 Abs.1 GG hinaus ein (BVerfGE_103,310 <320 f> mN der ständigen Rechtsprechung)." | ||
Auszug aus BVerfG B, 06.05.04, - 2_BvL_16/02 -, www.BVerfG.de, Abs.42 ff | ||
§§§ |
04.032 | Klärschlamm-Entschädigung | |
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1) Erhebung und Bemessung der Beiträge zum Klärschlamm-Entschädigungsfonds sind mit den Zulässigkeitsvoraussetzungen vereinbar, die sich für nichtsteuerliche Abgaben aus der Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung ergeben. | ||
2) § 9 Düngemittelgesetz und die Klärschlamm-Entschädigungsfondsverordnung verletzen nicht die kommunale Selbstverwaltungsgarantie aus Art.28 Abs.2 GG. | ||
§§§ |
04.033 | Teilkindergeld | |
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§ 65 Abs.2 EStG verstößt nicht gegen Art.3 Abs.1 GG, soweit eine Teilkindergeldregelung dann nicht vorgesehen ist, wenn ein Anspruch auf vergleichbare, aber geringere Leistungen an einem Beschäftigungsort im Ausland besteht. | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel:
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§§§ |
04.034 | Ladenschluss | |
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1) Gilt ein Bundesgesetz gemäß Art.125a Abs.2 Satz 1 GG als Bundesrecht fort, obwohl die Voraussetzungen des Art.72 Abs.2 GG in der seit 1994 maßgebenden Fassung nicht erfüllt sind, bleibt der Bundesgesetzgeber zur Änderung einzelner Vorschriften zuständig. Eine grundlegende Neukonzeption ist ihm jedoch verwehrt. | ||
2) Das grundsätzliche Verbot der Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen ist mit dem Grundgesetz vereinbar. | ||
3) Zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften über den Ladenschluss an Werktagen. |
04.035 | Rechnungslegung-Parteien | |
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Zu den Rechtsfolgen fehlerhafter Rechnungslegung einer Partei gemäß Art.21 Abs.1 GG. | ||
LB 2) Als zu schützendes und durchzusetzendes Verfassungsgut kommt hier zuvörderst das Transparenz- und Publizitätsgebot des Art.21 Abs.1 Satz 4 GG in Betracht. | ||
LB 3) Ob eine Partei ihrer Rechenschaftspflicht genügt hat oder ob die hieran zu stellenden Anforderungen ohne ausreichende (einfach-) gesetzliche Grundlage im Einzelfall überspannt wurden, betrifft unmittelbar auch die Anwendung des Art.21 Abs.1 GG, eine Verfassungsbestimmung, die die Parteien als verfassungsrechtlich notwendige Instrumente für die politische Willensbildung des Volkes ausdrücklich anerkennt und in den Rang einer verfassungsrechtlichen Institution erhebt. Dem ist durch eine gesteigerte Prüfungstiefe seitens des Bundesverfassungsgerichts Rechnung zu tragen. | ||
LB 4) Art.21 Abs.1 GG wird durch das Parteiengesetz als Ausführungsgesetz konkretisiert. Den Rechtsbefehl zu finanzieller Transparenz enthält bereits Art.21 Abs.1 Satz 4 GG unmittelbar. | ||
LB 5) Im Rahmen der Auslegung und Anwendung des Parteiengesetzes ist deshalb stets die verfassungsrechtliche Grundlage der einzelnen Bestimmungen im Blick zu behalten. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf die Erfüllung der Rechenschaftspflicht durch die Parteien sowohl hinsichtlich der Ermittlung des Sachverhalts selbst als auch seiner rechtlichen Bewertung zu prüfen, ob die tatsächliche und rechtliche Wertung der Fachgerichte Grundrechte der Parteien verletzt oder ob sie ihre Rechtfertigung in der verfassungsmäßigen Ordnung, namentlich im Publizitäts- und Transparenzgebot des Art.21 Abs.1 Satz 4 GG und dessen einfach-rechtlicher Konkretisierung im Parteiengesetz findet. | ||
LB 6) § 19 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 ist so auszulegen und anzuwenden, dass er die Vorlage eines inhaltlich richtigen und vollständigen Rechenschaftsberichts erfordert, um den Verlust des Zuwendungsanteils zu vermeiden. | ||
LB 7) § 23 Abs.1 Satz 1 und § 23 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 sind als aufeinander abgestimmte Regelungen zu verstehen, womit ein unterschiedlicher Begriff des fristwahrenden - lediglich formell ordnungsgemäßen - Rechenschaftsberichts nicht vereinbar ist. Vielmehr haben die Gesetzesverfasser beide in Betracht kommenden Tatbestände - fehlender Rechenschaftsbericht und nicht den Vorschriften des Fünften Abschnitts entsprechender Rechenschaftsbericht - durch die Wendung "bzw" in ihrer rechtlichen Behandlung ausdrücklich gleichstellen wollen. | ||
LB 8) § 23 Abs.3 PartG 1994 wies dem Präsidenten des Deutschen Bundestages eine eigenständige, im Gewicht sogar übergeordnete Kompetenz zur Prüfung und abschließenden Entscheidung über die Vorschriftsmäßigkeit des Rechenschaftsberichts zu. | ||
LB 9) Das Prüfungsrecht des Bundestagspräsidenten ist nicht im Individualinteresse der Beschwerdeführer-, sondern im Allgemeininteresse um der Verwirklichung des Transparenz- und Publizitätsgebots willen gegeben. | ||
LB 10) Die vom Präsidenten des Deutschen Bundestages vorgenommene und vom Oberverwaltungsgericht bestätigte Differenzierung zwischen wesentlichen Fehlern, die zum Verlust staatlicher Mittel führen, und unwesentlichen Fehlern, bei denen dies nicht der Fall ist, begegnet auch unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Einwände einer mangelnden Bestimmtheit der Wesentlichkeitsgrenze sowie des Fehlens von Proportionalität zwischen Fehler und Anspruchsverlust keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insoweit ist weder das Rechtsstaatsprinzip ( Art.20 Abs.3 GG iVm Art.2 Abs.1 GG) noch das Willkürverbot ( Art.3 Abs.1 GG) verletzt. | ||
LB 11) Auch das Transparenz- und Publizitätsgebot des Art.21 Abs.1 Satz 4 GG fordert keinen uneingeschränkt richtigen und vollständigen Rechenschaftsbericht. Der Wortlaut des Art.21 Abs.1 Satz 4 GG spricht zwar dafür, dass die Publizitäts- und Transparenzpflicht auf eine möglichst vollständige Rechnungslegung zielt (BVerfGE_85,264 <319>). Die dem Gesetzgeber in Art.21 Abs.3 GG eröffnete Regelungsbefugnis gestattet aber gewisse Einschränkungen der Offenlegungspflicht, vor allem aus Gründen der Praktikabilität (BVerfGE_85,264 <321>), sofern sie mit dem Sinn und Zweck des Transparenzgebots vereinbar sind (BVerfGE_85,264 <319>). | ||
LB 12) Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Novellierung des Parteiengesetzes in § 19a Abs.3 Satz 5 PartG 2002 nunmehr die Verfallsfristen unabhängig von der inhaltlichen Richtigkeit des Rechenschaftsberichts geregelt hat, ist für das vorliegende Verfahren nichts entnehmen. | ||
LB 13) Die Richter Di Fabio und Mellinghof haben eine abweichende Meinung zu diesem Beschluss abgegeben. (siehe BVerfGE_111,109 = www.BVerfG.de Abs.245 ff.) | ||
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T-04-15 | Transparenz- und Publizitätsgebot | |
"Die zulässige Verfassungsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. | ||
1. Die Beschwerdeführerin ist als politische Partei im Verfassungsbeschwerde-Verfahren antragsberechtigt; denn sie macht die Verletzung von Rechten durch Verwaltungsmaßnahmen - hier durch den vom Präsidenten des Deutschen Bundestages als mittelverwaltende Stelle erlassenen Bescheid vom 14.Februar 2000 - geltend (vgl hierzu BVerfGE_27,111 <157>; BVerfGE_28,88 <102 f>; BVerfGE_73,1 <30 f>). Grundrechte, die den Parteien unabhängig von ihrem besonderen verfassungsrechtlichen Status wie jedermann zustehen, sind nicht Bestandteil der durch Art.21 GG geschützten Rechtsstellung und können deshalb nicht im Organstreitverfahren verfolgt werden (vgl hierzu BVerfGE_4,27 <30>; BVerfGE_11,239 <243>; BVerfGE_82,322 <335>; BVerfGE_84,290 <298>; BVerfGE_85,264 <284>). Ihre Verletzung kann nur auf dem Rechtsweg und letztlich mit der Verfassungsbeschwerde abgewehrt werden (BVerfGE_84,290 <299>). | ||
2. Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Prüfung sind allein die angegriffenen Entscheidungen, nicht hingegen Entscheidungen über die Rückforderung staatlicher Leistungen an die Beschwerdeführerin in den Jahren 1994 bis 1998. Insoweit fehlt es - insbesondere nach den Erklärungen des Bundestagspräsidenten zu dieser Frage - an einer Beschwer. | ||
Die angefochtenen Entscheidungen begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Vor allem ist § 19 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 mit dem ihm von den Fachgerichten entnommenen Inhalt nicht verfassungswidrig. | ||
1. a) Die Beschwerdeführerin wird durch die angegriffenen Gerichtsentscheidungen nicht in ihrem Grundrecht aus Art.2 Abs.1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art.20 Abs.3 GG) verletzt. Dieses Grundrecht gewährleistet die allgemeine Handlungsfreiheit in einem umfassenden Sinne (vgl BVerfGE_80,137 <152> mwN). Diese ist allerdings nur in den Schranken des zweiten Halbsatzes von Art.2 Abs.1 GG garantiert und steht damit vor allem unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung (vgl BVerfGE_6,32 <37 f>; BVerfGE_74,129 <152>; BVerfGE_80,137 <153>; BVerfGE_91,335 <338 f>). | ||
Zu dieser Ordnung gehören nicht nur die vom Normgeber gesetzten verfassungsmäßigen Vorschriften, sondern auch deren Auslegung durch den Richter und ebenso die im Wege zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung gewonnenen Entscheidungen (vgl.BVerfGE 74, 129 <152 f.>). Der anerkannten Befugnis der Gerichte zur Fortbildung des Rechts (BVerfGE_34,269 <287 f>; BVerfGE_49,304 <318>; BVerfGE_65,196 <210 ff>; BVerfGE_69,188 <203>; BVerfGE_71,354 <362 f>; BVerfGE_74,129 <152 f>; BVerfGE_82,6 <12> ) sind jedoch Grenzen gezogen, und zwar nicht nur durch den Grundsatz der Gesetzesbindung in Art.20 Abs.3 GG. Legt der Richter offene Gesetzesbegriffe aus oder bildet er Recht fort, stehen die sich daraus ergebenden Einschränkungen des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG nur dann mit der Verfassung in Einklang, wenn sie den Wertentscheidungen des Grundgesetzes, vornehmlich dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit entsprechen (vgl BVerfGE_6, 32 <41>; BVerfGE_74,129 <152>). 171 | ||
Das Rechtsstaatsprinzip, das der richterlichen Rechtsfindung Grenzen setzt, enthält allerdings keine bis in alle Einzelheiten eindeutig bestimmten Gebote oder Verbote. Es handelt sich vielmehr um einen Verfassungsgrundsatz, der der Konkretisierung entsprechend den jeweiligen sachlichen Gegebenheiten bedarf (BVerfGE_7,89 <92 f>; BVerfGE_65,283 <290> mwN). Namentlich sind für den Richter - wie für den Gesetzgeber - die im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsätze der Bestimmtheit (BVerfGE_56,1 <12 f>; BVerfGE_78,205 <212>; BVerfGE_84,133 <149>; BVerfGE_87,234 <263>; BVerfGE_89,69 <84 f>; BVerfGE_93,213 <238>) und der Verhältnismäßigkeit (BVerfGE_19,342 <348 f>; BVerfGE_23,127 <133>; BVerfGE_29,312 <316>; BVerfGE_61,126 <134>; BVerfGE_90,145 <173>) von Bedeutung. Darüber hinaus verkörpern der Grundsatz der Rechtssicherheit und die Idee der materiellen Gerechtigkeit weitere wesentliche Bestandteile des Rechtsstaatsprinzips (vgl BVerfGE_7,89 <92>; BVerfGE_49,148 <164> mwN; BVerfGE_63,215 <223>; BVerfGE_65,196 <215>). Angesichts seiner Weite und Unbestimmtheit ist bei der Ableitung konkreter Bindungen jedoch mit Behutsamkeit vorzugehen (vgl BVerfGE_57,250 <276>; BVerfGE_65,283 <290>; BVerfGE_90,60 <86>). | ||
So liegt eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips dann nicht vor, wenn die angegriffenen hoheitlichen Maßnahmen und die sie bestätigenden Gerichtsentscheidungen in der verfassungsmäßigen Ordnung ihre Grundlage finden und der Durchsetzung und dem wirksamen Schutz eines Verfassungsgutes dienen, das im Gesetzesrecht verankert ist und vom Grundgesetz selbst als elementarer Bestandteil seines Wertesystems begriffen wird (vgl BVerfGE_34,269 <291>). Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist zugleich auch eine Verletzung des Willkürverbots (BVerfGE_87,273 <278 f>; BVerfGE_89,1 <13 f>) ausgeschlossen. | ||
b) Als zu schützendes und durchzusetzendes Verfassungsgut kommt hier zuvörderst das Transparenz- und Publizitätsgebot des Art.21 Abs.1 Satz 4 GG in Betracht. | ||
Hiernach sind die Parteien verpflichtet, über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft zu geben. Dieser Bestimmung liegt die Erwägung zugrunde, dass die politische Willensbildung innerhalb einer Partei von Personen oder Organisationen erheblich beeinflusst werden kann, die den Parteien in größerem Umfang finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Eine derartige Verflechtung von politischen und wirtschaftlichen Interessen soll offen gelegt werden. Der Wähler soll sich unter anderem über die Kräfte unterrichten können, die die Politik der Parteien bestimmen, und er soll die Möglichkeit haben, die Übereinstimmung zwischen den politischen Programmen und dem Verhalten derer zu prüfen, die mit Hilfe finanzieller Mittel auf die Parteien Einfluss zu nehmen suchen (BVerfGE 24, 300 <356>; siehe auch BVerfGE_20,56 <106>; BVerfGE_52,63 <86 f.>; BVerfGE_85,264 <319>). Zugleich soll die innere Ordnung der Parteien durch die Pflicht zur öffentlichen Rechenschaftslegung gegen undemokratische Einflüsse gesichert werden (vgl BVerfGE_85,264 <319>). Darüber hinaus soll die Veröffentlichungspflicht zur Chancengleichheit der Parteien im politischen Wettbewerb beitragen (BVerfGE_20,56 <106>; BVerfGE_85,264 <320>). Bei der Novellierung des Art.21 Abs.1 Satz 4 GG durch das 35.Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 21.Dezember 1983 (BGBl I S.1481 ) ist der verfassungsändernde Gesetzgeber ebenfalls von dieser Zielsetzung ausgegangen. Um ihr noch näher zu kommen, wurde die Pflicht zur öffentlichen Rechenschaftslegung auf die Verwendung der Mittel und das Vermögen der Parteien erstreckt (vgl BVerfGE_85,264 <320> ). Dem Schutzgedanken des Art.21 Abs.1 Satz 4 GG ist daher nur dann Genüge getan, wenn der Wähler vom Vermögen und von der wirklichen Herkunft der Mittel einer Partei Kenntnis erhält. Dafür hat der Gesetzgeber Sorge zu tragen (vgl BVerfGE_85,264 <323>). | ||
Schon der Wortlaut der Vorschrift im Grundgesetz spricht dafür, dass sie auf eine möglichst vollständige Rechenschaftslegung zielt (vgl BVerfGE_85,264 <319> ). Die in Art.21 Abs.3 GG eröffnete Regelungsbefugnis ermöglicht dem Bundesgesetzgeber zwar gewisse Einschränkungen dieser Offenlegungspflicht, mögen sie die Form der Rechenschaftslegung oder auch Art und Höhe der erfassten Einnahmen betreffen. Solche Einschränkungen müssen indes stets mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift vereinbar sein (BVerfGE_85,264 <319>). Dementsprechend müssen allerdings nur solche Zuwendungen nach ihrer Herkunft verzeichnet werden, vermittels derer ihrem Umfang nach politischer Einfluss ausgeübt werden kann (vgl BVerfGE_24,300 <356>; BVerfGE_85,264 <321> ). Die Bestimmung dieser Grenze obliegt dem Gesetzgeber, der hierfür über einen gewissen Einschätzungsspielraum verfügt, bei dessen Wahrnehmung er nicht zuletzt auch Gesichtspunkte der Praktikabilität berücksichtigen darf (BVerfGE_85,264 <321>). | ||
c) Im Rahmen der vorliegenden Urteilsverfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht zu prüfen, ob die tätig gewordenen Behörden und Gerichte den Verpflichtungen des Art.21 Abs.1 Satz 4 GG in materieller und verfahrensmäßiger Hinsicht gerecht geworden sind oder ob die von ihnen gestellten Anforderungen ohne ausreichende (parteien-) gesetzliche Grundlage in rechtsstaatswidriger Weise überspannt und dadurch Grundrechte der Parteien verletzt wurden. Die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung einfachen (Parteien-) Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind zunächst allein Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte; das Bundesverfassungsgericht kann erst eingreifen, wenn spezifisches Verfassungsrecht verletzt ist, vor allem der Fehler gerade in der Nichtbeachtung von Grundrechten der Parteien, namentlich des Rechtsstaatsprinzips (Art.2 Abs.1 GG iVm Art.20 Abs.3 GG) oder des Grundrechts auf Chancengleichheit (Art.3 Abs.1 GG iVm Art.21 Abs.1 GG) liegt (BVerfGE_18,85 <92 f>). | ||
Anders als bei der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das einfache Recht, die diese als Elemente einer objektiven Ordnung in alle Rechtsbereiche hinein entfalten (vgl BVerfGE_7,198 <205>; BVerfGE_73,261 <269>; stRspr), kann sich die verfassungsrechtliche Prüfung beim Vollzug des Parteiengesetzes allerdings nicht lediglich darauf beschränken, ob dessen Auslegung und Anwendung auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Grundrechte der Parteien beruht. Ob eine Partei ihrer Rechenschaftspflicht genügt hat oder ob die hieran zu stellenden Anforderungen ohne ausreichende (einfach-) gesetzliche Grundlage im Einzelfall überspannt wurden, betrifft unmittelbar auch die Anwendung des Art.21 Abs.1 GG, eine Verfassungsbestimmung, die die Parteien als verfassungsrechtlich notwendige Instrumente für die politische Willensbildung des Volkes ausdrücklich anerkennt und in den Rang einer verfassungsrechtlichen Institution erhebt (BVerfGE_1,208 <225>; BVerfGE_2,1 <73>; BVerfGE_4,27 <30 f>; BVerfGE_5,85 <134, 388>; BVerfGE_11,266 <273>; BVerfGE_41,399 <416>). Dem ist durch eine gesteigerte Prüfungstiefe seitens des Bundesverfassungsgerichts Rechnung zu tragen. | ||
Art.21 Abs.1 GG wird durch das Parteiengesetz als Ausführungsgesetz konkretisiert. Den Rechtsbefehl zu finanzieller Transparenz enthält bereits Art.21 Abs.1 Satz 4 GG unmittelbar. Dies ergibt sich sowohl aus dessen Wortlaut als auch aus der systematischen Stellung innerhalb des Regelungszusammenhangs des Art.21 Abs.1 GG. So wie Art.21 Abs.1 Satz 2 GG unmittelbar das Recht verleiht, eine Partei zu gründen, enthalten Art. 21 Abs.1 Satz 3 GG und Art. 21 Abs.1 Satz 4 GG die unmittelbare Verpflichtung der Parteien auf die Grundsätze der innerparteilichen Demokratie und die Transparenz der Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie ihres Vermögens. Diese Normen begründen je für sich eine verfassungsunmittelbare Verpflichtung der Parteien, die auf Grund des Regelungsvorbehalts in Art.21 Abs.3 GG näherer Ausgestaltung durch den Bundesgesetzgeber bedarf, wie dies im Fünften Abschnitt des Parteiengesetzes (§§ 23 ff PartG 1994) geschehen ist, der bezüglich der Finanzierung auf die Bestimmungen des Vierten Abschnitts (§§ 18 ff PartG 1994) verweist. | ||
Im Rahmen der Auslegung und Anwendung des Parteiengesetzes ist deshalb stets die verfassungsrechtliche Grundlage der einzelnen Bestimmungen im Blick zu behalten. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf die Erfüllung der Rechenschaftspflicht durch die Parteien sowohl hinsichtlich der Ermittlung des Sachverhalts selbst als auch seiner rechtlichen Bewertung zu prüfen, ob die tatsächliche und rechtliche Wertung der Fachgerichte Grundrechte der Parteien verletzt oder ob sie ihre Rechtfertigung in der verfassungsmäßigen Ordnung, namentlich im Publizitäts- und Transparenzgebot des Art.21 Abs.1 Satz 4 GG und dessen einfach-rechtlicher Konkretisierung im Parteiengesetz findet. | ||
Diese Prüfungspflicht bedeutet allerdings nicht, dass das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung, ob die Rechenschaftspflicht im Einzelfall erfüllt oder hieran unter Verletzung von Grundrechten der Parteien ohne ausreichende (einfach-) gesetzliche Grundlage oder unter Verletzung der hergebrachten Regeln juristischer Methodik überzogene Anforderungen gestellt wurden, unter Berücksichtigung der gerichtlichen Vorentscheidungen neu und selbst zu treffen hätte; die Verfassungsbeschwerde eröffnet auch hier keine weitere Tatsachen- oder Revisionsinstanz. Das Bundesverfassungsgericht hat die Entscheidungen der Fachgerichte lediglich auf Fehler hin zu überprüfen, die geeignet sind, die Beachtung der Grundrechte der Parteien in Frage zu stellen. | ||
2. Gemessen an diesen Grundsätzen hält die Auslegung des Parteiengesetzes durch das Oberverwaltungsgericht der verfassungsgerichtlichen Überprüfung stand. | ||
Verfassungsrechtlich unangreifbar nimmt das Oberverwaltungsgericht an, dass der Rechenschaftspflicht gemäß Art.21 Abs.1 Satz 4 GG auch im Rahmen des § 19 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 nur durch Vorlage eines materiell richtigen Rechenschaftsberichtes Rechnung getragen werden kann. Nur ein solcher Rechenschaftsbericht entspricht den Vorschriften des Fünften Abschnitts des Parteiengesetzes (§§ 23 bis 31 PartG 1994) und kann Grundlage einer Festsetzung staatlicher Mittel nach § 23 Abs.4 Satz 1, § 19 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 sein. Das Oberverwaltungsgericht kann sich hierbei auf den Wortlaut und den systematischen Zusammenhang des § 19 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 mit weiteren Vorschriften des Parteiengesetzes über die Mittelbewilligung (a), deren Sinn und Zweck (b) und deren Entstehungsgeschichte (c) stützen. | ||
a) Der Wortlaut des § 19 Abs.4 PartG 1994 allein lässt zwar nicht hinreichend deutlich erkennen, ob auf einen lediglich formell oder aber auf einen auch materiell richtigen Rechenschaftsbericht abzustellen ist; die Vorschrift spricht schlicht von Rechenschaftsbericht. Aus dem Regelungszusammenhang von § 19 Abs.4 mit § 23 Abs.3 und 4 PartG 1994 folgt aber, dass ein den Vorschriften des Fünften Abschnitts des Parteiengesetzes entsprechender Rechenschaftsbericht gemeint ist. Nach § 23 Abs.3 Satz 1 PartG 1994 prüft der Präsident des Deutschen Bundestages, "ob der Rechenschaftsbericht den Vorschriften des Fünften Abschnitts entspricht". Gemäß § 23 Abs.4 Satz 1 PartG 1994 darf er staatliche Mittel für eine Partei nach § 18 und § 19 PartG nicht festsetzen, "solange ein den Vorschriften des Fünften Abschnitts entsprechender Rechenschaftsbericht nicht eingereicht worden ist". Da eine Festsetzung erst nach Vorlage eines den Vorschriften des Fünften Abschnitts entsprechenden Berichts erfolgen darf (§ 23 Abs.4 Satz 1 PartG 1994), kann von § 19 Abs.4 Satz 2 PartG 1994, wonach die endgültige Festsetzung nach Vorlage des Rechenschaftsberichts für das vorausgegangene Jahr erfolgt, stets nur der Bericht im Sinne von § 23 Abs.4 Satz 1 PartG 1994 gemeint sein. Auch § 19 Abs.4 Satz 3 PartG 1994, der für den Begriff des Rechenschaftsberichts auf § 19 Abs.4 Satz 2 PartG 1994 verweist, bezieht sich damit zugleich auch auf § 23 Abs.4 Satz 1 PartG 1994. | ||
Der Begriff des Rechenschaftsberichts in § 19 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 schließt folglich die in § 23 Abs.4 Satz 1 PartG genannte Anforderung ein. Dies lässt sich unschwer auch daraus entnehmen, dass § 23 Abs.4 Satz 1 PartG ausdrücklich auf § 19 PartG 1994 verweist, indem er bestimmt, dass staatliche Mittel nach § 18 und § 19 PartG nicht festgesetzt werden dürfen, solange ein den Vorschriften des Fünften Abschnitts entsprechender Rechenschaftsbericht nicht eingereicht worden ist. Die gegenteilige Auffassung, § 19 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 handele anders als § 23 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994 nicht von einem Rechenschaftsbericht, der den Vorschriften des Fünften Abschnitts entspreche mit der Folge, dass es für die Beteiligung an der endgültigen Festsetzung staatlicher Mittel nur darauf ankomme, dass die Partei bis zum 31. Dezember des laufenden Jahres überhaupt einen Rechenschaftsbericht einreiche (Depenheuer, FAZ vom 29.Februar 2000, S.11; Depenheuer/Grzeszick, Zwischen gesetzlicher Haftung und politischer Verantwortlichkeit, DVBl 2000, S.736 <738>; Koch, Verlust der Teilhabe an staatlicher Parteienfinanzierung bei fehlerhaftem Rechenschaftsbericht?, NJW 2000, S.1004 <1005>; ders., Rechtsfolgen unzureichender Rechenschaftslegung politischer Parteien, AöR 127 <2002>, S.165 <175 ff, 189 ff>; Huber, Das parteienrechtliche Transparenzgebot und seine Sanktionierung, DÖV 2000, S.745 <748, 749>), vermag nicht zu überzeugen. | ||
§ 19 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 darf nicht isoliert von § 23 Abs.4 PartG 1994 gesehen werden. Beide Regelungen greifen notwendigerweise ineinander. Die hiervon abweichende Auffassung steht in unauflösbarem Widerspruch zu § 23 Abs.4 Satz 1 PartG 1994, wonach der Präsident des Deutschen Bundestages eine Festsetzung nicht treffen darf, solange ein ordnungsgemäßer Rechenschaftsbericht nicht vorliegt. Es wäre auch ungereimt, wenn es für die Frage, ob die erste Stufe des Nichtentstehens des Anspruchs eingreift, nur darauf ankommen sollte, ob überhaupt ein Rechenschaftsbericht vorgelegt worden ist, während die zweite Stufe nur mit einem ordnungsgemäßen Bericht abgewendet werden könnte; vielmehr bauen beide Stufen aufeinander auf und sind miteinander verschränkt und verklammert (Cornils, Das Sanktionensystem des Parteiengesetzes: verfassungsmäßige Grundlage einer Kürzung des Anspruchs auf staatliche Teilfinanzierung?, VerwArch 91 <2000>, S.327 <328>; Heinig/Streit, Die direkte staatliche Parteienfinanzierung: Verfassungsrechtliche Grundlagen und parteigesetzliche Rechtsfragen, JURA 2000, S.393 <396>; Morlok, Spenden - Rechenschaft - Sanktionen, NJW 2000, S.761 <766>; Masing, Auslegung oder Auslegungsverweigerung?, NJW 2001, S.2353 <2355>; H-P Schneider, FAZ vom 8.März 2000, S.10 <11>). | ||
Auch durch die in § 28 PartG 1994 enthaltene Verpflichtung auf die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung wird bestätigt, dass nur durch einen korrekten Rechenschaftsbericht die Voraussetzungen für die Festsetzung staatlicher Mittel erfüllt werden können. Das Parteiengesetz nimmt hier auf die handelsrechtlichen Bilanzvorschriften Bezug. Die "Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung", die in § 243 Abs.1 HGB Erwähnung gefunden haben, umfassen auch den Grundsatz der inhaltlichen Richtigkeit und Vollständigkeit (§ 246 Abs.1 HGB). Schließlich sieht auch § 24 Abs.1 Satz 2 PartG 1994 ausdrücklich vor, dass der Rechenschaftsbericht nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks zu erstellen ist. Die Vorschrift nimmt damit nicht nur unmittelbar auf die in § 246 Abs.1 HGB enthaltenen Anforderungen an die inhaltliche Richtigkeit und Vollständigkeit des Jahresabschlusses, sondern auch auf das verfassungskräftig verfestigte Transparenz- und Publizitätsgebot des Art.21 Abs.1 Satz 4 GG Bezug, dessen Konkretisierung und Verwirklichung das Parteiengesetz zu dienen bestimmt ist. Damit kann unter dem Begriff des Rechenschaftsberichts im Sinne des Parteiengesetzes 1994 nur ein Rechenschaftsbericht verstanden werden, der bezüglich seiner inhaltlichen Richtigkeit und seiner Vollständigkeit den gesetzlichen Anforderungen entspricht
(Heinig/Streit, Die direkte staatliche Parteienfinanzierung: Verfassungsrechtliche Grundlagen und parteigesetzliche Rechtsfragen, JURA 2000, S.393 <396>; Morlok, Spenden - Rechenschaft - Sanktionen, NJW 2000, S.761 <766>; Masing, Auslegung oder Auslegungsverweigerung?, NJW 2001, S.2353 <2355>; Merten, Gesetzmäßige Parteienfinanzierung, Mitteilungen des Instituts für Deutsches und Europäisches Parteienrecht | ||
b) Für die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts spricht zudem, dass nur ein vollständiger Rechenschaftsbericht dem Verfassungsgebot genügt, die Bürger über Einnahmen, Ausgaben und Vermögen einer Partei zu unterrichten. Er allein ist geeignet, eine Verflechtung von politischen und wirtschaftlichen Interessen offenzulegen und den Wähler über jene Kräfte zu informieren, die die Politik der einzelnen Parteien bestimmen (BVerfGE_24,300 <356>; siehe auch BVerfGE_20,56 <106>; BVerfGE_52,63 <86 f>; BVerfGE_85,264 <319>). Dieser Zielsetzung widerspräche es, wenn gewichtige Vermögenspositionen - im Zweifel solche von heikler oder gar anstößiger Herkunft - folgenlos verschwiegen werden könnten. Andernfalls könnte jede in eine hinreichende Form gebrachte Lüge in vollem Umfang zum Bezug staatlicher Mittel berechtigen. Selbst wenn sich eine Partei offen weigern würde, wahrheitsgemäße Angaben zu machen, könnte sie unter Verweis auf ein beliebig gegriffenes, formalen Kategorien entsprechendes Rechenwerk vollständige Zahlung erlangen und sich nach eigenem Gutdünken von unliebsamen inhaltlichen Vorgaben offen freizeichnen (Masing, Auslegung oder Auslegungsverweigerung?, NJW 2001, S.2353 <2356>). | ||
Ein solches Ergebnis würde nicht nur den Intentionen des Parteiengesetzes, sondern auch dem Transparenz- und Publizitätsgebot des Art.21 Abs.1 Satz 4 GG zuwiderlaufen. Infolgedessen kann nur ein materiell richtiger Rechenschaftsbericht zu gleicher Teilnahme an der staatlichen Parteienteilfinanzierung berechtigen. § 19 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 ist so auszulegen und anzuwenden, dass er die Vorlage eines inhaltlich richtigen und vollständigen Rechenschaftsberichts erfordert, um den Verlust des Zuwendungsanteils zu vermeiden. Das Transparenz- und Publizitätsgebot des Art.21 Abs.1 Satz 4 GG, das diese Auslegung trägt, dient seinerseits dem Schutz der innerparteilichen Demokratie (Art.21 Abs.1 Satz 3 GG). Diese ist von Transparenz in finanziellen Dingen abhängig, weil andernfalls die Mitglieder keine Kontrollmöglichkeit gegenüber der Parteiführung hätten. Erst die Offenlegung von Finanzströmen macht diese nachvollziehbar und entschärft sie als Instrument innerparteilicher Machtsicherung (Morlok, Spenden - Rechenschaft - Sanktionen, NJW 2000, S.761 <762>). | ||
Das Gesetz geht deshalb folgerichtig davon aus, dass die Rechenschaftsberichte der Parteien nicht nur formell, sondern auch inhaltlich (materiell) richtig abgefasst sein müssen. Der Fünfte Abschnitt des Parteiengesetzes 1994 will nicht lediglich die nackte Form eines formelle Rechtssicherheit gewährenden Zahlenwerks verbürgen, damit irgendwelche Berechnungen eine bestandskräftige Grundlage finden; er will und muss die Transparenz der tatsächlichen Parteifinanzen sicherstellen. Denn Art.21 Abs.1 Satz 4 GG soll gewährleisten, dass jede durch Geld eröffnete Einflusschance offen gelegt und dadurch die Integrität des demokratischen Willensbildungsprozesses gesichert wird. Die These, eine lediglich formell ordnungsgemäße Rechenschaftslegung erfülle die Voraussetzungen des § 19 Abs.4 Satz 3 PartG, ist demzufolge nicht nur einfach-rechtlich unhaltbar, sondern auch mit den in Art.21 Abs.1 GG zum Ausdruck kommenden institutionellen Garantien und Grundsätzen unvereinbar. | ||
c) Sprechen - wie hier - sowohl der systematische Zusammenhang als auch der durch Art.21 Abs.1 GG vorgegebene Zweck der Regelung für die Richtigkeit der in den angegriffenen Entscheidungen gefundenen Auslegung und steht dieser auch der Wortlaut der Regelung nicht entgegen, so kann der Vorwurf einer verfassungswidrigen Rechtsfortbildung nicht darauf gestützt werden, die getroffene Auslegung werde durch die Entstehungsgeschichte der Regelung nicht gedeckt. Ausschlaggebende Bedeutung kommt den Gesetzesmaterialien in der Regel nicht zu (BVerfGE_6,389 <431>; BVerfGE41,291 <309>; BVerfGE_45,187 <227>; BVerfGE_62,1 <45>). Dessen ungeachtet erfährt die in den angegriffenen Entscheidungen gefundene Auslegung jedoch auch in der Entstehungsgeschichte ihre Bestätigung. | ||
In der Entwurfsbegründung zu § 23 Abs.4 Satz 1 PartG 1994 werden beide Tatbestände, die Nichtvorlage eines Rechenschaftsberichts einerseits und die Vorlage eines den Vorschriften des Fünften Abschnitts des Parteiengesetzes nicht genügenden Rechenschaftsberichts andererseits, ausdrücklich nebeneinander genannt (wobei auf Grund eines offenkundigen Redaktionsversehens jeweils statt Satz 2 Satz 3 genannt ist). Wörtlich heißt es: | ||
Satz 1 der Vorschrift dient - in Verbindung mit Satz 2 - wie bisher der Klarstellung, dass staatliche Mittel nicht gewährt werden dürfen, wenn kein bzw ein den Vorschriften des Fünften Abschnitts nicht entsprechender Rechenschaftsbericht vorgelegt wurde. | ||
(vgl BTDrucks 12/5774, S.16) | ||
Mit Blick auf § 19 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 spricht die Gesetzesbegründung dann von § 23 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 als der entsprechenden materiellen Regelung des Anspruchsverlustes. Ausdrücklich heißt es hierzu: | ||
Satz 2 korrespondiert mit der Verfahrensvorschrift des § 19 Abs.4 Satz 3 und enthält die entsprechende materielle Regelung des Anspruchsverlusts. Bei den Zuwendungen im Sinne dieser Vorschrift handelt es sich um in § 18 Abs.3 genannte Mitgliedsbeiträge oder rechtmäßig erlangte Spenden. | ||
(vgl BTDrucks 12/5774, S.16) | ||
§ 23 Abs.1 Satz 1 und § 23 Abs.4 Satz 3 sind danach als aufeinander abgestimmte Regelungen zu verstehen, womit ein unterschiedlicher Begriff des fristwahrenden - lediglich formell ordnungsgemäßen - Rechenschaftsberichts nicht vereinbar ist. Vielmehr haben die Gesetzesverfasser beide in Betracht kommenden Tatbestände - fehlender Rechenschaftsbericht und nicht den Vorschriften des Fünften Abschnitts entsprechender Rechenschaftsbericht - durch die Wendung "bzw." in ihrer rechtlichen Behandlung ausdrücklich gleichstellen wollen. | ||
Mit Rücksicht auf diese Rechtslage ist das Oberverwaltungsgericht den Einwänden der Beschwerdeführerin zu Recht nicht gefolgt. | ||
3. Auch die in der Verfassungsbeschwerde gegen das Erfordernis eines materiell richtigen Rechenschaftsberichts erhobenen weiteren Bedenken greifen, soweit sie überhaupt verfassungsrechtlicher Natur sind, nicht durch. Entweder existieren die von der Beschwerdeführerin behaupteten Folgeprobleme bereits aus rein tatsächlichen Gründen nicht, oder sie lassen sich im Wege verfassungskonformer Gesetzesinterpretation bewältigen, oder sie wurzeln ausschließlich im einfachen Gesetzesrecht, ohne dass die Beschwerdeführerin eine aktuelle Betroffenheit oder eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts in der Sache nachvollziehbar aufzeigen könnte. | ||
a) Entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin ist der Präsident des Deutschen Bundestages bei der Prüfung der Rechenschaftsberichte der Parteien nach dem PartG 1994 nicht lediglich auf eine Plausibilitätskontrolle beschränkt. Selbst bei einer bloßen Plausibilitätskontrolle hätte der hier einschlägige Sachverhalt allerdings berücksichtigt werden müssen. Der von der Beschwerdeführerin in Bezug genommene Vermerk der "Abteilung Parlamentarische Dienste" vom 9.Dezember 1999 gibt im Übrigen nur die Praxis der Bundestagsverwaltung, nicht jedoch die Rechtslage wieder. | ||
aa) Die materielle Richtigkeit der Rechenschaftsberichte zu gewährleisten, war nach dem PartG 1994 zunächst Aufgabe der von den Parteien beauftragten unabhängigen Wirtschaftsprüfer, deren Testate ihrerseits von den Wirtschaftsprüferkammern in regelmäßigen Abständen stichprobenartig unter fachlichen Gesichtspunkten überprüft wurden (vgl § 23 Abs.2 Satz 1 iVm §§ 29 bis 31 PartG 1994). Anschließend prüfte der Präsident des Deutschen Bundestages, ob der Rechenschaftsbericht den Vorschriften des Fünften Abschnitts des Parteiengesetzes entsprach (vgl § 23 Abs.3 Satz 1 PartG 1994). Daraus und aus der unterschiedslosen Erwähnung beider Prüfungen (nach § 23 Abs.2 Satz 1 und Abs.3) in § 29 Abs. 1 PartG 1994 ist zu schließen, dass das PartG 1994 davon ausging, dass beide Prüfungen nach Umfang und Intensität gleich waren (so der Bericht der Kommission unabhängiger Sachverständiger zu Fragen der Parteienfinanzierung vom 19.Juli 2001, BTDrucks 14/6710, S.61; siehe auch den Bericht des Präsidenten des Deutschen Bundestages über die Rechenschaftsberichte 1996, 1997 und 1998 vom 21. November 2000, BTDrucks 14/4747, S.17, den Bericht über die Rechenschaftsberichte 1994 und 1995 vom 29.Oktober 1997, BTDrucks 13/8888, S.12 sowie den inzwischen Gesetz gewordenen Entwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP vom 16.April 2002, BTDrucks 14/8778, S.18). | ||
bb) Mit dieser Erkenntnis ist die Vorstellung von einer ausschließlichen oder auch nur vorrangigen materiellen Prüfungskompetenz der Wirtschaftsprüfer unvereinbar. § 23 Abs.3 PartG 1994 begründete zwischen der Prüfungskompetenz des Präsidenten des Deutschen Bundestages und derjenigen der Wirtschaftsprüfer auch keine Arbeitsteilung dergestalt, dass der Bundestagsverwaltung nur eine auf die Überwachung der äußeren Verfahrensrichtigkeit beschränkte Kontrollaufgabe verblieben wäre. Vielmehr wies § 23 Abs.3 PartG 1994 dem Präsidenten des Deutschen Bundestages eine eigenständige, im Gewicht sogar übergeordnete Kompetenz zur Prüfung und abschließenden Entscheidung über die Vorschriftsmäßigkeit zu. | ||
cc) Daraus darf nun allerdings nicht gefolgert werden, der Präsident des Deutschen Bundestages sei von Amts wegen verpflichtet gewesen, jeden Rechenschaftsbericht en détail auf seine inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen, ohne dass für ein Fehlverhalten konkrete Anhaltspunkte vorlagen. Vielmehr bestimmte die Bundestagsverwaltung gemäß § 24 Abs.1 Satz 2 1. Halbsatz VwVfG Art und Umfang ihrer Ermittlungen selbst. Sie hatte insoweit ein Aufklärungs- und Verfahrensermessen und musste nicht von sich aus automatisch allen denkbaren Möglichkeiten nachgehen oder sich ohne Anlass auf Fehlersuche begeben. | ||
dd) Die Beschwerdeführerin kann nicht einerseits geltend machen, die Bundestagsverwaltung habe nur eine Plausibilitätskontrolle durchgeführt, wenn sie andererseits ihrer Mitwirkungspflicht nicht genügt und in ihr zurechenbarer Weise einen unrichtigen Rechenschaftsbericht vorgelegt hat. Sie verkennt, dass das Prüfungsrecht des Bundestagspräsidenten nicht in ihrem Individual-, sondern im Allgemeininteresse um der Verwirklichung des Transparenz- und Publizitätsgebots willen gegeben ist. Das Transparenzgebot und die seiner Verwirklichung dienende Rechenschaftspflicht haben nicht die Aufgabe, eine korrekte Finanzwirtschaft der Parteien zu gewährleisten. Hierfür haben diese in ihrem ureigensten Interesse selbst Sorge zu tragen. | ||
b) Die vom Präsidenten des Deutschen Bundestages vorgenommene und vom Oberverwaltungsgericht bestätigte Differenzierung zwischen wesentlichen Fehlern, die zum Verlust staatlicher Mittel führen, und unwesentlichen Fehlern, bei denen dies nicht der Fall ist, begegnet auch unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Einwände einer mangelnden Bestimmtheit der Wesentlichkeitsgrenze sowie des Fehlens von Proportionalität zwischen Fehler und Anspruchsverlust keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insoweit ist weder das Rechtsstaatsprinzip (Art.20 Abs.3 GG iVm Art.2 Abs.1 GG) noch das Willkürverbot (Art.3 Abs.1 GG) verletzt. | ||
aa) § 19 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 scheint zwar dem Wortlaut nach eine pauschale Alles- oder- Nichts-Lösung zu enthalten. Eine solche Betrachtungsweise griffe aber zu kurz. Unter einem Rechenschaftsbericht im Sinne dieser Vorschrift ist stets nur ein solcher zu verstehen, der den Vorschriften des Fünften Abschnitts, namentlich den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter zusätzlicher Berücksichtigung des Gesetzeszwecks entspricht (vgl § 24 Abs.1 Satz 2, § 28 Satz 2 PartG 1994). Zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zählt auch der Grundsatz der Wesentlichkeit (vgl Ballwieser in: MünchKomm-HGB, Band 4, 2001, § 243, Rn.63 und 64). Dieser besagt, dass in der Bilanz Positionen zu vernachlässigen sind, die wegen ihrer Größenordnung für den Adressaten des Jahresabschlusses ohne Bedeutung sind und auf das Jahresergebnis keinen nennenswerten Einfluss haben (vgl Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 7.Aufl 1987, S.180 ff; Claussen in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Band 4, 2.Aufl 1991, § 246 HGB, Rn.37; Großfeld, Bilanzrecht, 3.Aufl 1997, Rn.97) oder außerhalb von Sinn und Zweck gerade dieser Offenlegung bleiben. Auch wenn sich allgemein gültige Schwellenwerte nicht festlegen lassen (so Leffson, aaO, S.183) oder jedenfalls nicht zweckmäßig sind (so Dörner/Wirth in: Küting/Weber | ||
Auch das Transparenz- und Publizitätsgebot des Art.21 Abs.1 Satz 4 GG fordert keinen uneingeschränkt richtigen und vollständigen Rechenschaftsbericht. Der Wortlaut des Art.21 Abs.1 Satz 4 GG spricht zwar dafür, dass die Publizitäts- und Transparenzpflicht auf eine möglichst vollständige Rechnungslegung zielt (BVerfGE_85,264 <319>). Die dem Gesetzgeber in Art.21 Abs.3 GG eröffnete Regelungsbefugnis gestattet aber gewisse Einschränkungen der Offenlegungspflicht, vor allem aus Gründen der Praktikabilität (BVerfGE_85,264 <321>), sofern sie mit dem Sinn und Zweck des Transparenzgebots vereinbar sind (BVerfGE_85,264 <319>). Das ist hier nicht der Fall, weil nicht ernstlich zweifelhaft sein kann, dass die Grenze überschritten ist. Die Beschwerdeführerin kann nicht geltend machen, dass sie unter dem Gesichtspunkt des Gebots hinreichender Bestimmtheit förmlicher Gesetze den Rechtsverstoß nicht habe erkennen und ihr Verhalten nicht darauf habe einrichten können. | ||
bb) Mit Recht hat das Oberverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang von der Festlegung einer starren prozentualen Grenze zur Bestimmung dessen, was im Einzelnen von Belang ist, abgesehen und auf eine Beurteilung im Einzelfall unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Rechenschaftspflicht verwiesen. Eine starre Festlegung ist auch nicht von Verfassungs wegen geboten. Für den Rechtsunterworfenen muss zwar die Rechtslage erkennbar sein (BVerfGE_21,73 <79>; BVerfGE_52,1 <41>; BVerfGE_62,169 <182 f>; BVerfGE_64,261 <286>); er muss aber die Rechtsfolgen eines Normverstoßes nicht in allen Einzelheiten vorhersehen können; es genügt, wenn er zumindest das Risiko ernster Konsequenzen erkennen kann (vgl BVerfGE_87,363 <391 f>; BVerfGE_92,1 <12>). | ||
Dem ist hier Rechnung getragen. Die Beschwerdeführerin und ihre Vertreter konnten den Regelungen des Parteiengesetzes entnehmen, dass nur ein den Vorschriften des Fünften Abschnitts des PartG 1994 entsprechender Rechenschaftsbericht den Präsidenten des Deutschen Bundestages zur Festsetzung staatlicher Mittel berechtigt (§ 23 Abs.4 Satz 1 PartG 1994) und § 19 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 den Verlust des Zuwendungsanteils (§ 18 Abs.3 Nr.3 PartG 1994) vorsieht, wenn der eingereichte Rechenschaftsbericht nicht von dieser Beschaffenheit ist. Mehr ist unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebots nicht zu fordern. Im Gegenteil, die Festlegung von konkreten Schwellenwerten könnte eine rechenschaftspflichtige Partei dazu verleiten, diese auszuschöpfen und das Transparenzgebot des Grundgesetzes zu relativieren oder durch geschickte Verteilung von Zuwendungen auf verschiedene Gliederungs- und Organisationsebenen zu umgehen. | ||
Letztendlich bedarf diese Frage hier aber keiner abschließenden Klärung, weil der Gesetzgeber inzwischen eine Neuregelung vorgenommen hat, die Gemeinsamkeiten mit der bisherigen Rechtslage nicht mehr aufweist. Auch der Umstand, dass die Entscheidung, ob ein Rechenschaftsbericht mit wesentlichen Fehlern behaftet ist oder ob diese noch als unwesentlich beurteilt werden können, vom Präsidenten des Deutschen Bundestages zu treffen ist, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die von einer solchen Entscheidung betroffene Partei wird hinreichend dadurch geschützt, dass dem Präsidenten des Deutschen Bundestages bei seiner Entscheidung weder ein Beurteilungs- noch ein Ermessensspielraum zusteht und diese daher in vollem Umfang der gerichtlichen Prüfung unterliegt. | ||
cc) Auch soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Art.2 Abs.1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art.20 Abs.3 GG) darin erblickt, dass es im Rahmen des § 19 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 an einer Proportionalität zwischen dem Fehler und dem als Rechtsfolge eintretenden Anspruchsverlust - genauer: dessen Nichtentstehen - fehlt, kann ihr nicht gefolgt werden. § 19 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 weist - anders als etwa § 23a PartG 1994 - keinen Sanktions- oder gar Strafcharakter auf; es handelt sich in Verbindung mit dem Festsetzungsverbot des § 23 Abs.4 Satz 1 PartG 1994 - bereits dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes nach - lediglich um eine von Amts wegen zu berücksichtigende rechtshindernde Einwendung, die das endgültige Entstehen des Anspruchs - genauer: dessen Festsetzung - hindert. | ||
Von einer strafähnlichen Sanktion könnte nur dann gesprochen werden, wenn eine Normverletzung rückblickend repressiv geahndet würde (vgl BVerfGE_20,323 <331>; BVerfGE_58,159 <162>). Daran fehlt es jedoch. Der Wegfall des Anspruchs ist keine Sanktion für fehlerhafte, dem Transparenzgebot widersprechende Rechenschaftsberichte, sondern - wie die Instanzgerichte zu Recht angenommen haben - lediglich die Folge der mangelhaften Mitwirkung einer Partei im Rahmen des Festsetzungsverfahrens. Das schließt nicht aus, dass die Partei das Nichtentstehen des Anspruchs, mit dessen Entstehen und den sich daran anknüpfenden endgültigen Mittelzuweisungen sie fest gerechnet hatte, als Sanktion empfindet; rechtlich maßgebend und damit für die Beurteilung entscheidend ist jedoch allein, ob eine solche Wirkung Gegenstand und Zweck des Gesetzes ist. Das ist nicht der Fall. Die Verknüpfung der Vorlage eines materiell ordnungsgemäßen Rechenschaftsberichts mit dem Entstehen des Anspruchs auf Parteienfinanzierung und dem damit einhergehenden Eintritt des Rechtsgrundes für das Behaltendürfen der bereits in Empfang genommenen Abschlagszahlungen ist kein Akt der Repression. | ||
Eine Partei kann den ihr nach dem Grundgesetz zukommenden Aufgaben, vor allem der Transformation des durch sie integrierten und kanalisierten Bürgerwillens zum Staatswillen, nur dann gerecht werden, wenn sowohl die innerparteiliche Demokratie als auch gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen den Parteien gemäß den verfassungsrechtlichen Prämissen gewährleistet sind und wenn dem Bürger bei seiner Wahlentscheidung klar ist, welche Interessen er mit der Abgabe seiner Stimme für eine bestimmte Partei unterstützt (vgl BVerfGE_85,264 <319>). Dies ist bei Parteien nicht sichergestellt, die in zurechenbarer Weise ihrer Verpflichtung, einen ordnungsgemäßen Rechenschaftsbericht einzureichen, nicht nachgekommen sind. Aus diesem Grunde ist der Staat zu deren gleicher Finanzierung nicht nur nicht verpflichtet, sondern grundsätzlich auch nicht berechtigt. Er ist auch nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass den politischen Parteien die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stehen (BVerfGE_52,63 <86>; BVerfGE_73,40 <86>; unter Betonung des Vorrangs der Selbstfinanzierung vor der Staatsfinanzierung offen gelassen in BVerfGE 85, 264 <288f.>; gegen eine grundsätzliche Förderungspflicht ausdrücklich auch BVerfGE 104, 287 <300>). Eine solche Verpflichtung des Gesetzgebers lässt sich dem Grundgesetz nicht entnehmen (BVerfGE_8,51 <65>; BVerfGE_52,63 <84>; BVerfGE_73,40 <86>). | ||
Das Grundgesetz hat den Parteien das Risiko des Fehlschlagens eigener Bemühungen um ihre Finanzierung nicht abgenommen. Es vertraut vielmehr die politische Willensbildung der Urteilskraft und Aktivität der Bürger an (BVerfGE_20,56 <102 f>; BVerfGE_52,63 <85 f>; BVerfGE_73,40 <86>; BVerfGE_85,264 <287>; BVerfGE_104,287 <300>). Ein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf staatliche Parteienfinanzierung, der durch das Erfordernis der fristgerechten Vorlage eines materiell richtigen Rechenschaftsberichts verletzt werden könnte, existiert mithin, wie das Oberverwaltungsgericht im angefochtenen Urteil zu Recht erkannt hat, nicht. Der Gesetzgeber ist an einer finanziellen Förderung der Parteien lediglich nicht gehindert, sofern er diese hierdurch nicht der staatlichen Vorsorge überantwortet und die vom Grundgesetz gewährleistete Offenheit des Prozesses der politischen Willensbildung des Volkes nicht beeinträchtigt wird (BVerfGE_20,56 <99, 102>; BVerfGE_52,63 <86>; BVerfGE_73,40 <86>; BVerfGE_85,264 <288>). | ||
Es steht dem Gesetzgeber deshalb auf Grund der ihm durch Art.21 Abs.3 GG eröffneten Regelungsbefugnis frei, die Rechenschaftslegung mit der staatlichen Parteienfinanzierung zu verknüpfen (vgl BVerfGE_85,264 <319> ) und für den Fall der Verletzung von Mitwirkungspflichten das Nichtentstehen von Ansprüchen (§ 19 Abs.4 Satz 3, § 23 Abs.4 Satz 3 PartG 1994) oder gar Sanktionen (§ 23a PartG 1994) vorzusehen. Auch § 23, § 44 Abs.1 Satz 2 und 3 BHO legen für den Fall der Gewährung staatlicher Zuwendungen an Stellen außerhalb der Bundesverwaltung ausdrücklich besondere Rechenschaftspflichten und Prüfungsrechte fest. | ||
Die Rückabwicklung der bereits in Empfang genommenen Abschlagszahlungen (vgl § 20 Abs.3 PartG 1994) ist mithin eine folgerichtige Verwirklichung der sich aus Art.21 GG ergebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben. | ||
dd) Ebenso wenig begegnet die in § 19 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 getroffene Stichtagsregelung verfassungsrechtlichen Bedenken. Derartige Regelungen sind trotz der mit ihnen verbundenen Härten grundsätzlich zulässig (vgl BVerfGE_3,58 <148>; BVerfGE_71,364 <397>; BVerfGE_80,297 <311>), sofern der Gesetzgeber - wie hier - den ihm zukommenden Gestaltungsspielraum in sachgerechter Weise genutzt, die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt und eine sachlich begründete Entscheidung getroffen hat (vgl BVerfGE_58,81 <126>; BVerfGE_79,212 <219 f>; BVerfGE_95,64 <88>; BVerfGE_101,239 <270>). | ||
Ein wie auch immer gearteter rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in verfassungsrechtliche Positionen der Beschwerdeführerin ist mit dem in § 19 Abs.4 Satz 3, § 23 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 angeordneten Nichtentstehen von Ansprüchen nicht verbunden. Diese Vorschriften regeln vielmehr im Rahmen der Leistungsverwaltung lediglich die Folgen, die sich ergeben, wenn die Bewilligungsvoraussetzung, einen materiell richtigen Rechenschaftsbericht einzureichen, nicht fristgerecht erfüllt wurde. Das ist der Fall. Die Frist ist ausreichend, und es wird nicht geltend gemacht, dass die konkreten Probleme mit einer unangemessenen Frist zusammenhingen. Es geht hier um ein über viele Jahre verschwiegenes Vermögen, dessen Herkunft ungeklärt und nach früherem Recht nie offengelegt worden ist. | ||
ee) Zieht man weiter in Betracht, dass die betroffene Partei durch das Nichteinreichen eines Rechenschaftsberichts oder das Einreichen eines wesentlich unrichtigen Rechenschaftsberichts den Anforderungen eines elementaren Verfassungsgrundsatzes, des Transparenz- und Publizitätsgebots des Art.21 Abs.1 Satz 4 GG, nicht genügt hat, erscheint die Rechtsfolge des Nichtentstehens eines Anspruchs auf staatliche Teilfinanzierung auch keineswegs unverhältnismäßig, ohne dass es wegen des fehlenden Eingriffscharakters hierauf noch ankäme. | ||
Bereits das Versäumen der Antragsfrist des § 19 Abs.1 PartG 1994 zieht die erheblich gravierendere Rechtsfolge eines vollständigen Nichtentstehens des Anspruchs nach sich, obwohl es sich hierbei nur um einen Verstoß gegen eine formelle und in ihrer konkreten Gestaltung nicht verfassungsrechtlich verankerte Voraussetzung handelt. Wenn aber schon ein vollständiges Nichtentstehen des Anspruchs wegen Verstoßes gegen formelle Voraussetzungen nicht als unverhältnismäßig erscheint, so hat dies für den Fall der Vorlage eines wesentlich unrichtigen Rechenschaftsberichtes erst recht zu gelten. | ||
Der von der Beschwerdeführerin gerügte Mangel an Proportionalität zwischen einem wesentlichen Fehler - unwesentliche Fehler können bereits wegen Nichterreichens der Wesentlichkeitsgrenze nicht zu einem Nichtentstehen des Anspruchs führen - und der in § 19 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 vorgesehenen Rechtsfolge vermag daher eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips (Art.20 Abs.3 iVm Art.2 Abs.1 GG) nicht zu begründen. Diese Rechtsfolge ist im Gegenteil verhältnismäßig; denn sie trägt dem Verfassungsgebot, die Transparenzpflicht effektiv auszugestalten (BVerfGE_85,264 <319>), in besonderer Weise Rechnung. Sie hält die Parteien zur fristgerechten und vor allem vollständigen Erfüllung ihrer Mitwirkungspflichten an. | ||
c) Soweit die Einwände der Beschwerdeführerin die Befugnis des Bundestagspräsidenten betreffen, Festsetzungsbescheide für die Vergangenheit zurückzunehmen, bedürfen sie keiner Befassung des Senats (vgl auch oben unter B.I.2.). | ||
d) Soweit die Beschwerdeführerin eine Parteienrechtsakzessorietät des Untreuetatbestandes (§ 266 StGB) rügt, wird schon nicht deutlich, wie sie als Partei durch die Anwendung dieser Vorschrift auf Privatpersonen belastet und in ihrem Grundrecht aus Art.2 Abs.1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art.20 Abs.3 GG) oder Art.103 Abs.2 GG verletzt sein könnte. Im Übrigen kennt das Verfassungsbeschwerde-Verfahren keine (gewillkürte) Prozessstandschaft (vgl BVerfGE_25,256 <263>; BVerfGE_72,122 <131>). | ||
e) Anders als die Beschwerdeführerin meint, steht auch § 23a Abs.1 PartG 1994 der Auslegung, dass gemäß § 19 Abs.4 Satz 3, § 23 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 nur ein materiell richtiger Rechenschaftsbericht zur Teilnahme an der staatlichen Parteienfinanzierung berechtigt, nicht entgegen. Die Beschwerdeführerin wird durch eine solche Interpretation nicht in ihrem Grundrecht aus Art.2 Abs.1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art.20 Abs.3 GG) verletzt. | ||
aa) Überschneidungen im Rechtsfolgenbereich zwischen § 19 Abs.4 Satz 3 und § 23a Abs.1 Satz 1 PartG 1994 sind zwar durchaus denkbar, etwa dann, wenn gegen die Verpflichtung verstoßen wird, Großspender mit Namen und Wohnsitz offen zu legen (vgl § 25 Abs.2 PartG 1994) oder wenn illegale Spenden angenommen und im Rechenschaftsbericht nicht ausgewiesen werden. Ein solcher Verstoß gegen die Vorschriften des Fünften Abschnitts des Parteiengesetzes 1994 macht den Rechenschaftsbericht fehlerhaft und bewirkt - bei Wesentlichkeit - den Verlust der staatlichen Mittel nach § 19 Abs.4 Satz 3 und § 23 Abs.4 Satz 3 PartG 1994. Zugleich ordnet § 23a Abs. 1 PartG 1994 für derartige Fälle den Verlust des Anspruchs auf staatliche Mittel in Höhe des zweifachen des rechtswidrig Erlangten oder nicht den Vorschriften des Parteiengesetzes entsprechend veröffentlichten Betrages an. Diese Rechtsfolgenanordnung würde auf Grund ihrer umfänglichen Beschränkung keinen Sinn machen, wenn der Anspruch ganz oder in Höhe des zuwendungsbezogenen Anteils (§ 18 Abs.3 Nr.3 PartG 1994) bereits nach § 19 Abs.4 Satz 3, § 23 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 entfiele. | ||
Unterhalb der Schwelle einer wesentlichen Unrichtigkeit des Rechenschaftsberichts kommt allein § 23a PartG 1994 zum Tragen. Oberhalb dieser Schwelle, also im Falle des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 23a Abs.1 Satz 1 PartG 1994 wie auch der Vorlage eines wesentlich unrichtigen Rechenschaftsberichts nach § 19 Abs.4 Satz 3, § 23 Abs.4 Satz 3 PartG 1994, wird § 23a von § 19 Abs.4 Satz 3, § 23 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 konsumiert. Es besteht insoweit Idealkonkurrenz (Heinig/Streit, Die direkte staatliche Parteienfinanzierung: Verfassungsrechtliche Grundlagen und parteigesetzliche Rechtsfragen, JURA 2000, S.393 <400>; Streit, Die Rückforderung von staatlichen Parteifinanzierungsbeiträgen nach § 48 VwVfG, Mitteilungen des Instituts für Deutsches und Europäisches Parteienrecht | ||
cc) Bei dieser Auslegung verbleibt für § 23a PartG 1994 - unterhalb der Schwelle der Wesentlichkeit von Mängeln des Rechenschaftsberichts - ein erheblicher Anwendungsbereich. Beide Vorschriften können einander mithin so zugeordnet werden, dass für jede von ihnen ein sachgerechter Anwendungsbereich verbleibt und sie einander optimieren und ergänzen (vgl hierzu Masing, Auslegung oder Auslegungsverweigerung?, NJW 2001, S. 2353 <2357>; Heinig/Streit, aaO, JURA 2000, S.393 <400>). Diese Deutung findet - auch wenn der Gesetzgeber das Wechselspiel zwischen § 23a PartG einerseits und § 19 Abs.4 Satz 3, § 23 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 andererseits möglicherweise nicht in allen Ausprägungen übersehen haben mag - in den Entstehungsstufen des Gesetzes hinreichenden Rückhalt: Während § 23a PartG bereits durch das Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze vom 22.Dezember 1983 (BGBl I S.1577) eingeführt wurde, wurden die weiter reichenden Folgen des Nichtentstehens des Anspruchs im Falle des Einreichens eines unvollständigen Rechenschaftsberichts (§ 19 Abs.4 Satz 3, § 23 Abs.4 Satz 3 PartG) als zusätzliche Verschärfung erst im Jahre 1994 in das Gesetz aufgenommen. Dabei bestanden - wie die Genese dieser Vorschriften zeigt - keinerlei Zweifel, dass diese Rechtsfolgen für den Fall einer wesentlichen Verletzung der Mitwirkungspflichten der Parteien im Rahmen der staatlichen Teilfinanzierung in ihrer vollen Härte gewollt waren (Masing, aaO, NJW 2001, S.2353 <2357>). Nach allem kommt eine teleologische Reduktion des § 23a Abs.1 PartG 1994 nicht in Betracht. Das zwischen beiden Regelungsebenen, § 23a Abs.1 einerseits und § 19 Abs.4 Satz 3, § 23 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 andererseits, bestehende Spannungsverhältnis lässt sich vielmehr sach- und interessengerecht auflösen. | ||
dd) Im Übrigen liegt eine Verletzung der Beschwerdeführerin in ihren Rechten aus Art.2 Abs.1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art.20 Abs.3 GG) auch von vornherein fern, weil der Anwendungsbereich des § 23a Abs.1 PartG 1994 hier überhaupt nicht tangiert wird. Es stehen nicht Verstöße gegen § 25 PartG 1994 im Raum, sondern Fehler in der Vermögensrechnung. | ||
f) Auch der mit der Anwendung des § 19 Abs.4 PartG 1994 verbundene Umverteilungseffekt verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihren Grundrechten, vor allem nicht in ihrem Grundrecht auf Chancengleichheit aus Art.3 Abs.1 GG in Verbindung mit Art.21 Abs.1 GG. | ||
aa) Das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit ist zwar im Grundgesetz nicht ausdrücklich festgelegt; es ist jedoch, wie Art.3 Abs.1 GG in Verbindung mit Art.21 Abs.1 GG zu entnehmen ist, grundrechtlich gesichert (BVerfGE_6,273 <280>; BVerfGE_7,99 <107>) und folgt aus der Bedeutung, die der Freiheit der Parteigründung und dem Mehrparteienprinzip für die freiheitliche Demokratie zukommt (BVerfGE_47,198 <225>; BVerfGE_73,40 <88>; BVerfGE_85,264 <297>; stRspr). Es steht allen politischen Parteien zu, die nicht im Verfahren nach Art.21 Abs.2 GG vom Bundesverfassungsgericht verboten sind (BVerfGE_7,99 <107>), und gilt nicht nur für den Wahlvorgang selbst, sondern auch für die Wahlvorbereitung und den Wettbewerb der Parteien um die Erlangung von Spenden sowie für die Gewährung staatlicher Finanzierungshilfen (BVerfGE_20,56 <116>; BVerfGE_24,300 <339 ff>; BVerfGE_41,399 <413>; BVerfGE_85,264 <297>). Der Grundsatz der Chancengleichheit hängt eng mit den Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl zusammen, die ihre Prägung durch das Demokratieprinzip erfahren. Aus diesem Grunde ist in diesem Bereich - ebenso wie bei der durch die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl verbürgten gleichen Behandlung der Wähler - die Gleichheit strikt und formal (BVerfGE_8,51 <64 f>; BVerfGE_85,264 <297>). Greift die öffentliche Gewalt in den Parteienwettbewerb in einer Weise ein, die geeignet ist, die Chancen der politischen Parteien zu verändern, sind ihrem Ermessen daher besonders enge Grenzen gezogen (BVerfGE_8,51 <64 f>; BVerfGE_14,121 <133>; BVerfGE_24,300 <341>; BVerfGE_44,125 <146>; BVerfGE_73,40 <88 f>; BVerfGE_85,264 <297>). Alle Parteien müssen grundsätzlich formal gleich behandelt werden (BVerfGE_8,51 <65>). | ||
Verboten ist deshalb jede unterschiedliche Behandlung, die nicht durch einen besonderen zwingenden Grund gerechtfertigt ist (BVerfGE_8,51 <65>; BVerfGE_14,121 <133>; BVerfGE_34,160 <163>; BVerfGE_44,125 <146>; BVerfGE_47,198 <227>). Vor allem darf der Gesetzgeber die vorgefundene Wettbewerbslage nicht verändern oder verfälschen (BVerfGE_41,399 <413>; BVerfGE_42,53 <58 f>; BVerfGE_73,40 <89>; BVerfGE_85,264 <297>). Das bedeutet konkret: Der Grundsatz der Chancengleichheit verlangt einerseits nicht, vorgegebene Unterschiede auszugleichen mit dem Ziel, eine Wettbewerbsgleichheit herzustellen. Er verwehrt es dem Gesetzgeber jedoch andererseits, durch finanzielle Zuwendungen bestehende faktische Ungleichheiten der Wettbewerbschancen zu verschärfen (BVerfGE_20,56 <118>; 0 BVerfGE_41,399 <413 f>; BVerfGE_42,53 <59>; BVerfGE_73,4 . <89>; BVerfGE_78, 350 <358>; BVerfGE_85,264 <297>; stRspr) Der Willensbildungsprozess des Volkes darf nicht durc staatliche Intervention verzerrt werden. | ||
bb) Diesen Anforderungen halten die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts stand. Eine Verletzung der Chancengleichheit der Parteien liegt nicht inmitten. Der Gesetzgeber hat die rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung staatlicher Mittel im Parteiengesetz für alle Parteien gleich geregelt und unter anderem von der fristgerechten Einreichung eines materiell richtigen Rechenschaftsberichts abhängig gemacht. Damit haben alle Parteien die gleiche Chance, diese Voraussetzung zu erfüllen und an der staatlichen Parteienfinanzierung teilzunehmen. Mehr ist von Verfassungs wegen nicht geboten. Gleiche Chancen am Start waren in jeder Hinsicht gewährleistet. Denn auch die Beschwerdeführerin und ihre Gliederungen hatten die Möglichkeit, ihr Vermögen korrekt auszuweisen und materiell richtige Rechenschaftsberichte einzureichen. | ||
cc) Auch die mit dem Nichtentstehen des Anspruchs verbundene Umverteilung frei gewordener Mittel verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Recht auf Chancengleichheit (Art.3 Abs.1 GG iVm Art.21 Abs.1 GG). Ein von der Beschwerdeführerin behaupteter Mitteltransfer von den Parteien, die keine oder nur verminderte staatliche Mittel erhalten, auf bewilligungsberechtigte konkurrierende Parteien findet, wie das Bundesverwaltungsgericht mit Recht festgestellt hat, nicht statt. Die gegenteilige Sichtweise entsteht bei der Beschwerdeführerin, weil sie sich als "an sich anspruchsberechtigt" sieht. Wird ein gemeinsamer Topf gebildet, hängen die Ansprüche jedoch stets voneinander ab. Darin liegt keine Besonderheit. Vielmehr erhöht sich lediglich die Erfüllungsquote der Ansprüche der bewilligungsberechtigten Parteien, wenn Mitkonkurrenten weniger Mittel erhalten oder wegen Nichterfüllung der Bewilligungsvoraussetzungen mit ihren Ansprüchen ausfallen. Auch um einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss (vgl. hierzu BVerfGE_79,1 <17>; BVerfGE_93,386 <396>) geht es insoweit nicht, sondern um die Folgen der Nichterfüllung allen Parteien gleichmäßig auferlegter zumutbarer Begünstigungsbedingungen. | ||
g) Schließlich lässt sich aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Novellierung des Parteiengesetzes in § 19a Abs.3 Satz 5 PartG 2002 nunmehr die Verfallsfristen unabhängig von der inhaltlichen Richtigkeit des Rechenschaftsberichts geregelt hat, für das vorliegende Verfahren nichts entnehmen. In diesem Zusammenhang hat der Präsident des Deutschen Bundestages in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin bei Anwendung neuen Rechts mit einem Anspruch in Höhe des zweifachen des den unrichtigen Angaben in ihrem Rechenschaftsbericht entsprechenden Betrages (vgl § 31b Satz 1 PartG 2003) konfrontiert wäre (rd 44 Mio DM), der mit der Bewilligung staatlicher Mittel für das Jahr 1999 verrechnet werden müsste (vgl § 31b Satz 4 PartG 2003 iVm § 31a Abs.3 Satz 2 PartG 2002). Im Übrigen kommt es dem Gesetzgeber nicht zu, ein Gesetz rückwirkend authentisch zu interpretieren. Die Auslegung der einschlägigen Vorschriften des Parteiengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 31.Januar 1994 obliegt ausschließlich den Gerichten. Nach allem kann die Beschwerdeführerin mit ihren Einwänden nicht durchdringen. | ||
4. Auch die Subsumtion des Oberverwaltungsgerichts begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. | ||
a) Frei von Willkür hat das Gericht angenommen, dass die Beschwerdeführerin bis zum 31.Dezember 1999 keinen den Vorschriften des Fünften Abschnitts entsprechenden materiell richtigen Rechenschaftsbericht für das Jahr 1998 eingereicht hat. In dem am 30.Dezember 1999 vorgelegten, um weitere Angaben ergänzten Rechenschaftsbericht war das in das Ausland verbrachte Vermögen des Landesverbandes Hessen in Höhe von rund 18,2 Millionen DM nicht aufgeführt. Demzufolge war der Rechenschaftsbericht in einem wesentlichen Punkt unrichtig, was gemäß § 19 Abs.4 Satz 3 PartG 1994 den Verlust des zuwendungsbezogenen Anteils der staatlichen Teilfinanzierung in der zwischen den Beteiligten unstreitigen Höhe von 41.034.825,23 DM zur Folge hat. | ||
b) Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verfassungsverstoß des Weiteren auch festgestellt, dass die Beschwerdeführerin hiergegen nicht mit Erfolg einwenden kann, der Rechenschaftsbericht für das Jahr 1998 sei richtig gewesen, weil weder die Verantwortlichen des Landesverbandes Hessen noch der Bundesvorstand von dem im Ausland befindlichen Vermögen Kenntnis gehabt hätten. Die Feststellungen hierzu überschreiten nicht den Rahmen allgemeiner Grundsätze zivilrechtlicher Zurechnung (vgl BGHZ_109,327 <331 f>). Die Beschwerdeführerin hat insoweit verfassungsrechtliche Einwände auch nicht geltend gemacht. | ||
c) Von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des Oberverwaltungsgerichts und ihm folgend des Bundesverwaltungsgerichts, die Frage der Rechtmäßigkeit des Rechenschaftsberichts der SPD sei nicht im vorliegenden, sondern erst in dem diesen Rechenschaftsbericht selbst betreffenden Verfahren zu klären. Die Beschwerdeführerin hat hiergegen im Rahmen des Verfassungsbeschwerde-Verfahrens auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (mehr) erhoben. Es handelt sich im Übrigen um eine ausschließlich einfach-rechtlich zu beurteilende Frage, die sich der Jurisdiktion des Bundesverfassungsgerichts entzieht. | ||
5. Dem Verlust des Zuwendungsanteils (§ 18 Abs.3 Nr.3 PartG 1994) steht des Weiteren - ohne dass sich die Beschwerdeführerin hierauf berufen hätte - auch der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung nicht entgegen. | ||
Die Verwaltung des Deutschen Bundestages hat es zwar in den ersten Jahren nach Inkrafttreten der Neuregelung des PartG 1994 noch toleriert, dass ein vorschriftsmäßiger Rechenschaftsbericht nicht bis zum 31.Dezember des Festsetzungsjahres eingegangen war, aber bis zur Ausarbeitung der Festsetzungsbescheide Anfang Februar des Folgejahres in korrigierter Form vorlag (vgl hierzu den Bericht der Präsidentin des Deutschen Bundestages über die Rechenschaftsberichte 1994 und 1995 sowie über die Entwicklung der Finanzen der Parteien gemäß § 23 Abs.5 PartG 1994 vom 29.Oktober 1997, BTDrucks 13/8888, S.27 f). Der um das Reinvermögen des Landesverbandes Hessen berichtigte Rechenschaftsbericht der Beschwerdeführerin ging auch am 28. Januar 2000 beim Deutschen Bundestag ein. | ||
Allerdings war diese - dem eindeutigen Gesetzeswortlaut widersprechende - Praxis bereits einige Jahre zuvor eingestellt worden. Dies wurde den Parteien auch anlässlich von Ersuchen um Fristverlängerungen mit entsprechenden Musterschreiben mitgeteilt (vgl. den Bericht des Präsidenten des Deutschen Bundestages über die Rechenschaftsberichte 1996, 1997 und 1998 sowie über die Entwicklung der Finanzen der Parteien gemäß § 23 Abs.5 PartG 1994 vom 21. November 2000, BTDrucks 14/4747, S.67 und Anhang III, Anlagen 1 - 3, S.179). | ||
Auch wenn man davon absieht, dass keine Selbstbindung an eine rechtswidrige Verwaltungspraxis besteht, hätte daher zum hier maßgeblichen Zeitpunkt eine Praxis, die eine Bindung hätte auslösen können, nicht mehr vorgelegen." | ||
Auszug aus BVerfG U, 17.06.04, - 2_BvR_383/03 -, www.BVerfG.de, Abs.165 ff | ||
§§§ |
04.036 | DDR-Renten-Überleitung | |
---|---|---|
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Zur Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des § 6 Abs.2 und des § 6 Abs.3 Nr.8 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) in der Fassung des AAÜG-Änderungsgesetzes von 1996 und des 2.AAÜG-Änderungsgesetzes von 2001 über die Berücksichtigung von Arbeitsentgelten oder Arbeitseinkommen zusatz- und sonderversorgter Personen in der gesetzlichen Rentenversicherung (im Anschluss an BVerfGE_100,59 ). | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
04.037 | Versammlungsverbot | |
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1) Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 32 Abs.1 BVerfGG sind die erkennbaren Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde gegen die verwaltungsgerichtliche Eilentscheidung vom Bundesverfassungsgericht zu berücksichtigen, wenn ein Abwarten den Grundrechtsschutz vereitelte. | ||
2) Beschränkungen des Inhalts und der Form einer Meinungsäußerung finden ihre Rechtfertigung ausschließlich in den in Art.5 Abs.2 GG aufgeführten Schranken auch dann, wenn die Äußerung in einer oder durch eine Versammlung erfolgt (im Anschluss an BVerfGE 90, 241). | ||
3) Zur rechtlichen Tragweite des Schutzguts der öffentlichen Ordnung im Versammlungsrecht. | ||
§§§ |
04.038 | Erziehungsgeld | |
---|---|---|
| ||
Es ist mit dem Gleichheitssatz ( Art.3 Abs.1 GG) unvereinbar, Ausländer mit Aufenthaltsbefugnis generell von der Gewährung von Erziehungsgeld auszuschließen. Der Gesetzgeber kann jedoch die Gewährung von Erziehungsgeld davon abhängig machen, dass der zur Betreuung eines Kindes bereite Elternteil an der Aufnahme oder Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit rechtlich nicht gehindert ist. | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel:
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§§§ |
04.039 | Kindergeld-Ausländer | |
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Zur Nichtgewährung von Kindergeld in den Jahren 1994 und 1995 an Ausländer, die nicht über eine Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung, sondern nur über eine Aufenthaltsbefugnis verfügten. | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
04.040 | Notarkasse | |
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Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an gesetzliche Regelungen über die Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen an Notarkassen. | ||
§§§ |
04.041 | Juniorprofessor | |
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1) Die Rahmengesetzgebung des Bundes ist auf inhaltliche Konkretisierung und Gestaltung durch die Länder angelegt. Den Ländern muss ein eigener Bereich politischer Gestaltung von substantiellem Gewicht bleiben. | ||
2) Ein Ausnahmefall iSv Art.75 Abs.2 GG liegt vor, wenn die Rahmenvorschriften ohne die in Einzelheiten gehenden oder unmittelbar geltenden Regelungen verständigerweise nicht erlassen werden könnten, diese also schlechthin unerlässlich sind. | ||
LB 3) Abweichende Meidnung der Richterinnen Osterloh und Lübbe-Wolf und des Richters siehe BVerfGE_111,274 = www.BVerfG.de Abs.154 ff. | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
04.042 | Vergabenachprüfung | |
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LB 2) Zum Nachprüfverfahren und dem Schadenseintritt iSd § 107 Abs.2 S.2 GWB. | ||
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T-04-17 | Effektiver Rechtsschutz iSd Art.19 Abs.4 | |
"1. Art.19 Abs.4 GG eröffnet den Rechtsweg gegen jede behauptete Verletzung subjektiver Rechte durch ein Verhalten der öffentlichen Gewalt. Gewährleistet wird nicht nur das formelle Recht, die Gerichte anzurufen, sondern auch eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl.BVerfGE 35,263 <274>; 35,382 <401 f.>; 37,150 <153>; 65,1 <70>; 93,1 <13> ; Beschluss der 3.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21. August 2001 - 2 BvR 406/00 -, NJW 2001, S.3770; Beschluss der 2.Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15.August 2002 - 1 BvR 1790/00 -, NJW 2002, S.3691 f). Das Erfordernis effektiven Rechtsschutzes enthält in Verfahren, in denen ein Primärrechtsschutz zur Abwendung von Gefahren und möglicher Nachteile begehrt wird, auch das Gebot, dass durch den gerichtlichen Rechtsschutz so weit wie möglich der Schaffung vollendeter Tatsachen zuvor zu kommen ist (vgl BVerfGE_93,1 <13> ; Beschluss der 2.Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15.August 2002 - 1 BvR 1790/00 -, NJW 2002, S.3691 <3692>). Dieser Grundsatz gewinnt namentlich im Zusammenhang mit dem vorläufigen Rechtsschutz Bedeutung, ist hierauf aber nicht beschränkt. Aus ihm folgt, dass keine überspannten Anforderungen an die Voraussetzungen der Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes zu stellen sind (vgl.Beschluss der 2.Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15.August 2002 - 1 BvR 1790/00 -, NJW 2002, S.3691 <3692>). | ||
2. Nach diesem Maßstab verletzt die angefochtene Entscheidung die Rechte der Beschwerdeführerin aus Art.19 Abs.4 GG. Das Oberlandesgericht überspannt die an die Antragsbefugnis nach § 107 Abs.2 GWB zu stellenden Anforderungen mit dem Ergebnis, dass der Anspruch der Beschwerdeführerin auf gerichtlichen Rechtsschutz wegen des von ihr beanstandeten Verstoßes gegen Vergabevorschriften in unzulässiger Weise verkürzt worden ist. | ||
a) Das in den §§ 102 bis 129 GWB geregelte zweistufige Nachprüfungsverfahren dient dem vergaberechtlichen Primärrechtsschutz. Nur mit ihm kann der subjektive Anspruch des Bieters auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren durch den öffentlichen Auftraggeber während eines laufenden Vergabeverfahrens durchgesetzt werden. Mit der Erteilung des Zuschlages ist demgegenüber die Erlangung von Primärrechtsschutz nicht mehr möglich, da nach § 114 Abs.2 Satz 1 GWB ein bereits erteilter Zuschlag nicht mehr aufgehoben werden kann. Der Antragsbefugnis nach § 107 Abs.2 GWB kommt vor diesem Hintergrund für die Erlangung von Primärrechtsschutz im Vergabeverfahren eine zentrale Bedeutung zu. Ihre Ablehnung hat zur Konsequenz, dass dem betroffenen Unternehmen nur noch der Weg verbleibt, Sekundäransprüche vor den ordentlichen Gerichten einzuklagen. | ||
b) Vor dem Hintergrund dieser spezifischen Ausgestaltung desv ergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens müssen die in § 107 Abs.2 GWB genannten Voraussetzungen in einer Weise ausgelegt werden, die den betroffenen Unternehmen einen effektiven Rechtsschutz gewährleisten. | ||
Gemäß § 107 Abs.2 Satz 1 GWB ist im Nachprüfungsverfahren jedes Unternehmen antragsbefugt, das ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs.7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Das Interesse am Auftrag ist weit auszulegen (vgl Kullack, in: Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 10.Auflage 2003, § 107 GWB Rn.18; OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.Juli 2000 - 2 Verg 5/00, BauR 2001, S.98 <99>). Es liegt in der Regel vor, wenn der Bieter vor Stellung des Nachprüfungsantrages am Vergabeverfahren teilgenommen und einen Vergabeverstoß ordnungsgemäß gerügt hat (vgl Kullack, in: Heiermann/Riedl/R usam, Handkommentar zur VOB, 10.Auflage 2003, § 107 GWB Rn.18; OLG Düsseldorf, 1.Beschluss vom 13.April 1999 - Verg 1/99, BauR 1999, S.75 <759>). | ||
Nach § 107 Abs.2 Satz 2 GWB ist ferner darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Der in dieser Vorschrift verwendete Schadensbegriff muss unter dem Gesichtspunkt des Primärrechtsschutzes betrachtet und ausgelegt werden. Der Schaden besteht darin, dass durch den einzelnen beanstandeten Vergaberechtsverstoß die Aussichten des antragstellenden Bieters auf den Zuschlag zumindest verschlechtert worden sein können (vgl OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Oktober 2000 - Verg 3/00, VersR 2001, S.1043 <1044>). Entscheidend für das Vorliegen einer Antragsbefugnis und damit für die Gewährung von Primärrechtsschutz ist mithin die Eignung der gerügten Vergaberechtsverstöße, eine solche Chancenbeeinträchtigung begründen zu können (vgl. Reidt, in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 2000, § 107 GWB Rn.24). Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Antragsteller im Sinne einer darzulegenden Kausalität nachweisen kann, dass er bei korrekter Anwendung der Vergabevorschriften den Auftrag erhalten hätte (vgl. Portz, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/ Portz, Kommentar zum Vergaberecht, 2000, § 107 GWB Rn.22; Marx, in: Müller-Wrede, Kommentar zur VOF, 2.Auflage 2003, § 21 Rn.29; Kulartz, BauR 1999, S.724 <728>). | ||
An die Darlegung des entstandenen oder drohenden Schadens im Sinne des § 107 Abs.2 Satz 2 GWB werden daher keine sehr hohen Anforderungen gestellt (vgl. Kullack, in: Heiermann/Riedel/Rusam, Handkommentar zur VOB, 10. Auflage, 2003, § 107 GWB Rn.20; M üller-Wrede, in: Ingenstau-Korbion, VOB, 15.Auflage 2004, § 107 GWB Rn.4; Bechtold, GWB, 3.Auflage 2002, § 107 Rn.2; Boesen, Vergaberecht, 2000, § 107 GWB Rn.53, 56; Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 3.Auflage 2001, § 107 Rn.18). Es wird vielmehr als ausreichend angesehen, dass ein Schadenseintritt nicht offensichtlich ausgeschlossen ist (vgl Müller-Wrede, in: Ingenstau/Korbion, VOB, 15.Auflage 2004, § 107 GWB Rn.4; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 22. Oktober 1999 - 5 Verg 4/99, NZBau 2000, S. 158 <160>). Dieses Verständnis wird auch durch die Entstehungsgeschichte des § 107 Abs.2 Satz 2G WB belegt. Die Vorschrift wurde auf Vorschlag des Bundesrates in das Gesetz aufgenommen, um zu verhindern, dass ein Bieter, der auch bei einem ordnungsgemäß durchgeführten Vergabeverfahren keinerlei Aussicht auf Berücksichtigung seines Angebots und auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte, ein - investitionshemmendes - Nachprüfungsverfahren einleiten könne (BTDrucks 13/9340, S.40 Nr.22). Nicht antragsbefugt sollte danach also nur ein Unternehmen sein, beid em offensichtlich eine Rechtsbeeinträchtigung nicht vorliegt. | ||
c) Soweit das Oberlandesgericht in dem angegriffenen Beschluss fordert, dass die Beschwerdeführerin im Einzelnen darzustellen habe, inwieweit ihr ursprüngliches Angebot auch bei einem fehlerfreien Verfahren im Vergleich zu dem Angebot der T... GmbH ausreichende Chancen auf den Zuschlag gehabt hätte, beachtet es die vorstehenden Grundsätze nicht. | ||
aa) Es bezieht sich vielmehr ohne nähere Begründung auf Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Februar 2002 - Verg 40/01, NZBau 2003, S. 173; OLG Koblenz, Beschluss vom 25. Mai 2000 - 1 Verg 1/00, BauR 2000, S. 1600; OLG Rostock, Beschluss vom 24. September 2001 - 17 W 11/01, VergabeR 2002, S. 193), die den Fall betreffen, in welchem ein Unternehmen, das sich nicht mit einem Angebot an einem Vergabeverfahren beteiligt hat, ein Nachprüfungsverfahren beantragt. In diesen Fällen ist das Vorliegen einer Antragsbefugnis in der Tat problembehaftet (vgl. auch Müller-Wrede, in: Ingenstau/Korbion, VOB, 15. Auflage 2004, § 107 GWB Rn. 3; Kullack, in: Heiermann/Riedel/Rusam, VOB, 10. Auflage 2003, § 107 Rn. 18). Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend jedoch nicht, da die Beschwerdeführerin ein Angebot abgegeben hat. Auch ist die Eignung des gerügten Vergaberechtsverstoßes zur Beeinträchtigung der Chancengleichheit im vorliegenden Fall offenkundig. Die Beschwerdeführerin hat gerade geltend gemacht, dass durch die unklaren Ausschreibungsunterlagen ein Verstoß gegen die Chancengleichheit vorliege, wovon im Übrigen auch das Oberlandesgericht in dem angegriffenen Beschluss ausgeht. Bei einer derartigen Rüge aber ist ein (drohender) Schadenseintritt im Sinne des § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB ohne weiteres dargelegt. | ||
bb) Die darüber hinausgehend vom Oberlandesgericht gestellten Anforderungen an die Darlegungslast der Beschwerdeführerin stellen eine übermäßige und nicht durch sachliche Gründe zu rechtfertigende Erschwerung der Rechtsschutzgewährleistung dar. Sie bleiben unter Berücksichtigung des Rechtsschutzziels der Beschwerdeführerin ohne nachvollziehbare Erklärung. ]A1) 31 ]A1[ Mit dem Hauptantrag begehrte die Beschwerdeführerin, die Vergabestelle zu verpflichten, den Zuschlag nicht der T... GmbH und nur nach erneuter Wertung ihres Haupt- und Nebenangebots nach Maßgabe des § 25 Nr.3 Abs.3 S.2 VOB/A in Verbindung mit § 97 Abs.5 GWB zu erteilen. Hilfsweise hat sie beantragt, die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des angerufenen Senats über die Sache erneut zu bescheiden. Unter Berücksichtigung des Inhalts der Antragsbegründung erstrebte die Beschwerdeführerin mit diesen Anträgen die Erteilung des Zuschlages an sich, weil das Ergebnis der Submission, bei der die Beschwerdeführerin auf Platz 2 gelegen habe und damit - angesichts des Ausschlusses des auf Platz 1 liegenden Unternehmens - bester Bieter gewesen sei, wegen des Verbotes von Nachverhandlungen nach § 24 VOB/A maßgebend sei. Ob die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin insoweit zutreffend | ||
Mit dem Hauptantrag begehrte die Beschwerdeführerin, die Vergabestelle zu verpflichten, den Zuschlag nicht der T... GmbH und nur nach erneuter Wertung ihres Haupt- und Nebenangebots nach Maßgabe des § 25 Nr.3 Abs.3 S.2 VOB/A in Verbindung mit § 97 Abs.5 GWB zu erteilen. Hilfsweise hat sie beantragt, die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des angerufenen Senats über die Sache erneut zu bescheiden. Unter Berücksichtigung des Inhalts der Antragsbegründung erstrebte die Beschwerdeführerin mit diesen Anträgen die Erteilung des Zuschlages an sich, weil das Ergebnis der Submission, bei der die Beschwerdeführerin auf Platz 2 gelegen habe und damit - angesichts des Ausschlusses des auf Platz 1 liegenden Unternehmens - bester Bieter gewesen sei, wegen des Verbotes von Nachverhandlungen nach § 24 VOB/A maßgebend sei. Ob die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin insoweit zutreffend ist, betrifft nicht die Antragsbefugnis, sondern allein die Frage der Begründetheit des Hauptantrages. Auf die Vorlage eines überarbeiteten Angebots kommt es für dieses Rechtsschutzziel ersichtlich nicht an. | ||
Nichts anderes gilt für den weiteren Hilfsantrag der Beschwerdeführerin, mit welchem sie die Verpflichtung der Vergabestelle zur Aufhebung der Ausschreibung erstrebte. Zur Begründung dieses Hilfsantrages hat die Beschwerdeführerin die Ansicht vertreten, dass wegen des Verstoßes gegen die nach § 9 Nr.1 VOB/A bestehende Pflicht zur eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung, die die Gewähr dafür bietet, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen, und des Verbotes von Nachverhandlungen nach § 24 VOB/A, das Ausschreibungsverfahren jedenfalls aufzuheben gewesen wäre. Die Forderung nach einer Darlegung, wie sich das Angebot der Beschwerdeführerin bei ordnungsgemäßer Leistungsbeschreibung gestaltet hätte, ist auch hier sachlich nicht zu rechtfertigen. Es geht nicht um hypothetische Überlegungen zu dem Ergebnis eines fehlerfreien Verfahrens, vielmehr richtet sich das mit diesem Hilfsantrag verbundene Rechtsschutzbegehren der Beschwerdeführerin auf die Beseitigung eines mit nicht heilbaren Fehlern behafteten Verfahrens mit der Konsequenz einer Neuausschreibung und der damit eröffneten Chance, an dem neuen Verfahren unter Bedingungen, die die Chancengleichheit gewährleisten, teilzunehmen. | ||
Darüber hinaus liegt auch eine Verletzung von Art.101 Abs.1 Satz 2 GG vor, da das Oberlandesgericht ausgehend von seiner Rechtsansicht als letztinstanzliches Gericht nach Art.234 EG-Vertrag zur Vorlage der Sache an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften verpflichtet war. | ||
Auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art.101 Abs.1 Satz 2 GG (vgl BVerfGE_73,339 <366>). Das Bundesverfassungsgericht beanstandet die Auslegung und Anwendung der Kompetenznorm des Art. 234 EG-Vertrag wie die anderer Zuständigkeitsregelungen im deutschen Verfahrensrecht, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl BVerfGE_82,159 <194> ). Dies ist insbesondere der Fall, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit der gemeinschaftsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht neuerlich vorlegt oder es für den Fall, dass eine einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften zu entscheidungserheblichen Fragen des Gemeinschaftsrechts noch nicht vorliegt oder eine Fortentwicklung nicht nur als entfernte Möglichkeit erscheint, seinen Bewertungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (vgl BVerfGE_82,159 <195 ff)). | ||
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt eine offensichtlich unhaltbare Auffassung des Oberlandesgerichts hinsichtlich der Frage einer Vorlagepflicht nach Art.234 EG-Vertrag vor. | ||
a) Die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungs- und Warenverkehrs erfordert nicht nur die Aufhebung der Beschränkungen bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge, sondern auch die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes. So wird in den Erwägungsgründen der Richtlinie 89/665/EWG betont, dass nicht wirksame oder nur unzulängliche Nachprüfungsverfahren die Unternehmen der Gemeinschaft davon abhielten, sich um Aufträge in dem Staat des jeweiligen öffentlichen Auftraggebers zu bewerben. Demgemäß hat auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ausgesprochen, dass die Schutzziele der Richtlinien auf dem Gebiet der öffentlichen Aufträge, die auf die Pflicht zur Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ausgerichtet sind (EuGH, Urteil vom 17.September 2002 - Rs. C-513/99 - Concordia Bus Finland, Slg 2002 I-7213 Rn. 81) und deren Vorschriften über die Teilnahme und die Publizität den Bieter vor Willkür des öffentlichen Auftraggebers schützen wollen (EuGH, Urteil vom 11.August 1995 - Rs C-433/93 - Kommission/Bundesrepublik Deutschland, EuZW 1995, S.635 <636> Rn.19; Urteil vom 20.September 1988 - Rs. 31/87 - Beentjes, Slg 1988, 4635 Rn. 42), nur dann realisiert werden können, wenn der Bieter sich gegenüber dem Auftraggeber auf diese Vorschriften berufen und deren Verletzung vor den nationalen Gerichten geltend machen kann (EuGH, Urteil vom 11.August 1995 - Rs C-433/93 - Kommission/Bundesrepublik Deutschland, EuZW 1995, S.635 <636> Rn. 20). Er hat in dieser Hinsicht auch wiederholt betont, dass die Mitgliedstaaten nach Art.1 Abs.1 Richtlinie 89/665/EWG verpflichtet sind, sicherzustellen, dass rechtswidrige Entscheidungen der Vergabebehörden wirksam und möglichst rasch nachgeprüft werden können (EuGH, Urteil vom 19.Juni 2003 - Rs C-249/01 - Hackermüller, Slg 2003 I 6319 Rn.22; Urteil vom 12. Dezember 2002 - Rs C-470/99 - Universale-Bau, Slg 2002, I-11617 Rn.74; Urteil vom 28.Oktober 1999 - Rs C-81/98 - Alcatel, Slg 1999 I 7671 Rn.33 ff). Nach seiner Rechtsprechung verstößt es zwar nicht gegen Art.1 Abs.3 der Richtlinie 89/665/EWG, wenn die Antragsbefugnis in Nachprüfungsverfahren nur Personen zusteht, denen durch den von ihnen behaupteten Rechtsverstoß ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Zu der Frage, welche Anforderungen an die Darlegungslast im Rahmen der Antragsbefugnis bezüglich des Eintritts eines (drohenden) Schadens zu stellen sind, hat er zwar ausdrücklich noch nicht Stellung genommen. Er hat jedoch ausgesprochen, dass es gegen Art.1 Abs.3 dieser Richtlinie verstößt, wenn einem Bieter der Zugang zu den nach der Richtlinie 89/665/EWG vorgesehenen Nachprüfungsverfahren mit der Begründung verwehrt wird, dass sein Angebot bereits aus anderen Gründen vom Auftraggeber auszuscheiden gewesen wäre und ihm daher durch die von ihm behauptete Rechtswidrigkeit kein Schaden entstanden sei oder zu entstehen drohe (EuGH, Urteil vom 19.Juni 2003 - Rs C-249/01 - Hackermüller, Slg 2003 I-6319 Rn.29). Eine Einschränkung der Rechtsschutzgewährleistung wegen des Erfordernisses des (drohenden) Schadenseintritts hat er in diesem Zusammenhang also gerade nicht als Hindernis für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes angesehen. Vielmehr hat er betont, dass eine Entscheidung, mit der der Auftraggeber das Angebot eines Bieters noch vor der Auswahl des besten Angebotes ausscheidet, eine Entscheidung darstellt, deren Nachprüfung nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665/EWG möglich sein muss, da diese Vorschrift auf alle Entscheidungen der Auftraggeber anwendbar ist, die den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts im Bereich des öffentlichen Auftragswesens unterliegen, und keine Beschränkung hinsichtlich der Natur und des Inhalts dieser Entscheidungen vorsieht (EuGH, Urteil vom 19.Juni 2003 - Rs C-249/01 - Hackermüller, Slg. 2003 I 6319 Rn. 24 m.w.N.). Ferner hat er ausgeführt, dass dem betroffenen Bieter durch eine derartige Entscheidung über den Ausschluss ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht (EuGH, Urteil vom 19.Juni 2003 - Rs.C-249/01 - Hackermüller, Slg 2003 I 6319 Rn.25). Dies legt zumindest nahe, dass eine europarechtskonforme Anwendung der in § 107 Abs.2 GWB für die Antragsbefugnis normierten Voraussetzungen nur dann gegeben ist, wenn jedenfalls die an einem Vergabeverfahren teilnehmenden Unternehmen sowie die durch Vergaberechtsverstöße an einer Teilnahme gehinderten Unternehmen antragsbefugt sind. Diesen droht durch die beabsichtigte Zuschlagserteilung an ein anderes Unternehmen grundsätzlich die Entstehung eines Schadens in Form eines Auftragsentgangs. 37 | ||
b) Das Oberlandesgericht, das als letztinstanzliches Hauptsachegericht tätig geworden ist, hat seinen bei der Frage des Bestehens einer Vorlagepflicht bestehenden Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschritten. Es verweist, um sich nicht mit der von der Beschwerdeführerin angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften auseinander setzen zu müssen, schlicht darauf, dass im vorliegenden Fall eine anders geartete Sachverhaltskonstellation gegeben sei. Aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses wird dabei nicht erkennbar, dass das Oberlandesgericht überhaupt eine Analyse der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften zu dem entscheidungserheblichen Gesichtspunkt vorgenommen hat. Demgemäß finden sich in dem angegriffenen Beschluss weder nähere Ausführungen dazu, unter welchen konkreten Gesichtspunkten die Sachverhaltsgestaltungen derart divergieren, dass hieraus auch unterschiedliche Rechtsfolgen zu ziehen sind, noch findet eine Auseinandersetzung mit möglichen, aus dieser Entscheidung in rechtlicher Hinsicht zu ziehenden Schlüssen statt. Die vom Oberlandesgericht gegebene Begründung ist daher nicht geeignet, das Bestehen einer Vorlagepflicht in nachvollziehbarer Weise zu verneinen. Hätte das Oberlandesgericht die gebotene Analyse vorgenommen, so hätte es ausgehend von seiner Rechtsauffassung dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die Frage vorlegen müssen, ob Art.1 Abs.3 der Richtlinie 89/665/EWG in der Weise auszulegen ist, dass einem Bieter, der die Verletzung der Chancengleichheit durch unklare und missverständliche Ausschreibungsunterlagen sowie eine unterlassene hinreichende Aufklärung durch die Vergabestelle rügt, auch dann ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht und ihm daher das Nachprüfungsverfahren zur Verfügung stehen muss, wenn er im Rahmen der Beantragung des Nachprüfungsverfahrens eine Neukalkulation seines Angebotes unter Beachtung der zwischenzeitlichen Klarstellungen der Vergabestelle unterlässt." | ||
Auszug aus BVerfG B, 29.07.04, - 2_BvR_2248/03 -, www.BVerfG.de, Abs.21 | ||
§§§ |
04.043 | Rechtsberatung | |
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LB 1) Zur geschäftsmäßigen Rechtsberatung eines pensionierten Richters. | ||
LB 2) Was geschäftsmäßige Rechtsberatung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes ist, bedarf angesichts der generalklauselartigen Umschreibung der Abklärung im Einzelfall, die einerseits die durch das Gesetz geschützt en Belange und andererseits die Freiheitsrechte des Einzelnen berücksichtigt und dabei auch den Veränderungen der Lebenswirklichkeit Rechnung trägt. | ||
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T-04-16 | Geschäftsmäßige Rechtsberatung | |
"a) Was geschäftsmäßige Rechtsberatung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes ist, bedarf angesichts der generalklauselartigen Umschreibung der Abklärung im Einzelfall, die einerseits die durch das Gesetz geschützt en Belange und andererseits die Freiheitsrechte des Einzelnen berücksichtigt und dabei auch den Veränderungen der Lebenswirklichkeit Rechnung trägt. Alle diese Gesichtspunkte sind bei der Gesetzesauslegung und der Rechtsanwendung zum Ausgleich zu bringen (vgl BVerfGE_97,12 <28>, zu Art.12 GG). Dabei haben die Gerichte bei der Auslegung auch zu berücksichtigen, dass dieses Gesetz - wie andere Ge setze auch - einem Alterungsprozess unterworfen ist. Das Rechtsberatungsgesetz steht in einem Umfeld sozialer Verhältnisse und gesellschaftspolitischer Anschauungen, mit deren Wandel sich auch der Norminhalt ändern kann. Die Gerichte haben vor diesem Hintergrund zu prüfen, ob das Gesetz für alle Fälle, auf die seine Regelung abzielt, eine gerechte Lösung bereithält. Sie sind daher befugt und verpflichtet zu prüfen, was unter den veränderten Umständen "Recht" im Sinne des Art.20 Abs.3 GG ist (vgl BVerfGE_82,6 <12>). Dabei haben sie unter Anwendung der allgemein anerkannten Auslegungsmethoden - zu denen auch die teleologische Reduktion gehört (vgl BVerfGE_35,263 <279>; BVerfGE_88,145 <166 f> ) - zu prüfen, ob die gesetzliche Regelung zwischenzeitlich lückenhaft geworden ist. Am Wortlaut einer Norm braucht der Richter dabei nicht Halt zu machen. Seine Bindung an das Gesetz (Art.20 Abs.3, Art.97 Abs.1 GG) bedeutet nicht Bindung an dessen Buchstaben mit dem Zwang zur wörtlichen Auslegung, sondern Gebundensein an Sinn und Zweck des Gesetzes. Sind mehrere Deutungen einer Norm möglich, so verdient diejenige den Vorzug, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht (vgl BVerfGE_8,210 <220 f.>). | ||
Diese Grundsätze gelten auch, wenn durch die Verurteilung zu einer Geldbuße gemäß Art.1 § 8 Abs.1 Nr.1 RBerG wegen eines Verstoßes gegen Art.1 § 1 Abs.1 RBerG in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art.2 Abs.1 GG ein gegriffen wird. Dieses Grundrecht ist dann verletzt, wenn die Rechtsgrundlage für die Verurteilung in einer mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbarenden Weise ausgelegt wird. Das ist auch dann der Fall, wenn die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts die grundrechtliche Freiheit unverhältnismäßig einschränkt (vgl BVerfGE_92,191 <196>). Auslegung und Anwendung dieser Normen sind vornehmlich Aufgabe der Fachgerichte und können vom Bundesverfassungsgericht - abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - nur darauf überprüft werden, ob sie Auslegu ngsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung der Normen die Tragweite des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl_BVerfGE_18,85 <92 f>; BVerfGE_85,248 <257 f>; BVerfGE_97,12 <27>)." | ||
Auszug aus BVerfG B, 29.07.04, - 1_BvR_737/00 -, www.BVerfG.de, Abs.11 | ||
§§§ |
04.044 | Ausgleichsabgabe | |
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LB 2) Zur Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter durch Nichtvorlage an den EuGH. | ||
LB 3) Primäres Gemeinschaftsrecht kann nach § 90 Abs.1 BVerfGG nicht Prüfungsmaßstab einer Verfassungsbeschwerde sein (vgl BVerfGE_82,159 <191>). | ||
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T-04-18 | Verfassungsmäßigkeit | |
"Die Regelungen des Schwerbehindertengesetzes 1986, die der Beschwerdeführer angreift, entsprachen inhaltlich denen des Schwerbehindertengesetzes vom 29.April 1974 (SchwbG 1974,BGBl I S.1005), die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 26.Mai 1981 ( BVerfGE_57,139 ) für verfassungsgemäß erklärt hat. Allein die Nummerierung der Paragraphen hatte sich geändert und die Ausgleichsabgabe war gestiegen. Das Bundesverfassungsgericht hat damals insbesondere entschieden, dass die Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes über die Pflichtplatzquote und über die Ausgestaltung und Verwendung der Ausgleichsabgabe mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Die Ausgleichsabgabe sei eine verfassungsrechtlich zulässige Sonderabgabe, bei der nicht die Finanzierungsfunktion im Vordergrund stehe, sondern ihre Antriebs- und Ausgleichsfunktion. Die Abgabe benachteilige Arbeitgeber nicht gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen in verfassungswidriger Weise. | ||
2. Der Vortrag des Beschwerdeführers vermag nicht, die vom Bundesverfassungsgericht festgestellte Verfassungsmäßigkeit der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Regelungen mit Erfolg in Frage zu stellen. Eine Verletzung der Grundrechte des Beschwerdeführers ist nicht ersichtlich. | ||
a) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Funktion der Ausgleichsabgabe habe sich "zwischenzeitlich" geändert und sei vor allem auf die Finanzierung ausgerichtet, ist sein Vorbringen unsubstantiiert (§§ 23 Abs.1 Satz 2, 92 BVerfGG). Unzulässig ist auch die Rüge, die angegriffenen Entscheidungen verletzten Vorschriften des EG-Vertrages. Primäres Gemeinschaftsrecht kann nach § 90 Abs.1 BVerfGG nicht Prüfungsmaßstab einer Verfassungsbeschwerde sein (vgl BVerfGE_82,159 <191>). | ||
b) Die angegriffenen Entscheidungen und die ihnen zu Grunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen verletzen nicht das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art.12 Abs.1 GG. Die Regelungen über die Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen und zur Zahlung einer Ausgleichsabgabe stellen zwar eine Berufsausübungsregelung dar. Sie sind aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt; insbesondere genügen sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Daran hat sich seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1981 nichts geändert. | ||
aa) Beschäftigungspflicht und Ausgleichsabgabe dienen der beruflichen Integration behinderter Menschen (vgl BTDrucks 7/656, S.1). Bei der Verfolgung dieses Ziels, das schon 1981 als legitim angesehen wurde (vgl BVerfGE_57,139 <159>), kann sich der Gesetzgeber inzwischen auf Art.3 Abs.3 Satz 2 GG berufen (vgl auch BVerfGE 96,288 <301 ff> und Straßmair, Der besondere Gleichheitssatz aus Art.3 Abs.3 Satz 2 GG, 2002, S.261). | ||
bb) Die angegriffenen Regelungen sind geeignet, ihr Ziel zu erreichen. Eignung liegt schon dann vor, wenn eine Maßnahme die Möglichkeit der Zweckerreichung in sich birgt (vgl BVerfGE_96,10 <23>) und den gewünschten Erfolg fördert (vgl BVerfGE_33,171 <187> ). Insoweit ist es verfassungsrechtlich nicht von Gewicht, dass die Ausgleichsabgabe wegen gegenläufiger Einflüsse nicht die gewünschte Auswirkung auf die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen hat und die tatsächliche Quote beschäftigter schwerbehinderter Menschen von 5,9 vom Hundert im Jahre 1982 auf 3,7 vom Hundert im Jahre 1999 gesunken ist (vgl Bericht der Bundesregierung nach § 160 SGB IX über die Beschäftigungssituation schwerbehinderter Menschen vom 26.Juni 2003, BTDrucks 15/1295, S.22, 25, 35). Diese Entwicklung mag auf der niedrigen Höhe der Abgabe (vgl BVerfGE_57,139 <169> ), auf der konjunkturellen Situation oder auf besonderen Hemmnissen bei der Einstellung schwerbehinderter Menschen, etwa dem verstärkten Kündigungsschutz oder dem zusätzlichen Urlaubsanspruch, beruhen. Sie stellt jedoch die Eignung der gesetzlichen Maßnahme nicht in Frage. | ||
Die Abgabe ist auch nicht deshalb ungeeignet, weil sie auch Unternehmen trifft, die ihrem Gegenstand und ihrer Organisation nach keine schwerbehinderten Arbeitnehmer beschäftigen oder finden können (vgl auch BVerwGE_115,312 <318> und BVerwG, Urteil vom 17.April 2003, Buchholz 436.61 § 5 SchwbG Nr.2). Dieser Einwand betrifft nur die so genannte Antriebs-, nicht aber die Ausgleichsfunktion der Abgabe (vgl hierzu schon BVerfGE_57,139 <167> ). Außerdem soll die Abgabepflicht alle Unternehmen veranlassen, behindertengerechte Arbeitsplätze zu schaffen und gezielt nach behinderten Bewerbern zu suchen. | ||
cc) Die angegriffenen Regelungen sind nach wie vor erforderlich. Unverändert können Unternehmen, die schwerbehinderte Menschen beschäftigen, aus der Abgabe Leistungen erhalten (§ 31 Abs.3 Satz 1 Nr.2 SchwbG 1986; § 102 Abs.3 Satz 1 Nr.2 SGB IX). Dieser Anreiz ist nicht verzichtbar. Überproportional viele schwerbehinderte Menschen sind weiterhin arbeitslos. Ihre Zahl war bis 1997 auf 196.190 gestiegen. Zwar konnte sie bis Oktober 2002 auf 144.292 gesenkt werden. Schon im April 2003 wuchs sie aber wieder auf 171.293 an. Die Arbeitslosenquote bei schwerbehinderten Menschen betrug damit 14,6 vom Hundert gegenüber 10,8grf8 Hundert insgesamt (vom vgl BTDrucks 15/1295, S.17 f, 34 f). Zudem ist die der schwerbehindertZahl en Menschen im erwerbsfähigen Alter von 15 bis unter 65 Jahren in Deutschland angestiegen. Sie lag Ende des Jahres 2001 bei 3.117.244 gegenüber 3.090.393 im Jahre 1993 (errechnet nach: Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1995, Tab.19.16.1, S.481 sowie 2003, Tab.19.19.1, S.498). | ||
Ebenso wenig wie im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1981 ist die seitdem maßgebliche gesetzliche Pflichtquote überhöht. Unter dem Schwerbehindertengesetz 1986 setzte sie unverändert bei 16 Arbeitsplätzen ein und betrug 6 vom Hundert. Nunmehr greift sie nach § 71 Abs.1 SGB IX erst bei 20 Arbeitsplätzen und ist nach der Unternehmensgröße gestaffelt. Sie betrug zunächst höchstens 5 vom Hundert und ist nach § 72 Abs.2 SGB IX inzwischen wieder auf 6 vom Hundert gestiegen. Im Oktober 2002 unterlagen 151.865 Unternehmen mit 19.756.335 anrechnungsfähigen Arbeitsplätzen der angegriffenen Regelung, sodass 944.522 Pflichtplätze bereitzustellen waren. Davon waren 309.591 unbesetzt. Allerdings waren 748.435 schwerbehinderte Menschen beschäftigt (Bundesagentur für Arbeit: Statistik aus dem Anzeigeverfahren gemäß § 80 Abs.2 SGB IX im Jahr 2002, 8.Juni 2004, Tab.1, http://www.pub.arbeitsamt.de/hst/services/statistik/detail/x. sie arbeiteten teilweise auf "überobligatorisch" eingerichteten Arbeitsplätzen. Effektiv gefehlt haben daher 196.087 Arbeitsplätze. Diesem Fehlbestand standen im Oktober 2002 144.292 arbeitslose schwerbehinderte Menschen gegenüber. Legt man zu Grunde, dass 12,5 vom Hundert der Pflichtplätze, also 118.065, in verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässiger Weise (vgl BVerfGE 57,139 <162> ) eine Vermittlungsreserve darstellen, so lag kein Überhang an nicht benötigten Pflichtplätzen vor. Hinzu kommt, dass die Zahl arbeitsloser schwerbehinderter Menschen im Oktober 2002 einen Tiefstand erreicht hatte und zwischenzeitlich wieder erheblich gestiegen ist, sodass ein eventuell kurzfristig eingetretener Überhang nicht mehr besteht. , | ||
Schließlich ist auch die Ausgleichsabgabe nicht überhöht. Sie betrug zur Zeit des Ausgangsverfahrens 200 DM je Monat und unbesetztem Platz und ist inzwischen nach § 77 Abs.2 SGB IX je nach Erfüllung der Beschäftigungspflicht zwischen 105 und 260 gestaffelt. Ein niedrigerer Satz würde sowohl die Antriebs- als auch die Ausgleichsfunktion weiter schwächen (so schon BVerfGE_57,139 <169>). | ||
dd) Beschäftigungspflicht und Ausgleichsabgabe sind weiterhin zumutbar. Die Arbeitgeber waren und sind nicht unverhältnismäßig belastet. Die Pflichtplatzquote und die daran anknüpfende Abgabe sind eine wirtschaftliche und organisatorische Last, die in ihrem Umfang und in ihrer Höhe nicht unangemessen ist. Die in § 71 Abs.1 und § 77 Abs.2 SGB IX eingeführten Staffelungen haben inzwischen die Belastung kleinerer Unternehmen sogar noch gemildert. Sollte das Angebot an Pflichtarbeitsplätzen tatsächlich in einer Region erheblich zu groß sein, kann die Ausgleichsabgabe für Kleinunternehmen weiter verringert oder erlassen werden (§ 11 Abs.6 SchwbG 1986; § 79 Nr.4 SGB IX). Die Abgabe ist steuerlich absetzbar. Der Arbeitgeber kann sie zudem mindern, indem er einen Teil seiner Waren aus Werkstätten für Behinderte bezieht (§ 55 Abs.1 SchwbG 1986; § 140 Abs.1 Satz 1 SGB IX). Vor allem kann er Leistungen aus der Abgabe in Anspruch nehmen. Diesen vertretbaren Belastungen steht das Interesse schwerbehinderter Menschen gegenüber, in Wahrnehmung ihrer Berufsfreiheit (Art.12 Abs.1 GG) durch eigene Arbeit den Lebensunterhalt zu sichern. Der Gesetzgeber konnte dieses Interesse mit den hier angegriffenen Regelungen fördern, ohne unverhältnismäßig in das Grundrecht der Berufsfreiheit der Arbeitgeber einzugreifen. | ||
c) Auch die Überprüfung der angegriffenen Regelungen am Maßstab des Art.3 Abs.1 GG lässt im Ergebnis keine verfassungsrechtlich andere Beurteilung als die in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1981 vorgenommene zu. Insbesondere im Verhältnis zu ausländischen Unternehmern ist der Beschwerdeführer nicht in seinen Gleichheitsrechten verletzt. | ||
Eine Benachteiligung deutscher Unternehmen ist nicht ersichtlich. Eine Pflicht zur Beschäftigung Behinderter besteht in mindestens neun weiteren Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, darunter Frankreich, Großbritannien und Italien. Sie setzt bei 10 bis 50 Arbeitsplätzen ein und sieht Quoten von 2 bis 6 vom Hundert vor. In den Niederlanden ist eine ähnliche Regelung geplant. Die Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht wird in Österreich mit Ausgleichsabgaben, in Großbritannien mit Geldbußen und in Spanien sogar mit Geldstrafen geahndet (vgl Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung, Sozial-Kompass Europa, 2003, S.99 ff | ||
d) Die angegriffenen Gerichtsentscheidungen verstoßen auch nicht gegen Art.101 Abs.1 Satz 2 GG. | ||
aa) Ein Gericht verletzt das Recht auf den gesetzlichen Richter, wenn es eine Zuständigkeitsnorm in einer Weise auslegt und anwendet, die nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl BVerfGE_29,198 <207>), also das Willkürverbot missachtet (vgl hierzu BVerfGE_86,59 <63>). Bei der Pflicht zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof liegt ein solcher Verstoß vor, wenn eine Vorlagepflicht besteht und sie das Gericht in offensichtlich unhaltbarer Weise handhabt (vgl BVerfGE_82,159 <195> ). Eine unhaltbare Handhabung ist anzunehmen, wenn das Gericht die Vorlagepflicht insgesamt verkennt, wenn es ohne Vorlage bewusst von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs abweicht oder wenn es nicht vorlegt, obwohl eine entscheidungserhebliche Frage des europäischen Rechts noch nicht vollständig geklärt ist oder eine Fortentwicklung der Rechtsprechung möglich erscheint, und es hierbei seinen Beurteilungsspielraum überschreitet (vgl BVerfGE_82,159 <195>). | ||
bb) Das Verwaltungsgericht war nicht zu einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof verpflichtet (Art.234 Abs.2 EG). Der Verwaltungsgerichtshof hat die Vorlagepflicht, die ihn nach Art.234 Abs.3 EG im Rahmen des Zulassungsverfahrens grundsätzlich traf, ordnungsgemäß gehandhabt. Es begegnet keinen verfassungsgerichtlichen Bedenken, wenn er sich bei der Beurteilung der gemeinschaftsrechtlichen Rechtslage an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE_115,312 <317>) angelehnt hat. Das Bundesverwaltungsgericht hatte unter Bezug auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17.Dezember 1981 (Slg.1981, S.3305) ausgeführt, die Grundfreiheiten des EG-Vertrags, insbesondere die Dienstleistungsfreiheit, garantierten nicht die gleichen Bedingungen in allen Mitgliedsstaaten der Union, sondern schützten lediglich vor Diskriminierungen beim grenzüberschreitenden Verkehr. Es hat sodann festgestellt, dass die Regelungen des Schwerbehindertengesetzes alle in Deutschland ansässigen Unternehmen erfassten, sich aber auch auf diese beschränkten, sodass eine Diskriminierung nicht gegeben sei. Diese Ausführungen hat der Beschwerdeführer nicht angegriffen. Wenn der Verwaltungsgerichtshof sich ihnen angeschlossen hat, ist nicht ersichtlich, dass er dadurch Art.101 Abs.1 Satz 2 GG verletzt hat." | ||
Auszug aus BVerfG B, 01.10.04, - 1_BvR_2221/03 -, www.BVerfG.de, Abs.5 ff | ||
§§§ |
04.045 | Aufsichtsratwahl | |
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Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein Unterschriftenquorum bei Wahlen von Arbeitnehmervertretern zum Aufsichtsrat (§ 12 Abs.1 Satz 2 MitbestG). | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
04.046 | Menschenrechtskonvention | |
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1) Zur Bindung an Gesetz und Recht (Art.20 Abs.3 GG) gehört die Berücksichtigung der Gewährleistungen der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung. Sowohl die fehlende Auseinandersetzung mit einer Entscheidung des Gerichtshofs als auch deren gegen vorrangiges Recht verstoßende schematische "Vollstreckung" können gegen Grundrechte in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verstoßen. | ||
2) Bei der Berücksichtigung von Entscheidungen des Gerichtshofs haben die staatlichen Organe die Auswirkungen auf die nationale Rechtsordnung in ihre Rechtsanwendung einzubeziehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich bei dem einschlägigen nationalen Recht um ein ausbalanciertes Teilsystem des innerstaatlichen Rechts handelt, das verschiedene Grundrechtspositionen miteinander zum Ausgleich bringen wird. | ||
§§§ |
04.047 | Brandenburgisches Hochschulgesetz | |
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1) Die gesetzliche Zuweisung von Entscheidungskompetenzen an monokratische Leitungsorgane von Hochschulen ist mit Art.5 Abs.3 Satz 1 GG vereinbar, sofern diese Kompetenzen sachlich begrenzt sind und zugleich organisatorisch hinreichend gewährleistet ist, dass von ihrer Wahrnehmung keine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit ausgeht. | ||
2) Art.5 Abs.3 Satz 1 GG enthält kein Verbot, an die Bewertung wissenschaftlicher Qualität Folgen bei der Mittelverteilung anzuknüpfen. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Verteilung von Mitteln im Hochschulbereich auch leistungsorientiert vorzunehmen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn eine wissenschaftsadäquate Bewertung der Leistung hinreichend gewährleistet ist. | ||
3) Zur Verfassungsmäßigkeit der Mitwirkungs- und Kontrollbefugnisse von Hochschulräten. | ||
§§§ |
04.048 | Parteienfinanzierung | |
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1) Das Recht der Parteienfinanzierung darf das Entstehen neuer Parteien nicht über Gebühr erschweren und die Betätigung kleiner Parteien nicht unangemessen beeinträchtigen. | ||
2) § 18 Abs.4 Satz 3 PartG erschwert das Entstehen kleiner Parteien und ihre Behauptung im politischen Wettbewerb. Die Regelung birgt die Gefahr eines Verlusts der politischen Vielfalt und damit der Einschränkung des Parteienwettbewerbs. | ||
3) Das "Drei-Länder-Quorum" setzt politische Parteien, deren Programm in Übereinstimmung mit § 2 Abs.1 Satz 1 PartG auf ein einzelnes Land ausgerichtet ist, im politischen Wettbewerb gegenüber länderübergreifend agierenden Mitbewerbern gleichheitswidrig zurück. | ||
4) Die Frist des § 64 Abs.3 BVerfGG, innerhalb deren eine Maßnahme des Gesetzgebers zulässigerweise angegriffen werden kann, beginnt unter bestimmten Voraussetzungen neu zu laufen, obwohl der Gesetzgeber bei der Änderung des Gesetzes ihren Wortlaut unverändert gelassen hat. | ||
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Urteil: | Entscheidungsformel: | |
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T-04-19 | Drei-Länder-Quorum | |
"... Die Antragsgegner haben gegen das Recht der Antragstellerinnen auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb dadurch verstoßen, dass sie in § 18 Abs.4 Satz 3 PartG in der ab 1.Januar 2005 geltenden Fassung ("Drei-Länder-Quorum") bestimmten, einer politischen Partei, die bei der jeweils letzten Europa- und Bundestagswahl weniger als 0,5 vH der abgegebenen gültigen Stimmen erzielt hat, stehe ein Anspruch auf staatliche Mittel gemäß § 18 Abs.3 Satz 1 Nr.3 PartG nur dann zu, wenn sie bei mindestens drei der jeweils letzten Landtagswahlen 1,0 vH oder bei einer der jeweils letzten Landtagswahlen 5,0 vH der für die Listen abgegebenen gültigen Stimmen erreicht hat. | ||
1. Das Recht der Parteien auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb folgt aus Art.21 Abs.1 in Verbindung mit Art.3 Abs.1 GG (vgl BVerfGE_85,264 <296>; BVerfGE_107,286 <294>). Es steht in engem Zusammenhang mit den Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl (Art.38 Abs.1 Satz 1 GG), die ihre Prägung durch das Demokratieprinzip erfahren. Aus diesem Grund ist es - ebenso wie die durch die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl verbürgte gleiche Behandlung der Wähler - streng formal (vgl BVerfGE_104,14 <20> mwN; stRspr) und führt zu einemg rundsätzlichen Differenzierungsverbot, dessen Durchbrechung nur durch einen besonders zwingenden Grund zu rechtfertigen ist. Das Recht der Parteien auf Chancengleichheit zieht so dem Ermessen desG esetzgebers besonders enge Grenzen (vgl BVerfGE_73,40 <88 f> mwN; BVerfGE_82,322 < 337 f>; BVerfGE_85,264 <297>; stRspr). Der Staat darf vor allem die vorgefundene Wettbewerbslage nicht verfälschen (vgl BVerfGE_69,92 <109>; BVerfGE_73,40 <89>; BVerfGE_85,264 <297>; BVerfGE_104,287 <300> ; stRspr).D enn der im Mehrparteiensystem angelegte politische Wettbewerb soll Unterschiedeh ervorbringen - je nach Zuspruch der Bürger. Diesen darf die öffentliche Gewalt nicht ignorieren oder gar konterkarieren. | ||
2. Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen des formalisierten Gleichheitssatzes wird § 18 Abs.4 Satz 3 PartG in der ab 1.Januar 2005 geltenden Fassung (Art.3 8.PartGÄndG) nicht gerecht. Er führt zu einer Ungleichbehandlung der Antragstellerinnen (a), die sich verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen lässt (b). | ||
a) Nach der angegriffenen Regelung werden Zuwendungen an die Antragstellerinnen, sofern diese bei der letzten Europa- und Bundestagswahl die 0,5 vH-Grenze verfehlt haben, künftig nur noch dann bezuschusst, wenn sie beim indestens drei Wahlen zu den Landesparlamenten 1,0 vH oder bei einer Wahl 5,0 vH der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen errungen haben. Erreichen sie das "Drei-Länder-Quorum" nicht, erhalten sie keinen staatlichen Zuschuss auf ihre Spenden und Beiträge. Dies führt zu einer ungleichen Zuteilung der staatlichen Mittel an Parteien. Parteien wie die Antragstellerinnen, dien ur geringe Stimmanteile bei Landtagswahlen erzielen, erfahren künftig eine erhebliche finanzielle Schlechterstellung gegenüber erfolgreicheren Konkurrentinnen, die das "Drei-Länder-Quorum" erreichen. | ||
b) Diese Ungleichbehandlung der Antragstellerinnen lässt sich nicht mit dem behaupteten Missbrauch der Parteienfinanzierung (1), mit der angestrebten Angleichung des Wählerstimmen- und Zuwendungsanteils (2), mit dem Grundsatz der Staatsfreiheit politischer Parteien (3), mit dem Erfordernis bundespolitischer Bedeutung (4) oder mit demZ iel der Bekämpfung "radikaler" Parteien (5) verfassungsrechtlich rechtfertigen. | ||
(1) Nach der Gesetzesbegründung (BTDrucks 14/8778, S.13, 20) haben sich in der Vergangenheit kleine Parteien "ausschließlich deshalb" in den Ländern mit wenigen Wahlberechtigten zur Wahl gestellt, um bundesweit den Zuwendungsanteil abrechnen zu können. Derartige Missbrauchstendenzen vor dem Hintergrund der wahltypischen Verhältnisse in den Stadtstaaten finden jedoch in den Ergebnissen der zurückliegenden Wahlen in Berlin, Bremen und Hamburg keine Bestätigung. Die Annahme eines Missbrauchs im Sinne der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, die an die fehlende Ernsthaftigkeit des politischen Handelns anknüpft (vgl BVerfGE_24,300 <340,342>; BVerfGE_41,399 <422>; BVerfGE_85,264 <293 f>; stRspr), ist daher nicht hinreichend belegt. (Abs.65) | ||
Nach den Feststellungen des Landeswahlleiters für Berlin nahmen an den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im Jahr 2001 insgesamt 19 Parteien teil, von denen 14 unter der 5 vH-Sperrklausel blieben. Davon überschritten nur zwei Parteien - die Antragstellerin zu 1. (1,4 vH) und DIE REPUBLIKANER (REP, 1,3 vH) - den Zweitstimmenanteil von 1,0 vH Im Jahr 1999 hatten sich noch 22 Parteien zur Wahl gestellt. Von den 18 an der parlamentarischen Sperrklausel gescheiterten Parteien erreichten nur vier einen Zweitstimmenanteil von mindestens 1,0 vH: Die REP mit 2,7 vH, die FDP mit 2,2 vH sowie die Tierschutzpartei und die Antragstellerin zu 1.mit jeweils 1,1 vH. | ||
Ein vergleichbares Bild zeigt sich in Bremen. Dort traten im Jahr 2003 13 Parteien zur Wahl der Bremischen Bürgerschaft an, von denen elf an der parlamentarischen Sperrklausel scheiterten. Von ihnen erreichten vier das Mindeststimmenquorum: Die Partei Rechtsstaatliche Offensive ( Schill) mit 4,4 vH, die FDP mit 4,2 vH, die Deutsche Volksunion (DVU) mit 2,2 vH und die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)m it 1,6 vH Im Jahr 1999 hatten sich nur neun Parteien dem Entscheid des Bürgers gestellt, sechs davon waren unter dem 5 vH-Quorum geblieben. Für wiederum vier Parteien - die DVU (3,0 v.H.), die PDS (2,8 vH), die FDP (2,5 vH) und die Partei Arbeit für Bremen und Bremerhaven eV - AFB -( 2,4 vH) reichte es zur Teilnahme an der Parteienfinanzierung. | ||
Zur Wahl für die Hamburger Bürgerschaft stellten sich im Jahr 2004 13 Parteien. Von den zehn an der parlamentarischenS perrklausel gescheiterten Parteien erreichten vier einen Zweitstimmenanteil vonm indestens 1,0 vH: Die Partei Pro Deutsche Mitte - Pro DM/Schill - (3,1 vH), die FDP (2,8 vH) sowie die Partei REGENBOGEN und die Antragstellerin zu 1. jeweils mit 1,1 vH Von 17 Parteien, die noch 2001 in Hamburg zur Bürgerschaftswahl angetreten waren, scheiterten zwölf an der parlamentarischen Sperrklausel. Von ihnen erreichte allein die Partei REGENBOGEN (1,7 vH) den Mindeststimmenanteil. | ||
Ein Vergleich dieser Zahlen mit denen aus anderen Ländern offenbart keine signifikante Häufung kleiner Parteien in den Stadtstaaten, die dort das Mindeststimmenquorum überschreiten. Er lässt somit auch nicht auf eine bewusste, missbräuchliche Ausnutzung der dort vorherrschenden Wahlverhältnisse schließen: In Sachsen etwa traten bei den Wahlen zum Landtag im Jahr 1999 15 Parteien an, von denen zwölf der Sprung ins Parlament versagt blieb. Davon übertrafen fünf - BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (2,6 vH), Pro DM (2,1 vH), die REP (1,5 vH), die Nationaldemokratische Partei Deutschlands - NPD -( 1,4 vH) sowie die FDP (1,1 vH) - das erforderliche Mindeststimmenquorum. | ||
Ähnlich stellen sich die Ergebnisse bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein im Jahr 2000 dar. Von zwölf Parteien schafften vier den Einzug ins Parlament. Daneben erreichten zweib weitere Parteien - die PDS (1,4 vH) und die NPD (1,0 vH) - den notwendigen Mindeststimmenanteil für die staatliche Teilfinanzierung. | ||
Auch die Wahlergebnisse der großen Länder weichen von diesemB ild nicht wesentlich ab. So hatten sich im Jahr 2003 in Bayern 13 Parteien zur Landtagswahl gestellt, zehn davon blieben unter der 5 vH-Sperrklausel. Nur für vier Parteien - die Freien Wähler Bayern eV (4,0 vH), die FDP (2,6 vH), die REP (2,2 vH) und die Antragstellerin zu 2. (2,0 vH) - reichte es zur Teilnahme an der Parteienfinanzierung. Ein vergleichbares Ergebnis hatten die Landtagswahlen im Jahr 1998 erbracht, jedoch waren damals sechs weitere Parteien zur Wahl angetreten. In Nordrhein-Westfalen schließlich traten 28 Parteien zu den Landtagswahlen 2000 an, 24 blieb der Einzug ins Parlament versagt. Von ihnen gelang alleine den REP (1,1 vH) der Sprung über die 1 vH-Grenze. Zu den Landtagswahlen 1995 hatten sich 20 Parteien dem Bürgervotum gestellt, jedoch partizipierte von den nicht im Parlament vertretenen Parteien nur die FDP (4,0 vH) an der staatlichen Teilfinanzierung. | ||
Vor diesem Hintergrund kann die Feststellung der Gesetzesbegründung, wonach sich kleine Parteien "bewusst" die Stadtstaaten für Wahlen ausgesucht haben, nicht überzeugen. Denn die Zahl der kleinen Parteien, die seit Inkrafttreten der neu ausgestalteten Parteienfinanzierung dort zu den Landtagswahlen angetreten sind, unterscheidet sich nicht wesentlich von der in anderen Ländern. | ||
Gleiches gilt hinsichtlich der Anzahl der Parteien, die nache iner Wahl an der Parteienfinanzierung teilnehmen konnten. Dies verdeutlicht, dass jedes Land einen politischen Raum mit ihm eigenen Rahmenbedingungen darstellt, ohne dass allein seine Größe notwendigerweise Auswirkungen auf den Wahlerfolg hat. Auch die Antragstellerinnen sind bereits, zum Teil mehrfach, in allen Stadtstaaten und dem Saarland zur Wahl angetreten. Gleichwohl blieben beide dort weitgehend erfolglos, mit Ausnahme der Antragstellerin zu 1. in ihrem "Stammland" Berlin. Darüber hinaus ergeben sich aus den Wahlergebnissen in den Stadtstaaten keine Anhaltspunkte dafür, dass das bislang geltende Mindeststimmenquorum - selbst im Falle unterstellter Missbrauchstendenzen - unzureichend wäre, um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme staatlicher Zuwendungen vonP arteien wirksam begegnen zu können. | ||
(2) Auch die Absicht, den Wählerstimmen- und den Zuwendungsanteil bei der Ausgestaltung der staatlichen Teilfinanzierung einander anzugleichen, vermag die Ungleichbehandlung durch das "Drei-Länder-Quorum" verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. | ||
(a) Der Antragsgegner zu 1. betont im Rahmen seiner Antragserwiderung das Ungleichgewicht von Wählerstimmen- und Zuwendungsanteil, das die staatliche Teilfinanzierung der Antragstellerinnen präge. Angesichts der Empfehlungen der Sachverständigen zur P arteienfinanzierung (vgl BTDrucks 14/637, S.21, 25 f), nach denen Wählerstimmen- und Zuwendungsanteil in ein möglichst ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden sollten, habe der Gesetzgeber dringenden Handlungsbedarf gesehen. Das "Drei-Länder-Quorum" verfolge, so der Antragsgegner zu 1., das legitime Ziel, dieK riterien des Wählerstimmenanteils und des Zuwendungsanteils für die Zuteilung der staatlichen Zuschüsse gleichermaßen wirksam werden zu lassen. | ||
(b) Die Annahme, der Gesetzgeber habe sich für die Einführung des "Drei-Länder-Quorums" aus Gründen der Kompensation eines bestehenden Ungleichgewichts zwischen Wählerstimmen- und Zuwendungsanteil entschieden, findet in der Gesetzesbegründung keine Bestätigung. Zwar mag die vom Antragsgegner zu 1. angeführte Textstelle auf dem Vorblatt des Gesetzentwurfs für sich ein Verständnis in seinem Sinne zulassen. Im Allgemeinen Teil (vgl BTDrucks 14/8778, S.13 unter Ziff.4) und im Besonderen Teil (vgl BTDrucks 14/8778, S.14, zu Absatz 3 ) der Gesetzesvorlage wird jedoch ausgeführt, das von den Sachverständigen kritisierte Ungleichgewicht der Berechnungskriterien werde durch die Verringerung der Zuschüsse auf Zuwendungen um etwae in Drittel behoben. Die Einführung des "Drei-Länder-Quorums" als Steuerungsinstrument zur Auflösung der Disparität von Wählerstimmen- und Zuwendungsanteil sieht die nähere Begründung des Gesetzentwurfs an keiner Stelle vor. Die Erläuterungen zur gesetzgeberischen Intention und zum Erfordernis des "Drei-Länder-Quorums" (vgl BTDrucks 14/8778, S.13 unter Ziff.6; S.20, zu Artikel 3) greifen allein die Missbrauchsgefahr bei der staatlichen Teilfinanzierung und die bundespolitische Bedeutung einer Partei als Voraussetzung für die staatliche Bezuschussung ihrer Eigenmittel auf. | ||
(c) Das "Drei-Länder-Quorum" ist auf Grund seiner normiertenR echtsfolge auch nicht geeignet, einen unterschiedlich hohen Wählerstimmen- und Zuwendungsanteil anzugleichen. | ||
Während im Falle eines Scheiterns am "Drei-Länder-Quorum" der Anspruch auf den gesamten Zuwendungsanteil entfällt, werden die Wählerstimmen einer Partei aus den Ländern, in denen sie das 1 vH-Quorum bei der Landtagswahl erreicht hat, weiterhin bezuschusst. Das "Drei-Länder-Quorum" führt demnach im Sinne eines "Alles-oder-Nichts-Prinzips" dazu, dass eine Partei, wenn sie an ihm scheitert, überhaupt keinen Zuwendungsanteil mehr erhält, andernfalls aber die Zuwendungen des gesamten Bundesgebiets abrechnen kann. Mit dieser Wirkungsweise ist das "Drei-Länder-Quorum" schon konzeptionell nicht in der Lage, ein bestehendes Missverhältnis zwischen dem Wählerstimmen- und dem Zuwendungsanteil im Einzelfall angemessen auszugleichen. Das" Drei-Länder-Quorum" erweist sich zudem - nicht anders als das "5 vH-Quorum" in einem Land - auch dann als untaugliches Steuerungsinstrument für eine ausgleichende Justierung, wenn es unter der insoweit zu seiner Begründung herangezogenen Prämisse zum Tragen kommt. Auch in diesem Fall verbessert sich das Verhältnis von Wählerstimmenanteil zu Zuwendungsanteil nicht entscheidend. | ||
(d) Schließlich beschränkt das "Drei-Länder-Quorum" die grundgesetzlich gewährleistete Offenheit des politischen Prozesses (vgl BVerfGE 91,276 <284 ff>) in verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigender Weise. | ||
(aa) Die grundgesetzliche Demokratie ist nach der verfassungspolitischen Entscheidung des Verfassunggebers als Mehrparteiendemokratie angelegt. Art.21 Abs.1 Satz 1 GG bestimmt, dass die Parteien bei der politischen Willensbildung mitwirken. Erst die in Art.21 Abs.1 Satz 2 GG niedergelegte Gründungsfreiheit und der freie Wettbewerb der Parteien machen Demokratie letztlich möglich ( vgl BVerfGE_85,264 <285>; BVerfGE_91,276 <286>). Bei Wahlen und Abstimmungen sowie bei der Vermittlung und Formung des politischen Willens des V olkes sollen die Parteien Träger des von der demokratischen Ordnung des Grundgesetzes intendierten freien und offenen politischen Prozesses sein. | ||
Die Verfassung geht hierbei von der Unterschiedlichkeit der individuellen und gesellschaftlichen Meinungen, Interessen und Bedürfnisse aus. Sie gewährleistet die Freiheit der Organisation in miteinander konkurrierenden politischen Vereinigungen. Diese Offenheit des politischen Prozesses hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung wiederholt als einen zentralen Grundsatz der D emokratie betont und gestärkt (vgl BVerfGE_14,121 <133>; BVerfGE_73,40 <86> mwN; BVerfGE_85,264 <288,293>; BVerfGE_91,276 <285 f>). Sie ist durch die Möglichkeit gekennzeichnet, jederzeit neue Parteien zu gründen, um neuen politischen Vorstellungen die Chance zu eröffnen, im Prozess der politischen Willensbildung des Volkes wirksam zu werden. Die von Art.20 GG gebotene Offenheit des demokratischen Prozesses beugt auch einer Erstarrung des Parteiwesens vor (vgl BVerfGE_91,276 <286>). | ||
Damit sich der in der Verfassung angelegte politische Wettbewerb tatsächlich einstellen kann, bedarf es chancengleicher Bedingungen, vor allem eines für alle offenen Zugangs zum "politischen Markt". | ||
(bb) Auch kleine Parteien sind für den politischen Prozess und die politische Landschaft von Bedeutung. | ||
Das institutionalisierte politische System, das auf politische Parteien und effektiven Wettbewerb zwischen ihnen setzt, braucht die Mitwirkung neuer Konkurrenten, aber auch der bestehenden kleinen Parteien. Der Wettbewerb zwischen den Parteien kann auf Dauer nur wirken, wenn er nicht auf die Konkurrenz zwischen den bereits existierenden und erfolgreichen beschränkt bleibt, sondern durch das Hinzutreten neuer Wettbewerber und die anhaltende Herausforderung durch die kleinen Parteien erweitert, intensiviert und gefördert wird. | ||
Kleine Parteien können die Lernfähigkeit des politischen Systems eher stärken, wenn sie eine realistische Chance haben, selbst politische Erfolge zu erzielen. Für das Mehrparteiensystem politisch bedeutsam und für den Wettbewerb förderlich erweisen sich vor allem auch die Resonanzen bei den Parlamentsparteien, die im Hinblick auf Wahlerfolge der kleinen Konkurrenten häufig gezwungen werden, sich mit den von diesen Parteien in den Mittelpunkt gestellten Themen auseinanderzusetzen. | ||
Aber auch schon die potentielle Konkurrenz, also die Chance neuer und kleiner Wettbewerber, für überzeugende Lösungskonzepte bei Wahlen belohnt zu werden, zwingt die etablierten Parteien zu einer Rückkopplung mit dem Volk, um dem Aufkommen neuer Konkurrenten und einem Erfolg kleiner Wettbewerber nach Möglichkeit entgegenzutreten. | ||
(cc) Das Recht der Parteienfinanzierung darf das Entstehen neuer Parteien und deren Zutritt zum politischen Wettbewerb nicht über Gebühr erschweren und die Betätigung kleiner Parteien nicht unangemessen beeinträchtigen. Insbesondere darf das Quorum nicht für Zwecke des Schutzes vor Konkurrenz missbraucht werden. | ||
§ 18 Abs.4 Satz 3 PartG erschwert das Entstehen kleiner Parteien und ihre Behauptung im politischen Wettbewerb. Die Regelung birgt die Gefahr eines Verlusts der politischen Vielfalt und damit einer Einschränkung des , Parteienwettbewerbs. | ||
(a) Das "Drei-Länder-Quorum" verlangt von neu gegründeten Parteien, in drei Ländern gleichzeitig politisch aktiv und bei Wahlen erfolgreich zu werden. Der Aufbau einer Partei, das Werben um Parteimitglieder, das Besetzen von politischen Themen und das Erschließen von Wählerschichten erfährt damit eine nicht unbedeutende Erschwerung, müssen doch die Anstrengungen auf mehrere Länder verteilt und die finanziellen Aufwendungen zunächst allein oder ganz überwiegend aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden bestritten werden. Der anfängliche Wahlerfolg in einem Land,d er über dem Mindeststimmenanteil liegt, lässt die kleinen Parteien - anders als bisher - zunächst nur über den Wählerstimmenanteil an der staatlichen Parteienfinanzierung teilhaben. Dieser Anteil erreicht aber gerade bei neuen Parteien regelmäßig keine Größe, die zu einer nennenswerten finanziellen Unterstützung führt. | ||
Diese Feststellung ergibt sich nicht nur aus den von den Antragstellerinnen unterbreiteten Finanzierungsverhältnissen. Auch das beim Bundestagspräsidenten geführte Wählerstimmenkonto verdeutlicht, in welchem Rahmen sich die staatliche Bezuschussung des Zweitstimmenanteils bewegt, wenn eine Partei bei einer Landtagswahl das Mindeststimmenquorum nur knapp erreicht: Ausgehend von einem erhöhten Wählerstimmenanteil gemäß § 18 Abs.3 Satz 2 PartG (0,85 Euro pro Stimme), wurden für die FDP für ihre 20.472 Wählerstimmen (1,8 vH), die sie bei der Landtagswahl 1999 in Brandenburg erringen konnte, für das Anspruchsjahr 2002 rechnerisch nur 17.401 Euro festgesetzt. Der tatsächlich ausgeschüttete Betrag für diese Wählerstimmen lag im Jahr 2002 jedoch noch einmal um etwa 23 vH darunter, weil auf Grund der überschrittenen absoluten Obergrenze (§ 18 Abs.2 PartG) alle abrechnungsfähigen Anteile proportional gekürzt werden mussten (§ 19a Abs.5 Satz 2 PartG; diese am 1.Juli 2002 in Kraft getretene Vorschrift ist fast wortgleich mit der bis zum 30.Juni 2002g eltenden Fassung des § 19 Abs.6 Satz 2 PartG). | ||
In ähnlicher Größenordnung bewegt sich auch die Bezuschussung der Wählerstimmenanteile der Antragstellerin zu 1. mit ihren im Jahr 2001 in Berlin errungenen 22.093 Stimmen (1,4 vH), der PDS mit ihren im Jahr 2000 bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein gewonnenen 20.066 Stimmen (1,4 vH), der FDP, die 1999 bei den Landtagswahleni n Sachsen 23.369 Wählerstimmen (1,1 vH) erzielen konnte, und der Schill-Partei (PRO), die im Jahr 2002 in Mecklenburg-Vorpommern 16.483 Stimmen (1,7 vH) erreichte. | ||
Diese Zahlen veranschaulichen, wie gering der auf die Wählerstimmen entfallende Erstattungsanteil der Parteien an der staatlichen Parteienfinanzierung sein kann, wenn sie zwar das Mindeststimmenquorum erreichen, ihnen aber gleichwohl der Einzug in das Landesparlament versagt bleibt. Der Wegfall des Zuwendungsanteils wiegt bei neuen Parteien gerade deshalb besonders schwer, weil sie ihre politische Arbeit ind er Regel zunächst ausschließlich aus Beiträgen und Spenden ihrer Mitglieder undU nterstützer finanzieren müssen und die eingeworbenen Eigenmittel deshalb zwangsläufig einen Großteil ihres Einkommens ausmachen. Anders als schon erfolgreiche Parteien, die außer über Zuwendungen der Anhängerschaft auch über einen gewichtigen Wählerzuspruch verfügen, der über den Wählerstimmenanteil finanzielle Früchte trägt, müssen sich neue politische Kräfte den Erfolg beim Wähler erst erarbeiten. Daher wird der Zuwendungsanteil, sollte eine Partei den Sprung über das Mindeststimmenquorum - selbst in drei Ländern - nur knapp geschafft haben, den Wählerstimmenanteil regelmäßig überwiegen. | ||
Die angegriffene Regelung enthält demnach künftig neuen Parteien den staatlichen Zuschuss auf die Eigenmittel überwiegend vor und schließt damit alle politischen Kräfte, die in den Wettbewerb treten wollen, von einer nennenswerten staatlichen Teilfinanzierung weitgehend aus. | ||
(ß) Auch die bestehende Parteienlandschaft würde durch die angegriffene Regelung sichtbaren Veränderungen unterworfen, wie die Ausführungen des Bundeswahlleiters in der mündlichen Verhandlung unterstrichen haben. Trotz Erhöhung des Wählerstimmenanteils zum 1.Juli 2002 durch die Neufassung des § 18 Abs.3 Satz 1 Nr.1, Satz 2 PartG sind bei den bestehenden kleinen Parteien mit dem Inkrafttreten des "Drei-Länder-Quorums" ebensolche finanzielle Einbußen zu erwarten wie bei solchen Parteien, die sich neu an Wahlen beteiligen (vgl unter ). Diese Entwicklung hätte auf ihre Wettbewerbsfähigkeit gewichtige Auswirkungen. | ||
(dd) Das zum "Drei-Länder-Quorum" Gesagte gilt entsprechend für das "5 vH-Quorum" in einem Land. Der Zugang zum politischen Geschehen in einem Land wird einer neu gegründeten Partei unverhältnismäßig erschwert, wenn sie erst mit einem Wahlerfolg, der eine Überwindung der 5 vH-Sperrklausel und damit den Einzug in das Landesparlament ermöglicht, in den Genuss der auf den Zuwendungsanteil entfallenden staatlichen Teilfinanzierung kommt (vgl BVerfGE_85,264 <293 f>). | ||
(3) Auch der Grundsatz der Staatsfreiheit politischer Parteien vermag die Regelung in § 18 Abs.4 Satz 3 PartG verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. ]C8) 97 ]C8[ Parteien müssen nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich und organisatorisch auf die Zustimmung und Unterstützung der Bürger angewiesen bleiben. Sie dürfen des Risikos eines Fehlschlagens ihrer Bemühungen um eine hinreichende Unterstützung in der Wählerschaft nicht durch die Gewährung staatlicher Mittel enthoben werden (vgl BVerfGE_73,40 <86> mwN; BVerfGE_85,264 <287>). Neben dem Wahlerfolg ist auch der Erfolg der Parteien beim Werben um Mitgliedsbeiträge und Spenden ein gewichtiges Kriterium für ihre Verwurzelung in der Bevölkerung (vgl BVerfGE_104,287 <302>). Folglich begegnetd ie Anknüpfung an die Höhe der eingeworbenen Eigenmittel als ein Maßstab für dies taatliche Bezuschussung - neben dem der errungenen Stimmanteile - keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl BVerfGE_85,264 <292 f>). | ||
Parteien müssen nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich und organisatorisch auf die Zustimmung und Unterstützung der Bürger angewiesen bleiben. Sie dürfen des Risikos eines Fehlschlagens ihrer Bemühungen um eine hinreichende Unterstützung in der Wählerschaft nicht durch die Gewährung staatlicher Mittel enthoben werden (vgl BVerfGE_73,40 <86> mwN; BVerfGE_85,264 <287>). Neben dem Wahlerfolg ist auch der Erfolg der Parteien beim Werben um Mitgliedsbeiträge und Spenden ein gewichtiges Kriterium für ihre Verwurzelung in der Bevölkerung (vgl BVerfGE_104,287 <302>). Folglich begegnetd ie Anknüpfung an die Höhe der eingeworbenen Eigenmittel als ein Maßstab für dies taatliche Bezuschussung - neben dem der errungenen Stimmanteile - keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl BVerfGE_85,264 <292 f>). | ||
Eine vom Antragsgegner zu 1. aus dem starken Ungleichgewicht von Zuwendungs- und Wählerstimmenanteil hergeleitete große Staatsnähe der kleinen Parteien liegt nicht vor und vermag daher den gleichheitswidrigen Eingriff nicht zu rechtfertigen. Denn der Gesetzgeber hat in § 18 Abs.5 Satz 1 PartG die relative Obergrenze festgelegt, die die staatlichen Zuwendungen auf die Höhe der selbst erwirtschafteten Einnahmen beschränkt und so sicherstellt, dass eine politische Partei sich immer mindestens hälftig staatsfrei finanziert. | ||
Die Besorgnis, kleine Parteien hingen in verfassungsrechtlich nicht mehr vertretbarer Weise von finanziellen Zuwendungen des Staates ab, findet auch in den Angaben des Deutschen Bundestages zur Höhe des staatlichen Finanzierungsanteils an den Gesamteinnahmen der Parteien keine Bestätigung. Bei der Antragstellerin zu 1. lag der Anteil der staatlichen Bezuschussung an ihren Gesamteinnahmen von 1998 bis 2003 zwischen 21 und 34 v.H. Bei der Antragstellerin zu 2. machte er im gleichen Zeitraum 25 bis 32 vH aus, bei der NPD 19 bis 25 vH, bei der DVU 12 bis 34 vH, bei der Partei Pro DM 2 bis 21 vH und bei den REP 40 bis 43 vH Damit unterscheidet sich die Anteilshöhe nicht signifikant von der bei den Parlamentsparteien im vergleichbaren Zeitraum: SPD (30 bis 36 vH), CDU (15 bis 33 vH), CSU (27 bis 32 vH), GRÜNE (32 bis 35 vH), FDP (26 bis 31 vH) und PDS (33 bis 39 vH). | ||
(4) Der gleichheitswidrige Eingriff des "Drei-Länder-Quorums" lässt sich ferner nicht durch die Forderung des Gesetzgebers nach einer "bundespolitischen Bedeutung" jener politischen Parteien verfassungsrechtlich legitimieren, die zur Teilnahme an der staatlichen Teilfinanzierung berechtigt sein sollen. | ||
(a) Das Kriterium einer "bundespolitischen Bedeutung" widerspricht schon der föderalen Struktur des Grundgesetzes,d ie auch für die inhaltliche Bestimmung des Parteienbegriffs und die finanzielle Förderung der politischen Parteien durch den Staat Gewicht hat. Nach § 2 Abs.1 Satz 1 PartG, der den Parteienbegriff des Art.21 Abs.1 GG auf der Grundlage von Art.21 Abs.3 GG in verfassungsgemäßer Weise konkretisiert (vgl BVerfGE_89,266 <269 f> mwN; BVerfGE_91,276 < 284>; stRspr), erstrecken sich der verfassungsrechtliche Status und die damit einhergehenden Rechte auf alle politischen Parteien gleichermaßen - unabhängig davon, ob sie sich die Einflussnahme auf die politische Willensbildung im Bund oder in einem Land und ihre Vertretung im Bundestag oder in einem Landtag zum Ziel gesetzt haben. | ||
Art.21 Abs.1 Satz 2 GG statuiert für politische Parteien die Gründungs- und Betätigungsfreiheit, die sich auch auf die Organisations- und Programmfreiheit erstreckt. Eine politische Partei ist damit frei in der Wahl ihrer identitätsbestimmenden Merkmale, in der Gestaltung ihrer politischen Ziele, in der Ausrichtung ihrer Programmatik und in der Wahl ihrer Themen. Erhebt sie gesellschaftliche Themen, die ausschließlich in einem Land wurzeln, zum politischen Programm und beschränkt sie sich in der politischen Auseinandersetzung auf die Einflussnahme auf die politische Willensbildung der Bevölkerung eines Landes mit dem Ziel, sich in deren Volksvertretung mit "ihren" Themen Geltung zu verschaffen, so ist dies nach Art.21 Abs.1 GG in gleicher Weise förderungswürdig und schützenswert wie die politische Tätigkeit einer Partei, die Vorgänge mit länderüberschreitendem Interesse aufgreift und im politischen Wettstreit bundesweit thematisiert. Es steht einer Partei im Übrigen auch ganz unabhängig von einem speziellen räumlichen Bezug ihrer politischen Themen frei, sich auf ein einzelnes Land zu konzentrieren. Die Unterstützung durch Bürgerinnen und Bürger in anderen Ländern mit Spenden und Parteibeiträgen kann in solchen Fällen zu einer späteren Ausweitung dieser Partei auch auf andere Länder führen. Derartige Entwicklungen durch die staatliche Parteienfinanzierung zu beeinflussen, ist mit Art.21 Abs.1 Satz 2 GG nicht zu vereinbaren. (Abs.102) | ||
Die Festlegung eines "Drei-Länder-Quorums" in § 18 Abs.4 Satz 3 PartG verlangt von Parteien, die an der Bezuschussung ihres Zuwendungsanteils teilnehmen wollen, künftig - als Ausdruck einer "bundespolitischen Bedeutung" - ein politisches Engagement in mindestens drei Ländern. Sie setzt damit politische Parteien, deren Programm in Übereinstimmung mit § 2 Abs.1 Satz 1 PartG auf ein einzelnes Land ausgerichtet ist, im politischen Wettbewerb gegenüber länderübergreifend agierenden Mitbewerbern gleichheitswidrig zurück. | ||
(b) Lässt sich die Benachteiligung kleiner Parteien bereits im Ansatz nicht unter dem Gesichtspunkt einer "bundespolitischen Bedeutung" rechtfertigen, erweist sich auch die Erwägung des Antragsgegners zu 1. als nicht tragfähig, das "5 vH-Quorum" in einem Land darauf zu stützen, dass erst mit dem Einzug in ein Landesparlament die Möglichkeit entstehe, über den Bundesrat auf die Bundespolitik Einfluss zu nehmen. | ||
(5) Weiterhin ist die angegriffene Regelung auch nicht mit der Bekämpfung "radikaler" Parteien zu rechtfertigen, was der Bevollmächtigte des Antragsgegners zu 1. in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat. Die Sperrwirkung des Art.21 Abs.2 GG verbietet jede staatliche Bekämpfung einer politischen Partei, solange das Bundesverfassungsgericht sie nicht durch Urteil für verfassungswidrig erklärt und aufgelöst hat, und gewährleistet ihr das Recht zur freien Betätigung (stRspr; vgl zuletzt BVerfGE_107,339 <362>. Zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung im Parteienrecht kann daher auch dann nicht auf die Einschätzung von Parteien als "radikal" abgestellt werden, wenn damit ihre Verfassungswidrigkeit gemeint sein sollte. | ||
Der Antrag zu 1. b ist zulässig, aber unbegründet. | ||
Mit ihm wendet sich die Antragstellerin zu 1. gegen die "Jeweiligkeitsklausel" des § 18 Abs.4 Satz 1, 2.Halbsatz PartG, die das Erreichen des Mindeststimmenquorums bei der jeweiligen Wahl zur Voraussetzung für die Bezuschussung der errungenen Wählerstimmen erhebt. | ||
1. Der Antrag entspricht den Erfordernissen des § 64 BVerfGG und ist damit zulässig. Er wahrt insbesondere die Frist des § 64 Abs.3 BVerfGG, obwohl die angegriffene Vorschrift des § 18 Abs.4 Satz 1, 2.Halbsatz PartG bereits im Jahr 1994 in das Parteiengesetz eingefügt und durch das Achte Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes in ihrem Wortlaut nicht geändert wurde. | ||
a) Das Bundesverfassungsgericht hat bislang nur für das Verfassungsbeschwerdeverfahren entschieden, dass die Frist, innerhalb deren eine Rechtsnorm zulässigerweise angegriffen werden kann (vgl § 93 Abs.3 BVerfGG), unter bestimmten Voraussetzungen neu zu laufen beginnt, obwohl der Gesetzgeber bei der Änderung des Gesetzes ihren Wortlaut unverändert gelassen hat. Das Gericht hat dies für Fälle angenommen, in denen die Gesetzesänderung die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Norm erst begründet oder aber verstärkt (vgl BVerfGE_11,351 <359 f>; BVerfGE_12,10 <24>; BVerfGE_26,100 <109>; BVerfGE_45,104 <119> mwN; BVerfGE_78,350 <356>; stRspr). | ||
Diese zu § 93 Abs.3 BVerfGG entwickelten Grundsätze sind wegen des vergleichbaren Normzwecks der Fristbestimmungen (vgl BVerfGE_11,255 <260>; BVerfGE_24,252 <257>; BVerfGE_80,188 <210>; BVerfGE_103,164 <170 f>) auf § 64 Abs.3 BVerfGG jedenfalls dann übertragbar, wenn der Angriff auf eine Maßnahme des Gesetzgebers zielt. Verfassungsbeschwerde und Organstreit bezwecken dann übereinstimmend, eine gesetzliche Regelung zu Fall zu bringen, deren Bedeutung eine Änderung erfahren hat und die dadurch den Träger einer subjektiven Rechtsposition erstmals oder in gesteigertem Maße beschwert. | ||
b) Die Verkündung des Achten Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes am 29.Juni 2002 hat die Frist des § 64 Abs.3 BVerfGG auch für den im Wortlaut unverändert gebliebenen § 18 Abs.4 Satz 1, 2.Halbsatz PartG neu in Gang gesetzt. Denn diese Vorschrift steht in einem systematischen Regelungsgefüge, das durch den vorausgehenden 1.Halbsatz und die darin ausdrücklich in Bezug genommenen Berechnungsgrundlagen für den Wählerstimmenanteil (§ 18 Abs.3 Satz 1 Nr.1, Satz 2 PartG) geprägt wird. Art.1 Nr.1 des 8.PartGÄndG erhöht den staatlichen Zuschuss auf die errungenen Wählerstimmen und wirkt sich daher auf die Rechtsfolgen der "Jeweiligkeitsklausel" des § 18 Abs.4 Satz 1, 2.Halbsatz PartG aus. Die Erhöhung führt zu einem größeren finanziellen Abstand zwischen den politischen Konkurrenten, die stets oder häufig das Mindeststimmenquorum des § 18 Abs.4 Satz 1, 1.Halbsatz PartG bei einer Wahl erreichen, und denjenigen, diee s nur selten überwinden. Damit erfährt § 18 Abs.4 Satz 1, 2. Halbsatz PartG durch Art.1 Nr.1 des 8.PartGÄndG eine Veränderung seiner Regelungswirkung. | ||
2. Die gegen § 18 Abs.4 Satz 1, 2.Halbsatz PartG gerichtete Organklage ist jedoch unbegründet. Diese gesetzliche Regelung ist verfassungsrechtlich unbedenklich. | ||
Die grundsätzliche verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer gesetzlichen Regelung, die im Rahmen der staatlichen Parteienfinanzierung das Erreichen eines Mindeststimmenanteils bei der jeweiligen Wahl zur Voraussetzung erhebt, ist - mit Gründen, die auch für das zwischenzeitlich umgestellte System der Parteienfinanzierung ihre Gültigkeit behalten - in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Der Gesetzgeber kann daher in Einklang mit der Verfassung seine finanzielle Unterstützung davon abhängig machen, ob eine Partei einen Mindestanteil an Wählerstimmen erreicht (vgl BVerfGE_20,56 < 117 f>; BVerfGE_24,300 <340,342>; BVerfGE_41,399 <422>; BVerfGE_85,264 <292 ff>; stRspr). | ||
Ist damit schon der Regelungsinhalt des § 18 Abs.4 Satz 1, 2.Halbsatz PartG mit der Verfassung vereinbar, so verletzen auch die in dessen erstem Halbsatz in Bezug genommenen Maßstabsgrößen des § 18 Abs.3 Satz 1 Nr.1, Satz 2 PartG für die Berechnung der Höhe staatlicher Zuwendungen, die durch Art.1 des 8.PartGÄndG eine Änderung erfahren haben, die Antragstellerin zu 1. nicht in ihrem Recht auf politische Chancengleichheit." | ||
Auszug aus BVerfG U, 26.10.04, - 2_BvE_1/02 -, www.BVerfG.de, Abs.60 ff | ||
§§§ |
04.049 | SBZ-Enteigung | |
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Der Staat des Grundgesetzes ist grundsätzlich verpflichtet, auf seinem Territorium die Unversehrtheit der elementaren Grundsätze des Völkerrechts zu garantieren und bei Völkerrechtsverletzungen nach Maßgabe seiner Verantwortung und im Rahmen seiner Handlungsmöglichkeiten einen Zustand näher am Völkerrecht herbeizuführen. Daraus folgt jedoch keine Pflicht zur Rückgabe des in dem Zeitraum von 1945 bis 1949 außerhalb des staatlichen Verantwortungsbereichs entschädigungslos entzogenen Eigentums. | ||
LB 2) Abweichende Meinung der Richterin Lübbe-Wolff siehe BVerfGE_112,44 = www.BVerfG.de Abs.151 ff. | ||
§§§ |
04.050 | Steuerberaterwerbung | |
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1) Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Klagebefugnis von Steuerberaterkammern nach § 13 Abs.2 UWG wegen einer Verletzung von Berufspflichten, die zugleich wettbewerbswidrig ist. | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel: | |
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T-04-20 | Verletzung von Berufspflichten | |
"Mit seiner Entscheidung im UWG-Verfahren auf die Klage einer Steuerberaterkammer greift das Oberlandesgericht in die Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführerin ein. Dieses Urteil steht mit Art.12 Abs.1 Satz 2 GG in Einklang, soweit das Oberlandesgericht der Steuerberaterkammer gemäß § 13 Abs.2 Nr.2 UWG die Befugnis zuerkannt hat, einen Unterlassungsanspruch wegen einer Verletzung von Berufspflichten geltend zu machen, die zugleich wettbewerbswidrig ist. Die Bewertung der Straßenbahnwerbung als unlauter verletzt hingegen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art.12 Abs.1 Satz 1 GG. | ||
1. Spricht ein Zivilgericht der Steuerberaterkammer das Recht zu, ein Verfahren nach dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb einzuleiten, konkretisiert es deren Befugnis zur Überwachung der Berufspflichten der Mitglieder, die in § 76 Abs.2 Nr.4 StBerG geregelt ist. Dadurch wird die materielle Überwachungsbefugnis nicht ausgeweitet, wohl aber das Mittel einer Unterlassungsklage zur Durchsetzung der Berufspflichten eröffnet. | ||
Es weist der Kammer einen Weg der Aufgabenerfüllung zu, der im Steuerberatungsgesetz nicht ausdrücklich angesprochen ist. Das zivilprozessuale Mittel der Unterlassungsklage ist von anderen Voraussetzungen abhängig und hat andere Belastungen zur Folge als die öffentlichrechtlichen Aufsichtsmaßnahmen der Kammern, die das Steuerberatungsgesetz vorsieht (vgl die Gegenüberstellung in BGH, NJW 2002, S.2039). Soweit das Oberlandesgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Steuerberaterkammer für befugt hält, gegen Wettbewerbsverstöße ihrer Kammermitglieder mit den Mitteln des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vorzugehen und solche Verstöße im Klagewege vor den Zivilgerichten zu verfolgen, bedarf es daher in zweifacher Hinsicht einer gesetzlichen Legitimation. Die Auslegung betrifft einerseits den Aufgabenkreis einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und eröffnet andererseits den Weg zu einer von den Wirkungen der spezifischen Aufsichtsmittel des Steuerberatungsgesetzes abweichenden Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit. | ||
a) Das Oberlandesgericht hat den Regelungen des Steuerberatungsgesetzes, insbesondere § 76 Abs.2 Nr.4 in Verbindung mit § 57 StBerG, entnommen, die Steuerberaterkammer habe darüber zu wachen, dass die Mitglieder ihre Verpflichtungen erfüllen, also nicht gegen sie betreffende berufsrechtliche Vorschriften verstoßen. Diese Aufgabenzuweisung versteht das Gericht in einem weiten Sinne mit der Folge, dass die Steuerberaterkammer zur Erfüllung ihrer Aufgabe nicht auf solche Mittel angewiesen und beschränkt ist, die im Steuerberatungsgesetz ausdrücklich genannt sind. Diese Auffassung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal § 76 Abs.2 StBerG die Befugnisse der Steuerberaterkammer nur beispielhaft aufzählt. Handlungsermächtigungen können sich daher auch aus anderen Bundesgesetzen, wie dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, ergeben, soweit der Bundesgesetzgeber für beide Materien die Gesetzgebungskompetenz hat. | ||
b) Allerdings sah auch § 13 UWG aF keine ausdrückliche Klagebefugnis für die Kammern vor, denen die freiberuflich Tätigen verpflichtend angehören. Lediglich zwei Kammern mit Pflichtmitgliedschaften hatte der Gesetzgeber in § 13 Abs.2 Nr.4 UWG aF gesondert aufgeführt. In Übereinstimmung mit der langjährigen zivilgerichtlichen Rechtsprechung hat das Oberlandesgericht deshalb die Antrags- und Klagebefugnis der allgemeinen Regelung in § 13 Abs.2 Nr.2 UWG aF entnommen und die Steuerberaterkammer als einen Verband verstanden, der die beruflichen Belange seiner Mitglieder zu wahren und zu fördern hat; das wird aus § 76 Abs.1 StBerG abgeleitet. Dieser Auffassung hat sich inzwischen der Bundesgesetzgeber angeschlossen, indem er in dem Gesetzestext "Verbände zur Förderung selbständiger beruflicher Interessen" aufgenommen hat (vgl § 8 Abs.3 Nr.2 UWG nF; vgl auch BTDrucks 15/1487, S.23, 33, 42). | ||
Die Auffassung des Oberlandesgerichts ist nicht zu beanstanden, wenngleich die Aufgaben der Kammern nicht in berufspolitischer Interessenvertretung bestehen, sondern in der Erfüllung der durch das Gesetz den Kammern in Selbstverwaltung zugewiesenen staatlichen Aufgaben (vgl. BTDrucks 6/3456, S.7 zu Nr.13a, 16 <§§ 34, 43 StBerG>). Daneben wurde den Kammern allerdings die Wahrung der Gesamtinteressen der in ihr zusammengeschlossenen Berufsangehörigen übertragen, die nach der Rechtsprechung Befugnisse im Wettbewerbsrecht einschließen kann (vgl insbesondere das Recht zur Stellung von Strafanträgen gegen Außenstehende: RGSt_35,267; 43, 44; 44, 348; BGHSt_2,396 <400>; vgl zu Wettbewerbsklagen gegen Dritte: BGH, GRUR 1980, S.855; GRUR 1981, S.596). ]8) 48 ]8[ Die Wettbewerbsklage gegen Kammermitglieder ist vom Bundesgerichtshof 1972 erstmals (vgl BGH, GRUR 1972, S. 607) und in den letzten Jahren vielfach für zulässig erachtet worden (vgl. die Nachweise in: BGH, NJW 2002, S.2039). Ausschlaggebend war vor allem die Überlegung, dass Verstöße gegen Berufspflichten häufig einen wettbewerblichen Bezug haben, weil sie andere Marktteilnehmer benachteiligen. Dies gilt vor allem für berufsrechtliche Regelungen, die die Außendarstellung betreffen; werden sie verletzt, können für rechtstreue Berufsangehörige Wettbewerbsnachteile entstehen. Die höhere Effizienz der Untersagungsverfügung, die verschuldensunabhängig und in einem vollstreckbaren Titel ausgesprochen wird, gibt nach dieser Rechtsprechung den Kammern ein Mittel an die Hand, das im Verhältnis zu Belehrung, Rüge oder Einleitu | ||
Die Wettbewerbsklage gegen Kammermitglieder ist vom Bundesgerichtshof 1972 erstmals (vgl BGH, GRUR 1972, S. 607) und in den letzten Jahren vielfach für zulässig erachtet worden (vgl. die Nachweise in: BGH, NJW 2002, S.2039). Ausschlaggebend war vor allem die Überlegung, dass Verstöße gegen Berufspflichten häufig einen wettbewerblichen Bezug haben, weil sie andere Marktteilnehmer benachteiligen. Dies gilt vor allem für berufsrechtliche Regelungen, die die Außendarstellung betreffen; werden sie verletzt, können für rechtstreue Berufsangehörige Wettbewerbsnachteile entstehen. Die höhere Effizienz der Untersagungsverfügung, die verschuldensunabhängig und in einem vollstreckbaren Titel ausgesprochen wird, gibt nach dieser Rechtsprechung den Kammern ein Mittel an die Hand, das im Verhältnis zu Belehrung, Rüge oder Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens besser und schneller wirkt. Andererseits werden dadurch die im Berufsrecht niedergelegten Rechte und Pflichten der Kammer und ihrer Mitglieder nicht verändert. Voraussetzung eines Anspruchs der Kammer auf Unterlassung im Rahmen des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb ist eine Verletzung der berufsrechtlichen Regeln, hier der §§ 57, 57a StBerG. Das Zivilgericht kann eine Unterlassungspflicht nur aussprechen, wenn auch diese Voraussetzung erfüllt wird. Diese Auslegung erweitert und verstärkt die Eingriffsmöglichkeiten der Kammern gegenüber ihren Mitgliedern. Sie dient aber der Wahrung der Gesamtinteressen des Kammerverbundes und hält sich damit in den Grenzen, die die Verfassung der Rechtsprechung bei der Normauslegung setzt. | ||
2. Bei der Anwendung auf den Einzelfall haben die Zivilgerichte jedoch die Vorgaben des Art.12 Abs.1 Satz 1 GG zu beachten, der Eingriffe in die Berufsausübung auf das Erforderliche begrenzt (vgl BVerfGE_106,181 <191 f.> ; vgl. zur Prüfpflicht der Zivilrichter: Ullmann, GRUR 2003, S.817 <822>). Dabei ist der Richter an dieselben Maßstäbe gebunden, die nach Art.12 Abs.1 GG den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers einschränken (vgl BVerfGE_54,224 <235>; BVerfGE_97,12 <27>). | ||
a) Solange der Gesetzgeber die Wettbewerbsklage nicht selbst in das im Steuerberatungsgesetz umschriebene Aufgabenfeld der öffentlichrechtlichen Kammer einfügt, müssen die Gerichte anhand des verfassungsrechtlichen Maßstabs auch darüber entscheiden, wann das Vorgehen im Zivilrechtsweg angemessen erscheint und nicht unverhältnismäßig in die Berufsausübungsfreiheit der eigenen Kammermitglieder eingreift. Dafür reicht es nicht zu prüfen, ob der berufsrechtliche Verstoß überhaupt Wettbewerbsbezug hat. Die Notwendigkeit eines Bezugs zum Wettbewerbsrecht folgt aus der materiellrechtlichen Schutzfunktion der Wettbewerbsvorschriften (vgl. BGH, NJW 2004, S.1099 <1100>; vgl auch Ullmann, a.a.O., S.821 f.) und erübrigt nicht die Verhältnismäßigkeitsprüfung, die Art.12 Abs.1 Satz 1 GG verlangt. | ||
Hinsichtlich der Klagebefugnis haben die Gerichte die der Auslegung zur Wahrung des Grundrechts der Berufsfreiheit gesetzte Grenze zu beachten, die es unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten erforderlich machen kann, das Vorgehen der Kammer auf die Mittel des Aufsichtsrechts nach dem Steuerberatungsgesetz zu beschränken; denn diese sind aus der Sicht der Berufsangehörigen milder, weil sie erst bei einem Verschulden des Kammermitglieds angewandt werden dürfen, also an strengere Voraussetzungen gebunden sind. Nach den in diesem Verfahren abgegebenen Stellungnahmen beachten die einzelnen Kammern der Rechtsanwälte und Steuerberater im Allgemeinen diese Abstufung auch und gehen deshalb regelmäßig nicht mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts gegen die eigenen Kammerangehörigen vor. | ||
b) Unter diesen Voraussetzungen erscheint die vom Oberlandesgericht vorgenommene ergänzende Gesetzesauslegung verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Kammern nehmen die Gesamtinteressen ihrer Mitglieder wahr. Dazu kann auch das Verfolgen von Verstößen gegen Berufspflichten gehören, die zugleich Wettbewerbsverstöße zur Folge haben. Den Kammerangehörigen muss insgesamt daran gelegen sein, dass sich die Berufsgruppe gesetzestreu verhält und das von der Bevölkerung in sie gesetzte Vertrauen verdient. Den Zivilgerichten kommt insoweit die Aufgabe zu, die Berufspflichten auf ihre Übereinstimmung mit dem ermächtigenden Gesetz und insbesondere mit der Verfassung zu prüfen. Die Kammern als Antragsteller können den Zivilgerichten diese Prüfpflicht nicht abnehmen. Die Rechtsauffassung der öffentlichrechtlichen Kammern über die Reichweite berufsrechtlicher Normen steht im Wettbewerbsprozess genauso zur richterlichen Nachprüfung wie im berufsgerichtlichen Verfahren (vgl beispielsweise BGH, NJW 2004, S.1099 <1100 f.>). | ||
3. Mit seiner Bewertung der Straßenbahnwerbung als berufs- und wettbewerbswidrig hat das Oberlandesgericht die ihm durch Art.12 Abs.1 Satz 1 GG gezogenen Schranken bei der Bewertung werblichen Verhaltens überschritten. | ||
Zwar hat das Oberlandesgericht zutreffend festgestellt, dass aus der Art des gewählten Werbeträgers noch nicht auf die Berufswidrigkeit der Werbung geschlossen werden kann (vgl. BVerfGE_94,372 <393>) und dass Werbung ein Verhalten ist, das planvoll darauf angelegt ist, andere dafür zu gewinnen, die Leistungen des Werbenden in Anspruch zu nehmen. Das Gericht erkennt aber letztlich nicht, dass Werbung mehr ist als - sachliche - Unterrichtung über Art und Ort einer beruflichen Tätigkeit und dass es gerade Zweck der Werbung ist, Kunden zu Lasten der Konkurrenz zu gewinnen (vgl BVerfGE_94,372 <399>). | ||
a) Werbung als Teil beruflicher Betätigung ist auch dem Steuerberater grundsätzlich erlaubt. Verboten und eingeschränkt werden kann sie nur, damit das Vertrauen der steuerlichen Rat suchenden Personen darauf erhalten bleibt, dass der Steuerberater seine Dienste nicht rein gewerblich und gewinnorientiert anbietet und seine Leistungen an den Interessen des Mandanten und nicht am eigenen wirtschaftlichen Vorteil ausrichtet. | ||
Das Verbot berufswidriger Werbung steht nur in einem losen Zusammenhang mit den eigentlichen Berufspflichten, die das Vertrauensverhältnis zwischen Steuerberater und Mandanten formen (vgl BVerfGE_85,248 <261> ). Als wesentliche Grundlage des zur Wahrung der Gemeinwohlbelange essentiellen Vertrauensverhältnisses nennt § 57 StBerG insbesondere die unabhängige, eigenverantwortliche, gewissenhafte und verschwiegene Aufgabenerfüllung. Diese wird durch Werbung als solche nicht beeinträchtigt. Das Verbot berufswidriger Werbung rundet den Pflichtenkanon lediglich ab, indem auch ein unangemessenes, also berufswidriges Verhalten im Sektor der Außendarstellung untersagt werden kann. Als berufswidrig kann Werbung von der Kammer unterbunden werden, wenn das Verhalten für die betroffenen Verkehrskreise den Rückschluss nahe legt, der mit diesen Mitteln und auf diese Art Werbende werde nicht die Gewähr dafür bieten, aus Rücksicht auf die Steuerrechtspflege und die Interessen seiner Mandanten das persönliche Gewinnstreben hintanzustellen. | ||
Welche Werbeformen als sachlich oder als übertrieben bewertet werden, unterliegt zeitbedingten Veränderungen. Allein aus dem Umstand, dass eine Berufsgruppe ihre Werbung anders als bisher üblich gestaltet, kann nicht gefolgert werden, dass dies berufswidrig wäre (vgl BVerfGE_94,372 <395, 398 f.>). Der einzelne Berufsangehörige hat es in der Hand, in welcher Weise er sich für die interessierte Öffentlichkeit darstellt, solange er sich in den durch schützenswerte Gemeinwohlbelange gezogenen Schranken hält. Selbstdarstellungen, die den interessierten Personenkreis positiv ansprechen, sind nicht von vornherein unzulässig (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 2000, S.3195). Das Sachlichkeitsgebot verlangt nicht, sich auf die Mitteilung nüchterner Fakten zu beschränken (vgl BGH, NJW 2004, S.440 <442 f.>). Auch Informationen über die Art der beabsichtigten Zusammenarbeit zwischen dem Freiberufler und seinem Mandanten oder über die Atmosphäre, die bei der Erbringung der Dienstleistungen angestrebt wird (vgl BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 2003, S.3472), können aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise von Interesse sein. Solche werbenden Aussagen befriedigen ein legitimes Informationsbedürfnis der Nachfrager. Entsprechen Form und Inhalt der Selbstdarstellung in der Werbung den beruflichen Aufgaben und enthält die Werbung im Wesentlichen berufsbezogene Aussagen, kann sie nicht als berufswidrig eingestuft werden. | ||
b) Diesen Grundsätzen wird die angegriffene Entscheidung insgesamt nicht gerecht. | ||
Wenn das Oberlandesgericht im Rahmen einer wettbewerbsrechtlichen Streitigkeit auf Antrag einer Steuerberaterkammer die Pflichtwidrigkeit von Werbung überprüft, hat es sich an den im Steuerberatungsgesetz konkretisierten Voraussetzungen der Berufswidrigkeit des Verhaltens auszurichten. Es kann Werbung nur als wettbewerbswidrig beanstanden, wenn sie den in den §§ 57, 57 a StBerG normierten Anforderungen widerspricht. Dabei muss die Beurteilung, ob das Gebot der Sachlichkeit gewahrt ist, an die Art der betroffenen Berufsausübung anknüpfen. Die bloße Behauptung, etwas sei reklamehaft, genügt den Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit der Bewertung eines Verhaltens als unsachlich nicht. | ||
Die angegriffene Entscheidung erklärt zwar einerseits Werbung auf einer Straßenbahn für zulässig, verlangt aber andererseits, dass dieses Medium nicht in der ihm entsprechenden Weise genutzt wird. Das wäre der Fall, wenn die auf der Straßenbahn angebrachte Werbung "kleiner als Plakatgröße" ausfiele. Aus diesem Hinweis des Oberlandesgerichts geht hervor, dass nach seiner Auffassung die Steuerberater zwar auf einer Straßenbahn werben dürfen, aber die Werbung schon ihrer Art nach von üblicher Straßenbahnwerbung verschieden gestaltet werden müsste. Diese Argumentation ist weder in sich stimmig noch vor Art.12 Abs.1 GG zu rechtfertigen. Sie schränkt die grundsätzlich eröffneten Möglichkeiten der Präsentation ein, ohne einen Bezug zu den hiermit verbundenen Gefährdungen für das berufliche Verhalten und das Bild der Berufsangehörigen in der Öffentlichkeit herzustellen. | ||
Eine solche Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit ist unverhältnismäßig und lässt sich auch nicht mit dem Inhalt der Werbeaussage begründen. Der neben Logo und Anschrift angebrachte Zusatz "Ihr Partner in Sachen Steuer- und Wirtschaftsberatung" kann unter keinem Gesichtspunkt als reklamehafte Anpreisung gewertet werden. Mit ihm informiert die Beschwerdeführerin über die Art und Weise, wie sie ihre Dienstleistungen zu erbringen gedenkt. Diese Absicht ist für Mandanten nicht ohne Interesse und kennzeichnet die beabsichtigte Berufsausübung als partnerschaftlich; das aber steht mit den Berufspflichten des Steuerberatungsgesetzes in Einklang. Weshalb von dieser knappen, wenngleich durch das gewählte Medium auffälligen Präsentation eine unlautere Störung des Wettbewerbs auf dem Markt ausgehen sollte, wird in der angegriffenen Entscheidung auch nicht mehr thematisiert. | ||
Auszug aus BVerfG B, 26.10.04, - 1_BvR_981/00 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.41 ff | ||
§§§ |
04.051 | Opferentschädigungsgesetz | |
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1) Es ist durch das verfassungsprozessuale Gebot der Erschöpfung des Rechtsweges (§ 90 Abs.2 Satz 1 BVerfGG) nicht gefordert, dass der Beschwerdeführer von Beginn des fachgerichtlichen Verfahrens an verfassungsrechtliche Erwägungen und Bedenken vorträgt. Etwas anderes kann gelten, soweit der Ausgang des Verfahrens von der Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift abhängt, eine bestimmte Normauslegung angestrebt wird, die ohne verfassungsrechtliche Erwägungen nicht begründbar ist, oder der Antrag auf Zulassung eines Rechtsmittels oder das Rechtsmittel selbst auf die Verletzung von Verfassungsrecht zu stützen ist. | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel:
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§§§ |
04.052 | Landeskinderklausel | |
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1) Art.7 Abs.4 GG verpflichtet den Staat nur dann zur finanziellen Förderung privater Ersatzschulen, wenn ohne eine solche Förderung der Bestand des Ersatzschulwesens als Institution evident gefährdet wäre (Fortführung von BVerfGE_75,40; BVerfGE_90,107). | ||
2) Es ist mit dem Grundgesetz grundsätzlich vereinbar, bei der Bemessung der wirtschaftlichen Hilfe, welche die Länder privaten Ersatzschulen gewähren, nur die Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen, die ihre Wohnung oder Hauptwohnung im Sitzland der Ersatzschule haben. | ||
3) Die Landeskinderklausel des § 17 Abs.4 Satz 1 des bremischen Privatschulgesetzes ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel:
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04.053 | Auslieferung | |
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LB: Erfolgreicher Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung in einem Auslieferungsverfahrens. | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel:
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T-04-21 | Einstweilige Anordnung | |
"Nach § 32 Abs.1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln. Dabei müssen die Gründe, welche für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme sprechen, außer Betracht bleiben, es sei denn, die Hauptsache erwiese sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch nur begründet, wenn eine vorläufige Regelung zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum allgemeinen Wohl dringend geboten ist (vgl Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 25.Juli 2003 - 2 BvR 1198/03 -, NJW 2003, S.2598 f, mwN, stRspr). | ||
2. Die Verfassungsbeschwerde ist weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. | ||
Im Hauptsacheverfahren ist die Frage zu klären, ob die angegriffene Entscheidung und damit mittelbar das ihr zu Grunde liegende Gesetz über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG - (BGBl 1994 I S. 1537) in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 21. Juli 2004 (BGBl I S. 1748) gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere die in Art.16 Abs.2 GG gewährleisteten unverzichtbaren Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats verstößt. | ||
3. Die damit gebotene Folgenabwägung führt zum Erlass der im Entscheidungsausspruch näher bezeichneten einstweiligen Anordnung. Erginge die einstweilige Anordnung nicht, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde später aber als begründet, so entstünden dem Beschwerdeführer durch die Übergabe an die spanischen Justizbehörden erhebliche und möglicherweise nicht wiedergutzumachende Nachteile. Die Verzögerung der Übergabe des Beschwerdeführers wiegt demgegenüber weniger schwer. Es ist nicht erkennbar, dass das Königreich Spanien bei der Durchsetzung seines Strafverfolgungsanspruchs oder die Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf ihre rechtlichen Verpflichtungen bereits durch die Verzögerung der Auslieferung unwiederbringliche Rechtsnachteile erlitten." | ||
Wegen der besonderen Dringlichkeit, die sich daraus ergibt, dass der Beschwerdeführer am 24.November 2004 den spanischen Behörden übergeben werden soll, ergeht diese einstweilige Anordnung ohne vorherige Gelegenheit zur Stellungnahme (§ 32 Abs.2 Satz 2 BVerfGG)." | ||
Auszug aus BVerfG B, 24.11.04, - 2_BvR_2236/06 -, www.BVerfG.de, Abs.5 ff | ||
§§§ |
04.054 | Stiftung "Erinnerung" | |
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Zur Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses von Ansprüchen durch das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft". | ||
LB 2) Der Eigentumsschutz im Bereich des Privatrechts betrifft grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf (vgl BVerfGE_83,201 <209>; BVerfGE_101,239 <258>) | ||
LB 3) Bei den Ansprüchen der Beschwerdeführer, die diese auf Grund der Zwangsarbeit für die Beklagte erlangt haben, handelt es sich um derartige schuldrechtliche Ansprüche auf delikts- und bereicherungsrechtlicher Grundlage. | ||
LB 4) Der Eigentumsschutz jedenfalls der bereicherungsrechtlichen Ansprüche scheitert nicht an ihrer Verjährung. | ||
LB 5) Der das Eigentum nach Art.14 Abs.1 Satz 2 GG ausgestaltende Gesetzgeber hat mit den angegriffenen Vorschriften des Stiftungsgesetzes eine auf einen gerechten Interessenausgleich zielende Gesamtregelung vorgenommen. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. | ||
LB 6) Die Bestimmungen des Stiftungsgesetzes genügen auch hinsichtlich der konkreten Vorkehrungen den nach Art.14 Abs.1 GG an einen gerechten Interessenausgleich zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen. | ||
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T-04-22 | Stiftungsgesetz | |
"Die angegriffenen Entscheidungen und die ihnen zu Grunde liegenden Vorschriften verletzen die Beschwerdeführer nicht in ihrem Grundrecht aus Art.14 Abs.1 GG. | ||
1. Allerdings werden Ansprüche der Beschwerdeführer von der Eigentumsgarantie des Art.14 Abs.1 Satz 1 GG erfasst. | ||
a) Der Eigentumsschutz im Bereich des Privatrechts betrifft grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf (vgl BVerfGE_83,201 <209>; BVerfGE_101,239 <258>; BVerfG, 1.Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 25.April 2001 - 1 BvR 132/01 -, NJW 2001, S.2159 <2159>). Damit schützt die Eigentumsgarantie nicht nur dingliche oder sonstige gegenüber jedermann wirkende Rechtspositionen, sondern auch schuldrechtliche Forderungen (vgl BVerfGE_42,263 <293>; BVerfGE_45,142 <179>; BVerfGE_83,201 <208>). Die der Gewährleistung des Eigentums zukommende sichernde und abwehrende Bedeutung gilt in besonderem Maße für schuldrechtliche Ansprüche, die den Charakter eines Äquivalents für Einbußen an Lebenstüchtigkeit besitzen (vgl BVerfGE_42,263 <293>). 47 | ||
b) Bei den Ansprüchen der Beschwerdeführer, die diese auf Grund der Zwangsarbeit für die Beklagte erlangt haben, handelt es sich um derartige schuldrechtliche Ansprüche auf delikts- und bereicherungsrechtlicher Grundlage. | ||
Die Beschwerdeführer wurden in dem Betrieb der Beklagten versklavt und unter Bedingungen zur Arbeit gezwungen, die, wären die Beschwerdeführer nicht befreit worden, ihren sicheren Tod bedeutet hätten. Dadurch sind sie - wie das Oberlandesgericht festgestellt hat - Opfer unerlaubter Handlungen geworden, die der Beklagten zuzurechnen sind und die Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld bewirken. Durch die erzwungenen Arbeitsleistungen ist die Beklagte ferner ungerechtfertigt bereichert worden; dementsprechend hat das Oberlandesgericht auch bereicherungsrechtliche Ansprüche bejaht. | ||
c) Der Eigentumsschutz jedenfalls der bereicherungsrechtlichen Ansprüche scheitert nicht an ihrer Verjährung. | ||
Hinsichtlich der Auslegung und Anwendung einfachen Rechts - hier der Verjährungsvorschriften - ist das Bundesverfassungsgericht an die fachgerichtliche Entscheidung gebunden, soweit nicht Fehler erkennbar sind, die - abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung und Reichweite eines Grundrechts beruhen (vgl allgemein BVerfGE_18,85 <93, 96>; stRspr). Das Oberlandesgericht hat die Verjährung der bereicherungsrechtlichen Ansprüche verneint; der Bundesgerichtshof hat an dieser Rechtsauffassung zwar Zweifel geäußert, die Frage aber mangels Entscheidungserheblichkeit nicht weiter verfolgt. Für die verfassungsgerichtliche Prüfung ist daher die Entscheidung des Oberlandesgerichts maßgeblich, die ihrerseits verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Danach sind jedenfalls bereicherungsrechtliche Ansprüche nicht verjährt. Ihr Ausschluss durch das Stiftungsgesetz beeinträchtigt daher Eigentum. | ||
Die Frage, ob die vom Oberlandesgericht angenommene Verjährung der Schadensersatzansprüche angesichts der besonderen Umstände ihrer Entstehung, der verzögerten Regelung einer Entschädigung in der Nachkriegszeit sowie der praktischen Schwierigkeiten ihrer Geltendmachung mit Verfassungsrecht vereinbar ist, kann offen bleiben, da jedenfalls den bereicherungsrechtlichen Ansprüchen die Einrede der Verjährung nicht entgegenzuhalten ist. Allerdings können auch die unverjährten Ansprüche der Beschwerdeführer infolge der Regelungen des Stiftungsgesetzes nicht mehr geltend gemacht werden. | ||
2. Der das Eigentum nach Art.14 Abs.1 Satz 2 GG ausgestaltende Gesetzgeber hat mit den angegriffenen Vorschriften des Stiftungsgesetzes eine auf einen gerechten Interessenausgleich zielende Gesamtregelung vorgenommen. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. | ||
a) Die im Stiftungsgesetz enthaltenen Regelungen über die Anspruchsberechtigung von Zwangsarbeitern sind nicht an den Maßstäben des Art.14 Abs.3 GG für Enteignungen zu messen. Eine Enteignung setzt den Entzug konkreter Rechtspositionen voraus; aber nicht jeder Entzug ist eine Enteignung im Sinne dieser Vorschrift. Ihrem Zweck nach ist die Enteignung auf die Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet. Ist jedoch mit dem Entzug bestehender Rechtspositionen der Ausgleich privater Interessen beabsichtigt, handelt es sich um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums (vgl BVerfGE_101,239 <259>; BVerfGE_104,1 <10>). | ||
Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, ist nach Art.14 Abs.1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers (vgl BVerfGE_95,48 <58>), der dabei jedoch keine unbeschränkte Gestaltungsfreiheit genießt. Er ist insbesondere verpflichtet, die Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung steht mit der verfassungsrechtlichen Vorstellung eines sozial gebundenen Privateigentums nicht in Einklang (vgl BVerfGE_101,239 <259>; BVerfGE_104,1 <10 f>; stRspr). | ||
b) Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt ausgesprochen, dass sich die Frage, wie weit der Gesetzgeber Inhalt und Schranken einer unter die Eigentumsgarantie fallenden Position bestimmen darf, nicht unabhängig davon beantworten lässt, aus welchen Gründen der Eigentümer eine solche Position erworben hat und ob sie durch einen personalen oder einen sozialen Bezug geprägt ist (vgl BVerfGE_53,257 <292>; BVerfGE_102,1 <17>; stRspr). Die Ansprüche der Beschwerdeführer beruhen auf erlittenem Unrecht, das in dem deutsch-amerikanischen Regierungsabkommen über die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" als Sklavenarbeit gekennzeichnet wird. Die Beschwerdeführer mussten unter Bedingungen arbeiten, die sogar im Vergleich zu den schrecklichen Arbeitsumständen vieler anderer Zwangsarbeitergruppen besonders grausam und in unvorstellbarer Weise unmenschlich waren. Wenn der durch diese Tätigkeit Begünstigte die erlangten Vorteile herauszugeben oder Schadensersatz zu zahlen hat, beruht der Anspruch auf Leistungen des ausgebeuteten Opfers und erlittenen Qualen. Ein stärkerer personaler Bezug der Eigentumsposition als der des Ausgleichsanspruchs von Menschen, die buchstäblich um ihr Leben arbeiten mussten, ist kaum vorstellbar. | ||
c) Die Grenzen der damit umrissenen Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers sind nicht für alle Sachbereiche gleich. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers wird insbesondere durch die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse beeinflusst, in denen Inhalt und Schranke des Eigentums bestimmt werden (vgl BVerfGE_101,54 <76> ). Vorliegend ist bedeutsam, dass die angegriffene Regelung Teil eines nach langwierigen Verhandlungen unter Beteiligung von Vertretern der Opfer nationalsozialistischen Unrechts und der Regierungen verschiedener ausländischer Staaten getroffenen Kompromisses ist, mit dem die an ihm Beteiligten sich um einen angemessenen Interessenausgleich bemüht haben. Der Gesetzgeber durfte der Einschätzung der Beteiligten folgen, dass dies insgesamt auch gelungen ist. | ||
aa) Im Zusammenhang mit der Wiedergutmachung sowie der Bewältigung der Kriegs- und Kriegsfolgenschäden hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt die Weite des Einschätzungs- und Gestaltungsraums des Gesetzgebers betont (vgl BVerfGE_13,31 <36>; BVerfGE_13,39 <42 f>; BVerfGE_27,253 <284 f>; BVerfGE_102,254 <298> ). Diese Rechtsprechung betraf zwar in erster Linie Regelungen im öffentlichen Interesse, während es hier zumindest formal um Ansprüche von Privaten gegen Private geht. In der Sache aber war ein Problem von erheblichem öffentlichen Interesse zu lösen. Dies folgte nicht nur daraus, dass die Ausbeutung der Zwangsarbeiter durch Unternehmen wie das der Beklagten staatlich ermöglicht und organisiert war, sondern auch aus der in der Präambel des Stiftungsgesetzes betonten politischen und moralischen Verantwortung für die Opfer des Nationalsozialismus und für ihre Entschädigung. | ||
Die Bundesregierung und der Gesetzgeber des Jahres 2000 hatten mit der ungelösten Frage der Zwangsarbeiterentschädigung ein Problem zu bewältigen, dessen Regelung frühere Bundesregierungen stets aufgeschoben hatten. Seit der Beendigung des Zweiten Weltkrieges waren 55 Jahre vergangen, und infolge der Wiedervereinigung und der sie begleitenden politischen Veränderungen in Europa bestand ein dringendes Bedürfnis, jetzt endlich auch einen Weg zur möglichst abschließenden vermögensrechtlichen Bewältigung dieser Folgen des nationalsozialistischen Unrechts zu finden. | ||
Die Errichtung der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" stellte eine späte entschädigungsrechtliche Anerkennung des den Zwangsarbeitern zugefügten Unrechts dar. Die vorgesehenen Zahlungen sollten Finanzwert und Symbolwert haben. Die Entschädigung sollte dabei auch denjenigen zugute kommen, die auf Grund ihres hohen Alters, ihrer angegriffenen Gesundheit oder wegen ihrer durch die Ausbeutung als Zwangsarbeiter erfolgten Traumatisierung vor kostspieligen und aufwendigen Prozessen mit ungewissem Ausgang zurückgeschreckt wären. Ferner sollte denjenigen, die zur klagweisen Durchsetzung von Ansprüchen bereit waren, deren Durchsetzung insgesamt oder jedenfalls zu Lebzeiten der Geschädigten aber ungewiss war, ein langwieriger Rechtsstreit erspart werden. Hinzu kommt, dass die große Mehrheit der überlebenden ehemaligen Zwangsarbeiter ohnehin mittlerweile verstorben war. Die noch Lebenden waren überwiegend sehr alt. Sollte eine Entschädigung sie alle oder doch möglichst viele von ihnen noch erreichen, musste die Auszahlung so schnell wie möglich erfolgen. | ||
Deshalb durfte der Gesetzgeber es für geboten halten, nicht zunächst alle noch streitigen Rechtsfragen zu klären, sondern eine pauschale Regelung ohne Ansehung der konkreten Umstände und ohne Prüfung grundsätzlicher Einwände gegen das Bestehen durchsetzbarer Ansprüche und unter erleichtertem Nachweis einer Berechtigung im Einzelfall zu treffen. Insbesondere sollte es unerheblich sein, ob die Ansprüche ehemaliger Zwangsarbeiter gegen die Unternehmen, bei denen sie eingesetzt waren, - wie von der Rechtsprechung angenommen - verjährt waren oder ob zumindest einzelne Forderungen noch geltend gemacht werden konnten (zur Rechtsprechung siehe außer dem Bundesgerichtshof im Ausgangsverfahren - NJW 2003, S.2912 <2913> - auch OLG Koblenz, OLGR Koblenz 2001, S.30; OLG Hamm, NJW 2000, S.3577 <3579>; OLG Stuttgart, NJW 2000, S.2680 <2681 ff>; KG, KGR Berlin 2000, S.257; LG Berlin, NJW 2000, S.1958 f; LG Hamburg, NJW 1999, S.2825). | ||
bb) Bei seinem Bemühen, den ohnehin zu lange hinausgezögerten Ausgleich für das erlittene Unrecht jetzt vorzunehmen, durfte der Gesetzgeber eine derartige Gesamtlösung anstreben. Insbesondere durfte er berücksichtigen, dass der Inhalt des zu erlassenden Gesetzes weitestgehend durch die Einigung vorgegeben war, die zwischen der Bundesregierung, der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, Israels sowie mehrerer mittel- und osteuropäischer Staaten, ferner der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, der Claims Conference sowie der Rechtsanwälte einer großen Anzahl ehemaliger Zwangsarbeiter erreicht worden war. Die getroffene Regelung wäre nicht zustande gekommen, wenn diese Beteiligten nicht davon überzeugt gewesen wären, dass die schließlich gefundene Konstruktion angesichts der vielen Unsicherheiten auch für die ehemaligen Zwangsarbeiter eine angemessene Lösung schaffen würde. Der Gesetzgeber durfte dementsprechend den Weg der Verhandlung und der gemeinsamen Suche nach einem Kompromiss begehen und auf diese Weise auch durch das gewählte Verfahren sichern, dass eine die beteiligten Interessen vertretbar ausgleichende Lösung gefunden wird. | ||
Die getroffene Einigung wird in der Anlage A des deutsch-amerikanischen Regierungsabkommens umgesetzt. Dort findet sich eine detaillierte Darstellung der Grundsätze für die Arbeit der Stiftung und das den Interessenausgleich verwirklichende Stiftungsgesetz. Der Gesetzgeber durfte auch die zugehörigen Einzelregelungen als untrennbaren Bestandteil der gesamten, auf eine endgültige rechtliche Problembewältigung ausgerichteten Verhandlungslösung ansehen. | ||
3. Die Bestimmungen des Stiftungsgesetzes genügen auch hinsichtlich der konkreten Vorkehrungen den nach Art.14 Abs.1 GG an einen gerechten Interessenausgleich zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen. | ||
a) Das Gesetz bezweckt zum einen gemäß seinem § 2 Abs.1, "Finanzmittel zur Gewährung von Leistungen an ehemalige Zwangsarbeiter und von anderem Unrecht aus der Zeit des Nationalsozialismus Betroffene bereitzustellen", zum anderen ausweislich der Präambel, "ein ausreichendes Maß an Rechtssicherheit deutscher Unternehmen und der Bundesrepublik Deutschland insbesondere in den Vereinigten Staaten von Amerika" zu bewirken. Beide Ziele sind verfassungsrechtlich bedenkenfrei. Auch dem Ziel des Schutzes von Unternehmen vor Inanspruchnahme in möglicherweise existenzgefährdender Höhe kann die verfassungsrechtliche Legitimität nicht abgesprochen werden, zumal die heutigen Inhaber und Beschäftigten der Unternehmen in aller Regel nicht persönlich für die Ausbeutung der Zwangsarbeiter während des Zweiten Weltkrieges verantwortlich sein dürften. | ||
Den Ausgleich zwischen den Interessen der ehemaligen Zwangsarbeiter einerseits und der Unternehmen andererseits versucht das Gesetz durch eine Konstruktion zu erreichen, die zur Umformung etwaiger Ansprüche gegen deutsche Unternehmen in solche gegen die Stiftung führt. Dabei diente das vom Bundesverfassungsgericht gebilligte Contergan-Stiftungsgesetz (vgl BVerfGE_42,263 ) als Modell. Zahlreiche - wenn auch keineswegs alle - deutsche Unternehmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt hatten, haben sich zu freiwilligen Zahlungen an die Stiftung verpflichtet. | ||
b) Die von den Beschwerdeführern vor allem angegriffene Bestimmung des § 16 Abs.1 Satz 2 EVZStiftG beeinträchtigt zwar das Eigentumsrecht der Beschwerdeführer, ist aber im Rahmen des Gesamtausgleichs nicht unangemessen. | ||
§ 16 Abs.1 Satz 1 EVZStiftG sieht vor, dass Leistungen aus Mitteln der öffentlichen Hand für erlittenes nationalsozialistisches Unrecht im Sinne von § 11 des Gesetzes nur nach diesem Gesetz beantragt werden können. § 16 Abs.1 Satz 2 EVZStiftG schließt weiter gehende Ansprüche, also auch Bereicherungs- und Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte, aus. | ||
aa) Soweit ehemaligen Zwangsarbeitern Ansprüche gegen Unternehmen zustehen, werden diese Ansprüche durch das Gesetz zwar entzogen, zugleich aber in - gegebenenfalls niedrigere - Ansprüche gegen die Stiftung umgeformt. Die nach § 11 EVZStiftG Leistungsberechtigten erhalten Ansprüche gegen die Stiftung in einer Höhe bis zu 15.000 DM, während mögliche weiter gehende Ansprüche gegen die Bundesrepublik sowie gegen deutsche Unternehmen im Zusammenhang mit Zwangsarbeit unter dem NS-Regime ausgeschlossen werden (§ 16 Abs.1 EVZStiftG). Zudem erhalten die Leistungsberechtigten Zahlungen nur gegen eine entsprechende Verzichtserklärung (§ 16 Abs.2 EVZStiftG). Diese Regelung ist auch anwendbar, wenn die nach § 11 EVZStiftG zustehenden Beträge erheblich geringer sind als diejenigen, die im Zuge einer auf Entschädigung oder Bereicherungsausgleich gerichteten Klage erreichbar wären. | ||
bb) Eine solche Beeinträchtigung einer eigentumsrechtlich geschützten Position der Zwangsarbeiter ist nur im Rahmen der einverständlich gefundenen Gesamtregelung und unter Berücksichtigung des Umstands zu rechtfertigen, dass die Regelung den Betroffenen neben den unzweifelhaften Nachteilen auch Vorteile bringt. So führt sie zu Verbesserungen für die Rechtsposition der Gesamtheit der etwa 1,7 Millionen noch lebenden früheren Zwangsarbeiter und trägt den erheblichen Unsicherheiten Rechnung, unter denen die Durchsetzung der Ansprüche steht. Insbesondere erspart sie langwierige rechtliche Auseinandersetzungen und verbessert daher die Chance, dass die Geschädigten Zahlungen noch zu Lebzeiten erhalten. Auch wird sichergestellt, dass die Verwirklichung der Zahlungsansprüche nicht von Zufälligkeiten abhängt. So erhalten Zwangsarbeiter, die für heute nicht mehr bestehende oder insolvente Unternehmen arbeiten mussten, die gleichen Leistungen wie diejenigen, die für heute noch bestehende Unternehmen gearbeitet haben. | ||
Wie das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Entscheidung zu dem Gesetz über die Errichtung einer Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" (BVerfGE_42,263 - Contergan) hervorgehoben hat, bleibt der Einzelne, nachdem die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft von Geschädigten seinen Anspruch erst realisierbar gemacht hat, als Forderungsinhaber Mitglied der Schicksalsgemeinschaft der Geschädigten und kann sich dem nicht durch Berufung auf die Eigenständigkeit des erworbenen Anspruchs entziehen. Ihn trifft eine - begrenzte - Pflicht, eine Neuordnung der Berechtigung hinzunehmen, die auf eine Stärkung der Rechtsposition aller zielt (vgl BVerfGE_42,263 <301 f>). Anders als die Beschwerdeführer meinen, ist damit gerade nicht die Verbesserung der Rechtsposition jedes Einzelnen gefordert. Vielmehr müssen, soweit für Einzelne punktuell gewisse Nachteile auftreten, diese gegen die insgesamt erzielten Vorteile abgewogen werden (vgl BVerfGE_42,263 <302>). | ||
Die Beschwerdeführer haben ihr Los mit den übrigen Sklaven- und Zwangsarbeitern geteilt. Die Versuche einzelner Opfer in den Nachkriegsjahrzehnten, Entschädigung für Zwangsarbeit vor deutschen Gerichten zu erstreiten, sind erfolglos geblieben; es ist nur ein Fall bekannt, in dem einem ehemaligen Zwangsarbeiter rechtskräftig der geringfügige Betrag von 177,80 DM zugesprochen wurde (vgl Ferencz, Lohn des Grauens, 1981, S.214 bis 216). Erst die in den Vereinigten Staaten von Amerika erhobenen Sammelklagen und die vielen in der Bundesrepublik anhängig gemachten Klagen haben die Bereitschaft der deutschen Wirtschaft zu substantiellen Leistungen im Rahmen der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft entstehen lassen. Insbesondere der Druck der Gemeinschaft der Geschädigten hat bewirkt, dass es zu den Verhandlungen gekommen ist, an deren Ende ein weitaus größerer Betrag zur Verfügung gestellt wurde, als ursprünglich von deutscher Seite vorgesehen war. Zunächst war von Seiten der Wirtschaft nämlich nur an ein Stiftungsvolumen von 1,7 Milliarden DM gedacht (vgl Eizenstat, Unvollkommene Gerechtigkeit, 2003, S.279). Erst durch die nach schwierigen und langwierigen Verhandlungen vereinbarte Stiftungslösung ist es möglich geworden, innerhalb kurzer Zeit der Gesamtheit aller noch lebenden ehemaligen Zwangsarbeiter eine (wenn auch nicht als solche bezeichnete) Entschädigung zukommen zu lassen. | ||
cc) Ohne die Einrichtung der Stiftung hätte, wenn überhaupt, nur ein äußerst geringer Bruchteil der früheren Zwangsarbeiter die an sich bestehenden Ansprüche tatsächlich durchsetzen können. Gemessen an der Gesamtzahl der noch lebenden Opfer hatte nur ein kleiner Teil in Deutschland, den Vereinigten Staaten von Amerika oder anderen Ländern Entschädigungsklagen erhoben. Die Erfolgsaussichten solcher Klagen waren zweifelhaft. In Deutschland stand einem Erfolg die Rechtsprechung insbesondere des Bundesgerichtshofs zur Verjährung der Ansprüche der ehemaligen Zwangsarbeiter entgegen. Ob es gelungen wäre, eine Änderung dieser Rechtsprechung herbeizuführen, ist offen. Angesichts ihres durchweg hohen Alters hätten viele Geschädigte einen erfolgreichen Ausgang eines jahrelangen Rechtsstreits wohl nicht mehr erlebt. | ||
dd) Allerdings ist die durch die Stiftung bewirkte Belastung der deutschen Wirtschaft, gemessen an dem den Zwangsarbeitern zugefügten Unrecht und an den den Unternehmen zugeflossenen Vorteilen, gering. Auch kommen Unternehmen in den Genuss der Regelung, die eine Zahlung an die Stiftung verweigert haben, obwohl auch sie früher Zwangsarbeiter beschäftigt hatten. Sie werden ohne eigenen Beitrag zum Stiftungsvermögen von Ersatzansprüchen der von ihnen ausgebeuteten Zwangsarbeiter freigestellt. Stattdessen hat der Bund in Gestalt der gezahlten 5 Milliarden DM sowie infolge der steuerlichen Abzugsfähigkeit der von der Wirtschaft bereitgestellten Mittel in Form von Steuermindereinnahmen von etwa 2,5 Milliarden DM einen wesentlichen Teil der Stiftungslasten selbst getragen, um eine endgültige und schnelle Lösung erreichen zu können, die auf Rechtsstreitigkeiten mit den nicht beteiligten Unternehmen verzichtet. Da es um Leistungen an die geschädigten Zwangsarbeiter, nicht aber um eine Sanktion gegen Unternehmen ging, wird die gewählte Lösung nicht dadurch zu einer verfassungsrechtlich unangemessenen, dass der Staat den größten Anteil an Lasten übernommen hat. | ||
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die gewählte Lösung dem weiteren Zweck des Stiftungsgesetzes dient, Rechtssicherheit für die deutsche Wirtschaft insgesamt zu erreichen. Diese war, soweit überhaupt durch Vereinbarungen auf Regierungsebene möglich, nur durch eine Freistellung auch der nicht zur Stiftung beitragenden Unternehmen zu erreichen. Die Bundesrepublik wollte vermeiden, dass insbesondere in den Vereinigten Staaten von Amerika die öffentliche Debatte über die Zwangsarbeit für deutsche Unternehmen fortgeführt wurde - und dies auch zum Nachteil solcher Unternehmen, die sich zu der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft zusammengeschlossen hatten. | ||
Die starke Beteiligung der Bundesrepublik an der Aufbringung des Stiftungsvermögens rechtfertigt sich im Übrigen auch damit, dass neben den jeweiligen Unternehmen und dem NS-Regime auch die deutsche Bevölkerung insgesamt von der Zwangsarbeit profitiert hat. Durch den Einsatz der Zwangsarbeiter war es möglich gewesen, die Versorgungslage der Bevölkerung bis in die letzte Kriegsphase auf vergleichsweise hohem Niveau zu halten (vgl. etwa Herbert, Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland, 2003, S.147). | ||
ee) Ungeachtet der vielen Unzulänglichkeiten, mit denen eine so späte und so schwierige Bewältigung der Unrechtsfolgen verbunden sein musste, hält sich die getroffene Regelung noch in dem Bereich, in dem der Gesetzgeber sie als angemessenen Ausgleich der gegenläufigen betroffenen Interessen im Rahmen des Art.14 Abs.1 Satz 2 GG werten durfte. | ||
4. Die Anwendung des Stiftungsgesetzes auf die Beschwerdeführer durch die Gerichte ist verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Auf die Verfassungsmäßigkeit von § 1 Abs.3 AufrufG kommt es insoweit ebenso wenig an wie darauf, ob die auf das Aufrufgesetz gestützten Ansprüche der Beschwerdeführer erloschen waren. Das Stiftungsgesetz bewirkt, dass sämtliche Ansprüche, also auch die nicht vom Aufrufgesetz erfassten, nicht mehr geltend gemacht werden können." | ||
Auszug aus BVerfG B, 07.12.04, - 1_BvR_1804/03 -, www.BVerfG.de, Abs.44 ff | ||
§§§ |
04.055 | Vermittlungsausschuss | |
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1) Die Mitglieder des Bundestages im Vermittlungsausschuss müssen die politischen Stärkeverhältnisse im Plenum des Bundestages nach dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit repräsentieren. Funktion und Aufgaben des Vermittlungsausschusses fordern keine zwingende Ausrichtung der Besetzung des Ausschusses am Mehrheitsprinzip in einem Umfang, dass der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit im Zweifel zu weichen hätte. | ||
LB 4) Zur Einschränkung des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit. | ||
LB 5) Zur gegenwärtigen Sitzverteilung im Vermittlungsausschuss: | ||
LB 6) Zur Abweichenden Meinung der Richterin Osterloh und des Richters Gerhardt siehe BVerfGE_112,148 = www.BVerfG.de Abs.87 ff. | ||
LB 7) Zur Abweichenden Meinung der Richterin Lübbe-Wolff siehe BVerfGE_112,153 = www.BVerfG.de Abs.98 ff. | ||
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T-04-23 | Ausschussbesetzung Bundestag | |
"Die Besetzung der Ausschüsse des Bundestages unterliegt dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss grundsätzlich jeder Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Plenums sein und in seiner Zusammensetzung die Zusammensetzung des Plenums in seiner politischen Gewichtung widerspiegeln (vgl BVerfGE_80,188 <222>; BVerfGE_84,304 <323> ). Dieser Grundsatz leitet sich her aus der in Art.38 Abs.1 GG festgelegten Freiheit und Gleichheit des Abgeordnetenmandats. Der Abgeordnete ist frei, sich in Fraktionen zu organisieren, weswegen die Fraktionen als politische Kräfte ebenso gleich und entsprechend ihrer Stärke zu behandeln sind wie die Abgeordneten untereinander (vgl.BVerfGE 84,304 <322 f>). Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gilt auch für die Wahl der Mitglieder des Bundestages im Vermittlungsausschuss. | ||
1. Der Abgeordnetenstatus wird durch den Grundsatz demokratischer, formaler Gleichheit bestimmt. Dieser Status lässt Differenzierungen nur zu, wenn dafür besondere Gründe bestehen. Als solcher Differenzierungsgrund ist das Verfassungsgebot der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlaments anerkannt (vgl BVerfGE_94,351 <369>; BVerfGE_96,264 <278 f>). | ||
a) Der Bundestag repräsentiert das deutsche Volk, jeder Abgeordnete ist Vertreter des ganzen Volkes und deshalb gleich (Art.38 Abs.1 GG). Art.38 Abs.1 Satz 1 GG bezeichnet ein grundrechtsgleiches Recht in der gesellschaftlichen Sphäre, bestimmt den status activus des Bürgers in öffentlichen Angelegenheiten des Bundes. Dazu gehört die Gleichheit der Wahl. Das Grundgesetz verlangt, dass jeder Bürger frei und im Rechtssinne (vor dem Gesetz) gleich ist. Für das Demokratiegebot bedeutet dies, dass jedem Staatsangehörigen, der auf Grund seines Alters und ohne den Verlust seines aktiven Wahlrechts wahlberechtigt ist, ein gleicher Anteil an der Ausübung der Staatsgewalt zusteht. | ||
b) Auf Bundesebene äußert sich diese unmittelbare Teilhabe an der Staatsgewalt - abgesehen von Art.29 GG - ausschließlich durch die Wahl der Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Aus diesem Grund ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Wahlgleichheit nicht nach dem Wahlakt sogleich wieder verloren geht. Sie muss auf der zweiten Stufe der Entfaltung demokratischer Willensbildung, dh im Status und der Tätigkeit des Abgeordneten fortwirken. Zu dem Status der Abgeordneten gehört deshalb das in Art.38 Abs.1 Satz 2 GG gewährleistete Recht auf gleiche Teilhabe am Prozess der parlamentarischen Willensbildung (vgl BVerfGE_43,142 <149>; BVerfGE_70,324 <354>; BVerfGE_80,188 <218>; BVerfGE_96,264 <278>). | ||
Der zweite Satz des Art.38 Abs.1 GG zieht mit dem Repräsentationsprinzip deshalb aus den Wahlrechtsgrundsätzen die Konsequenzen für die Ausübung eines in der Gesellschaft verwurzelten, aber innerhalb der Staatsorganisation wahrgenommenen Amtes, des freien Mandats. Die Vorschrift gewährleistet für jeden der nach Art.38 Abs.1 Satz 1 GG gewählten Abgeordneten sowohl die Freiheit in der Ausübung seines Mandats als auch die Gleichheit im Status der Vertreter des ganzen Volkes (vgl BVerfGE_102,224 <237 f>). So setzt sich insbesondere die Gleichheit der Wahl in der gleichen Mitwirkungsbefugnis aller Abgeordneten fort und hält damit auch in den Verzweigungen staatlich-repräsentativer Willensbildungsprozesse die demokratische Quelle offen, die aus der ursprünglichen, im Wahlakt liegenden Willensbetätigung jedes einzelnen Bürgers fließt. Das freie Mandat "schließt die Rückkopplung zwischen Parlamentariern und Wahlvolk nicht aus, sondern ganz bewusst ein" und schafft durch den Zwang zur Rechtfertigung Verantwortlichkeit (vgl. Hofmann/Dreier, in: Schneider/Zeh | ||
c) Der fraktionsgebundene Abgeordnete bewegt sich in einem Spannungsverhältnis zwischen seinem freien und gleichen Mandat und seiner Einordnung in die Fraktion. | ||
Die politische Einbindung des Abgeordneten in Partei und Fraktion im Bund und in den Ländern ist verfassungsrechtlich erlaubt und gewollt: Das Grundgesetz weist den Parteien eine besondere Rolle im Prozess der politischen Willensbildung zu (Art.21 Abs.1 GG), weil ohne die Formung des politischen Prozesses durch geeignete freie Organisationen eine stabile Demokratie in großen Gemeinschaften nicht gelingen kann. Die von Abgeordneten - in Ausübung des freien Mandats - gebildeten Fraktionen (vgl BVerfGE_80,188 <220> ) sind im Zeichen der Entwicklung zur Parteiendemokratie notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens und maßgebliche Faktoren der politischen Willensbildung (vgl BVerfGE_80,188 <219 f>). Sie nehmen im parlamentarischen Raum Koordinierungsaufgaben wahr, bündeln die Vielfalt der Meinungen zur politischen Stimme, wählen aus und spitzen Themen als politisch entscheidbar zu. Diese Aufgaben sind angesichts der Vielzahl und Vielschichtigkeit der im Parlament zu behandelnden Regelungsbedürfnisse für die parlamentarische Arbeit unabdingbar. Wenn der einzelne Abgeordnete im Parlament politischen Einfluss von Gewicht ausüben, wenn er gestalten will, bedarf er der abgestimmten Unterstützung anderer Abgeordneter. Das freie Mandat und die Gleichheit der Abgeordneten werden deshalb durch die Anforderungen der in Fraktionen organisierten parlamentarischen Arbeit mit geprägt, ohne jedoch den Grundsatz der Gleichheit und Freiheit des Mandats zu verdrängen. | ||
Im organisatorischen Zusammenschluss - hier zu Fraktionen - geht die Freiheit und Gleichheit des Abgeordneten nicht verloren. Sie bleibt innerhalb der Fraktion bei Abstimmungen und bei einzelnen Abweichungen von der Fraktionsdisziplin erhalten und setzt sich zudem im außengerichteten Anspruch der Fraktion auf proportionale Beteiligung an der parlamentarischen Willensbildung fort. § 12 GOBT konkretisiert deshalb das, was aus Art.38 Abs.1 GG an Freiheit und Gleichheit des Mandats gefordert ist. | ||
Die Regelung soll sicherstellen, dass der Parlamentsausschuss die Zusammensetzung des Plenums in seiner konkreten, durch die Fraktionen geprägten organisatorischen Gestalt verkleinernd abbildet (Grundsatz der Spiegelbildlichkeit). Sie ermöglicht eine gleichheitsgerechte Aufgabenerfüllung durch die Ausschüsse. Wenn der Bundestag seine fachliche Arbeit durch Ausschüsse wahrnimmt, muss demnach der gleiche Anteil jedes Abgeordneten an der Repräsentanz des Volkes auch bei verkleinerten Gremien gewahrt werden, sofern diese wesentliche Teile der dem Bundestag zustehenden Informations-, Kontroll- und Untersuchungsaufgaben wahrnehmen (vgl BVerfGE_80,188 <222>). | ||
d) Ohne eine Gliederung des Bundestages in Fraktionen grundsätzlicher politischer Gleichsinnigkeit wäre nicht nur die praktische und transparente Arbeit des Parlaments unmöglich (BVerfGE_2,143 <160>; BVerfGE_70,324 <363>; BVerfGE_84,304 <317 f>), ausgeschlossen wäre auch eine spiegelbildliche Abbildung der Stärkeverhältnisse des Plenums in verkleinerten, aber für den Bundestag als Ganzes handelnden Gremien. Denn wenn jeder Abgeordnete dauerhaft organisatorisch ungebunden wäre, könnten verkleinernde Stärkeverhältnisse in einer berechenbaren Weise nicht abgebildet werden: Dies setzt genügend große, hinreichend homogene Gruppen von Abgeordneten voraus. Deshalb schreibt § 12 GOBT in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, dass Ausschüsse nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen im Plenum besetzt werden, und konkretisiert dadurch das Gleichheitsgebot aus Art.38 Abs.1 GG für die freiwillig entstandenen, verfestigten Zusammenschlüsse der Abgeordneten. | ||
e) § 12 und § 57 Abs.1 Satz 1 GOBT konkretisieren damit zugleich eine von der Verfassung geforderte Abweichung vom Mehrheitsprinzip, das nach Art.42 Abs.2 Satz 1 GG für Beschlüsse des Bundestages gilt, aber nach dem zweiten Satz dieser Vorschrift für andere Bestimmungen der Geschäftsordnung des Bundestages offen ist (vgl BVerfGE 96,264 <282 f>). Die Zuweisung von Ausschusssitzen nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen bedarf, da nur ganze Sitze verteilt werden können, des Einsatzes von Zählverfahren, die in eingeschränktem Umfang zu Abweichungen im Zuweisungsergebnis führen können. Das Bundesverfassungsgericht hat die parlamentarische Praxis anerkannt, nach der die Zählverfahren bei einem Beschluss nach § 57 Abs.1 GOBT auch gerade im Hinblick darauf ausgewählt werden dürfen, ob das gewählte Verfahren die die Bundesregierung tragende politische Mehrheit im Bundestag abbildet (vgl BVerfGE 96,264 <283>). Wie weit dieses verfassungsrechtlich anerkannte Bedürfnis es rechtfertigt, die herkömmlich anerkannte Systematik der Zählverfahren durch einen Korrekturfaktor der hier angegriffenen Art zu verändern, bedurfte für Ausschüsse des Bundestages bislang schon deshalb keiner Entscheidung, weil es der Bundestag in gewissem Umfang in der Hand hat, Ausschüsse in der Zahl der Mitglieder zu vergrößern oder zu verkleinern und damit Pattsituationen zwischen Regierungsmehrheit und oppositioneller Minderheit bei Anwendung tradierter Zählverfahren zu vermeiden. | ||
Diese parlamentarische Praxis ist im Fall des Vermittlungsausschusses dem Bundestag jedenfalls ohne Mitwirkung des Bundesrates verschlossen. Damit stellt sich hier die Frage deutlicher, wie weit das Bedürfnis nach Abbildung der parlamentarischen Regierungsmehrheit das aus Art.38 Abs.1 GG geforderte Repräsentations- und Proportionalitätsprinzip zu beeinflussen vermag. Diese Frage kann nicht deshalb dahinstehen, weil im Mittelpunkt des vorliegenden Organstreits gerade die Besetzung des Vermittlungsausschusses steht. Denn obwohl der Vermittlungsausschuss kein Ausschuss des Bundestages ist, gilt auch für die Besetzung der Bundestagsbank der Grundsatz verhältnismäßiger Berücksichtigung nach der Fraktionsstärke. | ||
2. Der Vermittlungsausschuss ist ein in der Verfassung vorgesehenes ständiges und gemeinsames Unterorgan von Bundestag und Bundesrat. Das Ziel seiner Arbeit ist es, ein konkretes Gesetzgebungsverfahren zu einem positiven Abschluss zu bringen, indem entweder der Einspruch des Bundesrates vermieden oder die zunächst nicht erteilte Zustimmung zu einem Gesetzesbeschluss des Bundestages herbeigeführt wird (vgl von der Heide, Der Vermittlungsausschuß. Praxis und Bewährung, DÖV 1953, S.129). Dies soll dadurch erreicht werden, dass auf höherer politischer Ebene und unter übergeordneten Gesichtspunkten ein Interessenausgleich gesucht wird (vgl Dehm, Stellung, Aufgaben und Bedeutung des Vermittlungsausschusses, Bulletin vom 12.Februar 1958, Nr.29, S.251 <252>). Der Vermittlungsausschuss ist insoweit die institutionelle Konsequenz der Grundentscheidung des Verfassungsgebers, an der Gesetzgebung im Bund mit dem Bundestag und dem Bundesrat zwei Entscheidungsträger konstitutiv zu beteiligen. Er öffnet das Gesetzgebungsverfahren in einer bestimmten Konstellation für institutionelle Verhandlungslösungen (vgl auch Herdegen, VVDStRL 62, 2003, S.7 <20>). | ||
Der Grundgedanke des Vermittlungsausschusses lässt sich nur so deuten, dass beide an der Gesetzgebung beteiligten Verfassungsorgane des Bundes im Vermittlungsausschuss repräsentiert werden. Während der Bundesrat sich dazu entschieden hat, die ihm in diesem Ausschuss zustehenden 16 Sitze unabhängig vom unterschiedlichen Stimmgewicht der Länder (Art.51 Abs.2 GG) mit je einem Vertreter jedes Landes zu besetzen, bleibt der Bundestag an das Repräsentationsprinzip gebunden: Im Vermittlungsausschuss verhandeln nicht die Mehrheit des Bundestages mit einer politischen Mehrheit der Länder, sondern der Bundestag mit dem Bundesrat. Die Bundestagsbank ist deshalb nicht etwa ein verkleinertes Abbild der die Regierung tragenden Parlamentsmehrheit oder gar Repräsentant der Regierung, sondern ein verkleinertes Abbild des ganzen Bundestages in seinem durch die Fraktionen geprägten und auf die Volkswahl zurückgehenden politischen Stärkeverhältnis. | ||
Als gemeinsamer Ausschuss zweier Verfassungsorgane ist der Vermittlungsausschuss zwar nicht ohne weiteres mit einem Ausschuss des Bundestages vergleichbar; seine Bedeutung im Gesetzgebungsverfahren steht aber der Aufgabenwahrnehmung durch Ausschüsse des Bundestages nicht nach. Die gestaltende Vorbereitung eines Gesetzesbeschlusses betrifft die zentrale Aufgabe des Deutschen Bundestages. Der Vermittlungsausschuss hat im Gesetzgebungsverfahren eine herausgehobene und in gewissem Umfang verselbständigte Stellung (vgl Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, 1981, S.44, 71 und 105 ff; Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, 1984, S.36 f; Ossenbühl, Verfahren der Gesetzgebung, in: Isensee/Kirchhof, HStR, 1996, Bd.III, § 63 Rn.53; Masing, in: v Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz - Kommentar, 4. Aufl, 2000, Art.77 Rn.65; Niemann, Die bundesstaatliche Bedeutung des Bundesrates unter besonderer Berücksichtigung der Funktion des Vermittlungsausschusses, 1978, S.150 ff und Trossmann, Bundestag und Vermittlungsausschuß, JZ 1983, S.6 <7 f> mwN). | ||
Die herausgehobene Stellung des Vermittlungsausschusses folgt daraus, dass er die Autonomie von Bundestag und Bundesrat zur konkreten Gestaltung des Gesetzgebungsverfahrens in mehrfacher Hinsicht begrenzt. Der Bundestag kann einen Vorschlag des Vermittlungsausschusses nicht ändern. Er ist gemäß Art.77 Abs.2 Satz 5 GG vielmehr gehalten, über einen Vorschlag des Vermittlungsausschusses zur Änderung oder zur - ebenfalls eine Änderung darstellenden - Aufhebung (vgl § 10 Abs.1 Satz 1 GOVermA) oder Ergänzung des Gesetzesbeschlusses erneut Beschluss zu fassen. Insoweit geht die Wirkung eines Einigungsvorschlags weit über diejenige einer Gesetzesinitiative eines der in Art.76 Abs.1 GG genannten Verfassungsorgane hinaus, die das Grundgesetz nicht an ein derart striktes Bescheidungsrecht (des Bundestages) bindet (vgl Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, 1995, S.26 f). Anders als bei einer Beschlussempfehlung eines Bundestagsausschusses, die der Bundestag jederzeit zu ändern vermag, fehlt ihm dieses Recht in Bezug auf einen Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses. Der Bundestag kann eine solche Empfehlung nur annehmen oder ablehnen. Diese Wirkungen werden noch gesteigert durch die Vorgabe in § 10 Abs.1 Satz 1 GOVermA, wonach der Einigungsvorschlag auf Änderung oder Aufhebung des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes "alsbald" auf die Tagesordnung des Bundestages zu setzen ist und nur über den Einigungsvorschlag abgestimmt wird, ohne dass andere Anträge zur Sache zulässig sind (§ 10 Abs.2 Satz 1, Abs.3 GOVermA). Hinzu kommt, dass der Vermittlungsausschuss festlegen kann, ob und inwieweit bei mehreren Änderungen des Gesetzesbeschlusses der Bundestag darüber einzeln oder gemeinsam abzustimmen hat (§ 10 Abs.3 Satz 1 GOVermA). | ||
Darüber hinaus kann der Bundesrat einen Einspruch gegen einen nicht zustimmungsbedürftigen Gesetzesbeschluss erst dann einlegen, wenn er zuvor den Vermittlungsausschuss angerufen hat und auch das Vermittlungsverfahren - wegen eines inakzeptablen oder mangels Zustandekommens eines Einigungsvorschlages (§ 12 GOVermA) - beendet wurde, Art.77 Abs.3 Satz 1 GG. Ein Einspruch des Bundesrates setzt also die vorherige Durchführung eines Vermittlungsverfahrens voraus. | ||
Aus alledem folgt, dass die Mitglieder des Bundestages im Vermittlungssausschuss die politischen Stärkeverhältnisse im Plenum des Bundestages nach dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit repräsentieren müssen. Andernfalls würde der Bundestag als Ganzes in die Sachzwänge konsensual vorgeprägter Verfahrensentscheidungen gezwungen, auf die er nicht einen Art.38 Abs.1 GG entsprechenden gleichheitsgerechten Einfluss gehabt hätte, ohne dass dies durch besondere sachliche Gründe gerechtfertigt wäre." | ||
"Der demnach auch für die Besetzung der Bundestagsbank im Vermittlungsausschuss geltende Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gilt nicht uneingeschränkt. Er muss im Konfliktfall mit dem Prinzip stabiler parlamentarischer Mehrheitsbildung in Einklang gebracht werden. Der gleichheitsgerechte Status von Abgeordneten und Fraktionen lässt bei Vorliegen besonderer Gründe Differenzierungen zu. Die für die Teilnahme am Prozess der parlamentarischen Willensbildung geltenden Gleichheitsanforderungen werden durch das Verfassungsgebot der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlaments (vgl BVerfGE_94,351 <369>; BVerfGE_96,264 <278 f>) und durch den demokratischen Grundsatz der Mehrheitsentscheidung (Art.42 Abs.2 Satz 1 GG) begrenzt. Kollidieren der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit und der Grundsatz, dass bei Sachentscheidungen die die Regierung tragende parlamentarische Mehrheit sich auch in verkleinerten Abbildungen des Bundestages muss durchsetzen können, so sind beide Grundsätze zu einem schonenden Ausgleich zu bringen. | ||
1. Das Mehrheitsprinzip gehört zu den tragenden Grundsätzen der freiheitlichen Demokratie (vgl BVerfGE_1,299 <315>; BVerfGE_5,85 <231 f>; BVerfGE_29,154 <165>). Zwar ist "Die Mehrheit" weder im Grundgesetz noch in der Geschäftsordnung des Bundestages mit besonderen Rechten ausgestattet, sie bildet eine sich von Fall zu Fall jeweils erst konstituierende "politische", keine rechtliche Kategorie. Verfassungsrechtlich anerkannt ist aber das in Art.42 Abs.2 Satz 1 GG verankerte Mehrheitsprinzip (vgl BVerfGE_106,253 <273>). Nach dieser Vorschrift sind Beschlüsse des Bundestages mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu fassen; Ausnahmen sind - sofern nicht durch die Verfassung selbst vorgesehen - bei Wahlen durch die Geschäftsordnung zulässig. Das Prinzip der proportionalen Repräsentation endet als Gleichheitsanspruch und Minderheitenschutz gleichsam dort, wo Entscheidungen in der Sache getroffen werden. Nur auf diesem Weg kann sich die Mehrheit der Repräsentanten durchsetzen, damit die demokratische Willensbildung als Mehrheitswille in Erscheinung treten kann. Das Grundgesetz regelt nicht nur das Prinzip der Mehrheitsentscheidung, es will auch eine stabile parlamentarische Mehrheit im Einklang mit den die Regierung bildenden politischen Kräften gewährleisten. Nach den Erfahrungen mit den Präsidialkabinetten der Weimarer Republik, die seit der Regierung Brüning ohne regelmäßige parlamentarische Mehrheit regierten (vgl Heinrich August Winkler, Der lange Weg nach Westen, Erster Band, 2000, S.489 ff), wollte das Grundgesetz eine solche lähmende Dissonanz zwischen Parlament und Regierung möglichst vermieden wissen. Davon zeugt vor allem die Beschränkung des Bundestages auf ein konstruktives Misstrauensvotum (Art.67 Abs.1 GG), aber auch die Ausgestaltung der Vertrauensfrage (Art.68 GG). | ||
Verkleinerte Abbildungen des Bundestages müssen deshalb zwar personell dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gehorchen, Abweichungen sind aber in begrenztem Umfang gerechtfertigt, wenn im verkleinerten Gremium nur dadurch Sachentscheidungen ermöglicht werden, die eine realistische Aussicht haben, mit dem Willen einer im Plenum bestehenden politischen "Regierungsmehrheit" übereinzustimmen. Dies gilt ungeachtet der Frage, ob das Mehrheitsprinzip die gleiche prägende Kraft wie das Repräsentationsprinzip besitzt, in dem sich die Legitimation öffentlicher Herrschaft rückbindet. | ||
2. Funktion und Aufgaben des Vermittlungsausschusses fordern keine zwingende Ausrichtung der Besetzung des Ausschusses am Mehrheitsprinzip in einem Umfang, dass der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit im Zweifel zu weichen hätte. Die Einrichtung des Vermittlungsausschusses zielt auf die Aushandlung von Kompromissen zwischen den gesetzgebenden Körperschaften; dies gelingt, wenn die für ein konkretes Gesetzgebungsvorhaben maßgeblichen politischen Meinungen zum Ausgleich gebracht werden können. Dabei schließt die normative Ausgestaltung des Vermittlungsverfahrens nicht aus, dass die politische Opposition auf Bundesebene in dem Ausschuss in bestimmten Fällen über eine Mehrheit verfügt. Das ergibt sich aus einem Vergleich der Struktur von Bundesrats- und Bundestagsbank sowie den Regelungen über das Abstimmungsverfahren im Ausschuss. | ||
a) Die Zusammensetzung des Bundesrates wird von den Grundsätzen der Staatengleichheit ebenso geprägt wie von der Stimmgewichtung nach der Bevölkerungsstärke der Länder. Denn zum einen ist jedes Land der Bundesrepublik Deutschland über seine jeweiligen Mitglieder im Bundesrat vertreten und hat prinzipiell die gleichen Rechte und Pflichten (vgl BVerfGE 106,310 <330> ), zum anderen berücksichtigt das Grundgesetz die unterschiedliche Größe der Länder, indem es ihre Stimmenzahl nach ihrer jeweiligen Einwohnerzahl gewichtet (Art.51 Abs.2 GG). | ||
Der Bundesrat verzichtet darauf, in seinen abgeleiteten Gremien eine Stimmgewichtung vorzunehmen, er optiert hier für den Grundsatz der Staatengleichheit. Die Länder sind in den ständigen Ausschüssen und den Sonderausschüssen - wie auf der Bundesratsbank des Vermittlungsausschusses - jeweils durch ein Mitglied vertreten (§ 11 Abs.2 der Geschäftsordnung des Bundesrates - GOBR). Nach § 42 Abs.2 GOBR hat jedes Land in den Ausschüssen eine Stimme, und Beschlüsse werden mit der einfachen Mehrheit gefasst. Von dieser Regelung ausgenommen ist lediglich die Europakammer des Bundesrates, deren Beschlüsse gemäß Art.52 Abs.3a GG als Beschlüsse des Bundesrates gelten (§ 45h Abs.1 Satz 1 GOBR). Diese gegenüber Art.51 Abs.2 und 3 GG veränderte Regelung der Besetzung und des Stimmrechts wirkt sich auf den Inhalt der Ausschussempfehlungen aus, weil die mit Mehrheit beschlossenen Empfehlungen der Ausschüsse den Mehrheitsverhältnissen im Plenum widersprechen können. Obwohl auch die Ausschüsse des Bundesrates die Funktion haben, das Plenum durch Vorbereitung der Tagesordnungspunkte zu entlasten, unterlässt es das Binnenrecht des Bundesrates, die Willensäußerungen der Ausschüsse und des Plenums zu synchronisieren. Die Ausschussempfehlungen werden in der Praxis denn auch weniger als Vorentscheidung des jeweiligen Landes, sondern regelmäßig als beratende und kontrollierende Tätigkeit der Ministerialverwaltung angesehen. In vielen Fällen wird die einheitliche Linie des Landes erst zu einem späteren Zeitpunkt im Kabinett festgelegt (vgl Reuter, Praxishandbuch Bundesrat, 1991, Art.52 GG Rn.46). | ||
Daraus folgt, dass eine Projektion der jeweiligen politischen Bundesratsmehrheit in abgeleiteten Gremien jedenfalls nicht zwingend notwendig ist. Es wäre sogar denkbar, dass die politische Bundesratsmehrheit auf der Bundesratsbank im Vermittlungsausschuss in die Minderheit gerät, wenn sich die Mehrheit im Bundesratsplenum auf die bevölkerungsstärksten und damit stimmgewichtigen Länder und deren Bundesratsmitglieder stützt, die Mehrzahl der Länder jedoch von der politischen Bundesratsminderheit regiert wird. | ||
Ein solches Stärkeverhältnis auf der Bundesratsbank wäre mit der Stellung und der Aufgabe des Vermittlungsaussc0usses vereinbar. Der verfassungsrechtliche Auftrag des Vermittlungsausschusses liegt darin, zwischen dem Bundestag und dem Bundesrat einen substantiellen Ausgleich widerstreitender Positionen im Gesetzgebungsverfahren herbeizuführen. Die Entstehungsgeschichte des Vermittlungsausschusses zeigt, dass dieser vermittelnde Prozess in möglichst geringem Maße formalisiert werden und dass es insbesondere auf die personelle Vertretung der im Gesetzgebungsverfahren beteiligten Standpunkte ankommen sollte. | ||
Wie die Darstellung der Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, werden die besonderen Funktionsbedingungen des Vermittlungsausschusses durch die Personalisierung des Gremiums unterstrichen. Diese äußert sich in der Weisungsfreiheit der in den Vermittlungsausschuss entsandten Mitglieder gemäß Art.77 Abs.2 Satz 3 GG (vgl BVerfGE 8,104 <120 f>), in der noch verhältnismäßig überschaubaren Gremiengröße, der grundsätzlich nicht öffentlichen Beratung (§ 6 GOVermA), der Wahl oder Entsendung fester Mitglieder und Stellvertreter, der Zulassung von Vertretern zu Sitzungen nur bei "Notwendigkeit" (§ 3 GOVermA) und dem erschwerten Wechsel der Mitglieder und Stellvertreter (§ 4 GOVermA). | ||
Die Arbeit des Vermittlungsausschusses ist nicht notwendig darauf angelegt, in jedem Fall zu einer Entscheidung in der Sache zu gelangen. Das Vermittlungsverfahren kann auch ohne Einigungsvorschlag enden, wenn ein Mitglied einen entsprechenden Antrag stellt und sich auf der dritten Sitzung des Ausschusses keine Mehrheit für einen Einigungsvorschlag findet (§ 12 Abs.1 und 2 GOVermA). In diesem Fall liegt die Verantwortung für den Fortgang des Verfahrens wieder bei Bundestag und Bundesrat. | ||
Diese Regelung betont, dass der Vermittlungsausschuss nicht als ein Gremium ausgestaltet ist, das konstitutive Beschlüsse fassen soll, in denen sich eine bestimmte politische Mehrheit wiederfindet. Das Grundgesetz spricht deshalb in Art.77 Abs.2 Satz 1 davon, dass ein Ausschuss "für die gemeinsame Beratung von Vorlagen" gebildet wird. Art.77 GG bringt zum Ausdruck, dass alle Möglichkeiten einer Verständigung erschöpft werden sollen, bevor das Gesetzgebungsverfahren seinen Fortgang nimmt (vgl Empfehlungen des Juristischen Ausschusses der Ministerpräsidenten, Büro der Ministerpräsidenten des amerikanischen, britischen und französischen Besatzungsgebietes, 1949, Anlage 4, S.39). | ||
b) Für eine nur eingeschränkte Prägekraft des Mehrheitsprinzips jedenfalls im Vermittlungsausschuss sprechen ferner die verfahrensrechtlichen Regelungen in der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses über die Abstimmung und zum Entscheidungsquorum. Die kategorische Bevorzugung des Mehrheitsprinzips ist auch nicht geboten, um sogenannte "unechte Vermittlungsergebnisse" zu vermeiden. | ||
Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses weicht in einem wichtigen Aspekt von dem US-amerikanischen Vorbild der conference committees ab: im Vermittlungsausschuss wird nicht nach Bänken im Sinne einer itio in partes, sondern im Plenum abgestimmt (siehe aber § 7 Abs.3 GOVermA). Der Ausschuss fasst seine Beschlüsse mit der Mehrheit der Stimmen seiner anwesenden Mitglieder (§ 8 GOVermA). Die Ausgestaltung des Verfahrensrechts unterstreicht das Ziel, im Vermittlungsausschuss die politischen Mehrheitsverhältnisse des Bundestages und des Bundesrates zusammenzuführen. Ein neues politisches Kräfteverhältnis soll Kompromissvorschläge ermöglichen. Dabei soll der Vermittlungsausschuss alle Verständigungsmöglichkeiten ausschöpfen. Dieser Ansatz schließt von seiner Konstruktion her auch die Möglichkeit ein, dass es in Einzelfällen zu einem politischen Patt im Ausschuss kommt (vgl Dietlein, ZRP 1987, S.277 ff). | ||
Im Blick auf die besondere Stellung und Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses folgt demnach nicht, dass ein schonender Ausgleich zwischen dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit und dem Mehrheitsprinzip entbehrlich wäre. Vielmehr war der Antragsgegner verpflichtet, seinen Beschluss nach § 57 Abs.1 GOBT so zu fassen, dass auch bei einer Abbildung der Kanzlermehrheit (vgl Art.121 GG) die von § 12 GOBT geforderte Besetzung nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen so weit wie möglich gewahrt wird. | ||
Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen ist der angegriffene Beschluss noch gerecht geworden. | ||
1. Der Beschluss weicht allerdings im Hinblick auf die beiden stärksten Fraktionen im Bundestag nicht unerheblich von Grundsätzen der Spiegelbildlichkeit ab. | ||
Die nach dem Ergebnis der Wahlen zum Deutschen Bundestag vom 22.September 2002 stärkste Fraktion (SPD) verfügt über einen Stimmenanteil von 41,63%. Die zweitstärkste Fraktion (CDU/CSU) hat einen Gesamtstimmenanteil von 41,13%. Diese Stimmenanteile führen im Bundestagsplenum unter Berücksichtigung der Überhangmandate zu 251 Sitzen für die SPD-Fraktion und 248 Sitzen für die CDU/CSU-Fraktion. Die Anwendung des im angegriffenen Bundestagsbeschluss um einen Korrekturfaktor modifizierten Verfahrens nach St. Laguë/Schepers ergibt eine Verteilung von acht Sitzen an die SPD-Fraktion und sechs Sitzen an die CDU/CSU-Fraktion. | ||
Damit kommt auf 41 Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion ein Sitz im Vermittlungsausschuss, während bei der SPD-Fraktion auf 31 Mitglieder ein Sitz entfällt. Bei der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN repräsentiert das Mitglied im Vermittlungsausschuss demgegenüber sogar 55 Abgeordnete des Bundestages. Bei der Sitzverteilung auf der Grundlage des Verfahrens nach St Laguë/Schepers hingegen würde sich die erforderliche Mitgliederzahl für einen Sitz im Vermittlungsausschuss auf 37 Mitglieder für die SPD-Fraktion und 35 Mitglieder für die CDU/CSU-Fraktion annähern. | ||
Die Anwendung des in dem Beschluss des Bundestages vorgesehenen Verfahrens führt folglich dazu, dass hinter jedem Sitz auf der Bundestagsbank des Vermittlungsausschusses eine signifikant voneinander abweichende Zahl von Mandaten steht. Dies hat zur Folge, dass bei der Umrechnung von Mitgliederzahlen der Fraktionen in Vorschlagsrechte für die Besetzung der Bundestagsbank eine erhebliche Erfolgswertungleichheit besteht. Bei einer an den prozentualen Anteilen orientierten Betrachtung zeigt sich, dass die SPD-Fraktion mit ihren 41,63% am Gesamtstimmenanteil auf der Bundestagsbank des Vermittlungsausschusses 50% der Sitze besetzt, während die CDU/CSU-Fraktion mit 41,13% Gesamtstimmenanteil über einen Sitzanteil von 37,5% verfügt. (Abs.82) | ||
Die gegenwärtige Sitzverteilung auf der Grundlage des nach § 57 Abs.1 Satz 1 GOBT gefassten Beschlusses gibt daher nicht mehr in einem noch akzeptablen Umfang die tatsächlichen politischen Kräfteverhältnisse im Plenum des Bundestages wieder. Damit widerspricht sie dem Grundsatz, dass die im Wahlergebnis verkörperte Willensbetätigung des Souveräns möglichst präzise im Parlament und seinen abgeleiteten Gremien abgebildet werden muss. Die vom Antragsgegner gewählte Lösung, den im Zählverfahren unberücksichtigt gelassenen Sitz auf der Bundestagsbank des Vermittlungsausschusses der stärksten Fraktion zuzuweisen, ist mit dem insoweit in § 12 GOBT verkörperten parlamentarischen Binnenrecht grundsätzlich unvereinbar. Das von der Antragstellerin angegriffene Verteilungsergebnis lässt sich mit keiner der üblichen Berechnungsmethoden rechtfertigen; der "Korrekturfaktor" steht dem Wortlaut und dem Sinn des § 12 Satz 1 GOBT entgegen. Die insofern unzureichende Proportionalität drückt sich in der Abweichung zwischen der Anzahl der Sitze einer Fraktion auf der Bundestagsbank des Vermittlungsausschusses und deren Gesamtstimmenanteil aus. | ||
2. Eine Abweichung vom Grundsatz der Spiegelbildlichkeit kann dem Grunde nach jedoch durch das Mehrheitsprinzip nach den oben dargelegten Maßstäben gerechtfertigt sein. Da die zur Verfügung stehenden herkömmlichen Zählverfahren keinen Weg erlaubten, beiden Grundsätzen Rechnung zu tragen, war der Antragsgegner berechtigt, vorläufig einen Korrekturfaktor der umstrittenen Art als System der Proportionalitätsfestlegung im Sinne des § 57 Abs.1 GOBT mit Mehrheitsbeschluss durchzusetzen. Denn die schwierige Suche im Konsens aller Fraktionen und Überlegungen, wie ein neues System auch diese ungewöhnliche Konstellation schonend ausgleicht, erfordert ausreichend Zeit, die im Interesse der Funktionsfähigkeit parlamentarischer Gesetzgebung zum Zeitpunkt des angegriffenen Beschlusses nicht erübrigt werden konnte, ohne das Verfahren der Bundesgesetzgebung zu verzögern. | ||
In einem neu zusammengetretenen Parlament, das sich durch knappe Mehrheitsverhältnisse auszeichnet, kann es zudem sinnvoll sein, zunächst für einen begrenzten Zeitraum Erfahrungen im Wettbewerb zwischen sogenannter Regierungsmehrheit und oppositioneller Minderheit zu sammeln, bevor systematische Entscheidungen getroffen werden. In dieser besonderen Situation kann deshalb in dem gewählten Vorgehen noch keine Überschreitung der parlamentarischen Autonomie festgestellt werden. | ||
3. Der Antragsgegner ist allerdings verpflichtet, unverzüglich und unter Ausschöpfung der in Geschäftsordnungsangelegenheiten üblichen Kooperation zwischen allen Fraktionen des Bundestages einen entsprechenden Beschluss nach § 57 Abs.1 GOBT neu vorzubereiten und zeitnah zu fassen. Das Grundgesetz geht in Art.42 Abs.2 Satz 2 GG davon aus, dass Abweichungen vom Mehrheitsprinzip für Wahlen durch die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages erfolgen. Der Anforderung, die Abweichung vom Mehrheitsprinzip im Rahmen des Geschäftsordnungsrechts transparent, berechenbar und abstrakt-generell auszugestalten, entsprechen sowohl § 12 und § 57 Abs.1 GOBT als auch die üblicherweise angewandten konkretisierenden Zählverfahren, auf die in Beschlüssen nach § 57 Abs.1 GOBT Bezug genommen wird. Eine nicht unerhebliche und möglicherweise gerechtfertigte Abweichung von diesem System kann zu einem Änderungsbedarf der Geschäftsordnung in den dafür vorgesehenen Verfahren führen. Der Antragsgegner wird demnach zu entscheiden haben, ob er einen durch das bestehende Geschäftsordnungsrecht gedeckten neuen Beschluss nach § 57 Abs.1 GOBT fasst oder die Geschäftsordnung unter Beachtung der einschlägigen verfassungsrechtlichen Grundsätze ändert. Eine solche Neuentscheidung im Rahmen parlamentarischer Autonomie und aus Anlass des vorliegenden Organstreitverfahrens ist nicht deshalb entbehrlich, weil es ersichtlich keinen anderen Ausgleich zwischen den betroffenen Verfassungsprinzipien gäbe. Das Bundesverfassungsgericht könnte das Fehlen alternativer Gestaltungsmöglichkeiten allenfalls dann feststellen, wenn die Alternativlosigkeit offensichtlich wäre. Dies ist hier nicht der Fall. In Betracht kommt vor allem, dass die Regeln der §§ 12, 57 GOBT modifiziert, insbesondere um generelle Vorkehrungen für Fälle wie den vorliegenden und ähnliche Konstellationen ergänzt werden. Auch kann die Möglichkeit einer Regelung in der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Vermittlungsausschuss gemäß Art.77 Abs.2 Satz 2 GG nicht von vorneherein verworfen werden." | ||
Auszug aus BVerfG U, 08.12.04, - 2_BvE_3/02 -, www.BVerfG.de, Abs.46 ff | ||
§§§ |
04.056 | Schuldenmachen | |
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LB 1) Für das Disziplinarverfahren hat das Bundesverfassungsgericht den Anspruch auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren dahin konkretisiert, dass der Inhalt einer disziplinarrechtlich geahndeten Meinungsäußerung "unter Heranziehung des gesamten Kontextes einer Erklärung objektiv und sachlich vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen, sozialen und politischen Geschehens, in dem sie gefallen ist, ermittelt" werden muss und aus den Entscheidungsgründen nachvollzogen werden kann, dass das Gericht seine Einschätzung auf diese Weise gewonnen hat. | ||
LB 2) Disziplinarrechtliche Bedeutung kommt nicht bereits dem Sichverschulden als solchem zu. | ||
LB 3) Pflichtwidrig ist das Schuldenmachen vielmehr erst dann, wenn es disziplinarrechtlich geschützte Werte beeinträchtigt. | ||
LB 4) Außerdienstliches Verhalten vermag eine dienstrechtliche Relevanz nur dann zu entfalten, wenn dadurch das Ansehen des Richtertums, die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit und damit auch die Funktionsfähigkeit des Dienstes beeinträchtigt oder gefährdet werden könnte. | ||
LB 5) Nur insoweit vermag das durch Art.33 Abs.5 GG geschützte Interesse an der Funktionstüchtigkeit des öffentlichen Dienstes die im privaten Bereich des Beamten oder Richters wirkenden Grundrechte einzuschränken (vgl BVerfGE_39,334 <366 f>; BVerfGE_108,282 <296>). | ||
LB 6) Das hieraus resultierende Aufklärungsdefizit bleibt auch dann bestehen, wenn man den Ausführungen des Bundesgerichtshofs entnimmt, dass die Anhäufung eines Schuldenberges, der zu monatlichen Belastungen führt, die von dem Richtergehalt nicht mehr bezahlt werden können, regelmäßig zur Annahme der geforderten Leichtfertigkeit führt. | ||
LB 7) Denn der Beschwerdeführer hat im Rahmen des Disziplinarverfahrens Gesichtspunkte vorgetragen, die der Annahme einer derartigen Regelvermutung entgegenstehen. Wenn die Schulden tatsächlich von eigenem Vermögen abgesichert gewesen sein sollten, so durfte der Beschwerdeführer davon ausgehen, dass er in der Lage sein würde, Verbindlichkeiten auch in dieser Höhe bedienen zu können. Die Unausweichlichkeit der Schuldenbelastung - und damit die vom Bundesgerichtshof im Interesse der Unabhängigkeit des Richters befürchtete Gefährdungslage - läge dann nicht vor. | ||
LB 8) Von einer Unerheblichkeit der vorgetragenen Abhilfemöglichkeiten hätte der Bundesgerichtshof daher nur dann ausgehen dürfen, wenn der Beschwerdeführer bereits zur ordnungsgemäßen Rückzahlung der eingegangenen Verbindlichkeiten nicht mehr im Stande gewesen wäre. Derartige Feststellungen enthält die angegriffene Entscheidung jedoch nicht. | ||
LB 9) Grundsätzlich kann auch eine außerdienstliche Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten disziplinarrechtliche Maßnahmen erfordern; die Verhängung der Höchstmaßnahme lässt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hier aber nur ausnahmsweise zu, insbesondere im Falle der Strafbarkeit der begangenen Tathandlung. | ||
LB 10) Soweit der Dienstgerichtshof im Hinblick auf den außerdienstlichen Charakter der Handlungen angenommen hat, diese seien in besonderem Maße geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für das Amt des Richters und das Ansehen der staatlichen Rechtspflege bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (vgl § 5 Abs.1 LRiG in Verbindung mit § 85 Abs.1 Satz 2 LBG), erschöpfen sich die Darstellungen in einer Wiedergabe der gesetzlichen Vorgaben. Tatsächliche Feststellungen oder Subsumtionserwägungen fehlen, sodass sich aus den Entscheidungsgründen nicht entnehmen lässt, woraus sich diese besondere Eignung im Einzelfall ergeben soll. | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel:
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T-04-24 | Leichtfertiges Verschulden | |
" 1. Die angegriffenen Entscheidungen des Dienstgerichtshofs und des Bundesgerichtshofs verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein faires disziplinargerichtliches Verfahren. Die von den Fachgerichten angenommene "Leichtfertigkeit" der Verschuldung kann nicht auf eine hinreichende richterliche Sachaufklärung gestützt werden. | ||
a) Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestands, die Auslegung des sogenannten einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind grundsätzlich allein Sache der dafür zuständigen Fachgerichte. Das Bundesverfassungsgericht ist keine "Superrevisionsinstanz", die in Rechtskraft erwachsene Gerichtsentscheidungen in vollem Umfange auf Rechtsfehler hin überprüfen kann. Art.93 Abs.1 Nr.4a GG hat im Rahmen der Verfassungsbeschwerde kein unbegrenztes Beschwerderecht eröffnet. Soweit sich die Beschwerde gegen Gerichtsurteile wendet, kann das Bundesverfassungsgericht nicht untersuchen, ob diese vom einfachen Recht her "richtig" sind. Es kann vielmehr lediglich überprüfen, ob durch die Rechtsanwendung im konkreten Fall Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte verletzt worden sind. Der außerordentliche Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde ist erst dann eröffnet, wenn den Gerichten ein "spezifischer" Verfassungsverstoß unterlaufen ist. Die Kontrollkompetenz des Bundesverfassungsgerichts umfasst nur Auslegungsfehler, die eine grundsätzlich unrichtige Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, erkennen lassen und auch in ihrer materiellen Tragweite von einigem Gewicht sind (vgl BVerfGE_18,85 <93>; BVerfGE_42,143 <149>; BVerfGE_62,189 <192>; BVerfGE_85,248 <257 f>). | ||
b) Aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit Art.2 Abs.1 GG folgt die Gewährleistung eines allgemeinen Prozessgrundrechts auf ein faires Verfahren (vgl BVerfGE_57,250 <274 f>; BVerfGE_63,380 <390>; BVerfGE_70,297 <308>). Als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips gilt dieser Anspruch grundsätzlich in allen Prozessordnungen, auch für das Disziplinarverfahren (vgl BVerfGE_38,105 <111> ). Die freiheitssichernde Funktion der Grundrechte gebietet, dass Entscheidungen, die staatliche Sanktionen betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der betroffenen Freiheitsrechte entspricht (vgl BVerfGE_58,208 <222>; BVerfGE_70,297 <308>; BVerfGE_109,190 <223 f>). Für das Disziplinarverfahren hat das Bundesverfassungsgericht den Anspruch auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren dahin konkretisiert, dass der Inhalt einer disziplinarrechtlich geahndeten Meinungsäußerung "unter Heranziehung des gesamten Kontextes einer Erklärung objektiv und sachlich vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen, sozialen und politischen Geschehens, in dem sie gefallen ist, ermittelt" werden muss und aus den Entscheidungsgründen nachvollzogen werden kann, dass das Gericht seine Einschätzung auf diese Weise gewonnen hat (vgl Beschluss der 3.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10.Juli 1992 - 2 BvR 1802/91 -, DVBl 1992, S.1358 <1359>). Eine entsprechende Aufklärungspflicht gilt nicht nur im Schutzbereich der Meinungsfreiheit, sie erstreckt sich vielmehr auf alle für die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme maßgeblichen Umstände (vgl Beschluss der 4.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14.Juni 2000 - 2 BvR 993/94 -). | ||
c) An diesen Grundsätzen gemessen, halten die angegriffenen Entscheidungen der verfassungsgerichtlichen Prüfung nicht stand. Sie verletzen den Anspruch des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren aus Art.2 Abs.1 GG in Verbindung mit Art.20 Abs.3 GG. | ||
Disziplinarrechtliche Bedeutung kommt nicht bereits dem Sichverschulden als solchem zu. Pflichtwidrig ist das Schuldenmachen vielmehr erst dann, wenn es disziplinarrechtlich geschützte Werte beeinträchtigt. Außerdienstliches Verhalten vermag eine dienstrechtliche Relevanz nur dann zu entfalten, wenn dadurch das Ansehen des Richtertums, die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit und damit auch die Funktionsfähigkeit des Dienstes beeinträchtigt oder gefährdet werden könnte. Nur insoweit vermag das durch Art.33 Abs.5 GG geschützte Interesse an der Funktionstüchtigkeit des öffentlichen Dienstes die im privaten Bereich des Beamten oder Richters wirkenden Grundrechte einzuschränken (vgl BVerfGE_39,334 <366 f>; BVerfGE_108,282 <296>). In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des für beamtenrechtliche Disziplinarsachen zuständigen Bundesverwaltungsgerichts (vgl BVerwGE_43,227 <228>; BVerfGE_76,350 <351>; BVerfGE_93,78 <84 f>) hat der Bundesgerichtshof in der angegriffenen Entscheidung daher die "Leichtfertigkeit" der Schuldeneingehung als begrenzendes Merkmal der Pflichtwidrigkeit verlangt. Ausreichende Feststellungen hierzu finden sich in der Entscheidung jedoch nicht. | ||
Das hieraus resultierende Aufklärungsdefizit bleibt auch dann bestehen, wenn man den Ausführungen des Bundesgerichtshofs entnimmt, dass die Anhäufung eines Schuldenberges, der zu monatlichen Belastungen führt, die von dem Richtergehalt nicht mehr bezahlt werden können, regelmäßig zur Annahme der geforderten Leichtfertigkeit führt. Denn der Beschwerdeführer hat im Rahmen des Disziplinarverfahrens Gesichtspunkte vorgetragen, die der Annahme einer derartigen Regelvermutung entgegenstehen. Wenn die Schulden tatsächlich von eigenem Vermögen abgesichert gewesen sein sollten, so durfte der Beschwerdeführer davon ausgehen, dass er in der Lage sein würde, Verbindlichkeiten auch in dieser Höhe bedienen zu können. Die Unausweichlichkeit der Schuldenbelastung - und damit die vom Bundesgerichtshof im Interesse der Unabhängigkeit des Richters befürchtete Gefährdungslage - läge dann nicht vor. | ||
Dass der Beschwerdeführer über Möglichkeiten verfügte, seine finanzielle Situation ohne Hilfe Außenstehender zu beheben, ergibt sich bereits daraus, dass er die Schulden tatsächlich Ende des Jahres 1997 beglichen hat. Zu dem Zeitpunkt, in dem sich der Beschwerdeführer zum Einsatz der auch im Disziplinarverfahren vorgetragenen Optionen entschlossen hatte, war er demgemäß zur Behebung der finanziellen Schuldensituation in der Lage. Ausweislich der Feststellungen des Bundesgerichtshofs hat er durch den Verkauf des Hauses zum Preis von 700.000 DM, die Auflösung einer Lebensversicherung gegen Auszahlung eines Betrags von rund 125.000 DM und die Annahme einer Schenkung einer Tante der Ehefrau in Höhe von 120.000 DM in kürzester Zeit die Mittel aufgebracht, die erforderlich waren, um die finanziell bedrohliche Lage aufzulösen. Mit dem vorhandenen Vermögen und den Hilfszusagen der Verwandtschaft bestanden daher Besonderheiten, nach denen der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeiten davon ausgehen durfte, dass er die Schuldenlage werde beherrschen können. | ||
Von einer Aufklärung und Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte hätte der Bundesgerichtshof daher nur dann absehen dürfen, wenn die Schuldenlage bereits für sich genommen - und damit unabhängig von den vorgetragenen Abhilfemöglichkeiten - als pflichtwidrige Schädigung disziplinarrechtlich geschützter Rechtsgüter hätte bewertet werden können. Der Hinweis darauf, dass sich der Beschwerdeführer erst Ende des Jahres 1997 und damit "unter dem Druck des laufenden Disziplinarverfahrens" zur Veräußerung des Hauses entschlossen habe, rechtfertigt dies jedoch nicht. Denn sofern die Bedienung der Schulden für den Beschwerdeführer noch durch andere Möglichkeiten abgesichert war, bestand objektiv auch keine Verpflichtung zum Einsatz gerade dieser Abhilfemöglichkeit. Im Übrigen ist auch die diesbezügliche Kausalität nicht gesichert, weil der Beschwerdeführer wiederholt und nachvollziehbar vorgetragen hat, dass der Hausverkauf nicht auf das laufende Disziplinarverfahren, sondern darauf zurückzuführen sei, dass zwischenzeitlich auch der jüngste Sohn sein Abitur gemacht und das Haus verlassen habe. Von einer Unerheblichkeit der vorgetragenen Abhilfemöglichkeiten hätte der Bundesgerichtshof daher nur dann ausgehen dürfen, wenn der Beschwerdeführer bereits zur ordnungsgemäßen Rückzahlung der eingegangenen Verbindlichkeiten nicht mehr im Stande gewesen wäre. Derartige Feststellungen enthält die angegriffene Entscheidung jedoch nicht. Vielmehr hat der Beschwerdeführer ausweislich der gerichtlichen Feststellungen alle Rückstände ohne nennenswerte Abwicklungsstörungen beglichen. Die Aufklärung der vorgetragenen Abhilfemöglichkeiten war für den Bundesgerichtshof daher nicht entbehrlich. | ||
Damit genügen die angegriffenen Entscheidungen der ihnen von Amts wegen durch § 21 LDG in Verbindung mit § 86 Abs.1 Satz 1 VwGO aufgegebenen Pflicht zur Erforschung der Wahrheit nicht. Das prozessuale Grundrecht auf ein rechtsstaatlich effektives und faires Verfahren erfordert im vorliegenden Fall aber eine entsprechende Sachverhaltsaufklärung, weil nur die auf zureichender Tatsachengrundlage gewonnene Erkenntnis von der Leichtfertigkeit der Verschuldung des Beschwerdeführers die Annahme einer Pflichtwidrigkeit zu rechtfertigen vermag. Im Hinblick auf die Folgewirkung - die Ahndung des Dienstvergehens mit der disziplinarischen Höchstmaßnahme - kommt der Verletzung dieser tatrichterlichen Aufklärungspflicht auch verfassungsrechtliches Gewicht zu (vgl dazu Beschluss der 4.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14.Juni 2000 - 2 BvR 993/94 -). | ||
Soweit der Bundesgerichtshof den Vorwurf einer Pflichtverletzung auf die Annahme stützt, der Beschwerdeführer habe mit der Eingehung erheblicher Schulden eine Gefahr für seine Rechtstreue und Unabhängigkeit begründet, wie sich daran zeige, dass diese Gefahr sicht tatsächlich realisiert habe, sind seine Feststellungen jedenfalls nicht geeignet, die Verhängung der disziplinarischen Höchstmaßnahme zu rechtfertigen. Die Realisierung der bezeichneten Gefahr sieht der Bundesgerichtshof darin, dass der Beschwerdeführer sich über das Genehmigungserfordernis für Nebentätigkeiten hinweggesetzt und sich auf spekulative Geschäfte eingelassen habe. Insoweit wäre begründungsbedürftig gewesen, weshalb bereits die Begründung der bloßen Gefahr solcher - nicht strafbaren - Verhaltensweisen durch das Eingehen hoher finanzieller Verbindlichkeiten eine ausreichende Grundlage für die Verhängung der schwersten verfügbaren disziplinarischen Sanktion sein soll (s dazu unter 2.) oder welche Umstände die Annahme rechtfertigen, dass der Beschwerdeführer sich mit der Eingehung der festgestellten Schulden ungeachtet der geltend gemachten und letztlich auch realisierten Möglichkeiten der Schuldentilgung in die Gefahr noch gravierenderer, etwa strafbarer, Pflichtverletzungen begeben hatte. Die Begründung der Gefahr eines Fehlverhaltens kann jedenfalls keine schwerwiegenderen Sanktionen nach sich ziehen als das Fehlverhalten selbst. | ||
2. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer auch insoweit in seinem Grundrecht aus Art.2 Abs.1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs.3 GG) als die Verhängung der schärfsten Disziplinarmaßnahme nicht von den getroffenen Tatfeststellungen getragen wird. | ||
a) Aus dem Zusammenspiel von Art.1 Abs.1, Art.2 Abs.1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip folgt eine verfassungsrechtliche Verankerung des Schuldprinzips: Jede Strafe oder strafähnliche Sanktion setzt Schuld voraus (vgl BVerfGE_57,250 <275>; BVerfGE_58,159 <163>; BVerfGE_80,244 <255>; BVerfGE_95,96 <140>). Die Strafe muss in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters stehen (vgl BVerfGE50,5 <12>; BVerfGE_73,206 <253 f>; BVerfGE_86,288 <313>; BVerfGE_96,245 <249>). Insoweit deckt sich der Schuldgrundsatz in seinen die Strafe begrenzenden Auswirkungen mit dem Übermaßverbot (vgl BVerfGE_50,205 <215>; BVerfGE_73,206 <253>; BVerfGE_86,288 <313>). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gelten das Schuldprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) grundsätzlich auch im Disziplinarverfahren (vgl BVerfGE_27,180 <188>; BVerfGE_28,264 <280>; BVerfGE_37,167 <185>; BVerfGE_46,17 <27>; BVerfGE_98,169 <198>). 45 Die Entfernung eines Beamten oder Richters aus dem Dienst ist demnach geboten, wenn dies zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Diensts erforderlich ist. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn das Vertrauensverhältnis durch das Dienstvergehen endgültig zerstört worden ist oder das Dienstvergehen einen so großen Ansehensverlust bewirkt hat, dass eine Weiterverwendung des Richters die Integrität des Richtertums unzumutbar belasten würde. In beiden Fallgruppen ist der Richter für den Dienstherrn objektiv untragbar und daher die Entfernung aus dem Dienst geboten. Wann ein derartiger endgültiger Vertrauens- oder Ansehensverlust gegeben ist, hängt weitgehend von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Schwere der Verfehlung und dem Ausmaß der Gefährdung dienstlicher Belange bei einer Weiterverwendung. | ||
b) Ein Versagen im Kernbereich der dem Beschwerdeführer zugewiesenen richterlichen Aufgaben haben die Fachgerichte hier nicht festgestellt; die Vorwürfe betreffen den Bereich seiner dienstlichen Aufgaben nicht. Schwerpunkt der von den Fachgerichten vorgenommenen Würdigung zur Festsetzung der Disziplinarmaßnahme ist vielmehr eine Verletzung der Pflicht zu achtungswürdigem Verhalten durch leichtfertige Überschuldung und die ungenehmigte Ausübung von Nebentätigkeiten. | ||
Zwar kann grundsätzlich auch eine außerdienstliche Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten disziplinarrechtliche Maßnahmen erfordern; die Verhängung der Höchstmaßnahme lässt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hier aber nur ausnahmsweise zu, insbesondere im Falle der Strafbarkeit der begangenen Tathandlung (vgl Beschluss der 4.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14.Juni 2000 - 2 BvR 993/94 -). Auch aus der Spruchpraxis der Fachgerichte sind keine Vergleichsfälle ersichtlich, bei denen bereits auf Grund außerdienstlicher Verfehlungen, die keinen Straftatbestand erfüllen, auf die Höchstmaßnahme erkannt wurde (vgl. etwa Claussen/Janzen, Bundesdisziplinarrecht, 9.Aufl, 2001, S.99 ff). | ||
Soweit der Dienstgerichtshof im Hinblick auf den außerdienstlichen Charakter der Handlungen angenommen hat, diese seien in besonderem Maße geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für das Amt des Richters und das Ansehen der staatlichen Rechtspflege bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (vgl § 5 Abs.1 LRiG in Verbindung mit § 85 Abs.1 Satz 2 LBG), erschöpfen sich die Darstellungen in einer Wiedergabe der gesetzlichen Vorgaben. Tatsächliche Feststellungen oder Subsumtionserwägungen fehlen, sodass sich aus den Entscheidungsgründen nicht entnehmen lässt, woraus sich diese besondere Eignung im Einzelfall ergeben soll. Gleiches gilt für die Darlegungen des Bundesgerichtshofs, die sich ausschließlich damit beschäftigen, ob der außerdienstliche Charakter des Dienstvergehens vom Dienstgerichtshof ausdrücklich hätte erwähnt werden müssen. Konkrete Feststellungen dazu, ob das Verhalten des Beschwerdeführers überhaupt öffentlich bekannt geworden ist, liegen den fachgerichtlichen Entscheidungen demnach nicht zu Grunde. Dies gilt auch in Ansehung der im Tatbestand aufgeführten Schreiben aus dem Jahr 1996, in denen der Beschwerdeführer zwei Finanzmaklern seine Finanzlage offengelegt hat. Denn insoweit hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich - und unter Aufhebung des Urteils des Dienstgerichtshofs - ausgeführt, dass dieses Verhalten "nicht geeignet" sei, "das Vertrauen in die Aufgabenerfüllung des Richters oder das Ansehen der Richterschaft zu beeinträchtigen". Entsprechende Feststellungen wären nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber Voraussetzung für die Annahme einer Ansehensschädigung gewesen (vgl. Beschluss der 1.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19.Februar 2003 - 2 BvR 1413/01 -). | ||
Hinreichende Einzelfallumstände, die trotz des außerdienstlichen Charakters und der Straflosigkeit der begangenen Pflichtverletzungen die Verhängung der Höchstmaßnahme rechtfertigen könnten, sind damit nicht ersichtlich. Die Entfernung aus dem Dienst wird von den getroffenen Tatfeststellungen nicht getragen und verletzt damit den verfassungsrechtlich gewährleisteten Schuldgrundsatz." | ||
Auszug aus BVerfG B, 08.12.04, - 2_BvR_52/02 -, www.BVerfG.de, Abs.33 ff | ||
§§§ |
04.057 | Verstoß gegen TKG |
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LB 1) § 95 in Verbindung mit § 86 Satz 2 TGK aF verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art.3 Abs.1 GG nicht schon deshalb, weil diese Norm anders als § 201 Abs.2 Satz 2, 3 StGB eine Bagatellklausel und einen besonderen Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen nicht kennt. | |
LB 2) Selbst bei einer erweiternden oder analogen Anwendung von § 193 StGB könnte die ausnahmsweise Rechtmäßigkeit der Verbreitung des unbefugt abgehörten Wortes aber nur auf Grund einer Abwägung der betroffenen Interessen angenommen werden (zum Erfordernis einer Abwägung bei Eingriffen in die Äußerungsfreiheit vgl BVerfGE_85,248 <263>; BVerfGE_93,266 <293 f>). | |
§§§ |
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§§§