1997 | ||
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1996 1998 | [ ] |
97.001 | Warnhinweis |
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Zur Frage, ob die Verpflichtung mit den Grundrechten vereinbar ist, auf Packungen von Tabakerzeugnissen Warnungen vor den Gesundheitsgefahren des Rauchens zu verbreiten. | |
LB 2) Die Kennzeichnungspflicht ist am Maßstab der Berufsfreiheit (Art.12 Abs.1 GG), nicht der Meinungsfreiheit (Art.5 Abs.1 GG) zu messen. | |
LB 3) Das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art.5 Abs.1 GG) kann für eine Wirtschaftswerbung allenfalls in Anspruch genommen werden, wenn die Werbung einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat oder Angaben enthält, die der Meinungsbildung dienen (vgl BVerfGE_71,162 <175>). | |
LB 4) Die Warnhinweise sind als Wiedergabe einer erkennbar fremden Meinung zu werten. | |
LB 5) Die Verpflichtung der Gewerbetreibenden zum Aufdruck von Warnhinweisen fällt daher in den Schutzbereich des Art.12 Abs.1 GG. | |
LB 6) Im Ergebnis ist nach heutigem medizinischen Kenntnisstand gesichert, daß Rauchen Krebs sowie Herz- und Gefäßkrankheiten verursacht, damit zu tödlichen Krankheiten führt und auch die Gesundheit der nicht rauchenden Mitmenschen gefährdet. | |
LB 7) Die Warnung vor diesen Gesundheitsgefahren gehört zu den legitimen Aufgaben des Staates. | |
LB 9) Die Pflicht zum Aufdruck von Warnhinweisen mindert zwar die Umsatz- und Gewinnchancen der Beschwerdeführerinnen, berührt aber insoweit keine eigentumsrechtlich geschützten Rechte. Art.14 Abs.1 GG BVerfGE_20,31 <34>; BVerfGE_30,292 <334 f>), umfaßt also grundsätzlich nicht in der Zukunft liegende Chancen und Verdienstmöglichkeiten (vgl BVerfGE_30,292 <335>; BVerfGE_45,272 <296>; BVerfGE_68,193 <223> mwN). | |
LB 10) Nach alledem scheidet auch eine Verletzung der mit Art.2 Abs.1 GG gewährleisteten unternehmerischen Dispositionsfreiheit aus. Die beanstandete Regelung betrifft die Handlungsfreiheit im Bereich des Berufsrechts, die ihre spezielle Gewährleistung in Art.12 GG gefunden hat. Für eine Prüfung am Maßstab von Art.2 Abs.1 GG ist insoweit kein Raum (vgl BVerfGE_70,1 <32>). | |
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T-97-01 | Warnhinweise auf Tabakerzeugnisse |
"Die nach § 93a Abs.2 Buchst a BVerfGG anzunehmenden Verfassungsbeschwerden sind zulässig. | |
Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen eine die Beschwerdeführerinnen unmittelbar belastende bundesrechtliche Verordnung, gegen die der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nicht eröffnet ist (vgl § 47 VwGO). | |
Eine vorherige Anrufung des Europäischen Gerichtshofs kommt nicht in Betracht. Für die Beschwerdeführerinnen bestand keine zumutbare Möglichkeit, ihrer Beschwer anderweitig abzuhelfen. C. | |
Die Verfassungsbeschwerden sind unbegründet. I. | |
Die angegriffenen Kennzeichnungspflichten beruhen auf der - vom EG-Recht unabhängigen - Ermächtigungsgrundlage des § 21 LMBG, sie sind auch Bestandteil des allgemeinen Wettbewerbsrechts in Deutschland (vgl BGH, NJW 1994, S.730 f.) und genügen auf dieser Geltungsgrundlage den Anforderungen der vom Grundgesetz gewährleisteten Grundrechte. Deshalb kommt es im Ergebnis bei der verfassungsrechtlichen Prüfung des § 3 TabKTHmV durch das Bundesverfassungsgericht nicht darauf an, ob die zur Umsetzung der entsprechenden Kennzeichnungsvorschriften verpflichtenden EG-Richtlinien gemeinschaftsrechtlich gültig sind, welche innerstaatlichen Verbindlichkeiten sie begründen, ob die Beschwerdeführerinnen beim Europäischen Gerichtshof ein Verfahren der konkreten Normenkontrolle anhängig machen können und welcher grundrechtliche Maßstab auf abgeleitetes Gemeinschaftsrecht anwendbar ist. II. | |
Die Verpflichtung zu Warnhinweisen betrifft Produzenten und Händler von Tabakerzeugnissen beim Vertrieb ihrer Waren, nicht bei der Teilnahme am Prozeß der Meinungsäußerung und Meinungsverbreitung. Deshalb ist die Kennzeichnungspflicht am Maßstab der Berufsfreiheit (Art.12 Abs.1 GG), nicht der Meinungsfreiheit (Art.5 Abs.1 GG) zu messen. Die Beschwerdeführerinnen können sich als juristische Personen des Privatrechts auf Art.12 Abs.1 GG berufen (vgl BVerfGE_30,292 <312>; BVerfGE_50,290 <363>). Ihre berufliche Außendarstellung einschließlich der Werbung für ihre Produkte fällt in den Bereich der berufsbezogenen Tätigkeiten, die Art.12 Abs.1 Satz 1 GG schützt (vgl BVerfGE_85,248 <256>; GRUR 1996, S.899 <902>). Staatliche Maßnahmen, die den Berufstätigen dabei beschränken, sind Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung (vgl BVerfG, aaO). Eine Grundrechtsverletzung liegt indes nicht vor. | |
1. a) Das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art.5 Abs.1 GG) kann für eine Wirtschaftswerbung allenfalls in Anspruch genommen werden, wenn die Werbung einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat oder Angaben enthält, die der Meinungsbildung dienen (vgl BVerfGE_71,162 <175>). Daran fehlt es hier. Soweit die Hersteller von Tabakerzeugnissen auf ihren Packungen auch staatliche Warnungen verbreiten müssen, nimmt der Staat diese Packungen in Anspruch, ohne damit die Werbung im übrigen zu beeinträchtigen. Insoweit ist nicht die Meinungsbildung und Meinungsäußerung der Unternehmen, sondern ausschließlich deren Berufsausübung berührt. | |
Etwas anderes würde gelten, wenn die Warnhinweise nicht deutlich erkennbar Äußerung einer fremden Meinung wären, sondern dem Produzenten der Tabakerzeugnisse zugerechnet werden könnten. Würde einem Grundrechtsberechtigten die Verbreitung einer fremden Meinung als eigene zugemutet, so wäre die Freiheit der Meinungsäußerung (Art.5 Abs.1 Satz 1 GG) berührt. Wird dem Adressaten der Werbung der Eindruck vermittelt, der Tabakproduzent unterstütze aus eigenem Willen die Verbreitung der Warnhinweise, verbreite also von sich aus diese Aussage, so kann die Freiheit der Meinungsverbreitung den Prüfungsmaßstab bieten. Wird hingegen deutlich erkennbar, daß die auf den Packungen der Tabakprodukte verbreitete Meinung einem anderen zuzurechnen ist, und ist die Verbreitung dieser Warnhinweise allgemeine Bedingung eines gewerbsmäßigen In-Verkehr-Bringens von Tabakerzeugnissen, so regelt diese Kennzeichnungspflicht die Berufsausübung. | |
b) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs wird das Grundrecht der Beschwerdeführerinnen auf Meinungsfreiheit durch die angegriffene Regelung nicht berührt. Die Pflicht zum Aufdruck der Warnhinweise dient der Verbreitung einer fremden Meinung, trifft alle Unternehmen, die Zigaretten gewerbsmäßig in Verkehr bringen, und erweckt nicht den Anschein, die Unternehmen würden diese Meinung von sich aus verbreiten. | |
Die Warnhinweise sind als Wiedergabe einer erkennbar fremden Meinung zu werten. Sie sagen aus, daß die EG-Gesundheitsminister die Ansicht vertreten, Rauchen verursache Krebs sowie Herz- und Gefäßkrankheiten. Diese Warnhinweise werden nach der generellen Verpflichtung des § 3 TabKTHmV nicht nur von einzelnen Unternehmen verbreitet, sondern gehören zum Erscheinungsbild jeder Zigarettenpackung. Sie enthalten - für den Nachfrager erkennbar - keine einem einzelnen Unternehmen zurechenbare Aussage, sondern sind Bedingung für jedes gewerbsmäßige Angebot von Zigaretten und ähnlichen Tabakerzeugnissen. Die EG-Gesundheitsminister verfolgen ihr gesundheitspolitisches Ziel gerade dadurch, daß sie für jede Kauf- und Konsumentscheidung die Schädlichkeit bewußt machen wollen. Die Beschwerdeführerinnen tragen insoweit auch lediglich vor, daß ein erheblicher Teil der Verbraucher die Warnhinweise trotz des entsprechenden Zusatzes als Äußerungen der Zigarettenhersteller verstünde, zumindest aber von einem Minimalkonsens zwischen der Meinung des Herstellers und dem Inhalt des Warnhinweises ausgehe. Das von ihnen vorgelegte Umfrageergebnis belegt eine solche Auswirkung der Warnungen nicht. Im Kommentar zum Umfrageergebnis 1991 heißt es dazu: "Die Masse der Raucher - nach wie vor rund 90 vH - ist der Ansicht, daß die Cigaretten-Hersteller mit dem Warnaufdruck inhaltlich nichts zu tun haben". | |
2. Die Verpflichtung der Gewerbetreibenden zum Aufdruck von Warnhinweisen fällt daher in den Schutzbereich des Art.12 Abs.1 GG. | |
a) Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung bedürfen gemäß Art.12 Abs.1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt. Die gesetzlichen Grundlagen sind dann mit Art.12 Abs.1 GG vereinbar, wenn sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, wenn also das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (vgl BVerfGE_76,196 <207>; BVerfGE_85,248 <259>; GRUR 1996, S.899 <902>). | |
b) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. | |
Die Tabak-Kennzeichnungsverordnung bedient sich bei ihren Warnhinweisen auch der Autorität des Staates und beansprucht damit ein besonderes, rechtlich vermitteltes Vertrauen. Diese Wahrnehmung von Hoheitsrechten ist freilich verfassungsrechtlich unbedenklich, weil der Inhalt der Warnung mit den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen übereinstimmt, die Warnung vor Gesundheitsgefahren in den Bereich der Hoheitsaufgaben gehört und die Maßnahme den Anforderungen der Berufsausübungsfreiheit genügt. | |
Gesetzliche Grundlage der Verordnung ist § 21 Abs.1 Nr.1 LMBG, Geltungsgrund der konkret formulierten Pflichten die Tabak-Kennzeichnungsverordnung. | |
aa) Die Warnhinweise dienen dem Schutz der Verbraucher vor den Gesundheitsgefahren des Rauchens. Es ist allgemein anerkannt, daß das Rauchen gesundheitsschädlich ist (vgl BGH, NJW 1994, S.730 <731>). Unter Rauchern und Nichtrauchern gibt es kaum jemanden, dem diese Gefahren gänzlich unbekannt wären (BGH, aaO). Das Rauchen tötet mehr Menschen als Verkehrsunfälle, Aids, Alkohol, illegale Drogen, Morde und Selbstmorde zusammen (vgl Martina Pötschke-Langer, Bericht über die IX.Weltkonferenz über Tabak und Gesundheit vom 10.bis 14.Oktober 1994 in Paris, Zeitschrift ärztliche Fortbildung - ZaeF - 89 <1995>, S.537 f). Zigarettenrauchen ist in den Industrieländern die häufigste und wissenschaftlich am deutlichsten belegte Einzelursache für den Krebstod (vgl Richard Doll and Richard Peto, Mortality in relation to smoking: 20 years' observations on male British doctors, British Medical Journal 1976, S.1525 ff; dies, Mortality in relation to smoking: 40 years' observations on male British doctors, British Medical Journal 1994, S.901 ff; dies, Cigarette smoking und bronchial carcinoma: dose and time relationships among regular smokers and lifelong non-smokers, Journal of Epidemiology and Community Health 1978, S.303 ff). | |
Im Ergebnis ist nach heutigem medizinischen Kenntnisstand gesichert, daß Rauchen Krebs sowie Herz- und Gefäßkrankheiten verursacht, damit zu tödlichen Krankheiten führt und auch die Gesundheit der nicht rauchenden Mitmenschen gefährdet (vgl. D. Hoffmann und EL Wynder, in: Marquardt/Schäfer | |
bb) Die Warnung vor diesen Gesundheitsgefahren gehört zu den legitimen Aufgaben des Staates. Staatliche Gesundheitspolitik darf jedenfalls vor medizinisch erwiesenen und schweren Gefahren des Rauchens warnen und dem Konsumenten bewußt machen, daß aktives Rauchen den Raucher, passives Rauchen auch andere schädigt. Die lediglich sprachliche Form dieser Warnhinweise legt dem Adressaten nahe, seine Kaufentscheidung im Hinblick auf die Gesundheitsgefahren nochmals zu überdenken. Diese staatliche Aufklärung dient daher dem Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren. | |
cc) Der Gesetzgeber durfte auch von der Eignung der Maßnahme zum Schutz der Volksgesundheit ausgehen. Die Beurteilung dieser Eignung unterliegt grundsätzlich seiner Einschätzung (vgl BVerfGE_25,1 <12, 17>; BVerfGE_30,292 <317>). Zwar nimmt gegenwärtig der Zigarettenkonsum trotz der allgemeinen Warnhinweise zu. Im Jahre 1994 stieg der Konsum in Deutschland um rd. 3 vH auf 131,1 Mrd Zigaretten (vgl. Harenberg, Lexikon der Gegenwart, Aktuell '96, 1995, Stichwort: Rauchen, S.339). Doch ist jedenfalls die gesetzliche Einschätzung, daß mit Warnhinweisen eine noch größere Ausweitung des Tabakkonsums verhindert werden könne, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Warnungen sind geeignet, den Verbraucher zumindest von einem bedenkenlosen Konsum von Tabak abzuhalten. | |
Auch die konkrete Ausgestaltung der Warnhinweise genügt den Anforderungen der Geeignetheit. Die Aussage über die Kausalität des Rauchens bei der Verursachung von Krebs, anderen Krankheiten und der Gesundheitsgefährdung Dritter steht mit den Ergebnissen naturwissenschaftlicher Forschung im Einklang. Sie besagt nicht, daß das Rauchen die alleinige Ursache sei, bringt andererseits auch nicht zum Ausdruck, daß ein Nichtraucher gegen jedes Krebs- und sonstiges Krankheitsrisiko gesichert sei. Vielmehr verweisen die Warnhinweise nach allgemeinem Sprachverständnis des Begriffs "Verursachen" auf einen typischen und verallgemeinerungsfähigen Kausalzusammenhang von Rauchen und Gesundheitsschaden; sie machen bewußt, daß bei Verzicht auf das Rauchen ein wesentliches Gesundheitsrisiko entfällt. | |
dd) Die Warnung ist auch erforderlich. Eine schonendere Möglichkeit zum Schutz gegen die vom Rauchen ausgehenden Gefahren ist weder dargetan noch ersichtlich. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus den Regelungen der Gefahrstoffverordnung. Die Kennzeichnungspflicht für krebserzeugende Stoffe und Zubereitungen nach der Gefahrstoffverordnung (Verordnung zum Schutz vor gefährlichen Stoffen - GefahrstoffVO - vom 26.Oktober 1993 | |
Diese Bestimmungen zur Kennzeichnung und Verpackung von krebserzeugenden Stoffen oder Zubereitungen gehen in Ausmaß und Deutlichkeit der Warn- und Schutzmaßnahmen über die Kennzeichnungspflicht des § 3 TabKTHmV hinaus. Zudem handelt es sich bei Tabakerzeugnissen um Genußmittel, bei deren bestimmungsgemäßer Verwendung Gesundheitsschäden regelmäßig auftreten. Vertrieb und Werbung sind daher - ebenso wie das Verhalten der Verbraucher - nach anderen Maßstäben zu beurteilen. | |
Im übrigen käme als Maßnahme, die - neben der staatlichen Gesundheitsaufklärung - anstelle der Warnhinweise geeignet wäre, den bedenkenlosen Tabakkonsum einzudämmen, vor allem ein Werbeverbot in Betracht. Auch Auflagen für den Vertrieb wären zu erwägen (zB Verbot des Automatenvertriebs und des Verkaufs an Jugendliche). Gegenüber diesen Alternativen erscheint die angegriffene Regelung als das mildere Mittel (vgl hierzu die Empfehlung des Bundesrats für zusätzliche Beschränkungen der Werbung für Tabak und Tabakerzeugnisse und den ausdrücklichen Widerspruch des Wirtschaftsausschusses hiergegen, BRDrucks 87/2/88). | |
ee) Die Pflicht zur Anbringung von Warnhinweisen berührt offensichtlich auch nicht die Grenze des Zumutbaren. Der Eingriff in die Berufsausübung erlaubt weiterhin die werbende erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der Tabakindustrie und überbringt dem Konsumenten lediglich eine medizinische Wissensgrundlage für seine Kaufentscheidung. Das gewählte Beschränkungsmittel - die bloße sprachliche Einwirkung durch Warnhinweise - ist eine Handlungsform, die den Gütertausch durch Angebot und Nachfrage unberührt läßt und dem Nachfrager lediglich einen Erwägungsgrund bewußt macht, der nach gegenwärtigem medizinischen Erkenntnisstand allgemein bewußt sein sollte. | |
ff) Auch die Indienstnahme privater Organisations- und Finanzkraft für die staatliche Aufgabe der Gesundheitspolitik ist mit Art.12 Abs.1 GG vereinbar (vgl BVerfGE_68,155 <170>). Die Pflicht zum Aufdruck der Warnhinweise rechtfertigt sich aus der besonderen Sach- und Verantwortungsnähe der Hersteller und Händler von Tabakerzeugnissen zu der Aufgabe des Schutzes vor Gefährdungen durch einen Tabakkonsum, den diese Unternehmen veranlassen. III. | |
Die angegriffenen Regelungen verletzen die Beschwerdeführerinnen auch nicht in ihrem Grundrecht aus Art.14 Abs.1 GG. | |
1. Die Pflicht zum Aufdruck von Warnhinweisen mindert zwar die Umsatz- und Gewinnchancen der Beschwerdeführerinnen, berührt aber insoweit keine eigentumsrechtlich geschützten Rechte. Art.14 Abs.1 GG schützt nur Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen (vgl BVerfGE_20,31 <34>; BVerfGE_30,292 <334 f>), umfaßt also grundsätzlich nicht in der Zukunft liegende Chancen und Verdienstmöglichkeiten (vgl BVerfGE_30,292 <335>; BVerfGE_45,272 <296>; BVerfGE_68,193 <223> mwN). | |
2. Ein von den Beschwerdeführerinnen geltend gemachter verfassungswidriger Eingriff in ihre durch Art.14 Abs.1 GG geschützten förmlichen Zeichenrechte gemäß § 15 WZG oder ihre Ausstattungsrechte gemäß § 25 WZG liegt ebenfalls nicht vor. | |
Beide Rechte werden zwar von der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie umfaßt (vgl BVerfGE_78,58 <70 ff>), sind hier aber schon deshalb nicht verletzt, weil die Verordnung sie nur in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise ausgestaltet hat. | |
Wenn die Verpackung teilweise auch als Mittler für staatliche Warnhinweise nach § 3 TabKTHmV in Anspruch genommen wird, so ist ihre auf den jeweiligen Hersteller bezogene Gewährleistungsfunktion dadurch nicht beeinträchtigt; die Verpflichtung zu Warnhinweisen gilt für alle Erzeugnisse dieser Art, nicht nur für Produkte der Beschwerdeführerinnen oder einer Gruppe bestimmter Hersteller. Die Werbefunktion ist nur insoweit geschmälert, als der Schutz vor den in diesen Erzeugnissen angelegten Gefahren des Tabakkonsums dies rechtfertigt. Die Herkunfts-, Zuordnungs- und Unterscheidungsfunktion wird nicht merklich betroffen, da der unterschiedliche und prägende Gesamteindruck der verschiedenen Verpackungsgestaltungen trotz der Warnhinweise erhalten bleibt. IV. | |
Nach alledem scheidet auch eine Verletzung der mit Art.2 Abs.1 GG gewährleisteten unternehmerischen Dispositionsfreiheit aus. Die beanstandete Regelung betrifft die Handlungsfreiheit im Bereich des Berufsrechts, die ihre spezielle Gewährleistung in Art.12 GG gefunden hat. Für eine Prüfung am Maßstab von Art.2 Abs.1 GG ist insoweit kein Raum (vgl BVerfGE_70,1 <32>)." | |
Auszug aus BVerfG B, 22.01.97, - 2_BvR_1915/91 -, www.dfr, Abs.40 ff | |
§§§ | |
97.002 | Selbstablehnung-Steiner |
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LB: Die Selbstablehnung des Richters Steiner wurde für begründet erklärt, da er in einem früheren Verfahren als Bevollmächtigter eines Beteiligten Äußerungen zu verfassungsrechtlichen Fragen abgegeben hat, die auch im anhängigen Verfahren von wesentlicher Bedeutung sind. | |
§§§ | |
97.003 | Elektosmog |
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Der bestehende Nachbarschutz - insbesondere aus § 906 BGB und § 22 BImSchG - genügt den Anforderungen an den Schutz vor Einwirkungen benachbarter Anlagen (hier: Trafo-Station); ein Grenzwert von 100 Mikrotesla für die magnetische Flußdichte niederfrequenter Felder begegnet nach derzeitigem Kenntnisstand keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. (vgl VGH Mannheim NJW-CoR_97,366). | |
§§§ | |
97.004 | DDR-Hochschullehrer |
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1) Hochschullehrer, die an Hochschulen der Deutschen Demokratischen Republik tätig waren und nach der Wiedervereinigung nicht als Professoren neuen Rechts übernommen worden sind, obwohl ihre persönliche Eignung und fachliche Qualifikation in einem förmlichen Verfahren festgestellt worden sind, dürfen, wenn sie in ihren bisherigen Rechtsverhältnissen weiterbeschäftigt werden, mitgliedschaftsrechtlich nicht der Gruppe der wissenschaftlichen Mitarbeiter zugeordnet werden. | |
2) § 118 Abs.4 Satz 1 des Hochschulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt ist, soweit er Gegenteiliges regelt, mit Art.5 Abs.3 Satz 1 in Verbindung mit Art.3 Abs.1 GG unvereinbar. | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
97.005 | Aufzeichnungspflicht |
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1) Die Pflicht privater Rundfunkveranstalter, ihre Sendungen zu Zwecken der Rundfunkaufsicht aufzuzeichnen und die Aufzeichnung unter bestimmten Voraussetzungen der Landesmedienanstalt vorzulegen (§§ 38 I, 60 I BadWürttLMedienG), ist mit Art.5 I 2 GG vereinbar. | |
2) Das aus Art.2 I iVm Art.1 I GG folgende Recht, sich nicht selbst einer Straftat bezichtigen zu müssen, ist gemäß Art.19 III GG nicht auf juristische Personen anwendbar. | |
§§§ | |
97.006 | Vergnügungssteuer |
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Die Erhebung von kommunalen Vergnügungssteuern auf das Halten und Betreiben von Spielautomaten und vergleichbaren Geräten ist verfassungsgemäß. | |
§§§ | |
97.007 | Restitution-öffl-Trägerschaft |
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Die Regelung in Art.22 Abs.1 Satz 7 iVm Art.21 Abs.3 Halbsatz 1 Einigungsvertrag und §§ 1a und 11 Vermögenszuordnungsgesetz ist, soweit sie die Restitution von Unternehmen des privaten Rechts, an deren Träger Körperschaften des öffentlichen Rechts beteiligt sind, und die Restitution der Beteiligung einer solchen Körperschaft an dem Unternehmensträger nicht vorsieht, mit dem Grundgesetz vereinbar. | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
97.008 | Restitution-Länderbestand |
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1) Maßnahmen oder Unterlassungen von Bund und Ländern innerhalb eines Verwaltungsverfahrens können nicht Gegenstand eines Bund-Länder-Streits nach Art.93 Abs.1 Nr.3 und Nr.4 GG sein. | |
2) Das Grundgesetz regelt grundsätzlich nicht die Vermögensausstattung von Bund und Ländern und begründet insbesondere keinen Anspruch der Länder gegen den Bund auf Ausstattung mit bestimmten Vermögensgegenständen. Die Finanzverfassung des Grundgesetzes (Art.104a ff GG) sichert die finanzwirtschaftliche Handlungsfähigkeit von Bund und Ländern dadurch, daß sie diese Körperschaften mit frei verfügbaren Geldmitteln in angemessener Höhe ausstattet. | |
3) Das Grundgesetz gebietet es nicht, die Länder nach dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik in bestimmte Besitzstände wiedereinzuweisen. | |
LB 4) Art.44 EV gestattet zwar nach dem Wirksamwerden des Beitritts jedem der in Art.1 des Einigungsvertrages genannten Länder, Rechte geltend zu machen, die zugunsten der Deutschen Demokratischen Republik oder zu ihren eigenen Gunsten unmittelbar in dem Vertrag begründet worden sind. Erwachsen zwischen solchen Ländern und dem Bund Streitigkeiten über diese Rechte, so können sie gemäß Art.93 Abs.1 Nr.4 GG beim Bundesverfassungsgericht anhängig gemacht werden (vgl BVerfGE_94,297 <310>). | |
LB 5) Im vorliegenden Verfahren streiten die Parteien aber nicht um Rechte im Sinne des Art.44 EV. Es geht vielmehr um Restitutionsansprüche, die ihrer Art nach jedem Träger öffentlicher Verwaltung nach den Vorschriften des Art.22 Abs.1 Satz 7 iVm Art.21 Abs.3 EV zustehen können und die mithin nicht durch ein Bund und Land umspannendes materielles Verfassungsrechtsverhältnis geprägt sind. | |
LB 6) Demgemäß hat der Gesetzgeber bestimmt, daß für Streitigkeiten nach dem Vermögenszuordnungsgesetz, das gemäß 1 Abs.4 VZOG auch das Verfahren der öffentlichen Restitution nach Art.21 Abs.3 und Art.22 Abs.1 Satz 7 EV regelt, der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist (§ 6 Abs.1 Satz 1 VZOG). | |
§§§ | |
97.009 | Altschulden |
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Zur Überleitung von Rechtsverhältnissen, die unter planwirtschaftlichen Bedingungen entstanden sind, in die Marktwirtschaft (hier: Altschulden der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften der DDR). | |
LB 2) Die Eigentumsgarantie des Art.14 Abs.1 GG wird durch die Feststellung des Bundesgerichtshofs, daß der DG Bank gegen die LPG, deren Gesamtvollstreckungsverwalter der Beschwerdeführer ist, eine Forderung aus einem Kreditverhältnis zusteht, nicht berührt. | |
LB 3) Kein Eigentum im Sinn von Art.14 Abs.1 GG ist daher das Vermögen, das selber kein Recht, sondern den Inbegriff aller geldwerten Güter einer Person darstellt (vgl BVerfGE_4,7 <17>; stRspr). | |
LB 4) Auferlegte Geldleistungspflichten berühren Art.12 Abs.1 GG dann, wenn sie infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz haben (vgl BVerfGE_13,181 <186>; BVerfGE_37,1 <18>). | |
LB 5) Die Altschuldenregelung hat keine objektiv berufsregelnde Tendenz. | |
§§§ | |
97.010 | Spruchgruppen |
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Zur Bedeutung des Art.101 Abs.1 Satz 2 GG für die Bestimmung der Sitz- oder Spruchgruppen von Berufsrichtern in überbesetzten gerichtlichen Spruchkörpern. | |
LB 2) Nach Auffassung des Plenums des Bundesverfassungsgerichts ist es im Hinblick auf Art.101 Abs.1 Satz 2 GG grundsätzlich geboten, für mit Berufsrichtern überbesetzte Spruchkörper eines Gerichts im voraus nach abstrakten Merkmalen zu bestimmen, welche Richter an den jeweiligen Verfahren mitzuwirken haben. Aus dieser Vorausbestimmung muß für den Regelfall die Besetzung des zuständigen Spruchkörpers bei den einzelnen Verfahren ableitbar sein. | |
LB 3) Das Gebot des Art.101 Abs.1 Satz 2 GG, den im Einzelfall zur Mitwirkung berufenen Richter so genau wie möglich zu bestimmen, hat zur Folge, daß überall dort, wo dies nach dem gewählten Regelungskonzept ohne Beeinträchtigung der Effektivität der Rechtsprechungstätigkeit möglich ist, diese Bestimmung anhand von Kriterien zu erfolgen hat, die subjektive Wertungen weitgehend ausschließen. | |
LB 4) Art.101 Abs.1 Satz 2 GG schließt die Verwendung unbestimmter Begriffe nicht aus. Die Forderung nach Bestimmtheit und Eindeutigkeit der Zuständigkeitsregelung ist nur verletzt, wenn die Regelung mehr als nach dem Regelungskonzept notwendig auf solche Begriffe zurückgreift. | |
LB 5) Mit dieser Entscheidung wird die Auslegung des Art.101 Abs.1 Satz 2 GG verdeutlicht und fortgebildet. Es besteht deshalb Anlaß, die bisherigen Mitwirkungsregeln in überbesetzten Spruchkörpern noch für eine Übergangszeit hinzunehmen, um den Fachgerichten Gelegenheit zu geben, sich auf die nunmehr geklärte verfassungsrechtliche Lage einzustellen. | |
LB 6) Die Fachgerichte haben die Pflicht, die Einhaltung der nach Art.101 Abs.1 Satz 2 GG gebotenen Anforderungen spätestens ab dem 1.Juli 1997 für die ab diesem Zeitpunkt anhängig werdenden Verfahren sicherzustellen. | |
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Plenumsbeschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
97.011 | Aufenthaltsbeschränkung |
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Zur Verfassungsmäßigkeit einer räumlichen Beschränkung der Aufenthaltsgestattung für Asylbewerber und ihrer Strafbewehrung für Fälle wiederholter Zuwiderhandlung. | |
LB 2) § 20 Abs.1 Satz 1, § 34 Abs.1 Nr.3 Buchstabe a) AsylVfG aF waren mit Art.2 Abs.1 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar. | |
LB 3) Eine Regelung, wonach die wiederholte Zuwiderhandlung gegen die räumliche Aufenthaltsbeschränkung mit Kriminalstrafe bedroht ist, überschreitet nicht den dem Gesetzgeber insoweit eingeräumten Gestaltungsspielraum. | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
97.012 | Grundmandatsklausel |
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Zur Verfassungsmäßigkeit der Grundmandatsklausel des § 6 Abs.6 Satz 1, 2. Halbsatz BWG. | |
LB 2) Die Regelung des § 6 Abs.6 Satz 1, 2.Halbsatz BWG und ihre Anwendung auf die PDS bei der Bundestagswahl 1994 halten der verfassungsge richtlichen Uberprüfung stand. Die Grundmandatsklausel gibt zwar den Zweitstimmen für Parteien, die das Fünfprozentquorum nicht erreicht haben, unterschiedliche Erfolgskraft; dies ist jedoch gerechtfertigt. | |
§§§ | |
97.013 | Überhangmandate |
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Zur Verfassungsmäßigkeit von Überhangmandaten, die ohne Verrechnung anfallen oder ohne Ausgleichsmandate zugeteilt werden. | |
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Urteil | Entscheidungsformel:
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§§§ | |
97.014 | Weihnachtsfreibetrag-Aufhebung |
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1) Der Gleichheitssatz fordert nicht eine immer mehr individualisierende und spezialisierende Steuergesetzgebung, sondern die Regelung eines allgemein verständlichen und möglichst unausweichlichen Belastungsgrundes. Deshalb darf der Gesetzgeber einen steuererheblichen Vorgang um der materiellen Gleichheit willen im typischen Lebensvorgang erfassen und individuell gestaltbare Besonderheiten unberücksichtigt lassen. | |
2) Zur Verfassungsmäßigkeit der Aufhebung von Arbeitnehmer- und Weihnachtsfreibetrag. | |
LB 3) Der Gleichheitssatz ist umso strikter, je mehr eine Regelung den Einzelnen als Person betrifft ( BVerfGE_82,60 <89 f>; BVerfGE_87,153 <170>), und umso offener für gesetzgeberische Gestaltungen, je mehr allgemeine, für rechtliche Gestaltungen zugängliche Lebensverhältnisse geregelt werden. | |
LB 4) Für den Sachbereich des Steuerrechts fordert Art.3 Abs.1 GG die steuerliche Lastengleichheit in ihren Komponenten der Gleichheit der normativen Steuerpflicht und der Gleichheit bei deren Durchsetzung in der Steuererhebung (BVerfGE_84,239 <271>). | |
LB 5) Jede gesetzliche Regelung muß verallgemeinern (BVerfGE_82,126 <151>). Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (vgl BVerfGE_82,159 <185 f>). | |
LB 6) Der Gesetzgeber hat vor allem bei der Ordnung von Massenerscheinungen und deren Abwicklung einen - freilich nicht unbegrenzten - Spielraum für generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen (vgl BVerfGE_82,126 <151 f>; BVerfGE_84,348 <359 f>). | |
LB 7) Der Gesetzgeber darf, wie etwa bei der einkommensteuerlichen Verschonung des Existenzminimums (vgl BVerfGE_87,153 <169 ff>, einen steuererheblichen Vorgang um der materiellen Gleichheit willen im typischen Lebensvorgang erfassen und individuell gestaltbare Besonderheiten unberücksichtigt lassen. | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
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T-97-02 | Gleichbehandlung im Steuerrecht |
"Ob die Vorlage zulässig ist, mag dahinstehen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts sind jedenfalls offensichtlich unbegründet, so daß nach § 24 BVerfGG verfahren werden kann (vgl BVerfGE_53,100 <106>; BVerfGE_79,223 <231>). I. | |
Art.1 Nr.20 des Steuerreformgesetzes 1990 ist mit Art.3 Abs.1 GG vereinbar. Zwar hat der Einkommensteuergesetzgeber die Steuerschuldner in den verschiedenen Einkunftsarten gleich zu behandeln; die Verpflichtung zur Belastungsgleichheit schließt aber nicht aus, daß das Erhebungsverfahren um der Allgemeinheit und Verläßlichkeit der Besteuerung willen je nach Einkunftsart entsprechend den typischen Lebensvorgängen - auch mit meßbaren Unterschieden für Gruppen von Steuerpflichtigen verschieden geregelt wird. | |
1. Art.3 GG verlangt die Gleichbehandlung "aller Menschen" vor dem Gesetz (Abs.1) und verbietet jede Benachteiligung oder Bevorzugung wegen persönlichkeitsbedingter Eigenheiten (Abs.2 und 3). Der Gleichheitssatz ist umso strikter, je mehr eine Regelung den Einzelnen als Person betrifft (BVerfGE_82,60 <89 f>; BVerfGE_87,153 <170>), und umso offener für gesetzgeberische Gestaltungen, je mehr allgemeine, für rechtliche Gestaltungen zugängliche Lebensverhältnisse geregelt werden. Für den Sachbereich des Steuerrechts fordert Art.3 Abs.1 GG die steuerliche Lastengleichheit in ihren Komponenten der Gleichheit der normativen Steuerpflicht und der Gleichheit bei deren Durchsetzung in der Steuererhebung (BVerfGE_84,239 <271>). Soweit das Einkommensteuerrecht mehrere Einkunftsarten unterscheidet und daran auch unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft, müssen letztere ihre Rechtfertigung - wenn auch in typisierender und generalisierender Weise - in sachlichen Gründen finden. Die systematische Unterscheidung von Einkunftsarten durch den Gesetzgeber kann für sich allein die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen (BVerfGE_84,348 <363 f>). | |
Jede gesetzliche Regelung muß verallgemeinern (BVerfGE_82,126 <151>). Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (vgl BVerfGE_82,159 <185 f>). Diese gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings auf eine möglichst weite, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließende Beobachtung aufbauen (BVerfGE_84,348 <360>; BVerfGE_87,234 <255>). Der Gesetzgeber hat vor allem bei der Ordnung von Massenerscheinungen und deren Abwicklung einen - freilich nicht unbegrenzten - Spielraum für generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen (vgl BVerfGE_82,126 <151 f>; BVerfGE_84,348 <359 f>) | |
2. Steuerrechtliche Regelungen sind so auszugestalten, daß Gleichheit im Belastungserfolg für alle Steuerpflichtigen hergestellt werden kann. Der Gleichheitssatz fordert nicht eine immer mehr individualisierende und spezialisierende Gesetzgebung, die letztlich die Gleichmäßigkeit des Gesetzesvollzugs gefährdet, sondern die Regelung eines allgemein verständlichen und möglichst unausweichlichen Belastungsgrundes. Deshalb darf der Gesetzgeber, wie etwa bei der einkommensteuerlichen Verschonung des Existenzminimums (vgl BVerfGE_87,153 <169 ff>, einen steuererheblichen Vorgang um der materiellen Gleichheit willen im typischen Lebensvorgang erfassen und individuell gestaltbare Besonderheiten unberücksichtigt lassen. Er darf auch die Verwirklichung des Steueranspruchs verfahrensrechtlich erleichtern und dabei die für den Staat verfügbaren personellen und finanziellen Mittel berücksichtigen (vgl BVerfGE_81,108 <117>; BVerfGE_84,348 <364>). Außerdem kann eine Tatbestandstypisierung dazu dienen, komplizierte Lebenssachverhalte übersichtlicher und verständlicher zu machen, um so den steuerlichen Belastungsgrund zu verdeutlichen und in das Bewußtsein zu rücken. II. | |
Nach diesen Maßstäben ist die Aufhebung des Arbeitnehmer und des Weihnachtsfreibetrages mit Art.3 Abs.1 GG vereinbar. | |
Die für den Steuerpflichtigen in Liquiditätsvorteilen meßbaren Unterschiede zwischen einem in der Regel monatlichen Lohnsteuerabzug und einer vierteljährlichen Vorauszahlung bei anderen Einkünften bedürfen keines Ausgleichs. Zwar fordert der Gleichheitssatz nach den Vorgaben des Einkommensteuergesetzes von allen Steuerpflichtigen eine gegenwartsnahe Leistung, um gegenwärtigen Finanzbedarf des Staates zu decken. Der Gesetzgeber hat jedoch die für den Steuerpflichtigen sich ergebenden Vor- und Nachteile aus einer unterschiedlichen Erhebung von Lohnsteuer und sonstiger Einkommensteuer insgesamt in vertretbarer Weise gewichtet. | |
1. Die Steuererhebung hat den materiellen Steueranspruch möglichst wirksam gegenüber jedem Steuerpflichtigen durchzusetzen (BVerfGE_84,239 <271>). Der Einkommensteuerpflichtige soll mit seinem jeweiligen steuerpflichtigen Einkommen zur Deckung des gegenwärtigen staatlichen Finanzbedarfs beitragen. Dementsprechend ist die Einkommensteuer in ihrer Ausgestaltung als Jahressteuer und in ihrer kontinuierlichen Erhebung auch auf eine Belastungsgleichheit in der Zeit angelegt. | |
Die wirksamste Form eines gegenwartsnahen Gesetzesvollzugs bietet die Quellensteuer, die das Einkommensteuergesetz für die Lohnsteuer (§ 38), die Kapitalertragsteuer (§ 43) und die sog Aufsichtsratsteuer (§ 50a) kennt. Die Quellensteuer wird bei der Auszahlung erhoben und dem Steuerpflichtigen als Vorauszahlung auf die von ihm endgültig geschuldete Einkommensteuer angerechnet (§ 36 Abs.4 EStG). | |
Soweit der Quellenabzug bei anderen Einkünften nicht möglich oder gesetzlich nicht vorgesehen ist, werden Steuerzahlungen nicht in gleicher Gegenwartsnähe erbracht und mögen auch durch willentliche Gestaltungen verzögert oder gar gänzlich vermieden werden können. Insoweit wird das gesetzliche Ziel einer gegenwartsnahen und unausweichlichen Steuererhebung nicht vollständig verwirklicht. Dies mag dem Gesetzgeber Anlaß sein, die Zeitgleichheit und Unausweichlichkeit der Steuerlast zu verbessern, verpflichtet ihn aber nicht, die dem Gesetzesziel entsprechende Regelung des Quellenabzugs durch Sondertatbestände einer diesem Ziel ferneren Erhebungsform anzunähern. | |
2. Eine Gesamtwürdigung der mit der Lohnsteuererhebung verbundenen Vor- und Nachteile ergibt, daß diese Ungleichheiten der typisiert geregelten und notwendig an der Einkunftsart ausgerichteten Steuererhebung nicht ein Gewicht haben, das den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum vertretbarer Typisierung übersteigt. Ein dem Art.3 Abs.1 GG genügender Vergleich darf sich nicht auf die Prüfung eines mit dem Lohnsteuererhebungsverfahren verbundenen Liquiditätsnachteils beschränken, sondern muß in einem Gesamtvergleich die steuererheblichen Unterschiede zwischen den Lohneinkünften und den übrigen Einkunftsarten analysieren und bewerten und dabei die typischerweise zusammentreffenden Vor- und Nachteile für die Belastung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beachten (BVerfGE_12,151 <167>; BVerfGE_29,221 <237>; BVerfGE_84,348 <362>). Gleichheitserheblich ist insoweit der durch die Gesamtregelung hergestellte Belastungserfolg. In diesem Gesamtvergleich sind insbesondere die Verschiedenheiten in den Erklärungs- und Buchführungspflichten einschließlich ihrer Kostenfolge, die jeweiligen Zeitwirkungen der Maßstäbe für Gewinn- und Überschußeinkünfte, die gesetzlichen Regelungen zur Annäherung der Belastungszeitpunkte und zum Ausgleich von Liquiditätsunterschieden, Vereinfachungen und Typisierungen für die einzelnen Einkunftsarten zu beurteilen. Dabei ist auch die Regelung des § Da EStG zu berücksichtigen, der zwar einen reinen Werbungskostenpauschbetrag gewährt (BFH, BStBl II 1992, S.752) und deshalb nicht geeignet ist, den Wegfall von Arbeitnehmer- und Weihnachtsfreibetrag zu kompensieren, jedoch in eine Gesamtwürdigung der Lohnbesteuerung einzubeziehen ist. | |
Bei einem solchen Gesamtvergleich tritt die Belastungswirkung der in der Regel monatlichen Lohnsteuererhebung jedenfalls hinter die übrigen - teilweise gegenläufig wirkenden - Regelungen über die Erhebung von Lohnsteuer und sonstiger Einkommensteuer zurück. Die Belastungsgleichheit in der Zeit wird daher durch die in der Regel monatliche Lohnsteuererhebung nur geringfügig berührt. Ein Gleichheitsverstoß liegt insoweit nicht vor. | |
3. In den von Art.3 Abs.1 GG geforderten Gesamtvergleich dürfen freilich nur Bestimmungen einbezogen werden, die ihrerseits der Verfassung entsprechen. Diese Voraussetzung ist für § 9a Nr.1 EStG gegeben. | |
Wenn der Gesetzgeber für alle Arbeitnehmer einen Mindestaufwand von 2.000 DM pro Jahr in einer Werbungskostenpauschale typisiert, bleibt er damit im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums. Ob und inwieweit dem Arbeitnehmer ein Aufwand tatsächlich entsteht, hängt vielfach von seiner freien Entscheidung ab. So bestimmt sich etwa der Aufwand für die Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsstätte danach, ob sich der Arbeitnehmer für eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, mit dem eigenen Kraftfahrzeug oder für andere Verkehrsmittel entschieden und sodann, ob er eine alleinige oder gemeinsame Nutzung seines Fahrzeugs gewählt hat. Der Gleichheitssatz fordert demgegenüber nicht, daß der Gesetzgeber stets den gewillkürten Aufwand berücksichtigen müsse; der materiellen Gleichheit kann es auch genügen, wenn der Gesetzgeber für bestimmte Arten von Aufwendungen nur den Abzug eines typisiert festgelegten Betrages gestattet. Dies hat das Bundesverfassungsgericht bereits für die Abziehbarkeit des existenzsichernden Aufwandes in einem gesetzlich typisierten Existenzminimum anerkannt (BVerfGE_87,153 <172>). Es gilt umsomehr für die Regelung des § 9a EStG, der nur die Typisierung eines Mindestaufwandes vorsieht, den Nachweis höherer Werbungskosten aber ausdrücklich zuläßt. Die Einführung eines erhöhten Werbungskosten-Pauschbetrages ist auch insoweit mit dem Gleichheitssatz vereinbar, als der Pauschbetrag mit einem steuerfreien oder pauschal versteuerten Werbungskostenersatz durch den Arbeitgeber - etwa gemäß §§ 3 Nr.16, 40 Abs.2 Satz 2 EStG - zusammentrifft. Eine Begünstigungskumulation beträfe die Verfassungsmäßigkeit der besonderen Entlastungstatbestände, änderte aber nichts an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des allgemeinen Pauschbetrages. | |
4. Da Art.1 Nr.20 des Steuerreformgesetzes 1990 mit dem Grundgesetz vereinbar ist und Art.1 Nr.12 dieses Gesetzes keinen verfassungsrechtlichen Einwänden begegnet, wird die Frage nach den Auswirkungen der vom vorlegenden Gericht behaupteten Verfassungswidrigkeit dieser Regelungen auf § 39a Abs.1 Nr.5 EStG gegenstandslos." | |
Auszug aus BVerfG B, 10.04.97, - 2_BvL_77/92 -, www.BVerfG.de, Abs.21 ff | |
§§§ | |
97.015 | Verdachtsberichterstattung |
| |
Es ist keine übermäßige Beschränkung der Pressefreiheit, wenn die Gerichte nach einer Verdachtsberichterstattung den erforderlichen Ausgleich zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht dadurch herbeiführen, daß sie dem Betroffenen grundsätzlich das Recht zubilligen, eine ergänzende Mitteilung über den für ihn günstigen Ausgang des Strafverfahrens zu verlangen. | |
LB 2) Die Pressefreiheit ist sowohl in positiver wie in negativer Hinsicht geschützt. Der Träger der Pressefreiheit soll grundsätzlich selbst entscheiden dürfen, was er in sein Presseerzeugnis aufnehmen will und was nicht. | |
LB 3) Die Pressefreiheit genießt keinen vorbehaltlosen Schutz. Gemäß Art.5 Abs.2 GG findet sie ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre. Dazu zählen auch §§ 823, 1004 BGB analog, auf die das Oberlandesgericht sein Urteil gestützt hat. | |
LB 4) Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, daß das Oberlandesgericht wie im übrigen auch das Landgericht in Anlehnung an den Bundesgerichtshof (BGHZ_57,325) aus den Vorschriften der §§ 823, 1004 BGB analog einen "äußerungsrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch" entnommen hat, der selbständig neben dem an andere Voraussetzungen gebundenen Gegendarstellungsrecht steht und dann eingreift, wenn eine ursprünglich rechtmäßige Meldung über eine Straftat sich aufgrund späterer gerichtlicher Erkenntnisse in einem anderem Licht darstellt und die durch die Meldung hervorgerufene Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts andauert. | |
* * * | |
T-97-03 | Folgenbeseitigungsanspruch: äußerungsrechtlicher |
"Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs.2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Die Maßstäbe für die Lösung eines Konflikts zwischen der Meinungs- und Pressefreiheit einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von einer Äußerung nachteilig Betroffenen andererseits sind in der Verfassungsrechtsprechung so weit geklärt, daß anhand dessen auch die Fragen, die der vorliegende Fall aufwirft, beantwortet werden können. Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung des Grundrechts der Pressefreiheit angezeigt, weil die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat. Das Oberlandesgericht hat Bedeutung und Tragweite dieses Grundrechts nicht grundlegend verkannt. | |
Die Entscheidung beeinträchtigt die Beschwerdeführerin allerdings in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit. Dieses gewährleistet seinem Träger das Recht, das von ihm verlegte Presseerzeugnis nach seinen eigenen Vorstellungen zu gestalten (vgl BVerfG, Beschluß vom 8.Oktober 1996 - 1_BvR1183/90 - Werkszeitung). Diese Freiheit ist sowohl in positiver wie in negativer Hinsicht geschützt. Der Träger der Pressefreiheit soll grundsätzlich selbst entscheiden dürfen, was er in sein Presseerzeugnis aufnehmen will und was nicht. In dieses Recht greift die Verpflichtung zum Abdruck einer Meldung ein. | |
Der Eingriff ist verfassungsrechtlich aber gerechtfertigt. Die Pressefreiheit genießt keinen vorbehaltlosen Schutz. Gemäß Art.5 Abs.2 GG findet sie ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre. Dazu zählen auch §§ 823, 1004 BGB analog, auf die das Oberlandesgericht sein Urteil gestützt hat. Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften ist Sache der Zivilgerichte. Sie kann vom Bundesverfassungsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob dabei die Ausstrahlungswirkung des von der Entscheidung berührten Grundrechts nicht hinreichend beachtet worden ist. Das ist hier nicht der Fall. | |
Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, daß das OLG wie im übrigen auch das LG in Anlehnung an den BGH (BGHZ_57,325 = NJW_72,431) aus den Vorschriften der §§ 823, 1004 BGB analog einen "äußerungsrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch" entnommen hat, der selbständig neben dem an andere Voraussetzungen gebundenen Gegendarstellungsrecht steht und dann eingreift, wenn eine ursprünglich rechtmäßige Meldung über eine Straftat sich aufgrund späterer gerichtlicher Erkenntnisse in einem anderen Licht darstellt und die durch die Meldung hervorgerufene Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts andauert. | |
Eine übermäßige Beeinträchtigung der Pressefreiheit liegt darin nicht. Das ergibt sich aus der Eigenart der Verdachtsberichterstattung. Einerseits könne die Presse, wenn ihr jede Verdachtsberichterstattung untersagt wäre, ihre Informations- und Kontrollfunktion (vgl BVerfGE_20,162 (174 ff) = NJW_66,1603) nicht ausreichend erfüllen. Andererseits birgt eine Verdachtsberichterstattung stets das Risiko der Unrichtigkeit in sich. Das gilt insbesondere bei Bericht über Vorfälle, die Gegenstand gerichtlicher Aufklärung werden. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Gerichte den erforderlichen Ausgleich zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht dadurch herbeiführen, daß sie dem Betroffenen das Recht zubilligen, eine ergänzende Mitteilungen über den für ihn günstigen Ausgang des Verfahrens zu verlangen. | |
Das Oberlandesgericht hat dieses Recht auch nicht zu weit ausgedehnt. Eine generelle Pflicht der Presse, die Berichterstattung über ein einmal aufgegriffenes Thema bei neuen Entwicklungen fortzusetzen, hat es im Einklang mit dem Bundesgerichtshof (vgl BGHZ, aaO) ebenso abgelehnt wie eine Pflicht, selbst nachzuforschen, ob sich der Verdacht bewahrheitet hat oder nicht. Ferner hat es nicht verlangt, daß die Beschwerdeführerin von der anfänglichen Meldung abrückt, sondern nur die Mitteilung des nachträglich eingetretenen Freispruchs gefordert. Schließlich ist die Pflicht zur ergänzenden Berichterstattung an den Fortbestand der Persönlichkeitsbeeinträchtigung geknüpft worden. Verfassungsrechtlich läßt es sich auch nicht beanstanden, daß das Oberlandesgericht der Aktualität der ergänzenden Meldung kein durchschlagendes Gewicht beigemessen hat, weil der Anspruch bei der Dauer gerichtlicher Verfahren sonst in vielen Fällen scheitern müßte. | |
Die Frage, in der allein Landgericht und Oberlandesgericht voneinander abweichen, ob die Beeinträchtigung andauerte oder ob aus dem Umstand, daß der Kläger zwischen dem Freispruch und seinem Verlangen auf ergänzende Meldung geraume Zeit verstreichen ließ, auf den Wegfall der Beeinträchtigung geschlossen werden kann, obliegt der Beurteilung durch die Zivilgerichte. Daß sich das Oberlandesgericht im Gegensatz zum Landgericht bei der Beantwortung dieser Frage an der Verjährungsfrist des § 852 Abs.1 BGB orientiert hat, läßt jedenfalls eine grundlegende Verkennung von Art.5 Abs.1 Satz 2 GG nicht erkennen. Dasselbe gilt für die vom Oberlandesgericht angenommene Erforderlichkeit einer redaktionellen Meldung. | |
Auszug aus BVerfG B, 28.04.97, - 1_BvR_765/97 -, www.BVerfG.de, Abs.11 ff | |
§§§ | |
97.016 | Durchsuchungsanordnung |
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1) Eröffnet das Prozeßrecht eine weitere Instanz, so gewährleistet Art.19 Abs.4 GG in diesem Rahmen die Effektivität des Rechtsschutzes iS eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle. | |
2) a) Dieses Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes (Art.19 Abs.4 GG) gibt dem Betroffenen das Recht, in Fällen tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkender Grundrechtseingriffe auch dann die Berechtigung des Eingriffs gerichtlich klären zu lassen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozeßordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann. | |
LB 3) Es obliegt zuvörderst den Fachgerichten, die Grundrechte zu wahren und durchzusetzen (vgl BVerfGE_47,182 <190>; BVerfGE_49,252 <258>; BVerfGE_63,77 <79>; BVerfGE_73, 322 <327>; BVerfGE_94,166 <213>). | |
LB 4) Die Funktionenteilung zwischen der Fach- und Verfassungsgerichtsbarkeit läßt es nicht zu, daß ein Beschwerdeführer, der von einem seiner Natur nach alsbald erledigten Eingriff schwerwiegend im Schutzbereich eines individuellen Grundrechts betroffen ist, erst und nur im Wege der Verfassungsbeschwerde effektiven Grundrechtsschutz einfordern kann. Mit dieser Feststellung weicht der Senat von der in BVerfGE_49,329 (343) vertretenen Auffassung ab. | |
LB 5) Tiefgreifende Grundrechtseingriffe kommen vor allem bei Anordnungen in Betracht, die das Grundgesetz - wie in den Fällen des Art.13 Abs.2 und Art.104 Abs.2 und 3 - vorbeugend dem Richter vorbehalten hat. | |
LB 6) Die Unverletzlichkeit der Wohnung steht unter vorbeugendem Richtervorbehalt (Art.13 Abs.2 GG). Dieser Rechtsschutz läuft ohne die Möglichkeit nachträglicher Überprüfung der Durchsuchungsanordnung in der Beschwerdeinstanz weitgehend leer, zumal der Ermittlungsrichter in aller Regel gemäß § 33 Abs.4 StPO ohne Anhörung des Betroffenen entscheiden muß. Deshalb wird ein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen, die Rechtswidrigkeit der Maßnahme gerichtlich feststellen zu lassen, nicht nur ausnahmsweise anzunehmen sein. | |
* * * | |
Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
97.017 | Bennung des Vaters |
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1) Weder durch das nach Art.2 Abs.1 iVm Art.1 Abs.1 GG geschützte Rechts des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung noch durch Art.6 Abs.5 ist für die Frage, ob ein nichteheliches Kind einen Anspruch gegen seine Mutter auf Benennung des Vaters hat, ein bestimmtes Ergebnis vorgegeben. | |
2) Den Gerichten steht bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Grundrechten der Mutter und des Kindes im Rahmen der Anwendung zivilrechtlicher Generalklauseln - wie hier § 1618a BGB - ein weiter Spielraum zur Verfügung. | |
LB 3) Die Verurteilung der Beschwerdeführerin zur Benennung der Männer, mit denen sie während der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehr hatte, beeinträchtigt ihre von Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG geschützte Privatsphäre. | |
LB 4) Aus Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG folgt allerdings eine Schutzpflicht der staatlichen Organe, die sich auch auf die Gewährleistung der für die Persönlichkeitsentfaltung konstitutiven Bedingungen bezieht (vgl BVerfGE_54,148 <153>; BVerfGE_79,256 <268>). | |
LB 5) Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb in ständiger Rechtsprechung betont, daß die Aufstellung und normative Umsetzung eines Schutzkonzepts Sache des Gesetzgebers ist, dem grundsätzlich auch dann ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zukommt, wenn er verpflichtet ist, Maßnahmen zum Schutz eines Rechtsguts zu ergreifen (vgl BVerfGE_88,203 <262>). | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
97.018 | |
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LB 1) Die Erstattung notwendiger Auslagen für das Landesorganstreitverfahren (Hauptsache und Antrag gemäß § 32 BVerfGG) ist nicht anzuordnen. | |
LB 2) Die Auslagenerstattung richtet sich im Organstreitverfahren nach § 34a Abs.3 BVerfGG. Sie kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn besondere Billigkeitsgründe vorliegen (vgl BVerfGE_20,119 <133 f>; BVerfGE_49,70 <89>). | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
97.019 | Durchsuchungsanordnung |
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1) Der Richter darf eine Durchsuchung nur anordnen, wenn er sich aufgrund eigenverantwortlicher Prüfung der Ermittlungen überzeugt hat, daß die Maßnahme verhältnismäßig ist. Seine Anordnung hat die Grundlage der konkreten Maßnahme zu schaffen und muß Rahmen, Grenzen und Ziel der Durchsuchung definieren. | |
2) Der Zweck des Richtervorbehalts hat Auswirkungen auch auf den Zeitraum, innerhalb dessen die richterliche Durchsuchungsanordnung vollzogen werden darf. Spätestens nach Ablauf eines halben Jahres verliert ein Durchsuchungsbeschluß seine rechtfertigende Kraft. | |
LB 3) Mit der Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung durch Art.13 Abs.1 GG erfährt die räumliche Lebenssphäre des Einzelnen einen besonderen grundrechtlichen Schutz. Diesem Schutz unterfallen auch beruflich genutzte Räume wie Arztpraxen (vgl BVerfGE_32,54 <69 ff>; BVerfG_42,212 <219>; BVerfGE_44,353 <371>; BVerfGE_76,83 <88>). | |
LB 4) Die Gewährleistung wird dadurch verstärkt, daß Durchsuchungen nach Art.13 Abs.2 GG nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe, angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden dürfen. Solche Maßnahmen enthalten einen erheblichen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen. Sie bedürfen einer Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl BVerfGE_20,162 <186 f.>). | |
LB 5) Der Richter darf die Durchsuchung nur anordnen, wenn er sich auf Grund eigenverantwortlicher Prüfung der Ermittlungen überzeugt hat, daß die Maßnahme verhältnismäßig ist. Er hat zudem durch geeignete Formulierungen des Durchsuchungsbeschlusses im Rahmen des Möglichen sicherzustellen, daß der Grundrechtseingriff angemessen begrenzt wird sowie meßbar und kontrollierbar bleibt (vgl BVerfGE_42,212 <220>) | |
LB 6) Art.13 Abs.2 GG läßt es zu, von dem Vollzug einer Durchsuchungsanordnung vorläufig abzusehen, erlaubt es aber nicht, daß der Staatsanwalt sich eine Durchsuchungsanordnung gewissermaßen auf Vorrat besorgt oder diese doch vorrätig hält. | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
97.020 | DDR-Botschafter |
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1) Die Regeln des Diplomatenrechts stellen eine in sich geschlossene Ordnung, ein sog self-contained régime dar, das die möglichen Reaktionen auf Mißbräuche der diplomatischen Vorrechte und Immunitäten grundsätzlich abschließend umschreibt. | |
2) Staatenimmunität und diplomatische Immunität sind verschiedene Institute des Völkerrechts mit jeweils eigenen Regeln, so daß von etwaigen Beschränkungen in einem Bereich nicht auf den anderen geschlossen werden kann. | |
3) Es besteht keine allgemeine Regel des Völkerrechts, nach der die in Art.39 Abs.2 Satz 2 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen kodifizierte, fortwirkende Immunität über die Bestimmungen dieses Abkommens hinaus erga omnes, also auch gegenüber Drittstaaten wirkte. | |
4) Es besteht keine allgemeine Regel des Völkerrechts, nach der die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet wäre, die fortwirkende Immunität eines ehemals in der DDR akkreditierten Botschafters von strafrechtlicher Verfolgung nach Art.39 Abs.2 Satz 2 Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen aus Gründen der Staatennachfolge zu beachten, wenn die Bundesrepublik Deutschland bereits vor der Wiedervereinigung zur Strafverfolgung nach bundesdeutschem Recht befugt gewesen ist. | |
§§§ | |
97.021 | Überstellung auf Wunsch |
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1) Stellt ein Gesetz die Vornahme oder das Unterlassen einer Maßnahme in das Ermessen der zuständigen Behörde, so greift die Rechtsschutzgarantie des Art.19 Abs.4 GG, wenn das Entscheidungsprogramm des Gesetzes der Behörde aufgibt, bei der Ermessensausübung rechtlich geschützte Interessen des Betroffenen zu berücksichtigen. | |
2) Das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen und das Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen veranlassen ein Verfahren, in dem die Grundrechtsposition des Verurteilten neben dem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung zu berücksichtigen ist. Findet ein zweistufiges Verfahren statt, in dem vor der Bewilligungsentscheidung des Bundesministeriums der Justiz die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde die vollstreckungsrechtlichen Belange prüft und eine Überstellung anregt, so muß der Resozialisierungsanspruch des Verurteilten bei der Entscheidung der Staatsanwaltschaft Berücksichtigung finden. Art.19 Abs.4 GG verbürgt insoweit den gerichtlichen Rechtsschutz zur Prüfung, ob die Vollstreckungsbehörde ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. | |
LB 3) Den Verfassungsbeschwerden zu 1. und 3. kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, die ihre Annahme rechtfertigt (§ 93a Abs.2 Buchstabe a BVerfGG). Nur hier wird entscheidungserheblich die Frage aufgeworfen, ob die ablehnende Entscheidung der Vollstreckungsbehörde im Verfahren der Vollstreckungshilfe nach § 71 IRG in Verbindung mit dem Überstellungsübereinkommen justitiabel ist. | |
LB 4) Die Rechtsstellung eines zu einer Freiheitsstrafe Verurteilten ist wesentlich durch seinen gemäß Art.2 Abs.1 iVm Art.1 Abs.1 GG gewährleisteten Anspruch auf Resozialisierung bestimmt; das Resozialisierungsziel entspricht dem Selbstverständnis einer der Menschenwürde und dem Sozialstaatsprinzip verpflichteten Gemeinschaft (vgl BVerfGE_35,202 <235 f.>; BVerfGE_36,174 <188>; BVerfGE_45,187 <239>). | |
LB 5) Die Beschlüsse, mit denen die Gerichte die Anträge der Beschwerdeführer zu 1. und 3. auf Überprüfung der staatsanwaltschaftlichen Bescheide als unzulässig angesehen haben, sind mit Art.19 Abs.4 GG nicht vereinbar. | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
97.022 | Bay-Schwangerenhilfegesetz |
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LB: Die Abwägung der Folgen ergibt, daß die Nachteile bei einer Ablehnung der einstweiligen Anordnung schon deswegen überwiegen, weil sich der vom Landesgesetzgeber erstrebte zusätzliche Lebensschutz auch in diesem Fall vorläufig nicht einstellen würde, der Aufschub also das vom Gesetzgeber verfolgte Anliegen nicht berührt. | |
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Urteil | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
97.023 | Hamburger-Beihilfeverordnung |
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Das gemäß § 76 Nr.2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz im abstrakten Normenkontollverfahren erforderliche objektive Klärungsinteresse an der Geltung einer Norm besteht nur, wenn die Nichtanwendung der Norm zu einer Rechtsunsicherheit führt, die das Bundesverfassungsgericht mit verbindlicher Wirkung beheben kann. Das setzt voraus, daß die Geltung der Norm ausschließlich darum in Frage gestellt wird, weil sie mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar sei. | |
LB 2) Wird die Norm aber zusätzlich aus anderen Gründen nicht angewandt, etwa weil sie als Rechtsverordnung auch von einer landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt sei, so kann das Bundesverfassungsgericht die zur Frage der Geltung der Norm bestehende Rechtsunsicherheit insgesamt nicht verbindlich ausräumen. | |
LB 3) das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung ausdrücklich auch damit begründet, daß die Ermächtigungsgrundlage des § 85 (Satz 3) HmbBG die auf dem Verordnungswege getroffene Regelung nicht decke. Die vom Oberverwaltungsgericht festgestellte Unvereinbarkeit der landesrechtlichen Norm mit dem bundesrechtlichen Grundsatz der Fürsorgepflicht hat damit im Ergebnis keine entscheidungserhebliche Bedeutung erlangt. | |
§§§ | |
97.024 | Volksbegehren Franken |
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LB 1) Das Ausführungsgesetz zu Art.29 Abs.6 des Grundgesetzes kennt nur natürliche Personen als Antragsteller, die in bestimmter Anzahl den Antrag auf Zulassung eines Volksbegehrens unterschreiben müssen (vgl auch BVerfGE_13,54 <82 f>). Mit der Initiative zu einem Volksbegehren machen sie Rechte geltend, die aus dem aktiven Status des Bürgers fließen (vgl BVerfGE_60,175 <201 f>); ihr Antragsrecht ist daher Bestandteil des Stimmrechts. Eine Vereinigung als juristische Person hat daher kein Antragsrecht. | |
LB 2) Der Beschwerdeführer zu 2. ist beschwerdeberechtigt. Er hat die Beschwerde als Vertrauensmann der Antragsteller eingelegt und macht damit ähnlich einer Prozeßstandschaft die Rechte der Gesamtheit der Unterzeichner des Zulassungsantrags im eigenen Namen geltend. Dies entspricht auch seiner Stellung im Zulassungsverfahren; gemäß § 23 Abs.2 G Artikel 29 Abs.6 sind nur er oder sein Stellvertreter berechtigt, verbindliche Erklärungen zu dem Zulassungsantrag abzugeben oder entgegenzunehmen. | |
LB 3) Das Bundesministerium des Innern hat - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - bereits im Rahmen des Zulassungsverfahrens umfassend zu prüfen, ob das Erfordernis eines zusammenhängenden, abgegrenzten Siedlungs- und Wirtschaftsraumes erfüllt ist. | |
LB 4) Der Begriff des zusammenhängenden, abgegrenzten Siedlungs- und Wirtschaftsraumes ist im Grundgesetz nicht definiert und hat keine verfassungsrechtliche Tradition. Er verweist auf sozio- ökonomische Kriterien, die insbesondere in der Raumordnung und Landesplanung verwendet werden. | |
LB 5) Das Merkmal des Abgegrenztseins verweist auf einen Raum, der nach innen Gemeinsamkeiten aufweist, die ihn gegenüber umliegenden Räumen abheben und als Einheit erscheinen lassen. | |
LB 6) Das Merkmal der Abgegrenztheit nach außen muß dem neu zu gliedernden Siedlungs- und Wirtschaftsraum unabhängig davon zukommen, ob man für seine innere Verflechtung einen dichtbesiedelten, oberzentralen Verflechtungsbereich in großen grenzüberschreitenden Ballungsräumen verlangt. | |
LB 7) Schon aus den vorstehend zu genannten Gründen ist der Antrag gemäß § 18 G Artikel 29 Abs.6 zu Recht abgelehnt worden und die Beschwerde hiergegen offensichtlich unbegründet. | |
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T-97-04 | Zulässigkeit Volksbegehren |
"Zulässig ist nur die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 2. Der Beschwerdeführer zu 1. ist nicht beschwerdebefugt. | |
1. Der angegriffene Bescheid verletzt den Beschwerdeführer zu 1. nicht in eigenen Rechten. An ihn ist der Bescheid zwar seinem Wortlaut nach gerichtet. Der Bescheid ist aber - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Beteiligten zu 1. in diesem Verfahren - dahin auszulegen, daß er sich an die Gesamtheit der Antragsteller richtet, deren Antrag er ablehnt. Dies wird auch dadurch bestätigt, daß der Bescheid den Beschwerdeführer zu 2. auch als Vertrauensmann aufführt; als solcher handelt er aber nur für die Gesamtheit der Antragsteller. | |
Antragsteller waren alle Unterzeichner des Zulassungsantrages. Der Beschwerdeführer zu 1. konnte kraft Gesetzes weder Antragsteller sein, noch ist er als Antragsteller gegenüber dem Bundesminister des Innern in Erscheinung getreten. | |
Das Ausführungsgesetz zu Art.29 Abs.6 des Grundgesetzes kennt nur natürliche Personen als Antragsteller, die in bestimmter Anzahl den Antrag auf Zulassung eines Volksbegehrens unterschreiben müssen (vgl auch BVerfGE_13,54 <82 f>). Mit der Initiative zu einem Volksbegehren machen sie Rechte geltend, die aus dem aktiven Status des Bürgers fließen (vgl BVerfGE_60,175 <201 f>); ihr Antragsrecht ist daher Bestandteil des Stimmrechts (vgl dazu die Begründung zu § 19 des Regierungsentwurfs zum Ausführungsgesetz, BTDrucks 8/1646, S.15). Eine Vereinigung als juristische Person hat daher kein Antragsrecht. | |
Aus den Antragsformularen ergibt sich, daß der Beschwerdeführer zu 1. auch nicht als Antragsteller aufgetreten ist. Die Durchführung des Volksbegehrens haben "die Unterzeichneten" beantragt; sie bilden die Gesamtheit der wahlberechtigten Unterzeichner des Zulassungsantrags. | |
2. Der Beschwerdeführer zu 2. ist beschwerdeberechtigt. Er hat die Beschwerde als Vertrauensmann der Antragsteller eingelegt und macht damit ähnlich einer Prozeßstandschaft die Rechte der Gesamtheit der Unterzeichner des Zulassungsantrags im eigenen Namen geltend. Dies entspricht auch seiner Stellung im Zulassungsverfahren; gemäß § 23 Abs.2 G Artikel 29 Abs.6 sind nur er oder sein Stellvertreter berechtigt, verbindliche Erklärungen zu dem Zulassungsantrag abzugeben oder entgegenzunehmen. | |
Die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 2. ist offensichtlich unbegründet. Der Bundesminister des Innern hat den Antrag nach einer Beurteilung der heutigen Siedlungs- und Wirtschaftsgrenzen zu Recht wegen Nichterfüllung der Voraussetzung eines zusammenhängenden, abgegrenzten Siedlungs- und Wirtschaftsraums abgelehnt. Dabei konnte der Bescheid auch offenlassen, ob es sich bei dem Neugliederungsgebiet des Art.29 Abs.4 GG um einen zentralörtlichen Verflechtungsbereich der höheren Stufe, also ein Ballungsgebiet mit dem ihm zugeordneten Einzugsbereich handeln muß, oder ob es schon genügt, wenn mehrere oberzentrale Verflechtungsbereiche vorliegen, zwischen denen interregionale Beziehungen bestehen. | |
1. Das Bundesministerium des Innern hat - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - bereits im Rahmen des Zulassungsverfahrens umfassend zu prüfen, ob das Erfordernis eines zusammenhängenden, abgegrenzten Siedlungs- und Wirtschaftsraumes erfüllt ist. Schon das Volksbegehren setzt einen solchen Siedlungs- und Wirtschaftsraum voraus. Diese nach dem Wortlaut der Verfassungsnorm naheliegende Deutung wird durch die Entstehungsgeschichte bekräftigt. Die Begründung des Regierungsentwurfs zum Ausführungsgesetz legt ausdrücklich dar, daß die Frage, ob es sich im konkreten Fall um einen den Anforderungen des Art.29 Abs.4 GG entsprechenden Raum handele, der Entscheidung im Antragsverfahren überlassen bleiben müsse und durch das Bundesverfassungsgericht überprüft werden könne (vgl BTDrucks.8/1646, S.15). | |
2. Der Begriff des zusammenhängenden, abgegrenzten Siedlungs- und Wirtschaftsraumes ist im Grundgesetz nicht definiert und hat keine verfassungsrechtliche Tradition. Er verweist auf sozio- ökonomische Kriterien, die insbesondere in der Raumordnung und Landesplanung verwendet werden. | |
a) Der Begriff knüpft an objektive Gegebenheiten des Siedlungs- und Wirtschaftsraums an; die landsmannschaftliche Verbundenheit ist hier - anders als bei Art.29 Abs.1 Satz 2 GG - kein Tatbestandsmerkmal. Vielmehr erhalten die Bürger das Recht, den Anstoß zu einem Bundesgesetz über eine Neugliederung des Bundesgebietes zu geben, von vornherein nur unter der Voraussetzung, daß sie in einem - objektiv feststellbaren - abgegrenzten Siedlungs- und Wirtschaftsraum leben, der von Landesgrenzen zerschnitten ist. | |
b) Das Merkmal des Abgegrenztseins verweist auf einen Raum, der nach innen Gemeinsamkeiten aufweist, die ihn gegenüber umliegenden Räumen abheben und als Einheit erscheinen lassen. Der Gesetzgeber ging dabei von einer großräumigen Verflechtung aus, wobei der Neugliederungsraum eine zusammenhängende äußere Begrenzung haben müsse und keine Oberzentren durchschneiden dürfe (vgl Begründung des Regierungsentwurfs zum Ausführungsgesetz, BTDrucks.8/1646, S.15). Dieser Raum muß so verflochten sein, daß er sich weitgehend als Einheit darstellt. Dazu ist es nicht schon ausreichend, daß innerhalb des Neugliederungsraumes erhebliche Pendlerbewegungen festzustellen sind. Dieser Umstand mag zwar für eine gewisse innere Verflechtung des Gebietes sprechen. Er sagt aber nichts darüber aus, daß sich der Raum von seinem Umland abhebt. Dies ist erst bei fehlender Verflechtung mit dem Umland der Fall. Der Bundesminister des Innern geht daher zutreffend davon aus, daß der Neugliederungsraum nicht abgegrenzt ist, wenn zwischen ihm und Teilen seines Umlandes erhebliche Pendlerbewegungen stattfinden. | |
c) Das Merkmal der Abgegrenztheit nach außen muß dem neu zu gliedernden Siedlungs- und Wirtschaftsraum unabhängig davon zukommen, ob man für seine innere Verflechtung einen dichtbesiedelten, oberzentralen Verflechtungsbereich in großen grenzüberschreitenden Ballungsräumen verlangt (vgl. dazu Maunz/Herzog in: Maunz/Dürig, Grundgesetz | |
3. Der Bundesminister des Innern hat zutreffend angenommen, daß der Neugliederungsraum jedenfalls nicht abgegrenzt ist und sich daher gegenüber dem Umland nicht abhebt. | |
a) Hierfür wird in dem angegriffenen Bescheid zu Recht maßgeblich auf die zwischen dem Neugliederungsgebiet und seinem Umland bestehenden erheblichen Pendlerverflechtungen abgestellt. Diese finden ihre Bestätigung in den Tabellen und Karten der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung, des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau sowie des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen. | |
So ist etwa die Zahl der Auspendler aus der Region Bayerischer Untermain in Gebiete außerhalb des Neugliederungsraums ungefähr zehnmal so hoch wie die Zahl derer, die aus dieser Region in andere Regionen des Neugliederungsraums pendeln (16.233 zu 1.677). Die Zahl der Einpendler in die Region Bayerischer Untermain aus Außengebieten ist ungefähr doppelt so hoch wie die Zahl der Einpendler aus dem übrigen Neugliederungsraum (3.042 zu 1.576). | |
Entsprechendes ergibt sich bei zusammenfassender Betrachtung der bayerischen und baden-württembergischen Gebiete: Im Jahre 1993 pendelten 37.267 Arbeitnehmer aus diesem Raum in das nicht im Neugliederungsgebiet liegende Umland. Innerhalb des Neugliederungsgebietes pendelte nur eine unwesentlich höhere Zahl von Arbeitnehmern (43.492). Die Einwände des Beschwerdeführers gegen diese von der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung ermittelten Zahlen sind unbegründet; die Pendler aus der baden-württembergischen Region Franken sind zu Recht einbezogen worden. | |
Aus den vom Bayerischen Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen erhobenen Strukturdaten ergeben sich ferner nicht unbeträchtliche Verflechtungen zwischen den bayerischen Neugliederungsbereichen und anderen Regionen des Freistaates Bayern. Das gilt insbesondere für Oberfranken-Ost und Oberpfalz-Nord sowie für die Regionen Mittelfranken und Oberpfalz-Nord. Demgegenüber sind die Verflechtungen innerhalb von Teilen des Neugliederungsgebietes, beispielsweise zwischen Würzburg und Westmittelfranken sowie den Bereichen Bayerischer Untermain und Würzburg, wesentlich geringer. | |
b) Da es somit schon den bayerischen Teilen des Neugliederungsraums an der notwendigen Abgegrenztheit zum Umland fehlt, kommt es nicht mehr darauf an, inwieweit der Main-Tauber-Kreis sowie die vier ehemaligen Thüringer Landkreise diesen Erfordernissen gerecht werden. Zu letzteren weist der angegriffene Bescheid etwa darauf hin, daß ab der zum 1.Juli 1994 wirksamen Gebietsreform diese vier Kreise mit anderen Thüringer Landkreisen zusammengelegt würden. | |
c) Substantiierte Einwendungen gegen diese zu a) und b) dargestellten Umstände hat der Beschwerdeführer zu 2. nicht erhoben. Er hat auch nicht weitere sozio-ökonomische Gesichtspunkte dargelegt, die auf die erforderliche Abgegrenztheit des Neugliederungsraumes hinweisen könnten. Solche Umstände sind auch nicht ersichtlich. | |
4. Schon aus den vorstehend zu 3. genannten Gründen ist der Antrag gemäß § 18 G Artikel 29 Abs.6 zu Recht abgelehnt worden und die Beschwerde hiergegen offensichtlich unbegründet. Es kommt daher auf weitere Voraussetzungen des Art.29 Abs.4 GG nicht mehr an. Das gilt für die Frage, ob diese Verfassungsnorm nur die Umgliederung oder auch die Bildung eines neuen Landes zuläßt, ebenso wie für weitere Merkmale des von Art.29 Abs.4 GG vorausgesetzten zusammenhängenden, abgegrenzten Siedlungs- und Wirtschaftsraumes." | |
Auszug aus BVerfG B, 24.06.97, - 2_BvP_1/94 -, www.dfr, Abs.37 ff | |
§§§ | |
97.025 | Kostenfestsetzung-BVerfG |
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LB 1) Die Entstehung einer Beweisgebühr des Verfahrensbevollmächtigten setzt die Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren voraus (vgl § 31 Abs.1 Nr.3 BRAGO). | |
LB 2) Eine Beweisaufnahme liegt vor, wenn sich das Gericht zur Ermittlung rechtserheblicher Tatsachen auf Antrag oder - im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz (vgl § 26 Abs.1 Satz 1 BVerfGG) - von Amts wegen eines Beweismittels bedient. | |
LB 3) Der förmlichen Anordnung einer Beweisaufnahme bedarf es nicht (vgl BVerfGE_81,387 <391>). Es genügt, daß das Gericht eine Beweiserhebung durchführt und der Rechtsanwalt am Beweisaufnahmeverfahren beteiligt ist (vgl BVerfGE_77,360 <361 f.>). | |
LB 4) Allerdings löst nicht schon jede Äußerung, die ein Organ des Bundes, eines Landes oder eines sonstigen im Verfahren Äußerungsberechtigten - auch auf Fragen oder auf ein Auskunftsersuchen des Senatsvorsitzenden oder des Berichterstatters - abgibt, eine Beweisgebühr aus. Befragungen dieser Art dienen regelmäßig als vorbereitende Maßnahmen der Stoffsammlung für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (vgl BVerfGE_63,148 <150 ff.>). Sie haben ihre Grundlage in der Beteiligung der Befragten am Verfahren und in der Wahrnehmung ihres Äußerungsrechts (vgl BVerfGE_81,387 <391>). | |
LB 5) Zu einer Beweisgebühr führen sie nur, wenn sie Gegenstand einer förmlichen Beweisanordnung sind oder wenn zum Beleg der Äußerung vorgelegte Unterlagen in der Entscheidung des Gerichts erkennbar als Beweismittel verwertet werden (vgl § 34 Abs.2 BRAGO; BVerfGE_63,148 <151 f>). | |
* * * | |
Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
97.026 | Stasi-Sonderkündigung |
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1) Der in Anl I Kap XIX Sachgeb A Abschn III Nr.1 V Nr.2 EinigungsV vorgesehene Sonderkündigungstatbestand wegen Tätigkeiten für das Ministerium für Staatssicherheit / Amt für nationale Sicherheit ist mit dem Grundgesetz vereinbar. | |
2) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers trotz einer solchen Tätigkeit zuzumuten ist, sind die Umstände des Einzelfalles zu würdigen. Dabei kann neben dem konkreten Verhalten des Betroffenen auch die Herausgehobenheit der von ihm im Zeitpunkt der Kündigung innegehabte Stellung berücksichtigt werden. | |
§§§ | |
97.027 | Parteilehrer |
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1) Die in Art.33 Abs.2 GG verankerten Anforderungen an den Zugang zum öffentlichen Dienst gelten auch dann, wenn die Prüfung der Zugangsvoraussetzungen im Rahmen der Entscheidung über die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nach Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr.1 Abs.4 Nr.1 des Einigungsvertrages nachgeholt wird. | |
2) Die dabei verfassungsrechtlich gebotene Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Mitarbeiters darf nicht dadurch verkürzt werden, daß einer von ihm früher innegehabten Position das Gewicht einer gesetzlichen Vermutung beigemessen wird, die einen Eignungsmangel begründet, wenn sie nicht widerlegt wird. | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
97.028 | Hochschullehrer |
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1) Das Gesetz zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag vom 20.August 1992 (BGBl.I Satz 1546) ist mit dem Grundgesetz vereinbar. | |
2) Zur Anwendung von Absatz 4 Nr.1 der Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr.1 des Einigungsvertrages bei der Kündigung eines Hochschullehrers wegen mangelnder fachlicher Eignung. | |
LB 3) Gerechtfertigt ist eine Einschränkung der Arbeitsplatzwahl jedenfalls dann, wenn zwingende Gründe des Gemeinwohls sie erfordern (vgl BVerfGE_92,140 <151 f>) und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet worden ist. | |
LB 4) Der in Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr.1 Abs.4 Nr.1 des Einigungsvertrages (künftig: Abs.4 Nr.1 EV) enthaltene Sonderkündigungstatbestand genügt diesen Anforderungen (vgl BVerfGE_92,140 <151 f>). | |
LB 5) Dasselbe gilt für das hier einschlägige Gesetz zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag vom 20. August 1992 (BGBl I S.1546; im folgenden: Verlängerungsgesetz), durch das die Geltung des Abs.4 Nr.1 EV bis zum 31. Dezember 1993 erstreckt wird. Es dient demselben Ziel wie die Vorschrift, deren Geltungsdauer es verlängert (vgl BVerfGE_92,140 <150 ff>). | |
§§§ | |
97.029 | Stasi-Tätigkeiten |
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1) Es war mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art.2 Abs.1 iVm Art.1 Abs.1 GG) der aus dem öffentlichen Dienst der Deutschen Demokratischen Republik übernommenen Arbeitnehmer grundsätzlich vereinbar, daß die Arbeitgeber von ihnen vor der Entscheidung über eine Kündigung nach den Vorschriften des Einigungsvertrages verlangten, Fragen über frühere Parteifunktionen in der SED und Tätigkeiten für das Ministerium für Staatsicherheit zu beantworten. | |
2) Fragen nach Vorgängen, die vor dem Jahre 1970 abgeschlossen waren, verletzten jedoch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten. Wurden sie unzutreffend beantwortet, dürfen daraus keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen gezogen werden | |
* * * | |
Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
97.030 | Untersuchungsausschuss |
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LB 1) Der Erlaß einer einstweiligen Anordnung im Organstreitverfahren bedeutet einen Eingriff des Gerichts in die Autonomie eines Staatsorgans. Er kann allein der vorläufigen Sicherung des strittigen organschaftlichen Rechts der Antragsteller dienen, damit es nicht im Zeitraum bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch Schaffung vollendeter Tatsachen überspielt werde (vgl BVerfGE_89,38 <44>). | |
LB 2) Derzeit besteht für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung schon kein dringender Regelungsbedarf. Es ist nicht ersichtlich, daß die ordnungsgemäße Durchführung des Untersuchungsauftrags ohne Erlaß der begehrten einstweiligen Anordnung bereits unmittelbar gefährdet wäre. | |
§§§ | |
97.031 | Das bessere Müllkonzept |
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1) Das Gesetzesinitiativrecht, das die Verfassung des Freistaates Bayern einem gemäß Art.71 Abs.2 BayLWG rechtsgültigen Volksbegehren einräumt, unterscheidet sich von den politischen Individualrechten jedes einzelnen der Gruppe der Unterzeichner angehörenden Aktivbürgers; es stellt keine grundrechtlich geschützte Berechtigung dieser Gesamtheit der Unterzeichner dar. Seine Verletzung kann daher mit der Verfassungsbeschwerde nicht gerügt werden. | |
2) Rügen der Verletzung von grundrechtsgleichen Gewährleistungen durch ein Landesverfassungsgericht können mit der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht nicht geltend gemacht werden, wenn sie sich auf ein Verfahren des Landesverfassungsgerichts beziehen, in dem dieses eine landesverfassungsrechtliche Streitigkeit in der Sache abschließend entscheidet (zuletzt offen gelassen in BVerfGE_30,112 <122>). | |
LB 3) Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung anerkannt, daß auch die Entscheidungen der Landesverfassungsgerichte mit der Verfassungsbeschwerde angreifbare Akte "öffentlicher Gewalt" sind (zuletzt BVerfGE_85,148 <157>). | |
LB 4) Gemäß Art.93 Abs.1 Nr.4 GG und § 13 Nr.8 BVerfGG ist für solche Streitigkeiten innerhalb eines Landes ein Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht nicht eröffnet, soweit hierfür die Zuständigkeit eines Landesverfassungsgerichts begründet ist. | |
§§§ | |
97.032 | Besonders schwerer Nachteil |
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Bei Verfassungsbeschwerden, die sich gegen eine strafrechtliche Verurteilung richten, liegt ein besonders schwerer Nachteil im Sinne des § 93a Abs.2 Buchstabe b BVerfGG regelmäßig vor, wenn der Schuldspruch angegriffen wird. In solchen Fällen muß bei der Entscheidung über die Annahme die Erfolgsaussicht geprüft werden. | |
LB 2) Damit ist für die Annahme der Verfassungsbeschwerde maßgeblich, ob sie hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Das ist zu verneinen. Sowohl die Anwendung des § 113 StGB durch die Strafgerichte wie auch die Handhabung des § 313 Abs.2 StPO durch das Berufungsgericht halten sich in dem den Fachgerichten zukommenden Rahmen einer vertretbaren Auslegung und Anwendung des Straf- und Strafprozeßrechts. Eine Grundrechtsverletzung, die zu einem Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts nötigen würde, ist nicht ersichtlich. | |
§§§ | |
97.033 | Normwiederholung |
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Zur Verfassungswidrigkeit einer Regelung, die eine vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärte Norm für Übergangsfälle wiederholt. | |
LB 2) Die frühere Regelung hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 11.Februar 1992 für unvereinbar mit der Berufsfreiheit der Arbeitgeber erklärt (BVerfGE_85,226 <234 ff>). | |
LB 3) Das hindert den hessischen Landesgesetzgeber zwar nicht daran, eine inhaltlich gleichlautende Bestimmung zu erlassen (vgl BVerfGE_77,84 <103 f>). | |
LB 4) Es kann dabei aber die vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Gründe der Verfassungswidrigkeit des ursprünglichen Gesetzes nicht übergehen. | |
LB 5) Eine Normwiederholung verlangt vielmehr ihrerseits besondere Gründe, die sich vor allem aus einer wesentlichen Änderung der für die verfassungsrechtliche Beurteilung maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse oder der ihr zugrunde liegenden Anschauungen ergeben können. Fehlen solche Gründe, ist das Bundesverfassungsgericht nicht gehalten, die bereits entschiedenen verfassungsrechtlichen Fragen erneut zu erörtern. | |
LB 6) Die Unvereinbarkeit der vorgelegten Norm mit Art.12 Abs.1 GG führt nicht zu ihrer Nichtigkeit. | |
* * * | |
Beschluss | Entscheidungsformel: |
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T-97-05 | § 8 Abs.2 Sonderurlaubgesetz - Vereinbarkeit |
"§ 8 Abs.2 Sonderurlaubgesetz ist mit Art.12 Abs.1 GG unvereinbar. | |
1. Diese Norm schreibt die Anwendbarkeit der früheren Regelung für alle Fälle vor, in denen Sonderurlaub vor dem 31.Dezember 1993 gewährt worden ist. Die frühere Regelung hat das Bundesverfassungsgericht jedoch in seiner Entscheidung vom 11.Februar 1992 für unvereinbar mit der Berufsfreiheit der Arbeitgeber erklärt (BVerfGE_85,226 <234 ff>). Das hindert den hessischen Landesgesetzgeber zwar nicht daran, eine inhaltlich gleichlautende Bestimmung zu erlassen (vgl BVerfGE_77,84 <103 f>). Es kann dabei aber die vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Gründe der Verfassungswidrigkeit des ursprünglichen Gesetzes nicht übergehen. Eine Normwiederholung verlangt vielmehr ihrerseits besondere Gründe, die sich vor allem aus einer wesentlichen Änderung der für die verfassungsrechtliche Beurteilung maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse oder der ihr zugrunde liegenden Anschauungen ergeben können. Fehlen solche Gründe, ist das Bundesverfassungsgericht nicht gehalten, die bereits entschiedenen verfassungsrechtlichen Fragen erneut zu erörtern. | |
2. Hier hat der Landesgesetzgeber die Frage, ob geänderte Verhältnisse die - auf zurückliegende Fälle beschränkte - Aufrechterhaltung der für verfassungswidrig erklärten Regelung rechtfertigen können, anscheinend nicht einmal erwogen. Jedenfalls läßt sich aus den Materialien kein Hinweis entnehmen, der darauf hindeutet. Im Gesetzentwurf war eine Übergangsregelung nicht vorgesehen. Der Landesjugendring hat in seiner Stellungnahme dazu lediglich die Erwartung geäußert, daß auch für die Altfälle ein Erstattungsanspruch geschaffen werde (Stenographischer Bericht der 30.Sitzung des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit vom 4.Mai 1993 - JGA/13/30 -). Die vorgelegte Norm ist erst während der parlamentarischen Beratungen in das Sonderurlaubsgesetz eingefügt worden. Der entsprechende Änderungsantrag enthält keine Begründung (LTDrucks 13/4447). | |
Auch in den Normenkontrollverfahren sind Gründe, die zu einer anderen verfassungsrechtlichen Beurteilung der vorgelegten Regelung führen könnten, weder vorgebracht noch sonstwie erkennbar geworden. Der Umstand allein, daß ihre Anwendung sich auf die Fälle beschränkt, in denen Sonderurlaub vor dem 31.Dezember 1993 gewährt wurde, ist nicht geeignet, die verfassungsrechtlichen Bedenken auszuräumen oder abzuschwächen. Das gilt um so mehr, als das Bundesverfassungsgericht in seiner bereits mehrfach zitierten Entscheidung die Anwendung der Regelung ausdrücklich auch für die seinerzeit anhängigen Fälle ausgeschlossen hat (BVerfGE_85,226 <238>). II. | |
Die Unvereinbarkeit der vorgelegten Norm mit Art.12 Abs.1 GG führt nicht zu ihrer Nichtigkeit. Der Landesgesetzgeber kann ihre Verfassungswidrigkeit auf verschiedene Weise beseitigen. Er kann etwa die Fondslösung auf die Altfälle erstrecken oder eine Erstattung aus der Landeskasse vorsehen." | |
Auszug aus BVerfG B, 15.07.97, - 1_BvL_20/94 -, www.dfr, Abs.11 ff | |
§§§ | |
97.034 | Erhöhte Prozessgebühr |
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Für den Rechtsanwalt, der mehrere Beschwerdeführer in einer von diesen gegen eine Rechtsnorm erhobenen Verfassungsbeschwerde vertritt, fällt keine erhöhte Prozeßgebühr nach § 6 Abs.1 Satz 2 BRAGO an. | |
LB 2) Das Entstehen einer Beweisgebühr setzt die Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren voraus (vgl § 31 Abs.1 Nr.3 BRAGO). | |
LB 3) Eine Beweisaufnahme liegt vor, wenn sich das Gericht zur Ermittlung rechtserheblicher Tatsachen auf Antrag oder - im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz (vgl § 26 Abs.1 Satz 1 BVerfGG) - von Amts wegen eines Beweismittels bedient. Der förmlichen Anordnung einer Beweisaufnahme bedarf es nicht. Es genügt, daß eine Beweisaufnahme durchgeführt wird und der Rechtsanwalt am Beweisaufnahmeverfahren beteiligt ist (vgl BVerfG, Beschluß vom 8.Juli 1997 - 1_BvR_403/94, 1_BvR_569/94 -, Umdruck S.6 f. mwN). | |
LB 4) Die bloße Anhörung der Verfahrensbeteiligten und der im Verfahren Äußerungsberechtigten oder ihrer Vertreter im Sinne von § 141 Abs.3 Satz 2 ZPO löst allerdings noch keine Beweisgebühr aus (vgl BVerfGE_81,387 <391>). | |
LB 5) Das gilt grundsätzlich auch für Äußerungen, die auf Fragen oder auf ein Auskunftsersuchen des Senatsvorsitzenden oder des Berichterstatters abgegeben werden. Befragungen dieser Art dienen regelmäßig der Stoffsammlung für die Entscheidung. Zu einer Beweisgebühr führen sie nur, wenn sie Gegenstand einer förmlichen Beweisanordnung sind oder wenn objektiv eine Beweisaufnahme vorliegt (vgl BVerfGE_77,360 <362>). | |
LB 6) Das ist der Fall, wenn die Anhörung dazu dient, zur Klärung entscheidungserheblicher Tatsachen Angaben über einschlägige Wahrnehmung der Angehörten zu erhalten; der angehörten Person kommt dann die Funktion eines Zeugen zu. | |
LB 7) Jedenfalls im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, das - unbeschadet der Vorschrift des § 28 BVerfGG - freier gestellt ist als andere Gerichte, genügt es dabei für das Entstehen einer Beweisgebühr, daß die Anhörung sachlich die Funktion einer Zeugenvernehmung hat. | |
* * * | |
Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
97.035 | Fraktions- + Gruppenstatus |
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Zur Rechtsstellung eines Zusammenschlusses von Abgeordneten, deren Partei die Sperrklausel unter Anwendung der Grundmandatsklausel überwunden hat. | |
LB 2) Mit dem der Bundestag den Antrag der Antragstellerin auf Anerkennung als Fraktion gemäß § 10 Abs.1 Satz 2 GOBT abgelehnt hat, verletzt die Antragstellerin nicht in ihrem Recht aus Art.38 Abs.1 Satz 2 GG. | |
LB 3) Mit der Regelung einer Fraktionsmindeststärke in § 10 Abs.1 S.1 GO-BT verbindet sich zwangsläufig die Möglichkeit, daß ein Zusammenschluß von Abgeordneten die festgesetzte Zahl auch nur knapp verfehlt. | |
§§§ | |
97.036 | Durchsuchung-Verteidiger |
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1) Die Durchsuchung von Verteidigern zum Schutz eines Gerichtsverfahrens vor Anschlägen ist dann eine verhältnismäßige Schranke der Berufsausübung, wenn der Entscheidung konkrete Verdachtsmomente zugrunde liegen. | |
2) Die Verfügung über die Durchsuchung selbst muß sicherstellen, daß der Umfang im Einzelfall dem Maß der angenommenen Gefahr entspricht und sich auf das unumgänglich Notwendige beschränkt. | |
§§§ | |
97.037 | Integrative Beschulung |
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1) Zum Verbot der Benachteiligung Behinderter (Art.3 Abs.3 Satz 2 GG) im Bereich des Schulwesens. | |
2) Die Überweisung eines behinderten Schülers an eine Sonderschule gegen seinen und seiner Eltern Willen stellt nicht schon für sich eine verbotene Benachteiligung im Sinne des Art.3 Abs.3 Satz 2 GG dar. Eine solche Benachteiligung ist jedoch gegeben, wenn die Überweisung erfolgt, obwohl eine Unterrichtung an der allgemeinen Schule mit sonderpädagogischer Förderung möglich ist, der dafür benötigte personelle und sächliche Aufwand mit vorhandenen Personal- und Sachmitteln bestritten werden kann und auch organisatorische Schwierigkeiten und schutzwürdige Belange Dritter der integrativen Beschulung nicht entgegenstehen. | |
LB 3) Behinderung ist danach die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht. | |
LB 4) Nur an die Behinderung anknüpfende Benachteiligungen sind nach der Neuregelung verboten. Bevorzugungen mit dem Ziel einer Angleichung der Verhältnisse von Nichtbehinderten und Behinderten sind dagegen erlaubt, allerdings nicht ohne weiteres auch verfassungsrechtlich geboten. | |
§§§ | |
97.038 | Wohngeld-Begleitstudium |
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Zur Frage, ob berufsbegleitend studierende Personen, deren Lebenssituation von der Berufsausübung geprägt ist, vom Bezug von Wohngeld ausgeschlossen werden dürfen (§ 41 Abs.3 Satz 1 des Wohngeldgesetzes). | |
LB 2) § 41 Abs.3 Satz 1 WoGG in der Fassung des 6.WoGGÄndG war in dem zur Prüfung gestellten Umfang bei verfassungskonformer Auslegung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art.3 Abs.1 GG vereinbar. | |
* * * | |
Beschluss | Entscheidungsformel:
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§§§ | |
97.039 | BAföG-Volldarlehen |
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1) Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß Leistungen für Studierende nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz im Zeitraum von 1983 bis 1990 ausschließlich als Darlehen gewährt wurden (§ 17 Abs.2 BAföG). | |
2) Der Gesetzgeber war durch den Gleichheitssatz (Art.3 Abs.1 GG) nicht verpflichtet, zumindest einen Teil der ab 1990 im Rahmen der staatlichen Ausbildungsförderung vermehrt zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel für eine rückwirkende Besserstellung der Studierenden der Jahrgänge seit Oktober 1983 zu verwenden. | |
3) Es verstieß nicht gegen den Gleichheitssatz, daß der Gesetzgeber zwischen 1983 und 1990 Leistungen für die Deckung der Unterkunftskosten an die Studierenden ausschließlich als Darlehen gewährte und sie zugleich vom Bezug des -- als Zuschuß gewährten -- Wohngeldes ausschloß. | |
* * * | |
Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
97.040 | Ladesverfassungsgerichte |
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1) Ein nach Art.142 GG prinzipiell geltendes Landesgrundrecht wird gemäß Art.31 GG von einfachem Bundesrecht jedenfalls insoweit nicht verdrängt, als Bundes- und Landesgrundrecht einen bestimmten Gegenstand in gleichem Sinn und mit gleichem Inhalt regeln und in diesem Sinne inhaltsgleich sind. | |
2) Raum für die Anwendung der parallel mit den Grundrechten des Grundgesetzes verbürgten Grundrechte der Landesverfassung bleibt den Richtern eines Landes auch bei der Durchführung eines bundesrechtlich geregelten Verfahrens. Der Rechtsanwender trägt eine eigenständige Verantwortung für die Durchsetzung der subjektiven Verfassungsrechte. | |
3) a) Die Kompetenz des Landes für seine Landesverfassungsgerichtsbarkeit erlaubt eine Regelung, nach der eine Verletzung mit dem Grundgesetz inhaltsgleicher subjektiver Landesverfassungsrechte durch ein Gericht des Landes bei der Durchführung des bundesrechtlich geregelten Verfahrens mit der Verfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht gerügt und die angegriffene Gerichtsentscheidung von diesem aufgehoben werden kann. Diese Regelung darf nicht weitergehen, als es zur Verwirklichung des Zwecks der Verfassungsbeschwerde unerläßlich ist. Nur insoweit wird die Reichweite der Bundeskompetenz aus Art.74 Abs.1 Nr.1 GG durch die Landeskompetenz begrenzt. | |
4) a) Inhaltsgleich -- und damit zulässiger Prüfungsmaßstab für das Landesverfassungsgericht -- ist das entsprechende Landesgrundrecht nur,wenn es in dem zu entscheidenden Fall zu demselben Ergebnis wie das Grundgesetz führt. | |
5) Gegenstand einer Vorlage gemäß Art.100 Abs.3 GG kann auch ein -- von den Gerichten abweichend beurteilter -- Rechtsmaßstab sein, der so weit gefaßt ist, daß er auch Geltung für weitere Fallgruppen hat, die bei dem vorlegenden Gericht zur Entscheidung anfallen können. | |
* * * | |
Beschluss | Entscheidungsformel |
§§§ | |
97.041 | Erbschaftsbesteuerung |
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1) Zur verfassungsrechtlichen Beurteilung der Erbschaftsbesteuerung in einem Fall fehlgeschlagener vorweggenommener Erbfolge. | |
2) Zur Mitwirkung von Berufsrichtern in überbesetzten Spruchkörpern (im Anschluß an den Beschluß des Plenums des Bundesverfassungsgerichts vom 8.April 1997 (BVerfGE_95,322)). | |
LB 3) Ohne Erfolg bleibt schließlich die Rüge des Beschwerdeführers, ihm sei durch die angegriffene Entscheidung des Bundesfinanzhofs der gesetzliche Richter im Sinne des Art.101 Abs.1 Satz 2 GG entzogen worden. | |
LB 4) Die Erbrechtsgarantie des Art.14 Abs.1 Satz 1 GG gewährleistet das Erbrecht als Rechtsinstitut und als Individualrecht. | |
LB 5) Dem Recht des Erblassers, das durch seine Testierfreiheit geschützt ist, entspricht danach das Recht des Erben, kraft Erbfolge zu erwerben. Auch er kann den Schutz des Grundrechts - jedenfalls vom Eintritt des Erbfalls an - geltend machen (vgl BVerfGE_91,346 <360>; BVerfGE_93,165 <173 f> mwN). | |
LB 6) Die Erbrechtsgarantie gewährleistet nicht das (unbedingte) Recht, den gegebenen Eigentumsbestand von Todes wegen ungemindert auf Dritte zu übertragen (vgl BVerfGE_93,165 <174>). | |
LB 7) Auch der Erbschaftsteuergesetzgeber ist jedoch an die Begrenzungen gebunden, die sich für die Regelungsbefugnis nach Art.14 Abs.1 Satz 2 GG - außer aus dem grundlegenden Gehalt der Erbrechtsgarantie selbst - beispielsweise aus dem Schutz von Ehe und Familie (Art.6 Abs.1 GG) und dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art.3 Abs.1 GG) ergeben (vgl BVerfGE_67,329 <340>; BVerfGE_93,165 <174>). | |
LB 8) Danach ist eine an Ehe und Familie anknüpfende steuerrechtliche Benachteiligung grundsätzlich untersagt (vgl BVerfGE_13,290 <299> mwN). | |
LB 9) Schließlich müssen steuerrechtliche Regelungen die Steuerpflichtigen - ungeachtet verfassungsrechtlich zulässiger Differenzierungen - gleichmäßig belasten (vgl BVerfGE_84,239 <268 ff>; BVerfGE_93,165 <172 f>) und der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen Rechnung tragen (vgl BVerfGE_93,165 <176>). | |
LB 10) Diese Anforderungen sind auch dann zu beachten, wenn steuerrechtliche Vorschriften im Einzelfall ausgelegt und angewendet werden. | |
* * * | |
T-97-07 | Fehlgeschlagene vorweggenommene Erbfolge |
"Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen nicht gegen die vom Beschwerdeführer bezeichneten Grundrechte; auch die gegen das Urteil des Bundesfinanzhofs erhobene Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter greift im Ergebnis nicht durch. I. | |
Die Auslegung und Anwendung von § 13 Abs.1 Nr.10 ErbStG und die Behandlung des Beschwerdeführers nach Steuerklasse II lassen einen Verstoß gegen Art. 6 Abs.1, Art.3 Abs.1 und Art.14 Abs.1 GG nicht erkennen. | |
1. a) Die Erbrechtsgarantie des Art.14 Abs.1 Satz 1 GG gewährleistet das Erbrecht als Rechtsinstitut und als Individualrecht. Grundlegend für sie ist die Anerkennung der Privaterbfolge (vgl BVerfGE_67,329 <340>; BVerfGE_91,346 <358>). Dem Recht des Erblassers, das durch seine Testierfreiheit geschützt ist, entspricht danach das Recht des Erben, kraft Erbfolge zu erwerben. Auch er kann den Schutz des Grundrechts - jedenfalls vom Eintritt des Erbfalls an - geltend machen (vgl BVerfGE_91,346 <360>; BVerfGE_93,165 <173 f> mwN). | |
b) Die verfassungsrechtliche Garantie des Erbrechts läßt es zu, daß der Steuergesetzgeber eine Erbschaftsteuer (vgl Art.106 Abs.2 Nr.2 GG) vorsieht, die den durch den Erbfall beim Erben anfallenden Vermögenszuwachs und die dadurch vermittelte finanzielle Leistungsfähigkeit belastet (vgl BVerfGE_93,165 <172>). Dabei eröffnet ihm die Befugnis nach Art.14 Abs.1 Satz 2 GG, Inhalt und Schranken des Erbrechts gesetzlich zu bestimmen, eine weitreichende Gestaltungsbefugnis. Die Erbrechtsgarantie gewährleistet nicht das (unbedingte) Recht, den gegebenen Eigentumsbestand von Todes wegen ungemindert auf Dritte zu übertragen (vgl BVerfGE_93,165 <174>). Auch der Erbschaftsteuergesetzgeber ist jedoch an die Begrenzungen gebunden, die sich für die Regelungsbefugnis nach Art.14 Abs.1 Satz 2 GG - außer aus dem grundlegenden Gehalt der Erbrechtsgarantie selbst - beispielsweise aus dem Schutz von Ehe und Familie (Art.6 Abs.1 GG) und dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art.3 Abs.1 GG) ergeben (vgl BVerfGE_67,329 <340>; BVerfGE_93,165 <174>). Danach ist eine an Ehe und Familie anknüpfende steuerrechtliche Benachteiligung grundsätzlich untersagt (vgl BVerfGE_13,290 <299> mwN). Die familiären Bezüge der nächsten Familienangehörigen zum Nachlaß sind erbschaftsteuerrechtlich zu berücksichtigen (vgl BVerfGE_93,165 <174 f>). Schließlich müsse steuerrechtliche Regelungen die Steuerpflichtigen - ungeachtet verfassungsrechtlich zulässiger Differenzierungen - gleichmäßig belasten (vgl BVerfGE_84,239 <268 ff>; BVerfGE_93,165 <172 f>) und der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen Rechnung trage (vgl BVerfGE_93,165 <176>). Diese Anforderungen sind auch dann zu beachten, wenn steuerrechtliche Vorschriften im Einzelfall ausgelegt und angewendet werden. | |
2. Gemessen daran ist die erbschaftsteuerliche Behandlung des Beschwerdeführers verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. | |
a) Auslegung und Anwendung des § 13 Abs.1 Nr.10 ErbStG begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. | |
Weder durch den grundgesetzlich gebotenen Schutz der Familie (Art.6 Abs.1 GG) noch durch die verfassungsrechtliche Garantie des Erbrechts (Art.14 Abs.1 GG) ist es generell ausgeschlossen, den Vermögensübergang im Wege der Erbfolge innerhalb der Kleinfamilie zu besteuern (vgl auch BVerfGE_93,165 <174 f>). Keiner Erörterung bedarf hierbei, ob der Gesetzgeber von Verfassungs wegen verpflichtet war, solche Vermögensgegenstände erbschaftsteuerfrei zu lassen, die Eltern ihren Kindern durch Schenkung zugewandt hatten und die an sie von Todes wegen zurückfallen. Die Beteiligung an seinem Unternehmen, die der Beschwerdeführer seinem Sohn geschenkt hatte und die an ihn wegen dessen Todes zurückgefallen ist, ist nach § 13 Abs.1 Nr.10 ErbStG steuerfrei geblieben. Dies gilt, worauf der Bundesfinanzhof hingewiesen hat, auch für den Wertzuwachs, den diese Beteiligung offenbar aufgrund der günstigen Entwicklung des Unternehmens inzwischen erfahren hatte. Der Wert der Beteiligung betrug nicht mehr wie im Zeitpunkt der Schenkung 2 Millionen DM, sondern nach der Erbschaftsteuererklärung 5.521.352 DM. Damit wurde der Umstand, daß der Versuch einer vorweggenommenen Erbfolge im Fall des Beschwerdeführers fehlgeschlagen ist, jedenfalls hinreichend berücksichtigt. | |
Eine darüber hinausgehende erbschaftsteuerliche Freistellung auch der Gewinne, die der Sohn des Beschwerdeführers aus der Beteiligung am Unternehmen gezogen hat, und der mit diesen Gewinnen erworbenen Beteiligungen an den beiden anderen Gesellschaften ist weder nach den genannten Grundrechten noch nach Art.3 Abs.1 GG geboten. Die Beurteilung im Ausgangsverfahren führt dazu, daß der vom Erblasser erlangte Gewinn erbschaftsteuerrechtlich ebenso behandelt wird wie von ihm anderweit erworbenes Vermögen. Das hält sich im Rahmen der Gestaltungsbefugnis nach Art.14 Abs.1 Satz 2 GG, ist nicht an den familiären Verbindungen der Beteiligten orientiert und beruht erkennbar auf sachlich gerechtfertigten Erwägungen. Die Rechtswohltat des § 13 Abs.1 Nr.10 ErbStG wird eng auf den bereits einmal besteuerten Vermögensgegenstand beschränkt, allerdings, wie ausgeführt, auf Wertzuwächse erstreckt, die dieser Vermögensgegenstand in der Zeit zwischen Schenkung und Erbfall erfahren hat. | |
Die Ausführungen des Beschwerdeführers zur einkommensteuerlichen Behandlung der vorweggenommenen Erbfolge geben zu einer anderen Beurteilung keinen Anlaß. | |
b) Nicht begründet sind auch die Bedenken, die der Beschwerdeführer im Hinblick auf Art.6 Abs.1, Art.3 Abs.1 und Art.14 GG gegen die Anwendung der Steuerklasse II nach § 15 Abs.1 ErbStG in der für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung von 1980 geltend macht. | |
Zu dieser Steuerklasse rechneten bei Erwerben von Todes wegen unter anderem die Eltern des Erblassers. Der günstigeren Steuerklasse I gehörten dagegen der Ehegatte, die Kinder und die Kinder verstorbener Kinder des Erblassers an. Daß diese erbschaftsteuerrechtlich bessergestellt wurden als die Eltern des Erblassers, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Mit der Besserstellung begünstigte das Erbschaftsteuerrecht neben dem Ehegatten als dem nächsten Angehörigen des Erblassers die Weitergabe von Familienvermögen von einer Generation auf die nachfolgende. Das ist ein sachgerechter Anknüpfungspunkt für eine steuerrechtliche Privilegierung (vgl auch BVerfGE_93,165 <175>). | |
Eine andere verfassungsrechtliche Beurteilung ist auch nicht deshalb erforderlich, weil nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22.Juni 1995 (BVerfGE_93,165 <174 f>) jedem Familienangehörigen im Sinne der Steuerklasse I nach § 15 Abs.1 ErbStG alter Fassung der jeweils auf ihn überkommene Nachlaß - je nach dessen Größe - zumindest zum deutlich überwiegenden Teil oder, bei kleineren Vermögen, völlig steuerfrei zugute kommen muß. Abgesehen davon, daß hier nicht Erbschaftsteuerpflichtige dieser Steuerklasse in Rede stehen, zwingt der genannte Beschluß nicht dazu, die darin gewonnenen Erkenntnisse auf zurückliegende Zeiträume der vorliegenden Art anzuwenden (vgl BVerfGE_93,165 <178>). | |
Das Finanzamt hat im übrigen den vom Beschwerdeführer erworbenen Nachlaß in einem Umfang steuerfrei gelassen, daß verfassungsrechtliche Bedenken auch im Hinblick auf den Beschluß vom 22.Juni 1995 nicht zu erheben wären. Nach den im finanzgerichtlichen Verfahren getroffenen Feststellungen hatten die stille Beteiligung des verstorbenen Sohnes des Beschwerdeführers einschließlich seines Darlehenskontos sowie die Geschäftsanteile an den beiden weiteren Gesellschaften als Hauptbestandteile des Nachlasses einen Wert von 11.446.835 DM. Ein Vermögen dieser Größenordnung kann nicht als kleineres Vermögen angesehen werden. Von ihm blieben 5.521.352 DM gemäß § 13 Abs.1 Nr.10 ErbStG steuerfrei. Für den gesamten, noch weitere Vermögenswerte umfassenden Nachlaß wurde die Erbschaftsteuer - nach Abzug eines Freibetrags von 50.000 DM - auf 1.984.020 DM festgesetzt. Dies sind, bezogen auf den vorgenannten Betrag von 11.446.835 DM, gut 17 vom Hundert. Der Nachlaß seines vorverstorbenen Sohnes ist dem Beschwerdeführer danach zum deutlich überwiegenden Teil steuerfrei verblieben. Auch von daher ist Art.6 Abs.1 oder Art.14 Abs.1 Satz 1 GG nicht verletzt. II. | |
Ohne Erfolg bleibt schließlich die Rüge des Beschwerdeführers, ihm sei durch die angegriffene Entscheidung des Bundesfinanzhofs der gesetzliche Richter im Sinne des Art.101 Abs.1 Satz 2 GG entzogen worden. | |
1. Zwar genügte der Mitwirkungsplan, nach dem sich die Zusammensetzung des für das Urteil des Bundesfinanzhofs zuständigen Senats richtete, nicht den Anforderungen des Art.101 Abs.1 Satz 2 GG. Wie das Plenum des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluß vom 8.April 1997 (BVerfGE_95,322) entschieden hat, ist es nach dieser Vorschrift grundsätzlich geboten, für mit Berufsrichtern überbesetzte Spruchkörper eines Gerichts im voraus nach abstrakten Merkmalen zu bestimmen, welche Richter an den jeweiligen Verfahren mitzuwirken haben. Das kann in der Weise geschehen, daß in dem für den gerichtlichen Spruchkörper geltenden Mitwirkungsplan für die Zusammensetzung der für die einzelne Sache zuständigen Sitz- oder Spruchgruppe an die vorwegbestimmte Person des Berichterstatters angeknüpft wird. Die Zuständigkeit der im Spruchkörper bestehenden Sitzgruppen kann aber auch nach anderen objektiven Merkmalen, beispielsweise nach Aktenzeichen, Eingangsdatum, Rechtsgebiet oder Herkunftsgerichtsbezirk der anhängigen Sache, generell im voraus bestimmt werden. Dem Erfordernis, den im Einzelfall zur Mitwirkung berufenen Richter so genau wie möglich festzulegen, wird dagegen nicht genügt, wenn im Mitwirkungsplan zunächst nur geregelt wird, welche Richter an welchen Sitzungstagen mitzuwirken haben, und erst die Terminierung der einzelnen Sache zu deren Zuordnung zur konkreten Sitzgruppe führt. Bei einer solchen Regelung, wie sie im Ausgangsverfahren auch für den im Revisionsverfahren zuständigen Spruchkörper gegolten hat, bleibt dem Vorsitzenden bei der Heranziehung der einzelnen Richter zur Mitwirkung an der jeweiligen Sache ein Entscheidungsspielraum, dessen es zur effektiven Bewältigung der Rechtsprechungsaufgabe angesichts der anderen zur Verfügung stehenden Mitwirkungssysteme nicht bedarf. Ihm steht deshalb die Gewährleistung des gesetzlichen Richters entgegen. | |
2. Dies wirkt sich jedoch auf das Ausgangsverfahren nicht aus. Wie das Plenum des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluß ausgeführt hat, ist mit seiner Entscheidung die Auslegung des Art.101 Abs.1 Satz 2 GG verdeutlicht und fortgebildet worden. Das Plenum hat deshalb Anlaß gesehen, die bisherigen Mitwirkungsregeln in überbesetzten Spruchkörpern noch für eine Übergangszeit bis zum 30.Juni 1997 hinzunehmen. Dies gilt auch für den Mitwirkungsplan, auf dessen Grundlage der Bundesfinanzhof im Ausgangsverfahren entschieden hat. | |
Auszug aus BVerfG B, 28.10.97, - 1_BvR_1644/94 -, www.dfr, Abs.16 ff | |
§§§ | |
97.042 | Patentgebührenüberwachung |
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1) Entwickelt sich aus einer Tätigkeit mit festgelegtem Berufsbild für einen einfach zu beherrschenden Teilbereich ein eigener Beruf, so erlaubt Art.12 Abs.1 GG Beschränkungen der Wahl dieses Berufs nur zur Abwehr schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut. | |
2) Die Überwachung von Fristen anhand verläßlicher Unterlagen ist nicht notwendig Beratung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes. | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
97.043 | Kind als Schaden |
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Die Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Arzthaftung bei fehlgeschlagener Sterilisation und fehlerhafter genetischer Beratung vor Zeugung eines Kindes verstößt nicht gegen Art.1 Abs.1 GG. | |
LB 2) Die angegriffenen Entscheidungen, mit denen die Beschwerdeführer zu Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt worden sind, wahren die Bindung des Richters an Gesetz und Recht, so daß eine Grundrechtsverletzung unter diesem Gesichtspunkt ausscheidet. | |
LB 3) Die der Verurteilung zugrunde liegenden Vorschriften des zivilen Vertrags- und Deliktsrechts (insbesondere § 611, § 276, § 249 BGB sowie § 823 Abs.1, § 847 BGB) begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. | |
LB 4) Die Auslegung dieser Vorschriften durch die Zivilgerichte überschreitet nicht die Grenzen richterlicher Entscheidungsbefugnis, die sich aus Art.20 Abs.2 und 3 GG ergeben. | |
§§§ | |
97.044 | Hamburger Ruhegehaltgesetz |
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Unterhalbzeitig beschäftigte Arbeitnehmer dürfen von der zusätzlichen Altersversorgung nach dem Hamburger Ruhegeldgestz nicht ausgeschlossen werden. | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
97.045 | Beförderungsverbot für Ausländer |
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LB 2) Gemäß Art.100 Abs.1 GG in Verbindung mit § 80 Abs.2 Satz 1 BVerfGG muß das vorlegende Gericht darlegen, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm abhängt. Der Vorlagebeschluß muß danach mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, daß das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der in Frage gestellten Vorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle ihrer Ungültigkeit und wie das Gericht dieses Ergebnis begründen würde (seit BVerfGE_7,171 <173 f> stRspr, vgl zuletzt BVerfGE_89,329 <336>; BVerfG_94,315 <323>). | |
LB 3) Der Vorlage liegt offenbar die Auffassung zugrunde, daß eine Verfassungswidrigkeit des § 18 Abs.5 Satz 1 AuslG (1965) zugleich zu einer Verletzung der Klägerinnen in ihren subjektiven Rechten führe. Die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage ist damit jedoch nicht hinreichend dargetan. | |
LB 4) Zwar reicht die Rechtsstellung der Klägerinnen als Adressatinnen belastender Verwaltungsakte und die "Möglichkeit" einer Verletzung in den eingeräumten Beförderungsrechten durch die in den Ausgangsverfahren angegriffenen Beförderungsverbote aus, um die Klagebefugnis der Klägerinnen (vgl § 42 Abs.2 VwGO) als Voraussetzung der Zulässigkeit der Klagen (vgl BVerwGE_92,313 <315 f> sowie BVerfGE_83,182 <196>) zu bejahen. Es bestehen aber angesichts der hier einschlägigen Rechtsgrundlagen Zweifel, ob sich allein aus der objektiven Rechtswidrigkeit der Beförderungsverbote eine Verletzung der Klägerinnen in subjektiven Rechten und damit die Begründetheit der von ihnen erhobenen Klagen ergeben. Insoweit hätte es näherer Darlegungen bedurft. | |
§§§ | |
97.046 | Schiffbauverträge |
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1) Bietet ein Steuergesetz dem Steuerpflichtigen eine Verschonungssubvention (Sonderabschreibung) an, die er nur während des Veranlagungszeitraums annehmen kann, so schafft dieses Angebot für diese Disposition in ihrer zeitlichen Bindung eine schutzwürdige Vertrauensgrundlage, auf die der Steuerpflichtige seine Entscheidung über das subventionsbegünstigte Verhalten stützt. | |
2) Dem Steuerpflichtigen darf nach Ankündigung des Wegfalls einer für verfehlt erachteten Subvention verwehrt werden, die Gestaltungskompetenz und den Gestaltungswillen des Gesetzgebers zu unterlaufen, wenn dieser die Steuervergünstigung für Verträge entfallen lassen will, die zwischen dem Bekanntwerden der beabsichtigten Gesetzesänderung und deren Beschluß durch den Gesetzgeber geschlossen worden sind, deren steuererheblicher Vollzug aber erst nach dem Gesetzesbeschluß zu erwarten ist. | |
LB 3) § 51 Abs.1 Nr.2 Buchst.w EStG sowie § 82f Abs.5 EStDV in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1997 verletzen die Beschwerdeführerin zu 1. nicht in ihren von der Verfassung geschützten Rechten, soweit der dort vorgesehene Stichtag "25.April 1996" rückwirkend eingeführt worden ist. | |
LB 4) Vor dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes bedarf es besonderer Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. | |
LB 5) Eine Rechtsnorm entfaltet Rückwirkung, wenn der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm gültig geworden ist (vgl BVerfGE_72,200 <241>). | |
LB 6) Die Anordnung, eine Rechtsfolge solle schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum eintreten (Rückbewirkung von Rechtsfolgen, "echte" Rückwirkung), ist grundsätzlich unzulässig. Der von einem Gesetz Betroffene muß grundsätzlich bis zum Zeitpunkt der Verkündung einer Neuregelung darauf vertrauen können, daß er nicht nachträglich einer bisher nicht geltenden Belastung unterworfen wird (vgl BVerfGE_72,200 <242, 254>). | |
LB 7) Dieser Schutz des Vertrauens in den Bestand der ursprünglich geltenden Rechtsfolgenlage findet seinen verfassungsrechtlichen Grund vorrangig in den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen insbesondere des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit (vgl BVerfGE_45,142 <167 f>; BVerfGE_72,200 <242>; BVerfGE_83,8 <109 f>). | |
LB 8) Demgegenüber betrifft die tatbestandliche Rückanknüpfung ("unechte" Rückwirkung) nicht den zeitlichen, sondern den sachlichen Anwendungsbereich einer Norm. Die Rechtsfolgen eines Gesetzes treten erst nach Verkündung der Norm ein, deren Tatbestand erfaßt aber Sachverhalte, die bereits vor Verkündung "ins Werk gesetzt" worden sind (vgl BVerfGE_31,275 <292 ff>; BVerfGE_72,200 <242>). | |
LB 9) Diese Tatbestände, die den Eintritt ihrer Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig machen, berühren vorrangig die Grundrechte und unterliegen weniger strengen Beschränkungen als die Rückbewirkung von Rechtsfolgen (vgl BVerfGE_92,277 <344>). | |
LB 10) Der Gesetzgeber ist deshalb berechtigt, den zeitlichen Anwendungsbereich einer Regelung auch auf den Zeitpunkt von dem Gesetzesbeschluß bis zur Verkündung zu erstrecken (vgl BVerfGE_13,261 <272 f>; BVerfGE_31,222 <227>; BVerfGE_95,64 <87>). | |
LB 11) Das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot darf allein aus zwingenden Gründen des gemeinen Wohls oder wegen eines nicht - oder nicht mehr - vorhandenen schutzbedürftigen Vertrauens des Einzelnen durchbrochen werden (vgl BVerfGE_72,200 <258>). | |
LB 12) Der Gesetzgeber benötigt zur Verwirklichung des gemeinen Wohls einen Gestaltungsraum, um aufgetretenen Mißständen einer Gesetzeslage alsbald abzuhelfen, ohne daß Dispositionen der Gesetzesadressaten die Neuregelung kurz vor ihrem Erlaß durch Ausnutzung der bisherigen Regelung unterlaufen können. | |
LB 13) Wenn die Beschwerdeführerin zu 1. dennoch die Ankündigung einer Gesetzesänderung nutzt, um der vom Gesetzgeber beabsichtigten Wirkung zuvorzukommen, schützt das Rechtsstaatsprinzip ihr Vertrauen in die bisherige Gesetzeslage nicht. | |
LB 14) Zur abweichenden Meinung des Richters Kruis siehe BVerfGE_97,85 = www.dfr/BVerfGE Abs.61 ff | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
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T-97-08 | Unterlaufen der Gestaltungskompetenz |
"1. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1. ist zulässig. | |
a) Die Beschwerdeführerin zu 1. ist als Kommanditgesellschaft grundrechtsfähig, soweit sich der staatliche Eingriff auf das gesamthänderisch gebundene Gesellschaftsvermögen und das von der Gesellschaft betriebene Handelsgewerbe bezieht (vgl BVerfGE_42,374 <383>; BVerfGE_53,1 <13>). | |
b) Sie ist durch die angegriffenen Regelungen selbst, gegenwärtig und unmittelbar in ihren Rechten nach Art.93 Abs.1 Nr.4a GG, § 90 Abs.1 BVerfGG betroffen. | |
Die Beschwerdeführerin zu 1. ist durch die hier angegriffene Regelung über den für die Sonderabschreibungen maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses eines Schiffbauvertrages nicht bloß mittelbar faktisch berührt, sondern selbst unmittelbar rechtlich betroffen. § 51 Abs.1 Nr.2 Buchst.w EStG und die dazu ergangene Verordnung sagen eine Subvention zur Förderung des Baus von Handelsschiffen zu. Das Subventionsangebot richtet sich an die Personen, die einen Schiffbauvertrag abschließen und auf dieser Rechtsgrundlage ein Handelsschiff anschaffen oder herstellen. Die angegriffenen Vorschriften treffen Regelungen für die Beschwerdeführerin zu 1. auch als Gesellschaft, in der sich die zukünftigen Kapitalanleger zur Mitfinanzierung des Schiffes als Kommanditisten zusammenschließen. Die Beschwerdeführerin zu 1. ist deshalb als Adressatin und Begünstigte dieses Subventionsangebots rechtlich betroffen, wenn das Angebot entgegen der bisherigen Rechtslage für ihren am 30. April 1996 geschlossenen Schiffbauvertrag nicht mehr gelten soll. | |
Die Beschwerdeführerin zu 1. ist gegenwärtig betroffen, weil sie durch die Verminderung der steuerlichen Vergünstigung aktuell benachteiligt wird. Sie ist auch unmittelbar betroffen, weil die angebotene Steuerverschonung allein durch die Erfüllung des Subventionstatbestandes entgegengenommen wird, also nicht zusätzlich noch eines behördlichen Vollzugs (vgl BVerGE_78,350 <355>) bedarf. | |
2. Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 2. bis 4. sind unzulässig, weil die Beschwerdeführer zu 2. bis 4. nicht selbst betroffen sind. § 51 Abs.1 Nr.2 Buchst.w EStG fördert den Schiffsbesteller, indem er die Sonderabschreibungen von dem - fristgebundenen - Abschluß eines Schiffbauvertrages und der Anschaffung oder Herstellung abhängig macht. Garanten und Financiers, Reeder, Vertriebsgesellschaften und deren Hauptteilhaber hingegen, die für die Betreibergesellschaften tätig werden, sind nicht Adressaten des Subventionsangebots und werden von der Förderung nur mittelbar - vermittelt durch die Beschwerdeführerin zu 1. - betroffen. Die Beschwerdeführer zu 2. bis 4. werden nur allgemein in ihren Erwartungen auf künftige Erträge und Gewinne aus den wirtschaftlichen Verbindungen mit der Beschwerdeführerin zu 1. enttäuscht; solche Erwartungen sind jedoch durch die Grundrechte nicht geschützt (vgl BVerfGE_78,205 <211>). C. | |
§ 51 Abs.1 Nr.2 Buchst.w EStG sowie § 82f Abs.5 EStDV in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1997 verletzen die Beschwerdeführerin zu 1. nicht in ihren von der Verfassung geschützten Rechten, soweit der dort vorgesehene Stichtag "25.April 1996" rückwirkend eingeführt worden ist. Eine derartige Änderung ist zwar grundsätzlich nur für die Zeit seit dem Gesetzesbeschluß des Bundestages, hier also dem 7.November 1996, zulässig. Die Bundesregierung und das Parlament haben die bisherige steuerliche Förderung des Schiffbaus für verfehlt erachtet. In solchen Fällen darf der Gesetzgeber Regelungen treffen, die einen Gesetzesadressaten für den Zeitraum zwischen dem Bekanntwerden einer beabsichtigten Gesetzesänderung und deren Beschluß durch den Gesetzgeber an tatsächlichen Gestaltungen hindern, mit denen der Staat an einem Subventionsangebot auch für solche Verträge festgehalten wird, die nach dem Bekanntwerden geschlossen worden sind, deren steuererheblicher Vollzug aber erst nach dem Gesetzesbeschluß über die Neuregelung zu erwarten ist. I. | |
1. a) Vor dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes bedarf es besonderer Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Die Verläßlichkeit der Rechtsordnung ist eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen. Es würde den Einzelnen in seiner Freiheit erheblich gefährden, dürfte die öffentliche Gewalt an sein Verhalten oder an ihn betreffende Umstände im nachhinein belastendere Rechtsfolgen knüpfen, als sie zum Zeitpunkt seines rechtserheblichen Verhaltens galten (vgl BVerfGE_30,272 <285>; BVerfGE_72,200 <257 f>; stRspr). | |
Eine Rechtsnorm entfaltet Rückwirkung, wenn der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm gültig geworden ist (vgl BVerfGE_72,200 <241>). Der zeitliche Anwendungsbereich einer Norm bestimmt, in welchem Zeitpunkt die Rechtsfolgen einer gesetzlichen Regelung eintreten sollen. Grundsätzlich erlaubt die Verfassung nur ein belastendes Gesetz, dessen Rechtsfolgen für einen frühestens mit der Verkündung beginnenden Zeitraum eintreten. Die Anordnung, eine Rechtsfolge solle schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum eintreten (Rückbewirkung von Rechtsfolgen, "echte" Rückwirkung), ist grundsätzlich unzulässig. Der von einem Gesetz Betroffene muß grundsätzlich bis zum Zeitpunkt der Verkündung einer Neuregelung darauf vertrauen können, daß er nicht nachträglich einer bisher nicht geltenden Belastung unterworfen wird (vgl BVerfGE_72,200 <242, 254>). Dieser Schutz des Vertrauens in den Bestand der ursprünglich geltenden Rechtsfolgenlage findet seinen verfassungsrechtlichen Grund vorrangig in den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen insbesondere des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit (vgl BVerfGE_45,142 >167 f>; BVerfGE_72,200 <242>; BVerfGE_83,89 <109 f>). | |
Demgegenüber betrifft die tatbestandliche Rückanknüpfung ("unechte" Rückwirkung) nicht den zeitlichen, sondern den sachlichen Anwendungsbereich einer Norm. Die Rechtsfolgen eines Gesetzes treten erst nach Verkündung der Norm ein, deren Tatbestand erfaßt aber Sachverhalte, die bereits vor Verkündung "ins Werk gesetzt" worden sind (vgl BVerfGE_31,275 <292 ff>; BVerfGE_72,200 <242>). Diese Tatbestände, die den Eintritt ihrer Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig machen, berühren vorrangig die Grundrechte (vgl BVerfG, aaO) und unterliegen weniger strengen Beschränkungen als die Rückbewirkung von Rechtsfolgen (vgl BVerfGE_92,277 <344>). Für das Einkommensteuerrecht kommen je nach Art der betroffenen Einkünfte und der Wege, auf denen sie erzielt worden sind, namentlich Art.12 Abs.1, 14 Abs.1 und 2 sowie Art.2 Abs.1 GG als betroffene Rechte in Betracht (vgl BVerfGE_72,200 <242 f, 253 f>). | |
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entfällt das schutzwürdige Vertrauen in den Bestand der bisherigen Rechtsfolgenlage allerdings in der Regel schon im Zeitpunkt des endgültigen Gesetzesbeschlusses über die Neuregelung. Mit dem Tag des Gesetzesbeschlusses müssen die Betroffenen mit der Verkündung und dem Inkrafttreten der Neuregelung rechnen; es ist ihnen von diesem Zeitpunkt an zuzumuten, ihr Verhalten auf die beschlossene Gesetzeslage einzurichten. Der Gesetzgeber ist deshalb berechtigt, den zeitlichen Anwendungsbereich einer Regelung auch auf den Zeitpunkt von dem Gesetzesbeschluß bis zur Verkündung zu erstrecken (vgl BVerfGE_13,261 <272 f>; BVerfGE_31,222 <227>; BVerfGE_95,64 <87>). | |
c) Das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot darf allein aus zwingenden Gründen des gemeinen Wohls oder wegen eines nicht - oder nicht mehr - vorhandenen schutzbedürftigen Vertrauens des Einzelnen durchbrochen werden (vgl BVerfGE_72,200 <258>). In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind solche Rechtfertigungsgründe falltypisch, aber nicht erschöpfend entwickelt worden (vgl BVerfGE_72,200 <258 ff>). | |
Liegt in diesem Sinne ein Grund vor, der es von Verfassungs wegen rechtfertigt, das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot zu durchbrechen, so darf diese Durchbrechung gleichwohl nicht zu Ergebnissen führen, die den grundrechtlichen Schutz des Lebenssachverhalts verletzen, der von dem Eingriff betroffen ist (vgl BVerfG, aaO). | |
2. Der Steueranspruch entsteht gemäß § 38 iVm § 37 Abs.1 AO grundsätzlich, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Das Einkommensteuergesetz allerdings bestimmt in § 36 Abs.1 iVm § 25 Abs.1, daß die Einkommensteuer in der Regel mit Ablauf des Kalenderjahres als Veranlagungszeitraum entsteht. Nach dieser gesetzlichen Vorgabe finden die Regeln der tatbestandlichen Rückanknüpfung Anwendung, wenn nicht schon der gesamte gesetzliche Steuertatbestand vor Inkrafttreten des Gesetzes verwirklicht worden ist (vgl BVerfGE_72,200 <250, 252 f>; ebenso Bundesfinanzhof, BStBl II 1993 S.151 <152>). | |
Bietet aber ein Steuergesetz dem Steuerpflichtigen eine Verschonungssubvention an, die er nur während des Veranlagungszeitraums annehmen kann, so schafft dieses Angebot für diese Disposition in ihrer zeitlichen Bindung eine Vertrauensgrundlage, auf die der Steuerpflichtige seine Entscheidung über das subventionsbegünstigte Verhalten stützt. Er entscheidet sich um des steuerlichen Vorteils willen für ein bestimmtes wirtschaftliches Verhalten, das er ohne den steuerlichen Anreiz so nicht gewählt hätte. Mit dieser Entscheidung ist die Lenkungs- und Gestaltungswirkung des Subventionsangebots abschließend erreicht. Diese Dispositionsbedingungen werden damit vom Tag der Entscheidung an zu einer schutzwürdigen Vertrauensgrundlage. II. | |
1. Die Neuregelung der §§ 51 Abs.1 Nr.2 Buchst.w EStG und 82f Abs. 5 EStDV nimmt eine Steuerverschonung auch für eine in der Vergangenheit begründete Vertragsverbindlichkeit zurück. Für die Bestellung des Schiffes hatte die bisherige Gesetzeslage eine schutzwürdige Vertrauensgrundlage gebildet. Das die Einkommensteuer kennzeichnende Jährlichkeitsprinzip (§ 2 Abs.7, § 25 Abs.1 und § 36 Abs.1 EStG) bestimmt zwar den zeitlichen Rahmen, in dem der Subventionsanspruch erfüllt wird; die Entscheidung, ein Schiff zu bestellen, ist davon aber unabhängig. | |
Andererseits ist der Schiffbauvertrag auf eine Mitfinanzierung von Kapitalanlegern angelegt, die ihre wirtschaftliche Disposition erst nach dem Beschluß des Bundestages vom 7.November 1996 treffen und damit eine Steuervergünstigung auch erst nach diesem Zeitpunkt entgegennehmen können. Die Kapitalgeber disponieren also über den Abschreibungstatbestand nach dem Beschluß über die Gesetzesänderung; insoweit stellt sich die Frage einer rückwirkenden Gesetzgebung nicht. | |
Ob ein derartiger mehrstufiger Subventionstatbestand, der für eine Investitionsentscheidung rückwirkend Rechtsfolgen ändert, die davon abhängige Steuervergünstigung für Kapitalanlagen aber erst für zukünftige Anlageentscheidungen neu regelt, nach den Maßstäben der Rückbewirkung von Rechtsfolgen oder der tatbestandlichen Rückanknüpfung zu beurteilen ist, kann hier offen bleiben. Die Anwendung des § 51 Abs.1 Nr.2 Buchst.w EStG sowie § 82f Abs.5 EStDV idF des Jahressteuergesetzes 1997 auf den am 30. April 1996 geschlossenen Schiffbauvertrag ist auch nach den - strengeren - Maßstäben einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen zulässig. | |
2.a) Zwingende Gründe des gemeinen Wohls rechtfertigen hier eine Durchbrechung des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots. Die weitere Schiffbausubvention war nach Einschätzung der Bundesregierung wirtschaftlich unsinnig und sollte deshalb aufgegeben werden. Die Bundesregierung war entschlossen, die Sonderabschreibungen alsbald entfallen zu lassen. Das rechtsstaatliche Gesetzgebungsverfahren erfordert aber eine gewisse Zeitdauer. Diese kann von den Steuerpflichtigen genutzt werden, um den bisherigen Subventionstatbestand noch vor dem Beschluß über die Änderung des Subventionsgesetzes zu erfüllen und damit dem drohenden Wegfall der Subvention zuvorzukommen. Deshalb benötigt der Gesetzgeber zur Verwirklichung des gemeinen Wohls einen Gestaltungsraum, um aufgetretenen Mißständen einer Gesetzeslage alsbald abzuhelfen, ohne daß Dispositionen der Gesetzesadressaten die Neuregelung kurz vor ihrem Erlaß durch Ausnutzung der bisherigen Regelung unterlaufen können. Der Gesetzgeber muß die zur sofortigen Abwehr offensichtlicher Gefahren und Mißstände geeigneten und notwendigen Maßnahmen treffen können (vgl H Maurer, in: HStR III, § 60 Rn.39; H. Schneider, Gesetzgebung, 2. Aufl., 1991, § 15 Rn.540; vgl auch BVerfGE_95,64 <89> - für die tatbestandliche Rückanknüpfung). Wenn die Beschwerdeführerin zu 1. dennoch die Ankündigung einer Gesetzesänderung nutzt, um der vom Gesetzgeber beabsichtigten Wirkung zuvorzukommen, schützt das Rechtsstaatsprinzip ihr Vertrauen in die bisherige Gesetzeslage nicht. Das Rechtsstaatsprinzip baut auf ein zwar Zeit beanspruchendes, aber im Wettlauf mit kurzfristigen Vertragsdispositionen dennoch effektives Gesetzgebungsverfahren. | |
Der Beschwerdeführerin zu 1. durfte nach Ankündigung des Subventionswegfalls verwehrt werden, die Gestaltungskompetenz und den Gestaltungswillen des Gesetzgebers zu unterlaufen, wenn dieser die Steuervergünstigung für Verträge entfallen lassen will, die in Kenntnis der Änderungsabsicht geschlossen worden sind, deren steuererheblicher Vollzug aber erst nach dem Gesetzesbeschluß des Bundestages vom 7.November 1996 zu erwarten ist. Die Beschwerdeführerin mußte bei Abschluß und inhaltlicher Gestaltung ihres Schiffbauvertrages in Rechnung stellen, daß das Subventionsangebot geändert werden sollte. Steuerveranlaßte Vertragsverbindlichkeiten sind deshalb zu verschieben, soweit als zulässig mit Vorbehalts- und Rücktrittsklauseln auszustatten (zu deren Wirksamkeit vgl BFH, BStBl II 1993 S.296; Tipke/Kruse, AO, § 41 Rn.22 ff) oder in sonstiger Weise anpassungsfähig zu gestalten. Anderenfalls müßte der Kapitaleinsatz bewußt als Einsatz von Risikokapital bemessen, der Investitionsaufwand gegenüber einer drohenden Minderung oder einem Wegfall der Subvention abgewogen oder auf die steuerlich veranlaßte Investition verzichtet werden. 52 | |
b) Ungeachtet der zulässigen Durchbrechung des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbotes darf diese Durchbrechung gleichwohl nicht zu Ergebnissen führen, die den grundrechtlichen Schutz des Lebenssachverhaltes verletzen, der von dem Eingriff - durch die nachträgliche Änderung der Rechtsfolgen - betroffen ist (vgl BVerfGE_72,200 <258>; BVerfGE_95,64 <93 f>). Das ist hier nicht der Fall. Das gesetzliche Angebot von Steuersubventionen ist keine durch Einsatz von Arbeit oder Kapital erworbene Rechtsposition und folglich kein Eigentum iS des Art.14 Abs.1 GG (vgl BVerfGE_18,392 <397>; stRspr). Ebenso schützt die von Art.2 Abs.1 und Art.12 Abs.1 GG gewährleistete Unternehmerfreiheit (vgl BVerfGE_50,290 <363, 366>) nur die Dispositionsbefugnis des Unternehmers über die ihm und seinem Unternehmen zugeordneten Güter und Rechtspositionen, verfestigt aber nicht eine bestehende Gesetzeslage zu einem grundrechtlich geschützten Bestand. | |
3. Die Ankündigung der Bundesregierung, die Abschreibungsbegünstigung für Aufträge nach dem 30.April 1996 streichen zu wollen (aaO, S.43), begründet kein rechtsstaatlich schutzwürdiges Vertrauen der Beschwerdeführerin in die Einhaltung dieses Termins. | |
a) Diese Ankündigung war Teil eines achtstufigen Programms einer wachstums- und beschäftigungsfreundlichen Steuerpolitik, in dem die Bundesregierung bestimmte Gesetzesinitiativen und deren Verwirklichung jeweils zu bestimmten Zeitpunkten in Aussicht gestellt hat. Diese Vorhaben können aber nur vom Parlament im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz verwirklicht werden; die Bundesregierung kann dem Parlament mit ihrem Initiativrecht (Art.76 Abs.1 GG) einen Gegenstand vorgeben, Parlamentsbeschlüsse jedoch nicht - auch nicht hinsichtlich eines Zeitpunktes - vorherbestimmen und deshalb auch nicht vorankündigen. | |
Dementsprechend sind die verschiedenen und bis in das Jahr 2003 vorausgreifenden Daten nur programmatische Erklärungen der Bundesregierung, die das Parlament bei seinen Gesetzesentscheidungen zu erwägen und zu würdigen hat. Ihnen kommt schon nicht der Erklärungswert definitiver Gesetzesinitiativen zu. Der Deutsche Bundestag hat im Finanzausschuß die Äußerung der Bundesregierung in seine Abwägungen einbezogen und in ihren Folgewirkungen gewürdigt. Seine Entscheidung, den Stichtag vorzuverlegen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. | |
b) Die Ankündigung der Bundesregierung könnte ein rechtsstaatlich schützenswertes Vertrauen allenfalls dann begründet haben, wenn die Bundesregierung als Verordnunggeber einen allein in ihre Zuständigkeit fallenden Beschluß über eine Änderung der Rechtsverordnung bekanntgegeben hätte. Wie der Gesetzesadressat sich auf einen Gesetzesbeschluß des Bundestages einstellen muß, so könnte der Verordnungsadressat in einem Verordnungsbeschluß eine Vertrauensgrundlage finden. | |
Das Programm der Bundesregierung für mehr Wachstum und Beschäftigung enthält jedoch nur Vorstellungen für eine Gesetzesinitiative, nicht eine Aussage über eine Änderung der Rechtsverordnung. Der gesamte Abschnitt "Wachstums- und beschäftigungsfreundliche Steuerpolitik" handelt von geplanten Gesetzesänderungen. Dementsprechend enthält die Ankündigung, die Abschreibungsbegünstigung auf bis zum 30. April abgeschlossene Verträge zu begrenzen, nur eine Aussage über die Absicht der Bundesregierung, durch eine Gesetzesinitiative im Parlament auf alsbaldige Änderung der gesetzlichen Ermächtigung hinwirken zu wollen. Zudem wäre das Regelungsprogramm nicht durch Rechtsverordnung - in der Zuständigkeit der Bundesregierung -, sondern nur durch Gesetz zu verwirklichen gewesen. Dabei hätten sowohl das Einkommensteuergesetz wie die Einkommensteuerdurchführungsverordnung nur mit Zustimmung des Bundesrates geändert werden können. | |
4. Die Frage, inwieweit ein gesetzliches Subventionsangebot eine Grundlage schutzwürdigen Vertrauens bieten kann, wenn es einem gemeinschaftsrechtlichen Genehmigungsvorbehalt unterliegt, der Dispositionen im Frühjahr betrifft, aber erst im Herbst ausgeübt wird, bedarf hier keiner Entscheidung." | |
Auszug aus BVerfG B, 03.12.97, - 2_BvR_882/97 -, www.dfr, Abs.33 ff | |
§§§ | |
97.047 | Rückübereignungsanspruch |
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Die Eigentumsgarantie des Art.14 GG gewährt dem in der Deutschen Demokratischen Republik enteigneten früheren Eigentümer keinen Rückerwerbsanspruch, wenn der Zweck der Enteignung nicht verwirklicht wurde. Dies gilt auch dann, wenn das Vorhaben, für das enteignet wurde, erst nach dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland endgültig aufgegeben worden ist. | |
LB 2) Ein solcher Anspruch kommt allein in Betracht, wenn bereits die Enteignung im Zeitpunkt ihrer Vornahme den Anforderungen des Art.14 Abs.3 S.1 GG unterlag. Dies war jedoch bei Enteignungen, die in der DDR durchgeführt wurden, nicht der Fall. | |
LB 3) Das gilt jedoch nur für Enteignungen, die unter der Geltung des Grundgesetzes angeordnet und vollzogen worden sind. Dagegen läßt sich ein Rückübereignungsanspruch aus Art.14 GG nicht auch für solche Fälle begründen, in denen vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes oder außerhalb seines räumlichen Geltungsbereichs eine dem Grundgesetz nicht verpflichtete Staatsgewalt auf vermögenswerte Rechte zugegriffen hat. | |
LB 4) Auch der allgemeine Gleichheitssatz des Art.3 Abs.1 GG ist nicht | |
§§§ | |
97.048 | Kindererziehungszeiten |
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Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art.3 Abs.1), daß bei Müttern der Geburtsjahrgänge ab 1921 die auf Kindererziehung beruhenden Leistungen auf die Sozialhilfe angerechnet werden, während dies bei Müttern der Geburtsjahrgänge vor 1921 nicht der Fall ist (Fortführung von BVerfGE_87,1). | |
* * * | |
Beschluss | |
§§§ | |
97.049 | Fortgeltung von DDR-Strafrecht |
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Gesetze der Deutschen Demokratischen Republik, die nach Art.9 Abs.2 des Einigungsvertrags in Verbindung mit dessen Anlage II in Kraft bleiben sollen (hier: § 10 des 6.Strafrechtsänderungsgesetzes der DDR), unterliegen nicht der konkreten Normenkontrolle nach Art.100 Abs.1 GG. LB 2) Die Vorlage ist unzulässig. Die Voraussetzungen des Art.100 Abs.1 Satz 1 GG für ein Verfahren der konkreten | |
§§§ |
1996 | RS-BVerfG - 1997 | 1998 [ ] |
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