1981 | ||
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1980 1982 | [ ] |
81.001 | Richterbesoldung III | |
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Die Anpassung der Besoldung der hessischen Richter an die (bis zum 49.Lebensjahr niedrigeren) Beträge der nunmehr bundeseinheitlichen Besoldungsgruppen R1 und R2 durch das Zweite Besoldungsvereinheitlichungs- und Neuregelungsgesetz, das insoweit für die Richter aller anderen Bundesländer eine nicht unerhebliche Besoldungsverbesserung gebracht hat, ist mit dem Grundgesetz ( Art.33 Abs.5 und Art.3 Abs.1) vereinbar. Zur Wahrung der Rechte der Betroffenen aus Art.33 Abs.5 GG genügte eine Besitzstandswahrung, wie sie dieses Gesetz durch Gewährung einer aufzehrbaren, aber an allgemeinen Besoldungserhöhungen teilnehmenden Überleitungszulage vorsieht. | ||
§§§ |
81.002 | Kriminelle Vereinigung | |
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Zum Begriff derselben Tat im Sinne des Art.103 Abs.3 GG. | ||
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T-81-01 | Zum Grundsatz "ne bis in idem" | |
"Der in Art 103 Abs 3 GG niedergelegte Grundsatz, daß niemand wegen derselben Tat aufgrund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden darf ("ne bis in idem"), ist nicht verletzt. Der Beschwerdeführer ist durch die angegriffene Entscheidung des Landgerichts Heidelberg erstmals wegen seiner Beteiligung an dem Sprengstoffanschlag in H. bestraft worden. Die frühere Verurteilung durch das Landgericht Berlin betraf nicht "dieselbe Tat" im Sinne des Art.103 Abs.3 GG. | ||
1. Das Grundgesetz enthält keine Definition des Tatbegriffs. Das in Art.103 Abs.3 GG enthaltene Doppelbestrafungsverbot nimmt insoweit auf einen Grundsatz des vorverfassungsrechtlichen Prozeßrechts Bezug, den der Verfassungsgeber absichern und einer erschwerten Änderung unterwerfen wollte (Art.79 Abs 1 und 2 GG). Das Grundgesetz geht somit von einem prozessualen Tatbegriff aus, wie er im vorverfassungsrechtlichen Gesamtbild des Prozeßrechts, insbesondere in der Rechtsprechung, unangefochten Geltung besaß. Dieser Begriff stellt auf einen nach natürlicher Auffassung zu beurteilenden einheitlichen Lebensvorgang ab (vgl RGSt_56,324 <325>; RGSt_61,236 <237>, RGSt_62,130f; RGSt_65,106 <109 f>; RGSt_72,339 <340>). "Tat" in diesem Sinne ist der geschichtliche -- und damit zeitlich und sachverhaltlich begrenzte -- Vorgang, auf welchen Anklage und Eröffnungsbeschluß hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte als Täter oder Teilnehmer einen Straftatbestand verwirklicht haben soll (BVerfGE_23,191 <202>). | ||
2. Die Verurteilungen des Beschwerdeführers durch das Landgericht Heidelberg und das Landgericht Berlin betreff en verschiedene historische Ereignisse, die nach natürlicher Betrachtungsweise keine Einheit bilden, und somit auch verschiedene Taten im Sinne des Art.103 Abs.3 GG: | ||
a) Nach den in dem Urteil des Landgerichts Berlin getroffenen Feststellungen hatte der Beschwerdeführer seit dem Jahre 1971 bis zu seiner Festnahme am 9.Mai 1972 einer kriminellen Vereinigung angehört, die es sich zum Ziele gesetzt hatte, die bestehende Gesellschaftsordnung in der Bundesrepublik Deutschland gewaltsam umzustürzen. Zu der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zu dieser Vereinigung und seiner Beteiligung an ihr war nur festgestellt, daß sich der Beschwerdeführer in mehreren Bandenstützpunkten vornehmlich in Berlin aufgehalten, ein konspiratives Treffen gesichert und bei seiner Festnahme Waffen und gefälschte Ausweise bei sich getragen hatte. | ||
b) Demgegenüber ist der Beschwerdeführer durch das Landgericht Heidelberg wegen eines anderen Vorgangs verurteilt worden. Dieses Gericht gelangte zu der Feststellung, daß der in die Planung eines Sprengstoffanschlags eingeweihte Beschwerdeführer zu dessen Vorbereitung in M einen Pkw entwendet und ihn mit Sprengsätzen präpariert hatte, die am 24.Mai 1972 vor dem Gebäude des US-Hauptquartiers in H gezündet wurden, wobei drei Personen starben, während sechs weitere nur durch glückliche Fügung dem Tod entkamen. | ||
c) Die in beiden Urteilen abgehandelten Vorgänge weisen bei natürlicher Betrachtungsweise keine andere Verbindung zueinander auf, als daß sich der Beschwerdeführer jeweils in Verfolgung der Ziele der kriminellen Vereinigung bestätigte. Der bloße, vom Täter ins Auge gefaßte Endzweck seiner Straftaten ist jedoch für die Beurteilung der Frage, ob dieselbe Tat im Sinne des Art.103 Abs.3 GG vorliegt, regelmäßig unbeachtlich, weil die Rechtskraftwirkung sonst unübersehbar ausgedehnt würde und jegliche feste Konturen verlöre. Eine derart weite Erstreckung des Strafklageverbrauchs liefe dem von Art.103 Abs.3 GG verfolgten Anliegen, eine wiederholte Bestrafung wegen desselben individualisierbaren Sachverhalts zu verhindern, zuwider. Die Verknüpfung zu einem einheitlichen Lebensvorgang und damit zu einer Tat im Sinne des Art.103 Abs.3 GG muß sich daher unmittelbar aus den dem Vorgang zugrunde liegenden Handlungen oder Ereignissen selbst ergeben. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. | ||
3. Der Bundesgerichtshof geht in dem angegriffenen Urteil davon aus, daß die Mordtat und das Vergehen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zueinander in Tateinheit (§ 52 StGB) stehen. Dies ändert indessen nichts daran, daß es sich bei den beiden Vorgängen nicht um dieselbe Tat im Sinne des Art.103 Abs.3 GG handelt. | ||
a) Der Begriff der Tateinheit (§ 52 StGB) ist von dem Tatbegriff des Art.103 Abs.3 GG zu trennen. Darauf weist bereits der Umstand hin, daß eine Tat im Sinne des Prozeßrechts vorliegen kann, obwohl die durch den Vorgang verwirklichten Tatbestände zueinander in Tatmehrheit (§ 53 StGB) stehen (BGHSt_23,141 <145>; BGH, NJW 1953, S 1522). Schon das Reichsgericht hatte den prozessualen Tatbegriff aus diesen Erwägungen heraus als einen eigenständigen entwickelt und vom Handlungsbegriff des materiellen Strafrechts abgelöst (RGSt_56,324 <325>; RGSt_62,130 <131>; RGSt_72,339 <340>). Es hat ausgesprochen, der verfahrensrechtliche Tatbegriff habe mit dem sachlichrechtlichen Handlungsbegriff nichts gemein (RGSt_61,314 <317>; RGSt_62,112). Darauf greift Art.103 Abs.3 GG zurück. | ||
b) Diese ausschließlich prozessuale Bedeutung des Tatbegriffs ist sachlich gerechtfertigt und geboten, denn die Rechtsfiguren der Tateinheit (§ 52 StGB) und der Tatidentität (Art.103 Abs.3 GG) verfolgen verschiedene Zwecke: | ||
aa) Die Tatbestände des materiellen Strafrechts sind darauf zugeschnitten, daß der Täter einen Tatbestand einmal verletzt, sie geben jedoch keine Auskunft darüber, wie zu verfahren ist, wenn der Täter durch eine oder mehrere Handlungen denselben Tatbestand mehrmals oder mehrere Tatbestände erfüllt hat. Diese Frage behandeln die §§ 52 ff StGB, deren Regelung von dem Grundgedanken getragen ist, daß bei dem Zusammentreffen mehrerer Gesetzesverletzungen die Addition aller in Betracht kommender Freiheitsstrafen das Maß der Schuld des Täters regelmäßig überstiege. Um eine derartige Aneinanderreihung von Freiheitsstrafen zu vermeiden, stellt das Gesetz zwei Verfahren für eine dem Täter vorteilhafte Kombination der betreffenden Strafdrohungen zur Verfügung, wobei es zwischen Tateinheit (§ 52 StGB) und Tatmehrheit (§ 53 StGB) unterscheidet. Bei den als Tateinheit anzusehenden Gesetzesverletzungen wird nur auf eine Strafe erkannt, welche sich nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht (§ 52 Abs 1, 2 StGB). Die daneben vom Täter verwirklichten weiteren Tatbestände bleiben für die Findung des Strafrahmens, aus dem die Strafe zu entnehmen ist, außer Betracht; sie haben lediglich noch für die Strafzumessung innerhalb dieses Strafrahmens Bedeutung. Bei den als Tatmehrheit zu beurteilenden Gesetzesverletzungen sieht das Gesetz eine erhöhte Schuld als gegeben an, der es durch eine selbständigere Anwendung der betreffenden Strafdrohungen Rechnung trägt: Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die in Tatmehrheit zueinander stehen, so hat er mehrere Strafen verwirkt, die im Falle gleichzeitiger Aburteilung nach besonderen Regeln auf eine Gesamtstrafe zurückgeführt werden (§ 53 StGB). Die Gesamtstrafe wird durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet und darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen (§ 54 StGB). Tateinheit und Tatmehrheit werden durch den Begriff der "Handlung" voneinander abgegrenzt. Wenn dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals verletzt, liegt Tateinheit, sonst Tatmehrheit vor. Eine "Handlung" im Sinn der §§ 52 ff StGB kann in einer gewillkürten Körperbewegung als kleinster Einheit, aber auch aus einer Vielzahl solcher Handlungen im natürlichen Sinne bestehen, die durch den Gesetzestatbestand zu einer "rechtlichen Handlungseinheit" zusammengefaßt werden. Treffen mit den verschiedenen natürlichen Einzelhandlungen eines solchen Handlungskomplexes jeweils andere -- an sich selbständige -- Straftaten zusammen, so können unter bestimmten Voraussetzungen auch diese in die Handlungseinheit einbezogen werden. Das materielle Strafrecht kann daher Handlungszusammenfassungen von ausgedehnter tatsächlicher Reichweite bilden, für die dennoch gemäß § 52 StGB nur eine Strafe zu verhängen ist. (Abs.20) | ||
bb) Demgegenüber bezweckt der Begriff der Tatidentität im Sinne des Art.103 Abs.3 GG ausschließlich, die Grenzen der materiellen Rechtskraft abzustecken. Die materielle Rechtskraft gründet sich auf das Gebot der Rechtssicherheit und Rechtsruhe; sie schützt den Verurteilten davor, wegen des in der Anklage bezeichneten und individualisierten Sachverhalts nochmals gerichtlich belangt zu werden. Ein erneutes Verfahren ist auch dann unzulässig, wenn später erschwerende Umstände hervortreten, die dem Gericht im ersten Verfahren nicht bekannt sein konnten. In diesem Umfang hat sich der Staat um der Rechtssicherheit willen eine freiwillige Begrenzung in seinem Recht auf Verfolgung strafbarer Handlungen auferlegt und damit insoweit auch auf die Durchsetzung des die Gleichmäßigkeit der Rechtsanwendung sichernden Legalitätsprinzips verzichtet. Der Verfassungsgeber hat das Verfahrenshindernis der Rechtskraft angesichts der Erfahrungen mit einem Unrechtsregime, das vor erneuter Verfolgung schon abgeurteilter Taten nicht zurückgeschreckt und uferlose Durchbrechungen der Rechtskraft zum Zwecke härterer Bestrafung ermöglicht hatte, in den Rang eines Prozeßgrundrechts erhoben. Auch wenn dies im Einzelfall zu als ungerecht empfundenen Ergebnissen führen kann, so ist doch vor dem Hintergrund der geschichtlichen Erfahrungen allen Versuchen entgegenzutreten, den Tatbegriff je nach der Schwere der unberücksichtigt gebliebenen Umstände zu verändern, um nachträglich eine gerechte Bestrafung zu ermöglichen. Eine derartige Sperrwirkung ist andererseits aber nur erträglich, wenn der Umfang des prozessualen Tatbegriffs nicht über jedes Maß hinaus ausgedehnt wird, indem er mit der Rechtsfigur der materiellrechtlichen Tateinheit verknüpft wird, die gänzlich anderen Zwecken dient. Ihre unterschiedlichen Zielsetzungen verbieten es, die Begriffe des materiellen Rechts und des Prozeßrechts zu vermengen, will man nicht den jeweils verfolgten Prinzipien Abbruch tun und in die Gefahr unauflösbarer Wertungswidersprüche geraten. | ||
c) Gewiß werden sich die vom materiellen Strafrecht gebildeten Handlungseinheiten in der Regel mit denen des Prozeßrechts decken. Indem das materielle Strafrecht von der natürlichen Handlung ausgeht, legt es Vorgänge zugrunde, die im allgemeinen auch aus prozeßrechtlichen Gründen nicht auseinandergerissen werden können. Ein durch den Rechtsbegriff der Tateinheit (§ 52 StGB) zusammengefaßter Sachverhalt wird deshalb nur dann aus mehr als einer Tat im Sinne des Art.103 Abs.3 GG bestehen können, wenn das materielle Recht rechtliche Handlungseinheiten bildet, die mehrere ihrer Natur nach selbständige Sachverhalte in sich aufnehmen. Der in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wiederholt hervorgehobene Grundsatz, daß eine materiellrechtliche Tat Tatidentität im Sinne von Art.103 Abs.3 GG verbürge (BGHSt_6,92 <97>; BVerfGE_15,268 <272>; BGH, NJW 1953, S 553f; VRS_21,341 <343 f>; GA 1970, 84 [85 | ||
d) Im vorliegenden Falle liegt jedenfalls angesichts der Tatbestandsstruktur des § 129 StGB eine solche Ausnahme vor: | ||
Der Tatbestand der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) faßt eine Vielzahl unterschiedlichster Vorgänge zu einer juristischen Einheit zusammen, deren Umfang außerordentlich weit gefaßt ist. Ein für die mitgliedschaftliche Teilnahme beachtlicher Teilnahmeakt kann in jeder irgendwie gearteten Tätigkeit bestehen, die den Zwecken der Vereinigung dienlich ist. Die Täterschaft kann sich daher in den unterschiedlichsten Verhaltensweisen verwirklichen. Auch soweit diese zusätzlich andere Straftatbestände verletzen, können sie im Rahmen der Vereinigung verschiedenartigsten Zwecken dienen. Die Tätigkeiten können die unmittelbaren Ziele der Vereinigung durchsetzen, sie können aber auch lediglich die Grundlagen für die Tätigkeit der Vereinigung schaffen oder erhalten wollen. Nach der in der Rechtsprechung vertretenen weiten Ausdehnung des § 129 StGB ist beispielsweise schon wegen dieser Vorschrift strafbar, wer durch Vorzeigen eines gefälschten Ausweises der Verhaftung entgehen will, um sich weiterhin für die Vereinigung zur Verfügung halten zu können. Eine fortwährende Tätigkeit für die Vereinigung wird zudem von § 129 StGB nicht vorausgesetzt. Daher kann ein Mitglied unter Umständen über Jahre hinweg untätig bleiben, ein späterer Tätigkeitsakt unterfiele dennoch dem einen Tatbestand des § 129 StGB, wenn nur der Täter stets gewillt war, sich auch künftig am "Verbandsleben" zu beteiligen. Die Vorschrift des § 129 StGB kann mithin auch zeitlich weit auseinanderliegende Ereignisse verknüpfen. Bei einer derart weitgefaßten Tatbestandsstruktur kann einzelnen Tätigkeitsakten ein Gewicht zuwachsen, das sie als verselbständigte Ereignisse im Sinne des Art.103 Abs.3 GG erscheinen läßt. | ||
4. Der Beschwerdeführer meint, der Grundsatz, daß mehrere Gesetzesverletzungen, die materiellrechtlich in Tateinheit stehen, stets eine einheitliche Tat im Sinne des Art.103 Abs.3 GG bilden, sei von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausnahmslos anerkannt und als Kernbestand des Satzes "ne bis in idem" vom Grundgesetz geschützt worden. Diese Auffassung trifft nicht zu. Es kann dahinstehen, ob die Rechtsprechung vor Inkrafttreten des Grundgesetzes davon ausging, das Vorliegen von Tateinheit (§ 52 StGB) habe unter allen nur denkbaren Umständen notwendig prozessuale Tatidentität zur Folge. Denn eine derart strenge, der Rechtsprechung des Reichsgerichts in alle Verästelungen nachspürende und sie für maßgeblich erachtende historische Auslegung wird dem Sinn des Art.103 Abs.3 GG nicht gerecht. Zwar nimmt Art.103 Abs.3 GG auf die bei Inkrafttreten des Grundgesetzes geltende prozeßrechtliche Lage Bezug. Dies bedeutet indessen nicht, daß das überlieferte Verständnis des Rechtssatzes "ne bis in idem" für jede auftauchende Zweifelsfrage bereits eine verbindliche Auslegung durch die Rechtsprechung bereithielte, und es bedeutet insbesondere nicht, daß für neu auftauchende Gesichtspunkte, die sich der Prozeßrechtswissenschaft und der Rechtsprechung so noch nicht gestellt hatten, eine verfassungsrechtliche Festlegung getroffen worden wäre. Es kann ferner nicht bedeuten, daß die in offenen Randbereichen des
Tatbegriffs schwierigen Abgrenzungsfragen und dogmatischen Zweifelsfälle jeder Weiterentwicklung von Verfassungs wegen schon entzogen wären. Zweifellos sollten Gesetzgebung und (herrschende) Auslegung nicht bis in alle Einzelheiten auf den Stand der Rechtsprechung und Prozeßrechtslehre bei Inkrafttreten des Grundgesetzes festgelegt und jede weitere Veränderung im Verständnis des prozessualen Verfahrensgegenstandes und der Rechtskraftwirkung ausgeschlossen werden. Art.103 Abs.3 GG steht Grenzkorrekturen nicht entgegen (so auch Schäfer in: Löwe-Rosenberg, StPO, 23.Aufl, 1976, Einl Kap 12, Rdnr 33, 37); er garantiert nur den Kern dessen, was als Inhalt des Satzes "ne bis in idem" in der Rechtsprechung herausgearbeitet wurde. Für eine gegenteilige Auffassung bietet auch die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes keinen Anhaltspunkt. (Abs.25) 5. Es verstößt auch nicht gegen Art.103 Abs.3 GG, daß der Bundesgerichtshof den Begriff der Tat im Sinne des Doppelbestrafungsverbots im Ergebnis enger als den für den Umfang der Kognitionspflicht maßgebenden Tatbegriff gefaßt hat. Der Begriff der "Tat" spielt an mehreren Stellen des Strafprozeßrechts eine Rolle: bei der Rechtshängigkeit, bei der Klageänderung und bei der Rechtskraft. Durch Art 103 Abs 3 GG verfassungsrechtlich abgesichert ist nur der letztere. Zwar hat das Reichsgericht betont, das Strafurteil verbrauche die Strafklage, soweit die unabhängig von den Erkenntnismöglichkeiten des Gerichts zu bestimmende Kognitionspflicht reiche (RGSt_24,419; RGSt_49,272
<274>; RGSt_51,241f; RGSt_56,324 <325>; RGSt_66,19 <20 f>). Die Bestimmung der Tatidentität im Sinne des Art.103 Abs.3 GG Strafgerichtsverfassungsrechts, 1928, S 267, Fußnote 1, und JW 1925, S 1010 | ||
Auszug aus BVerfG B, 08.01.81, - 2_BvR_873/80 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.11 ff | ||
§§§ |
81.003 | Aussageverpflichtung | |
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Grundrechte des Gemeinschuldners werden nicht dadurch verletzt, daß er nach den Vorschriften der Konkursordnung uneingeschränkt zur Aussage verpflichtet ist und dazu durch die Anordnung von Beugemitteln angehalten werden kann. Offenbart er strafbare Handlungen, darf seine Aussage nicht gegen seinen Willen in einem Strafverfahren gegen ihn verwertet werden. | ||
LB 2) Zur abweichenden Meinung des Richters Heußner, siehe BVerfGE_56,52 | ||
§§§ |
81.004 | Fluglärm | |
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1) Wer behauptet, durch die Auswirkungen des Fluglärms in seinen Grundrechten verletzt zu werden, ist grundsätzlich gehalten, vor einer Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts den Rechtsweg zu beschreiten. | ||
2) Zur Pflicht des Gesetzgebers, Regelungen zur Bekämpfung des Fluglärms nachzubessern. | ||
§§§ |
81.000 | Vertretungsverbot | |
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Zur Unanwendbarkeit des kommunalen Vertretungsverbotes (§ 24 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen) auf einen Rechtsanwalt, der mit einem Ratsmitglied in Bürogemeinschaft verbunden ist. | ||
LB 2) Wie das BVerfG wiederholt entschieden hat, bestehen gegen die von dem OVG angezogene Vorschrift des § 24 Abs.1 S.2 GONW als solche keine verfassungsrechtliche Bedenken; sie greift insbesondere nicht in den Schutzbereich des Art.12 Abs.1 Satz 1 GG ein (vgl BVerfGE_41,231 <241>; BVerfGE_52,42 <53 f>). | ||
LB 3) Nach § 24 Abs.1, § 30 Abs.2 GONW werden die Inhaber eines Ehrenamtes und die Mitglieder des Gemeinderates einer besonderen Treuepflicht gegenüber der Gemeinde unterworfen. Diese Treuepflicht konkretisiert sich in dem Vertretungsverbot (vgl BVerfGE_41,231 <241>). | ||
LB 4) Sinn und Zweck des Vertretungsverbots gehen dahin, die Sauberkeit im öffentlichen Leben zu wahren. Es soll verhindert werden, daß Gemeindeangehörigen den Einfluß von Ratsmitgliedern für ihre persönlichen Interessen ausnutzen und daß rechtsgeschäftlich bestellte Vertreter, die zugleich Gemeinderatsmitglieder sind, durch diese Doppelfunktion in einen Interessenwiderstreit geraten (vgl BVerfGE_41,231 <241>; BVerfGE_52,42 <54> mwN). | ||
LB 5) Diese der gesetzlichen Regelung zugrundeliegenden Erwägungen rechtfertigen es nicht, den Rechtsanwalt einer Bürogemeinschaft, der dem Gemeinderat nicht angehört, mit einem Vertretungsverbot zu belegen. | ||
§§§ |
81.005 | Bethel | |
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Zur Frage gewerkschaftlicher Zutrittsrechte zu kirchlichen Einrichtungen. | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel:
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§§§ |
81.006 | Asylverfahren-Rechtsschutz | |
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Der Gesetzgeber ist seiner Aufgabe, eine dem Grundrecht auf Asyl angemessene Verfahrensregelung zu treffen, durch Einführung eines Anerkennungsverfahrens nachgekommen. Angesichts dieser Rechtslage läßt es sich mit Art.16 Abs.2 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbaren, daß die Ausländerbehörden vor Durchführung des Anerkennungsverfahrens aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Asylsuchende ergreifen und dabei Asylbegehren als offensichtlich rechtsmißbräuchlich außer acht lassen. | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
81.007 | Gondelbahn | |
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Nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Enteignung (Art.14 Abs.3 Satz 2 GG) darf die Verwaltung zur Durchsetzung ein Vorhabens nur dasjenige Enteignungsgesetz anwenden, das der nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes für den jeweiligen Sachbereich zuständige Gesetzgeber erlassen hat. | ||
LB 2) Zur abweichenden Meinung des Richters Böhmer, siehe BVerfGE_56,266 = www.dfr/BVerfGE, Abs.67 ff. | ||
LB 4) Zur Abgrenzung der Begriffe Interesse der Allgemeinheit und Wohl der Allgemeinheit. | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel: | |
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T-81-02 | "Wohl der Allgemeinheit" | |
"3. Staatlicher, gegen das Eigentum gerichteter Zwang kann unterschiedlich legitimiert sein. Die jeweilige Legitimation ist ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Abgrenzung der Enteignung von anderen Eigentumseingriffen (vgl zB für die Zwangsvollstreckung: BVerfGE_49,231; für die Gefahrenabwehr: BVerfGE_20,351 <359>). | ||
Für die Enteignung hat Art.14 Abs.3 Satz 1 GG die Frage: Was legitimiert den Staat, seinem Bürger gegenüber zwangsweise Eigentum ganz oder teilweise zu entziehen und in welchen Grenzen bleibt er legitim - dahin beantwortet, daß nur das Wohl der Allgemeinheit die grundrechtliche Schranke zu überwinden vermag. Das hat das Oberlandesgericht verkannt. | ||
a) Die Begründung seiner Entscheidung ist zunächst dadurch gekennzeichnet, daß Art.14 Abs.3 Satz 1 GG, von dessen Beachtung die Entscheidung des Rechtsstreits in erster Linie abhing, nicht ein einziges Mal erwähnt wird, dagegen zehn Mal von "öffentlichen" und "gewichtigen öffentlichen Interessen" die Rede ist, wobei nicht erkennbar ist, nach welchen rechtlichen Kriterien die "Gewichtigkeit" bestimmt wird. | ||
Unabhängig davon, daß die Gerichte unmittelbar die Verfassung anwenden, wenn sie über die Zulässigkeit einer Enteignung befinden, kann das Grundgesetz verlangen, "beim Wort" genommen zu werden; denn das Wort ist das Medium, durch das der Inhalt des Rechts verlautbart wird. | ||
Das Grundgesetz unterscheidet im Bereich des verfassungsrechtlichen Enteignungsrechts zwischen den "Interessen der Allgemeinheit" (Art.14 Abs.3 Satz 3 GG) und dem "Wohle der Allgemeinheit" (Art.14 Abs.3 Satz 1 GG). Es ist unschwer zu erkennen, daß diese Unterscheidung nicht lediglich eine fa on de parler darstellt, sondern daß ihr eine grundsätzliche Bewertung bestimmter Lebenssachverhalte zugrunde liegt; sie ist - was hier keiner näheren Darlegung bedarf - vom Verfassungsgesetzgeber bewußt als Antwort auf gewisse vorausgegangene Rechtsentwicklungen gewählt worden. | ||
Wenn im selben Regelungsbereich des Grundgesetzes eine solche Unterscheidung getroffen ist, verbietet die Bindung des Richters an das Gesetz, die Begriffe beliebig auszutauschen oder ohne nähere Begründung zu identifizieren. Es geht hierbei nicht um eine blutleere Begriffsjurisprudenz, sondern um die Bindung der Rechtsanwendungsorgane an den Inhalt des Rechts. Daß in der Rechtswissenschaft in einer beachtlichen, die Rationalität des Rechts gefährdenden Weise Gemeinwohl und öffentliche Interessen nicht sorgfältig geschieden werden, rechtfertigt nicht, sich über den Wortlaut und die darin zum Ausdruck kommende Intention hinwegzusetzen. Die gehäufte Anwendung eines im Grundgesetz für den maßgeblichen Sachbereich nicht verwendeten Begriffs zeigt, daß das Gericht nicht von dem verbindlichen Wortlaut des Art.14 Abs.3 Satz 1 GG ausgeht, sondern der darin zum Ausdruck gebrachten Entscheidung des Verfassungsgesetzgebers nicht folgt und der Norm einen anderen Inhalt beilegt. Daß es sich nicht nur um ein Vergreifen im Ausdruck, sondern um eine Verkennung der Verfassung handelt, bestätigt die Einzelanalyse der Entscheidungsgründe. | ||
Es bedarf hier keiner Erörterung, wie die "Interessen der Allgemeinheit" vom "Wohle der Allgemeinheit" abzugrenzen sind. Es genügt der Hinweis, daß Interesse ein Sachverhalt ist, der "Beachtung", "Anteilnahme" oder "Aufmerksamkeit" verdient. Das ist etwas anderes als das gemeine "Wohl". Nicht alles, was öffentliches Interesse erweckt, dient auch dem allgemeinen Wohl und ist erst recht nicht "zum" allgemeinen Wohl erforderlich. Es ist eine täglich zu beobachtende Tatsache, daß im staatlichen und kommunalen Bereich öffentliche (oder als solche deklarierte) Interessen anderen öffentlichen Interessen gegenüberstehen; in nicht seltenen Fällen geraten die verschiedenen öffentlichen Interessen in einen offenen Widerspruch zueinander (zum "Zielkonflikt" öffentlicher Interessen: vgl zB BVerfGE_52,1 [37 | ||
b) Es besteht im vorliegenden Zusammenhang auch kein Anlaß, zu den zahlreichen Darstellungen zur Gemeinwohlproblematik Stellung zu nehmen, zumal sie wenig zur Gemeinwohlformel des Art.14 Abs.3 Satz 1 GG zutage gefördert haben. So umfangreich die Literatur, so bemerkenswert dürftig ist die Rechtsprechung. | ||
Der Gemeinwohlformel des Art.14 Abs.3 Satz 1 GG kommt eine spezifische, auf das Enteignungsrecht bezogene Bedeutung und Funktion zu. Diese Vorschrift ermächtigt nicht nur den Staat zum Zugriff auf grundrechtlich geschützte Rechtspositionen, sondern beschränkt zugleich die Enteignungsbefugnis des Staates: Es darf nur "zum Wohle" der Allgemeinheit enteignet werden. | ||
Das Gemeinwohl ist im Staate des Grundgesetzes zunächst Maßstab für die Rechtsetzung. Ihm kommt die Funktion zu, Begrenzungen der Freiheitsrechte durch Gesetz zu rechtfertigen. Was in diesem übergreifenden Zusammenhang das Gemeinwohl allgemein zum Inhalt hat, kann dahingestellt bleiben. Es können je nach Sachbereich Erwägungen der verschiedensten Art sein. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gibt dafür zahlreiche Beispiele. Die insoweit sich ergebenden Fragen bedürfen hier keiner weiteren Erörterung. | ||
In Art.14 GG ist das Gemeinwohl ausdrücklich zweimal angesprochen, und zwar in unterschiedlichen Funktionen. In Art.14 Abs.2 GG ist das Wohl der Allgemeinheit dem Gesetzgeber als verbindliche Richtschnur vorgegeben. Das Gemeinwohl tritt hier nicht unter dem Blickwinkel der Einschränkung von Freiheitsrechten auf, sondern unter dem der gerechten Ausgestaltung der Eigentumsordnung durch den Gesetzgeber. Das Eigentum soll dem Individualinteresse, aber zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Weder Individualinteresse noch Allgemeinbelange haben von vornherein ein Übergewicht. Sie sind vielmehr in einen gerechten, dem dialektischen Verhältnis von verfassungsrechtlich garantierter Dispositionsbefugnis und dem Gebot einer sozialgerechten Eigentumsordnung gleichermaßen Rechnung tragenden Ausgleich zu bringen (BVerfGE_25,112 <117 f>; BVerfGE_37,132 <140>; BVerfGE_50,290 <340>). | ||
Enthält Art.14 Abs.2 GG eine prinzipielle Anweisung für die generelle Ausgestaltung der Eigentumsordnung, so dient die Gemeinwohlformel des Art.14 Abs.3 Satz 1 GG dem Schutz des individuellen Grundrechtsträgers. Während Art.14 Abs. 2 GG die Umgestaltung des Rechtsinstituts im Auge hat, markiert die Gemeinwohlformel des Art.14 Abs.3 Satz 1 GG eine Grenze für die Exekutive beim Zugriff auf das konkrete Eigentum des einzelnen Bürgers. Dem terminologischen Unterschied in der jeweiligen Gemeinwohlformel kommt sachliche Bedeutung zu. Das individuelle Grundrecht setzt zunächst der dem Staat von der Verfassung eingeräumten Enteignungsermächtigung eine Schranke, die nicht schon dann überwunden werden kann, wenn der Eingriff in den grundrechtlich geschützten Bereich dem Wohl der Allgemeinheit "dient", der Zugriff auf das Eigentum muß "zum Wohle" der Allgemeinheit erforderlich sein. | ||
Art.14 Abs.3 Satz 1 GG schließt sich zwar an Art.153 Abs.2 Satz 1 WRV an, der folgenden Wortlaut hatte: Eine Enteignung kann nur zum Wohle der Allgemeinheit ... vorgenommen werden. Die hiervon abweichende Formulierung des Art.14 Abs.3 Satz 1 GG ist aber vom Parlamentarischen Rat mit Bedacht gewählt worden. Es sollten mit der Betonung der Zulässigkeit Enteignungen aus "Staatszweckmäßigkeitsgründen" ausgeschlossen werden (Parl.Rat, Prot.vom 7.Okt.1948, S.4). Diese wichtige Erklärung hat während der gesamten Beratungen keinen Widerspruch erfahren, obwohl andere Bestimmungen des Art.14 GG erheblich umstritten waren. | ||
4. Im Falle der klassischen Enteignung dient diese der Durchsetzung eines von der öffentlichen Hand geplanten Vorhabens. In diesem Zusammenhang hat das Oberlandesgericht zur Rechtfertigung der Enteignung ausgeführt: Da die Seilbahn im Bebauungsplan ausgewiesen sei, stelle sich nur die Frage, "ob der Bau der Gondelbahn eine Enteignung erfordert". Die Stadt Bad Dürkheim hat hierzu vorgetragen: Weil die Gondelbahn von ihr geplant worden sei, aber ohne Enteignung nicht habe gebaut werden können, müsse die Enteignung als zulässig angesehen werden. Nach Auffassung des Vertreters der Gondelbahn GmbH wird das Recht der Enteignung zum "Steuerungsfaktor der gemeindlichen Planungshoheit", wenn die Durchführung einer geplanten Anlage nicht die Zulässigkeit der Enteignung bestimmt. | ||
Diese Rechtsmeinungen verkennen das Verhältnis des Art.14 Abs.3 Satz 1 GG zum Planungsrecht und dem Gestaltungsauftrag der Exekutive. Sie sind mit dem Grundgesetz unvereinbar. | ||
a) Planung ist nicht Selbstzweck (sollte es jedenfalls nicht sein), sondern ein Mittel zur zweckmäßigen und sinnvollen Erledigung von staatlichen Aufgaben. Hierbei bedarf die umstrittene Frage der Abschichtung von staatlicher Aufgabe (vgl Art.30 GG) und öffentlicher Aufgabe keiner Erörterung. Auch die organisationsrechtliche Frage, wem die Erfüllung der Aufgaben obliegt (staatliche-kommunale Verwaltung), ist hier ohne Belang. | ||
Der Kreis der dem Staat obliegenden Aufgaben ist in den Grenzen der Verfassung offen: Die öffentliche Hand kann im Rahmen der ihr kompetenzmäßig zugewiesenen Aufgaben praktisch jedes Vorhaben planen. Ob das Vorhaben sinnvoll und zweckmäßig ist, ob es sich um ein Prestigeobjekt zur Selbstdarstellung, um eine "Attraktion" (wie hier vorgetragen) oder um eine Dienstleistung für die Bürger handelt und ob die hierfür aufzuwendenden Mittel gerechtfertigt sind, ist vorrangig eine von den politischen Organen zu verantwortende Entscheidung. Diese entzieht sich - soweit sich Staat und Gemeinden im Rahmen ihrer Aufgabenzuweisung und der vorgeschriebenen Regeln halten - weithin rechtlicher Bewertung. | ||
Es steht aber mit dem Grundgesetz nicht in Einklang, aus dem Umstand, daß die Enteignung ein Hilfsmittel zur Verwirklichung geplanter Vorhaben darstellt, den Schluß zu ziehen, daß die Enteignung bei jedem vom Staat oder einer Gemeinde für nützlich, förderungswürdig oder zweckmäßig angesehenen Vorhaben zulässig wäre. Die Zuweisung einer Kompetenz für eine Aufgabe bedeutet noch nicht die Zulässigkeit staatlichen Zwanges zu ihrer Verwirklichung. Die "polizeistaatliche" Schlußfolgerung vom Zweck auf die Mittel findet im Grundgesetz keinen legitimen Ort. Die Gemeinde ist kein von den Grundrechten freigestellter Herrschaftsverband. | ||
Es besteht auch entgegen der Auffassung der Gesellschaft keine Vermutung für die Zulässigkeit der Enteignung, wenn ein Unternehmen von der Exekutive geplant worden ist. Der Zugriff auf grundrechtlich geschützte Rechtspositionen bedarf vielmehr der Rechtfertigung und des exakten Nachweises, daß die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen des Art.14 Abs.3 Satz 1 GG vorliegen. Hierbei kann dahingestellt bleiben, wieweit bereits die Ausübung der Planungsbefugnis im Blick auf grundrechtliche "Vorwirkungen" rechtfertigungsbedürftig ist (vgl zB BVerwGE_48,56 <59 ff>). | ||
b) Mit der Aussage, daß eine Enteignung nur "zum Wohle" der Allgemeinheit zulässig ist, hat das Grundgesetz deutlich zum Ausdruck gebracht, daß die Enteignung nicht schon dann vorgenommen werden darf, wenn das Unternehmen dem Gemeinwohl "dient"; sie kann auch nicht "aus Gründen des öffentlichen Interesses", und auch nicht zu jedem von der öffentlichen Hand verfolgten Zweck vorgenommen werden. Es genügt auch nicht, daß die Enteignung "geeignet" ist, das beabsichtigte Vorhaben zu verwirklichen. Die Verfassung verlangt vielmehr, daß die Enteignung zum Zwecke der Verwirklichung eines vom Gemeinwohl geforderten Vorhabens notwendig ist, mit dem eine staatliche Aufgabe erledigt werden soll. | ||
Im Bereich der klassischen Enteignung besteht eine unmittelbare Beziehung zwischen der staatlichen Aufgabe, dem zu ihrer Erfüllung erforderlichen "Unternehmen" und dem zu seiner Verwirklichung notwendigen Einsatz staatlichen Zwanges. Das Vorhaben muß eine dringende staatliche Aufgabe befriedigen. Es muß außerdem selbst zum Wohle der Allgemeinheit erforderlich und notwendig sein, wenn es mit Hilfe der Enteignung durchgesetzt werden soll. Wenn die Allgemeinheit auf die Erfüllung der Aufgabe unumgänglich angewiesen ist, kann auch staatlicher Zwang zur Realisierung des hierzu erforderlichen "Unternehmens" eingesetzt werden. Nach Art.14 Abs.3 Satz 1 GG und der zweckorientierten Funktion der Enteignung lassen sich die staatliche Aufgabe, die Notwendigkeit des Vorhabens und die verfassungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht trennen. | ||
Würde jedes Vorhaben des Staates oder einer Gemeinde, das als politisch oder wirtschaftlich zweckmäßig oder nützlich Sinne des Art.14 Abs.3 Satz 1 GG identifiziert, so würde damit die Schutzfunktion der Vorschrift praktisch beseitigt. Könnte die öffentliche Hand bei der Planung und Vorbereitung eines Unternehmens, dessen Verwirklichung Eingriffe in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen erfordert, im Rahmen ihres Verwaltungshandelns - also auf der Ebene des einfachen Rechts - selbstherrlich und ohne Rücksicht auf die potentielle Beeinträchtigung von Grundrechten entscheiden, so hätte sie es in der Hand, die in Art.14 Abs.3 Satz 1 GG normierten verfassungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Enteignung zu manipulieren: Im Klartext bedeutet das, dem Mißbrauch des Enteignungsrechts Tür und Tor zu öffnen. Aus grundrechtlicher Sicht heißt dies auch, die Eigentumsgarantie des Art.14 Abs.1 Satz 1 GG um ihre bestandsschützende Funktion zu bringen. Wäre die Enteignung schon deshalb gerechtfertigt, weil die Gemeinde das Vorhaben beschlossen hat, wäre die Schranke, die das Grundgesetz mit vollem Bedacht zwischen der öffentlichen Gewalt und den Rechten des Einzelnen aufgerichtet hat, niedergerissen. Eine solche Auffassung würde auf den Satz hinauslaufen: Der Zweck heiligt die Mittel." | ||
Auszug aus BVerfG U, 10.03.81, - 1_BvR_92/71 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.91 ff | ||
§§§ |
81.008 | Agent | |
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LB 1) Der Beschwerdeführer wurde wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich erkannte ihm das Gericht auf die Dauer von drei Jahren die Fähigkeit ab, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen. | ||
LB 2) Der Beschwerdeführer beantragt den Erlaß einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt, die Vollziehung des Urteils des Bayerischen Obersten Landesgerichts bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde auszusetzen. | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
81.009 | NPD | |
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LB 1) Der Umfang der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht wird im Verfahren der Organklage durch den -- hier frist- und formgerechten -- Antrag bestimmt (BVerfGE_40,287 <290>; BVerfGE_24,252 <257 f>). Dieser begrenzt den Streitgegenstand. | ||
LB 2) Nach § 64 Abs.1 BVerfGG ist ein Antrag im Organstreit nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, daß er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. | ||
LB 3) Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen dienen ebenso wie mündliche Antworten auf Fragen in der Fragestunde des Bundestages (vgl BVerfGE_13,123 <125>) dazu, dem einzelnen Abgeordneten die für seine Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. | ||
LB 4) Die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage erschöpft sich in aller Regel in der Mitteilung von Tatsachen und in der Äußerung einer Meinung, die -- wie auch im vorliegenden Fall -- eine rechtliche Außenwirkung nicht erzeugt. | ||
LB 5) Die in Beantwortung einer Kleinen Anfrage abgegebene Äußerung des Bundesministers des Innern stellt weder ein administratives Einschreiten gegen die NPD dar, noch wird durch diese Äußerung eine Verfassungswidrigkeit der NPD rechtlich geltend gemacht. | ||
LB 6) Weder der Bundesminister des Innern noch die Bundesregierung haben die verfassungsrechtliche Möglichkeit, von sich aus die Antragstellerin an der Ausübung der in Art.21 GG umschriebenen Rechte und Pflichten zu hindern. Diese Bestands- und Schutzgarantie ("Parteienprivileg") des Grundgesetzes wird durch die Äußerung des Bundesministers des Innern auch für die NPD nicht in Frage gestellt. | ||
LB 7) Bei den von der Antragstellerin beanstandeten Äußerungen, die NPD und deren Jugendorganisation verfolgten verfassungsfeindliche Ziele, sie verherrlichten das nationalsozialistische Gewaltregime, ihre Zielsetzung sei durch einen völkischen Kollektivismus geprägt, der deutlich rassistische Züge aufweise, handelt es sich vielmehr um Werturteile, die der Bundesminister des Innern zur Beantwortung einer seinen Geschäftsbereich betreffenden parlamentarischen Anfrage abgegeben hat. An diese Werturteile sind keinerlei rechtliche Auswirkungen geknüpft. | ||
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Beschluss | ||
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T-81-03 | Organstreit | |
"Der Antrag ist unzulässig. I. | ||
Der Umfang der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht wird im Verfahren der Organklage durch den -- hier frist- und formgerechten -- Antrag bestimmt (BVerfGE_40,287 <290>; BVerfGE_24,252 <257 f>). Dieser begrenzt den Streitgegenstand. Im vorliegenden Verfahren sind mithin die im Antragstenor bezeichneten und beanstandeten Äußerungen des Bundesministers des Innern zu prüfen. II. | ||
Nach § 64 Abs.1 BVerfGG ist ein Antrag im Organstreit nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, daß er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. Die zur Nachprüfung gestellte Maßnahme muß rechtserheblich sein oder sich zumindest zu einem die Rechtsstellung der Antragstellerin beeinträchtigenden, rechtserheblichen Verhalten verdichten können (BVerfGE_13,123 <125> unter Hinweis auf BVerfGE_2,143 <168>; BVerfGE_3,12 <17>); die Verletzung oder Gefährdung der Rechte und Pflichten muß sich aus dem Sachvortrag als mögliche Rechtsfolge ergeben (BVerfGE_13,123 <125> unter Hinweis auf BVerfGE_2,347 <366>). | ||
Eine derartige Verletzung oder Gefährdung der Antragstellerin in ihren ihr durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten ist weder dargetan noch ersichtlich. | ||
1. Die Beantwortung einer Kleinen Anfrage durch den zuständigen Minister vollzieht sich im parlamentarischen Raum. Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen dienen ebenso wie mündliche Antworten auf Fragen in der Fragestunde des Bundestages (vgl BVerfGE_13,123 <125>) dazu, dem einzelnen Abgeordneten die für seine Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Sie sind Teil des Frage- und Interpellationsrechts des Parlaments, das den Mitgliedern der Bundesregierung die verfassungsrechtliche Verpflichtung auferlegt, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen und den Abgeordneten die zur Ausübung ihres Mandats erforderliche Information zu verschaffen. | ||
Die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage erschöpft sich in aller Regel in der Mitteilung von Tatsachen und in der Äußerung einer Meinung, die -- wie auch im vorliegenden Fall -- eine rechtliche Außenwirkung nicht erzeugt. | ||
2. Die in Beantwortung einer Kleinen Anfrage abgegebene Äußerung des Bundesministers des Innern stellt weder ein administratives Einschreiten gegen die NPD dar, noch wird durch diese Äußerung eine Verfassungswidrigkeit der NPD rechtlich geltend gemacht. | ||
Die verbindliche Feststellung, daß eine Partei verfassungswidrig ist, kann nach Art.21 Abs.2 GG nur das Bundesverfassungsgericht in dem dafür vorgesehenen Verfahren (§§ 43 ff BVerfGG) treffen. Das Entscheidungsmonopol des Gerichts schließt ein administratives Einschreiten gegen den Bestand einer politischen Partei schlechthin aus. Weder der Bundesminister des Innern noch die Bundesregierung haben die verfassungsrechtliche Möglichkeit, von sich aus die Antragstellerin an der Ausübung der in Art.21 GG umschriebenen Rechte und Pflichten zu hindern. Diese Bestands- und Schutzgarantie ("Parteienprivileg") des Grundgesetzes wird durch die Äußerung des Bundesministers des Innern auch für die NPD nicht in Frage gestellt. | ||
Bei den von der Antragstellerin beanstandeten Äußerungen, die NPD und deren Jugendorganisation verfolgten verfassungsfeindliche Ziele, sie verherrlichten das nationalsozialistische Gewaltregime, ihre Zielsetzung sei durch einen völkischen Kollektivismus geprägt, der deutlich rassistische Züge aufweise, handelt es sich vielmehr um Werturteile, die der Bundesminister des Innern zur Beantwortung einer seinen Geschäftsbereich betreffenden parlamentarischen Anfrage abgegeben hat. An diese Werturteile sind keinerlei rechtliche Auswirkungen geknüpft. Die Antragstellerin kann sich weiterhin -- wie jede andere Partei -- auf die verfassungsrechtlich verbürgten Prinzipien der Gründungs- und Betätigungsfreiheit berufen und die in § 1 Abs.2 Parteiengesetz umschriebenen Tätigkeiten ungehindert ausüben. Ihr Recht und die faktische Möglichkeit, sich zur Wahl zu stellen, bleiben unangetastet. Ihr bleibt auch unbenommen, sich öffentlich gegen die von ihr für falsch gehaltene Beurteilung des Bundesministers des Innern zur Wehr zu setzen und sich dem Bürger so darzustellen, wie es ihrem Selbstverständnis entspricht. Ungeschmälert bleiben ferner ihr Anspruch auf Gleichbehandlung gemäß § 5 Parteiengesetz, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt den Parteien Einrichtungen zur Verfügung stellt oder andere öffentliche Leistungen gewährt, sowie ihr Anspruch auf Erstattung der Wahlkampfkosten (§§ 18, 20 Parteiengesetz). Ihre Anhänger, Mitglieder und Funktionäre sind nicht gehindert, mit allgemein erlaubten Mitteln für die Ziele der Partei zu werben, an Wahlen teilzunehmen und bei entsprechendem Wahlerfolg ein Abgeordnetenmandat wahrzunehmen. Bei Beeinträchtigungen dieser Rechte steht der NPD oder ihren Mitgliedern der Rechtsweg offen. | ||
Auf die Maßnahme des Amtschefs des Personalstammamtes der Bundeswehr gegenüber einem der NPD angehörigen Soldaten kann sich die NPD mit der Behauptung, durch die Äußerung des Ministers in ihren verfassungsmäßigen Rechten als Partei verletzt zu sein, im vorliegenden Verfahren nicht berufen. Die Maßnahme ist nicht eine Rechtsfolge der angegriffenen Äußerung, sondern eine vom Amtschef des Personalstammamtes der Bundeswehr in eigener Verantwortung und Wertung getroffene Entscheidung, gegen die sich der Betroffene mit den für ihn als Soldaten vorgesehenen Rechtsmitteln wehren kann. | ||
3. Soweit die Antragstellerin sich für die Zulässigkeit ihres Antrages unter Hinweis auf den Beschluß des Senats vom 29. Oktober 1975 -- 2 BvE 1/75 -- (BVerfGE_40,287) auf eine angebliche Verletzung des Willkürverbots beruft, fehlt es schon an einem substantiierten Vortrag. Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung, die die Verbreitung eines Verfassungsschutzberichtes im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Bundesinnenministeriums betraf, klargestellt, daß es der Regierung untersagt wäre, eine nicht verbotene politische Partei in der Öffentlichkeit nachhaltig verfassungswidriger Zielsetzung und Betätigung zu verdächtigen, wenn diese Maßnahme bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr nachvollziehbar wäre und sich daher der Schluß aufdrängte, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruhte. Daraus folgt jedoch nicht, daß die Bundesregierung bei der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage gehindert ist, ihre Beurteilung der Ziele und der Betätigung einer politischen Partei offenzulegen. Wenn die Bundesregierung im Rahmen ihrer Pflicht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu wahren und zu verteidigen, einerseits berechtigt und gehalten ist, mit dem Grundgesetz unvereinbare Bestrebungen zu beobachten und die mit ihnen verbundenen Gefahren einzuschätzen, wenn sie andererseits verpflichtet ist, dem Parlament auch über diese Tätigkeit Rede und Antwort zu stehen, so kann es ihr nicht verwehrt werden, im Parlament auf eine diesen Sachbereich betreffende Anfrage von Abgeordneten ihre -- freilich rechtlich unverbindliche -- Auffassung über die mehr oder minder ausgeprägte Unvereinbarkeit der Ziele und der Bestrebungen einer politischen Partei mit dem Grundgesetz klar zum Ausdruck zu bringen und zu belegen. | ||
Zwar ist das alle Staatsorgane bindende Willkürverbot von der Bundesregierung auch im parlamentarischen Raum zu beachten und verpflichtet sie insbesondere, mitgeteilte Tatsachen korrekt wiederzugeben und deren Beurteilung in sachlicher Form vorzutragen. Daß die Beantwortung der Kleinen Anfrage durch den Bundesminister des Innern diese äußersten Grenzen in der Form oder in der Sache mißachtet, hat die Antragstellerin indes nicht dargetan. Die Beschwerdeführerin hätte nicht nur behaupten, sondern im einzelnen darlegen müssen, daß und warum die Äußerungen des Bundesministers des Innern sie in ihren ihr durch das Grundgesetz übertragenen Rechten willkürlich beeinträchtigten. Die Bundesregierung hat sich bei der Darstellung der tatsächlichen Grundlagen für ihre Beurteilung auf bereits früher veröffentlichte Materialien bezogen. Die Antwort selbst enthält keine neuen tatsächlichen Behauptungen. Sie würdigt lediglich ein bereits an anderer Stelle dokumentiertes und belegtes Verhalten. Die Antwort erschöpft sich also in Werturteilen, die selbst für den Fall, daß sie nicht in allem zuträfen, jedenfalls -- was Inhalt, Ausdrucksweise und Form anbetrifft -- weder als besonders aggressiv noch als unsachlich charakterisiert werden können. Ansatzpunkte dafür, sie als willkürlich zu qualifizieren, sind nach dem Vortrag der Antragstellerin nicht zu erkennen, zumal sie die von der Bundesregierung als Grundlage ihrer Bewertung aufgeführten Tatsachen (wie Äußerungen von Vorstands- und Parteimitgliedern, Teilnahme an Veranstaltungen anderer Organisationen, Veröffentlichungen in Zeitschriften und Flugblättern usw.) nicht bestreitet, sondern lediglich der Bundesregierung vorwirft, daraus falsche Schlußfolgerungen hergeleitet zu haben. | ||
4. Der Antrag der NPD wäre, wollte man ihn entsprechend dem Hilfsantrag als Verfassungsbeschwerde behandeln, ebenfalls unzulässig. Die Verfassungsbeschwerde ist kein Mittel zur Austragung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Verfassungsorganen (BVerfGE_15,298 <303>; BVerfGE_43,142 <148>). Die Anerkennung der politischen Parteien als verfassungsrechtliche Institutionen hat zur Folge, daß sie eine Verletzung ihres verfassungsrechtlichen Status durch ein anderes Verfassungsorgan nur im Wege der Organklage geltend machen können (vgl BVerfGE_4,27; BVerfGE_27,10 <17>). | ||
Auszug aus BVerfG B, 25.03.81, - 2_BvE_1/79 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.13 ff | ||
§§§ |
81.010 | Einlieferungsersuchen | |
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§§§ |
81.011 | Ruhestandsbeamter | |
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1) Art.137 Abs.1 GG ermächtigt den niedersächsischen Gesetzesgeber nicht, Hauptverwaltungsbeamte im Ruhestand für einen Zeitraum von fünf Jahren nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt von der Wählbarkeit in den Rat der Gemeinde auszuschließen. | ||
2) Der aus seinem Amt ausgeschiedene Beamte ist nicht mehr Teil der Exektutive; er ist nicht Beamter iS des Art.137 Abs.1 GG. | ||
3) Art.137 Abs.1 GG läßt einen - auch zeitlich begrenzten - rechtlichen Ausschluß von der Wählbarkeit (Ineligibilität) nicht zu. | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
81.012 | Schwerbehindertenabgabe | |
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Die Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes über die Pflichtplatzquote sowie über die Ausgestaltung und Verwendung der Ausgleichsabgabe sind mit dem Grundgesetz vereinbar. | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
81.013 | Agententätigkeit | |
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1) § 99 Abs.1 Nr.1 StGB ist mit dem Grundgesetz vereinbar; er verstößt insbesondere weder gegen das Bestimmtheitsgebot in Art.103 Abs.2 GG noch gegen das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art.5 Abs.1 GG). 3) Der Anspruch des Angeklagten auf ein faires Verfahren steht dem Beweismittel des Zeugen vom "Hörensagen" grundsätzlich nicht entgegen. Allerdings stellt die nur begrenzte Zuverlässigkeit dieses Beweismittels besondere Anforderungen an die Beweiswürdigung und die Begründung der tatrichterlichen Entscheidung; dies gilt in verstärktem Maße, wenn der Gewährsmann anonym bleibt. | ||
2. § 251 Abs.2 StPO ist mit dem Grundgesetz, insbesondere mit dem Recht des Beschuldigten auf ein rechtsstaatliches, insbesondere auch faires Strafverfahren vereinbar. | ||
§§§ |
81.014 | 3.Rundfunkentscheidung | |
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1) Art.5 Abs.1 Satz 2 GG fordert für die Veranstaltung privater Rundfunksendungen eine gesetzliche Regelung, in der Vorkehrungen zur Gewährleistung der Freiheit des Rundfunks zu treffen sind. Diese Notwendigkeit besteht auch dann, wenn die durch Knappheit der Sendefrequenzen und den hohen finanziellen Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunksendungen bedingte Sondersituation des Rundfunks im Zuge der modernen Entwicklung entfällt. | ||
2) Zu den Fragen, welche der Gesetzgeber zu regeln hat, gehört die Entscheidung über die Grundlinien der Rundfunkordnung. Im Rahmen des zugrunde gelegten Ordnungsmodells hat der Gesetzgeber sicherzustellen, daß das Gesamtangebot der inländischen Programme der bestehenden Meinungsvielfalt im wesentlichen entspricht. Ferner hat er Leitungsgrundsätze verbindlich zu machen, die ein Mindestmaß an inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten. Er muß eine begrenzte Staatsaufsicht vorsehen, den Zugang zur Veranstaltung privater Rundfunksendungen regeln und, solange dieser nicht jedem Bewerber eröffnet werden kann, Auswahlregelungen treffen. Ob auch die Finanzierung privaten Rundfunks gesetzlicher Regelung bedarf, ist nicht zu entscheiden. | ||
3) Die Bestimmungen, die das Gesetz über die Veranstaltung von Rundfunksendungen im Saarland für private Rundfunksendungen in deutscher Sprache getroffen hat, genügen in wesentlichen Teilen nicht diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen; sie sind daher nichtig. | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel: | |
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T-81-04 | Privater Rundfunk | |
"Die Regelung, die das Gesetz über die Veranstaltung von Rundfunksendungen im Saarland in Abschnitt C, I. und II. Titel für Rundfunksendungen in deutscher Sprache getroffen hat, genügt in wesentlichen Teilen nicht den insoweit bestehenden Geboten des Grundgesetzes; sie ist daher nichtig. I. | ||
Mit den zu prüfenden Vorschriften hat der Gesetzgeber des Saarlandes privaten Rundfunk grundsätzlich zugelassen. Die Gültigkeit der Privatfunkbestimmungen des Gesetzes über die Veranstaltung von Rundfunksendungen im Saarland kann daher nicht von den in den Stellungnahmen, Gutachten sowie in Ausführungen während der mündlichen Verhandlung erörterten Fragen abhängen, ob der Ausschluß privaten Rundfunks zugunsten der öffentlich-rechtlichen Anstalten auch unter den heutigen und künftigen technischen Bedingungen noch mit dem Grundgesetz vereinbar ist und ob im Zusammenhang damit eine verfassungsrechtliche Pflicht besteht, privaten Rundfunk einzuführen. Die verfassungsrechtliche Prüfung hat sich vielmehr auf die Frage zu beschränken, ob die saarländische Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dafür bedarf es auch keiner Entscheidung über die in den schriftlichen und mündlichen Äußerungen behandelte Frage eines grundrechtlichen Anspruchs auf die Veranstaltung privater Rundfunksendungen. | ||
Innerhalb des damit gezogenen Rahmens kann ebenfalls offenbleiben, ob die zur Prüfung stehenden Bestimmungen unter dem Gesichtspunkt ihres Zustandekommens verfassungsrechtlich zu beanstanden sind. Denn unabhängig von den Bedenken, die insoweit namentlich von dem Bevollmächtigten der ARD gegen die überstürzte Verabschiedung durch den Landtag des Saarlandes geltend gemacht worden sind, ergibt sich die Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmungen aus einem Verstoß gegen konkrete grundrechtliche Maßstäbe, insbesondere solche der in Art.5 Abs.1 Satz 2 GG gewährleisteten Freiheit des Rundfunks. II. | ||
Art.5 Abs.1 Satz 2 GG fordert für die Veranstaltung privater Rundfunksendungen eine gesetzliche Regelung. Durch diese sind die zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. | ||
1. Um wirksam werden zu können, bedarf die in Art.5 Abs.1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich garantierte Freiheit des Rundfunks der gesetzlichen Ausgestaltung. Dies ergibt sich aus der Aufgabe und der Eigenart der Gewährleistung. | ||
a) Die Rundfunkfreiheit dient der gleichen Aufgabe wie alle Garantien des Art.5 Abs.1 GG: der Gewährleistung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung, dies in einem umfassenden, nicht auf bloße Berichterstattung oder die Vermittlung politischer Meinungen beschränkten, sondern jede Vermittlung von Information und Meinung umfassenden Sinne (vgl BVerfGE_12,205 <260> - Deutschland-Fernsehen; BVerfGE_31,314 <326> - Umsatzsteuer; BVerfGE_35,202 <222 f> - Lebach). Freie Meinungsbildung vollzieht sich in einem Prozeß der Kommunikation. Sie setzt auf der einen Seite die Freiheit voraus, Meinungen zu äußern und zu verbreiten, auf der anderen Seite die Freiheit, geäußerte Meinungen zur Kenntnis zu nehmen, sich zu informieren. Indem Art.5 Abs.1 GG Meinungsäußerungs-, Meinungsverbreitungs- und Informationsfreiheit als Menschenrechte gewährleistet, sucht er zugleich diesen Prozeß verfassungsrechtlich zu schützen. Er begründet insoweit subjektive Rechte; im Zusammenhang damit normiert er die Meinungsfreiheit als objektives Prinzip der Gesamtrechtsordnung, wobei subjektiv- und objektivrechtliche Elemente einander bedingen und stützen (vgl BVerfGE_7,198 <204 f> - Lüth). | ||
Der Rundfunk ist "Medium" und "Faktor" dieses verfassungsrechtlich geschützten Prozesses freier Meinungsbildung (BVerfGE_12,205 <260>). Demgemäß ist Rundfunkfreiheit primär eine der Freiheit der Meinungsbildung in ihren subjektiv- und objektivrechtlichen Elementen dienende Freiheit: Sie bildet unter den Bedingungen der modernen Massenkommunikation eine notwendige Ergänzung und Verstärkung dieser Freiheit; sie dient der Aufgabe, freie und umfassende Meinungsbildung durch den Rundfunk zu gewährleisten. | ||
Diese Aufgabe bestimmt die Eigenart und die Bedeutung der Rundfunkfreiheit: | ||
Freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung durch den Rundfunk verlangt zunächst die Freiheit des Rundfunks von staatlicher Beherrschung und Einflußnahme. Insoweit hat die Rundfunkfreiheit, wie die klassischen Freiheitsrechte, abwehrende Bedeutung. Doch ist damit das, was zu gewährleisten ist, noch nicht sichergestellt. Denn bloße Staatsfreiheit bedeutet noch nicht, daß freie und umfassende Meinungsbildung durch den Rundfunk möglich wird; dieser Aufgabe läßt sich durch eine lediglich negatorische Gestaltung nicht gerecht werden. Es bedarf dazu vielmehr einer positiven Ordnung, welche sicherstellt, daß die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet und daß auf diese Weise umfassende Information geboten wird. Um dies zu erreichen, sind materielle, organisatorische und Verfahrensregelungen erforderlich, die an der Aufgabe der Rundfunkfreiheit orientiert und deshalb geeignet sind zu bewirken, was Art.5 Abs.1 GG gewährleisten will. | ||
b) Die damit erforderliche rechtliche Ausgestaltung unterliegt dem Vorbehalt des Gesetzes (BVerfGE_47,46 <78 f> - Sexualkundeunterricht; BVerfGE_49,89 <126 f> mwN - Kalkar): Die notwendigen Entscheidungen sind wesentliche Entscheidungen, weil sie, abgesehen von der sachlichen Bedeutung des Rundfunks für das individuelle und öffentliche Leben der Gegenwart, im grundrechtsrelevanten Bereich ergehen und wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte sind (BVerfGE_47,46 <79>). Namentlich treffen hier verschiedene Grundrechtspositionen zusammen, die in Kollision miteinander geraten können, einerseits der aus der Informationsfreiheit folgende Anspruch auf umfassende und wahrheitsgemäße Information, andererseits die Freiheit der Meinungsäußerung derjenigen, welche die Programme herstellen oder in den Sendungen zu Wort kommen. Es ist Sache des Gesetzgebers, solche Kollisionen zum Ausgleich zu bringen. | ||
Dieser Vorbehalt des Gesetzes ist ein (Landes-) Parlamentsvorbehalt (vgl BVerfGE_47,46 <79>): Das zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit Wesentliche muß das Parlament selbst bestimmen; es darf die Entscheidung darüber nicht der Exekutive, etwa in Gestalt einer allgemeinen, die Befugnis zu Auflagen umfassenden Ermächtigung überlassen, auch nicht in der Weise, daß dies zwar nicht ausdrücklich, aber der Sache nach durch nicht hinreichend bestimmte Normierungen geschieht. Ebensowenig darf die Gewährleistung der Rundfunkfreiheit einer Regelung durch Satzung der Veranstalter oder vertraglichen Regelungen anheimgegeben werden. | ||
Die aus Art.5 Abs.1 GG folgende Aufgabe, Rundfunkfreiheit rechtlich auszugestalten, berechtigt jedoch nicht zu einer Beschränkung des Grundrechts. Eine solche ist nur gemäß Art. 5 Abs.2 GG zulässig, nach dem die Rechte des Abs.1 ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre finden. | ||
Wie der Gesetzgeber seine Aufgabe erfüllen will, ist Sache seiner eigenen Entscheidung. Das Grundgesetz schreibt ihm keine bestimmte Form der Rundfunkorganisation vor; es kommt allein darauf an, daß freie, umfassende und wahrheitsgemäße Meinungsbildung im dargelegten Sinne gewährleistet ist, daß Beeinträchtigungen oder Fehlentwicklungen vermieden werden. Der Gesetzgeber hat insbesondere Vorkehrungen zu treffen, die sicherstellen, daß der Rundfunk nicht einer oder einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert wird, daß die in Betracht kommenden gesellschaftlichen Kräfte im Gesamtprogramm zu Wort kommen und daß die Freiheit der Berichterstattung unangetastet bleibt (vgl BVerfGE_12,205 <262>; BVerfGE_31,314 <325 f>). | ||
c) Diese Notwendigkeit ausgestaltender gesetzlicher Regelung besteht auch dann, wenn die durch Knappheit der Sendefrequenzen und den hohen finanziellen Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen bedingte Sondersituation des Rundfunks im Zuge der modernen Entwicklung entfällt. Von dieser Sondersituation ist das Bundesverfassungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung ausgegangen (BVerfGE_12,205 <261>; BVerfGE_31,314 <326>); was bei ihrem Wegfall zu gelten habe, ist offengeblieben (vgl BVerfGE_31,314 <326>). Auch in diesem Falle bleibt es indessen bei dem verfassungsrechtlichen Erfordernis gesetzlicher Vorkehrungen zur Gewährleistung der Freiheit des Rundfunks. Zwar können diese in einer Situation der unvermeidlichen Beschränkung auf wenige Träger von Rundfunkveranstaltungen in weiterem Umfang nötig werden und andere Mittel erforderlich machen als in einer Lage, in der diese Beschränkung nicht mehr besteht. Aber es bleibt bei der Notwendigkeit, durch gesetzliche Vorkehrungen für die Gewährleistung der Freiheit des Rundfunks im dargelegten Sinne Sorge zu tragen. | ||
Auch bei einem Fortfall der bisherigen Beschränkungen könnte nicht mit hinreichender Sicherheit erwartet werden, daß das Programmangebot in seiner Gesamtheit kraft der Eigengesetzlichkeit des Wettbewerbs den Anforderungen der Rundfunkfreiheit entsprechen werde. Gewiß mag manches dafür sprechen, daß sich dann eine begrenzte Vielfalt einstellen werde, wie sie heute etwa im Bereich der überregionalen Tageszeitungen besteht. Doch handelt es sich dabei nur um eine Möglichkeit. Während bei der Presse die geschichtliche Entwicklung zu einem gewissen bestehenden Gleichgewicht geführt hat, so daß es heute zur Sicherstellung umfassender Information und Meinungsbildung durch die Presse grundsätzlich genügen mag, Bestehendes zu gewährleisten, kann von einem solchen Zustand auf dem Gebiet des privaten Rundfunks zumindest vorerst nicht ausgegangen werden. Demgemäß ist ungewiß, ob bei einer Behebung des bisherigen Mangels in dem "Gesamtprogramm" als Inbegriff aller gesendeten inländischen Programme alle oder wenigstens ein nennenswerter Teil der gesellschaftlichen Gruppen und geistigen Richtungen auch tatsächlich zu Wort kommen, ob mithin ein "Meinungsmarkt" entsteht, auf dem die Vielfalt der Meinungsrichtungen unverkürzt zum Ausdruck gelangt. Zudem müssen gerade bei einem Medium von der Bedeutung des Rundfunks die Möglichkeiten einer Konzentration von Meinungsmacht und die Gefahr des Mißbrauchs zum Zwecke einseitiger Einflußnahme auf die öffentliche Meinung in Rechnung gestellt werden (vgl BVerwGE_39,159 <167>; BayVerfGH, VerfGH_30,78 <97>). Bei dieser Sachlage würde es dem verfassungsrechtlichen Gebot, die Freiheit des Rundfunks zu gewährleisten, nicht gerecht werden, wenn nur staatliche Eingriffe ausgeschlossen würden und der Rundfunk dem freien Spiel der Kräfte überlassen würde (vgl BVerfGE_31,314 <325>); dies um so weniger, als einmal eingetretene Fehlentwicklungen - wenn überhaupt - nur bedingt und nur unter erheblichen Schwierigkeiten rückgängig gemacht werden könnten. Es liegt vielmehr in der Verantwortung des Gesetzgebers, daß ein Gesamtangebot besteht, in dem die für die freiheitliche Demokratie konstitutive Meinungsvielfalt zur Darstellung gelangt. Es muß der Gefahr begegnet werden, daß auf Verbreitung angelegte Meinungen von der öffentlichen Meinungsbildung ausgeschlossen werden und Meinungsträger, die sich im Besitz von Sendefrequenzen und Finanzmitteln befinden, an der öffentlichen Meinungsbildung vorherrschend mitwirken (vgl OVG Münster, DVBl 1977, S.210). Dies ist sicher nicht mit letzter Gewißheit möglich; zumindest muß aber eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen, daß sich in dem gesetzlich geordneten Rundfunksystem eine solche gleichgewichtige Vielfalt einstellt. | ||
An dieser Notwendigkeit ändert es auch nichts, wenn die Anforderungen der Rundfunkfreiheit als wenigstens durch die bestehenden öffentlich-rechtlichen Anstalten erfüllt anzusehen sind, so daß - jedenfalls dem Anspruch nach - alle maßgeblichen gesellschaftlichen Gruppen und Richtungen im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Programme zu Wort kommen und die Teilnehmer sich umfassend informieren können. Denn eine zusätzliche einseitige Berücksichtigung nur einzelner Meinungsrichtungen im privaten Rundfunk würde das für die Gesamtheit der dem einzelnen Teilnehmer zugänglichen inländischen Programme wesentliche Gleichgewicht des "Zu-Wort-Kommens" der gesellschaftlichen Gruppen stören, wenn nicht aufheben. | ||
2. Welche Anforderungen das Grundgesetz nach den vorstehenden Ausführungen im einzelnen an eine gesetzliche Regelung privaten Rundfunks stellt, bedarf im vorliegenden Verfahren keiner abschließenden Erörterung. Das gilt namentlich für die Frage, ob die Finanzierung privater Rundfunkveranstaltungen - etwa wegen ihrer möglichen Rückwirkungen auf die Programmgestaltung oder auf die Situation anderer Medienträger, besonders der Presse - als wesentlich der Regelung durch Gesetz bedarf. | ||
a) Jedenfalls gehört zu den Fragen, welche der Gesetzgeber als wesentliche zu regeln hat, die Entscheidung über die Grundlinien der Rundfunkordnung; die Einführung privaten Rundfunks bedarf mithin einer gesetzlichen Grundlage und der Entscheidung des Parlaments. Das gilt auch für zeitlich und örtlich begrenzte Versuche, weil diese den gleichen Grundrechtsbezug haben wie eine definitive Regelung. Freilich kommt dem Gesetzgeber insoweit eine erheblich größere Gestaltungsfreiheit zu; denn solche Versuche dienen der Aufgabe, Erfahrungen zu gewinnen (vgl BVerfGE_54,173 <202> mwN). | ||
b) Bei dieser Grundentscheidung kann der Gesetzgeber es nicht bewenden lassen. Es bedarf weiterhin gesetzlicher Bestimmungen, die im Rahmen des zugrunde gelegten Ordnungsmodells sicherstellen, daß der Rundfunk nicht einer oder einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert wird und daß die in Betracht kommenden Kräfte im Gesamtprogrammangebot zu Wort kommen können. | ||
Sofern sich der Gesetzgeber für eine - nach dem Fernsehurteil (BVerfGE_12,205 <262>) verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende - "binnenpluralistische" Struktur der Veranstalter, also eine Organisation entscheidet, bei welcher der Einfluß der in Betracht kommenden Kräfte intern, durch Organe der jeweiligen Veranstalter vermittelt wird, bedarf es namentlich einer sachgerechten, der bestehenden Vielfalt prinzipiell Rechnung tragenden Bestimmung und Gewichtung der maßgeblichen gesellschaftlichen Kräfte und der Sicherstellung des effektiven Einflusses desjenigen Organs, in dem diese vertreten sind. | ||
Der Gesetzgeber kann aber auch andere Gestaltungsformen wählen, sofern er durch geeignete Vorkehrungen gewährleistet, daß das Gesamtangebot der inländischen Programme der bestehenden Meinungsvielfalt auch tatsächlich im wesentlichen entspricht. Wenn er dabei Rundfunkfreiheit durch externe ("außenpluralistische") Vielfalt herstellen und erhalten will, so darf er auch bei dieser Lösung auf Regelungen nicht verzichten; die Gewährleistung der Freiheit bleibt in seiner Verantwortung (oben 1 c). Solange eine hinreichende Zahl von Frequenzen nicht zur Verfügung steht, dürfte eine Möglichkeit, dieser Verantwortung gerecht zu werden, in einer Gestaltung liegen, bei welcher mehrere Meinungsträger jeweils zeitlich begrenzt dieselbe Frequenz benutzen können. | ||
c) Darüber hinaus hat der Gesetzgeber für den Inhalt des Gesamtprogramms Leitgrundsätze verbindlich zu machen, die ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten (BVerfGE_12,205 <263>). Bei "binnenpluralistischer" Struktur der Veranstalter gilt diese Anforderung für das Gesamtprogramm jedes einzelnen Veranstalters. Bei einem "außenpluralistischen" Modell obliegt den einzelnen Veranstaltern keine Ausgewogenheit; doch bleiben sie zu sachgemäßer, umfassender und wahrheitsgemäßer Information und einem Mindestmaß an gegenseitiger Achtung verpflichtet. Daneben sind alle Veranstalter an die Schranken des Art.5 Abs.2 GG gebunden. Namentlich für den Jugendschutz wird in den Rundfunkgesetzen Sorge zu tragen sein. | ||
d) Ebenfalls zu den erforderlichen gesetzlichen Regelungen privaten Rundfunks gehört die Normierung einer begrenzten Staatsaufsicht, die - nur - der Aufgabe zu dienen hat, die Einhaltung der zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit ergangenen Bestimmungen sicherzustellen (vgl BVerfGE_12,205 <262>). | ||
e) Schließlich ist bei jeder Form der gesetzlichen Ordnung des Rundfunks eine vorherige Überprüfung unverzichtbar, ob bei der Aufnahme privater Rundfunkveranstaltungen oder einem Hinzutreten weiterer Veranstalter den dargelegten Anforderungen Genüge getan ist. Sofern sich der Gesetzgeber für eine Rundfunkorganisation entscheidet, die privaten Rundfunk umfaßt, hat er Zugangsregelungen zu schaffen, die diese Überprüfung, gegebenenfalls die Versagung des Zugangs, sicherstellen und die für die Prüfung und Entscheidung ein rechtsstaatliches Verfahren vorsehen. Ein solches Erlaubnisverfahren darf neben der Überprüfung allgemeiner Voraussetzungen wie etwa Geschäftsfähigkeit oder Zuverlässigkeit des Antragstellers nur der Gewährleistung der Rundfunkfreiheit dienen, um derentwillen es verfassungsrechtlich geboten ist. | ||
Dabei obliegt es dem Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Erteilung oder Versagung der Erlaubnis selbst zu bestimmen. Das Recht zur Entscheidung über die Veranstaltung privaten Rundfunks auf die Exekutive zu übertragen, ist ihm durch den Parlamentsvorbehalt verwehrt (oben 1 b). Dieser Vorbehalt und das Gewaltenteilungsprinzip gebieten ihm, die der staatlichen Maßnahme offenliegende Rechtssphäre selbst abzugrenzen. Das Gesetz muß die Tätigkeit der Verwaltung inhaltlich normieren und darf sich nicht darauf beschränken, allgemein gehaltene Grundsätze aufzustellen (BVerfGE_52,1 <41> - Kleingärten). Gleiches gilt für einen Widerruf der Erlaubnis. | ||
f) Sofern die zur Verfügung stehenden Verbreitungsmöglichkeiten es nicht erlauben, allen auftretenden Bewerbern den Zugang zur Veranstaltung privater Rundfunksendungen zu eröffnen, müssen in die Zugangsregelungen auch Regeln über die Auswahl der Bewerber aufgenommen werden. Das gebietet der Gleichheitssatz (Art.3 Abs.1 GG). | ||
Die Frage, wem eine der knappen Möglichkeiten zur Programmveranstaltung zugutekommen soll, darf daher nicht dem Zufall oder dem freien Spiel der Kräfte anheimgegeben werden. Es genügt auch nicht, die Entscheidung dem ungebundenen Ermessen der Exekutive zu überlassen. Dies wäre mit dem Vorbehalt des Gesetzes unvereinbar (vgl BVerfGE_33,303 <345 f> - Numerus clausus). Vielmehr muß der Gesetzgeber selbst die Voraussetzungen bestimmen, unter denen der Zugang zu eröffnen oder zu versagen ist, und er muß ein rechtsstaatliches Verfahren bereitstellen, in dem hierüber zu entscheiden ist. Der Aufgabe der Gleichbehandlung läßt sich ohne größere Schwierigkeiten im Rahmen eines Systems gerecht werden, das eine Verteilung von Sendezeiten, notfalls eine anteilige Kürzung ermöglicht. Reicht das nicht aus oder hat sich der Gesetzgeber für ein System entschieden, in dem nur Lizenzen für Vollprogramme an jeweils einen Veranstalter vergeben werden, hat er Auswahlgrundsätze festzulegen, welche eine gleiche Chance der Bewerber gewährleisten (vgl BVerfGE_33,303 <345>); der Realisierungsgrad der Chancen muß durch objektiv sachgerechte und individuell zumutbare Kriterien bestimmt werden (vgl BVerfGE_43,291 <316 f>). III. | ||
Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die zur Prüfung stehenden Vorschriften in wesentlichen Teilen nicht. Die Bestimmungen des Abschnitts C, I. und II. Titel des Gesetzes über die Veranstaltung von Rundfunksendungen im Saarland entsprechen zwar der sich aus Art.5 Abs.1 GG ergebenden Notwendigkeit, die Grundlinien der Ordnung des Rundfunkwesens gesetzlich zu bestimmen; sie schaffen eine gesetzliche Grundlage für die Einführung privaten Rundfunks, normieren in § 46 a iVm §§ 10 und 11 Leitsätze für die Programmgestaltung und sehen in §§ 41 f eine staatliche Aufsicht vor. Aber sie enthalten keine verfassungsmäßige Regelung des Zugangs zur Veranstaltung privater Rundfunksendungen in deutscher Sprache, lassen die Frage der Auswahl gänzlich ungeregelt und bieten in ihren Bestimmungen über den Beirat keine Gewähr dafür, daß die gesellschaftlich relevanten Kräfte in den Organen der Veranstalter hinreichenden Einfluß haben und im Gesamtprogramm zu Wort kommen können. | ||
1. § 39 GVRS stellt die Erteilung der Konzession und ihre eventuelle Verbindung mit Auflagen in das durch das Gesetz selbst nicht näher gebundene Ermessen der Landesregierung; er schließt in Abs.1 Satz 5 ausdrücklich einen Rechtsanspruch auf Erteilung aus. Damit legt er die Bestimmung der Voraussetzungen, unter denen die Zulassung zu gewähren oder zu versagen ist, in einem Ausmaß in die Hand der Exekutive, das mit dem sich aus Art.5 Abs.1 Satz 2 GG ergebenden Vorbehalt des Gesetzes und dem Gewaltenteilungsprinzip nicht mehr vereinbar ist. | ||
§§ 40 und 46 GVRS legen zwar "besondere Bedingungen" fest, deren Einhaltung die Landesregierung vor Erteilung der Konzession zu prüfen hat. Daraus läßt sich schließen, daß die Konzession zu versagen ist, wenn diese Bedingungen nicht erfüllt sind. Der Gesetzgeber hat aber jegliche Regelung der Frage unterlassen, was zu geschehen habe, wenn der Bewerber jenen Bedingungen genügt. Auch in diesem Falle kann die Landesregierung die Konzession versagen, sogar aus Gründen, die mit der Gewährleistung der Rundfunkfreiheit nichts zu tun haben. Damit hat sich der Gesetzgeber der Entscheidung über einen Punkt begeben, der wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte ist (BVerfGE_47,46 <79>). Wie das Rundfunksystem im Saarland zu gestalten ist, bestimmt im Ergebnis nicht der parlamentarische Gesetzgeber, sondern die Landesregierung. Das widerspricht dem verfassungsrechtlichen Gebot an den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Erteilung oder Versagung der Erlaubnis selbst zu bestimmen und die der staatlichen Maßnahme offenliegende Rechtssphäre selbst abzugrenzen (BVerfGE_52,1 <41>). | ||
2. Verfassungsrechtlich zu beanstanden ist weiter das Fehlen jeder Regelung der Frage, was zu geschehen hat, wenn mehr Bewerber um eine Konzession auftreten, als nach der Frequenzsituation berücksichtigt werden können. Auch insoweit ist, wie gezeigt, eine gesetzliche Regelung geboten, die zumindest eine gleiche Chance der Bewerber gewährleistet. Die Frage konnte im Zeitpunkt der Verabschiedung der zur Prüfung stehenden Vorschriften (1967) nicht unberücksichtigt bleiben. Sie ist auch heute nicht gegenstandslos, weil im Saarland noch kein flächendeckendes Kabelnetz besteht und weil im Bereich der herkömmlichen Sendetechnik vorerst nicht mit einer wesentlichen Erweiterung der verfügbaren Frequenzen gerechnet werden kann; demgemäß kann jedenfalls in der Gegenwart und der nahen Zukunft nicht davon ausgegangen werden, daß allen Bewerbern der Zugang zur Veranstaltung privaten Rundfunks eröffnet werden könnte. Der Gesetzgeber durfte daher die Entscheidung hierüber nicht dem nicht näher begrenzten Ermessen der Landesregierung überlassen. Daß sich voraussichtlich nur wenige Bewerber finden würden, konnte eine Regelung nicht entbehrlich machen. | ||
3. Schließlich bieten die Regelungen der Zusammensetzung und der Kompetenzen des Beirates keine ausreichende Gewähr dafür, daß die Veranstaltung privater Rundfunksendungen im Saarland den Anforderungen der Rundfunkfreiheit genügt (vgl Fuhr/Konrad, UFITA 50 <1967>, S. 562 <564 ff>; Schmitz, DÖV 1968, S.685 ff; Stern/Bethge, Öffentlichrechtlicher und privatrechtlicher Rundfunk, 1971, S.67 ff). | ||
Wenn das saarländische Gesetz die Freiheit des Rundfunks durch eine den bestehenden öffentlich-rechtlichen Anstalten ähnliche "binnenpluralistische" Struktur der einzelnen Veranstalter zu gewährleisten sucht, so ist das grundsätzlich ein Weg, auf dem sich der verfassungsrechtlich gestellten Aufgabe genügen läßt (vgl BVerfGE_12,205 <262>). Doch kommt es bei dieser Organisationsform in besonderem Maße darauf an, daß alle gesellschaftlich relevanten Kräfte in dem Organ vertreten sind, welches ihren Einfluß vermitteln soll, und daß dieser Einfluß ein effektiver ist; darin liegt nach der Konzeption dieses Modells die ausschlaggebende Gewähr dafür, daß der Rundfunk nicht nur einer Richtung oder einem Interesse, insbesondere dem unternehmerischen Interesse der Trägergesellschaft, zu Lasten der durch die Rundfunkfreiheit geschützten Belange dienstbar gemacht wird. Insoweit sind daher an gesetzliche Regelungen privaten Rundfunks strenge Anforderungen zu stellen. | ||
a) Diesen Anforderungen entsprechen die Regelungen des Gesetzes über die Zusammensetzung des Beirates nicht. Dieser besteht nach § 46c Satz 1 aus höchstens 13 Mitgliedern. Im übrigen wird in Satz 2 auf die für den Rundfunkrat des Saarländischen Rundfunks geltenden Bestimmungen verwiesen. Danach ist gesetzlich lediglich festgelegt, daß je ein Mitglied des Beirates von der Landesregierung, der katholischen und der evangelischen Kirche und den Fraktionen des Landtags zu entsenden ist. Nur zwei "relevante gesellschaftliche Gruppen" werden also neben staatlichen Vertretern vom Gesetz selbst bestimmt. Die übrigen Mitglieder des Beirates und ihre Stellvertreter sind vom Landtag auf Vorschlag des Ausschusses für Kulturpolitik und für Jugendfragen zu wählen, wobei große Gemeinschaften des öffentlichen Lebens, insbesondere im kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Bereich, "zu hören" sind (§ 46c Satz 2 iVm § 16 Abs.4 GVRS). Diese Art der Regelung vermag eine angemessene Berücksichtigung der in Betracht kommenden gesellschaftlichen Kräfte nicht mit der notwendigen Sicherheit zu gewährleisten; die bloße Verpflichtung, nicht näher benannte große Gemeinschaften des öffentlichen Lebens zu hören, kann konkrete Kriterien nicht ersetzen. Nimmt man hinzu, daß die Zahl von 13 Mitgliedern des Beirates unterschritten werden kann (§ 46c Satz 1 GVRS), so gewinnt die gesetzliche Regelung der Zusammensetzung des Beirates einen Grad an Unbestimmtheit, bei dem es nicht mehr hinreichend gesichert erscheint, daß der Beirat, der gegenüber dem Veranstalter die Allgemeinheit vertreten soll (§ 46b Abs.1 Satz 1 GVRS), die - pluralistische - Allgemeinheit auch tatsächlich repräsentiert. | ||
b) Darüber hinaus fehlt es an gesetzlichen Bestimmungen, welche dem Beirat den erforderlichen effektiven Einfluß einräumen. Anders als die entsprechenden Organe der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten hat er keine Kompetenz, die ihm einen Einfluß von einigem Gewicht oder die Möglichkeit einer wirksamen Kontrolle eröffnet. Nach § 46b Abs.1 Satz 4 bis 7 GVRS überwacht der Beirat die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen bei der Veranstaltung von Rundfunksendungen und die Einhaltung der ihn betreffenden Vorschriften der Satzung. Er weist den Veranstalter und die Aufsichtsbehörde auf entsprechende Verstöße hin. Er erörtert alle Fragen, die für den Veranstalter von grundlegender Bedeutung sind. Er berät den Veranstalter in der Programmgestaltung. In allem ist er auf Beratung, Erörterung und Empfehlung beschränkt. Verbindlichkeit kommt seinen Beschlüssen, abgesehen von dem Fall des § 46b Abs.4 GVRS nicht zu; darüber hinaus fehlt es an jeder Sanktionsmöglichkeit. Bei dieser Sachlage kann, wie der Vorlagebeschluß zu Recht ausführt, von einem effektiven Einfluß nicht die Rede sein. Die Stellung des Beirates ist zu schwach, um gegenüber den unternehmerischen oder sonstigen Gesellschaftsinteressen die Interessen der Allgemeinheit wirksam zur Geltung bringen zu können. Es fehlt damit an einem entscheidenden, durch Gesetz zu schaffenden und wirksam zu machenden Element der Gewährleistung von Rundfunkfreiheit durch "binnenpluralistische" Struktur des Veranstalters. | ||
c) Die dargelegten Mängel werden nicht dadurch ausgeglichen, daß, wie die Klägerin des Ausgangsverfahrens meint, privatwirtschaftliche Medienunternehmen wegen der angestrebten Werbeeinnahmen auf möglichst hohe Hörer- oder Zuschauerzahlen angewiesen seien und deshalb ein Programm bieten müßten, welches nicht lediglich eine Gruppe berücksichtige. Eine solche Erwartung ist nicht hinreichend gesichert. Ebensowenig kann die vom Gesetz vorgeschriebene Organisation der Veranstalter als Aktiengesellschaft einen Ausgleich bewirken. Denn diese erfaßt im wesentlichen nur die wirtschaftliche Seite des privaten Rundfunkunternehmens und ist schwerlich geeignet, Interessen der Allgemeinheit wirksam zur Geltung zu bringen. Dem Aufsichtsrat, der hierfür am ehesten in Betracht käme, kommt eine solche Aufgabe gesetzlich nicht zu; er ist zudem nach anderen Gesichtspunkten als dem der Repräsentation der maßgeblichen gesellschaftlichen Kräfte zusammengesetzt. Wenn ihm nach § 46 GVRS zwei Mitglieder des Beirates angehören müssen, die an die Weisungen des Beirates gebunden sind (§ 46e Abs.6 GVRS), so kann das weder an der zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit nicht geeigneten Zusammensetzung noch an den Zuständigkeiten des Aufsichtsrates wesentliches ändern; hinzu kommt, daß die Satzung die Zahl der Mitglieder des Aufsichtsrates bei einem Grundkapital von mehr als 3 Millionen DM erhöhen kann (§ 95 AktG), daß mithin die dem Beirat angehörenden Mitglieder und deren Auffassung majorisiert werden können. Auch insoweit ist daher der Einfluß der maßgeblichen gesellschaftlichen Kräfte nicht gesetzlich gesichert. | ||
Auch § 40 Abs.2 GVRS, der die Übertragung von Aktien an die Zustimmung des Aufsichtsrates oder der Hauptversammlung bindet und eine Vereinigung des Aktienkapitals zu mehr als 50 % in einer Hand auszuschließen sucht, vermag, wie der Vorlagebeschluß zutreffend ausführt, einen Ausgleich der dargelegten Mängel nicht zu bewirken. Denn auch wenn damit der beherrschende Einfluß eines Aktionärs oder einer Aktionärsgruppe ausgeschlossen wird, müssen die Gruppen der Aktionäre nicht identisch sein mit den maßgeblichen gesellschaftlichen Kräften, deren Einfluß sicherzustellen ist. Daß es für die Gültigkeit der Vorschrift auf die abstrakte gesetzliche Regelung, nicht auf die Zusammensetzung der Anteilseigner im Einzelfall ankommt, hebt der Vorlagebeschluß zu Recht hervor. | ||
Endlich werden jene Mängel auch nicht durch die Bestimmungen über die Einflußmöglichkeiten der staatlichen Exekutive ausgeglichen, die dem Zweck dienen, die Entfaltung und Wahrung der Rundfunkfreiheit zu gewährleisten. Auch insoweit ist die im Vorlagebeschluß vertretene Auffassung begründet. | ||
Dies gilt zunächst für die Befugnis zur Erteilung von Auflagen und diejenige zur Rücknahme der Konzession (§ 39 Abs.1 Satz 3, § 45 GVRS). Beide sind Sache der Landesregierung. Die Erteilung von Auflagen ist in deren Ermessen gestellt. Für die Rücknahme der Konzession sind in § 45 GVRS zwar gesetzliche Voraussetzungen normiert; ob die Konzession bei Vorliegen dieser Voraussetzungen zurückgenommen wird, liegt jedoch gleichfalls im Ermessen der Landesregierung. Auch hier sind damit Vorkehrungen zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit nicht hinreichend gesetzlich bestimmt. Davon abgesehen ist der Konzessionsentzug die ultima ratio dieser Gewährleistung (vgl. namentlich § 45 Nr.5 und 7 GVRS). Die Möglichkeit der Konzessionsrücknahme vermag daher eine laufende wirksame Kontrolle und Einflußnahme der gesellschaftlichen Kräfte nicht zu ersetzen. | ||
Gleiches gilt für die Staatsaufsicht (§§ 41 f GVRS). Interne gesellschaftliche Kontrolle im Wege der gebotenen pluralistisch organisierten Autonomie des Rundfunks und staatliche Aufsicht als Fremdkontrolle lassen sich nicht gegeneinander austauschen. Eine Aufsicht durch die staatliche Exekutive kann zudem nur als zusätzliches - und begrenztes - Sicherungsmittel in Betracht kommen, weil Rundfunkfreiheit nicht nur Freiheit von einseitigen gesellschaftlichen Einflüssen, sondern auch und in erster Linie Freiheit von staatlichem Einfluß ist (BVerfGE_12,205 <262>). Im übrigen richtet sich staatliche Aufsicht als Rechtsaufsicht nur auf die Einhaltung rechtlicher Bestimmungen. Fehlen diese, so geht sie ins Leere. Auch die Einrichtung der Staatsaufsicht vermag deshalb die dargelegten Mängel nicht zu beheben. | ||
In ihrer Gesamtheit haben diese Mängel daher die Verfassungswidrigkeit der in §§ 46, 46b Abs.1, § 46c Satz 1 und 2 GVRS getroffenen Bestimmungen über den Beirat zur Folge. | ||
4. Ob die Bestimmungen des Abschnitts C, I. und II. Titel des Gesetzes auch deshalb zu beanstanden sind, weil sie die Finanzierung der privaten Rundfunkveranstaltungen nicht gesetzlich regeln (vgl oben II 2), kann offenbleiben: Unabhängig davon, wie die Frage zu entscheiden wäre, sind diese Bestimmungen, soweit sie die Veranstaltung privater Rundfunksendungen in deutscher Sprache regeln, insgesamt für nichtig zu erklären (§ 78 Satz 1 BVerfGG). | ||
Auszug aus BVerfG U, 16.06.81, - 1_BvL_89/87 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.96 ff | ||
§§§ |
81.015 | Zwangsvollstreckung II | |
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1) Der Richtervorbehalt des Art.13 Abs.2 GG erstreckt sich auch auf die Wohnungsdurchsuchung des Vollziehungsbeamten gemäß § 287 AO. | ||
2) Zum Prüfungsumfang und zur Gewährung vorherigen rechtlichen Gehörs bei richterlicher Durchsuchungsanordnung gemäß Art.13 Abs.2 GG zum Zwecke der Zwangsvollstreckung. | ||
§§§ |
81.016 | Eurocontrol I | |
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1) a) Art.19 Abs.4 GG meint die durch die Verfassung gebundene deutsche öffentliche Gewalt. Bestimmungen, die den Rechtsschutz in bezug auf ein Verhalten einer zwischenstaatlichen Einrichtung im Sinne des Art.24 Abs.1 GG regeln, sind nicht unmittelbar an Art.19 Abs.4 GG zu messen, denn sie betreffen nicht den Rechtsschutz gegen die deutsche öffentliche Gewalt. Insoweit käme allenfalls eine Verletzung des Art.24 Abs.1 GG in Betracht. | ||
2) a) Art.24 Abs.1 GG eröffnet nicht den Weg, das Grundgefüge der Verfassung anzutasten. Ein unaufgebbarer Bestandteil des Verfassungsgefüges sind die fundamentalen Rechtsgrundsätze, die in den Grundrechten des Grundgesetzes anerkannt und verbürgt sind. | ||
3) a) Von Verfassungs wegen begegnet es im Grundsatz keinen Bedenken, daß für den Rechtsschutz gegen Akte von Eurocontrol die (internationale) Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedsstaates begründet wurde. | ||
4) Im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit hat das Bundesverfassungsgericht in besonderem Maße darauf zu achten, daß Verletzungen des Völkerrechts, die in der fehlerhaften Anwendung oder Nichtbeachtung völkerrechtlicher Normen durch deutsche Gerichte liegen und eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland begründen könnten, nach Möglichkeit verhindert oder beseitigt werden. Dies kann im Einzelfall eine insoweit umfassende Nachprüfung gebieten. | ||
§§§ |
81.017 | Wasserbeschaffungsverbände | |
---|---|---|
| ||
1) Die Vorschriften der Wasserverbandverordnung über Gründung, Organisation, Umgestaltung und Auflösung von Wasser- und Bodenverbänden sind jedenfalls insoweit Bundesrecht geworden, als sie Wasserbeschaffungsverbände betreffen. | ||
2) Die §§ 175 bis 183 Wasserverbandsverordnung enthalten eine abschließende Regelung des Abwicklungs- und Auseinandersetzungsverfahrens bei der Auflösung bestehender Wasser- und Bodenverbände. Sie stehen jedoch einer landesgesetzlichen Regelung nicht entgegen, die solche Wasser- und Bodenverbände, die nur aus Gemeinden eines Amtes bestehen, unter Beachtung des vorgeschriebenen Abwicklungsverfahrens allgemein auflöst und die Aufgaben dieser Verbände auf das Amt überträgt. | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
81.018 | Ausbildungsausfallzeitgen | |
---|---|---|
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Die Begrenzung der Bewertung der Ausbildungsausfallzeiten bei Renten und Rentenanwartschaften durch das Zwanzigste Rentenanpassungsgesetz ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Das gilt auch, soweit Personen aufgrund des Rentenreformgesetzes des Jahres 1972 freiwillig der gesetzlichen Rentenversicherung als Pflichtversicherte beigetreten sind oder als solche vom Recht zur Nachentrichtung von Beiträgen Gebrauch gemacht hab | ||
Zur abweichenden Meinung des Präsidenten Dr Bend und des Richters Dr Katzenstein siehe BVerfGE_58,129 = www.dfr/BVerfGE, Abs.151 ff | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
81.019 | Erstes Eherechtsreformgesetz | |
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1) Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, daß die Regelungen des Ersten Eherechtsreformgesetzes über die Unterhaltsansprüche getrennt lebender und geschiedener Ehegatten grundsätzlich unabhängig vom Trennungsverschulden und Zerrüttungsverschulden gestaltet sind ( § 1361 Abs.1 Satz 1, § 1569 BGB). | ||
2) § 1579 Abs.2 BGB ist mit Art.2 Abs.1 GG nicht vereinbar, soweit danach die Anwendung der Härteklausel des § 1579 Abs.1 BGB auch in besonders gelagerten Härtefällen ausgeschlossen ist. | ||
3) Der an den ehelichen Lebensverhältnissen ausgerichtete Aufstockungsunterhaltsanspruch eines erwerbstätigen geschiedenen Ehegatten (§ 1573 Abs.2 BGB) verletzt den Verpflichteten nicht in seinen Grundrechten. | ||
4) Der Gesetzgeber war verfassungsrechtlich nicht gehindert, das neue Unterhaltsrecht auch für Ehen einzuführen, die vor dem 1.Juli 1977 geschlossen wurden. | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
81.020 | Pflichtexemplar | |
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Es widerspricht dem Eigentumsgrundrecht, daß der Verleger eines Druckwerks ein Belegstück auch dann unentgeltlich abliefern muß, wenn es sich um ein mit großem Aufwand und in kleiner Auflage hergestelltes Werk handelt (§ 9 Hess.LPrG). | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
81.021 | Naßauskiesung | |
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1) a) Bei Streit über die Rechtmäßigkeit einer enteignenden Maßnahme haben die grundsätzlich zuständigen Verwaltungsgerichte deren Rechtmäßigkeit in vollem Umfang zu prüfen. Hierzu gehört die Feststellung, ob das Gesetz, auf dem der Eingriff beruht, eine Regelung über Art und Ausmaß der zu leistenden Entschädigung enthält. | ||
2) Sieht der Betroffene in einer gegen ihn gerichteten Maßnahme eine Enteignung, so kann er eine Entschädigung nur einklagen, wenn eine gesetzliche Anspruchsgrundlage vorhanden ist. Fehlt sie, muß er sich bei den zuständigen Gerichten um die Aufhebung des Eingriffsaktes bemühen. | ||
3) Bei der Bestimmung der Rechtsstellung des Grundstückseigentümers nach Art.14 Abs.1 Satz 2 GG wirken bürgerliches Recht und öffentlich-rechtliche Gesetze gleichrangig zusammen. | ||
4) Es steht mit dem Grundgesetz in Einklang, daß das Wasserhaushaltsgesetz das unterirdische Wasser zur Sicherung einer funktionsfähigen Wasserbewirtschaftung - insbesondere der öffentlichen Wasserversorgung - einer vom Grundstückseigentum getrennten öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung unterstellt hat. | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
81.022 | Inkompatibilität | |
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Zur Beschränkung der Wählbarkeit eines leitenden Angestellten des Landkreises in den Rat einer kreisangehörigen Gemeinde in Niedersachsen. | ||
LB 2) Art.137 Abs.1 GG stellt eine abschließende Regelung der Materie dar und läßt keinen Raum für ungeschriebene Inkompatibilitäten (vgl BVerfGE_38,326 <336>; BVerfGE_48,64 <82>). | ||
LB 3) Art.137 Abs.1 GG gilt auch für die Beschränkung der Wählbarkeit zu den kommunalen Vertretungskörperschaften, mithin auch für die Wahlen zum Gemeinderat (vgl BVerfGE_48,64 <82>). | ||
LB 4) Eine auf Art.137 Abs.1 GG gestützte gesetzliche Regelung darf nur eine Beschränkung der Wählbarkeit in Gestalt einer Unvereinbarkeitsregelung (Inkompatibilität), nicht aber den rechtlichen Ausschluß von der Wählbarkeit (Ineligibilität) anordnen ( BVerfGE_12,73 <77>; BVerfGE_18,172 <181>; BVerfGE_38,326 <338>; BVerfGE_48,64 <88>; | ||
LB 5) Wesentliches Merkmal einer Inkompatibilitätsvorschrift ist, daß sich der von ihr Betroffene als Wahlbewerber aufstellen lassen, gewählt werden und die Wahl annehmen kann, die Annahme der Wahl aber von einer Beendigung des Dienstverhältnisses abhängig gemacht wird. | ||
LB 6) Angesichts der besonderen Verhältnisse im kommunalen Bereich ist diese faktische Einengung der Wahlmöglichkeit zwischen Amt und Mandat schon immer als zumutbare Konsequenz angesehen worden (vgl BVerfGE_48,64 <89> mwN). | ||
LB 7) Die Beschränkung der Wählbarkeit durch die angegriffene Regelung ist als eine mit dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit vereinbare Differenzierung nur dann gerechtfertigt, wenn ansonsten der Gefahr von Interessenkollisionen nicht wirksam zu begegnen ist (vgl BVerfGE_48,64 <90>; aber auch BVerfGE_12,73 <78>; BVerfG_18,172 <182>). | ||
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T-81-05 | Wahlrechtsgleichheit | |
"Als Ermächtigung zur Beschränkung des passiven Wahlrechts,etr Ermächtigung ist eine Beschränkung des passiven Wahlrechts in Anknüpfung an ein Dienstverhältnis durch einfaches Gesetz nicht zulässig. Art.137 Abs.1 GG stellt insoweit eine abschließende Regelung der Materie dar und läßt keinen Raum für ungeschriebene Inkompatibilitäten (vgl BVerfGE_38,326 <336>; BVerfGE_48,64 <82>; BVerfG, Beschluß vom 7.April 1981 -- 2 BvR 1210/80 --, Umdruck S.17). | ||
Die angegriffene Unvereinbarkeitsregelung hält sich im Rahmen dieser verfassungsrechtlichen Ermächtigung. | ||
1. Art.137 Abs.1 GG gilt auch für die Beschränkung der Wählbarkeit zu den kommunalen Vertretungskörperschaften, mithin auch für die Wahlen zum Gemeinderat (vgl BVerfGE_48,64 <82>). Er verlangt eine gesetzliche Regelung. Die Vorschrift des § 1 Nr.3 des Änderungsgesetzes vom 18. Oktober 1980, die § 35a NGO neugefaßt und die angegriffene Regelung eingefügt hat, ist in einem Landesgesetz enthalten. Der niedersächsische Landesgesetzgeber ist für diese Regelung zuständig, da sie materiell ausschließlich einen Gegenstand betrifft, der zum niedersächsischen Kommunalrecht und damit zu einer Materie des Landesrechts rechnet (vgl BVerfGE_12,73 <77>; BVerfGE_48,64 <83>). | ||
Art.137 Abs.1 GG ermächtigt den Gesetzgeber nur, bestimmte Gruppen von öffentlichen Bediensteten in ihrer Wählbarkeit zu beschränken. Er führt darunter ausdrücklich die "Angestellten des öffentlichen Dienstes" an und erfaßt damit jedenfalls all die Angestellten, die in einem Dienstverhältnis zu einem öffentlichrechtlichen Dienstherrn stehen (vgl BVerfGE_48,64 <84>). Die von der angegriffenen Regelung betroffene Personengruppe steht in einem solchen Dienstverhältnis. Denn die Regelung erfaßt -- soweit sie hier den Gegenstand der Prüfung bildet -- die hauptberuflichen, leitenden Angestellten des Landkreises, also die Angestellten eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn. | ||
2. Eine auf Art.137 Abs.1 GG gestützte gesetzliche Regelung darf nur eine Beschränkung der Wählbarkeit in Gestalt einer Unvereinbarkeitsregelung (Inkompatibilität), nicht aber den rechtlichen Ausschluß von der Wählbarkeit (Ineligibilität) anordnen (BVerfGE_12,73 <77>; BVerfGE_18,172 <181>; BVerfGE_38,326 <338>; BVerfGE_48,64 <88<; BVerfG, Beschluß vom 7.April 1981 -- 2 BvR 1210/80 --, Umdruck S.27). Wesentliches Merkmal einer Inkompatibilitätsvorschrift ist, daß sich der von ihr Betroffene als Wahlbewerber aufstellen lassen, gewählt werden und die Wahl annehmen kann, die Annahme der Wahl aber von einer Beendigung des Dienstverhältnisses abhängig gemacht wird. Die angegriffene Regelung überschreitet diesen Rahmen nicht. Der von ihr erfaßte leitende Angestellte des Landkreises wird nicht rechtlich von der Wählbarkeit ausgeschlossen (vgl § 35 NGO); er kann sich um die Wahl als Ratsherr in einer kreisangehörigen Gemeinde bewerben und gewählt werden. Nach § 35a Abs.5 NGO setzt die Annahme der Wahl allerdings den Nachweis voraus, daß er die zur Beendigung seines Angestelltenverhältnisses erforderliche Erklärung abgegeben hat. Die Vorschrift des § 35a NGO statuiert mithin lediglich eine Inkompatibilität. Sie beläßt dem Betroffenen die Wahl zwischen Amt und Mandat. | ||
Am Charakter des § 35a NGO als einer Inkompatibilitätsvorschrift ändert sich auch dadurch nichts, daß sich ein Bewerber wegen der Folgen der gesetzlichen Unvereinbarkeitsregelung auf seine beruflichen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen außerstande sehen kann, sich für das Mandat zu entscheiden. Angesichts der besonderen Verhältnisse im kommunalen Bereich ist diese faktische Einengung der Wahlmöglichkeit zwischen Amt und Mandat schon immer als zumutbare Konsequenz angesehen worden (vgl BVerfGE_48,64 <89> mwN). Auf dieser Ebene ist der Landesgesetzgeber nicht verpflichtet, das mit der Annahme des Mandats verbundene Ausscheiden des Bewerbers aus seinem öffentlichen Dienstverhältnis durch aufwendige Auffangregelungen zu erleichtern. Andererseits kann eine Beschränkung der Wählbarkeit mit so weitreichenden Folgen im Hinblick auf die Bedeutung der Wahlrechtsgleichheit nicht allein mit der verfassungsrechtlichen Ermächtigung aus Art.137 Abs.1 GG begründet werden. Sie bedarf hier jeweils eines sachlichen Grundes, der dem Sinn der verfassungsrechtlichen Ermächtigung gerecht wird (BVerfGE_48,64 <89 f>). Die Beschränkung der Wählbarkeit durch die angegriffene Regelung ist als eine mit dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit vereinbare Differenzierung nur dann gerechtfertigt, wenn ansonsten der Gefahr von Interessenkollisionen nicht wirksam zu begegnen ist (vgl BVerfGE_48,64 <90>; aber auch BVerfGE_12,73 <78>; BVerfGE_18,172 <182>). | ||
Die angegriffene Regelung beruht auf solchen rechtfertigenden Gründen. III. | ||
Interessenkollisionen zwischen der Ausübung des Ratsmandats in einer kreisangehörigen Gemeinde und dem Dienst als leitender Angestellter des Landkreises sind nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil sich Legislative und Exekutive hier nicht auf gleicher, sondern auf verschiedenen Ebenen gegenüberstehen (vgl BVerfGE_18,172 <183, 184>). | ||
1. Der Landkreis führt über die kreisangehörigen Gemeinden die Kommunalaufsicht (§ 128 Abs.1 Satz 2 NGO). Zur Durchführung der Kommunalaufsicht stellt die Niedersächsische Gemeindeordnung der Aufsichtsbehörde ein abgestuftes Instrumentarium zur Verfügung, welches von einem umfassenden Unterrichtungsrecht über die Angelegenheiten der Gemeinde (§ 129 NGO) bis zum Beanstandungsrecht (§ 130 NGO), zum Anordnungsrecht und dem Recht auf Ersatzvornahme (§ 131 NGO) reicht; Satzungen, Beschlüsse und Maßnahmen der Gemeinde, die der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedürfen, werden erst mit der Genehmigung wirksam (§ 133 Abs.1 NGO). Interessenkollisionen zwischen der Wahrnehmung des Ratsmandats und dem Dienst beim Landkreis sind mithin nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern naheliegend, wenn der Bedienstete des Landkreises im Bereich der Kommunalaufsicht tätig ist. | ||
Für den Bereich der Fachaufsicht gilt nichts anderes. Die dem Landkreis über die kreisangehörigen Gemeinden obliegende Fachaufsicht (§ 128 Abs.3 Satz 2 NGO) erstreckt sich auf die Kontrolle der rechtmäßigen und zweckmäßigen Durchführung der Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises (§ 127 Abs.1 Satz 2 NGO). Sie geht damit zwar einerseits in ihren Einwirkungsmöglichkeiten über die Kommunalaufsicht hinaus, erfaßt andererseits aber mit den Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises einen Bereich, in dem der Rat der Gemeinde grundsätzlich nicht tätig werden kann. Interessenkollisionen sind jedoch allein deshalb nicht ausgeschlossen. Denn Kommunal- und Fachaufsicht stehen nicht isoliert nebeneinander. Obwohl innerhalb der Kreisverwaltung für die Fachaufsicht die entsprechenden Fachabteilungen zuständig sind, ergeben sich zahlreiche Berührungspunkte mit der Kommunalaufsichtsabteilung (vgl Seele, Die Aufsichtsfunktion der Kreisverwaltung, in: Der Kreis, 2.Bd, S.215 <243, 244>). Die Kommunalaufsichtsbehörden haben die Fachaufsichtsbehörden zu unterstützen (§ 128 Abs. 3 Satz 3 NGO). Diese Unterstützung kann sowohl darin bestehen, daß die Kommunalaufsichtsbehörde bei Schwierigkeiten zwischen der Gemeinde und der Fachaufsichtsbehörde vermittelt, als auch darin, daß die Kommunalaufsichtsbehörde auf Verlangen der Fachaufsichtsbehörde mit den Mitteln der allgemeinen Aufsicht eingreift, um die Belange der Fachaufsicht gegenüber der Gemeinde durchzusetzen (vgl Lüersen/Neuffer, Kommentar zur NGO, in: Die Praxis der Gemeindeverwaltung, § 128 Rdnr.7 und § 130 Rdnr.1; Seele, aaO, S.244). Die Aufsicht über die Gemeinde ist überdies nach § 127 Abs.1 Satz 3 NGO so zu handhaben, daß die Entschlußkraft und Verantwortungsfreude nicht beeinträchtigt wird. Das erfordert ein Zusammenwirken von Kommunal- und Fachaufsicht, um sicherzustellen, daß die aufsichtsbehördliche Tätigkeit diesem Ziel gerecht wird. Diese Berührungspunkte und Felder notwendiger Zusammenarbeit von Kommunal- und Fachaufsicht schließen die Möglichkeit wechselseitiger Einflußnahme ein. Daraus folgt aber andererseits, daß Interessenkollisionen zwischen Ratstätigkeit und Dienst beim Landkreis selbst dann nicht ausgeschlossen sind, wenn der Bedienstete des Landkreises lediglich im Bereich der Fachaufsicht über die Gemeinde tätig ist. | ||
Zu den wichtigsten Formen präventiver Kommunalaufsicht rechnet schließlich die Beratung der Gemeinde im Vorfeld kommunaler Entscheidungen. Die Zielsetzung der Beratungstätigkeit kann dabei unterschiedlich sein; es mag sich im Einzelfall um koordinierende, schlichtende, schützende, vergleichende, rechtsauslegende oder fachlich belehrende Beratung handeln (vgl Seele, aaO, S.232). Sie schließt einen regen Informationsaustausch zwischen Gemeinde und Landkreis ein. Dabei kann die Vielfalt der Sachfragen, die den Gegenstand der Beratung bilden können, eine Einschaltung der Verwaltung des Landkreises über den engen Bereich der eigentlichen Kommunalaufsicht hinaus erfordern und so zur Mitwirkung von Kreisbediensteten führen, die mit Fragen der Kommunalaufsicht in der Regel nicht befaßt sind. Wenngleich die Beratungstätigkeit des Landkreises in erster Linie dem Schutz und der Fürsorge für die Gemeinde dient, kann die Wirksamkeit dieser Form der präventiven Aufsicht auch dadurch gefährdet werden, daß auf seiten des Landkreises Bedienstete beteiligt sind, die zugleich ein Ratsmandat innehaben. | ||
2. Die Gefahr von Interessenkollisionen zwischen der Ausübung des Ratsmandats in einer kreisangehörigen Gemeinde und dem gleichzeitigen Dienst für den Landkreis ergibt sich jedoch nicht nur daraus, daß der Landkreis Aufsichtsfunktion über die Gemeinde wahrzunehmen hat. Denn die Verbindungen zwischen Landkreis und kreisangehöriger Gemeinde erschöpfen sich nicht in einem bloßen Aufsichtsverhältnis. Vielmehr bilden Kreis und Gemeinde eine Gemeinschaft, die nicht nur territorial, sondern auch nach Zweckbestimmung und Funktion aufs engste verbunden und verflochten ist (vgl BVerfGE_23,353 <368>). Die Aufgaben von Kreis und Gemeinde berühren sich eng. Die kommunale Selbstverwaltung wird nicht nur durch die Allzuständigkeit der Gemeinden im örtlichen Wirkungskreis bestimmt, sondern zugleich auch durch eine Ergänzungs- und Ausgleichsfunktion der Gemeindeverbände, insbesondere der Kreise, charakterisiert. | ||
Die niedersächsischen Kreise haben die Gemeinden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu fördern und zugleich einen angemessenen Ausgleich ihrer Lasten zu vermitteln (§ 2 Abs.1 Satz 2 der Niedersächsischen Landkreisordnung -- NLO -- idF vom 18.Oktober 1977 [GVBl S.522 | ||
Die Landkreise sind überdies für ihr Gebiet Träger der Regionalplanung (§ 7 des Niedersächsischen Gesetzes über Raumordnung und Landesplanung -- NROG -- idF vom 2.Januar 1978 | ||
Sowohl im Zusammenhang mit diesen für die Entwicklung einer kreisangehörigen Gemeinde maßgeblichen Planungsentscheidungen als auch bei der Abgrenzung, ob eine Aufgabe von überörtlicher Bedeutung ist oder ihre zweckmäßige Erfüllung durch eine Gemeinde nicht gewährleistet werden kann, können Interessengegensätze zwischen Gemeinde und Landkreise wirksam werden. Das gilt besonders auch dann, wenn der Landkreis eine freiwillig übernommene Aufgabe oder Einrichtung der Gemeinde ohne deren Zustimmung übernimmt. Das im Dienst des Landkreises stehende Mitglied des Rates einer kreisangehörigen Gemeinde wird von solchen Interessengegensätzen im besonderen Maße erfaßt. Es ist weder auszuschließen, daß das Ratsmitglied bei in diesen Sachzusammenhängen zu treffenden Entscheidungen des Rates der Gemeinde von den Interessen des Landkreises beeinflußt wird, die er hauptamtlich wahrzunehmen hat, noch daß er als Ratsherr bei seiner Tätigkeit für den Landkreis im Interesse "seiner" Gemeinde auf die Verwaltungsentscheidungen des Landkreises Einfluß nimmt. Dadurch unterscheidet sich im übrigen der Ratsherr, der gleichzeitig im Dienst des Landkreises steht, von demjenigen, der die Ausübung des Ratsmandats mit einem weiteren Mandat in der Vertretung des Landkreises verbindet, ohne im Dienst einer der beiden Körperschaften zu stehen. | ||
Nach alledem sind in der gleichzeitigen Wahrnehmung eines Mandats in der Gemeindevertretung und der Tätigkeit als Beamter oder Angestellter eines Landkreises in vielfacher Hinsicht Interessenkollisionen zwischen Amt und Mandat angelegt. Bei dieser Sachlage ermächtigt Art.137 Abs.1 GG den Gesetzgeber auch dann zur Beschränkung der Wählbarkeit der öffentlichen Bediensteten, wenn Amt und Mandat auf verschiedenen Ebenen liegen (vgl BVerfGE_18,172 <184>). IV. | ||
1. Die angegriffene Inkompatibilitätsregelung erfaßt alle leitenden Angestellten des Landkreises. Sie trifft im einzelnen keine Unterscheidung danach, ob der jeweilige Bedienstete nach seinem konkreten Aufgabenbereich innerhalb der Verwaltung des Kreises überhaupt mit Angelegenheiten der Gemeinde, deren Ratsherr er ist, befaßt werden und somit der Gefahr eines Interessenwiderstreits ausgesetzt sein kann. | ||
a) Die in der Verbindung von Gemeinderatsmandat und einem Dienstverhältnis zum Landkreis begründete Gefahr von Interessenkollisionen ist wegen der Vielfalt der denkbaren Berührungspunkte zwischen Gemeinde und Landkreis weder auf bestimmte Sachbereiche beschränkt noch sonst eindeutig eingrenzbar. Eine klare Grenzziehung zwischen den leitenden Beamten und Angestellten, deren Tätigkeit sie in die Gefahr eines Interessenwiderstreits bringen kann, und denen, deren Tätigkeit sie nicht in diese Gefahr bringen kann, begegnet erheblichen Schwierigkeiten. Bei dieser Sachlage ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, in generalisierenden Tatbeständen die Ermächtigung des Art.137 Abs.1 GG auszuschöpfen (BVerfGE_40,296 <320 f>). Die Einbeziehung aller leitenden Angestellten des Landkreises in die Unvereinbarkeitsvorschrift hält sich ersichtlich in diesem Rahmen. | ||
b) Sie ist auch nicht sachwidrig: Als leitende Angestellte sind nach § 35a Abs.2 Nr.3, Abs.3 NGO die Amtsleiter und Angestellte auf vergleichbaren Dienstposten sowie deren Vertreter anzusehen. Die Unvereinbarkeitsregelung erfaßt also eine Personengruppe, die nach ihrer Dienststellung befugt ist, Sachentscheidungen von nicht untergeordneter Bedeutung zu treffen. Der Amtsleiter ist für die Verwaltungsarbeit seines Amtes verantwortlich und besitzt entsprechende Weisungsbefugnis. Die betroffene Personengruppe ist mithin im besonderen Maße dazu bestimmt, die Verwaltungsarbeit des Landkreises mitzutragen, damit aber auch mitzubeeinflussen und zu gestalten. Daß diese Einflußnahme über den Bereich des von ihnen geleiteten Amtes hinausgehen kann, wird bereits daran deutlich, daß innerhalb der Behörde in Krankheits- und Urlaubsfällen auch Vertretungen außerhalb der normalen Geschäftsverteilung möglich sein müssen. Bei fachübergreifenden Erörterungen und Entscheidungen wird überdies eine Beteiligung der Leiter verschiedener Ämter des Landkreises die Regel sein. Das gilt auch, soweit die Belange der Fach- und Kommunalaufsicht eine kooperative Zusammenarbeit der Kommunalaufsichtsabteilung mit der jeweiligen Fachabteilung (und umgekehrt) erfordern. | ||
Aus dieser Stellung des leitenden Angestellten innerhalb der Verwaltung des Landkreises folgt, daß die Möglichkeit eines Entscheidungskonflikts zwischen den Interessen der Gemeinde, die zu wahren er als deren Ratsherr verpflichtet ist, und den Interessen des Landkreises, zu dem er in einem herausgehobenen Dienstverhältnis steht, in einem besonders hohen Maße gegeben ist. Das gilt unabhängig davon, ob der leitende Angestellte in dem von ihm zu leitenden Amt unmittelbar mit Aufgaben der Kommunal- oder Fachaufsicht betraut ist oder sonst mit Angelegenheiten der Gemeinde befaßt werden kann, der Interessenkonflikt also offenkundig ist. Denn auch wenn eine Angelegenheit der Gemeinde nicht in seinen unmittelbaren Zuständigkeitsbereich fällt, kann er aufgrund seiner besonderen Dienststellung innerhalb der Verwaltung entweder am Prozeß der Entscheidungsfindung beteiligt sein oder hat zumindest die Möglichkeit einer Einflußnahme auf die Entscheidungsfindung; er ist mithin Interessenkonflikten -- seien sie auch "verdeckt" -- nicht minder ausgesetzt. | ||
2. Den damit verbundenen Gefahren kann entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch nicht allein durch das in der Niedersächsischen Gemeindeordnung geregelte Mitwirkungsverbot begegnet werden. Ein Gemeinderatsmitglied ist zwar gemäß § 39 Abs.3, § 26 NGO unter bestimmten Voraussetzungen von einer Mitwirkung bei der Beratung und Beschlußfassung des Rates ausgeschlossen, so insbesondere dann, wenn die Entscheidung ihm selbst einen besonderen Vorteil oder Nachteil bringen würde. Das Mitwirkungsverbot dient danach zunächst der Verhinderung eines Interessenwiderstreits zwischen dem persönlichen Interesse des Ratsherrn an der Entscheidung des Gemeinderats und dem Gemeindeinteresse, das er als Ratsherr zu wahren hat. Selbst wenn man aber ein Mitwirkungsverbot auch dann zur Anwendung bringen wollte, wenn sich das Gemeindeinteresse und das Interesse des Landkreises, dessen Angestellter der Ratsherr ist, entgegenstehen, wäre das kein geeignetes Mittel, Interessenkonflikte dieser Art zu vermeiden. | ||
Zum einen sind -- wie bereits dargelegt -- in Anbetracht der Vielfalt denkbarer Berührungspunkte zwischen Gemeinde und Landkreis mögliche Interessenkonflikte nicht eindeutig eingrenzbar. Es kommt hinzu, daß der Ratsherr im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit für den Landkreis mit einer Angelegenheit mehr, mit der anderen nur am Rande befaßt gewesen sein kann. Eine sinnvolle Abgrenzung, in welchen Fällen die Art der dienstlichen Einflußnahme ein Mitwirkungsverbot rechtfertigt, ist nicht möglich. Aus allem erhellt, daß sich ein Ratsherr, der den Dienst für den Landkreis mit der Ausübung des Ratsmandats in einer kreisangehörigen Gemeinde verbindet, in einer nicht eingrenzbaren Vielzahl von Fällen als an der Mitwirkung an der Beratung und Beschlußfassung des Rates gehindert sehen könnte, um der Gefahr einer Unwirksamkeit von Entscheidungen des Rates (§ 26 Abs.6 NGO) vorzubeugen. Dies aber beeinträchtigt die funktionsgerechte Ausübung des Ratsmandats, die auch durch ein Mitwirkungsverbot nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden darf. | ||
Zum anderen bliebe auch von einem solchen Mitwirkungsverbot die Möglichkeit des Ratsherrn unberührt, das Interesse "seiner" Gemeinde in die Verwaltungsentscheidungen des Landkreises einzubringen. Ein wirksamer Schutz der organisatorischen Gewaltenteilung verlangt aber ebenso, daß die Verwaltungsentscheidungen der Aufsichtsbehörde frei von Einflüssen der zu beaufsichtigenden Gemeinde bleiben. Die Abwehr solcher Einflüsse ist weder durch eine entsprechende Gestaltung der Geschäftsverteilung innerhalb des Landkreises -- die im übrigen auch im begrenzten Maße variabel bleiben muß -- ausreichend zu sichern, noch erscheint die Handhabung einer "Befangenheitsregelung" innerhalb der Verwaltung des Kreises bei der Vielzahl denkbarer Interessenkonflikte ohne Störung eines geordneten Verwaltungsablaufs möglich. | ||
3. Die Beschränkung der Wählbarkeit der leitenden Angestellten des Landkreises in den Rat einer kreisangehörigen Gemeinde hält sich mithin insgesamt im Rahmen der Ermächtigung des Art.137 Abs.1 GG. Sie verletzt den Grundsatz der Gleichheit der Wahl und damit Art.3 Abs.1 GG nicht. | ||
Eine Übergangsregelung für bisherige Ratsmitglieder, die in der nächsten Wahlperiode von der Unvereinbarkeitsregelung betroffen werden, erscheint verfassungsrechtlich unter keinem Gesichtspunkt geboten. | ||
Die Verfassungsbeschwerde war daher zurückzuweisen." | ||
Auszug aus BVerfG B, 06.10.81, - 2_BvR_384/81 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.37 ff | ||
§§§ |
81.023 | BW-Unterbringungsgesetz | |
---|---|---|
| ||
1) Das in dem baden-württembergischen Unterbringungsgesetz als gesetzlicher Grundlage der Freiheitsentziehung angeordnete Gebot, den Geisteskranken grundsätzlich vor Erlaß einer einstweiligen Anordnung mündlich anzuhören (§ 18 Abs.2 und § 13 UG), gehört zu den bedeutsamen Verfahrensgarantien, deren Beachtung Art.104 Abs.1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht. | ||
2) Es ist der vorrangige Zweck der Anhörung im Unterbringungsverfahren, dem Richter einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen und der Art. seiner Erkrankung zu verschaffen, damit er in den Stand gesetzt wird, ein klares und umfassendes Bild von der Persönlichkeit des Unterzubringenden zu gewinnen und seiner Pflicht zu genügen, den ärztlichen Gutachten richterliche Kontrolle entgegenzusetzen. | ||
3) Das Grundrecht auf Freiheit der Person (Art.2 Abs.2 GG) steht der Unterbringung eines Geisteskranken, die ausschließlich den Zweck verfolgt, den psychisch Kranken vor sich selbst in Schutz zu nehmen und ihn zu seinem eigenen Wohl in einer geschlossenen Anstalt unterzubringen, dann nicht entgegen, wenn er für sich gefährlich oder ohne Anstaltspflege der Gefahr ernster Gesundheitsschädigung ausgesetzt ist. | ||
4) Eine Auslegung des baden-württembergischen Unterbringungsgesetzes, die fürsorgerische Belange von Gewicht für die Anordnung einer Unterbringung genügen läßt, ist mit dem Bundesrecht vereinbar. | ||
5) Die Unanfechtbarkeit der einstweiligen Anordnung nach § 18 UG, durch die eine vorläufige Unterbringung für zulässig erklärt wurde, steht mit der Verfassung im Einklang. | ||
§§§ |
81.024 | Deutscher Arbeitnehmerverband | |
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Zu den Voraussetzungen der Tariffähigkeit einer Arbeitnehmer-Koalition. | ||
§§§ |
81.025 | Schulentlassung | |
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| ||
1) Zur Frage, inwieweit der Gesetzgeber verpflichtet ist, die Voraussetzungen für die Entlassung eines Schülers aus der Schule wegen unzureichender Leistungen selbst festzulegen. | ||
2) a) Der Gesetzgeber kann den Verordnunggeber ermächtigen, Bestimmungen über die Versetzung eines Schülers in die nächsthöhere Klasse/Jahrgangsstufe durch Rechtsverordnung zu treffen. | ||
§§§ |
81.026 | Altölverbrennung-Kläranlage | |
---|---|---|
| ||
Das in § 4a der 1.BImSchV enthaltene Verbot der Altölverbrennung in Kläranlagen kann grundsätzlich weder vom Betreiber noch vom Hersteller solcher Anlagen unmittelbar mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden. | ||
§§§ |
81.027 | Eurocontrol II | |
---|---|---|
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1) Die Ausgestaltung des Rechtsschutzes für die Bediensteten der Europäischen Organisation zur Sicherung der Luftfahrt (Eurocontrol) zufolge der allgemeinen Beschäftigungsbedingungen sowie die Begründung der Gerichtsbarkeit des Verwaltungsgerichts der Internationalen Arbeitsorganisation widersprechen nicht rechtsstaatlichen Mindestanforderungen im Sinne des Grundgesetzes. | ||
2) Eine allgemeine Regel des Völkerrechts, die der Ausgestaltung des Rechtsschutzes für die Bediensteten von Eurocontrol entgegenstünde, besteht jedenfalls nicht, zumal der Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht der Internationalen Arbeitsorganisation auch dem internationalen Mindeststandard an elementarer Verfahrensgerechtigkeit genügt. | ||
§§§ |
81.028 | Briefwahl II | |
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§§§ |
81.029 | Bekenntnis zum deutschen Volkstum | |
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Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Nachweis des Bekenntnisses zum deutschen Volkstum nach § 6 Bundesvertriebenengesetz und dem Erfordernis der Beachtung des Vertrauensschutzes bei der Einziehung von Vertriebenenausweisen (§ 18 Bundesvertriebenengesetz). | ||
LB 2) Das gesetzliche Erfordernis, daß das Bekenntnis zum deutschen Volkstum vor Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen liegen müsse (§ 1 Abs.1 Satz 1 BVFG), verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, weil sich ein sachlich einleuchtender Grund für die Regelung finden läßt (vgl BVerfGE_1,14 <52>; stRspr). | ||
LB 3) Auch das Bundesverfassungsgericht hat gegen die Festsetzung des Bekenntniszeitpunkts vor Vertreibungsbeginn keine Bedenken geäußert; allerdings kann ein späteres Verhalten Rückschlüsse darauf zulassen, ob den für die frühere Zeit festgestellten Tatsachen ein wirkliches Bekenntnis zum deutschen Volkstum zu entnehmen ist (BVerfGE_17,224 <228>). | ||
LB 4) Soweit es sich bei den Beschwerdeführern um Bürger mosaischer Konfession handelt, kommt als Prüfungsmaßstab vorrangig Art.3 Abs.3 GG in Betracht. | ||
LB 5) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bleibt für eine Prüfung am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes kein Raum mehr, wenn die zu prüfende einfache Gesetzesnorm einer speziellen Grundrechtsnorm zuwiderläuft ( BVerfGE_6,55 <71, 82>; BVerfGE_9,237 <248, 249>; BVerfGE_13,290 <296>; BVerfGE_16,203 <208>). Soweit dies nicht der Fall sein sollte, ist auch Art.3 Abs.1 GG Prüfungsmaßstab.
]EF1> Beschluss ]EF1[ Entscheidungsformel: | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
[ 1980 ] | RS-BVerfG - 1981 | [ 1982 ] [ ] |
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§§§