1974  
  1973                   1975 [ ‹ ]
74.001 Patentanmeldung
 
  1. BVerfG,     B, 15.01.74,     – 1_BvL_55/70 –

  2. BVerfGE_36,281 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.14; PatG_§_24 Abs.3 +4

 

Die Anwendung der geänderten Vorschriften über die Akteneinsicht im Patenterteilungsverfahren auf die vor dem Inkrafttreten des Patentänderungsgesetzes erfolgten Patentanmeldungen verstößt nicht gegen das Grundgesetz.

§§§

74.002 Ns Landesbesoldungsgesetz
 
  1. BVerfG,     B, 29.01.74,     – 2_BvN_1/69 –

  2. BVerfGE_36,342 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.100 Abs.1, GG_Art.100 Abs.3, GG_Art.28 Abs.1, GG_Art.28 Abs.2, GG_Art.31 ;

 

1) Liegen die Voraussetzungen einer Vorlage sowohl nach Art. 100 Abs.1 GG als nach Art.100 Abs.3 vor, so hat das Landesverfassungsgericht die Freiheit der Wahl, welchen Weg es einschlagen will.

 

2) Auch im Vorlageverfahren nach Art.100 Abs.3 GG gilt die Verfahrensvoraussetzung, daß für die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts die beantragte Auslegung der Vorschrift des Grundgesetzes entscheidungserheblich sein muß.

 

3) Das Bundesverfassungsgericht hat im Verfahren nach Art.100 Abs.3 GG nicht nachzuprüfen, ob die Vorlage eines Landesgerichts an das Landesverfassungsgericht etwa unzulässig ist.

 

4) Die Länder sind, soweit nicht das Grundgesetz in Art.28 Abs.1 und 2 oder in anderen Vorschriften für bestimmte Tatbestände etwas anderes vorschreibt, frei in der Ausgestaltung ihrer Verfassung. Soweit danach das Grundgesetz die Freiheit gibt, daß der Gliedstaat in seine Verfassung eine Bestimmung aufnehmen kann, unterscheide sie sich von einer Regelung des Grundgesetzes oder stimme sie mit ihr überein, kann Art.31 GG nicht die Kraft haben, diese landesverfassungsrechtliche Vorschrift zu "brechen".

 

5) Bundesverfassungsrecht bricht inhaltsgleiches Landesverfassungsrecht nicht.

 

LB 6) Zur abweichenden Meinung des Richters Dr Geiger, siehe BVerfGE_36,369 ff = www.dfr/BVerfGE, Abs.61 ff.

 

LB 7) Zur abweichenden Meinung des Richters Seuffert siehe BVerfGE_36,372 ff = www.dfr/BVerfGE, Abs.66.

* * *

Beschuss

Entscheidungsformel:

Der Grundsatz des Artikels 31 des Grundgesetzes berührt nicht die Geltung einer Norm der Landesverfassung, die mit einer Bestimmung des Grundgesetzes inhaltlich übereinstimmt.

§§§

74.003 Hamburger Pressegesetz
 
  1. BVerfG,     B, 13.02.74,     – 2_BvL_11/73 –

  2. BVerfGE_36,314 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.74 Nr.1, GG_Art.72 Abs.1; StPO_§_53 Abs.1 Nr.5; (Hb) PresseG_§_22 Abs.1

T-74-01

LB: Die Länder besitzen nach der Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern keine Befugnis, das strafprozessuale Zeugnisverweigerungsrecht der Presse zu regeln.

* * *

Beschuss

Entscheidungsformel:

§ 22 Absatz 1 des Hamburgischen Pressegesetzes vom 29.Januar 1965 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsbl.I S.15) soweit er sich auf Angehörige der Presse und das Verfahren in Strafsachen bezieht, ist mit Artikel 74 Nummer 1 und Artikel 72 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 53 Absatz 1 Nummer 5 der Strafprozeßordnung in der Fassung vom 17.September 1965 (Bundesgesetzbl.I S.1374) unvereinbar und deshalb nichtig.

* * *

T-74-01Zeugnissverweigerungsrecht für Presse

21

"§ 22 Abs.1 HambPresseG, soweit er sich auf Angehörige der Presse und das Verfahren in Strafsachen bezieht, ist mit Art.74 Nr.1 und Art.72 Abs.1 GG in Verbindung mit § 53 Abs.1 Nr.5 StPO unvereinbar. Das Land Hamburg besaß nach der Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern keine Befugnis, das strafprozessuale Zeugnisverweigerungsrecht der Presse zu regeln.

22

Maßgebend für diese Beurteilung sind hier dieselben Gründe, aus denen das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 28.November 1973 - 2 BvL 42/71 - die entsprechende Regelung des Hessischen Pressegesetzes für nichtig erklärt hat.

23

1. Wie der Senat in dem vorerwähnten Beschluß des näheren ausgeführt hat, sind die Länder zwar - unbeschadet der Kompetenz des Bundes zum Erlaß von Rahmenvorschriften nach Art.75 Nr.2 GG - für die gesetzliche Ordnung des Pressewesens zuständig. Bei dem strafprozessualen Zeugnisverweigerungsrecht von Presseangehörigen handelt es sich aber nicht um einen Gegenstand des Presserechts, sondern um eine Materie, die Teil des gerichtlichen Verfahrens ist und darum gemäß Art.74 Nr.1 GG in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung fällt. Ausschlaggebend für diese Zuordnung des Zeugnisverweigerungsrechts ist seine wesensmäßige und historische Zugehörigkeit zum Gebiet des Prozeßrechts.

24

a) Vorschriften über die Befugnis zur Aussageverweigerung sind ihrem Wesen nach Bestandteile des Beweiserhebungsrechts der Verfahrensordnungen. Ihre Bedeutung liegt darin, daß sie die Möglichkeiten justizförmiger Sachaufklärung beschränken, indem sie Ausnahmen von einer im Grundsatz für alle geltenden Bürgerpflicht statuieren. Zwar dient das Zeugnisverweigerungsrecht von Presseangehörigen dem Schutz des Redaktionsgeheimnisses und trägt damit zur Gewährleistung einer freien, institutionell eigenständigen und funktionsfähigen Presse bei. Der Ort, an dem dies geschieht, liegt jedoch außerhalb des Presserechts. Das Mittel, dessen sich der Gesetzgeber hier bedient, um sicherzustellen, daß die für die Presse unverzichtbare Informationsquelle privater Mitteilungen nicht zu versiegen droht, ist verfahrensrechtlicher Art. Der Sachzusammenhang, in dem sich die schutzwürdigen Belange der Presse zur Geltung bringen, Berücksichtigung finden und unmittelbare Wirkung entfalten, ist das gerichtliche Verfahren, in dem das Zeugnisverweigerungsrecht ausgeübt wird.

25

b) Diese Befugnis ist in der deutschen Gesetzgebung auch herkömmlich dem Verfahrensrecht zugeordnet worden. Nach Inkrafttreten des Grundgesetzes galten die Bemühungen um eine Verbesserung des Zeugnisverweigerungsrechts der Presse zunächst einer Reform des § 53 Abs.1 Nr.5 StPO. Erst nach dem vorläufigen Scheitern dieser Bestrebungen entschlossen sich - sieht man vom Freistaat Bayern ab - die Länder dazu, die Regelung selbst zu treffen. Die dafür maßgebenden rechtspolitischen Überlegungen können jedoch nichts daran ändern, daß die Aussageverweigerungsbefugnis von Presseangehörigen nach Wesen und herkömmliche Zuordnung Verfahrensrecht ist.

26

2. Von seiner Gesetzgebungsbefugnis zur Regelung des strafprozessualen Zeugnisverweigerungsrechts der Presse hat der Bund Gebrauch gemacht, indem er dem § 53 Abs.1 Nr.5 StPO durch das Dritte Strafrechtsänderungsgesetz vom 4.August 1953 (BGBl.I S.735) seine jetzige Fassung gab. Die Bestimmung enthält eine rechtswirksame und vollständige Regelung und äußert deshalb Sperrwirkung gegenüber den Ländern. Diese sind nicht berechtigt, Gesetzgebungsbefugnisse dort in Anspruch zu nehmen, wo sie im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung eine abschließende Bundesregelung für unzulänglich und darum reformbedürftig erachten. Das Grundgesetz weist ihnen nicht die Aufgabe zu, kompetenzgemäß getroffene Entscheidungen des Bundes "nachzubessern". Erweist sich eine vollständige bundesrechtliche Regelung als unzureichend, so ist es Sache des Bundesgesetzgebers, aufgrund einer Zuständigkeit eine Änderung vorzunehmen, die Abhilfe schafft. Kompetenzrechtlich bleibt aber die Materie länderrechtlichen Regelungen verschlossen, solange die bundesrechtliche Norm Bestand hat."

 

Auszug aus BVerfG B, 13.02.74, - 2_BvL_11/73 -, www.dfr/BVerfGE,  Abs.21 ff

§§§

74.004 Stabilisierungsfonds-Wein
 
  1. BVerfG,     B, 05.03.74,     – 1_BvL_27/72 –

  2. BVerfGE_37,1

  3. GG_Art.2 Abs.1; WWiG_§_16 Abs.1 Nr.2 S.1

 

Die Erhebung der von der Weinwirtschaft an den Stabilisierungsfonds für Wein nach § 16 Abs.1 Nr.2 S.1 Weinwirtschaftsgesetz zu leistenden Abgaben (Mengenabgabe) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

* * *

Beschuss

Entscheidungsformel:

§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Satz 1 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete der Weinwirtschaft (Weinwirtschaftsgesetz) in der Fassung vom 9.Mai 1968 (Bundesgesetzbl.I S.471) war, soweit er die Abgabepflicht der Erwerber von Wein und solchen Ausgangsprodukten betrifft, die zu Wein verarbeitet werden, jedenfalls bis zum 30.Juni 1970 mit dem Grundgesetz vereinbar.

§§§

74.005 Schallplatten
 
  1. BVerfG,     U, 05.03.74,     – 1_BvR_712/68 –

  2. BVerfGE_36,321 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.3 Abs.1, GG_Art.5 Abs.3; UStG_§_4, UStG_§_12 Abs.2

 

1) Es ist grundsätzlich dem Ermessen der gesetzgebenden Körperschaften überlassen, welche Verbände und Sachverständige bei einem Anhörungsverfahren ("Hearing") zu Wort kommen sollen.

 

2) Der Gleichheitssatz in Verbindung mit der Kunstfreiheitsgarantie des Art.5 Abs.3 GG verpflichtet den Staat nicht, jede wirtschaftliche Förderungsmaßnahme o der steuerliche Begünstigung allen Bereichen künstlerischen Schaffens gleicherma ßen zugute kommen zu lassen; er darf vielmehr eine sachgerechte Auswahl der einz elnen Medien und anderen Träger des Kulturlebens treffen, wobei für die Beurteil ung der Förderungsbedürftigkeit auch wirtschafts- und finanzpolitische Gesichtsp unkte berücksichtigt werden können.

 

3) Den §§ 4 und 12 Abs.2 UStG 1967 (1973) ist keine Entscheidung des Gesetzgebers für eine prinzipielle umsatzsteuerliche Begünstigung oder Befreiung zahlreicher anderer Lieferungen und Leistungen des kulturellen Bereichs (§§ 4 und 12 Abs.2 UstG) - auf sachbezogenen Erwägungen und verstößt deshalb nicht gegen Art.3 Abs.1 GG.

 

4) Die Belastung des Schallplattenumsatzes mit dem vollen Steuersatz (§ 12 Abs.1 UStG) beruht - trotz steuerlichen Begünstigung oder Befreiung zahlreicher anderer Lieferungen und Leistungen des kulturellen Bereichs (§§ 4 und 12 Abs.2 UStG ) - auf sachbezogenen Erwägungen und verstößt deshalb nicht gegen Art.3 Abs.1 GG.

§§§

74.006 Weinwirtschaftsabgabe
 
  1. BVerfG,     B, 05.03.74,     – 1_BvL_27/72 –

  2. BVerfGE_37,1 = www.dfr/BVerfGE

  3. WWiG_§_16 Abs.1 Nr.2; GG_Art.2 Abs.1; GG_Art.87 Abs.3 S.1

 

Die Erhebung der von der Weinwirtschaft an den Stabilisierungsfonds für Wein nach § 16 Abs.1 Nr.2 Satz 1 Weinwirtschaftsgesetz zu leistenden Abgabe (Mengenabgabe) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

* * *

Beschuss

Entscheidungsformel:

§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Satz 1 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete der Weinwirtschaft (Weinwirtschaftsgesetz) in der Fassung vom 9.Mai 1968 (Bundesgesetzbl.I S.471) war, soweit er die Abgabepflicht der Erwerber von Wein und solchen Ausgangsprodukten betrifft, die zu Wein verarbeitet werden, jedenfalls bis zum 30. Juni 1970 mit dem Grundgesetz vereinbar.

§§§

74.007 Haftbefehl in Berlin
 
  1. BVerfG,     B, 27.03.74,     – 2_BvR_38/74 –

  2. BVerfGE_37,57 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.1; GG_Art.16 Abs.2; BVerfGG_§_90 Abs.1

T-74-02

LB: Zur Auslieferung eines früheren DDR-Bürgerin wegen eines Haftbefehles, wonach sie dringend verdächtig ist ihren Vater getötet zu haben.

* * *

Beschuss

Entscheidungsformel:

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

* * *

T-74-02Auslieferung an die DDR

21

"Die Angriffe, die die Beschwerdeführerin in der Sache gegen das Rechtshilfegesetz richtet, sind offensichtlich unbegründet.

22

Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31.Juli 1973 - 2 BvF 1/73 - ist klargestellt, daß die Deutsche Demokratische Republik im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland auch nach Abschluß des Grundlagenvertrages nicht als Ausland angesehen und behandelt werden darf; sie ist ein "anderer Teil Deutschlands", ihre Gerichte sind deutsche Gerichte (vgl BVerfGE_36,1 <17, 29 f>). Aus diesem Urteil und dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Mai 1960 (BVerfGE_11,150 <160 f>), auf den es ausdrücklich Bezug nimmt (BVerfGE_36,1 <30>), ergibt sich, daß gegen das Rechtshilfegesetz grundsätzliche Bedenken nicht bestehen.

23

Das Rechtshilfegesetz berücksichtigt, daß Gesetzgebung und Rechtsprechung in der Deutschen Demokratischen Republik andere Wege als in der Bundesrepublik Deutschland gegangen sind. Sie beruhen auf politischen und weltanschaulichen Grundlagen, die zu der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes, die alle staatliche Gewalt mit unmittelbarer Wirkung an die Grundrechte bindet, weithin in Widerspruch stehen. Diese Verschiedenheit zwischen beiden Rechtsordnungen legt der innerdeutschen Rechts- und Amtshilfe besonders in Strafsachen von Verfassungs wegen Beschränkungen auf, denen das Rechtshilfegesetz in seinem § 2 Rechnung trägt. Daher darf Rechts- oder Amtshilfe nur geleistet werden, wenn ihre Gewährung dem Zweck eines Bundesgesetzes nicht widerspricht. Sie ist ferner nur dann zulässig, wenn keine Bedenken gegen die Annahme bestehen, daß von ihr nur in Einklang mit rechtsstaatlichen Grundsätzen Gebrauch gemacht wird und nicht anzunehmen ist, daß dem Betroffenen aus der Gewährung von Rechts- oder Amtshilfe erhebliche mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbarende Nachteile erwachsen.

24

Bei der Auslegung des Begriffs "rechtsstaatliche Grundsätze" im Sinne dieser Vorschrift ist zu berücksichtigen, daß das Grundgesetz eine wertgebundene Ordnung ist, die den Schutz von Freiheit und Menschenwürde als den obersten Zweck allen Rechts erkennt (BVerfGE_12,45 <51>). Sie sieht in den Grundrechten auch objektive Normen, die ein Wertsystem statuieren, das als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung beansprucht (BVerfGE_21,362 <372>). Für sie ist das Wesen des Rechtsstaates eng mit der Idee der Gerechtigkeit verknüpft (vgl. BVerfGE 21, 378 [388

25

Das Rechtshilfegesetz ist im Blick auf die Grundrechte des Betroffenen insbesondere aus Art.1 und 2 GG sowie auf den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit, die in die "einfachen Gesetze" hineinwirken, ferner dahin auszulegen, daß die Zulieferung für ein Strafverfahren in der Deutschen Demokratischen Republik auch dann nicht in Betracht kommt, wenn aus sachverständiger Sicht Grund zu der Annahme besteht, daß diese Maßnahme wegen der psychischen Verfassung des Betroffenen mit schwerwiegenden gesundheitlichen Schäden oder mit der Gefahr der Selbsttötung verbunden sein könnte.

26

Nur wenn es außerhalb jedes vernünftigen Zweifels steht, daß alle diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine Zulieferung mit dem ordre public der Bundesrepublik Deutschland zu vereinbaren.

27

Zweifel an einem rechtsstaatsmäßigen Gebrauch der Rechts- und Amtshilfe sind von vornherein nicht von der Hand zu weisen, wenn nach Lage des Falles nicht sicher ausgeschlossen werden kann, daß auch unausgesprochen politische Ziele für die Strafverfolgung in der Deutschen Demokratischen Republik maßgebend sind und der Betroffene als politisch Andersdenkender oder auch nur als vermeintlicher Gegner des herrschenden Regimes der Deutschen Demokratischen Republik aus diesem Grund ungerechtfertigte Nachteile erleiden könnte. Das wird nicht selten bei sogenannten Republikflüchtigen gelten.

28

Alle Deutschen im Sinne des Grundgesetzes (Art.116), die sich im Schutzbereich der staatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland einschließlich des Landes Berlin aufhalten, also nicht nur die Bürger der Bundesrepublik Deutschland, stehen unter dem Schutz des Grundgesetzes, wie ihn das Rechtshilfegesetz in der vorstehend beschriebenen Auslegung gewährleistet (BVerfGE_36,1 <30 f>)."

 

Auszug aus BVerfG B, 27.03.74, - 2_BvR_38/74 -, www.dfr/BVerfGE,  Abs.21 ff

§§§

74.008 Bonus-Malus-Regelung
 
  1. BVerfG,     B, 03.04.74,     – 1_BvR_282/73 –

  2. BVerfGE_37,104 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.12 Abs.1; GG_Art.3 Abs.1, GG_Art.20 Abs.1; StV-StuP_§_11 Abs.8

 

Das Recht auf Zulassung zum Hochschulstudium wird unter den derzeitigen Gegebenheiten nicht dadurch verletzt, daß bei der Auswahl der Bewerber für überfüllte Studiengänge die Durchschnittsnoten der Reifezeugnisse um einen "malus" verschlechtert werden, wenn die Durchschnittsnote des Landes, in dem der Bewerber seine Reifeprüfung abgelegt hat, die Gesamtdurchschnittsnote aller Länder überschreitet (Art.11 Abs.8 des Staatsvertrages über die Vergabe von Studienplätzen).

§§§

74.009 Vergleichsmiete
 
  1. BVerfG,     B, 23.04.74,     – 1_BvR_6/74 –

  2. BVerfGE_37,132 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.14 Abs.1 S.2; WoRKSchG_§_3 Abs.1

 

1) Im Rahmen des Art.14 Abs.1 Satz 2 GG muß der Gesetzgeber auch im Bereich des bürgerlichen Rechts - hier bei zwingenden Vorschriften des Mietrechts - der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums und dem Gebot sozialgerechter Nutzung gleichermaßen Rechnung tragen.

 

2) Rechtsstaatliche Grundsätze gebieten, mietpreisrechtliche Vorschriften nach Inhalt und Voraussetzungen so zu gestalten, daß Vermieter und Mieter in der Lage sind, in zumutbarer Weise die gesetzlich zulässige Miete zu ermitteln.

 

3) Der Ausschluß der Änderungskündigung sowie die Begrenzung der Mietpreise bei laufenden Mietverhältnissen auf die ortsübliche Vergleichsmiete nach Art.1 § 1 Abs.4 und § 3 Abs.1 des Gesetzes über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum vom 25.November 1971 (BGBl_I_71,1839) sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

4) Es widerspricht der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie des Art.14 Abs.1 Satz 1 GG, wenn der Richter die verfahrensrechtlichen Vorschriften des Wohnraumkündigungsschutzgesetzes (Art.1 § 3 Abs.2 und 3) so handhabt, daß der Vermieter eine gesetzlich zulässige Mieterhöhung nicht mehr durchsetzen kann.

§§§

74.010 Vorläufige Dienstenthebung
 
  1. BVerfG,     U, 07.05.74,     – 2_BvR_276/71 –

  2. BVerfGE_37,167

  3. GG_Art.3 Abs.1, GG_Art.33 Abs.5; BDO_§_92, BDO_§_96 Abs.2 + 3

 

LB 1) Die in § 96 Abs.3 BDO vorgesehene Anrechnungsregelung verletzt nicht den Kernbestand des Anspruchs auf einen angemessenen Unterhalt, der durch Art.33 Abs.5 grundrechtsgleich wie das Eigentum nach Art.14 GG gesichert ist (BVerfGE_21,329 <344 f> und Hinweis auf BVerfGE_16,94 <112 f, 115>).

 

LB 2) Aus der Tatsache es bisher keine Anrechnungsregelung, wie sie § 96 Abs.3 BDO vorsieht gab, kann nicht hergeleitet werden, daß es einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Art.33 Abs.5 GG gäbe, der eine Anrechnung von Nebeneinkommen schlechthin verbietet.

 

LB 3) Der Gesetzgeber durfte die im überkommenen Beamtendisziplinarrecht sichtbar gewordene Lücke durch eine an den allgemeinen Strukturprinzipien des Berufsbeamtentums orientierte Neuregelung schließen (vgl BVerfGE_7,155 <162>).

 

LB 4) Eine mit Art.3 Abs.1 GG unvereinbare Diskriminierung des Beschwerdeführers liegt nicht darin, daß § 96 Abs.BDO nur die Anrechnung von Einkünften aus einer genehmigungspflichtigen Nebenstätigkeit ( § 65 Bundesbeamtengesetz BBG -) vorsieht und dadurch diejenigen Beamten finanziell begünstigt, si sich einer nicht genehmigungspflichtigen Nebentätigkeit ( § 66 BBG zuwenden. § 96 Abs.3 BDO findet seine Rechtfertigung an Art.3Abs.1 GG ua in der Zielsetzung, Gleichheit zwischen dem suspendierten Beamten und seinen stets pflichttreuen Kollgen herzustellen.

 

LB 5) Zur abweichenden Meinung des Richters Martin Hirsch, siehe BVerfGE_37,186 ff.

§§§

74.011
 
  1. BVerfG,     B, 08.05.74,     – 2_BvR_636/72 –

  2. BVerfGE_37,201

  3. GG_Art.

 

LB 1) Die Verfassungsbeschwerde betreffen im wesentlichen die Frage, ob die Verurteilung der Beschwerdeführer wegen Mineralölsteuerhinterziehung auf Vorschriften beruht, die dem Verfassungsgebot genügen, daß die Strafbarkeit einer Tat gesetzlich bestimmt sein muß (Art.103 Abs.2 GG)

 

LB 2) Zur abweichenen Meinung Seuffert und Hirsch, siehe BVerfGE_37,213 ff.

§§§

74.012 Abkömmlinge
 
  1. BVerfG,     B, 21.05.74,     – 1_BvL_22/71 –

  2. BVerfGE_37,217 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.3 Abs.2; RuStG_§_4 Abs.1

 

1) Es ist mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Männern und Frauen (Art.3 Abs.2 GG) nicht vereinbar, daß nach § 4 Abs.1 Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz das eheliche Kind eines deutschen Vaters und einer ausländischen Mutter stets die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt, das eheliche Kind ein deutschen Mutter und eines ausländischen Vaters aber nur dann, wenn es sonst staatenlos sein würde.

 

2) Der Gesetzgeber ist verpflichtet, allen seit dem 1.April 1953 geborenen ehelichen Kindern deutscher Mütter, die bisher vom Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt ausgeschlossen waren, einen Weg zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu eröffnen.

 

3) Stellt das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit einer Norm fest, so darf die Norm - ebenso wie im Falle der Nichtigerklärung - vom Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an in dem sich aus dem Tenor der Entscheidung ergebenden Ausmaß nicht mehr angewandt werden.

* * *

Beschuss

Entscheidungsformel:

1. § 4 Absatz 1 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22.Juli 1913 (Reichsgesetzbl.S.583), ergänzt durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 19.Dezember 1963 (Bundesgesetzbl.I S.982), ist mit Artikel 3 Absatz 1 sowie mit Artikel 3 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit danach das eheliche Kind einer deutschen Mutter und eines ausländischen Vaters die deutsche Staatsangehörigkeit nicht unter den gleichen Voraussetzungen erwirbt wie das eheliche Kind eines deutschen Vaters und einer ausländischen Mutter.

2. Soweit nach der in 1. genannten Regelung eheliche Kinder mit nur einem deutschen Elternteil durch die Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben, gilt dies bis zu einer neuen gesetzlichen Regelung weiter.

§§§

74.013 Solange I
 
  1. BVerfG,     B, 29.05.74,     – BvL_52/71 –

  2. BVerfGE_37,271 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.12, GG_Art.2 Abs.1, GG_Art.24 Abs.1; EWGV_Art.177

 

Solange der Integrationsprozeß der Gemeinschaft nicht so weit fortgeschritten ist, daß das Gemeinschaftsrecht auch einen von einem Parlament beschlossenen und in Geltung stehenden formulierten Katalog von Grundrechten enthält, der dem Grundrechtskatalog des Grundgesetzes adäquat ist, ist nach Einholung der in Art.177 EWGV geforderten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes die Vorlage eines Gerichts der Bundesrepublik Deutschland an das Bundesverfassungsgericht im Normenkontrollverfahren zulässig und geboten, wenn das Gericht die für es entscheidungserhebliche Vorschrift des Gemeinschaftsrechts in der vom Europäischen Gerichtshof gegebenen Auslegung für unanwendbar hält, weil und soweit sie mit einem der Grundrechte des Grundgesetzes kollidiert.

 

LB 2) Zur abweichenden Meinung der Richter Dr Rupp, Hirsch und Wand, siehe BVerfGE_37,291 ff = www.dfr/BVerfGE, Abs.68 ff.

* * *

Beschuss

Entscheidungsformel:

Der Anwendung des Artikels 12 Absatz 1 Unterabsatz 3 der Verordnung Nr.120/67/EWG des rates vom 13.Juni 1967 und des Artikels 9 der Verordnung Nr.473/67/EWG der Kommission vom 21.August 1967 in der Auslegung, die sich durch den Europäischen Gerichtshof erhalten haben, durch Behörden und Gerichte der Bundesrepublik Deutschland steht ein Grundrecht des Grundgesetzes nicht entgegen.

§§§

74.014 Fachhochschule-private
 
  1. BVerfG,     B, 11.06.74,     – 1_BvR_82/71 –

  2. BVerfGE_37,314

  3. GG_Art.7 Abs.4 S.1; SVerf_Art.33 Abs.1; WRV_Art.144 bis WRV_Art.149; FHG_§_31 Abs.1

 

Art.7 Abs.4 Satz 1 GG gewährleistet nicht das Recht zur Errichtung von privaten Fachhochschulen.

T-74-03

LB 2) Zum Begriff Schulwesen iSd Art.7 GG.

S.322

LB 3) Aus Art.33 Abs.1 SVerf folgt, daß das Hochschulwesen als staatliche Angelegenheit anzusehen ist.

* * *

Beschuss

Entscheidungsformel:

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

* * *

T-74-03Schulwesen

S.320

"... Zum "Schulwesen" im Sinne dieser Verfassungsbestimmung (§ 7 GG) rechnen nicht die Hochschulen (vgl Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, Art.7, Rdnr.9; Hamann/Lenz, Grundgesetz, 3.Auflage, Art.7, Anm.B1; Heckel aaO S.44). Diese Auffassung findet ihre Stütze vor allem darin, daß in Art.7 GG im wesentlichen nur die Schulrechtsnormen augenommen worden sind, die - vile ausführlicher - in den Art.144 bis 149 der Weimarer Reichsverfassung enthalten waren. Diese Bestimmung bezogen sich aber, soweit sie nicht ausdrücklich etwas anderes besagten, nicht auf die Hochschulen (vgl Landé, Die Schule in der Reichsverfassung, Berlin 1929, S.90). Für diese Auslegung sprechen auch die Verhandlungen zu Art.7 GG im Paralamentarischen Rat und in dessen Ausschüssen. Ein Antrag, der vorsah, daß Privatschulen "einschließlich privater Hoch- und Fachschulen" zuzulassen seien, wurde im Hauptausschuß abgelehnt (vgl HA, Verhandlungen S.249 und 263). Im übrigen bezogenen sich die Beratungen stets nur auf das Schulwesen, ohne daß der Hochschulbetrieb dabei erwähnt worden wäre (vgl JbÖffR, NF Bd.1, S.101 ff).

Die Fachhochschule des Saarlandes ist keine Schule im Sinne des Art.7 Abs.4 Satz 1 GG; sie ist vielmehr den Hochschulen im weitern Sinne (vgl Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S.298) zuzurechnen. Zwar fehlen für diesen Begriff, der den Kreis der wissentschaftlichen" Hochschulen erweitert, noch klare positive Kriterien. Jedoch läßt sich negativ gegenüber den schulischen Bildungseinrichtungen hinreichend deutlich abgrenzen. Für den Hochschulcharakter einer Institution sprechen in Anknüpfung an die überlieferte deutsche Hochschultradition ua selbständige Rechtspersönlichkeit, Akamdemische Selbstverwaltung, Satzungsbefugnis und Hochschulreife als Zulassungsvoraussetzungen. Alle diese Merkmale treffen auf die Fachhochschule des Saarlandes zu. Nach § 1 FHG ist sie eine selbständige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit dem Recht der Selbstverwaltung. Sie gibt sich eine eingene Hochschulsatzung (§ 3 Abs.3 FHG). Ihre Organe (Konzil, Senat, Rektor) entsprechen der Struktur einer Hochschule (vgl § 6 FHG). Die Fachhochschule gliedert sich in einzelne Fachbereiche (§ 5 FHG) mit besonderen Organen (§ 11 FHG). Den Dozenten stehen eigene Statusrechte zu § 13 ff FHG). Die Studentenschaft hat das Recht der Selbstverwaltung im Rahmen der Hochschule und ihrer Satzung (§ 19 FHG). Bei der Ernennung von Fachhochschullehrern ist die Fachhochschule beteiligt (§ 14 FHG). Zwar ist die Ausbildung an der Fachhochschule praxisbezogener als an einer herkömmlichen wissenschaftlichen Hochschule; jedoch ist es ihre Aufgabe, eine "auf wissenschaftlicher oder künstlerischer Grundlage beruhende Bildung" zu vermitteln (§ 2 Abs.1 FHG). Der Zugang zur Fachhochschule setzt grundsätzlich die Hochschulreife voraus. Die Fachhochschule des Saarlandes wurde schließlich durch § 1 Abs.1 des Gesetzes Nr.917 über die Hochschule des Saarlandes vom 29.04.70 (Amtsbl.70,510) in diese Hochschule integriert. Mögen danach der Fachhochschule des Saarlandes auch einige Eigenschaften fehlen, welche die wissenschaftlichen Hochschulen kennzeichnen (zB Einheit von Lehre und Forschung, Promotion- und Habilitationsrechte), so unterscheidet sich ihr Aufbau doch von der herkömmlichen Schulorganisation so grundlegend, daß jedenfalls nicht mehr von einer Schule im Sinne des Art.7 GG gesprochen werden kann. ..."

S.322

"... Gemäß Art.33 Abs.1 der Verfassung des Saarlandes vom 15.12.47 werden die Gründung und der Ausbau saarländischer Hochschulen angestrebt. Diese Verfassungsbestimmung läßt jedenfalls eine Regelung zu, die das Hochschulwesen entsprechend der deutschen Rechtstradition (vgl hierzu BVerfGE_35,79 (117) - Hochschulurteil) als Sache des Staates behandelt. ..."

 

Auszug aus BVerfG B, 11.06.74, - 1_BvR_82/71 -, BVerfGE_37,314,  S.320

§§§

74.015 Gasöl-Verwendungsgesetz
 
  1. BVerfG,     B, 25.06.74,     – 1_BvL_13/69 –

  2. BVerfGE_37,328 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.100 Abs.1; BVerfGG_§_80 Abs.2 S.1; Gasöl-Verwendungsgesetz-Landwirtsschaft

 

Zu den Anforderungen an die Gesetzesauslegung und Tatsachenfeststellung bei Vorlagebeschlüssen.

§§§

74.016 Flexible Altersgrenze
 
  1. BVerfG,     B, 25.06.74,     – 2_BvF_1/73 –

  2. BVerfGE_37,363 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.77 Abs.2, GG_Art.84 Abs.1; 4.RVÄndG

 

1) Nicht jedes Gesetz, das ein mit Zustimmung des Bundesrates ergangenes Gesetz ändert, ist allein aus diesem Grund zustimmungsbedürftig.

 

2) Wenn ein mit Zustimmung des Bundesrates ergangenes Gesetz durch ein Gesetz geändert wird, das selbst neue Vorschriften enthält, die ihrerseits die Zustimmungsbedürftigkeit auslösen, so ist das Änderungsgesetz zustimmungsbedürftig.

 

3) Ändert das Änderungsgesetz Regelungen, die die Zustimmungsbedürftigkeit ausgelöst haben, so bedarf es ebenfalls der Zustimmung des Bundesrates.

 

4) Enthält ein Zustimmungsgesetz sowohl materiell-rechtliche Regelungen als auch Vorschriften für das Verwaltungsverfahren der Landesverwaltung gemäß Art.84 Abs.1 GG, so ist ein dieses Gesetz änderndes Gesetz zustimmungsbedürftig, wenn durch die Änderung materiellrechtlicher Normen die nicht ausdrücklich geänderten Vorschriften über das Verwaltungsverfahren bei sinnorientierter Auslegung ihrerseits eine wesentlich andere Bedeutung und Tragweite erfahren.

 

LB 5) Zur abweichenden Meinung der Richter Dr v Schlabrendorff, Dr Geiger und Dr Rink, siehe BVerfGE_37,401 ff = www.dfr/BVerfGE, Abs.140 ff.

 

LB 5) Zur abweichenden Meinung des Richters Dr v Schlabrendorff, siehe BVerfGE_37,414 ff = www.dfr/BVerfGE, Abs.156 ff.

* * *

Beschuss

Entscheidungsformel:

Das Gesetz zur Änderung von Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherungen (Viertes Rentenversicherungs-Änderungsgesetz) vom 30.März 1973 (Bundesgesetzbl.I Seite 257) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

§§§

74.017 Richteramtsbezeichnung
 
  1. BVerfG,     B, 27.06.74,     – 2_BvR_429/72 –

  2. BVerfGE_38,1 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.3 Abs.1, GG_Art.33 Abs.5, GG_Art.74 Nr.1, GG_Art.98; DRiG_§_19a;

 

1) Das Recht der richterlichen Amtsbezeichnungen gehört zum Statusrecht des Richters. Die Zuständigkeit des Bundes zum Erlaß eines Gesetzes, das die Amtsbezeichnungen der Richter regelt, ergibt sich deshalb aus Art.98 GG.

 

2) Es gibt einen hergebrachten und zu beachtenden Grundsatz des Richteramtsrechts, demzufolge dem Richter eine angemessene Amtsbezeichnung gebührt. Angemessen ist eine Amtsbezeichnung nur, wenn sie über das dem Richter übertragene Amt hinsichtlich seines Ortes im Gefüge des Gerichtsaufbaus Aufschluß gibt, also wirklichkeitsgerecht ist, und wenn sie "anredefähig", dh auch im mündlichen Verkehr unverkürzt gebrauchsfähig ist.

 

3) Es besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der Stellung des Leiters eines Amtsgerichts und der der übrigen Richter dieses Gerichts, der es verbietet, für Leiter des Amtsgerichts und die übrigen Richter dieses Gerichts dieselbe Amtsbezeichnung zu wählen; außerdem ist die Stellung und Aufgabe der Leiter aller Amtsgerichte im wesentlichen so gleich, daß nicht für die zum Präsidenten eines Amtsgerichts ernannten Leiter die Amtsbezeichnung "Präsident des Amtsgerichts" beibehalten und für die Leiter eines Amtsgerichts, die nicht zum Präsident ernannt waren, die Amtsbezeichnung "Richter am Amtsgericht" eingeführt werden darf.

§§§

74.018 Deutsche National-Zeitung
 
  1. BVerfG,     B, 02.07.74,     – 2_BvA_1/69 –

  2. BVerfGE_38,23 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.18,

 

LB 1) Der Antrag der Bundesregierung dem Dr F als alleinigem Gesellschafter und Chefredaktuer herausgegebene Deutsche National-Zeitung das Grundrecht der freien Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit auf eine vom BVerfG festzusetzende Zeit für verwirkt zu erklären wurde als nicht hinreichend begründet zurückgewiesen.

 

LB 2) Art.18 GG dient der Abwehr von Gefahren, die der freiheitlich- demokratischen Grundordnung durch individuelle Betätigung drohen können. Er richtet sich gegen den Einzelnen, der kraft seiner Fähigkeiten und der ihm zur Verfügung stehenden Mittel eine um der Erhaltung der Verfassung willen zu bekämpfende Gefahr schafft (BVerfGE_25,44 <60>).

 

LB 3) Besteht diese Gefahr während des Verwirkungsverfahrens, so ist in aller Regel anzunehmen, daß von dem Antragsgegner auch in Zukunft eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgehen wird. Eine Gefährlichkeit in diesem Sinne darzutun, ist zunächst Sache des Antragstellers.

§§§

74.019 Leberpfennig
 
  1. BVerfG,     B, 17.07.74,     – 1_BvR_51/69 –

  2. BVerfGE_38,61 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.3 Abs.1, GG_Art.12 Abs.1, GG_Art.105 Abs.2; StGVStG_§_10 Abs.1

 

1) Zu den Voraussetzungen wirtschaftslenkender Steuergesetze (im Anschluß an BVerfGE_16,147 -- Werkfernverkehr -).

 

2) Die Sonderbesteuerung des Straßengüterverkehrs aufgrund des Gesetzes vom 28.Dezember 1968 (\'84Leberpfennig\'93) war mit dem Grundgesetz vereinbar.

§§§

74.020 Rechtsbeistand
 
  1. BVerfG,     B, 08.10.74,     – 2_BvR_747/73 –

  2. BVerfGE_38,105 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.2 Abs.1, GG_Art.12 Abs.1, GG_Art.20 Abs.1; BVerfGG_§_90 Abs.2 S.1

 

1) Der Ausschluß eines Rechtsbeistandes des Zeugen von der Zeugenvernehmung verstößt im allgemeinen gegen das im Rechtsstaatsprinzip enthaltene Prinzip enthaltene Recht auf ein faires Verfahren. Er ist nur dann mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar, wenn er unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots zur Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen, wirksamen Rechtspflege erforderlich ist.

 

2) Ist der Zeuge dazu berechtigt, einen Rechtsanwalt seiner Wahl als Rechtsbeistand hinzuzuziehen, kann dieser nur auf Grund gesetzlicher Regelung von der Vernehmung zurückgewiesen werden. Die Nichtöffentlichkeit des Verfahrens steht seiner Anwesenheit nicht entgegen.

§§§

74.021 Wehrdienstopfer
 
  1. BVerfG,     B, 05.11.74,     – 2_BvL_6/71 –

  2. BVerfGE_38,154 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.3 Abs.1, GG_Art.6 Abs.1, GG_Art.20 Abs.1; WPflG_§_11 Abs.2 Nr.1;

 

Die Notwendigkeit, Wehrgerechtigkeit im Inneren ebenso aufrechtzuerhalten wie Verteidigungsbereitschaft des grundrechtsgarantierenden Staatswesens nach außen, fordert eine enge und überschaubare, normative Ausgestaltung der Ausnahmen von der Wehrpflicht.

 

LB 2) Zur abweichenden Meinung der Richter Seuffert und Hirsch, siehe BVerfGE_38,171 ff = www.dfr/BVerfGE, Abs.

* * *

Beschuss

Entscheidungsformel:

§ 11 Absatz 2 Nr.1 des Wehrpflichtgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 8.Dezember 1972 (Bundesgesetzbl.I S.2277) ist mit dem Grundgesetz insoweit vereinbar, als er Wehrpflichtige, deren sämtliche Brüder an den Folgen einer Schädigung im Sinne des § 81 des Soldatenversorgungsgesetzes verstorben sind, nicht in den begünstigten Personenkreis einbezieht.

§§§

74.022 Rückenteignung
 
  1. BVerfG,     B, 12.11.74,     – 1_BvR_32/68 –

  2. BVerfGE_38,175 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.14

 

Aus der Eigentumsgarantie des Art.14 GG folgt ein Rückerwerbsrecht des früheren Grundstückseigentümers, wenn der Zweck der Enteignung nicht verwirklicht wird. Für die Realisierung dieses Anspruchs bedarf es nicht unbedingt einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage.

§§§

74.023 Ehelichkeitsanfechtung
 
  1. BVerfG,     B, 04.12.74,     – 1_BvL_14/73 –

  2. BVerfGE_38,241 = www.dfr/BVerfGE

  3. BGB_§_1594 Abs.1, BGB_§_1594 Abs.2; GG_Art.2 Abs.1, GG_Art.3 Abs.1, GG_Art.6 Abs.1, GG_Art.6 Abs.2, GG_Art.6 Abs.5;

 

Die zeitliche Beschränkung der Anfechtung der Ehelichkeit eines Kindes durch den Mann (§ 1594 Abs.1 und 2 BGB) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

* * *

Beschuss

Entscheidungsformel:

Die Regelung der Frist für die Anfechtung der Ehelichkeit eines Kindes durch den Mann in § 1594 Absatz 1 und Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften (Familienrechtsänderungsgesetz) vom 11. August 1961 (Bundesgesetzbl.I S.1221) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

§§§

74.024 Magistratsverfassung SH
 
  1. BVerfG,     U, 10.12.74,     – 2_BvK_1/73 –

  2. BVerfGE_38,258 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.73 Abs.2

 

§ 73 Abs.2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes bezieht sich nicht auf Verfahren der abstrakten Normenkontrolle.

§§§

74.025 Arbeitskammer
 
  1. BVerfG,     B, 18.12.74,     – 1_BvR_439/65 –

  2. BVerfGE_38,281 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.2 Abs.1, Art.9 Abs.1, GG_Art.74 Nr.12; SVerf_Art.59 Abs.1

 

Die Gesetze der Länder Bremen und Saarland über die Errichtung von Arbeitnehmerkammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Pflichtzugehörigkeit aller Arbeitnehmer sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

§§§

74.026 Immissionsschutzrecht
 
  1. BVerfG,     U, 18.12.74,     – 1_BvR_448/74 –

  2. ESGG_Art.14-1

  3. GG_Art.14, GG_Art.19 Abs.4

 

1) Das Eigentum ist durch das Grundgesetz nur in der Ausformung gewährleistet, die es durch die verfassungsmäßigen Gesetze erfahren hat. Hierzu gehören auch die Vorschriften des Immissionsschutzrechts und die Bestimmungen über den Rechtsschutz.

 

2) Die mit Widerspruch und verwaltungsgerichtlicher Klage grundsätzlich verbundene aufschiebende Wirkung ist ein Wesensmerkmal des in Art.19 Abs.4 GG gewährleisteten Rechtsschutzes.

§§§

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