2010 | ||
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[ 2009 ] [ ] [ ] [ 2011 ] | [ ] |
10.001 | Nicht erfolgte Beförderung | |
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LB 1) Der Schadensersatzanspruch als Sekundärrechtsschutz eines nicht berücksichtigten Beförderungsbewerbers wird nach der fachgerichtlichen Rechtsprechung unmittelbar aus dem Beamtenverhältnis hergeleitet. | ||
LB 2) Er sanktioniert die Nichterfüllung der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Bestenauslese durch den Dienstherrn und hat folgende tatbestandliche Voraussetzungen: (1) Verletzung der Pflicht zur Bestenauslese (Art.33 Abs.2 GG), (2) Verschulden des Dienstherrn/fehlendes Mitverschulden des Anspruchsinhabers und (3) Kausalität zwischen Pflichtverletzung und unterbliebener Beförderung. | ||
LB 3) Der Kausalitätsnachweis kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl BVerwGE_124,99 <108> mwN) nur gelingen, wenn sich im Nachhinein sagen lässt, dass sich die zuständige Behörde bei Vermeidung der Rechtsverletzung voraussichtlich gerade für diesen Bewerber entschieden hätte oder rechtlich zwingend hätte entscheiden müssen. | ||
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T-10-01 | Sekundärer Schadensersatzanspruch | |
"Der Beschwerdeführer, ein Oberregierungsrat (Besoldungsgruppe A 14 der BBesO) beim Bundesnachrichtendienst, machte erst- und letztinstanzlich vor dem Bundesverwaltungsgericht (§ 50 Abs.1 Nr.4 VwGO) vergeblich einen Schadensersatzanspruch wegen einer im Jahr 2003 nicht erfolgten Beförderung zum Regierungsdirektor (Besoldungsgruppe A 15 der BBesO) geltend. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer im Wesentlichen die Verletzung seines Bewerberverfahrensanspruchs aus Art.33 Abs.2 GG in Verbindung mit Art.19 Abs.4 GG. Rechts- und Verfahrensfehler bei der Bewerberauswahl müssten im Rahmen eines nachträglichen Schadensersatzanspruchs zu einer Absenkung der Anforderungen an die haftungsbegründende Kausalität führen. B. | ||
Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs.2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. I. | ||
Der Schadensersatzanspruch als Sekundärrechtsschutz eines nicht berücksichtigten Beförderungsbewerbers wird nach der fachgerichtlichen Rechtsprechung unmittelbar aus dem Beamtenverhältnis hergeleitet. Er sanktioniert die Nichterfüllung der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Bestenauslese durch den Dienstherrn und hat folgende tatbestandliche Voraussetzungen: (1) Verletzung der Pflicht zur Bestenauslese (Art.33 Abs.2 GG), (2) Verschulden des Dienstherrn/fehlendes Mitverschulden des Anspruchsinhabers und (3) Kausalität zwischen Pflichtverletzung und unterbliebener Beförderung. Der Kausalitätsnachweis kann - so die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl BVerwGE_124,99 <108> mwN; s auch Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 6.Aufl 2005, Rn.69 f mwN) - nur gelingen, wenn sich im Nachhinein sagen lässt, dass sich die zuständige Behörde bei Vermeidung der Rechtsverletzung voraussichtlich gerade für diesen Bewerber entschieden hätte oder rechtlich zwingend hätte entscheiden müssen. II. | ||
1. Bei der Prüfung der als verfassungswidrig gerügten Anwendung und Auslegung der - einfachrechtlichen - Tatbestandsvoraussetzungen des sekundären Schadensersatzanspruchs wegen unterbliebener Beförderung gilt zu beachten, dass dem Bundesverfassungsgericht keine umfassende Kontrolle der fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts obliegt. Nach den Grundsätzen der beschränkten verfassungsgerichtlichen Überprüfbarkeit fachgerichtlicher Entscheidungen (vgl BVerfGE_18,85 <92 f, 96>; BVerfGE_85,248 <257 f> ) sind die Auslegung und Anwendung des einfachen Gesetzesrechts Aufgabe der Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht weitgehend entzogen. Das Bundesverfassungsgericht überprüft - abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - nur, ob die fachgerichtlichen Entscheidungen Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung der einfachrechtlichen Normen die Tragweite des einschlägigen Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl BVerfGE_87,287 <323>; BVerfGE_106,28 <45>). 5 | ||
2. Auf der Grundlage dieses Prüfungsmaßstabes verstößt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts mit der Abweisung des - sekundären - Schadensersatzanspruchs nicht gegen den grundrechtsgleich aus Art.33 Abs.2 GG abgeleiteten und prozessual über Art.19 Abs.4 GG abgesicherten Bewerberverfahrensanspruch. | ||
a) In der Konkurrentenklage verleiht der beamtenrechtliche Leistungsgrundsatz aus Art.33 Abs.2 GG dem Beamten das Recht, eine dienstrechtliche Auswahlentscheidung dahingehend gerichtlich überprüfen zu lassen, ob der Dienstherr ermessens- und beurteilungsfehlerfrei über die Bewerbung entschieden hat (vgl BVerfGE_39,334 <354> ; BVerfGK_1,292 <295 f>). Der Gegenstand eines solchen Rechtsstreits ist damit regelmäßig nicht ein Anspruch auf Beförderung, sondern allein das dahinter zurückbleibende Recht auf fehlerfreie Entscheidung über die Bewerbung. Wird dieses subjektive Recht aus Art.33 Abs.2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt, folgt daraus, dass der unterlegene Beamte im Konkurrentenstreit eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung bereits dann beanspruchen kann, wenn seine Aussichten, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, offen sind, das heißt wenn seine Auswahl möglich erscheint (stRspr, vgl BVerfGK_9,1 <6>; BVerfG, Beschluss der 1.Kammer des Zweiten Senats vom 8.Oktober 2007 - 2_BvR_1846/07 -, NVwZ 2008, S.69 f). | ||
Demgegenüber geht das Bundesverwaltungsgericht entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung im hier streitigen Fall für den Sekundäranspruch davon aus, dass die schuldhafte Verletzung des Anspruchs eines Beamten auf leistungsgerechte Berücksichtigung bei der Besetzung eines Beförderungsamtes einen Schadensersatzanspruch nur dann auslöst, wenn der Rechtsverstoß adäquat kausal für die Nichtbeförderung war. Dies ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (nur) dann der Fall, wenn der Beamte bei Vermeidung des Rechtsverstoßes voraussichtlich ausgewählt und befördert worden wäre. Hierfür muss -so das Bundesverwaltungsgericht - festgestellt werden, welcher hypothetische Kausalverlauf bei rechtmäßigem Vorgehen des Dienstherrn voraussichtlich an die Stelle des tatsächlichen Verlaufs getreten wäre (BVerwGE_124,99 <108>). | ||
b) Diese grundsätzliche Differenzierung der Maßstäbe zur Kausalität (bloße Möglichkeit im Rahmen des Primärrechtsschutzes und Wahrscheinlichkeit im Rahmen des Sekundärrechtsschutzes) hält den verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art.33 Abs.2 GG stand. Mit Blick auf die wegen des Grundsatzes der Ämterstabilität grundsätzlich irreversible Beförderungsentscheidung ist der verschuldensunabhängige Primäranspruch bereits im Vorfeld dieser Entscheidung darauf gerichtet, solche Bewerbungsverfahren anzuhalten, in denen Verfahrensverstöße vorgefallen sind und in denen sich in der Person des jeweiligen Klägers eine mögliche Entscheidungsalternative eröffnet. Der Primärrechtsschutz in Gestalt des Konkurrentenstreits ermöglicht vor diesem Hintergrund eine frühzeitige Schadensbegrenzung beziehungsweise Risikominimierung auf einer gegebenenfalls noch unsicheren Entscheidungsgrundlage. Er zielt - außer in den eher seltenen Fällen einer Ermessensreduzierung auf Null - regelmäßig nicht unmittelbar darauf ab, dem unterlegenen Bewerber die streitige Beförderung zu verschaffen. | ||
Auf der anderen Seite ist der nachträgliche, verschuldensabhängige und aus dem Rechtskreis des Dienstverhältnisses (vgl BVerwGE_124,99 <101 f) entstammende Schadensersatzanspruch - dogmatisch bislang eher zurückhaltend konturiert - "prinzipiell dem Haftungsrecht" zuzuordnen (so BVerwGE_112,308 <310>), woraus er auch seine Anspruchsvoraussetzungen bezieht (Pflichtverstoß, Verschulden, Kausalität). Er verfolgt - vergleichbar mit einer positiven Vertragsverletzung im Arbeitsrecht - die Kompensation eines rechtswidrig und schuldhaft durch den Dienstherrn verursachten Schadens. Der grundrechtlich abgesicherte Bewerberverfahrensanspruch verlangt nicht, dass, abweichend von sonst geltenden haftungsrechtlichen Grundsätzen, ein Schadensersatzanspruch im Falle seiner Verletzung unabhängig von adäquater Kausalität der Verletzung für den Schaden eingeräumt wird. | ||
c) Dementsprechend gebietet Art.33 Abs.2 GG nicht, aufgrund der vom Bundesverwaltungsgericht im Beförderungsverfahren festgestellten Verstöße gegen den Bewerberverfahrensanspruch, die Anforderungen an die Feststellung der Kausalität im anschließenden Schadensersatzverfahren von der "Wahrscheinlichkeit seiner Beförderung" auf die bloße "Möglichkeit seiner Beförderung" abzusenken. | ||
Soweit der Beschwerdeführer diesbezüglich insbesondere auf eine Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts verweist (BVerfGK_11,398), wird dort kein tragender Rechtssatz aufgestellt, wonach Verstöße des Dienstherrn im Bewerbungs- beziehungsweise Beförderungsverfahren im Rahmen des Sekundärrechtsschutzes automatisch zu einer Sanktionierung führen müssten. Denn die Kammerentscheidung betrifft ausschließlich den Primärrechtsschutz und enthält gerade keine Hinweise auf Konsequenzen für den Sekundärrechtsschutz. | ||
Auszug aus BVerfG B, 13.01.10, - 2_BvR_811/09 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.1 ff | ||
§§§ |
10.002 | Kommunales Hebesatzrecht | |
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Zur Gewährleistung des kommunalen Hebesatzrechts in Art.28 Abs.2 Satz 3 GG und Art.106 Abs.6 Satz 2 GG. | ||
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T-10-02 | Hebesatzrecht + Selbstverwaltungsgarantie | |
"Die Bestimmungen des § 1 und des § 16 Abs.4 Satz 2 GewStG in der Fassung des Art.2 Nr.1 und Nr. 5 des Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes und anderer Gesetze vom 23.Dezember 2003 (BGBl I S.2922) sind mit dem Grundgesetz vereinbar. I. | ||
Die angegriffenen Regelungen sind durch die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art.105 Abs.2 in Verbindung mit Art.72 Abs.2 GG gedeckt. | ||
1. a) Dem Bund steht hier das Recht zur Gesetzgebung nur zu, wenn die Voraussetzungen des Art.72 Abs.2 GG erfüllt sind, weil dem Bund das Aufkommen der Gewerbesteuer trotz der Gewerbesteuerumlage weder ganz noch zum Teil originär zusteht (Art.105 Abs.2 GG). Die verfassungsgerichtliche Kontrolle, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art.72 Abs.2 GG vorliegen, geht über eine bloße Vertretbarkeitskontrolle hinaus ( BVerfGE_106,62 <148>). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art.72 Abs.2 GG dürfen nicht allein am Gesetzesziel überprüft werden, vielmehr muss die Kompetenz auch nach den tatsächlichen Auswirkungen des Gesetzes, soweit sie erkennbar und vorab abschätzbar sind, beurteilt werden. Hierbei genügt es, wenn mit Hilfe des Gesetzes der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. | ||
Grundsätzlich gebührt bei gleicher Eignung von Regelungen zur Erfüllung der grundgesetzlichen Zielvorgaben den Ländern der Vorrang (Art.30, Art.70 GG). Erforderlich im Sinne des Art.72 Abs.2 GG ist eine bundesgesetzliche Regelung nur insoweit, als ohne sie die dort genannten und vom Gesetzgeber für sein Tätigwerden im konkret zu regelnden Bereich in Anspruch genommenen Zielvorgaben nicht oder nicht hinlänglich verwirklicht werden. Der Bund hat kein Recht zur Gesetzgebung, wenn landesrechtliche Regelungen zum Schutz der in Art.72 Abs.2 GG genannten gesamtstaatlichen Rechtsgüter ausreichen; dabei genügt allerdings nicht jede theoretische Handlungsmöglichkeit der Länder, gleich lautende Ländergesetze zu erlassen. Sinn der föderalen Verfassungssystematik ist es, den Ländern eigenständige Kompetenzräume für partikular-differenzierte Regelungen zu eröffnen ( BVerfGE_106,62 <150>; BVerfGE_111,226 <254>). | ||
Bei der Beurteilung, ob die Rechtfertigungsgründe nach Art.72 Abs.2 GG vorliegen, steht dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zu. Dieser Entscheidungsraum des Gesetzgebers, der sachbereichsbezogen im Wege einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln ist, kann verfassungsgerichtlich auf seine methodischen Grundlagen und seine Schlüssigkeit hin überprüft werden (vgl BVerfGE_106,62 <150 ff>; BVerfGE_111,226 <255>). 55 | ||
b) Die Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art.72 Abs.2 GG erstreckt sich zunächst auf die Frage, ob dem Bundesgesetzgeber überhaupt das Gesetzgebungsrecht für den zu regelnden Sachbereich zusteht ("wenn . erforderlich"), aber auch ("und soweit . erforderlich") auf das Ausmaß der Regelungsbefugnis des Bundes (vgl BVerfGE_106,62 <149> ); insoweit gelten die allgemeinen Vorgaben auch für die Steuergesetzgebungskompetenzen nach Art.105 Abs.2 GG in Verbindung mit Art.72 Abs.2 GG (Seer/Drüen, in: Kluth, Föderalismusreformgesetz, 2007, Art.105 Rn.4 f.; Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.3, 5.Aufl 2005, Art.105 Rn.47; Siekmann, in: Sachs, GG, 5.Aufl 2009, Art.105 Rn.21 ff; Korte, Die konkurrierende Steuergesetzgebung des Bundes im Bereich der Finanzverfassung, 2008, S.65; Waldhoff, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Steuergesetzgebung im Vergleich Deutschland - Schweiz, 1997, S.49 f; Vogel/Walter, in: Bonner Kommentar, Bd.13, Art.105 Rn.81 | ||
2. Der Bundesgesetzgeber war gemäß Art.105 Abs.2 GG in Verbindung mit Art.72 Abs.2 GG befugt, die Gemeinden zur Erhebung der Gewerbesteuer zu verpflichten und einen Mindesthebesatz festzulegen (§ 1 und § 16 Abs.4 Satz 2 GewStG). Die Regelung ist zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich. | ||
a) Die Gesichtspunkte der Wahrung der Rechts- und der Wirtschaftseinheit können sich überschneiden, weisen aber unterschiedliche Schwerpunkte auf (vgl BVerfGE_106,62 <146> ). Während die Wahrung der Rechtseinheit in erster Linie auf die Vermeidung einer Rechtszersplitterung mit problematischen Folgen zielt, die im Interesse sowohl des Bundes als auch der Länder nicht hingenommen werden kann (vgl BVerfGE_106,62 <145> ), geht es bei der Wahrung der Wirtschaftseinheit im Schwerpunkt darum, Schranken und Hindernisse für den wirtschaftlichen Verkehr im Bundesgebiet zu beseitigen (vgl BVerfGE_106,62 <146 f> ). Mit den angegriffenen Bestimmungen wird das Ziel verfolgt, so genannte Steueroasen zu vermeiden und Ausfälle bei der Gewerbesteuerumlage zu verhindern (im Einzelnen dazu unten b). Damit geht es sowohl um die Wahrung der Rechts- wie der Wirtschaftseinheit. | ||
b) Der Bundesgesetzgeber durfte die angegriffenen Vorschriften im gesamtstaatlichen Interesse zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit für erforderlich halten. | ||
Den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass es dem Gesetzgeber darum ging, zu verhindern, dass sich einzelne Gemeinden durch Verzicht auf die Festlegung eines Hebesatzes und den damit verbundenen vollständigen Verzicht auf die Steuererhebung übermäßige Standortvorteile verschaffen, damit über Landesgrenzen hinweg rein steuermotivierte Wanderungsbewegungen auslösen und auf diese Weise - auch angesichts der angespannten Situation der öffentlichen Haushalte - schädigende Wirkungen für die betroffenen anderen Gemeinden sowie für Bund und Länder auslösen (vgl BTDrucks 15/481, S.16, zu den Zielsetzungen des früheren § 8a GewStG, an denen der Gesetzgeber auch mit der hier angegriffenen Neuregelung festgehalten hat, vgl BTDrucks 15/1517, S.18, 19). Die Festlegung eines Mindesthebesatzes dient der Abwehr von Missbräuchen, die problematische Folgen für die finanzverfassungsrechtliche Ordnung aufgrund der Rechtszersplitterung herbeiführen. Durch die unbegrenzte Absenkung des Hebesatzes bis zum völligen Verzicht können sich Notwendigkeiten und Möglichkeiten anderer Finanzierung, die außerhalb des finanzverfassungsrechtlichen Verteilungssystems für Steuern stehen, ergeben. Der kommunale Verzicht auf Steuern, an deren Aufkommen auch andere Körperschaften beteiligt sind, wirkt sich dort haushaltswirtschaftlich negativ aus, ohne dass ein entsprechender Anteil am Aufkommen der alternativen Finanzierungsinstrumente geleistet würde. So können Gemeinden - wie das Beispiel der Beschwerdeführerin zu I. zeigt - für den Steuerverzicht einen "Standortentwicklungsbeitrag" erheben oder als Gegenleistung besonders hohe Mietzahlungen für Büroflächen vereinbaren (vgl BTDrucks 15/481, aaO). Die mittelbaren Auswirkungen für den Bundeshaushalt hat das Bundesministerium der Finanzen für die Bundesregierung im vorliegenden Verfahren am Beispiel einer Gemeinde in Schleswig-Holstein illustriert. Für das Jahr 1995 wurde festgestellt, dass dem Bund über die Gewerbesteuerumlage durch die Ansiedlung einer Vielzahl von Gewerbebetrieben allein in dieser Gemeinde ein Verlust in Höhe von 1,5 Mio. DM entstanden sei. Die Entstehung von entsprechend problematischen Steueroasen sei auch anhand der lediglich 40 Einwohner umfassenden schleswig-holsteinischen Gemeinde belegt, in der sich bis 2001 280 Kapitalgesellschaften, 122 Personengesellschaften, 19 Einzelunternehmen und acht Grundstücksgemeinschaften angemeldet hätten. | ||
Unterschiedliche Steuerbelastungen können zu wirtschaftlich unsinnigen, rein steuermotivierten Wanderungsbewegungen von Unternehmen aufgrund des Verzichts auf die Erhebung der Gewerbesteuer führen. Dies zeigt sich bereits an der Ansiedlung von zahlreichen Unternehmen im Gemeindegebiet der beiden Beschwerdeführerinnen. Der Wegzug dieser Unternehmen aus anderen Gemeinden führt dort zu Ausfällen beim Gewerbesteueraufkommen. Diesen durch die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Gemeinden induzierten, auch die Landesgrenzen überschreitenden Abwanderungserscheinungen ist wirksam nur mit einer bundesgesetzlichen Regelung zu begegnen (im Ergebnis ebenso Hey, in: Festschrift für Hermann Otto Solms, 2005, S.35 <41>). | ||
Der Umstand, dass Art.28 Abs.2 Satz 3 GG den Gemeinden eine wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle mit Hebesatzrecht gewährleistet und Art.106 Abs.6 Satz 2 GG ihnen das Recht zur Festlegung des Gewerbesteuerhebesatzes im Rahmen der Gesetze zusichert, steht der Annahme, dass die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung der Mindesthebesätze für die Gewerbesteuer erfordern kann, nicht entgegen. Zwar gewährleistet die verfassungsrechtliche Garantie des kommunalen Hebesatzrechts gerade auch die Möglichkeit der Festlegung unterschiedlicher Sätze (vgl Selmer/Hummel, NVwZ 2006, S.14 <16>). Sie verbietet damit jedenfalls eine volle Vereinheitlichung durch Bundesgesetz. Das schließt aber nicht aus, dass im gesamtstaatlichen Interesse eine Begrenzung des Maßes der zulässigen Unterschiede erforderlich sein kann. Die Erfordernisse der Rechts- und Wirtschaftseinheit können sich auch auf eine Vereinheitlichung in begrenztem Ausmaß - wie zum Beispiel auf den bloßen Ausschluss "grundlegend" unterschiedlicher Regelungen (vgl BVerfGE_106,62 <146>) - beziehen. | ||
Die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines gemeindlichen Hebesatzrechts durch Art.28 Abs.2 Satz 3 und Art.106 Abs.6 Satz 2 GG eröffnet allerdings zugleich die Möglichkeit eines Steuerwettbewerbs, mit dem Einfluss auf Ansiedlungsentscheidungen genommen werden kann. Das schließt jedoch nicht aus, die Tatbestandsvoraussetzungen des Art.72 Abs.2 GG zu bejahen. Ob und inwieweit das Grundgesetz es den Gemeinden gestattet, über das Hebesatzrecht einen möglicherweise gemeinwohlschädlichen Standortwettbewerb auszutragen, ist eine Frage des materiellen Verfassungsrechts. Soweit das materielle Verfassungsrecht einschränkende Regelungen zulässt (dazu unter II.), ist diesem Umstand auch im Rahmen der Anwendung des Art.72 Abs.2 GG Rechnung zu tragen. II. | ||
Die angegriffenen Vorschriften verstoßen nicht gegen Art.28 Abs.2 GG in Verbindung mit Art.106 Abs.6 GG. | ||
1. Art.106 Abs.6 Satz 2 GG ist geeignet, das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen. Diese Bestimmung kann daher (vgl BVerfGE_1,167 <181>; BVerfGE_56,298 <310>; BVerfGE_71,25 <37> ) im Rahmen einer Kommunalverfassungsbeschwerde als Prüfungsmaßstab herangezogen werden (vgl Löwer, in: Isensee/Kirchhof, HStR III, 3.Aufl 2005, § 70 Rn.78; Püttner, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 3.Aufl 2008, § 144 Rn.21; Jochum, StB 2005, S.254 <257>; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 91 Rn.60 | ||
2. Die im Grundgesetz zunächst als Bestandteil der allgemeinen Selbstverwaltungsgarantie (Art.28 Abs.2 Satz 1 GG) gewährleistete kommunale Finanzhoheit (a) ist durch Art. 106 Abs.6 GG (b) und sodann durch Art.28 Abs.2 Satz 3 (c) konstitutiv verstärkt worden. | ||
a) Art.28 Abs.2 Satz 1 GG garantiert die kommunale Selbstverwaltung. Der einfache Gesetzgeber darf dieses Recht nicht aufheben und die Selbstverwaltung nicht derart einschränken, dass sie innerlich ausgehöhlt wird (vgl BVerfGE_1,167 <175>). | ||
Schon vor der Einführung des Art.28 Abs.2 Satz 3 GG war die Finanzhoheit, die jedenfalls das Recht zu eigenverantwortlicher Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft umfasst, Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (vgl BVerfGE_26,228 <244> ). Zu ihr gehört unter anderem die Steuer- und Abgabenhoheit, die den Gemeinden erlaubt, ihre Einwohner aus eigenem Recht zu den aus der Aufgabenerfüllung resultierenden Lasten heranzuziehen (vgl Pünder/Waldhoff, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 1 Rn.10; Schmitt, Inhalt, verfassungsrechtliche Stellung und Bedeutungsgehalt der kommunalen Finanzhoheit, 1995, S.54; Henneke, Jura 1986, S.568 <570>; vgl auch Bonk, FR 1999, S.443 <447>). Finanzzuweisungen und die Beteiligung an den Landessteuern dürfen nicht die einzigen kommunalen Einnahmequellen sein (vgl Henneke, Jura 1986, S.568 <570>). Den Gemeinden sind damit eigene Finanzierungsquellen, auch in der Form eigenverantwortlich auszuschöpfender Steuerquellen, gesichert. Aus Art.28 Abs.2 GG folgt allerdings über das in Satz 3 der Vorschrift Gewährleistete hinaus keine bestimmte Ausgestaltung des kommunalen Einnahmesystems. | ||
b) Art.106 Abs.6 Satz 2 GG, der seit 1969 den Gemeinden das Recht zusichert, die Hebesätze der Realsteuern - nach heutigem Normtext: der Grundsteuer und der Gewerbesteuer - im Rahmen der Gesetze festzusetzen, verstärkt bereichsbezogen den Inhalt der von Art.28 Abs.2 GG bereits zum damaligen Zeitpunkt gewährleisteten Finanzautonomie. Während das Grundgesetz zuvor keine Regelungen zur Aufkommenszuständigkeit der Gemeinden enthielt, so dass zwar nicht der Bund, wohl aber die Länder die Aufkommenszuständigkeit der Gemeinden für die Gewerbesteuer abändern konnten (vgl. näher Zitzelsberger, Grundlagen der Gewerbesteuer, 1990, S.222) und auch ein Hebesatzrecht der Gemeinden nicht gewährleistet war, sollte mit der Einführung des Art.106 Abs.6 Satz 2 GG sichergestellt werden, dass "das Hebesatzrecht für die Realsteuern den Gemeinden weder vom Bund noch vom Land genommen werden" kann (BTDrucks V/2861, S.47, Nr.250; zur konstitutiven Bedeutung der Bestimmung auch Schnorr, Das Hebesatzrecht der Gemeinden, 1973, S.83 ff.; Zitzelsberger, Grundlagen der Gewerbesteuer, 1990, S.222 f.). In der verfassungsrechtlichen Festschreibung des Rechts zur Festsetzung der Hebesätze bei den wichtigsten Gemeindesteuern sah der verfassungsändernde Gesetzgeber die Sicherung des für eine eigenverantwortliche Selbstverwaltung unentbehrlichen Spannungsverhältnisses zwischen dem Streben nach einem möglichst hohen Niveau der öffentlichen Leistungen und einer möglichst niedrigen Steuerbelastung (vgl BTDrucks V/2861, S.39, Nr.183). | ||
c) In zwei weiteren Schritten wurde in der Folgezeit die durch Art.28 Abs.2 Satz 1 GG gewährleistete Finanzhoheit der Gemeinden in Art.28 Abs.2 Satz 3 GG nochmals ausdrücklich und spezieller geregelt (vgl Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art.28 Rn.84a | ||
Mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27.Oktober 1994 (BGBl I S.3146) wurde zunächst der jetzige Halbsatz 1 des Art.28 Abs.2 Satz 3 GG eingeführt. Auf dem Hintergrund gewachsener Belastungen der Gemeinden bei der Erfüllung ihrer vielfältigen staatlichen Aufgaben sollte - ohne konstitutive Neuerung - klargestellt werden, dass die finanzielle Eigenverantwortung zum Recht auf kommunale Selbstverwaltung gehört (vgl. Abschlussbericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BTDrucks 12/6000, S.46; vgl auch Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art.28 Rn.84a | ||
Das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 20.Oktober 1997 (BGBl I S.2470) verankerte mit dem 2.Halbsatz des Art.28 Abs.2 Satz 3 GG das Recht der Gemeinden auf eine mit Hebesatzrecht versehene wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle im Grundgesetz. Diese Gewährleistung war von den Gemeinden als Kompensation für die gleichzeitige Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer (durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.Oktober 1997 | ||
Zugleich mit der Einführung des Art.28 Abs.2 Satz 3, 2.Halbsatz GG wurde den Gemeinden durch die Änderung von Art.106 Abs.3 Satz 1 und Abs.5a GG ein Anteil an dem Aufkommen der Umsatzsteuer zugewiesen sowie der bisherige Wortlaut des Art.106 Abs.6 Satz 2 GG, der den Gemeinden das "Aufkommen der Realsteuern" zusprach, dahingehend präzisiert, dass den Gemeinden das "Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer" zusteht. | ||
3. Art.28 Abs.2 Satz 3 und Art.106 Abs.6 Satz 2 GG gewährleisten nicht, dass den Gemeinden das Recht zur Festsetzung des Hebesatzes der Gewerbesteuer ohne gesetzliche Einschränkungen eingeräumt wird. | ||
a) Dem Wortlaut des Art.28 Abs.2 Satz 3 und des Art.106 Abs.6 Satz 2 GG und der Systematik der Vorschriften ist für eine unbegrenzte Gewährleistung des Hebesatzrechts nichts zu entnehmen. | ||
Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 GG bestimmt lediglich, dass zu den Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle gehört. Da Art.28 Abs.2 Satz 3 Halbsatz 2 GG im Zusammenhang mit den allgemeinen Vorschriften der Finanzverfassung steht und keinen neuen finanzverfassungsrechtlichen Tatbestand begründet, kommen als wirtschaftskraftbezogene Steuerquellen nur solche Steuern in Betracht, die nach Maßgabe der Art.104a ff GG statthaft und den Gemeinden zugeordnet sind. Gemäß Art.106 Abs.6 Satz 1 GG sind dies die Gewerbeertragsteuer und die Einkommensteuer (Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art.28 Rn.84d | ||
Der Wortlaut des Art.28 Abs.2 Satz 3 Halbsatz 2 GG lässt Schlüsse auf den Umfang des Hebesatzrechts nicht zu. Insbesondere ist ihm nicht zu entnehmen, dass den Gemeinden auch das Recht, einen Null-Hebesatz festzusetzen - und damit die Entscheidungskompetenz über die Erhebung oder Nichterhebung von Steuern aus der zugesicherten Quelle -, unentziehbar gewährleistet ist. Aus der Formulierung, wonach den Gemeinden eine wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle "mit Hebesatzrecht" zustehen muss, folgt hierfür nichts. Denn von einem Hebesatzrecht kann auch dann gesprochen werden, wenn die Reichweite des Rechts eingeschränkt ist. | ||
Nach dem Wortlaut des Art.106 Abs.6 Satz 2 GG unterliegt das gewährleistete Hebesatzrecht gesetzgeberischer Regelung und damit auch gesetzgeberischer Beschränkung. Den Gemeinden ist nach dieser Vorschrift das Recht einzuräumen, die Hebesätze der Grundsteuer und Gewerbesteuer "im Rahmen der Gesetze" festzusetzen. Diese Formulierung spricht dafür, dass auch Ausgestaltungen mit beschränkendem Inhalt zulässig sein sollen. Anderenfalls hätte es des Gesetzesvorbehalts nicht bedurft; dass das Hebesatzrecht auf gesetzliche Konkretisierung angewiesen ist, versteht sich von selbst. Ein solches Verständnis des Art.106 Abs.6 Satz 2 GG liegt nicht zuletzt im Hinblick auf die entsprechende Regelung in Art.28 Abs.2 Satz 1 GG nahe. Die dort verankerte allgemeine Garantie der kommunalen Selbstverwaltung besteht gleichfalls nur "im Rahmen der Gesetze". Anerkanntermaßen ist dem Gesetzgeber damit die Befugnis zu beschränkenden Regelungen eingeräumt (vgl BVerfGE_79,127 <143 f> ; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10.Aufl 2009, Art.28 Rn.20; Nierhaus, in: Sachs, GG, 5.Aufl 2009, Art.28 Rn.59;Tettinger, in: v Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.2, 5.Aufl 2005, Art.28 Rn.187; Schoch, Verfassungsrechtlicher Schutz der kommunalen Finanzautonomie, 1997, S.107 f.; Schnorr, Das Hebesatzrecht der Gemeinden, 1973, S.63 f; zur Geltung des Gesetzesvorbehalts des Art.28 Abs.2 Satz 1 GG auch für die speziellere Gewährleistung der kommunalen Finanzhoheit in Art.28 Abs.1 Satz 3 GG vgl nur Schoch, Verfassungsrechtlicher Schutz der kommunalen Finanzautonomie, 1997, S.108). | ||
b) Vor dem historischen Hintergrund und angesichts von Sinn und Zweck der Art.28 Abs.2 Satz 3 und Art.106 Abs.6 Satz 2 GG ist nicht ersichtlich, dass das Hebesatzrecht einschränkungslos gewährleistet wäre und die Gemeinden insbesondere frei bleiben müssten, auf die Erhebung der Gewerbesteuer ganz zu verzichten. | ||
aa) Eine Verpflichtung zur Festlegung eines positiven Gewerbesteuerhebesatzes gehört nicht zu den einfachgesetzlichen Traditionsbeständen, die der verfassungsändernde Gesetzgeber bei der Schaffung der genannten Verfassungsbestimmungen bereits vorfand. Die gemeindliche Autonomie bei der Festlegung des Gewerbesteuerhebesatzes war schon traditionell nicht unbeschränkt. | ||
Mit der preußischen Steuerreform (Miquel'sche Steuerreform) wurde die Gewerbesteuer als Staatssteuer außer Hebung gesetzt (§ 1 Nr.2 des Gesetzes vom 14.Juli 1893 wegen Aufhebung direkter Staatssteuern, Gesetzessammlung für Preußen, 1893, S.119) und ertragsmäßig den Gemeinden zugewiesen. Im Rahmen der großen Reichssteuerreform im Jahr 1920 wurde sie sodann den Ländern zugewiesen, die sie ganz oder zum Teil den Gemeinden überlassen konnten. Während in den süddeutschen Ländern die Gewerbesteuer eine Landessteuer war, zu der die Gemeinden Zuschläge erhoben, war sie in Preußen ausschließlich den Gemeinden zur Hebung überlassen. | ||
Das Gewerbesteuergesetz 1936 vom 1.Dezember 1936 (RGBl I 1936, S.979 ff) wies die Gewerbesteuer den Gemeinden als reine Gemeindesteuer zu. § 1 Gewerbesteuergesetz 1936 berechtigte die Gemeinden zur Erhebung der Gewerbesteuer. Daraus wurde abgeleitet, dass ihnen eine Besteuerungsmöglichkeit eröffnet werden sollte, die Gemeinden aber nicht zur Erhebung der Gewerbesteuer verpflichtet waren (vgl Blümich/Bonens, Gewerbesteuergesetz, 2.Aufl 1938, § 1 Anm.5a; Kaemmel/Schmiedeke, Gewerbesteuergesetz, 1937, § 1 Anm.1). Bei der Festsetzung des Hebesatzes waren die Gemeinden gleichwohl nicht völlig frei. Die jeweiligen Fachminister waren ermächtigt, zu regeln, in welchem Verhältnis die Hebesätze für die Grundsteuer, die Gewerbesteuer und die Bürgersteuer zueinander stehen müssen und inwieweit die Hebesätze für die Steuern der Genehmigung der Gemeindeaufsichtsbehörden bedürfen (§ 6 EinfGRealStG, RGBl I 1936, S.961 <962>). | ||
Das Grundgesetz knüpfte an diese Entwicklung an. Das Aufkommen der Realsteuern, zu denen die Grund- und die Gewerbesteuern gehören, wurde nach Art.106 Abs.2 GG aF grundsätzlich den Ländern zugestanden, die berechtigt waren, die Realsteuern den Gemeinden zuzuweisen. In der Folge wurde die Zuordnung der Gewerbesteuer zu den Gemeinden unmittelbar verfassungsrechtlich verankert. Art.106 Abs.6 Satz 2 GG in der Fassung des Gesetzes vom 24.Dezember 1956 (Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Art.106 des Grundgesetzes,BGBl I S.1077 ) wies das Aufkommen der Realsteuern den Gemeinden zu. Im Zuge der Gemeindefinanzreform 1969/70 wurde mit der Neufassung des Art.106 Abs.6 Satz 2 GG das Hebesatzrecht für die Gemeinden in das Grundgesetz aufgenommen. | ||
Das nachfolgende Gesetz zur Reform des Vermögensteuerrechts und zur Änderung anderer Steuergesetze vom 17.April 1974 (BGBl I 1974, S.949 ff) übernahm die bislang nach dem Einführungsgesetz zu den Realsteuergesetzen bestehende Ermächtigung zum Erlass von Koppelungs- und Genehmigungsvorschriften in den neu gefassten § 16 GewStG und regelte darüber hinaus, dass Höchstsätze durch Landesrecht festgesetzt werden können (§ 16 Abs.5 GewStG). Über die tradierte Beschränkung der gemeindlichen Gestaltungsfreiheit durch die bundesgesetzliche Vorgabe hinaus, dass der Hebesatz für alle in der Gemeinde vorhandenen Unternehmen der gleiche sein muss (§ 16 Abs.4 Satz 1 GewStG), wurde damit eine bedeutsame weitere Einschränkung zugelassen. | ||
Mit der Verfassungsreform von 1997 verstärkte der Verfassungsgeber die Finanzautonomie der Gemeinden in der bereits beschriebenen Weise (s oben II.2.c) durch die Verankerung des Hebesatzrechts in Art.28 Abs.2 Satz 3 Halbsatz 2 GG. | ||
Die dargestellte Entwicklung zeigt, dass das Grundgesetz weder in seiner ursprünglichen Fassung noch in seinen späteren Änderungen auf einer einfachgesetzlichen Tradition uneingeschränkter Gestaltungsfreiheit der Gemeinden bei den Hebesätzen fußt. | ||
bb) Aus dem Sinn und Zweck des Art.106 Abs.6 GG oder des Art.28 Abs.2 Satz 3 GG ergibt sich ebenfalls nicht, dass diese Bestimmungen dem Gesetzgeber jegliche Beschränkung der gemeindlichen Hebesatzautonomie verwehrten oder speziell die gesetzliche Verpflichtung der Gemeinden zur Festlegung eines positiven Hebesatzes ausschlössen. Das Hebesatzrecht dient der Sicherung einer angemessenen Finanzausstattung der Gemeinden. Einerseits ermöglicht es ihnen, Unterschiede in der Belastung und in der Ergiebigkeit der zugewiesenen Steuerquellen auszugleichen. Die Gemeinden sollen die Möglichkeit haben, ihre Einnahmen durch Anspannung der Gewerbesteuer an den Finanzbedarf anzupassen und damit angesichts wachsender Haushaltslasten handlungsfähig zu bleiben (vgl Vogel, in: Festschrift für Hugo von Wallis, 1985, S.565 <571>). Die Gewährleistung des Hebesatzrechts ermöglicht aber auch eine Anpassung nach unten und damit den Einsatz niedriger Hebesätze im interkommunalen Wettbewerb um die Ansiedlung von Unternehmen. In dem Spannungsverhältnis zwischen dem Streben nach einem möglichst hohen Niveau der öffentlichen Leistungen und einer möglichst niedrigen Steuerbelastung, das im Zusammenhang mit der Einführung der Verfassungsgarantie des gemeindlichen Hebesatzrechts als unentbehrlich für eine eigenverantwortliche Selbstverwaltung hervorgehoben wurde (vgl BTDrucks V/2861, S.39, Nr.183), wird das Streben nach einer möglichst niedrigen Steuerbelastung gerade durch die Bedeutung der Gewerbesteuerbelastung im Standortwettbewerb befördert. | ||
In beiden Hinsichten ist die Funktionsfähigkeit der Hebesatzautonomie nicht davon abhängig, dass die Gemeinden den Hebesatz ohne jede gesetzliche Einschränkung festsetzen können. Insbesondere erfordert sie keine unentziehbare Befugnis der Gemeinden, mit der Festsetzung auf Null von einer Gewerbesteuererhebung ganz abzusehen. | ||
In ihrer Bedeutung als Instrument flexibler Anpassung der Steuereinnahmen an steigenden Finanzbedarf wird die Hebesatzautonomie durch die Festsetzung eines Mindesthebesatzes nicht berührt. Ein Mindesthebesatz verringert allerdings die Flexibilität in umgekehrter Richtung. Die Möglichkeit, niedrige Hebesätze - bis hin zu einem Null-Hebesatz - als Mittel des Standortwettbewerbs einzusetzen, wird damit jedoch nicht notwendigerweise in einer dem Zweck des Hebesatzrechts zuwiderlaufenden Weise beschränkt. Mit der wettbewerblichen Funktion der Gewährleistung des Hebesatzrechts können auch gesetzliche Bestimmungen vereinbar sein, die die Freiheit des Wettbewerbsverhaltens begrenzen, um den Wettbewerb in gemeinwohlverträglichen Bahnen zu halten. Eine Beschränkung der Hebesatzautonomie ist demnach mit Sinn und Zweck der verfassungsrechtlichen Gewährleistung dieser Autonomie nicht von vornherein unvereinbar. | ||
Dem steht auch nicht entgegen, dass den Gemeinden die Ertragshoheit über das Aufkommen der Gewerbesteuer zugewiesen ist und Einschränkungen des Hebesatzrechts durch den Bundesgesetzgeber mittelbare Auswirkungen auf das Aufkommen der Gewerbesteuer haben. Den Gemeinden ist weder eine bestimmte Aufkommenshöhe noch die Gewerbesteuer als solche von Verfassungs wegen garantiert (Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 106 Rn. 38; Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 106 Rn. 127). | ||
Auszug aus BVerfG B, 27.01.10, - 2_BvR_2185/04 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.50 ff | ||
§§§ |
10.003 | Existenzminimum (Harz IV) | |
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1) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art.1 Abs.1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art.20 Abs.1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. | ||
2) Dieses Grundrecht aus Art.1 Abs.1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art.20 Abs.1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art.1 Abs.1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu. | ||
3) Zur Ermittlung des Anspruchumfangs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu bemessen. | ||
4) Der Gesetzgeber kann den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag decken, muss aber für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen. | ||
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Urteil | Entscheidungsformel: | |
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T-10-03 | Unvereinbarkeit § 20 Abs.2 SGB-II | |
"§ 20 Abs.2 1.Halbsatz, Abs.3 Satz 1 SGB II aF und § 28 Abs.1 Satz 3 Nr.1 1.Alt SGB II aF, jeweils in Verbindung mit § 20 Abs.1 SGB II aF, sind mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art.1 Abs.1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art.20 Abs.1 GG unvereinbar. I. | ||
1. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich aus Art.1 Abs.1 GG in Verbindung mit Art.20 Abs.1 GG (vgl BVerfGE_40,121 <133>; BVerfGE_45,187 <228>; BVerfGE_82,60 <85>; BVerfGE_113,88 <108 f> ; Urteil vom 30.Juni 2009 - 2_BvE_2/08 ua -, juris, Rn.259). Art.1 Abs.1 GG begründet diesen Anspruch. Das Sozialstaatsgebot des Art.20 Abs.1 GG wiederum erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, jedem ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern, wobei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum bei den unausweichlichen Wertungen zukommt, die mit der Bestimmung der Höhe des Existenzminimums verbunden sind (vgl BVerfGE_35,202 <236>; BVerfGE_45,376 <387>; BVerfGE_100,271 <284>). Dieses Grundrecht aus Art.1 Abs.1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art.20 Abs.1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art.1 Abs.1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu. | ||
a) Art.1 Abs.1 GG erklärt die Würde des Menschen für unantastbar und verpflichtet alle staatliche Gewalt, sie zu achten und zu schützen (vgl BVerfGE_1,97 <104>; BVerfGE_115, 118 <152> ). Als Grundrecht ist die Norm nicht nur Abwehrrecht gegen Eingriffe des Staates. Der Staat muss die Menschenwürde auch positiv schützen (vgl BVerfGE_107,275 <284>; BVerfGE_109,279 <310> ). Wenn einem Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil er sie weder aus seiner Erwerbstätigkeit, noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter erhalten kann, ist der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen dafür dem Hilfebedürftigen zur Verfügung stehen. Dieser objektiven Verpflichtung aus Art.1 Abs.1 GG korrespondiert ein Leistungsanspruch des Grundrechtsträgers, da das Grundrecht die Würde jedes individuellen Menschen schützt (vgl BVerfGE_87,209 <228>) und sie in solchen Notlagen nur durch materielle Unterstützung gesichert werden kann. | ||
b) Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind. Er gewährleistet das gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie, die sowohl die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit (vgl BVerfGE_120,125 <155 f> ), als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasst, denn der Mensch als Person existiert notwendig in sozialen Bezügen (vgl BVerfGE_80,367 <374>; BVerfGE_109,279 <319>; auch BVerwGE_87,212 <214>). | ||
c) Die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss durch einen gesetzlichen Anspruch gesichert sein. Dies verlangt bereits unmittelbar der Schutzgehalt des Art.1 Abs.1 GG. Ein Hilfebedürftiger darf nicht auf freiwillige Leistungen des Staates oder Dritter verwiesen werden, deren Erbringung nicht durch ein subjektives Recht des Hilfebedürftigen gewährleistet ist. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss durch ein Parlamentsgesetz erfolgen, das einen konkreten Leistungsanspruch des Bürgers gegenüber dem zuständigen Leistungsträger enthält. Dies findet auch in weiteren verfassungsrechtlichen Grundsätzen seine Stütze. Schon aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip ergibt sich die Pflicht des Gesetzgebers, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen (vgl BVerfGE_108,282 <311> mwN.). Dies gilt in besonderem Maße, wenn und soweit es um die Sicherung der Menschenwürde und der menschlichen Existenz geht (vgl BVerfGE_33,303 <337>; BVerfGE_40,237 <249> ). Zudem kann sich der von Verfassungs wegen bestehende Gestaltungsspielraum des Parlaments nur im Rahmen eines Gesetzes entfalten und konkretisieren (vgl BVerfGE_59,231 <263> ). Schließlich ist die Begründung von Geldleistungsansprüchen auch mit erheblichen finanziellen Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte verbunden. Derartige Entscheidungen sind aber dem Gesetzgeber vorbehalten. Dafür reicht das Haushaltsgesetz nicht aus, weil der Bürger aus ihm keine unmittelbaren Ansprüche herleiten kann (vgl BVerfGE_38,121 <126>). 137 | ||
Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt (vgl BVerfGE_87,153 <172>; BVerfGE_91,93 <112>; BVerfGE_99,246 <261>; BVerfGE_120,125 <155 und 166> ). Wenn der Gesetzgeber seiner verfassungsmäßigen Pflicht zur Bestimmung des Existenzminimums nicht hinreichend nachkommt, ist das einfache Recht im Umfang seiner defizitären Gestaltung verfassungswidrig. 138 | ||
d) Der Leistungsanspruch aus Art.1 Abs.1 GG ist dem Grunde nach von der Verfassung vorgegeben (vgl BVerfGE_107,275 <284>). Der Umfang dieses Anspruchs kann im Hinblick auf die Arten des Bedarfs und die dafür erforderlichen Mittel jedoch nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden (vgl BVerfGE_91,93 <111 f> ). Er hängt von den gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche, der konkreten Lebenssituation des Hilfebedürftigen sowie den jeweiligen wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten ab und ist danach vom Gesetzgeber konkret zu bestimmen (vgl BVerfGE_115,118 <153> ). Das Sozialstaatsgebot des Art.20 Abs.1 GG hält den Gesetzgeber an, die soziale Wirklichkeit zeit- und realitätsgerecht im Hinblick auf die Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums zu erfassen, die sich etwa in einer technisierten Informationsgesellschaft anders als früher darstellt. Die hierbei erforderlichen Wertungen kommen dem parlamentarischen Gesetzgeber zu. Ihm obliegt es, den Leistungsanspruch in Tatbestand und Rechtsfolge zu konkretisieren. Ob er das Existenzminimum durch Geld-, Sach- oder Dienstleistungen sichert, bleibt grundsätzlich ihm überlassen. Ihm kommt zudem Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu. Dieser umfasst die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs und ist zudem von unterschiedlicher Weite: Er ist enger, soweit der Gesetzgeber das zur Sicherung der physischen Existenz eines Menschen Notwendige konkretisiert, und weiter, wo es um Art und Umfang der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben geht. | ||
e) Zur Konkretisierung des Anspruchs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen (vgl BVerfGE_66,214 <223>; BVerfGE_68,143 <153>; BVerfGE_82,60 <88>; BVerfGE_99,246 <260>; BVerfGE_112,268 <280>; BVerfGE_120,125 <155> ). Hierzu hat er zunächst die Bedarfsarten sowie die dafür aufzuwendenden Kosten zu ermitteln und auf dieser Basis die Höhe des Gesamtbedarfs zu bestimmen. Das Grundgesetz schreibt ihm dafür keine bestimmte Methode vor (ebenso bei grundrechtlichen Schutzpflichten vgl BVerfGE_46,160 <164>; BVerfGE_96,56 <64>; BVerfGE_115,118 <160>); er darf sie vielmehr im Rahmen der Tauglichkeit und Sachgerechtigkeit selbst auswählen. Abweichungen von der gewählten Methode bedürfen allerdings der sachlichen Rechtfertigung. 140 | ||
f) Das dergestalt gefundene Ergebnis ist zudem fortwährend zu überprüfen und weiter zu entwickeln, weil der elementare Lebensbedarf eines Menschen grundsätzlich nur in dem Augenblick befriedigt werden kann, in dem er besteht (vgl BVerfGK_5,237 <241>). Der Gesetzgeber hat daher Vorkehrungen zu treffen, auf Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel Preissteigerungen oder Erhöhungen von Verbrauchsteuern, zeitnah zu reagieren, um zu jeder Zeit die Erfüllung des aktuellen Bedarfs sicherzustellen, insbesondere wenn er wie in § 20 Abs.2 SGB II einen Festbetrag vorsieht. | ||
2. a) Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des Existenzminimums entspricht eine zurückhaltende Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung durch das Bundesverfassungsgericht. Da das Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs erlaubt, beschränkt sich - bezogen auf das Ergebnis - die materielle Kontrolle darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind (vgl BVerfGE_82,60 <91 f>). 142 | ||
b) Innerhalb der materiellen Bandbreite, welche diese Evidenzkontrolle belässt, kann das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums keine quantifizierbaren Vorgaben liefern. Es erfordert aber eine Kontrolle der Grundlagen und der Methode der Leistungsbemessung daraufhin, ob sie dem Ziel des Grundrechts gerecht werden. Der Grundrechtsschutz erstreckt sich auch deshalb auf das Verfahren zur Ermittlung des Existenzminimums, weil eine Ergebniskontrolle am Maßstab dieses Grundrechts nur begrenzt möglich ist. Um eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Nachvollziehbarkeit des Umfangs der gesetzlichen Hilfeleistungen sowie deren gerichtliche Kontrolle zu gewährleisten, müssen die Festsetzungen der Leistungen auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren tragfähig zu rechtfertigen sein. | ||
c) Das Bundesverfassungsgericht prüft deshalb, ob der Gesetzgeber das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, in einer Art.1 Abs.1 in Verbindung mit Art.20 Abs.1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und umschrieben hat, ob er im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur Bemessung des Existenzminimums im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren gewählt hat, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und schließlich, ob er sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt hat. | ||
d) Zur Ermöglichung dieser verfassungsgerichtlichen Kontrolle besteht für den Gesetzgeber die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen. Kommt er ihr nicht hinreichend nach, steht die Ermittlung des Existenzminimums bereits wegen dieser Mängel nicht mehr mit Art.1 Abs.1 GG in Verbindung mit Art.20 Abs.1 GG in Einklang. | ||
3. Andere Grundrechte, wie zum Beispiel Art.3 Abs.1 GG oder Art.6 Abs.1 GG, vermögen für die Bemessung des Existenzminimums im Sozialrecht keine weiteren Maßstäbe zu setzen. Entscheidend ist von Verfassungs wegen allein, dass für jede individuelle hilfebedürftige Person das Existenzminimum nach Art.1 Abs.1 GG in Verbindung mit Art.20 Abs.1 GG ausreichend erfasst wird; eines Rückgriffs auf weitere Grundrechte bedarf es hier nicht. II. | ||
Nach diesen Grundsätzen genügen die vorgelegten Vorschriften den Vorgaben von Art.1 Abs.1 GG in Verbindung mit Art.20 Abs.1 GG nicht. Der Gesetzgeber hat zwar durch die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch das Ziel, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten, dem Grunde nach zutreffend definiert (1.). Es lässt sich nicht feststellen, dass der Gesamtbetrag der in § 20 Abs.2 1.Halbsatz und Abs.3 Satz 1 SGB II aF sowie in § 28 Abs.1 Satz 3 Nr.1 1.Alt SGB II aF festgesetzten Leistungen zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums evident unzureichend ist (2.). Der Gesetzgeber hat für die Basisregelleistung nach § 20 Abs.2 1.Halbsatz SGB II aF auch grundsätzlich ein taugliches Berechnungsverfahren zur Bemessung des Existenzminimums gefunden (3.). Bei der Bemessung der Regelleistung von 345 Euro hat er dieses jedoch in verschiedenen Hinsichten verlassen, ohne es durch andere erkennbare oder tragfähige Kriterien zu ersetzen (4.). Dies führt auch zur Verfassungswidrigkeit der abgeleiteten Leistungen nach § 20 Abs.3 Satz 1 SGB II aF (5.) und nach § 28 Abs.1 Satz 3 Nr.1 1.Alt SGB II aF; letztere leidet zudem an einem völligen Ermittlungsausfall im Hinblick auf den kinderspezifischen Bedarf (6). | ||
1. Mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Bestandteil der im Sozialgesetzbuch Zweites Buch geregelten Grundsicherung für Arbeitsuchende hat der Gesetzgeber entsprechend den materiellen Vorgaben des Art.1 Abs.1 GG in Verbindung mit Art.20 Abs.1 GG ein subsidiäres System sozialer Sicherung des Existenzminimums geschaffen, das nach seiner Zielrichtung sämtlichen Bedarfslagen, die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins gedeckt werden müssen, Rechnung tragen soll. | ||
a) Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts dient nach der Definition in § 20 Abs.1 Satz 1 SGB II aF beziehungsweise in § 20 Abs.1 SGB II nF sowohl dazu, die physische Seite des Existenzminimums sicherzustellen, als auch dazu, dessen soziale Seite abzudecken, denn die Regelleistung umfasst in vertretbarem Umfang auch die Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Anderen von der verfassungsrechtlichen Garantie des Existenzminimums umfassten Bedarfslagen wird im Sozialgesetzbuch Zweites Buch durch weitere Ansprüche und Leistungen neben der Regelleistung Rechnung getragen. Die Absicherung gegen die Risiken von Krankheit und Pflegebedürftigkeit wird durch die Einbeziehung von Arbeitslosengeld II- und Sozialgeldempfängern in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung nach § 5 Abs.1 Nr.2a und § 10 SGB V, § 20 Abs.1 Satz 2 Nr.2a und § 25 SGB XI und die Leistungen zur freiwilligen bzw. privaten Kranken- und Pflegeversicherung nach § 26 SGB II gewährleistet. Besonderer Mehrbedarf wird zum Teil nach § 21 SGB II gedeckt. § 22 Abs.1 SGB II stellt die Übernahme angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem individuellen Bedarf sicher. | ||
b) § 20 Abs.1 Satz 1 SGB II aF, auf den § 28 Abs.1 Satz 3 Nr.1 SGB II aF mit der Verweisung in § 28 Abs.1 Satz 2 SGB II aF auf § 19 Satz 1 Nr.1 SGB II aF ("Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts") Bezug nimmt, umfasst grundsätzlich auch alle existentiellen Bedarfslagen von Kindern. Das Fehlen einer § 27 Abs.2 SGB XII entsprechenden Regelung, wonach der notwendige Lebensunterhalt bei Kindern und Jugendlichen auch den besonderen, insbesondere den durch ihre Entwicklung und ihr Heranwachsen entstehenden Bedarf umfasst, bedeutet nicht, dass kinderspezifische existentielle Bedarfslagen im Sozialgesetzbuch Zweites Buch nicht berücksichtigt werden sollten. Vielmehr lässt sich auch kinderspezifischer Bedarf im Allgemeinen unter die Aufzählung in § 20 Abs.1 Satz 1 SGB II aF, insbesondere unter den Teilaspekt der "Bedarfe des täglichen Lebens", subsumieren. | ||
c) Es ist verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass das Sozialgesetzbuch Zweites Buch dazu übergegangen ist, einmaligen Bedarf, der nur in unregelmäßigen Abständen, etwa zur Anschaffung von Winterkleidung, entsteht, durch Anhebung der monatlichen Regelleistungen in der Erwartung zu decken, dass der Hilfebedürftige diesen erhöhten Anteil für den unregelmäßig auftretenden Bedarf zurückhält. Eine verfassungswidrige Unterdeckung einmaligen Bedarfs hat der Gesetzgeber mit § 23 Abs.1 SGB II zu vermeiden versucht. Danach können Hilfebedürftige ein Darlehen erhalten, wenn ein unvermutet auftretender und unabweisbarer einmaliger Bedarf durch angesparte Mittel nicht gedeckt werden kann. Das Darlehen wird zwar in den nachfolgenden Monaten dadurch getilgt, dass der Grundsicherungsträger 10 % von der Regelleistung einbehält. In Anbetracht der Ansparkonzeption des Gesetzgebers ist diese vorübergehende monatliche Kürzung der Regelleistung jedoch im Grundsatz nicht zu beanstanden. | ||
2. Die in den Ausgangsverfahren geltenden Regelleistungen von gerundet 345, 311 und 207 Euro können zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht als evident unzureichend erkannt werden. 152 | ||
a) Für den Betrag der Regelleistung von 345 Euro nach § 20 Abs.2 1.Halbsatz SGB II aF kann eine evidente Unterschreitung nicht festgestellt werden, weil die Regelleistung zur Sicherung der physischen Seite des Existenzminimums zumindest ausreicht und der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der sozialen Seite des Existenzminimums weiter ist. So kommt beispielsweise eine Untersuchung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zu dem Ergebnis, dass die Beträge des § 2 Abs.2 Regelsatzverordnung für "Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren" sowie für "Beherbergungsdienstleistungen, Gaststättenbesuche" die Ernährung eines Alleinstehenden mit Vollkost decken können (vgl seine Empfehlungen zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe, 3.Aufl, sub III 2 | ||
Der Umstand, dass der Gesetzgeber in anderen Rechtsbereichen, zum Beispiel bei den Einkommensgrenzen im Prozesskostenhilferecht oder bei den Pfändungsfreigrenzen, andere Beträge festgesetzt hat, begründet keine durchgreifenden Zweifel an der Bedarfsgerechtigkeit der Summe von 345 Euro. Der Gesetzgeber kann in anderen Bereichen unterschiedliche Wertungen nach der jeweiligen ratio legis treffen und dabei auch über das hinausgehen, was er von Verfassungs wegen denjenigen zur Verfügung stellen muss, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten können. Aus anderen Rechtsbereichen können daher keine Rückschlüsse auf die notwendige Höhe der Leistungen zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums gezogen werden. | ||
b) Dies gilt auch für den sich aus § 20 Abs.3 Satz 1 SGB II aF ergebenden Betrag von 311 Euro für erwachsene Partner einer Bedarfsgemeinschaft. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass durch das gemeinsame Wirtschaften Aufwendungen gespart werden und deshalb zwei zusammenlebende Partner einen finanziellen Mindestbedarf haben, der unter dem Doppelten des Bedarfs eines Alleinwirtschaftenden liegt (vgl BVerfGK_8,338 <342>). Da aufgrund des Zusammenlebens anzunehmen ist, dass beide Partner "aus einem Topf" wirtschaften, ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber für beide Partner einen gleich hohen Bedarf in Ansatz bringt. Eine gleichmäßige Aufteilung des geminderten gemeinschaftlichen Bedarfs trägt jedenfalls, anders als das früher im Sozialhilferecht praktizierte Haushaltsvorstandsprinzip, Art.3 Abs.2 GG Rechnung. | ||
c) Es kann ebenfalls nicht festgestellt werden, dass der für Kinder bis zur Vollendung des 14.Lebensjahres einheitlich geltende Betrag von 207 Euro zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums offensichtlich unzureichend ist. | ||
aa) Allerdings ist das Leistungsniveau für Kinder im Alter von 7 Jahren bis zur Vollendung des 14.Lebensjahres und damit auch für die meisten minderjährigen Kläger der Ausgangsverfahren gegenüber der Rechtslage nach dem Bundessozialhilfegesetz gesunken. Nach § 2 Abs.3 Regelsatzverordnung 1990 betrug der Regelsatz für Kinder in diesem Alter 65 % des Regelsatzes für den Haushaltsvorstand. Dies ergab mithin am 1.Juli 2003 einen Regelsatz für diese Altersgruppe von gerundet 193 Euro. Nach den statistischen Erhebungen des Vierten Existenzminimumsberichts der Bundesregierung, an die der Referentenentwurf zum Sozialgesetzbuch Zweites Buch anknüpfte, machte der einmalige Bedarf bei Kindern 20 % des jeweiligen Regelsatzes (dh ab dem 1.Juli 2003 gerundet monatlich 39 Euro) aus (vgl BTDrucks 14/7765, S.2). Eine Aufstockung der Regelsätze um den nunmehr durch monatliche Rücklagen zu deckenden einmaligen Bedarf hätte deshalb zu einer Regelleistung von rund 232 Euro führen müssen. | ||
Hieraus kann jedoch noch nicht gefolgert werden, dass der Betrag von 207 Euro für Kinder in der genannten Altersgruppe offensichtlich nicht bedarfsdeckend ist. Ausgehend von den Untersuchungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge ist nicht ersichtlich, dass der Betrag von 207 Euro nicht ausreicht, um das physische Existenzminimum, insbesondere den Ernährungsbedarf, von Kindern im Alter von 7 bis zur Vollendung des 14.Lebensjahres zu decken. In Anbetracht des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen müssen, kann deshalb nicht festgestellt werden, dass der Gesamtbetrag von 207 Euro das zur Sicherung des Existenzminimums Notwendige offensichtlich unterschreitet. | ||
bb) Die Regelleistung für Kinder in Höhe von 207 Euro ist auch nicht deshalb evident unzureichend, weil dieser Betrag nicht der einkommensteuerlichen Berücksichtigung von Aufwendungen für Kinder nach § 32 Abs.6 Einkommensteuergesetz (EStG) entspricht. Der steuerliche Abzug derartiger Aufwendungen definiert und berücksichtigt zugleich die unterhaltsrechtlichen Verpflichtungen eines Steuerpflichtigen für seine Kinder; der staatliche Steuerzugriff findet seine verfassungsrechtlichen Leitlinien in Art.3 Abs.1 und Art.6 Abs.1 und 2 GG. Der Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums beruht hingegen auf Art.1 Abs.1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art.20 Abs.1 GG, steht jedem Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft - auch Kindern - individuell zu und geht vom absolut notwendigen Bedarf aus. Deswegen können steuerlich zu berücksichtigende Aufwendungen und bedürftigkeitsabhängige Sozialleistungen unterschiedliche Höhe erreichen. Auch können Normen des Einkommensteuerrechts fördernden Charakter aufweisen (vgl zB zum Kindergeld § 31 Satz 2 EStG) oder zusätzliche, nicht existenznotwendige Aufwendungen erfassen. | ||
3. Zur Bestimmung der Regelleistung nach § 20 Abs.2 1.Halbsatz SGB II aF, welche die Basis für die übrigen Regelleistungsbeträge bildet, hat sich der Gesetzgeber auf ein Verfahren gestützt, das im Grundsatz geeignet ist, die zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen realitätsgerecht zu bemessen. | ||
aa) Die Bemessung der Regelleistung nach § 20 Abs.2 1.Halbsatz SGB II aF folgt dem Verfahren, das für die Bemessung des Eckregelsatzes nach dem Sozialhilferecht gilt. § 28 Abs.3 SGB XII und § 2 Regelsatzverordnung 2005 bilden damit die Grundlage für die Bemessung der Regelleistung von 345 Euro. Dies ergibt sich aus der in § 20 Abs.4 Satz 2 SGB II enthaltenen Verweisung auf § 28 Abs.3 Satz 5 SGB XII und findet seine Bestätigung im Gesetzgebungsverfahren. Der Gesetzentwurf nahm auf eine Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 sowie auf die später erlassene Regelsatzverordnung Bezug (vgl BTDrucks 15/1516, S.56). Die Bundesregierung bezeichnete das Verfahren der Regelsatzbemessung als Referenzsystem für die Bestimmung der Regelleistung (vgl BRDrucks 635/06, S.5). Dass die Einzelheiten des Verfahrens nicht im Sozialgesetzbuch Zweites Buch selbst geregelt werden, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die wesentlichen Entscheidungen dafür hat der Gesetzgeber selbst durch die Festlegung des Betrages von 345 Euro im Sozialgesetzbuch Zweites Buch getroffen. | ||
bb) Dass die Regelleistung nach § 20 Abs.2 1.Halbsatz SGB II aF tatsächlich auf dem in § 2 Regelsatzverordnung 2005 konkretisierten Verfahren der Bemessung des sozialhilferechtlichen Eckregelsatzes beruht, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass ein Entwurf der Regelsatzverordnung 2005 mit ausführlicher Begründung erstmals etwa einen Monat nach Erlass des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt den beteiligten Verbänden übersandt und dann erst im März 2004 in der Bundesratsdrucksache 206/04 publiziert wurde. Der zeitliche Ablauf könnte zwar den Eindruck vermitteln, der Gesetzgeber sei schon auf die Endsumme von 345 Euro festgelegt gewesen, weil sie bereits im Referentenentwurf zum Sozialgesetzbuch Zweites Buch vorgesehen war und der Vor-Entwurf zur Regelsatzverordnung zu einem ähnlichen Ergebnis kam. Darauf kommt es jedoch nicht an. Soweit sich die vom Gesetzgeber festgelegten Sätze auf der Grundlage belastbarer Zahlen und vertretbarer Wertungen im Ergebnis verfassungsrechtlich rechtfertigen lassen, sind die entsprechenden Regelungen nicht zu beanstanden. Im Übrigen verwendete der Vor-Entwurf zur Regelsatzverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung vom 21.Juli 2003 die Methode, die in § 2 Abs.2 Regelsatzverordnung 2005 Eingang fand. Dieser Entwurf sowie der Referentenentwurf zum Sozialgesetzbuch Zweites Buch des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit wurden nach den Angaben der Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung in einer interministeriellen und interfraktionellen Arbeitsgruppe beraten; dort stimmte man sich über die maßgebliche Methode zur Festlegung des Eckregelsatzes und der Regelleistung ab. In der Sache hat man bereits ein gemeinsames Verfahren zur Bestimmung der Regelleistung angewandt, denn im Zeitpunkt der Verabschiedung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt war man sich insoweit über das eingeschlagene Verfahren der Ermittlung der Regelleistung von 345 Euro einig. | ||
b) Das nach § 28 Abs. 3 SGB XII und § 2 Regelsatzverordnung 2005 maßgebliche Statistikmodell ist eine verfassungsrechtlich zulässige, weil vertretbare Methode zur realitätsnahen Bestimmung des Existenzminimums für eine alleinstehende Person. | ||
aa) Der Gesetzgeber hat in § 28 Abs.3 Satz 2 und 3 SGB XII die Grundregeln für das Statistikmodell festgelegt. Die Vorschrift bestimmt: | ||
"Die Regelsatzbemessung berücksichtigt Stand und Entwicklung von Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten. Grundlage sind die tatsächlichen, statistisch ermittelten Verbrauchsausgaben von Haushalten in unteren Einkommensgruppen." | ||
Maßgeblich für die Festsetzung des Regelsatzes sind also die entscheidenden Faktoren des Existenzminimums: Mit den Lebenshaltungskosten werden die existenznotwendigen Aufwendungen erfasst; die Orientierung am Verbraucherverhalten auf statistischer Basis soll den physischen und soziokulturellen Bedarf auf der Ausgabenseite empirisch abbilden; die Berücksichtigung des Nettoeinkommens stellt den Bezug zu den Erwerbstätigen her. Die Konzentration der Ermittlung auf die Verhältnisse der unteren Einkommensgruppen ist sachlich angemessen, weil in höheren Einkommensgruppen Ausgaben in wachsendem Umfang über das Existenznotwendige hinaus getätigt werden. | ||
Das im früheren Sozialhilferecht bis Anfang der 1990er Jahre geltende Warenkorbmodell muss nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen dem verbrauchsbezogenen Ansatz des Statistikmodells vorgezogen werden. Die Berechnung des Existenzminimums anhand eines Warenkorbs notwendiger Güter und Dienstleistungen mit anschließender Ermittlung und Bewertung der dafür zu entrichtenden Preise ist in gleicher Weise gerechtfertigt wie der Einsatz einer Statistik- und Verbrauchsmethode unter der Prämisse, dass auch das Ausgabeverhalten unterer Einkommensgruppen der Bevölkerung zu erkennen gibt, welche Aufwendungen für das menschenwürdige Existenzminimum erforderlich sind. Die Statistik- und Verbrauchsmethode hat gegenüber der Warenkorbmethode sogar den Vorteil, dass sie nicht das über die Sicherung des physischen Überlebens hinausgehende Existenzminimum anhand einzelner ausgewählter Bedarfspositionen festsetzt, sondern die neben dem physischen Existenzminimum zusätzlich erforderlichen Aufwendungen zur Gewährleistung eines Minimums an gesellschaftlicher Teilhabe am tatsächlichen Ausgabeverhalten misst. ]C6) 167 ]C6[ bb) Das geltende Statistikmodell stützt sich auf geeignete empirische Daten. Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, aus der sich nach § 28 Abs.3 Satz 4 SGB XII und § 2 Abs.1 Satz 1 Regelsatzverordnung der Eckregelsatz ableitet, liefert eine realitätsnahe Ermittlungsgrundlage. Die freiwilligen Eintragungen in den Haushaltsbüchern der befragten Referenzgruppe, welche die Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bilden, werden durch zahlreiche Kontrollfragen verifiziert. Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bildet insofern in statistisch zuverlässiger Weise das Verbrauchsverhalten der Bevölkerung ab. ]C7) 168 ]C7[ Die Auswahl der Referenzgruppe, nach deren Ausgaben der Eckregelsatz bemessen wird, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zugrunde zu legen sind nach § 2 Abs.3 Regelsatzverordnung die Verbrauchsausgaben der untersten 20 % der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte Œ? J¿ (unterstes Quintil). Maßgeblich sind nach der Systematik der Regelsatzverordnung Einpersone | ||
bb) Das geltende Statistikmodell stützt sich auf geeignete empirische Daten. Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, aus der sich nach § 28 Abs.3 Satz 4 SGB XII und § 2 Abs.1 Satz 1 Regelsatzverordnung der Eckregelsatz ableitet, liefert eine realitätsnahe Ermittlungsgrundlage. Die freiwilligen Eintragungen in den Haushaltsbüchern der befragten Referenzgruppe, welche die Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bilden, werden durch zahlreiche Kontrollfragen verifiziert. Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bildet insofern in statistisch zuverlässiger Weise das Verbrauchsverhalten der Bevölkerung ab. | ||
Die Auswahl der Referenzgruppe, nach deren Ausgaben der Eckregelsatz bemessen wird, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zugrunde zu legen sind nach § 2 Abs.3 Regelsatzverordnung die Verbrauchsausgaben der untersten 20 % der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte (unterstes Quintil). Maßgeblich sind nach der Systematik der Regelsatzverordnung Einpersonenhaushalte. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Vorschrift, jedoch aus der Definition des Eckregelsatzes als Regelsatz für den Haushaltsvorstand oder einen Alleinstehenden in § 3 Abs.1 Satz 2 und 3 Regelsatzverordnung (vgl. BRDrucks 206/04, S.10; Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2.Aufl. 2008, § 20 Rn.23). Für die Bestimmung der für einen Alleinstehenden notwendigen Leistungen ist die Beschränkung auf Einpersonenhaushalte sachgerecht. Der Gesetzgeber konnte zudem davon ausgehen, dass die Verbrauchsausgaben dieses untersten Quintils eine geeignete Datengrundlage liefern. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht zu prüfen, ob die Wahl einer anderen Referenzgruppe, zum Beispiel des zweiten Zehntels oder Dezils, angemessener gewesen wäre. Denn die Wahl des untersten Quintils beruhte auf der sachgerechten Erwägung, die Referenzgruppe der Bezieher von geringen Einkommen möglichst breit zu fassen, um statistisch zuverlässige Daten zu verwenden. Darüber hinaus vermeidet die erfolgte Herausnahme von Sozialhilfeempfängern Zirkelschlüsse, die entstünden, wenn man das Verbrauchsverhalten von Hilfeempfängern selbst zur Grundlage der Bedarfsermittlung machen würde. | ||
Der Gesetzgeber konnte nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vertretbar davon ausgehen, dass die bei der Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 zugrunde gelegte Referenzgruppe statistisch zuverlässig über der Sozialhilfeschwelle lag (vgl. zu diesem Kriterium bereits BVerwGE_102,366 <369>). Die dazu vom Hessischen Landessozialgericht vorgebrachten Bedenken teilt der Senat nicht. Die Einbeziehung von Sozialhilfeempfängern und von Personen, die ihre Ausgaben nicht nur aus eigenem Einkommen, sondern auch durch Auflösung von Vermögen und Zuwendungen Dritter tätigen ("versteckte Armut") in das unterste Quintil würde in der Tat die Datenbasis verfälschen. Das Statistische Bundesamt hat jedoch in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass diejenigen Personen, die während des Zeitraums von drei Monaten, in denen sie Eintragungen in die Haushaltsbücher vornehmen, ihren Lebensunterhalt überwiegend aus Leistungen der Sozialhilfe bestritten haben, konsequent ausgeschlossen wurden. Was die Dunkelziffer der "versteckt armen" Haushalte anbetrifft, konnte auch der Caritasverband, der einen eigenen Vorschlag zur Bemessung der Regelleistung unter Herausrechnung dieser Haushalte unterbreitet hat, keine konkreten Angaben machen. Es ist deshalb vertretbar, dass der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, den Anteil "versteckt armer" Haushalte auf empirisch unsicherer Grundlage zu schätzen und auf diese Weise das monatliche Nettoeinkommen, das den Grenzwert für die Bestimmung der Referenzgruppe bildet, höher festzusetzen. Der Gesetzgeber bleibt freilich entsprechend seiner Pflicht zur Fortentwicklung seines Bedarfsermittlungssystems verpflichtet, bei der Auswertung künftiger Einkommens- und Verbrauchsstichproben darauf zu achten, dass Haushalte, deren Nettoeinkommen unter dem Niveau der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch und dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch inklusive der Leistungen für Unterkunft und Heizung liegt, aus der Referenzgruppe ausgeschieden werden. 170 | ||
cc) Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die in den einzelnen Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erfassten Ausgaben des untersten Quintils nicht vollständig, sondern als regelleistungsrelevanter Verbrauch nur zu einem bestimmten Prozentsatz in die Bemessung der Regelleistung einfließen. Allerdings muss der jeweilige Abschlag sachlich gerechtfertigt sein. So kann das Existenzminimum nicht allein durch die Regelleistung, sondern durch andere soziale Leistungen, zum Beispiel zur Kostendeckung von Unterkunft und Heizung, gesichert werden; dann ist es gerechtfertigt, derartige in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erfasste Ausgaben bei der Regelleistung nicht zu berücksichtigen. Aus dem gleichen Grund können auch solche Ausgaben abgesetzt werden, denen in anderen Gesetzen durch Rechtsansprüche auf Leistungen oder auf Kostenbefreiung hinreichend Rechnung getragen wird. 171 ]C0) 171 ]C0[ Die wertende Entscheidung, welche Ausgaben zum Existenzminimum zählen, hat der Normgeber sachgerecht und vertretbar zu treffen. Kürzungen von Ausgabepositionen in den Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bedürfen zu ihrer Rechtfertigung einer empirischen Grundlage. Der Gesetzgeber darf Ausgaben, welche die Referenzgruppe tätigt, nur dann als nicht relevant einstufen, wenn feststeht, dass sie anderweitig gedeckt werden oder zur Sicherung des Existenzminimums nicht notwendig sind. Auch die Höhe einer Kürzung muss sich aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe oder aus einer anderen, zuverlässigen Erhebung ergeben. Eine Schätzung auf fundierter empirischer Grundlage ist dabei nicht ausgeschlossen; Schätzungen "ins Blaue hinein" laufen jedoch einem Verfahren realitätsgerechter Ermittlung zuwider und verstoßen deshalb gegen Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 | ||
Die wertende Entscheidung, welche Ausgaben zum Existenzminimum zählen, hat der Normgeber sachgerecht und vertretbar zu treffen. Kürzungen von Ausgabepositionen in den Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bedürfen zu ihrer Rechtfertigung einer empirischen Grundlage. Der Gesetzgeber darf Ausgaben, welche die Referenzgruppe tätigt, nur dann als nicht relevant einstufen, wenn feststeht, dass sie anderweitig gedeckt werden oder zur Sicherung des Existenzminimums nicht notwendig sind. Auch die Höhe einer Kürzung muss sich aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe oder aus einer anderen, zuverlässigen Erhebung ergeben. Eine Schätzung auf fundierter empirischer Grundlage ist dabei nicht ausgeschlossen; Schätzungen "ins Blaue hinein" laufen jedoch einem Verfahren realitätsgerechter Ermittlung zuwider und verstoßen deshalb gegen Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Damit geprüft werden kann, ob die vom Gesetzgeber getroffenen Wertungen und Entscheidungen der verfassungsrechtlichen Garantie eines menschenwürdigen Existenzminimums entsprechen, trifft den Normgeber die Obliegenheit, sie nachvollziehbar zu begründen; das ist vor allem zu fordern, wenn er von seiner selbst gewählten Methode abweicht. | ||
Auszug aus BVerfG U, 09.02.10, - 1_BvL_1/09 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.132 ff | ||
§§§ |
10.004 | Anlasslose Datenspeicherung | |
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1) Eine sechsmonatige, vorsorglich anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten durch private Diensteanbieter, wie sie die Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.März 2006 (ABl L 105 vom 13.April 2006, S.54; im Folgenden: Richtlinie 2006/24/EG) vorsieht, ist mit Art.10 GG nicht schlechthin unvereinbar; auf einen etwaigen Vorrang dieser Richtlinie kommt es daher nicht an. | ||
2) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die gesetzliche Ausgestaltung einer solchen Datenspeicherung dem besonderen Gewicht des mit der Speicherung verbundenen Grundrechtseingriffs angemessen Rechnung trägt. Erforderlich sind hinreichend anspruchsvolle und normenklare Regelungen hinsichtlich der Datensicherheit, der Datenverwendung, der Transparenz und des Rechtsschutzes. | ||
3) Die Gewährleistung der Datensicherheit sowie die normenklare Begrenzung der Zwecke der möglichen Datenverwendung obliegen als untrennbare Bestandteile der Anordnung der Speicherungsverpflichtung dem Bundesgesetzgeber gemäß Art.73 Abs.1 Nr.7 GG. Demgegenüber richtet sich die Zuständigkeit für die Schaffung der Abrufregelungen selbst sowie für die Ausgestaltung der Transparenz- und Rechtsschutzbestimmungen nach den jeweiligen Sachkompetenzen. | ||
4) Hinsichtlich der Datensicherheit bedarf es Regelungen, die einen besonders hohen Sicherheitsstandard normenklar und verbindlich vorgeben. Es ist jedenfalls dem Grunde nach gesetzlich sicherzustellen, dass sich dieser an dem Entwicklungsstand der Fachdiskussion orientiert, neue Erkenntnisse und Einsichten fortlaufend aufnimmt und nicht unter dem Vorbehalt einer freien Abwägung mit allgemeinen wirtschaftlichen Gesichtspunkten steht. | ||
5) Der Abruf und die unmittelbare Nutzung der Daten sind nur verhältnismäßig, wenn sie überragend wichtigen Aufgaben des Rechtsgüterschutzes dienen. Im Bereich der Strafverfolgung setzt dies einen durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht einer schweren Straftat voraus. Für die Gefahrenabwehr und die Erfüllung der Aufgaben der Nachrichtendienste dürfen sie nur bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für eine gemeine Gefahr zugelassen werden. | ||
6) Eine nur mittelbare Nutzung der Daten zur Erteilung von Auskünften durch die Telekommunikationsdiensteanbieter über die Inhaber von Internetprotokolladressen ist auch unabhängig von begrenzenden Straftaten- oder Rechtsgüterkatalogen für die Strafverfolgung, Gefahrenabwehr und die Wahrnehmung nachrichtendienstlicher Aufgaben zulässig. Für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten können solche Auskünfte nur in gesetzlich ausdrücklich benannten Fällen von besonderem Gewicht erlaubt werden. | ||
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Urteil | Entscheidungsformel: | |
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T-10-04 | Eingriff ins Fernmeldegeheimnis | |
"Die Verfassungsbeschwerden sind im Wesentlichen begründet. Die angegriffenen Vorschriften verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG. Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof kommt nicht in Betracht, da es auf einen möglichen Vorrang des Gemeinschaftsrechts nicht ankommt. Die grundrechtlichen Gewährleistungen des Grundgesetzes stehen einer - anders gestalteten - Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG nicht entgegen. | ||
Unbegründet ist die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 4) im Verfahren 1 BvR 256/08, soweit diese eine Verletzung von Art.12 Abs.1 GG rügt. I. | ||
Die Verfassungsbeschwerden geben keinen Anlass für ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art.267 AEUV. Zwar könnte eine entsprechende Vorlage durch das Bundesverfassungsgericht (vgl BVerfGE_37,271 <282> ) insbesondere in Betracht kommen, wenn die Auslegung oder die Wirksamkeit von Gemeinschafts- beziehungsweise Unionsrecht in Frage stehen, das Vorrang vor innerstaatlichem Recht beansprucht und dessen Umsetzung vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes geprüft wird. Jedoch kann eine solche Vorlage nur dann zulässig und geboten sein, wenn es auf die Auslegung beziehungsweise Wirksamkeit des Unionsrechts ankommt. Dies ist vorliegend nicht der Fall. | ||
Die Wirksamkeit der Richtlinie 2006/24/EG und ein sich hieraus möglicherweise ergebender Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor deutschen Grundrechten sind nicht entscheidungserheblich. Der Inhalt der Richtlinie belässt der Bundesrepublik Deutschland für die Gestaltung der in ihr vorgeschriebenen Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten einen weiten Entscheidungsspielraum. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten zwar dazu, Betreibern von öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsnetzen und Kommunikationsdiensten die Speicherung von praktisch allen Telekommunikationsverkehrsdaten für eine Dauer von mindestens sechs Monaten vorzuschreiben (Art.1, 3, 5 und 6 Richtlinie 2006/24/EG). Ihre Regelungen sind dabei aber im Wesentlichen auf die Speicherungspflichten selbst beschränkt und regeln nicht den Zugang zu den Daten oder deren Verwendung durch die Behörden der Mitgliedstaaten. Insbesondere harmonisieren sie weder die Frage des Zugangs zu den Daten durch die zuständigen nationalen Strafverfolgungsbehörden noch die Frage der Verwendung und des Austausches dieser Daten zwischen diesen Behörden (vgl EuGH, Urteil vom 10.Februar 2009 - Rs.C-301/06 -, Rn.83). Ausgehend von den Mindestanforderungen der Richtlinie (Art.7 und 13 Richtlinie 2006/24/EG) liegt es ebenfalls bei den Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zur Gewährleistung von Datensicherheit, Transparenz und Rechtsschutz zu ergreifen. | ||
Mit diesem Inhalt kann die Richtlinie ohne Verstoß gegen die Grundrechte des Grundgesetzes umgesetzt werden. Das Grundgesetz verbietet eine solche Speicherung nicht unter allen Umständen. Vielmehr kann sie auch unabhängig von einem etwaigen Vorrang des Gemeinschaftsrechts nach den Maßgaben der Grundrechte des Grundgesetzes zulässig angeordnet werden (siehe unten IV). Eine Prüfung der angegriffenen Vorschriften insgesamt am Maßstab der deutschen Grundrechte gerät damit nicht in Konflikt mit der Richtlinie 2006/24/EG, so dass es auf deren Wirksamkeit und Vorrang nicht ankommt. II. | ||
Die angegriffenen Vorschriften greifen in Art.10 Abs.1 GG ein. | ||
1. Art.10 Abs.1 GG gewährleistet das Telekommunikationsgeheimnis, welches die unkörperliche Übermittlung von Informationen an individuelle Empfänger mit Hilfe des Telekommunikationsverkehrs (vgl BVerfGE_106,28 <35 f>; BVerfGE_120,274 <306 f>) vor einer Kenntnisnahme durch die öffentliche Gewalt schützt (vgl BVerfGE_100,313 <358>; BVerfgE_106,28 <37> ). Dieser Schutz erfasst dabei nicht nur die Inhalte der Kommunikation. Geschützt ist vielmehr auch die Vertraulichkeit der näheren Umstände des Kommunikationsvorgangs, zu denen insbesondere gehört, ob, wann und wie oft zwischen welchen Personen oder Telekommunikationseinrichtungen Telekommunikationsverkehr stattgefunden hat oder versucht worden ist (vgl BVerfGE_67,157 <172>; BVerfGE_85,386 <396>; BVerfGE_100,313 <358>; BVerfGE_107,299 <312 f>; BVerfGE_115,166 <183>; BVerfGE_120,274 <307>). | ||
Der Schutz durch Art.10 Abs.1 GG gilt nicht nur dem ersten Zugriff, mit dem die öffentliche Gewalt von Telekommunikationsvorgängen und -inhalten Kenntnis nimmt. Seine Schutzwirkung erstreckt sich auch auf die Informations- und Datenverarbeitungsprozesse, die sich an die Kenntnisnahme von geschützten Kommunikationsvorgängen anschließen, und auf den Gebrauch, der von den erlangten Kenntnissen gemacht wird (vgl BVerfGE_100,313 <359> ). Ein Grundrechtseingriff ist jede Kenntnisnahme, Aufzeichnung und Verwertung von Kommunikationsdaten sowie jede Auswertung ihres Inhalts oder sonstige Verwendung durch die öffentliche Gewalt (vgl BVerfGE_85,386 <398>; BVerfGE_100,313 <366>; BVerfGE_110,33 <52 f>). In der Erfassung von Telekommunikationsdaten, ihrer Speicherung, ihrem Abgleich mit anderen Daten, ihrer Auswertung, ihrer Selektierung zur weiteren Verwendung oder ihrer Übermittlung an Dritte liegen damit je eigene Eingriffe in das Telekommunikationsgeheimnis (vgl BVerfGE_100,313 <366 f> ). Folglich liegt in der Anordnung gegenüber Kommunikationsunternehmen, Telekommunikationsdaten zu erheben, zu speichern und an staatliche Stellen zu übermitteln, jeweils ein Eingriff in Art.10 Abs.1 GG (vgl BVerfGE_107,299 <313>). | ||
Das aus Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG folgende Recht auf informationelle Selbstbestimmung kommt neben Art.10 GG nicht zur Anwendung. Bezogen auf die Telekommunikation enthält Art.10 GG eine spezielle Garantie, die die allgemeine Vorschrift verdrängt und aus der sich besondere Anforderungen für die Daten ergeben, die durch Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis erlangt werden. Insoweit lassen sich allerdings die Maßgaben, die das Bundesverfassungsgericht aus Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG entwickelt hat, weitgehend auf die speziellere Garantie des Art.10 GG übertragen (vgl BVerfGE_100,313 <358 f>). | ||
2. a) Die in § 113a Abs.1 TKG den Diensteanbietern auferlegte Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten greift in das Telekommunikationsgeheimnis ein. Dies gilt zunächst für die Speicherungspflichten bezüglich der Telekommunikationsdienste gemäß § 113a Abs.2 bis 5 TKG und in Verbindung hiermit gemäß § 113a Abs.6 und 7 TKG. Die insoweit zu speichernden Angaben geben Auskunft darüber, ob, wann, wo und wie oft zwischen welchen Telekommunikationseinrichtungen Verbindungen aufgenommen oder aufzunehmen versucht wurden. Insbesondere gilt dies auch für die Speicherung der Daten zu Diensten der elektronischen Post gemäß § 113a Abs.3 TKG, deren Vertraulichkeit gleichfalls durch Art.10 Abs.1 GG geschützt wird (vgl BVerfGE_113,348 <383>; BVerfGE_120,274 <307>). Dass sich E-Mails technisch leicht abfangen lassen, ändert an deren vertraulichem Charakter und ihrer Schutzwürdigkeit nichts. Einen Eingriff in Art.10 Abs.1 GG begründet dabei auch die Speicherung der den Internetzugang betreffenden Daten gemäß § 113a Abs.4 TKG. Zwar ermöglicht der Internetzugang nicht nur die Aufnahme von Individualkommunikation, die dem Schutz des Telekommunikationsgeheimnisses unterfällt, sondern auch die Teilnahme an Massenkommunikation. Da eine Unterscheidung zwischen Individual- und Massenkommunikation ohne eine der Schutzfunktion des Grundrechts zuwiderlaufende Anknüpfung an den Inhalt der jeweils übermittelten Information nicht möglich ist, ist bereits in der Speicherung der den Internetzugang als solchen betreffenden Daten ein Eingriff zu sehen, auch wenn sie Angaben über die aufgerufenen Internetseiten nicht enthalten (vgl Gusy, in: v Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.1, 5.Aufl. 2005, Art.10 Rn.44; Hermes, in: Dreier, GG, Bd.1, 2.Aufl 2004, Art.10 Rn.39). | ||
Die Eingriffsqualität des § 113a TKG wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die in dieser Vorschrift vorgeschriebene Speicherung nicht durch den Staat selbst, sondern durch private Diensteanbieter erfolgt. Denn diese werden allein als Hilfspersonen für die Aufgabenerfüllung durch staatliche Behörden in Anspruch genommen. § 113a TKG verpflichtet die privaten Telekommunikationsunternehmen zur Datenspeicherung allein für die Aufgabenerfüllung durch staatliche Behörden zu Zwecken der Strafverfolgung, der Gefahrenabwehr und der Erfüllung nachrichtendienstlicher Aufgaben gemäß § 113b TKG. Dabei ordnet der Staat die mit der Speicherung verbundene Grundrechtsbeeinträchtigung unmittelbar an, ohne dass den speicherungspflichtigen Unternehmen insoweit ein Handlungsspielraum verbleibt; die Daten sind so zu speichern, dass Auskunftsersuchen der berechtigten öffentlichen Stellen nach § 113a Abs.9 TKG unverzüglich erfüllt werden können. Unter diesen Voraussetzungen ist die Speicherung der Daten rechtlich dem Gesetzgeber als unmittelbarer Eingriff in Art.10 Abs.1 GG zuzurechnen (vgl BVerfGE_107,299 <313 f>). | ||
b) Grundrechtseingriffe in Art.10 Abs.1 GG liegen auch in den Regelungen zur Datenübermittlung in § 113b Satz 1 Halbsatz 1 TKG. Zwar eröffnet diese Vorschrift für sich genommen noch keine Verwendung der nach § 113a TKG gespeicherten Daten, sondern verweist auf weitere gesetzlich eigens zu schaffende Abrufnormen. Jedoch liegt in ihr die grundlegende Bestimmung, für welche Zwecke die Daten verwendet werden dürfen. Sie befreit diesbezüglich die Telekommunikationsunternehmen von ihrer im Übrigen geltenden Geheimhaltungspflicht. Dass die Datenverwendung letztlich endgültig erst im gestuften Ineinandergreifen von Vorschriften auf verschiedenen Normebenen ihre Gesamtregelung findet, ändert nichts daran, dass die Definition der Verwendungszwecke und die Erlaubnis zur Datenübermittlung Teil der Verwendungsregelung sind und insoweit Eingriffscharakter haben. Auch hier ist es unerheblich, dass § 113b TKG eine Übermittlung der Daten seitens privater Diensteanbieter betrifft. Die vorgesehene Übermittlung beruht auf einer gesetzlichen Regelung und damit unmittelbar auf einem Akt der nach Art.1 Abs.3 GG grundrechtsgebundenen öffentlichen Gewalt, setzt eine hoheitliche Anordnung im Einzelfall voraus und erfolgt an Behörden. Sie ist damit rechtlich als Eingriff des Staates anzusehen. | ||
c) Einen Eingriff in Art.10 Abs.1 GG begründet auch § 113b Satz 1 Halbsatz 2 in Verbindung mit § 113 Abs.1 TKG. Danach können Behörden von den Diensteanbietern Auskünfte über Bestands- und Kundendaten gemäß §§ 95, 111 TKG verlangen, die die Diensteanbieter nur unter Nutzung der nach § 113a Abs.4 TKG gespeicherten Daten ermitteln können. Unabhängig von der Frage, ob und wieweit in Auskünften gemäß § 113 TKG allgemein ein Eingriff in Art.10 Abs.1 GG liegt beziehungsweise ob insoweit grundsätzlich allein das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG einschlägig ist, ist jedenfalls für Auskünfte gemäß § 113b Satz 1 Halbsatz 2, § 113 Abs.1 TKG ein Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis des Art.10 Abs.1 GG zu bejahen. Denn es wird hier die Nutzung der gemäß § 113a TKG gespeicherten und damit durch einen Eingriff in Art.10 Abs.1 GG gewonnenen Daten geregelt. Jede Folgeverwendung von Daten, die einmal in Form eines Eingriffs in Art.10 Abs.1 GG erhoben worden sind, bleibt stets an diesem Grundrecht zu messen (vgl BVerfGE_100,313 <359>; BVerfGE_110,33 <68 f>; BVerfGE_113,348 <365>). Auch hier kann es nicht darauf ankommen, dass diese gesetzlich vorgeschriebene Nutzung nicht durch die öffentliche Hand selbst, sondern - in Erfüllung des Auskunftsverlangens - durch private Anbieter erfolgt. | ||
d) Einen Eingriff in Art.10 Abs.1 GG begründet schließlich auch § 100g StPO. Er ermöglicht den Strafverfolgungsbehörden, sich die nach § 113a TKG gespeicherten Daten von den zur Speicherung Verpflichteten übermitteln zu lassen und zu nutzen. § 100g Abs.1 Satz 1 StPO selbst sowie das Gebrauchmachen von dieser Ermächtigung greifen als Akte der öffentlichen Gewalt daher gleichfalls in den Schutzbereich von Art.10 Abs.1 GG ein. III. | ||
In formeller Hinsicht begegnen die angegriffenen Vorschriften keinen Bedenken. Sie genügen dem Gesetzesvorbehalt des Art.10 Abs.2 Satz 1 GG und sind durch eine Kompetenz des Bundes gedeckt. | ||
1. Beschränkungen des Telekommunikationsgeheimnisses dürfen gemäß Art.10 Abs.2 Satz 1 GG nur aufgrund eines Gesetzes angeordnet werden. Keinen Zweifeln unterliegen insoweit zunächst § 113b TKG und § 100g StPO, die - gegebenenfalls im Zusammenwirken mit weiteren Vorschriften - eine gesetzliche Grundlage für den Erlass einzelfallbezogener Anordnungen darstellen, aufgrund deren der Zugriff auf die Daten erfolgt. Verfassungsrechtlich unbedenklich ist insoweit auch § 113a TKG, der für die Speicherung der Daten nicht auf einzelfallbezogene Anordnungen verweist, sondern diese unmittelbar selbst vorschreibt. Art.10 Abs.2 Satz 1 GG steht Beschränkungen des Telekommunikationsgeheimnisses auch unmittelbar durch Gesetz nicht entgegen (vgl BVerfGE_85,386 <396 ff>). | ||
2. Dem Bund fehlt es nicht an einer Gesetzgebungskompetenz. Die §§ 113a, 113b TKG finden ihre Kompetenzgrundlage in Art.73 Abs.1 Nr.7 GG, § 100g StPO findet sie in Art.74 Abs.1 Nr.1, Art.72 Abs.1 GG. | ||
Art.73 Abs.1 Nr.7 GG berechtigt unmittelbar allerdings nur zur Regelung der technischen Seite der Errichtung einer Telekommunikationsinfrastruktur und der Informationsübermittlung mit Hilfe von Telekommunikationsanlagen. Von der Norm nicht umfasst sind Regelungen, die auf die übermittelten Inhalte oder die Art der Nutzung der Telekommunikation gerichtet sind (vgl BVerfGE_113,348 <368>; BVerfGE_114,371 <385> ) und etwa eine Telekommunikationsüberwachung zum Zwecke der Erlangung von Informationen für Aufgaben der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr vorsehen. Solche Regelungen sind im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz jeweils dem Rechtsbereich zuzuordnen, für dessen Zwecke die Überwachung erfolgt (vgl BVerfGE_113,348 <368>). 201 | ||
Die §§ 113a und 113b TKG sind von der Kompetenz zur Regelung des Telekommunikationsrechts jedoch als Bestandteil der hiermit zu verbindenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen kraft Sachzusammenhangs miterfasst. Mangels ausdrücklicher Kompetenzzuweisung fällt das Recht des Datenschutzes zwar grundsätzlich in die Zuständigkeit der Länder. Eine bundesgesetzliche Zuständigkeit für dessen Regelung besteht kraft Sachzusammenhangs jedoch insoweit, als der Bund eine ihm zur Gesetzgebung zugewiesene Materie verständigerweise nicht regeln kann, ohne dass die datenschutzrechtlichen Bestimmungen mitgeregelt werden (vgl BVerfGE_3,407 <421>; BVerfGE_98,265 <299>; BVerfGE_106,62 <115>; BVerfGE_110,33 <48> ; stRspr; zum Datenschutzrecht vgl Simitis, in: Simitis, BDSG, 6.Aufl 2006, § 1 Rn.4). Dies ist für die §§ 113a, 113b TKG der Fall. Diese stehen im Zusammenhang mit den Bestimmungen des Telekommunikationsgesetzes zum Datenschutz und normieren in Anknüpfung an die Regelung der technischen Bedingungen der Informationsübermittlung die jeweils zu beachtenden Anforderungen an den Umgang mit den bei der Erbringung von Telekommunikationsdiensten erzeugten oder verarbeiteten Daten. Sie knüpfen damit unmittelbar an Sachverhalte an, die in den Bereich der Gesetzgebungsmaterie der Telekommunikation fallen. Wegen dieses engen Zusammenhangs zwischen technischem Übermittlungsvorgang und den dabei anfallenden Daten kann die erforderliche datenschutzrechtliche Regelung ihrer Verwendung nur einheitlich durch den Bundesgesetzgeber erfolgen, der über die Kompetenz zur Regelung des Übermittlungsvorgangs verfügt. Andernfalls bestünde die Gefahr eines Inkongruenzen verursachenden Auseinanderfallens der technischen und datenschutzrechtlichen Regelungen der Datenverarbeitung. Dementsprechend enthält das Telekommunikationsgesetz neben den Regelungen der §§ 113a und 113b TKG und über das Fernmeldegeheimnis in den §§ 88 ff. TKG auch in den §§ 91 bis 107 TKG umfangreiche bereichsspezifische Regelungen zum Datenschutz, deren kompetenzielle Rechtmäßigkeit bisher - soweit ersichtlich - nicht ernsthaft in Zweifel gezogen wurde. 202 | ||
Der Reichweite nach kann der Bund auf dieser Kompetenzgrundlage diejenigen Regelungen treffen, die zu einer grundrechtskonformen Regelung der Datenverwendung erforderlich sind. Insbesondere kann er die Bestimmungen vorsehen, die notwendig sind, damit die in § 113a TKG vorgesehene Datenspeicherung und die Übermittlung der Daten an Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörden sowie Nachrichtendienste und ihre Verwendung zur Erteilung von Auskünften nach § 113 TKG den grundrechtlichen Anforderungen von Art.10 Abs.1 GG genügen. Da Eingriffe in Art.10 Abs.1 GG voraussetzen, dass ihr Zweck bereichsspezifisch, präzise und normenklar bestimmt ist (vgl BVerfGE_100,313 <359 f>; BVerfGE_110,33 <53>; BVerfGE_115,320 <365>; BVerfGE_118,168 <187 f> ), beinhaltet dies die Kompetenz zur bereichsspezifischen, präzisen und normenklaren Regelung des Zwecks der Speicherung. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes reicht diesbezüglich freilich nur so weit, wie dies nach datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten und den hiermit verbundenen verfassungsrechtlichen Anforderungen geboten ist. Die Ermächtigungen zum Datenabruf selbst kann der Bund deshalb nicht auf Art.73 Abs.1 Nr.7 GG stützen. Er bedarf dafür eines eigenen Kompetenztitels oder muss die Entscheidung hierüber den Ländern überlassen. | ||
§§ 113a, 113b TKG tragen dem vom Grundsatz her Rechnung. Sie beschränken sich allein darauf, durch Speicherungspflichten und Übermittlungsregelungen die Voraussetzungen für einen staatlichen Zugriff auf die Daten zu schaffen. Deren Ausfüllung bleibt demgegenüber eigenen Regelungen zum Datenabruf überlassen. Unbeschadet der materiellrechtlichen Frage, ob der Bund die Verwendungszwecke hierbei sachlich hinreichend begrenzt hat (siehe unten C V 5 und VI 3 b), sind hiergegen kompetenzrechtlich keine Einwände zu erheben. IV. | ||
Materiell verfassungsgemäß sind die Eingriffe in das Telekommunikationsgeheimnis, wenn sie legitimen Gemeinwohlzwecken dienen und im Übrigen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (vgl BVerfGE_100,313 <359>), das heißt zur Erreichung der Zwecke geeignet, erforderlich und angemessen sind (vgl BVerfGE_109,279 <335 ff>; BVerfGE_115,320 <345>; BVerfGE_118,168 <193>; BVerfGE_120,274 <318 f>; stRspr). | ||
Eine sechsmonatige anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten für qualifizierte Verwendungen im Rahmen der Strafverfolgung, der Gefahrenabwehr und der Aufgaben der Nachrichtendienste, wie sie die §§ 113a, 113b TKG anordnen, ist danach mit Art.10 GG nicht schlechthin unvereinbar. Der Gesetzgeber kann mit einer solchen Regelung legitime Zwecke verfolgen, für deren Erreichung eine solche Speicherung im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geeignet und erforderlich ist. Einer solchen Speicherung fehlt es auch in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne nicht von vornherein an einer Rechtfertigungsfähigkeit. Bei einer Ausgestaltung, die dem besonderen Gewicht des hierin liegenden Eingriffs hinreichend Rechnung trägt, unterfällt eine anlasslose Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten nicht schon als solche dem strikten Verbot einer Speicherung von Daten auf Vorrat im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl BVerfGE_65,1 <46 f>; BVerfGE_115,320 <350>; BVerfGE_118,168 <187>). | ||
1. Die Effektivierung der Strafverfolgung, der Gefahrenabwehr und der Erfüllung der Aufgaben der Nachrichtendienste sind legitime Zwecke, die einen Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis grundsätzlich rechtfertigen können (vgl BVerfGE_100,313 <373, 383 f>; BVerfGE_107,299 <316>; BVerfGE_109,279 <336>; BVerfGE_115,320 <345>). Dabei liegt eine illegitime, das Freiheitsprinzip des Art.10 Abs.1 GG selbst aufhebende Zielsetzung nicht schon darin, dass die Telekommunikationsverkehrsdaten anlasslos vorsorglich gesichert werden sollen. Art.10 Abs.1 GG verbietet nicht jede vorsorgliche Erhebung und Speicherung von Daten überhaupt, sondern schützt vor einer unverhältnismäßigen Gestaltung solcher Datensammlungen und hierbei insbesondere vor entgrenzenden Zwecksetzungen. Strikt verboten ist lediglich die Speicherung von personenbezogenen Daten auf Vorrat zu unbestimmten und noch nicht bestimmbaren Zwecken (vgl BVerfGE_65,1 <46>; BVerfGE_100,313 <360> ). Eine vorsorglich anlasslose Datenspeicherung ist allerdings nur ausnahmsweise zulässig. Sie unterliegt sowohl hinsichtlich ihrer Begründung als auch hinsichtlich ihrer Ausgestaltung, insbesondere auch in Bezug auf die vorgesehenen Verwendungszwecke, besonders strengen Anforderungen. | ||
2. Eine vorsorglich anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten zur späteren anlassbezogenen Übermittlung an die für die Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr zuständigen Behörden beziehungsweise an die Nachrichtendienste darf der Gesetzgeber zur Erreichung seiner Ziele als geeignet ansehen. Es werden hierdurch Aufklärungsmöglichkeiten geschaffen, die sonst nicht bestünden und angesichts der zunehmenden Bedeutung der Telekommunikation auch für die Vorbereitung und Begehung von Straftaten in vielen Fällen erfolgversprechend sind. Unerheblich ist, ob die vom Gesetzgeber geschaffenen Regelungen in der Lage sind, lückenlos alle Telekommunikationsverbindungen zu rekonstruieren. Auch wenn eine solche Datenspeicherung nicht sicherstellen kann, dass alle Telekommunikationsverbindungen verlässlich bestimmten Anschlussnehmern zugeordnet werden können, und etwa Kriminelle die Speicherung durch die Nutzung von Hotspots, Internetcafés, ausländischen Internettelefondiensten oder unter falschen Namen angemeldeten Prepaid-Handys unterlaufen können, kann dies der Geeignetheit einer solchen Regelung nicht entgegenhalten werden. Diese erfordert nicht, dass das Regelungsziel in jedem Einzelfall tatsächlich erreicht wird, sondern verlangt lediglich, dass die Zweckerreichung gefördert wird (vgl BVerfGE_63,88 <115>; BVerfGE_67,157 <175>; BVerfGE_96,10 <23>; BVerfGE_103,293 <307>). | ||
3. Der Gesetzgeber darf eine sechsmonatige Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten auch als erforderlich beurteilen. Weniger einschneidende Mittel, die ebenso weitreichende Aufklärungsmaßnahmen ermöglichen, sind nicht ersichtlich. Eine vergleichbar effektive Aufklärungsmöglichkeit liegt insbesondere nicht im sogenannten Quick-Freezing-Verfahren, bei dem an die Stelle der anlasslos-generellen Speicherung der Telekommunikationsdaten eine Speicherung nur im Einzelfall und erst zu dem Zeitpunkt angeordnet wird, zu dem dazu etwa wegen eines bestimmten Tatverdachts konkreter Anlass besteht. Ein solches Verfahren, das Daten aus der Zeit vor der Anordnung ihrer Speicherung nur erfassen kann, soweit sie noch vorhanden sind, ist nicht ebenso wirksam wie eine kontinuierliche Speicherung, die das Vorhandensein eines vollständigen Datenbestandes für die letzten sechs Monate gewährleistet. | ||
4. Eine sechsmonatige Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten in einem wie in § 113a TKG vorgesehenen Umfang ist auch nicht von vornherein unverhältnismäßig im engeren Sinne. | ||
a) Allerdings handelt es sich bei einer solchen Speicherung um einen besonders schweren Eingriff mit einer Streubreite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt: Erfasst werden über den gesamten Zeitraum von sechs Monaten praktisch sämtliche Telekommunikationsverkehrsdaten aller Bürger ohne Anknüpfung an ein zurechenbar vorwerfbares Verhalten, eine - auch nur abstrakte - Gefährlichkeit oder sonst eine qualifizierte Situation. Die Speicherung bezieht sich dabei auf Alltagshandeln, das im täglichen Miteinander elementar und für die Teilnahme am sozialen Leben in der modernen Welt nicht mehr verzichtbar ist. Grundsätzlich ist keine Form der Telekommunikation prinzipiell von der Speicherung ausgenommen. Zwar lässt die Regelung im Ergebnis vereinzelt Lücken, die verhindern, dass ausnahmslos jede Telekommunikationsverbindung individualisierend rekonstruiert werden kann, wie unter Umständen bei Nutzung von Hotspots, unübersichtlichen privaten Netzwerken oder Diensteanbietern im nichteuropäischen Ausland. Eine reguläre Ausweichmöglichkeit für den Bürger eröffnet dies jedoch nicht. Der Gesetzgeber versucht vielmehr, grundsätzlich alle Telekommunikationsverbindungen so zu erfassen, dass die Nutzer möglichst flächendeckend ermittelt werden können. | ||
Die Aussagekraft dieser Daten ist weitreichend. Je nach Nutzung von Telekommunikationsdiensten seitens der Betroffenen lassen sich schon aus den Daten selbst - und erst recht, wenn diese als Anknüpfungspunkte für weitere Ermittlungen dienen - tiefe Einblicke in das soziale Umfeld und die individuellen Aktivitäten eines jeden Bürgers gewinnen. Zwar werden mit einer Telekommunikationsverkehrsdatenspeicherung, wie in § 113a TKG vorgesehen, nur die Verbindungsdaten (Zeitpunkt, Dauer, beteiligte Anschlüsse sowie - bei der Mobiltelefonie - der Standort) festgehalten, nicht aber auch der Inhalt der Kommunikation. Auch aus diesen Daten lassen sich jedoch bei umfassender und automatisierter Auswertung bis in die Intimsphäre hineinreichende inhaltliche Rückschlüsse ziehen. Adressaten (deren Zugehörigkeit zu bestimmten Berufsgruppen, Institutionen oder Interessenverbänden oder die von ihnen angebotenen Leistungen), Daten, Uhrzeit und Ort von Telefongesprächen erlauben, wenn sie über einen längeren Zeitraum beobachtet werden, in ihrer Kombination detaillierte Aussagen zu gesellschaftlichen oder politischen Zugehörigkeiten sowie persönlichen Vorlieben, Neigungen und Schwächen derjenigen, deren Verbindungsdaten ausgewertet werden. Einen Vertraulichkeitsschutz gibt es insoweit nicht. Je nach Nutzung der Telekommunikation und künftig in zunehmender Dichte kann eine solche Speicherung die Erstellung aussagekräftiger Persönlichkeits- und Bewegungsprofile praktisch jeden Bürgers ermöglichen. Bezogen auf Gruppen und Verbände erlauben die Daten überdies unter Umständen die Aufdeckung von internen Einflussstrukturen und Entscheidungsabläufen. | ||
Eine Speicherung, die solche Verwendungen grundsätzlich ermöglicht und in bestimmten Fällen ermöglichen soll, begründet einen schwerwiegenden Eingriff. Von Gewicht ist hierbei auch, dass unabhängig von einer wie auch immer geregelten Ausgestaltung der Datenverwendung das Risiko von Bürgern erheblich steigt, weiteren Ermittlungen ausgesetzt zu werden, ohne selbst Anlass dazu gegeben zu haben. Es reicht etwa aus, zu einem ungünstigen Zeitpunkt in einer bestimmten Funkzelle gewesen oder von einer bestimmten Person kontaktiert worden zu sein, um in weitem Umfang Ermittlungen ausgesetzt zu werden und unter Erklärungsdruck zu geraten. Auch die Missbrauchsmöglichkeiten, die mit einer solchen Datensammlung verbunden sind, verschärfen deren belastende Wirkung. Das gilt insbesondere wegen der Vielzahl verschiedener privater Anbieter, bei denen die Telekommunikationsdaten gespeichert werden. Schon angesichts der Anzahl der Speicherungsverpflichteten ist die Zahl derjenigen groß, die Zugriff auf solche Daten haben und haben müssen. Da die Speicherungspflicht kleinere Diensteanbieter mitbetrifft, stößt die Sicherung vor Missbrauch ungeachtet aller möglichen und erforderlichen Anstrengungen des Gesetzgebers auch in Blick auf deren Leistungsfähigkeit auf strukturelle Grenzen. Verstärkt wird dies dadurch, dass die Anforderungen an die Datenverwaltung und die Übermittlung der Daten an die Behörden ein hohes Maß an Technikbeherrschung sowie anspruchsvolle Software voraussetzen, womit sich zwangsläufig die Gefahr von Schwachstellen und das Risiko von Manipulationen durch interessierte Dritte verbinden. Besonderes Gewicht bekommt die Speicherung der Telekommunikationsdaten weiterhin dadurch, dass sie selbst und die vorgesehene Verwendung der gespeicherten Daten von den Betroffenen unmittelbar nicht bemerkt werden, zugleich aber Verbindungen erfassen, die unter Vertraulichkeitserwartungen aufgenommen werden. Hierdurch ist die anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten geeignet, ein diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen, das eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte in vielen Bereichen beeinträchtigen kann. 213 | ||
b) Trotz der außerordentlichen Streubreite und des mit ihr verbundenen Eingriffsgewichts ist dem Gesetzgeber die Einführung einer sechsmonatigen Speicherungspflicht, wie in § 113a TKG vorgesehen, verfassungsrechtlich nicht schlechthin verboten. Allerdings entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass dem Staat eine Sammlung von personenbezogenen Daten auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken verfassungsrechtlich strikt untersagt ist (vgl BVerfGE_65,1 <46>; BVerfGE_100,313 <360>; BVerfGE_115,320 <350>; BVerfGE_118,168 <187>). Um eine solche von vornherein verbotene Form der Datensammlung handelt es sich bei einer vorsorglich anlasslosen Speicherung der Telekommunikationsverbindungsdaten nicht in jedem Fall. Erfolgt sie zu bestimmten Zwecken, kann eine solche Speicherung eingebunden in eine dem Eingriff adäquate gesetzliche Ausgestaltung (siehe unten V) vielmehr auch den Verhältnismäßigkeitsanforderungen im engeren Sinne genügen. | ||
aa) Maßgeblich ist hierfür zunächst, dass die vorgesehene Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten nicht direkt durch den Staat, sondern durch eine Verpflichtung der privaten Diensteanbieter verwirklicht wird. Die Daten werden damit bei der Speicherung selbst noch nicht zusammengeführt, sondern bleiben verteilt auf viele Einzelunternehmen und stehen dem Staat unmittelbar als Gesamtheit nicht zur Verfügung. Dieser hat insbesondere, was durch entsprechende Regelungen und technische Vorkehrungen sicherzustellen ist, keinen direkten Zugriff auf die Daten. Der Abruf der Daten seitens staatlicher Stellen erfolgt erst in einem zweiten Schritt und nunmehr anlassbezogen nach rechtlich näher festgelegten Kriterien. Die Ausgestaltung der zum Abruf und zur weiteren Verwendung der gespeicherten Daten ermächtigenden Bestimmungen kann dabei sicherstellen, dass die Speicherung nicht zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken erfolgt. So kann und muss bei Anordnung einer solchen Speicherungspflicht gewährleistet werden, dass eine tatsächliche Kenntnisnahme und Verwendung der Daten in normenklarer Form in einer Weise begrenzt bleibt, die dem Gewicht der weitreichenden Datenerfassung Rechnung trägt und den Abruf sowie die tatsächliche Verwendung der Daten auf den unbedingt erforderlichen Teil der Datensammlung beschränkt. Die Trennung von Speicherung und Abruf fördert strukturell zugleich die - durch gesetzliche Ausgestaltung näher zu gewährleistende - Transparenz und Kontrolle der Datenverwendung. | ||
bb) Eine sechsmonatige Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten hebt auch nicht bereits aus sich heraus das Prinzip des Art.10 Abs.1 GG als solches auf; sie verletzt weder dessen Menschenwürdekern (Art.1 Abs.1 GG) noch dessen Wesensgehalt (Art.19 Abs.2 GG). Sie bleibt trotz ihrer außerordentlichen Weite noch wirksam begrenzt. So wird der Inhalt der Telekommunikation von der auf die Verkehrsdaten beschränkten Speicherung ausgespart. Auch bleibt die Speicherungsdauer zeitlich begrenzt. Zwar ist eine Speicherungsdauer von sechs Monaten angesichts des Umfangs und der Aussagekraft der gespeicherten Daten sehr lang und liegt an der Obergrenze dessen, was unter Verhältnismäßigkeitserwägungen rechtfertigungsfähig ist. Nach ihrem Ablauf kann sich der Bürger jedoch darauf verlassen, dass seine Daten - sofern sie nicht aus gewichtigem Anlass ausnahmsweise abgerufen wurden - gelöscht werden und für niemanden mehr rekonstruierbar sind. | ||
cc) Eine Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten für sechs Monate stellt sich auch nicht als eine Maßnahme dar, die auf eine Totalerfassung der Kommunikation oder Aktivitäten der Bürger insgesamt angelegt wäre. Sie knüpft vielmehr in noch begrenzt bleibender Weise an die besondere Bedeutung der Telekommunikation in der modernen Welt an und reagiert auf das spezifische Gefahrenpotential, das sich mit dieser verbindet. Die neuen Telekommunikationsmittel überwinden Zeit und Raum in einer mit anderen Kommunikationsformen unvergleichbaren Weise und grundsätzlich unter Ausschluss öffentlicher Wahrnehmung. Sie erleichtern damit zugleich die verdeckte Kommunikation und Aktion von Straftätern und ermöglichen es auch verstreuten Gruppen von wenigen Personen, sich zusammenzufinden und effektiv zusammenzuarbeiten. Durch die praktisch widerstandsfreie Kommunikation wird eine Bündelung von Wissen, Handlungsbereitschaft und krimineller Energie möglich, die die Gefahrenabwehr und Strafverfolgung vor neuartige Aufgaben stellt. Manche Straftaten erfolgen unmittelbar mit Hilfe der neuen Technik. Eingebunden in ein Konglomerat von nurmehr technisch miteinander kommunizierenden Rechnern und Rechnernetzen entziehen sich solche Aktivitäten weithin der Beobachtung. Zugleich können sie - etwa durch Angriffe auf die Telekommunikation Dritter - auch neuartige Gefahren begründen. Eine Rekonstruktion gerade der Telekommunikationsverbindungen ist daher für eine effektive Strafverfolgung und Gefahrenabwehr von besonderer Bedeutung. | ||
Hinzu kommt, dass es hinsichtlich der Telekommunikationsdaten mangels öffentlicher Wahrnehmbarkeit auch kein gesellschaftliches Gedächtnis gibt, das es wie in anderen Bereichen erlaubte, zurückliegende Vorgänge auf der Grundlage zufälliger Erinnerung zu rekonstruieren: Telekommunikationsdaten werden entweder gelöscht und sind dann ganz verloren oder werden gespeichert und sind damit voll verfügbar. Daher darf der Gesetzgeber bei der Entscheidung, wie weit solche Daten zu löschen oder zu speichern sind, einen Interessenausgleich vornehmen und die Belange staatlicher Aufgabenwahrnehmung berücksichtigen. Hierbei kann er auch in seine Erwägungen einbeziehen, dass die Verbreitung bestimmter Vertragsgestaltungen der Telekommunikationsdiensteanbieter (wie die Zunahme von Flatrates) bei Geltung einer strikten Löschungspflicht für Telekommunikationsverkehrsdaten, die für die Vertragsabwicklung nicht benötigt werden, die Verfügbarkeit solcher Daten reduziert. Auch insoweit kann sich die vorsorgliche Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten auf Gesichtspunkte stützen, die in Besonderheiten der modernen Telekommunikation einen spezifischen Grund haben. | ||
Umgekehrt darf die Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten nicht als Schritt hin zu einer Gesetzgebung verstanden werden, die auf eine möglichst flächendeckende vorsorgliche Speicherung aller für die Strafverfolgung oder Gefahrenprävention nützlichen Daten zielte. Eine solche Gesetzgebung wäre, unabhängig von der Gestaltung der Verwendungsregelungen, von vornherein mit der Verfassung unvereinbar. Die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit einer vorsorglich anlasslosen Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten setzt vielmehr voraus, dass diese eine Ausnahme bleibt. Sie darf auch nicht im Zusammenspiel mit anderen vorhandenen Dateien zur Rekonstruierbarkeit praktisch aller Aktivitäten der Bürger führen. Maßgeblich für die Rechtfertigungsfähigkeit einer solchen Speicherung ist deshalb insbesondere, dass sie nicht direkt durch staatliche Stellen erfolgt, dass sie nicht auch die Kommunikationsinhalte erfasst und dass auch die Speicherung der von ihren Kunden aufgerufenen Internetseiten durch kommerzielle Diensteanbieter grundsätzlich untersagt ist. Die Einführung der Telekommunikationsverkehrsdatenspeicherung kann damit nicht als Vorbild für die Schaffung weiterer vorsorglich anlassloser Datensammlungen dienen, sondern zwingt den Gesetzgeber bei der Erwägung neuer Speicherungspflichten oder -berechtigungen in Blick auf die Gesamtheit der verschiedenen schon vorhandenen Datensammlungen zu größerer Zurückhaltung. Dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf, gehört zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland (vgl zum grundgesetzlichen Identitätsvorbehalt BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30.Juni 2009 - 2_BvE_2/08 ua -, juris, Rn.240), für deren Wahrung sich die Bundesrepublik in europäischen und internationalen Zusammenhängen einsetzen muss. Durch eine vorsorgliche Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten wird der Spielraum für weitere anlasslose Datensammlungen auch über den Weg der Europäischen Union erheblich geringer. | ||
dd) Zusammenfassend ist eine sechsmonatige Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten in dem vom Gesetzgeber in § 113a Abs.1 bis 8 TKG vorgesehenen Umfang unter den gegenwärtigen Umständen nicht von vornherein unverhältnismäßig. Für ihre verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit ist allerdings Voraussetzung, dass die Ausgestaltung der Speicherung und der Verwendung der Daten dem besonderen Gewicht einer solchen Speicherung angemessen Rechnung trägt. V. | ||
Die Ausgestaltung einer vorsorglichen Telekommunikationsverkehrsdatenspeicherung, wie sie in § 113a TKG vorgesehen ist, unterliegt besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen insbesondere hinsichtlich der Datensicherheit, des Umfangs der Datenverwendung, der Transparenz und des Rechtsschutzes. Nur wenn diesbezüglich hinreichend anspruchsvolle und normenklare Regelungen getroffen sind, ist der in einer solchen Speicherung liegende Eingriff verhältnismäßig im engeren Sinne. | ||
Auszug aus BVerfG U, 02.03.10, - 1_BvR_256/08 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.183 ff | ||
§§§ |
10.005 | Fachhochschullehrer | |
---|---|---|
| ||
1) Fachhochschullehrer, denen die eigenständige Vertretung eines wissenschaftlichen Faches in Forschung und Lehre übertragen worden ist, können sich auf die Freiheit von Wissenschaft, Lehre und Forschung (Art.5 Abs.3 GG) berufen. | ||
2) Anweisungen hinsichtlich der Lehre berühren das Recht des Hochschullehrers, sein Fach in Forschung und Lehre zu vertreten. | ||
§§§ |
10.006 | Privatisierung-Kliniken | |
---|---|---|
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Zur Gleichbehandlung von Arbeitnehmergruppen bei der Privatisierung der Kliniken der Freien und Hansestadt Hamburg. | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
10.007 | Regelung des Verwaltungsverfahrens | |
---|---|---|
| ||
1) Bundesgesetzliche Regelungen des Verwaltungsverfahrens im Bereich der Auftragsverwaltung nach Art.85 GG bedürfen nicht der Zustimmung des Bundesrates. | ||
2) Art.87d Abs.2 GG unterwirft nur die Übertragung von Aufgaben auf die Länder, nicht die Rückübertragung auf den Bund der Zustimmung des Bundesrates. | ||
3) Änderungen in der Ausgestaltung einer bereits übertragenen Aufgabe stellen nur dann eine gemäß Art.87d Abs.2 GG zustimmungspflichtige neue Aufgabenübertragung dar, wenn sie der übertragenen Aufgabe eine wesentlich andere Bedeutung und Tragweite verleihen. Dazu genügt es grundsätzlich nicht, dass eine Gesetzesänderung nur zu einer quantitativen Erhöhung der Aufgabenlast führt. | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
10.008 | Privater Rettungsdienst | |
---|---|---|
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1) Die Eingliederung des privaten in die Trägerschaft des öffentlichen Rettungsdienstes ist als Eingriff in die Berufsfreiheit jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn dies nach der nicht offensichtlich fehlsamen Einschätzung des Gesetzgebers Verbesserungen bei dem Schutz der Bevölkerung, bei der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung sowie hinsichtlich der Transparenz und Chancengleichheit im Verfahren zur Auswahl der Leistungserbringer erwarten lässt. | ||
2) Auch bei objektiven Berufszugangsvoraussetzungen, die im Allgemeinen nur zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut gerechtfertigt sind, ist bei der verfassungsgerichtlichen Prüfung ein Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers hinsichtlich der Gefahrenlage und des Grades der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts zu beachten. | ||
§§§ |
10.009 | Untreuetatbestand | |
---|---|---|
| ||
1) Der Untreuetatbestand des § 266 Abs.1 StGB ist mit dem Bestimmtheitsgebot des Art.103 Abs.2 GG zu vereinbaren. | ||
2) Die Rechtsprechung ist gehalten, Unklarheiten über den Anwendungsbereich von Strafnormen durch Präzisierung und Konkretisierung im Wege der Auslegung nach Möglichkeit auszuräumen (Präzisierungsgebot). | ||
3) Der in Art.103 Abs.2 GG zum Ausdruck kommende strenge Gesetzesvorbehalt erhöht die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte. | ||
§§§ |
10.010 | Häusliches Arbeitszimmer | |
---|---|---|
| ||
Zur Berücksichtigung der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer im Einkommensteuerrecht. | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
10.011 | Ultra-vires-Kontrolle | |
---|---|---|
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1) a) Eine Ultra-vires-Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht kommt nur in Betracht, wenn ein Kompetenzverstoß der europäischen Organe hinreichend qualifiziert ist. Das setzt voraus, dass das kompetenzwidrige Handeln der Unionsgewalt offensichtlich ist und der angegriffene Akt im Kompetenzgefüge zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zulasten der Mitgliedstaaten führt. | ||
2) Zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes ist zu erwägen, in Konstellationen der rückwirkenden Nichtanwendbarkeit eines Gesetzes infolge einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union innerstaatlich eine Entschädigung dafür zu gewähren, dass ein Betroffener auf die gesetzliche Regelung vertraut und in diesem Vertrauen Dispositionen getroffen hat. | ||
3). Nicht jede Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht stellt einen Verstoß gegen Art.101 Abs.1 Satz 2 GG dar. Das Bundesverfassungsgericht beanstandet die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind. Dieser Willkürmaßstab wird auch angelegt, wenn eine Verletzung von Art.267 Abs.3 AEUV in Rede steht (Bestätigung von BVerfGE_82,159 <194>). | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
10.012 | Sonderversorgungssysteme | |
---|---|---|
| ||
Zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets. | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
10.013 | Entschädigungen | |
---|---|---|
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Die Beschränkung der steuerlichen Entlastung von Entschädigungen für entgangene oder entgehende Einnahmen im Sinne des § 24 Nr.1 Buchstabe a EStG durch § 34 Abs.1 in Verbindung mit § 52 Abs.47 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 war mit belastenden Folgen einer unechten Rückwirkung verbunden, die zum Teil den Grundsätzen des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes widersprechen. | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
10.014 | Absenkung der Beteiligungsquote | |
---|---|---|
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Die Absenkung der Beteiligungsquote bei der Besteuerung privater Veräußerungen von Kapitalanteilen durch § 17 Abs.1 in Verbindung mit § 52 Abs.1 Satz 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 war mit belastenden Folgen einer unechten Rückwirkung verbunden, die zum Teil den Grundsätzen des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes widersprechen. | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
10.015 | Spekulationsfrist | |
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| ||
1) Gesetzliche Regelungen, die für künftige belastende Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpfen (sog. unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung) sind nicht grundsätzlich unzulässig. Die unechte Rückwirkung ist mit den grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes jedoch nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt. | ||
2) Die Verlängerung der früher sogenannten Spekulationsfrist bei der Veräußerung von Grundstücken durch § 23 Abs.1 Satz 1 Nr.1 in Verbindung mit § 52 Abs.39 Satz 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/ 2002 war mit belastenden Folgen einer unechten Rückwirkung verbunden, die zum Teil den Grundsätzen des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes widersprechen. | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
10.016 | Hamburgisches Hochschulgesetz | |
---|---|---|
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1) Die Sicherung der Wissenschaftsfreiheit durch organisatorische Regelungen verlangt, dass die Träger der Wissenschaftsfreiheit durch ihre Vertreter in Hochschulorganen Gefährdungen der Wissenschaftsfreiheit abwehren und ihre fachliche Kompetenz zur Verwirklichung der Wissenschaftsfreiheit in die Universität einbringen können. Der Gesetzgeber muss daher ein hinreichendes Niveau der Partizipation der Grundrechtsträger gewährleisten. | ||
2) Das Gesamtgefüge der Hochschulverfassung kann insbesondere dann verfassungswidrig sein, wenn dem Leitungsorgan substantielle personelle und sachliche Entscheidungsbefugnisse im wissenschaftsrelevanten Bereich zugewiesen werden, dem mit Hochschullehrern besetzten Vertretungsgremium im Verhältnis hierzu jedoch kaum Kompetenzen und auch keine maßgeblichen Mitwirkungs- und Kontrollrechte verbleiben. | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
10.017 | Sorgerecht des Vaters | |
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Es verletzt das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes aus Art.6 Abs.2 GG, dass er ohne Zustimmung der Mutter generell von der Sorgetragung für sein Kind ausgeschlossen ist und nicht gerichtlich überprüfen lassen kann, ob es aus Gründen des Kindeswohls angezeigt ist, ihm zusammen mit der Mutter die Sorge für sein Kind einzuräumen oder ihm anstelle der Mutter die Alleinsorge für das Kind zu übertragen. | ||
* * * | ||
Beschluss | Entscheidungsformel: | |
* * * | ||
T-10-05 | elterliches Sorgerecht | |
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet. | ||
§ 1626a Abs.1 Nr.1 BGB und § 1672 Abs.1 BGB sind mit Art.6 Abs.2 GG unvereinbar. | ||
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber das elterliche Sorgerecht für ein nichteheliches Kind zunächst allein seiner Mutter übertragen hat (vgl BVerfGE 107, 150 <169>). Ebenfalls steht mit der Verfassung in Einklang, dass dem Vater eines nichtehelichen Kindes nicht zugleich mit der wirksamen Anerkennung seiner Vaterschaft gemeinsam mit der Mutter das Sorgerecht eingeräumt ist. Eine solche Regelung wäre zwar möglich, sie ist aber verfassungsrechtlich nicht geboten. | ||
Der Gesetzgeber greift jedoch dadurch unverhältnismäßig in das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes ein, dass er den Vater generell von der Sorgetragung für sein Kind ausschließt, wenn die Mutter des Kindes ihre Zustimmung zur gemeinsamen Sorge mit dem Vater oder zu dessen Alleinsorge für das Kind verweigert, ohne dass ihm die Möglichkeit eingeräumt ist, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob er aus Gründen des Kindeswohls an der elterlichen Sorge zu beteiligen oder ihm, auch in Abwägung seines Elternrechts mit dem der Mutter, die alleinige Sorge für das Kind zu übertragen ist. Die dem geltenden Recht zugrunde liegende Annahme des Gesetzgebers, dass die Zustimmungsverweigerung von Müttern in aller Regel auf einem sich nachteilig auf das Kind auswirkenden elterlichen Konflikt basiert und von Gründen getragen ist, die nicht Eigeninteressen der Mutter verfolgen, sondern der Wahrung des Kindeswohls dienen, hat sich nicht bestätigt. I. | ||
Das Elternrecht, das Art.6 Abs.2 GG Müttern wie Vätern gewährleistet, bedarf der gesetzlichen Ausgestaltung. So sind Regeln und rechtsförmige Verfahren erforderlich, die auch für nichtehelich geborene Kinder klären, wer rechtlich als Vater des Kindes anzuerkennen und damit Rechtsträger des Elternrechts nach Art.6 Abs.2 GG ist (vgl BVerfGE_92,158 <177 f.>; BVerfGE_108,82 <101>). Weil das Elternrecht beiden Elternteilen zusteht, sind zudem Regeln zu schaffen, die ihnen für den Fall, dass sie sich über die Ausübung ihrer Elternverantwortung nicht einigen können, jeweils Rechte und Pflichten gegenüber dem Kind zuordnen. Dabei hat der Staat aufgrund seines ihm durch Art.6 Abs.2 Satz 2 GG auferlegten Wächteramtes sicherzustellen, dass sich die Wahrnehmung des Elternrechts am Kindeswohl ausrichtet und bei der Ausübung der Elternverantwortung die Rechte des Kindes Beachtung finden (vgl BVerfGE_121,69 <94>). Fehlt es hieran mangels eines erforderlichen Mindestmaßes an Übereinstimmung zwischen den Eltern, darf der Gesetzgeber einem Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind zuordnen (vgl BVerfGE_92,158 <178 f.>; BVerfGE_107,150 <169>). | ||
1. Das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes aus Art.6 Abs.2 GG wird nicht dadurch verletzt, dass das Kind nach § 1626a Abs.2 BGB zunächst rechtlich allein seiner Mutter zugeordnet wird und sie die Personensorge für das Kind erhält. Wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 29.Januar 2003 ausgeführt hat, werden nichteheliche Kinder in eine Vielzahl familiärer Konstellationen hineingeboren (vgl BVerfGE_107,150 <170>). Das Spektrum reicht von Fällen, in denen der Vater nicht feststellbar ist oder nicht feststeht, über solche, in denen er zwar Unterhalt zahlen, aber keine Sorge für das Kind tragen will und teilweise sogar den Umgang mit dem Kind ablehnt (vgl BVerfGE_121,69 ff.), bis hin zu solchen, in denen der Vater zusammen mit der Mutter oder alleine für das Kind sorgen möchte. Im Zeitpunkt der Geburt eines nichtehelichen Kindes kann deshalb nicht generell davon ausgegangen werden, dass das Kind einen Vater hat, dem es rechtlich zugeordnet werden kann und der bereit ist, Verantwortung für das Kind zu tragen. | ||
Hieran hat sich seit dieser Entscheidung nichts Wesentliches geändert. Zwar ist inzwischen der Anteil der Kinder, die nichtehelich geboren werden, an der Gesamtzahl der Geburten in Deutschland auf 32,1 % angestiegen (vgl. Statistisches Bundesamt 2009, Bevölkerung 2008). Auch hat sich der Anteil der minderjährigen Kinder, die in nichtehelichen elterlichen Lebensgemeinschaften aufwachsen, seit dem Jahr 2001 von 5,4 % auf mindestens 7,1 % im Jahr 2008 erhöht. Jedoch wachsen zugleich mindestens 16,1 % der Kinder lediglich mit einem Elternteil auf, wobei hierunter auch Scheidungskinder fallen (vgl. Statistisches Bundesamt 2009, Statistisches Jahrbuch 2009, Tab.2.17). Setzt man wiederum die jährlich abgegebenen gemeinsamen Sorgeerklärungen von Eltern nichtehelicher Kinder ins Verhältnis zu den nichtehelich geborenen Kindern des jeweiligen Jahres, dann trägt dies die Einschätzung, dass mittlerweile für ungefähr die Hälfte der nichtehelich geborenen Kinder eine gemeinsame Sorgetragung der Eltern besteht (vgl. Statistisches Bundesamt 2009, Bevölkerung 2008; Statistisches Bundesamt 2010, Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe 2008, Tab.3). Allerdings ist nicht feststellbar, wann die Sorgeerklärungen, die die Anerkennung der Vaterschaft voraussetzen, abgegeben werden. So bleibt eine Studie bisher unwiderlegt, die bei den untersuchten Fällen zu dem Ergebnis kam, dass zwar 80 % der Väter ihre Vaterschaft freiwillig anerkannten, dies jedoch in zwei Dritteln der Fälle erst nach der Geburt des Kindes taten (vgl Vascovics ua, Lebenslage nichtehelicher Kinder, 1997, S.160 f.). Aufgrund der statistischen Zahlen ist insofern zwar ein Entwicklungstrend hin zu Familiengründungen erkennbar, in denen nicht miteinander verheiratete Eltern gemeinsam für ihr Kind Sorge tragen. Allerdings ist auch heutzutage zum Zeitpunkt der Geburt eines nichtehelichen Kindes vielfach rechtlich noch nicht geklärt, wer dessen Vater ist und ob dieser gegebenenfalls auch Sorge für das Kind tragen will. | ||
Das Kindeswohl verlangt aber, dass das Kind ab seiner Geburt eine Person hat, die für das Kind rechtsverbindlich handeln kann. Der Gesetzgeber verfolgt deshalb ein legitimes Ziel, wenn er das nichteheliche Kind bei seiner Geburt sorgerechtlich grundsätzlich der Mutter und nicht dem Vater oder beiden gemeinsam zuweist (vgl auch EGMR, Zaunegger gegen Deutschland, aaO, Ziffer 53, 55). Denn die Mutter ist die einzige sichere Bezugsperson, die das Kind bei seiner Geburt vorfindet und die aufgrund von § 1591 BGB als Elternteil feststeht. Um sicherzustellen, dass für das Kind vom ersten Lebenstag an tatsächlich und rechtlich Verantwortung getragen werden kann, ist es gerechtfertigt, den Vater zunächst einmal an der Sorge für das Kind nicht teilhaben zu lassen (vgl BVerfGE_107,150 <170 f.>). | ||
2. Das Elternrecht aus Art.6 Abs.2 GG gebietet es auch nicht, Vätern nichtehelicher Kinder generell mit wirksamer Anerkennung ihrer Vaterschaft gemäß §§ 1594 ff. BGB kraft Gesetzes das Sorgerecht für ihr Kind gemeinsam mit der Mutter zuzuerkennen. | ||
Eine gesetzliche Regelung, die eine solche Rechtsfolge des Vaterschaftsanerkenntnisses vorsieht, wäre zwar mit der Verfassung vereinbar, sofern sie mit der Möglichkeit verbunden wird, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob die gesetzlich begründete gemeinsame Sorge der Eltern dem Kindeswohl im Einzelfall tatsächlich entspricht. Der Gesetzgeber hat aber tragfähige Gründe, von dieser Lösung abzusehen. | ||
a) Die Anerkennung der Vaterschaft enthält die Erklärung, Vater eines nichtehelichen Kindes zu sein und für das Kind die Rechtsposition als Vater einnehmen zu wollen. Stimmt die Mutter des Kindes dem zu, dann wird gesetzlich vermutet, dass dies den Tatsachen entspricht, und der Erklärende rückt in die rechtliche Vaterschaft ein. Aus dieser Bereitschaft des Vaters eines nichtehelichen Kindes, rechtlich dem Kind als Vater zugeordnet zu werden, kann jedoch nicht generell darauf geschlossen werden, dass dieser auch gewillt ist, zusammen mit der Mutter Sorge für das Kind zu tragen. Ebenso lässt die elterliche Übereinstimmung über die Anerkennung der Vaterschaft nicht unbedingt darauf schließen, dass die Eltern bereit und in der Lage sind, die Sorge für das Kind unter hinreichender Berücksichtigung des Kindeswohls gemeinsam auszuüben. Zum einen sind die Beziehungskonstellationen zwischen den Eltern, in die nichteheliche Kinder hineingeboren werden, zu unterschiedlich, um eine solch weitgehende Vermutung zu tragen. Denn es kann vorkommen, dass beide Elternteile trotz rechtlicher Anerkennung der Vaterschaft einander ablehnen, was einer gedeihlichen gemeinsamen Sorge im Interesse des Kindes unzuträglich sein kann. Auch ist nicht auszuschließen, dass ein Vater zwar die Vaterschaft anerkennt, sich aber weigert, Kontakt mit seinem Kind aufzunehmen oder Umgang zu pflegen (vgl BVerfGE_121,69 ff.). Zum anderen spricht auch der Umstand, dass es nach rechtlicher Vaterschaftsanerkennung nur bei ungefähr der Hälfte der nichtehelichen Kinder zu einer freiwilligen Begründung einer gemeinsamen Sorge durch die Eltern nach § 1626a Abs.1 Nr.1 BGB kommt, gegen die Annahme, in der Übereinstimmung der Eltern hinsichtlich der Vaterschaft komme stets konkludent auch ein übereinstimmender Wille der Eltern zur gemeinsamen Sorgetragung zum Ausdruck. Ein genereller Wille des Vaters zur Sorgetragung für sein Kind lässt sich hieraus jedenfalls nicht ableiten. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Nichtbegründung einer gemeinsamen Sorge bei ungefähr der Hälfte der nichtehelich geborenen Kinder vor allem oder gar ausschließlich an der mangelnden Bereitschaft der Mutter dazu scheitert. | ||
b) Dies hindert den Gesetzgeber allerdings nicht daran, angesichts des Umstandes, dass immerhin für die Hälfte der nichtehelichen Kinder eine gemeinsame Sorgetragung der Eltern begründet wird, den Vater eines nichtehelichen Kindes mit der rechtlichen Anerkennung der Vaterschaft zugleich kraft Gesetzes in die Sorgetragung für das Kind einzubeziehen und ihm die gemeinsame Sorge mit der Mutter zu übertragen, zumal eine große Anzahl von Eltern nur mangels ausreichender Information oder weil sie meinen, ihre faktische gemeinsame Sorge für das Kind bedürfe keiner rechtlichen Absicherung, von der Abgabe einer gemeinsamen Sorgeerklärung absehen (vgl BTDrucks 16/10047, S.14). Hierdurch würde nicht nur dem väterlichen Elternrecht Rechnung getragen, sondern der Vater eines nichtehelichen Kindes würde auch mehr in die Pflicht zur Pflege und Erziehung seines Kindes genommen, die mit dem Elternrecht aus Art.6 Abs.2 GG verbunden ist (vgl BVerfGE_108,82 <102>; BVerfG_121,69 <92>). Jedoch ist bei einer solchen generellen Rechtszuweisung der gemeinsamen elterlichen Sorge an die Mutter wie den Vater eines nichtehelichen Kindes zu berücksichtigen, dass keineswegs immer von einer tragfähigen Beziehung zwischen den Eltern eines nichtehelichen Kindes ausgegangen werden kann, die gewährleistet, dass die Ausübung gemeinsamer elterlicher Sorge hinreichend konfliktfrei verläuft und das Kindeswohl nicht beeinträchtigt. Zur Wahrung des Kindeswohls wäre der Gesetzgeber deshalb verfassungsrechtlich gehalten, in Ausübung seines Wächteramtes jedem Elternteil die Möglichkeit einzuräumen, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob eine gemeinsame Sorgetragung der Eltern im Einzelfall wirklich mit dem Kindeswohl in Einklang steht oder aus Kindeswohlgründen entweder wieder der Mutter oder nunmehr dem Vater die Alleinsorge für das Kind zu übertragen ist. Für den Fall einer durch Ehe oder übereinstimmende Sorgeerklärung begründeten gemeinsamen Sorge getrennt lebender Eltern hat der Gesetzgeber dies bereits in § 1671 BGB vorgesehen. | ||
c) Andererseits aber ist es dem Gesetzgeber auch nicht verwehrt, bei der Zuordnung der elterlichen Sorge für ein nichteheliches Kind zu berücksichtigen, dass nicht davon ausgegangen werden kann, Väter nichtehelicher Kinder seien stets willens, gemeinsam mit der Mutter Sorge für ihr Kind zu tragen. Denn ein mangelnder Wille des Vaters zur gemeinsamen Sorgetragung könnte bei Koppelung der Sorgetragung an die Anerkennung der Vaterschaft die Gefahr in sich bergen, dass Väter sich weniger dazu bereit erklären, die Vaterschaft freiwillig anzuerkennen. Dies könnte die Zahl der notwendig werdenden Verfahren einer gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft gemäß § 1600d BGB erhöhen und das Verhältnis zwischen den Eltern in einer dem Kindeswohl unzuträglichen Weise beeinträchtigen. Darüber hinaus darf der Gesetzgeber in seine Erwägungen einbeziehen, dass eine generelle gesetzliche Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorgetragung auch Fälle umfassen kann, in denen aufgrund massiver Konflikte zwischen den Eltern das Kindeswohl zumindest so lange in Mitleidenschaft gezogen würde, bis die gemeinsame Sorge der Eltern durch gerichtliche Entscheidung wieder aufgehoben und in eine Alleinsorge überführt würde (vgl BTDrucks 13/8511, S.66). Um dies zu verhindern, ist es in Abwägung des Kindeswohls mit dem Elternrecht beider Elternteile ebenfalls verfassungsrechtlich gerechtfertigt und nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber davon abgesehen hat, dem Vater eines nichtehelichen Kindes mit wirksamer Vaterschaftsanerkennung zugleich kraft Gesetzes die gemeinsame Sorge mit der Mutter zu übertragen, womit es auch bei erfolgter Anerkennung der Vaterschaft zunächst bei der alleinigen Sorgetragung für das Kind durch die Mutter verbleibt. II. | ||
Das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes aus Art.6 Abs.2 GG ist jedoch dadurch verletzt, dass ihm der Zugang zur Sorgetragung für sein Kind bei Weigerung der Mutter, hierzu die Zustimmung zu erteilen, generell verwehrt ist, weil ihm durch § 1626a Abs.1 Nr.1 BGB und § 1672 Abs.1 BGB keine Möglichkeit eingeräumt ist, gegen den Willen der Mutter gerichtlich überprüfen zu lassen, ob es aus Gründen des Wohls seines Kindes angezeigt ist, ihm zusammen mit der Mutter die Sorge für sein Kind einzuräumen oder ihm anstelle der Mutter die Alleinsorge für das Kind zu übertragen. | ||
1. Es ist nicht nur eine notwendige gesetzgeberische Ausgestaltung des Elternrechts, sondern stellt einen Eingriff in das von Art.6 Abs.2 GG geschützte Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes dar, dass der Gesetzgeber in § 1626a Abs.1 Nr.1 und § 1672 Abs.1 BGB die Möglichkeit der Realisierung des väterlichen Sorgerechts vom Willen der Mutter abhängig macht und dem Vater bei Zustimmungsverweigerung durch die Mutter den Zugang zur elterlichen Sorge verschließt, indem er für diesen Fall keine gerichtliche Einzelfallprüfung vorsieht. Die elterliche Sorge ist essentieller Bestandteil des von Art.6 Abs.2 GG geschützten Rechts der Eltern auf Pflege und Erziehung des eigenen Kindes (vgl BVerfGE_56,363 <382>). Wird sie einem Elternteil generell vorenthalten, liegt darin ein Eingriff. | ||
2. Ein Eingriff in das Elternrecht durch generellen Ausschluss des Vaters von der elterlichen Sorge bei mangelnder Zustimmung der Mutter ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil § 1680 Abs.3 Satz 2 in Verbindung mit § 1666 BGB es zulässt, bei einer Gefährdung des Kindeswohls durch Versagen der Mutter dieser unter bestimmten Voraussetzungen das Sorgerecht für das Kind zu entziehen und es auf den Vater zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes dient. Damit wird dem Vater eines nichtehelichen Kindes der Zugang zur elterlichen Sorge nicht grundsätzlich eröffnet. § 1666 BGB ist keine Norm, die den Eltern im Verhältnis zueinander prinzipiell Rechte zuordnet oder auf einen Ausgleich der elterlichen Rechte abzielt. Mit dieser Norm werden vielmehr Eingriffen des Staates in das Recht der Eltern Grenzen gesetzt und bestimmt, unter welchen Voraussetzungen der Staat seinem Wächteramt aus Art.6 Abs.2 Satz 2 GG nachkommen muss (vgl BVerfGE_107,150 <182 f.>). Deshalb verbietet es sich auch, durch interpretatorische Öffnung von § 1666 BGB dem Vater eines nichtehelichen Kindes einen erleichterten Zugang zum Sorgerecht zu verschaffen. Denn dies senkte zugleich die Hürde der staatlichen Eingriffsbefugnis in das Elternrecht, womit es zu einer unverhältnismäßigen und damit ungerechtfertigten Einschränkung der durch Art.6 Abs.2 GG geschützten Eigenverantwortung von Eltern für ihre Kinder kommen könnte. § 1680 Abs.3 Satz 2 in Verbindung mit § 1666 BGB ist damit als generelle Zugangsregel zum elterlichen Sorgerecht für Väter weder gesetzlich vorgesehen noch geeignet. | ||
3. Mit dem Erfordernis der mütterlichen Zustimmung als Voraussetzung für den Zugang des Vaters eines nichtehelichen Kindes zur elterlichen Sorge verfolgt der Gesetzgeber ein legitimes Ziel. Er will eine Kindeswohlgefährdung vermeiden, die bei Begründung einer gemeinsamen Sorge aufgrund fehlenden Konsenses der Eltern über die Sorgetragung für ihr Kind oder bei Übertragung der Alleinsorge auf den Vater gegen den Willen der Mutter durch Beeinträchtigung der Mutter-Kind-Beziehung eintreten könnte (vgl BTDrucks 13/4899, S.58, 60). | ||
a) Die Ausübung der gemeinsamen Verantwortung für ein Kind erfordert ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen den Eltern. Fehlt es daran und sind die Eltern zur Kooperation weder bereit noch in der Lage, kann die gemeinsame Sorge für das Kind dem Kindeswohl zuwiderlaufen. Tragen die Eltern ihren Konflikt auf dem Rücken des Kindes aus, kann das Kind in seiner Beziehungsfähigkeit beeinträchtigt und in seiner Entwicklung gefährdet werden (vgl BVerfGE_107,150 <173>). | ||
Besteht zwischen den Eltern Einigkeit über die Sorgetragung für das Kind und kommt dies in einer gemeinsamen und übereinstimmenden Erklärung zum Ausdruck, kann davon ausgegangen werden, dass beide Eltern auch den Willen zur Kooperation bei der Pflege und Erziehung ihres Kindes besitzen. Fehlt es jedoch an einer solchen Einigung, kann dies auf einen Konflikt zwischen den Eltern hinweisen, der sich folgenschwer auf das Kind auswirken kann (vgl BVerfGE_107,150 <174 ff.>). Denn Uneinigkeit über die Begründung einer gemeinsamen Sorge lässt darauf schließen, dass es auch zu Auseinandersetzungen über deren Ausübung kommen kann, die womöglich auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden. Nach Auffassung des Gesetzgebers ist zu vermuten, dass eine gegen den Willen eines Elternteils erzwungene gemeinsame Sorge regelmäßig mit mehr Nachteilen als Vorteilen für das Kind verbunden ist (vgl BTDrucks 13/4899, S.58 ff.; BTDrucks 13/8511, S.66). Um solche Nachteile auszuschließen und dem Kindeswohl Rechnung zu tragen, hat der Gesetzgeber die Begründung einer gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Abs.1 Nr.1 BGB nur bei übereinstimmendem elterlichen Willen dazu vorgesehen und sie bei mangelndem Konsens der Eltern ausgeschlossen. | ||
b) Auch die Bindung der Sorgeübertragung allein auf den Vater an die Zustimmung der Mutter soll dem Kindeswohl dienen. Der Gesetzgeber will damit vermeiden, dass die Unsicherheit der Mutter, ihr könne gegen ihren Willen die Sorge für das Kind entzogen und auf den Vater übertragen werden, das bestehende enge Verhältnis zwischen Mutter und Kind belastet und dies dem Kind zum Nachteil gereicht. Zudem soll verhindert werden, dass die Befürchtung der Mutter, der Vater könne sich als der "bessere" Elternteil erweisen, sich schon auf deren Bereitschaft, die Vaterschaftsfeststellung zu betreiben, auswirken und auch den Umgang des Vaters mit dem Kind zu dessen Nachteil tangieren könnte (vgl BTDrucks 13/4899, S.59 f.). | ||
4. Die Regelungen der § 1626a Abs.1 Nr.1 und § 1672 Abs.1 BGB, die den Zugang des Vaters eines nichtehelichen Kindes zur elterlichen Sorge an die Zustimmung der Mutter binden, sind zur Wahrung des Kindeswohls und zur Verhinderung einer Kindeswohlgefährdung grundsätzlich auch geeignet. Sie können Konflikte zwischen den Eltern über die Sorgetragung für ihr Kind im Faktischen zwar nicht verhindern. Dadurch, dass diese Konflikte nicht gerichtlich ausgetragen werden können, haben sie jedoch auf die Ausübung der elterlichen Sorge keinen maßgeblichen Einfluss, die insofern widerspruchsfrei erfolgen und dem Kind Orientierung bieten kann. Zudem wird das Kind nicht noch zusätzlich durch eine gerichtliche Auseinandersetzung belastet (vgl BVerfGE 107,150 <177>). | ||
5. Es bestehen allerdings Zweifel, ob der generelle, gerichtlich nicht überprüfbare Ausschluss des Vaters eines nichtehelichen Kindes von der elterlichen Sorge bei Zustimmungsverweigerung durch die Mutter erforderlich ist, um eine Kindeswohlgefährdung durch eine gemeinsame Sorgetragung der Eltern oder durch eine Übertragung der Alleinsorge auf den Vater gegen den Willen der Mutter zu verhindern. Jedenfalls ist der darin liegende Eingriff in das Elternrecht des Vaters aus Art.6 Abs.2 GG unverhältnismäßig im engeren Sinne und verletzt das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes, weil dieser den Ausschluss des Sorgerechts nicht einer gerichtlichen Einzelfallprüfung am Maßstab des Kindeswohls unterziehen kann. | ||
a) § 1626a Abs.1 Nr.1 BGB eröffnet dem Vater eines nichtehelichen Kindes lediglich dann die Teilhabe an der gemeinsamen Sorge mit der Mutter, wenn diese ihre Zustimmung dazu gibt. Wird diese von der Mutter verweigert, ist der Vater dauerhaft von der gemeinsamen Sorge für sein Kind ausgeschlossen. Er wird zwar gemäß §§ 1601 ff BGB zur Zahlung von Kindesunterhalt herangezogen und hat auch der Mutter nach Maßgabe von § 1615l BGB wegen der Betreuung des Kindes Unterhalt zu zahlen, soweit er leistungsfähig ist, darf aber über die Geschicke seines Kindes und dessen Erziehung nicht mitentscheiden. Ihm verbleibt lediglich das Recht auf Umgang mit dem Kind ( § 1684 BGB), sofern und soweit der Umgang mit dem Kindeswohl in Einklang steht. Diese Versagung der Einflussnahmemöglichkeit auf die Pflege und Erziehung des Kindes ohne die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung stellt einen tiefgreifenden Eingriff in das Elternrecht des Vaters dar. | ||
Demgegenüber ist der Mutter gesetzlich nicht nur vorbehaltlos das alleinige Sorgerecht eingeräumt, das ihr nur bei Gefährdung des Kindeswohls entzogen werden kann. Ihr ist auch die Kompetenz übertragen, darüber zu entscheiden, ob der Vater Zugang zur elterlichen Sorge für sein Kind erhält. Unmaßgeblich ist bei dieser Regelung, ob die Sorgetragung, die die Mutter wünscht oder ablehnt, dem Kindeswohl zuträglich ist. Mit dieser Abhängigkeit der Beteiligung des Vaters an der gemeinsamen Sorge vom Willen der Mutter setzt der Gesetzgeber das Elternrecht des Vaters in unverhältnismäßiger Weise generell hinter das der Mutter zurück, ohne dass dies durch die Wahrung des Kindeswohls geboten ist. Zwar können Gerichtsverfahren temporär eine zusätzliche Belastung für das Kind mit sich bringen (vgl. EGMR, Zaunegger gegen Deutschland, a.a.O., Ziffer 61). Doch die grundsätzliche Klärung der Sorgerechtsfrage dient gerade dem Kindeswohl. Nur dieses vermag zu rechtfertigen, einen Elternteil von der Sorge für sein Kind auszuschließen (vgl BVerfGE_121,69 <94>). | ||
(1) Dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist beizupflichten, dass der Gesetzgeber selbst seine die Regelung des § 1626a Abs.1 Nr.1 BGB rechtfertigende Prämisse, eine mangelnde Übereinstimmung der Eltern über die Sorgetragung lasse einen elterlichen Konflikt erkennen, der stets zu einer dem Wohl des Kindes abträglichen Ausübung gemeinsamer Sorge führe, nicht konsequent seinem Gesamtkonzept der Sorgetragung von Eltern nichtehelicher Kinder zugrunde gelegt hat (vgl EGMR, Zaunegger gegen Deutschland, aaO, Ziffer 61 f). Denn leben nicht miteinander verheiratete Eltern, die einmal eine gemeinsame Sorge begründet haben, getrennt und möchte ein Elternteil gegen den Willen des anderen die Alleinsorge für das Kind erhalten, ist ihm gemäß § 1671 BGB das Recht eingeräumt, einen entsprechenden Antrag auf Übertragung der Alleinsorge zu stellen. Dabei schließt der Gesetzgeber nicht schon aus dieser Antragstellung und der mangelnden Zustimmung des anderen Elternteils hierzu auf eine mangelnde Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit der Eltern mit schädlichen Auswirkungen für das Kind. Vielmehr hat das Gericht dann zu prüfen, ob zu erwarten ist, dass die Übertragung der Alleinsorge auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes tatsächlich am besten entspricht. Maßgeblich für die Sorgerechtszuweisung ist in diesem Fall also das Kindeswohl, nicht dagegen die fehlende Willensübereinstimmung der Eltern, die erst im Rahmen der Würdigung des Einzelfalls Berücksichtigung findet, wenn zu klären ist, ob sie auf einer Unfähigkeit der Eltern zur Kooperation beruht, die negative Auswirkungen auf das Kind befürchten lässt (so zB auch OLG Köln, FamRZ 2009, S.62 <62 f>; OLG Hamm, FamRZ 2006, S.1058 <1059>). | ||
Insofern ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Gesetzgeber nicht auch bei der Begründung einer gemeinsamen elterlichen Sorge vorrangig darauf abgestellt hat, ob diese trotz darüber bestehender Meinungsverschiedenheiten zwischen den Eltern im konkreten Einzelfall dem Kindeswohl entspricht, sondern hier den entgegenstehenden Willen der Mutter hat ausreichen lassen, um daran generell die Vermutung der Kindeswohlbeeinträchtigung anzuknüpfen, und aufgrund dessen eine gerichtliche Einzelfallprüfung am Maßstab des Wohles des betroffenen Kindes ausgeschlossen hat. Dass es, anders als bei einer Neubegründung der gemeinsamen elterlichen Sorge, bei deren Beendigung zumindest in der Vergangenheit zwischen den Eltern einmal ein gewisses Maß an Kooperationsbereitschaft gegeben hat, ist kein tragfähiger Grund für die unterschiedliche rechtliche Behandlung der Fallkonstellationen. Denn in beiden Fällen besteht ein Dissens der Eltern über die Sorgetragung für ihr gemeinsames Kind, der jeweils ein Indiz dafür sein kann, dass eine neu begründete oder weiterhin bestehende gemeinsame elterliche Sorgetragung wegen der elterlichen Konflikte dem Kindeswohl in Zukunft eher abträglich ist. Ob diese Annahme wirklich trägt, kann aber gleichermaßen erst durch gerichtliche Prüfung im Einzelfall geklärt werden. | ||
(2) Vor allem aber bestätigen neuere empirische Erkenntnisse die Annahme des Gesetzgebers nicht, dass die Zustimmungsverweigerung von Müttern in aller Regel auf einem sich nachteilig auf das Kind auswirkenden elterlichen Konflikt basiert und von Gründen getragen ist, die nicht Eigeninteressen der Mutter folgen, sondern der Wahrung des Kindeswohls dienen. | ||
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber in seiner Entscheidung vom 29.Januar 2003 zugestanden, dass er bei seiner Regelung der gemeinsamen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern davon ausgehen konnte, Eltern würden die eingeführte Möglichkeit gemeinsamer Sorgetragung in Zukunft in der Regel nutzen und Mütter sich nur dann dem Wunsch des Vaters nach einer Beteiligung an der Sorge verweigern, wenn sie dafür schwerwiegende Gründe haben, die von der Wahrung des Kindeswohls getragen werden, Mütter also die Möglichkeit, die Sorgeerklärung zu verweigern, nicht als Machtposition gegenüber dem Vater missbrauchen würden (vgl BVerfGE_107,150 <177>). Das Bundesverfassungsgericht hat aber darauf hingewiesen, dass sich § 1626a Abs.1 Nr.1 BGB als unvereinbar mit dem Elternrecht des Vaters aus Art.6 Abs.2 GG erweisen würde, wenn sich die Annahmen des Gesetzgebers nicht bestätigten, sich vielmehr herausstellen sollte, dass es in größerer Zahl aus Gründen, die nicht vom Kindeswohl getragen sind, nicht zur gemeinsamen Sorgetragung von Eltern nichtehelicher Kinder kommt (vgl BVerfGE_107,150 <178 f.>). Deshalb hat es den Gesetzgeber verpflichtet, die tatsächliche Entwicklung zu beobachten und zu prüfen, ob seine Annahmen vor der Wirklichkeit Bestand haben. Denn sollte dies nicht der Fall sein, müsse der Gesetzgeber Vätern nichtehelicher Kinder einen Zugang zur gemeinsamen Sorge eröffnen, der ihrem Elternrecht aus Art.6 Abs.2 GG unter Berücksichtigung des Kindeswohls ausreichend Rechnung trägt (vgl BVerfGE_107,150 <180 f.>). | ||
Inzwischen liegt hinreichendes Datenmaterial vor, aus dem sich ergibt, dass sich die damaligen Annahmen des Gesetzgebers nicht als zutreffend erwiesen haben. Dies betrifft zum einen die Anzahl der von Eltern nichtehelicher Kinder begründeten gemeinsamen Sorgetragungen. Den statistischen Erhebungen ist zu entnehmen, dass sich lediglich knapp über die Hälfte der Eltern darauf verständigen, entsprechende Sorgeerklärungen abzugeben (vgl Statistisches Bundesamt 2009, Statistisches Jahrbuch 2009, Tab.2.23). Eine gemeinsame Sorge wird in relevantem Umfang auch dann nicht begründet, wenn die Eltern zusammenleben (vgl BTDrucks 16/10047, S.11 f.). Zum anderen hat sich die Vermutung des Gesetzgebers - wie auch die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme ausführt - nicht bestätigt, dass die Ablehnung einer gemeinsamen Sorgetragung seitens der Mütter in aller Regel von Gründen getragen wird, die sich am Kindeswohl orientieren. Die hierzu durchgeführten Befragungen von Institutionen und Experten, die aufgrund ständiger Befassung mit der Sorgetragung von Eltern nichtehelicher Kinder über Erfahrungen zur Motivation von Müttern verfügen, die einer gemeinsamen Sorge nicht zustimmen, aber auch die bisher vorliegenden Ergebnisse der Befragungen von Müttern lassen erkennen, dass neben Kindeswohlerwägungen häufig auch persönliche Wünsche der Mütter zu deren Ablehnung einer gemeinsamen Sorge mit dem Vater des Kindes führen. So wurde oftmals als Begründung angegeben, man wolle die Alleinsorge behalten, um allein über die Angelegenheiten des Kindes entscheiden zu können, wolle sich also nicht mit dem Vater darauf verständigen müssen oder nichts mit dem Vater zu tun haben (vgl BTDrucks 16/10047, S.12 ff.). | ||
Wenn sich aber damit die Annahme des Gesetzgebers nicht bestätigt, vielmehr davon auszugehen ist, dass in nicht unbeträchtlicher Zahl Mütter allein deshalb die Zustimmung zur gemeinsamen Sorge verweigern, weil sie ihr angestammtes Sorgerecht nicht mit dem Vater ihres Kindes teilen wollen, hängt der Zugang zur Sorgetragung von Vätern nichtehelicher Kinder in nicht zu vernachlässigender Zahl vom dominierenden Willen der Mutter ab und bleibt verschlossen, wenn sie hierzu nicht bereit ist, ohne dass damit feststeht, ob eine gemeinsame Sorge der Eltern dem Kindeswohl zu- oder abträglich ist. Dass Vätern bei Weigerung der Mutter, einer gemeinsamen Sorge zuzustimmen, gesetzlich nicht die Möglichkeit eingeräumt ist, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob eine gemeinsame Sorgetragung in ihrem Einzelfall nicht doch aus Kindeswohlgründen angezeigt sein könnte, beeinträchtigt deshalb das Elternrecht des Vaters gegenüber dem der Mutter in unverhältnismäßiger und damit nicht gerechtfertigter Weise. | ||
b) § 1672 Abs.1 BGB macht auch die Übertragung der Alleinsorge für ein nichteheliches Kind, die die Mutter gemäß § 1626a Abs.2 BGB inne hat, auf den Vater eines nichtehelichen Kindes von der Zustimmung der Mutter dazu abhängig. Liegt sie nicht vor, hat der Vater keine Möglichkeit, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob eine Sorgetragung durch ihn dem Kindeswohl zuträglicher sein könnte als die Sorgetragung der Mutter. Dieser generelle Ausschluss des Zugangs zur elterlichen Sorge bei mangelnder Zustimmung der Mutter stellt ebenfalls einen schwerwiegenden Eingriff in das Elternrecht des Vaters aus Art.6 Abs.2 GG dar, der unverhältnismäßig und nicht gerechtfertigt ist. | ||
(1) Eine mangelnde Fähigkeit der Eltern zur Zusammenarbeit bei der Sorge für ihr Kind, das in der Zustimmungsverweigerung der Mutter zum Ausdruck kommen kann, vermag den Ausschluss des Vaters von der Alleinsorge nicht zu rechtfertigen. Denn auch nach Auffassung des Gesetzgebers ist eine fehlende Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit der Eltern gerade ein gewichtiger Grund, eine gemeinsame elterliche Sorge nicht zu eröffnen oder aufrechtzuerhalten, sondern einem Elternteil die Sorge für das Kind allein zu übertragen, damit dieses durch Uneinigkeit und Zwist der Eltern keinen Schaden nimmt. Diese Einschätzung liegt jedenfalls § 1671 BGB zugrunde, der einen Wechsel von der gemeinsamen Sorge getrennt lebender Eltern zur Alleinsorge eines Elternteils aus Kindeswohlgründen ermöglicht. | ||
(2) Soweit der Gesetzgeber mit der Regelung eine Belastung des bestehenden Mutter-Kind-Verhältnisses durch die ständige Befürchtung der Mutter vermeiden möchte, ihr könne bei entsprechender Beantragung durch den Vater das Sorgerecht für ihr Kind entzogen und auf den Vater übertragen werden (vgl BTDrucks 13/4899, S.60), liegt darin ebenfalls kein hinreichender Grund, den Vater bei Zustimmungsverweigerung der Mutter generell vom Sorgerecht auszuschließen und ihm keine Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung einzuräumen, ob es aus Gründen des Kindeswohls angezeigt ist, ihm die Alleinsorge für das Kind zu übertragen. | ||
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Eröffnung einer gerichtlichen Übertragung der Alleinsorge auf den Vater zwar einerseits dem Elternrecht des Vaters Rechnung trägt, aber andererseits schwerwiegend in das Elternrecht der Mutter eingreift, wenn dem väterlichen Antrag im Einzelfall stattgegeben wird. Denn anders als beim Zugang des Vaters zur gemeinsamen Sorge mit der Mutter muss diese die Sorge für das gemeinsame Kind nicht lediglich mit dem Vater teilen, was Art.6 Abs.2 GG als Regelfall schützt, der die Pflege und Erziehung der Kinder nicht einem Elternteil, sondern den Eltern als natürliches Recht zuweist. Der Mutter wird vielmehr die bisher von ihr ausgeübte Sorge gänzlich entzogen, und zwar nicht, weil sie bei ihrer Erziehungsaufgabe versagt hat und dadurch das Kindeswohl gefährdet ist, wie dies § 1666 BGB voraussetzt, sondern weil in Konkurrenz zu ihr der Vater sein Recht reklamiert, an ihrer Stelle für das Kind zu sorgen. Dabei ist auch von Gewicht, dass der Gesetzgeber zunächst einmal den Müttern nichtehelicher Kinder die Sorge für diese ab deren Geburt zuweist. Damit erhalten sie nicht nur das Recht zur elterlichen Sorge, sondern sind auch gesetzlich dazu verpflichtet, für ihr Kind zu sorgen. Anders als Väter nichtehelicher Kinder haben sie nicht die Wahl, sich für oder gegen ein Sorgetragen für ihr Kind zu entscheiden. Ein Entzug der ihnen auferlegten Elternverantwortung trotz nicht zu beanstandender Ausübung der elterlichen Sorge wiegt deshalb schwer und stellt einen tiefen Eingriff in ihr Elternrecht dar. | ||
(3) Zudem ist mit einem Sorgerechtswechsel von der Mutter auf den Vater, anders als bei der Begründung einer gemeinsamen elterlichen Sorge, regelmäßig auch ein Wechsel des Kindes vom Haushalt der Mutter in den des Vaters verbunden. Dies wirkt sich nicht nur auf die bestehende Mutter-Kind-Beziehung aus, sondern berührt auch das Bedürfnis des Kindes nach Stabilität und Kontinuität hinsichtlich seiner gewachsenen persönlichen Bindungen und seines sozialen Umfeldes. | ||
(4) Unter Berücksichtigung dessen und in Abwägung der grundrechtlich geschützten Interessen beider Eltern und des Kindes ist es zwar unverhältnismäßig und deshalb mit Art.6 Abs.2 GG nicht vereinbar, dass der Gesetzgeber den Vater eines nichtehelichen Kindes allein schon bei fehlender Zustimmung der Mutter vom Sorgerecht für sein Kind ausgeschlossen und ihm mangels Möglichkeit einer gerichtlichen Einzelfallprüfung den Zugang auch zur alleinigen Sorge verwehrt hat. Bei Eröffnung einer gerichtlichen Einzelfallprüfung ist aber dem Elternrecht der Mutter des nichtehelichen Kindes ebenfalls hinreichend Rechnung zu tragen. Ihr die Sorge zu entziehen, ist nur gerechtfertigt, wenn es zur Wahrung des väterlichen Elternrechts keine andere Möglichkeit gibt, die weniger in das mütterliche Elternrecht eingreift, und wenn gewichtige Kindeswohlgründe vorliegen, die den Sorgerechtsentzug nahelegen. Weniger einschneidend in das Elternrecht der Mutter als der Entzug der elterlichen Sorge wäre eine gemeinsame Sorgetragung der Eltern. Deshalb ist auch in einem Verfahren auf Übertragung der Alleinsorge von der Mutter auf den Vater eines nichtehelichen Kindes zunächst zu prüfen, ob nicht eine gemeinsame Sorgetragung der Eltern angezeigt sein könnte, die dem Kindeswohl nicht abträglich ist. Sofern dies der Fall ist, hat zur Wahrung des mütterlichen Elternrechts eine Übertragung der Alleinsorge auf den Vater zu unterbleiben. Ansonsten können gewichtige Belange des Kindes und sein Wohl den Wechsel der Alleinsorge auf den Vater rechtfertigen. | ||
6. Da die angegriffenen Vorschriften schon Art.6 Abs.2 GG verletzen und sich als verfassungswidrig erweisen, ist nicht weiter zu prüfen, ob sie auch gegen Art.3 Abs.1 oder 2 GG und Art.6 Abs.5 GG verstoßen. Der Gesetzgeber hat allerdings bei einer Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge für nichteheliche Kinder darauf zu achten, dass auch diese Grundrechte gewahrt werden. Dies gilt insbesondere auch für die Frage, ob für den Fall, dass Vätern nichtehelicher Kinder bei Zustimmungsverweigerung der Mutter ein Antragsrecht auf Begründung einer gemeinsamen Sorge oder Übertragung der Alleinsorge für ihr Kind zuerkannt wird, auch Müttern ein solches Recht einzuräumen ist, wenn der Vater ihres Kindes nicht zur gemeinsamen Sorgetragung oder zur Übernahme der Alleinsorge bereit ist. III. | ||
Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Entscheidung des Amtsgerichts vom 30.Juni 2008 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art.6 Abs.2 GG, da sie auf den § 1626a Abs.1 Nr.1, § 1672 Abs.1 BGB beruht, die gegen diese Grundrechtsnorm verstoßen. Die Entscheidung ist deshalb aufzuheben. Die lediglich aus prozessualen Gründen ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 20.November 2008 sowie der die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers betreffende Beschluss des Amtsgerichts vom 8.Januar 2009 werden damit gegenstandslos. Die Sache wird an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. C. | ||
Steht eine Norm mit dem Grundgesetz nicht in Einklang, so ist sie grundsätzlich für nichtig zu erklären ( § 95 Abs.3 Satz 1 und 2 BVerfGG). Dies gilt allerdings nicht, wenn durch die Nichtigkeit ein Zustand geschaffen würde, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt wäre als der bisherige (vgl BVerfGE_119,331 <382 f.>). Danach scheidet eine Nichtigerklärung der § 1626a Abs.1 Nr.1, § 1672 Abs.1 BGB hier aus, weil sie zur Folge hätte, dass die Begründung einer gemeinsamen elterlichen Sorge oder die Übertragung der Alleinsorge auf den Vater selbst dann nicht mehr möglich wäre, wenn die Eltern eines nichtehelichen Kindes dies übereinstimmend wollten. Zudem steht einer Nichtigerklärung entgegen, dass dem Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten offen stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl BVerfGE_109,256 <273>). II. | ||
Auch eine Unanwendbarkeit (vgl BVerfGE 84,9 <21>) der Normen in Folge ihrer Unvereinbarkeit mit Art.6 Abs.2 GG kommt nicht in Betracht, da dies ebenfalls den verfassungswidrigen Zustand nur weiter vertiefen wrde. | ||
Allerdings ist auch davon abzusehen, lediglich die verfassungswidrigen Normen bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber fr weiter anwendbar zu erkl"ren. Dies fhrte zu einer Perpetuierung der Grundrechtsbeeintr"chtigung von V"tern nichtehelicher Kinder, die m"glicherweise bei Inkrafttreten einer verfassungsgem"áen Regelung nicht mehr behoben werden k"nnte, weil in kindschaftsrechtlichen Verfahren der Zeitfaktor eine wesentliche Rolle spielt (vgl. Heilmann, Kindliches Zeitempfinden und Verfahrensrecht, 1998, S.26). Mit zunehmendem Zeitablauf k"nnen sich die pers"nlichen Bindungen eines Kindes ver"ndern, so dass sich hierdurch m"glicherweise im Faktischen Weichen neu stellen, die sich auf sp"tere Entscheidungen nach neuem Recht auswirken k"nnen. | ||
Vor allem aber h"tten die Fachgerichte weiterhin Normen anzuwenden, die nicht nur unvereinbar mit dem Grundgesetz sind, sondern mit õ 1612a Abs.1 Nr.1 BGB auch eine Norm, die vom Europ"ischen Gerichtshof fr Menschenrechte fr unvereinbar mit der Europ"ischen Menschenrechtskonvention erkl"rt worden ist, weil sie Art.14 in Verbindung mit Art.8 EMRKletzt (vgl EGMR, Zaunegger gegen Deutschland, aaO, Ziffer 64). Da die Fachgerichte gehalten sind, im Rahmen der Rechtsanwendung die Gew"hrleistungen der Europ"ischen Menschenrechtskonvention und die Rechtsprechung des Europ"ischen Gerichtshofs fr Menschenrechte ausreichend zu bercksichtigen (vgl BVerfGE_111,307 <323 f.>), und eine Aussetzung einschl"giger Sorgerechtsverfahren dem verfahrensrechtlichen Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen zuwiderlaufen k"nnte, ist es zur vorbergehenden Sicherstellung eines verfassungs- und konventionsgem"áen Zustandes angezeigt, eine bergangsregelung zu treffen. Dabei ist eine L"sung zu w"hlen, die der gesetzlichen Regelung nicht vorgreift und sie nicht erschwert (vgl BVerfGE_84,9 <23>). III. | ||
Insofern bietet es sich an, vom bisherigen Regelungskonzept des Gesetzgebers auszugehen, das die Begrndung der gemeinsamen Sorge von Eltern nichtehelicher Kinder von der Abgabe gemeinsamer Sorgeerkl"rungen abh"ngig macht. Erg"nzend zu dieser Regelung des õ 1626a Abs.1 Nr.1 BGB wird deshalb bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung vorl"ufig angeordnet, dass das Familiengericht den Eltern auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge gemeinsam bertr"gt, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht. Der gew"hlte Prfungsmaástab hinsichtlich des Kindeswohls soll sicherstellen, dass die Belange des Kindes maágeblich Bercksichtigung finden, jedoch die Zugangsvoraussetzungen zur gemeinsamen Sorge nicht zu hoch angesetzt werden. | ||
Bei der bertragung der Alleinsorge auf den Vater erscheint fr die bergangszeit bis zur Neuregelung eine Anlehnung an die Regelung des õ 1671 BGB sinnvoll. Da auch nach dieser Norm die bertragung der Alleinsorge nur dann vorzunehmen ist, wenn die Voraussetzungen fr eine gemeinsame Sorge der Eltern nicht mehr bestehen, und zugleich, wie unter B.II.5.b) (4) ausgefhrt, die Begrndung einer gemeinsamen Sorge bei bisher bestehender Alleinsorge der Mutter deren Elternrecht weniger beeintr"chtigt als der vollst"ndige Wechsel des Sorgerechts von ihr auf den Vater, wird in Erg"nzung von õ 1672 Abs.1 BGB bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung vorl"ufig angeordnet, dass das Familiengericht dem Vater auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge bertr"gt, soweit eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht. | ||
Wegen der getroffenen bergangsregelung wird davon abgesehen, dem Gesetzgeber eine Frist fr die vorzunehmende Neuregelung zu setzen, zumal die Bundesregierung im Verfahren erkl"rthat, dass es schon Vorberlegungen fr eine gesetzliche Neuregelung gibt. | ||
Auszug aus BVerfG B, 21.07.10, - 1_BvR_420/09 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.33 ff | ||
§§§ |
10.018 | Nicht auffindbare Miterben | |
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§ 10 Abs.1 Satz 1 Nr.7 Satz 2 des Gesetzes über die Entschädigung nach dem Gesetz über die Regelung offener Vermögensfragen ist mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit nicht auffindbare Miterben von ihren Rechten hinsichtlich ehemals staatlich verwalteter Vermögenswerte auch dann ausgeschlossen werden können, wenn zumindest ein anderer Miterbe bekannt und aufgefunden ist. | ||
§§§ |
10.019 | Eingetragene Lebenspartnerschaft | |
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Die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz in der bis zum 31.Dezember 2008 geltenden Fassung ist mit Art.3 Abs.1 GG unvereinbar. | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
10.020 | Fremdrentengesetz | |
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§ 22b Abs.1 Satz 1 Fremdrentengesetz in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz - RVNG) vom 21. Juli 2004 (BGBl I S. 1791) und dessen rückwirkende Inkraftsetzung zum 7. Mai 1996 sind mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit hierdurch die Höhe solcher Hinterbliebenenrenten beschränkt wird, die allein auf Zeiten nach dem Fremdrentengesetz beruhen und die ohne die in § 22b Abs.1 Satz 1 Fremdrentengesetz in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes vorgesehene Beschränkung noch nicht bestandskräftig gewährt worden sind. | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
10.021 | Steuerbefreiung nach dem AbgG | |
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LB 1) Die von der Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger, weisungsgebundener Arbeit abweichende einkommensteuerliche Berücksichtigung von "beruflich" bedingten Aufwendungen eines parlamentarischen Mandatsträgers ist dem Grunde nach durch die besondere Stellung der Abgeordneten hinreichend sachlich begründet. | ||
LB 2) Abgeordnete "schulden" in Abgrenzung zu Arbeitnehmern rechtlich keine Dienste, sondern nehmen in Freiheit ihr Mandat wahr (vgl BVerfGE_76,256 <341> betreffend den Vergleich mit Beamten). | ||
LB 3) Die pauschale Erstattung dieser Aufwendungen soll Abgrenzungsschwierigkeiten vermeiden, die beim Einzelnachweis mandatsbedingter Aufwendungen dadurch aufträten, dass die Aufgaben eines Abgeordneten aufgrund der Besonderheiten des Abgeordnetenstatus nicht in abschließender Form bestimmt werden könnten. | ||
LB 4) Liegt bei Steuerbegünstigungen ein Gleichheitsverstoß vor, ist in der Regel eine bloße Erklärung der Verfassungswidrigkeit geboten, weil der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit verschiedene Möglichkeiten hat, den Verfassungsverstoß zu beseitigen. | ||
§§§ |
10.022 | Versorgungsabschlag | |
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LB 1) Die Regelung zum Versorgungsabschlag bei vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nach § 14 Abs.3 Satz 1 Nr.3 BeamtVG hält sich im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben. | ||
LB 2) Die Länge der aktiven Dienstzeit eines Beamten, die entsprechend dem Leistungsprinzip gemäß Art.33 Abs.5 GG bei der Beamtenversorgung Berücksichtigung finden muss, bleibt bei einer Festsetzung von Versorgungsabschlägen für den vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand auch weiterhin eine maßgebliche Berechnungsgrundlage für die Versorgungsbezüge. | ||
LB 3) Der Gesetzgeber ist nicht daran gehindert, dem Zusammenspiel von Alimentation und dienstlicher Hingabe dadurch Rechnung zu tragen, dass er einem vorzeitigen Ausscheiden eines Beamten - und damit einem Ungleichgewicht zwischen Alimentierung und Dienstleistung - durch eine Verminderung des Ruhegehalts Rechnung trägt. | ||
LB 4) Versorgungsabschläge orientieren sich vor diesem Hintergrund zunächst allein an der Tatsache des vorzeitigen Eintritts in den Ruhestand und müssen von Verfassungs wegen nicht danach unterschieden werden, ob die Zurruhesetzung aus der Perspektive des Beamten freiwillig oder unfreiwillig erfolgte. | ||
LB 5) Der Minderung des Ruhegehalts bei vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand sind verfassungsrechtlich ausnahmsweise dann Grenzen gesetzt, wenn das vorzeitige Ausscheiden aus dem aktiven Dienst auf bestands- beziehungsweise rechtskräftig festgestellten Umständen beruht, die der Verantwortungssphäre des Dienstherrn zuzurechnen sind. | ||
LB 6) Der Beamte hat mit Blick auf sonstige Grundsätze des Berufsbeamtentums - unter Beachtung des Alimentationsgrundsatzes - grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass ihm die für die Bemessung der Bezüge maßgeblichen Regelungen, unter denen er in das Beamten- und Ruhestandsverhältnis eingetreten ist, unverändert erhalten bleiben. | ||
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T-10-06 | Verfassungsmäßigkeit des Versorgungabschlags | |
"Die Verfassungsbeschwerde ist gemäß § 93a Abs.2 BVerfGG nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie ist unbegründet. | ||
§ 14 Abs.3 Satz 1 Nr.3 BeamtVG, der für die Berechnung der Versorgungsbezüge derjeniger Beamten, die wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden, einen zusätzlichen Zeitfaktor einführt und der die Höhe der Versorgungsbezüge an das Lebensalter bei Eintritt in den Ruhestand anknüpft und damit auch die unterschiedliche Dauer des Bezuges der Leistungen nach versorgungsmathematischen Gesichtspunkten berücksichtigt, verstößt - wie auch die darauf beruhenden Entscheidungen - nicht gegen Art.33 Abs.5 GG. 7 | ||
1. Art.33 Abs.5 GG verpflichtet den Gesetzgeber, bei beamtenversorgungsrechtlichen Regelungen den Kernbestand der Strukturprinzipien, welche die Institution des Berufsbeamtentums tragen und von jeher anerkannt sind, zu beachten und gemäß ihrer Bedeutung zu wahren. Dem Besoldungs- und Versorgungsgesetzgeber verbleibt jedoch ein weiter Spielraum des politischen Ermessens, innerhalb dessen er die Versorgung der Beamten den besonderen Gegebenheiten, den tatsächlichen Notwendigkeiten sowie der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen kann. Jede gesetzliche Regelung des Versorgungsrechts muss generalisieren und enthält daher auch unvermeidbare Härten; sie mag für die Betroffenen insofern fragwürdig erscheinen. Daraus sich ergebende Unebenheiten, Friktionen und Mängel müssen in Kauf genommen werden, solange sich für die Gesamtregelung ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund anführen lässt. Das gilt für die Anwendung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums in gleicher Weise wie für die Anwendung des Gleichheitssatzes nach Art.3 Abs.1 GG (stRspr, vgl BVerfGE_26,141 <158 f>; BVerfGE_65,141 <148>; BVerfGE_103,310 <319 f>; BVerfGE_110,353 <365>). | ||
Zum hergebrachten, das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis des Beamten in seinen Kernelementen prägenden und vom Gesetzgeber zu beachtenden Grundsatz der Beamtenversorgung gehört, das Ruhegehalt unter Wahrung des Leistungsprinzips und Anerkennung aller Beförderungen aus dem letzten Amt zu berechnen. Art.33 Abs.5 GG fordert im Grundsatz, dass die Ruhegehaltsbezüge sowohl das zuletzt bezogene Diensteinkommen als auch die Zahl der Dienstjahre widerspiegeln (vgl BVerfGE_114,258 <286>; BVerfGE_117,372 <381, 389>; BVerfGK 8, 232 <235> mwN). | ||
2. Die Regelung zum Versorgungsabschlag bei vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nach § 14 Abs.3 Satz 1 Nr.3 BeamtVG hält sich im Rahmen dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben. Angesichts des weiten Spielraums politischen Ermessens beim Erlass von Besoldungs- und Versorgungsregelungen ist Art.33 Abs.5 GG für die Regelung von Versorgungsabschlägen kein gesetzgeberischer Handlungsauftrag zu entnehmen, zwischen Fällen des antragsabhängigen und damit freiwilligen vorzeitigen Eintritts in den Ruhestand im Sinne des § 14 Abs.3 Satz 1 Nr.1 und Nr.2 BeamtVG sowie unfreiwilligen Versetzungen in den vorzeitigen Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit im Sinne des § 14 Abs.3 Satz 1 Nr.3 BeamtVG zu unterscheiden. | ||
a) § 14 Abs.3 Satz 1 Nr.3 BeamtVG führt nicht zu einer Reduzierung des Ruhegehaltssatzes, sondern lediglich zu einer Verminderung des sich aus den Faktoren des Ruhegehaltssatzes und der ruhegehaltsfähigen Bezüge ergebenden Betrages. Die Länge der aktiven Dienstzeit eines Beamten, die entsprechend dem Leistungsprinzip gemäß Art.33 Abs.5 GG bei der Beamtenversorgung Berücksichtigung finden muss, bleibt bei einer Festsetzung von Versorgungsabschlägen für den vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand auch weiterhin eine maßgebliche Berechnungsgrundlage für die Versorgungsbezüge (so bereits BVerfGK 8, 232 <235>; in diesem Sinne auch BVerfGE_117,372 <389>). 11 | ||
b) Der Gesetzgeber ist nicht daran gehindert, dem Zusammenspiel von Alimentation und dienstlicher Hingabe dadurch Rechnung zu tragen, dass er einem vorzeitigen Ausscheiden eines Beamten - und damit einem Ungleichgewicht zwischen Alimentierung und Dienstleistung - durch eine Verminderung des Ruhegehalts Rechnung trägt. Andernfalls würde das Pflichtengefüge im Beamtenverhältnis insgesamt verschoben (vgl BVerfGK 8, 232 <235 f>; BVerfG, Nichtannahmebeschluss der 1.Kammer des Zweiten Senats vom 11.Dezember 2007 - 2 BvR 797/04 -). | ||
Versorgungsabschläge orientieren sich vor diesem Hintergrund zunächst allein an der Tatsache des vorzeitigen Eintritts in den Ruhestand und müssen von Verfassungs wegen nicht danach unterschieden werden, ob die Zurruhesetzung aus der Perspektive des Beamten freiwillig oder unfreiwillig erfolgte. Der Minderung des Ruhegehalts bei vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand sind verfassungsrechtlich ausnahmsweise dann Grenzen gesetzt, wenn das vorzeitige Ausscheiden aus dem aktiven Dienst auf bestands- beziehungsweise rechtskräftig festgestellten Umständen beruht, die der Verantwortungssphäre des Dienstherrn zuzurechnen sind (vgl BVerfGK 8, 232 <236>). | ||
c) Schließlich hat der Beamte mit Blick auf sonstige Grundsätze des Berufsbeamtentums - unter Beachtung des Alimentationsgrundsatzes - grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass ihm die für die Bemessung der Bezüge maßgeblichen Regelungen, unter denen er in das Beamten- und Ruhestandsverhältnis eingetreten ist, unverändert erhalten bleiben. Der Gesetzgeber darf vielmehr die Höhe der Bezüge kürzen, wenn dies aus sachlichen Gründen und nicht allein aus finanziellen Erwägungen gerechtfertigt ist (stRspr, vgl. BVerfGE_8,1 <12 ff>; BVerfGE_18,159 <166 f>; BVerfGE_70,69 <79 f>; BVerfGE_76,256 <310>). | ||
Solche zusätzlichen sachlichen Gründe liegen vorliegend im bestehenden System der Altersversorgung begründet. Das geltende Versorgungsrecht begünstigt Frühpensionierungen dadurch, dass der Höchstruhegehaltssatz regelmäßig bereits mehrere Jahre vor der gesetzlichen Altersgrenze erreicht wird. Die mit dem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand verbundenen Belastungen der Staatsfinanzen rechtfertigen deshalb Einschnitte in die Beamtenversorgung mit dem Ziel, das tatsächliche Pensionierungsalter anzuheben und die Zusatzkosten dadurch zu individualisieren, dass die Pension des Beamten um einen Abschlag gekürzt wird (vgl BVerfGE_114,258 <291 f.>; im Anschluss daran auch BVerfGK 8, 232 <237>; aus der fachgerichtlichen Rechtsprechung vgl BVerwG, Urteil vom 19.Februar 2004 - 2 C 12/03 -, juris, Rn.18)." ... | ||
Auszug aus BVerfG B, 27.07.10, - 2_BvR_616/09 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.5 ff | ||
§§§ |
10.023 | Shisha-Bar | |
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LB 1) Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seinem Urteil vom 30.Juli 2008 entschieden, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehindert ist, dem Gesundheitsschutz gegenüber den damit beeinträchtigten Freiheitsrechten, insbesondere der Berufsfreiheit der Gastwirte und der Verhaltensfreiheit der Raucher, den Vorrang einzuräumen und ein striktes Rauchverbot in Gaststätten zu verhängen (vgl BVerfGE_121,317 <357 ff.>). | ||
LB 2) Entscheidet sich der Gesetzgeber wegen des hohen Rangs der zu schützenden Rechtsgüter für ein striktes Rauchverbot in allen Gaststätten im Sinne von § 1 GastG, so darf er dieses Konzept konsequent verfolgen und muss sich auch nicht auf Ausnahmeregelungen für solche Gaststätten einlassen, bei denen - wie bei so genannten Shisha-Bars - das Rauchen Teil des gastronomischen Konzepts ist. | ||
LB 3) Ein die Berufsfreiheit beschränkendes Gesetz, das als solches dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, kann gegen Art.12 Abs.1 in Verbindung mit Art.3 Abs.1 GG verstoßen, wenn bei der Regelung Ungleichheiten nicht berücksichtigt wurden, die typischerweise innerhalb der betroffenen Berufsgruppe bestehen. Dies ist anzunehmen, wenn Gruppenangehörige nicht nur in einzelnen, aus dem Rahmen fallenden Sonderkonstellationen, sondern in bestimmten, wenn auch zahlenmäßig begrenzten typischen Fällen ohne zureichende sachliche Gründe verhältnismäßig stärker belastet werden als andere | ||
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T-10-07 | Rauchverbot in Shisha-Bars | |
"Der Antragsteller wendet sich gegen das Rauchverbot in bayerischen Gaststätten. | ||
1. Am 1.August 2010 ist das durch einen Volksentscheid beschlossene neue bayerische Gesetz zum Schutz der Gesundheit (Gesundheitsschutzgesetz - GSG) vom 23.Juli 2010 (BayGVBl S.314) in Kraft getreten. Es sieht ein striktes Rauchverbot für alle Gaststätten im Sinne des Gaststättengesetzes (GastG) vor (Art.3 Abs.1 Satz 1 iVm Art.2 Nr.8 GSG). 3 | ||
Das neue Gesetz entspricht im Wesentlichen der ursprünglichen Fassung des Gesundheitsschutzgesetzes vom 20.Dezember 2007 (BayGVBl S.919). Die mit Wirkung zum 1.August 2009 in dieses Gesetz aufgenommenen Ausnahmeregelungen für Bier-, Wein- und Festzelte und für getränkegeprägte kleine Einraumgaststätten sind ebenso entfallen wie die zur gleichen Zeit geschaffene Möglichkeit, Rauchernebenräume einzurichten. Beibehalten hat der Gesetzgeber aber eine Änderung des Anwendungsbereichs des Gesetzes. Die ursprüngliche Fassung galt nur für Gaststätten im Sinne des Gaststättengesetzes, "soweit sie öffentlich zugänglich sind". Dieser Halbsatz wurde 2009 gestrichen und ist auch nicht in das neue Gesetz aufgenommen worden. | ||
2. Der Antragsteller ist Inhaber einer Gaststätte. Diese betreibt er in Form eines Bistros, in dem er vor allem Wasserpfeifen zum Rauchen anbietet. Nach Angaben des Antragstellers kommen mindestens 95 % seiner Gäste, um Wasserpfeife zu rauchen. Die Gaststätte besteht aus einem Raum mit einer Größe von 70 m2. Ausweislich einer früheren Verfassungsbeschwerde gegen das Gesundheitsschutzgesetz vom 20. Dezember 2007 (1 BvR 1431/08) ist der Antragsteller türkischer Staatsangehöriger. | ||
3. Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung macht der Antragsteller eine Verletzung seiner Rechte aus Art.2 Abs.1, Art.12 Abs.1, Art.14 und Art.20 Abs.3 GG geltend. Er trägt vor, dass er seine Gaststätte schließen müsste, wenn das Rauchverbot in Kraft träte. Die früher zumindest nach der bayerischen Verwaltungspraxis bestehende Möglichkeit, einen Raucherclub zu betreiben, sei weggefallen. Ihm sei es auch nicht möglich, das Konzept seiner Gaststätte umzustellen; im Übrigen würde eine Umstellung einige Zeit in Anspruch nehmen. Wegen der offenen Verbindlichkeiten drohe ihm die Insolvenz. Deshalb stelle sich die Frage, ob von Verfassungs wegen nicht zumindest eine Übergangsregelung oder ein finanzieller Ausgleich für besonders belastete Gaststätteninhaber geboten wären.
II. ]6) 6 ]6[ Der Antrag hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Gemäß § 32 Abs.1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall - auch schon vor Anhängigkeit eines Verfahrens zur Hauptsache - einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Eine einstweilige Anordnung darf jedoch nicht ergehen, wenn sich das in der Hauptsache zu verfolgende Begehren als unzulässig oder als offensichtlich unbegründet erweisen würde (vgl BVerfGE_92,130 <133>; BVerfgE_103,41 <42>). So liegt es hier. Es kann dahinstehen, ob der Erlass einer einstweiligen Anordnung schon deshalb ausscheidet, weil das angegriffene Gesetz bei Antragstellung noch nicht im Bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet worden war (vgl BVerfGE_11,339 <342>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 7.Mai 2010 - 2 BvR 987/10 -, NJW 2010, S. 1586 <1587>; Beschluss des Zweiten Senats vom 9.Juni 2010 - 2 BvR 1099/10 -, WM 2010, S.1160 <1161>). Jedenfalls wäre eine Verfassungsbeschwerde (ÿ ÷Å unbegründet. | ||
Der Antrag hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Gemäß § 32 Abs.1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall - auch schon vor Anhängigkeit eines Verfahrens zur Hauptsache - einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Eine einstweilige Anordnung darf jedoch nicht ergehen, wenn sich das in der Hauptsache zu verfolgende Begehren als unzulässig oder als offensichtlich unbegründet erweisen würde (vgl BVerfGE_92,130 <133>; BVerfgE_103,41 <42>). So liegt es hier. Es kann dahinstehen, ob der Erlass einer einstweiligen Anordnung schon deshalb ausscheidet, weil das angegriffene Gesetz bei Antragstellung noch nicht im Bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet worden war (vgl BVerfGE_11,339 <342>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 7.Mai 2010 - 2 BvR 987/10 -, NJW 2010, S. 1586 <1587>; Beschluss des Zweiten Senats vom 9.Juni 2010 - 2 BvR 1099/10 -, WM 2010, S.1160 <1161>). Jedenfalls wäre eine Verfassungsbeschwerde unbegründet. | ||
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seinem Urteil vom 30.Juli 2008 entschieden, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehindert ist, dem Gesundheitsschutz gegenüber den damit beeinträchtigten Freiheitsrechten, insbesondere der Berufsfreiheit der Gastwirte und der Verhaltensfreiheit der Raucher, den Vorrang einzuräumen und ein striktes Rauchverbot in Gaststätten zu verhängen (vgl. BVerfGE_121,317 <357 ff>). Auf dieser Grundlage hat es auch das Gesundheitsschutzgesetz vom 20.Dezember 2007 in seiner ursprünglichen Fassung, der das hier angegriffene Gesetz weitestgehend entspricht, ausdrücklich gebilligt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 6. August 2008 - 1 BvR 3198/07, 1 BvR 1431/08 -, NJW 2008, S.2701). | ||
Insoweit gilt - was der Antragsteller nicht in Zweifel zieht - für das Rauchen von Wasserpfeifen nichts anderes als für andere Formen des Tabakrauchens. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, diese Form des Rauchens ebenfalls in das Rauchverbot einzubeziehen (vgl dazu LTDrucks 15/8603, S.10). Angesichts des Einschätzungsspielraums, der dem Gesetzgeber zusteht, wenn er zur Verhütung von Gefahren für die Allgemeinheit tätig wird (vgl BVerfGE_121,317 <350> mwN), ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Landesgesetzgeber auch den beim Rauchen von Wasserpfeifen entstehenden Tabakrauch in der Umgebungsluft als Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung ansieht (vgl dazu Deutsches Krebsforschungszentrum, Wasserpfeife - die süße Versuchung | ||
Entscheidet sich der Gesetzgeber wegen des hohen Rangs der zu schützenden Rechtsgüter für ein striktes Rauchverbot in allen Gaststätten im Sinne von § 1 GastG, so darf er dieses Konzept konsequent verfolgen und muss sich auch nicht auf Ausnahmeregelungen für solche Gaststätten einlassen, bei denen - wie bei so genannten Shisha-Bars - das Rauchen Teil des gastronomischen Konzepts ist. Auch die besondere Belastung des Antragstellers begründet keine verfassungsrechtlichen Zweifel am strikten Rauchverbot. Zwar kann ein die Berufsfreiheit beschränkendes Gesetz, das als solches dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, insoweit gegen Art.12 Abs.1 in Verbindung mit Art.3 Abs.1 GG verstoßen, als bei der Regelung Ungleichheiten nicht berücksichtigt wurden, die typischerweise innerhalb der betroffenen Berufsgruppe bestehen. Dies ist anzunehmen, wenn Gruppenangehörige nicht nur in einzelnen, aus dem Rahmen fallenden Sonderkonstellationen, sondern in bestimmten, wenn auch zahlenmäßig begrenzten typischen Fällen ohne zureichende sachliche Gründe verhältnismäßig stärker belastet werden als andere (vgl BVerfGE_77,84 <113> mwN). Der Gesetzgeber kann dann gehalten sein, den unterschiedlichen Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung durch Härteregelungen oder weitere Differenzierungen wie Ausnahmetatbestände Rechnung zu tragen (vgl BVerfGE_34,71 <80>). Auch wenn für den Antragsteller, der sich als ausländischer Staatsangehöriger für seine Berufstätigkeit auf die Verhaltensfreiheit (Art.2 Abs.1 GG) berufen kann (vgl BVerfGE_104,337 <346>), das Gleiche gelten mag, bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob Gaststätten, die überwiegend auf das Rauchen von Wasserpfeifen ausgerichtet sind, die beschriebenen Voraussetzungen einer besonderen Betroffenheit erfüllen (vgl. in diesem Zusammenhang VerfGH Saarland, Urteil vom 1.Dezember 2008 - Lv 2/08 ua -, Bl. 20 ff. des Umdrucks; VerfGH Berlin, Beschluss vom 11.Juli 2008 - 93 A/08 -, juris). Denn eine stärkere Belastung von Inhabern bestimmter Arten von Gaststätten - bis hin zur Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz - ist angesichts der für alle Gaststätten geltenden Regelung durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt, weshalb weder Ausnahme- noch Härteregelungen erforderlich sind (vgl BVerfGE_121,317 <358>). | ||
Auszug aus BVerfG B, 02.08.10, - 1_BvQ_23/10 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.1 ff | ||
§§§ |
10.024 | Informationsbeschaffung | |
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Zu den Grenzen der Informationsbeschaffung des Bundes bei der Gewährung von Finanzhilfen gemäß Art.104b GG (hier zu § 6a des Zukunftsinvestitionsgesetzes). | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
10.025 | Durchsuchungsanordnung | |
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LB 1) Erforderlich zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung ist jedenfalls der Verdacht, dass eine Straftat begangen worden sei. | ||
LB 2) Das Gewicht des Eingriffs verlangt Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. | ||
LB 3) Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen (vgl BVerfGE_59,95 <97>; BVerfGE_115,166 <197 f>; BVerfGE_117,244 <262 f>). | ||
LB 4) Eine Durchsuchung darf nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erforderlich sind; denn sie setzt einen Verdacht bereits voraus. | ||
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T-10-08 | Voraussetzungen für eine Durchsuchungsanordnung | |
"1. Art.13 Abs.1 GG gewährt einen räumlich geschützten Bereich der Privatsphäre, in dem jedermann das Recht hat, in Ruhe gelassen zu werden (vgl BVerfGE_51,97 <107>; BVerfGE_103,142 <150 f>). Erforderlich zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung ist jedenfalls der Verdacht, dass eine Straftat begangen worden sei. Das Gewicht des Eingriffs verlangt Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen (vgl BVerfGE_59,95 <97>; BVerfGE_115,166 <197 f>; 117, 244 <262 f>). Eine Durchsuchung darf nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erforderlich sind; denn sie setzt einen Verdacht bereits voraus (vgl BVerfGK 8, 332 <336>; 11, 88 <92>). | ||
2. Diesen Anforderungen werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht. | ||
a) Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung ist der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts in der Gestalt der Beschwerde- und Gegenvorstellungsentscheidungen des Landgerichts. | ||
aa) Um der Funktion einer vorbeugenden Kontrolle der Durchsuchung durch eine unabhängige und neutrale Instanz (vgl BVerfGE_57,346 <355 f>; BVerfGE_76,83 <91>; BVerfGE_103,142 <155>) gerecht zu werden, darf das Beschwerdegericht seine Entscheidung nicht auf Gründe stützen, die dem Ermittlungsrichter nicht bekannt waren. Prüfungsmaßstab bleibt im Beschwerdeverfahren die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses. Das Beschwerdegericht darf zur Begründung seiner Entscheidung daher keine Erkenntnisse heranziehen, die erst durch die Durchsuchung gewonnen wurden. Die Kontrollfunktion des Richtervorbehalts verbietet es, mangelhafte Umschreibungen des Tatvorwurfs oder der zu suchenden Beweismittel nachträglich zu heilen, denn beide Angaben dienen den durchsuchenden Beamten zur Begrenzung des Eingriffs auf das zur Zweckerreichung erforderliche Maß (vgl BVerfG, Beschluss der 3.Kammer des Zweiten Senats vom 20.April 2004 - 2 BvR 2043/03, 2 BvR 2104/03 -, NJW 2004, S.3171). Die Umgrenzung des Tatvorwurfs versetzt zugleich den Betroffenen in den Stand, die Durchsuchung zu kontrollieren und Rechtsschutz zu suchen (vgl BVerfGE_42,212 <220 f.>; BVerfGE_103,142 <151 f>). Das schließt es nicht aus, die Begründung des Beschlusses des Amtsgerichts in den Grenzen zu ergänzen, die die Funktion der präventiven Kontrolle wahren, oder eine andere rechtliche Beurteilung an die damals vorliegenden tatsächlichen Erkenntnisse zu knüpfen. | ||
bb) Die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts hält sich innerhalb dieser Grenzen. Das Landgericht hat sich zur Begründung des Tatverdachts gegen den Beschwerdeführer zusätzlich auf die Auskunft des Unternehmens ebay vom 26.August 2008 und den Umstand gestützt, dass der Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitraum kein Gewerbe angemeldet hatte. Diese Erkenntnisse waren bereits Gegenstand des Antrags nach Art.23, 24 PAG und dem Ermittlungsrichter mithin bekannt. Ein unzulässiges Nachschieben von Gründen, wie vom Beschwerdeführer behauptet, ist daher nicht erkennbar; die Verfahrensweise des Landgerichts unterliegt insoweit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. | ||
b) Jedoch ist die Annahme eines ausreichenden Tatverdachts von Verfassungs wegen nicht haltbar. Der Verdacht der Hehlerei (§ 259 StGB) setzt unter anderem den Verdacht voraus, dass die Sache durch einen Diebstahl oder ein anderes Vermögensdelikt erlangt worden ist. Im vorliegenden Fall wird der Tatverdacht allein darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer in kurzer Zeit eine große Anzahl von Mobiltelefonen, von denen einige originalverpackt gewesen sind, über die Internetplattform ebay versteigert und dabei Verkaufserlöse erzielt hat, die in der Regel unter dem Preis der billigsten Anbieter gelegen haben. Hierbei handelt es sich indes noch nicht um zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Mobiltelefone aus einer gegen fremdes Vermögen gerichtete Tat stammten. Allein aus der Anzahl der verkauften Mobiltelefone kann ohne weitere Anhaltspunkte nicht auf eine Straftat geschlossen werden. Solche weiteren tatsächlichen Anhaltspunkte werden in den angegriffenen Beschlüssen indes nicht aufgezeigt. Der Hinweis auf die Verkaufserlöse ist eine bloße Behauptung; es hätte zumindest der beispielhaften Gegenüberstellung von erzielten und handelsüblichen Preisen bedurft. Auch aus dem Auftreten des Beschwerdeführers als Privatperson kann nicht ohne weiteres auf die Verwirklichung des Straftatbestandes der Hehlerei geschlossen werden. Die Annahme des Verdachts der Hehlerei beruhte daher auf bloßen Vermutungen, die den schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte persönliche Lebenssphäre nicht zu rechtfertigen vermögen. | ||
3. Da es schon an dem für die Durchsuchung erforderlichen Tatverdacht fehlt, kommt es auf die übrigen, gegen die Durchsuchungsanordnung geltend gemachten Beanstandungen nicht mehr an. Gleiches gilt für die erhobene Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs nach Art.103 Abs.1 GG." ... | ||
Auszug aus BVerfG B, 10.09.10, - 2_BvR_2561/08 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.25 ff | ||
§§§ |
10.026 | Pauschalierung eines Betriebsausgabenabzugsverbots | |
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Die Pauschalierung eines Betriebsausgabenabzugsverbots durch die Hinzurechnung von 5% des Veräußerungsgewinns und der Bezüge aus Unternehmensbeteiligungen zu den Einkünften einer Körperschaft nach § 8b Abs.3 Satz 1 und Abs.5 Satz 1 KStG ist mit Art.3 Abs.1 GG vereinbar. | ||
§§§ |
10.027 | Familien-+ Angehörigenprivileg | |
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Übernimmt ein Elternteil, dessen Kind aufgrund der Trennung der Eltern nicht ständig bei ihm lebt, im Rahmen des ihm rechtlich möglichen Maßes tatsächlich Verantwortung für sein Kind und hat häufigen Umgang mit diesem, der ein regelmäßiges Verweilen und Übernachten im Haushalt des Elternteils umfasst, entsteht zwischen Elternteil und Kind eine häusliche Gemeinschaft im Sinne des § 116 Abs.6 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch, die in gleicher Weise dem Schutz des Art.6 Abs.1 GG unterliegt wie diejenige, bei der Elternteil und Kind täglich zusammenleben. | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
10.028 | Legehennenhaltung | |
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Die in § 16b Abs.1 Satz 2 TierSchG statuierte Pflicht, vor dem Erlass von Rechtsverordnungen und allgemeinen Verwaltungsvorschriften die Tierschutzkommission anzuhören, trägt zur Erfüllung des Verfassungsauftrages aus Art.20a GG bei. Eine Verordnung, die unter Verstoß gegen § 16b Abs.1 Satz 2 TierSchG erlassen wurde, verletzt zugleich Art.20a GG. | ||
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Beschluss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
10.029 | Gentechnikgesetz |
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1) Art.74 Abs.1 Nr.26 2. Alternative GG begründet eine umfassende Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zur Regelung des Rechts der Gentechnik, welche neben der Humangentechnik auch die Gentechnik in Bezug auf Tiere und Pflanzen umfasst. | |
2) Angesichts eines noch nicht endgültig geklärten Erkenntnisstandes der Wissenschaft bei der Beurteilung der langfristigen Folgen eines Einsatzes von Gentechnik trifft den Gesetzgeber eine besondere Sorgfaltspflicht, bei der er den in Art.20a GG enthaltenen Auftrag zu beachten hat, auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen. | |
3) Die Schaffung von Transparenz im Zusammenhang mit dem gezielten Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt (§ 16a GenTG) leistet einen Beitrag zum öffentlichen Meinungsbildungsprozess und stellt einen eigenständigen legitimen Zweck der Gesetzgebung dar. | |
4) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG stellt einen angemessenen und ausgewogenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen dar, indem sie zu einem verträglichen Nebeneinander konventioneller, ökologischer und mit dem Einsatz von Gentechnik arbeitender Produktionsmethoden beiträgt. | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: § 3 Nummern 3 und 6, § 16a Absätze 1 bis 5, § 16b Absätze 1 bis 4 und § 36a des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik in der zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes, zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes und zur Änderung der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung vom 1.April 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 499) geänderten Fassung sind mit dem Grundgesetz vereinbar. |
§§§ |
[ 2009 ] | RS-BVerfG - 2010 | [ ] [ 2011 ] |
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§§§