1996 | ||
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[ 1995 ] [ 1997 ] | [ ] |
96.001 | Verstoß Gemeinschaftsrecht | |
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1) Die Anwendung des Grundsatzes, daß die Mitgliedstaaten zum Ersatz der Schäden verpflichtet sind, die dem einzelnen durch Verstösse gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, die diesen Staaten zuzurechnen sind, ist nicht ausgeschlossen, wenn der Verstoß eine unmittelbar anwendbare gemeinschaftsrechtliche Vorschrift betrifft.ist. | ||
2) Soweit der Vertrag keine Vorschriften enthält, die die Folgen von Verstössen der Mitgliedstaaten gegen das Gemeinschaftsrecht ausdrücklich und genau regeln, hat der Gerichtshof in Erfuellung der ihm durch Artikel 164 des Vertrages übertragenen Aufgabe, die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung des Vertrages zu sichern, über eine solche Frage nach den allgemein anerkannten Auslegungsmethoden zu entscheiden, insbesondere indem er auf die Grundprinzipien der Gemeinschaftsrechtsordnung und gegebenenfalls auf allgemeine Grundsätze, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind, zurückgreift. | ||
3) Der Grundsatz, daß die Mitgliedstaaten zum Ersatz der Schäden verpflichtet sind, die dem einzelnen durch diesen Staaten zuzurechnende Verstösse gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, ist auch dann anwendbar, wenn die Verstösse auf den nationalen Gesetzgeber zurückgehen. | ||
4) Bei der Bestimmung der Voraussetzungen, unter denen der Verstoß eines Mitgliedstaats gegen das Gemeinschaftsrecht den Geschädigten einen Entschädigungsanspruch eröffnet, sind zunächst die Grundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung zu berücksichtigen, die die Grundlage der Staatshaftung bilden, nämlich zum einen die volle Wirksamkeit der Gemeinschaftsnormen und der effektive Schutz der durch sie verliehenen Rechte und zum anderen die den Mitgliedstaaten nach Artikel 5 des Vertrages obliegende Mitwirkungspflicht. Ausserdem ist das System heranzuziehen, das für die ausservertragliche Haftung der Gemeinschaft entwickelt worden ist, da es zum einen gemäß Artikel 215 Absatz 2 des Vertrages auf den den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrundsätze aufbaut und zum anderen keine Veranlassung besteht, die Haftung der Gemeinschaft und die Haftung der Mitgliedstaaten unter vergleichbaren Umständen ohne besonderen Grund unterschiedlichen Systemen zu unterstellen, da der Schutz der Rechte, die der einzelne aus dem Gemeinschaftsrecht herleitet, nicht unterschiedlich sein kann, je nachdem, ob die Stelle, die den Schaden verursacht hat, | ||
5) Der von den Mitgliedstaaten zu leistende Ersatz der Schäden, die sie dem einzelnen durch Verstösse gegen das Gemeinschaftsrecht verursacht haben, muß dem erlittenen Schaden angemessen sein. Soweit es auf diesem Gebiet keine Gemeinschaftsvorschriften gibt, ist es Sache der nationalen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats, die Kriterien festzulegen, anhand deren der Umfang der Entschädigung bestimmt werden kann, wobei diese Kriterien nicht ungünstiger sein dürfen als bei entsprechenden, auf nationales Recht gestützten Ansprüchen; auch dürfen sie keinesfalls so ausgestaltet sein, daß die Entschädigung praktisch unmöglich oder übermässig erschwert ist. Eine nationale Regelung, die den ersatzfähigen Schaden generell auf die Schäden beschränken würde, die an bestimmten, besonders geschützten individuellen Rechtsgütern entstehen, wobei der entgangene Gewinn des einzelnen ausgeschlossen wäre, ist unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht. Im übrigen muß besonderer Schadensersatz wie der im englischen Recht vorgesehene "exemplarische" Schadensersatz gewährt werden können, wenn er, gestützt auf das Gemeinschaftsrecht - gegebenenfalls auch in Form einer Klage - geltend gemacht wird, sofern ein solcher, auf nationales Recht gestützter Schadensersatz zugesprochen würde. | ||
6) Die Verpflichtung eines Mitgliedstaats zum Ersatz der Schäden, die dem einzelnen durch diesem Staat zuzurechnende Verstösse gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, kann nicht auf die Schäden beschränkt werden, die nach Erlaß eines Urteils des Gerichtshofes eingetreten sind, in dem die in diesen Verstössen liegende Vertragsverletzung festgestellt wird. | ||
§§§ |
96.002 | Studentenvertreter | |
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1) Die persönliche Haftung eines Mitglieds des studentischen Sprecherrats auf Schadensersatz in Geld gegenüber der Hochschule oder dem Staat als Träger der Hochschule wegen Verletzung einer Amtspflicht (hier: Veranlassung der Bezahlung einer Rechnung für den Druck eines studentischen Informationsblatts durch die Hochschulverwaltung, das sich nicht im Rahmen der Aufgaben des studentischen Sprecherrats hält), setzt eine konkret tragfähige Rechtsgrundlage voraus, die der Vielschichtigkeit und Kompliziertheit der Rechtsbeziehungen im Rahmen der Hochschulselbstverwaltung Rechnung trägt; in keinem Fall reichen analog herangezogene Regelungen des bürgerlichen Rechts über das Auftragsverhältnis und die positive Forderungsverletzung für eine Haftungsbegründung aus. | ||
2) Die Annahme einer Schadensersatzpflicht eines Mitglieds des studentischen Sprecherrats ohne ein konkret tragfähige Rechtsgrundlage verletzt Art.20 Abs.3 GG. | ||
§§§ |
96.003 | Beförderung-Dienstalter | |
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1) Zur Zulässigkeit einer Beförderungsauswahl nach dem Dienstalter von im wesentlichen als gleichgeeignet beurteilten Beamten. | ||
2) Zum Verschulden des Dienstherrn im Falle rechtsfehlerhafter Beförderungsauswahl. | ||
3) Den Streitwert der Schadenersatzklage eines Beamten wegen unterbliebener oder verspäteter Beförderung berechnet der Senat in entsprechender Anwendung des § 13 Abs.4 Satz 2 GKG nF. | ||
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T-96-01 | Im wesentlich gleich geeignete Beamte | |
"Der Kläger verlangt Schadensersatz dafür, daß er anstatt im Juni 1992 nicht bereits bei den Beförderungen zum Kriminalhauptkommissar zum 1. April 1991 berücksichtigt worden ist. | ||
Die Beschwerde hält im Hinblick hierauf die Frage der zulässigen arithmetischen Differenz bei Beurteilungen, wobei der Dienstherr noch von "im wesentlichen gleichgeeigneten" Beamten ausgehen kann, für grundsätzlich klärungsbedürftig. | ||
Mit dieser Fragestellung knüpft die Beschwerde an die bereits vorliegende Rechtsprechung des Senats an, in der eine ausschlaggebende Berücksichtigung des Dienst- oder Lebensalters nur im Verhältnis von nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung für das Beförderungsamt im wesentlichen gleich beurteilten Beamten gebilligt worden ist (vgl BVerwGE_80,123 <126>; Beschluß vom 10.November 1993 - BVerwG 2 ER 301.93 - | ||
Im übrigen ist eine Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage für das angestrebte Revisionsverfahren auch deshalb nicht ersichtlich, weil selbst bei strengerer rechtlicher Würdigung der Praxis des Beklagten diesem schwerlich ein Verschulden zur Last gelegt werden könnte, nachdem er die beanstandete Beförderung anderer Beamter erst nach Zurückweisung des vom Kläger in Anspruch genommenen vorläufigen Rechtsschutzes durch das Berufungsgericht ausgesprochen hat und sowohl das Verwaltungsgericht wie das Berufungsgericht dies im vorliegenden Hauptsacheverfahren nochmals als - wenn auch an der Grenze liegend, so doch - objektiv rechtmäßig gebilligt haben (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl etwa Urteile vom 15.November 1984 - BVerwG 2 C 56.81 - | ||
Auszug aus BVerwG B, 14.05.96, - 2_B_73/96 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.2 ff | ||
§§§ |
96.004 | Vorkaufsrecht | |
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1) Das gemeindliche Vorkaufsrecht nach § 3 Abs.1 BauGBMaßnG darf nur zu dem Zweck ausgeübt werden, den Wohnbedarf der Bevölkerung zu decken. | ||
2) Die Amtspflicht, das gemeindliche Vorkaufsrecht nur rechtmäßig auszuüben, besteht auch gegenüber dem Verkäufer des betroffenen Grundstücks. | ||
3) Die Mitglieder des Gemeinderates handeln amtspflichtwidrig, wenn sie die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts nach § 3 BauGBMaßnG allein zu dem Zweck beschließen, die Ansiedlung oder Erweiterung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes auf dem Kaufgrundstück zu verhindern. | ||
4) Die Ausübung des Vorkaufsrechts wird nicht dadurch rechtmäßig, daß in dem den Ratsbeschluß ausführenden Verwaltungsakt des Gemeindedirektors zur Begründung auch auf die Deckung des Wohnbedarfs der Bevölkerung abgestellt wird. | ||
5) Für die Frage der Rechtmäßigkeit der Vorkaufsausübung kommt es auf den in dem Ratsbeschluß zum Ausdruck gekommenen Willen der Gemeinde, nicht aber darauf an, ob der Erwerb des betreffenden Grundstücks durch die Gemeinde objektiv zur Deckung des Wohnbedarfs der Bevölkerung angezeigt ist. | ||
§§§ |
96.005 | Baugenehmigung-rechtswidrige | |
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Nach Erteilung einer Baugenehmigung können besondere Umstände dem Bauherrn Anlaß geben, deren Rechtsbeständigkeit in Frage zu stellen, insbesondere wenn gegen die Erteilung schon Nachbarwiderspruch eingegangen sind. Beginnt der Bauherr gleichwohl mit seinem Bauvorhaben, fällt ein dadurch begründeter Schaden nicht mehr in den Schutzbereich der verletzten Amtspflicht (Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung). | ||
§§§ |
96.006 | Südumfahrung Stendal |
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1) Staatliche Planung ist weder eindeutig der Legislative noch eindeutig der Exekutive zugeordnet. | |
2) Auch Detailpläne im Bereich der anlagenbezogenen Fachplanung sind einer gesetzlichen Regelung zugänglich. Das Parlament darf durch Gesetz eine solche Entscheidung freilich nur dann an sich ziehen, wenn hierfür im Einzelfall gute Gründe bestehen. | |
3) Entfaltet eine Legalplanung enteignungsrechtliche Vorwirkungen, hat sie vor der Verfassung jedenfalls dann Bestand, wenn sie nicht nur - wie jede Enteignung - im Sinne des Art.14 Abs.3 Satz 1 GG zum Wohle der Allgemeinheit erforderlich ist, sondern auch triftige Gründe für die Annahme bestehen, daß die Durchführung einer behördlichen Planfeststellung mit erheblichen Nachteilen für das Gemeinwohl verbunden wäre, denen nur durch eine gesetzliche Regelung begegnet werden kann. | |
LB 4) Die in Art.20 Abs.2 Satz 2 GG normierte Teilung der Gewalten ist für das Grundgesetz ein tragendes Organisations- und Funktionsprinzip. Sie dient der gegenseitigen Kontrolle der Staatsorgane und damit der Mäßigung der Staatsherrschaft (vgl BVerfGE_3,225 <247>; stRspr). | |
LB 5) Dabei zielt die Gewaltenteilung auch darauf ab, daß staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen (vgl BVerfGE_68,1 <86>). | |
LB 6) Das Grundgesetz fordert nicht eine absolute Trennung, sondern die gegenseitige Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten. Allerdings muß die in der Verfassung vorgenommene Verteilung der Gewichte zwischen den drei Gewalten gewahrt bleiben. | |
LB 7) Keine Gewalt darf der für die Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben erforderlichen Zuständigkeiten beraubt werden (vgl BVerfGE_9,268 <279 f>; BVerfGE_22,106 <111>; BVerfGE_34,52 <59>; stRspr). | |
LB 8) Im freiheitlich-demokratischen System des Grundgesetzes fällt dem Parlament als Legislative die verfassungsrechtliche Aufgabe der Normsetzung zu. Nur das Parlament besitzt hierfür die demokratische Legitimation (vgl BVerfGE_34,52 <59>; BVerfGE_49,89 <124 ff>; BVerfGE_68,1 <87>). | |
LB 9) Der Exekutive obliegt die Regierung und die Verwaltung (vgl BVerfGE_30,1 <28>). Zu ihren Aufgaben gehört die Vollziehung von Gesetzen im Einzelfall, wie sich bereits aus der Bezeichnung "vollziehende Gewalt" in Art.20 Abs.2 Satz 2 GG ergibt (vgl auch BVerfGE_83,60 <72>; BVerfGE_93,37 <67>). | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
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T-96-02 | Normenkontrollantrag |
"B. Der zulässige Normenkontrollantrag (Art.93 Abs.1 Nr.2 GG, § 76 Nr.1 BVerfGG) ist unbegründet. I. | |
Nach § 24 Satz 1 BVerfGG kann das Gericht auch ohne mündliche Verhandlung einen offensichtlich unbegründeten Antrag verwerfen. Die Beurteilung, ein Antrag sei offensichtlich unbegründet, setzt dabei nicht voraus, daß seine Unbegründetheit auf der Hand liegt; sie kann auch - wie im vorliegenden Fall - das Ergebnis einer vorgängigen gründlichen Prüfung unter allen rechtlichen Gesichtspunkten sein (vgl BVerfGE_79,223 <231>; BVerfGE_82,316 <319 f>). Demgemäß ist festzustellen (vgl BVerfGE_1,14 <64>), daß das Gesetz über den Bau der "Südumfahrung Stendal" der Eisenbahnstrecke Berlin-Oebisfelde mit dem Grundgesetz vereinbar ist. II. | |
1. a) Die in Art.20 Abs.2 Satz 2 GG normierte Teilung der Gewalten ist für das Grundgesetz ein tragendes Organisations- und Funktionsprinzip. Sie dient der gegenseitigen Kontrolle der Staatsorgane und damit der Mäßigung der Staatsherrschaft (vgl BVerfGE_3,225 <247>; stRspr). Dabei zielt sie auch darauf ab, daß staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen (vgl BVerfGE_68,1 <86>). | |
Das Prinzip der Gewaltenteilung ist nirgends rein verwirklicht. Es bestehen zahlreiche Gewaltenverschränkungen und -balancierungen. Das Grundgesetz fordert nicht eine absolute Trennung, sondern die gegenseitige Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten. Allerdings muß die in der Verfassung vorgenommene Verteilung der Gewichte zwischen den drei Gewalten gewahrt bleiben. Keine Gewalt darf ein von der Verfassung nicht vorgesehenes Übergewicht über eine andere Gewalt erhalten. Keine Gewalt darf der für die Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben erforderlichen Zuständigkeiten beraubt werden (vgl BVerfGE_9,268 <279 f>; BVerfGE_22,106 <111>; BVerfGE_34,52 <59>; stRspr). Der Kernbereich der verschiedenen Gewalten ist unveränderbar. Damit ist ausgeschlossen, daß eine der Gewalten die ihr von der Verfassung zugeschriebenen typischen Aufgaben verliert (vgl BVerfGE_34,52 <59>). | |
b) Für das Verhältnis von Legislative und Exekutive bedeutet dies: | |
Im freiheitlich-demokratischen System des Grundgesetzes fällt dem Parlament als Legislative die verfassungsrechtliche Aufgabe der Normsetzung zu. Nur das Parlament besitzt hierfür die demokratische Legitimation (vgl BVerfGE_34,52 <59>; BVerfGE_49,89 <124 ff>; BVerfGE_68,1 <87>). Der Exekutive obliegt die Regierung und die Verwaltung (vgl BVerfGE_30,1 <28>). Zu ihren Aufgaben gehört die Vollziehung von Gesetzen im Einzelfall, wie sich bereits aus der Bezeichnung "vollziehende Gewalt" in Art.20 Abs.2 Satz 2 GG ergibt (vgl auch BVerfGE_83,60 <72>; BVerfGE_93,37 <67>). | |
c) Nach diesen Merkmalen kann staatliche Planung weder eindeutig der Legislative noch eindeutig der Exekutive zugeordnet werden. Zum einen kann Planung nicht als ein Vorgang der Subsumtion eines bestimmten Lebenssachverhalts unter die Tatbestandsmerkmale einer generell-abstrakten Norm verstanden werden. Zum andern stellt die Planungsentscheidung auch keine generell-abstrakte Vorgabe für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen dar. Es handelt sich vielmehr um einen komplexen Prozeß der Gewinnung, Auswahl und Verarbeitung von Informationen, der Zielsetzung und der Auswahl einzusetzender Mittel. Planung hat mithin finalen und keinen konditionalen Charakter (vgl BVerfGE_80,137 <162>; vgl auch Hoppe in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd.III, § 71, Rn.19, 43). | |
Ist staatliche Planung von vornherein keiner der beiden Staatsgewalten eindeutig zugeordnet, so obliegt der Exekutive jedenfalls die Planvorbereitung. Das Parlament verfügt hingegen über Informations- und Kontrollrechte. Soweit es sich nicht um "Kernbereiche exekutivischer Eigenverantwortung" der Regierung handelt (vgl dazu etwa BVerfGE_67,100 <139<; BVerfGE_68,1 <85 ff, 87>), vermag das Parlament grundlegende Fragen auch selbst zu entscheiden. Dies gilt im besonderen - kraft des dem Parlament historisch zukommenden Haushaltsbewilligungsrechts - für den Haushalt (vgl Hoppe in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd.III, § 71, Rn.37). Der Gesetzgeber darf dementsprechend - auf Initiative und Vorbereitung von Regierung und Verwaltung hin - durch Gesetz einen Plan beschließen, sofern die Materie ihrer Natur nach geeignet ist, gesetzlich geregelt zu werden (vgl. Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd.III, § 62, Rn.65), und sonstige verfassungsrechtliche Gründe nicht entgegenstehen. | |
d) Auch Detailpläne im Bereich der anlagenbezogenen Fachplanung, die konkrete Regelungen hinsichtlich eines einzelnen Vorhabens treffen, sind einer gesetzlichen Regelung zugänglich. ]0) 49 ]0[ aa) Dem Grundgesetz kann nicht entnommen werden, daß es von einem Gesetzesbegriff ausgeht, der nur generelle Regelungen zuläßt. Dies bestätigen sowohl Art.19 Abs.1 Satz 1 GG, der Einzelfallgesetze nicht generell, sondern nur in seinem Gewährleistungsbereich ausschließt, als auch Art.14 Abs.3 Satz 2 GG, der dem Gesetzgeber ausdrücklich die Möglichkeit der Enteignung durch Gesetz eröffnet. Mit der Planung eines einzelnen Vorhabens greift der Gesetzgeber mithin nicht notwendig in die Funktion ein, die die Verfassung der vollziehenden Gewalt oder der Rechtsprechung vorbehalten hat (vgl BVerfGE_25,371 <398>). ]A1) 50 ]A1[ bb) Parlamente sind auch nach ihren Aufgaben und ihren Verfahren durchaus zu einer anlagenbezogenen Fachplanung in der Lage. Der parlamentarische Gesetzgeber vollzieht mit seiner Entscheidung für oder gegen die planerische Zulassung eines Vorhabens nicht andere Gesetze, insbesondere des Planungsrechts, sondern trifft eine eigenständige gestaltende Regelung, die das | |
aa) Dem Grundgesetz kann nicht entnommen werden, daß es von einem Gesetzesbegriff ausgeht, der nur generelle Regelungen zuläßt. Dies bestätigen sowohl Art.19 Abs.1 Satz 1 GG, der Einzelfallgesetze nicht generell, sondern nur in seinem Gewährleistungsbereich ausschließt, als auch Art.14 Abs.3 Satz 2 GG, der dem Gesetzgeber ausdrücklich die Möglichkeit der Enteignung durch Gesetz eröffnet. Mit der Planung eines einzelnen Vorhabens greift der Gesetzgeber mithin nicht notwendig in die Funktion ein, die die Verfassung der vollziehenden Gewalt oder der Rechtsprechung vorbehalten hat (vgl BVerfGE_25,371 <398>). | |
bb) Parlamente sind auch nach ihren Aufgaben und ihren Verfahren durchaus zu einer anlagenbezogenen Fachplanung in der Lage. Der parlamentarische Gesetzgeber vollzieht mit seiner Entscheidung für oder gegen die planerische Zulassung eines Vorhabens nicht andere Gesetze, insbesondere des Planungsrechts, sondern trifft eine eigenständige gestaltende Regelung, die das Vorhaben von der Zulassungsbedürftigkeit nach anderen Gesetzen befreit und der Entscheidung zugleich die sonst an einen Planfeststellungsbeschluß gesetzlich geknüpften materiellen Wirkungen verleiht. Deshalb sind auch Planfeststellungen einer Mehrheitsentscheidung zugänglich. | |
cc) Weitere Schranken ergeben sich aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung insofern, als diese auf die gegenseitige Mäßigung und Kontrolle der Staatsorgane ausgerichtet ist und mithin auch grundrechtsschützende Funktionen erfüllt. Eine Entscheidung über eine konkrete Fachplanung ist nach den einschlägigen Fachplanungsgesetzen üblicherweise der Verwaltung vorbehalten, die dafür den erforderlichen Verwaltungsapparat und Sachverstand besitzt. Das Parlament darf durch Gesetz eine solche Entscheidung nur dann an sich ziehen, wenn hierfür im Einzelfall gute Gründe bestehen, etwa weil die schnelle Verwirklichung des Vorhabens von besonderer Bedeutung für das Gemeinwohl ist. Insofern steht dem Gesetzgeber ein Beurteilungs- und Einschätzungsspielraum zu. | |
Schließlich können sich auch noch Schranken im Hinblick auf die vertikale Gewaltenteilung zwischen Bund und Ländern ergeben. Dem braucht vorliegend aber nicht nachgegangen zu werden. Hinsichtlich der Bundeseisenbahnen und des Baues von Schienennetzen steht dem Bund sowohl gemäß Art.73 Nr.6a GG die Gesetzgebungskompetenz als auch gemäß Art.87 Abs.1 Satz 1 GG aF, ebenso aber auch gemäß Art.87e GG, eingefügt durch Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 20.Dezember 1993 (BGBl.I S.2089), die Verwaltungskompetenz zu. Für die Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs kann er sie auf Antrag eines Landes übernehmen (Art.90 Abs.3 GG). | |
2. Gemessen an dem dargelegten Maßstab verletzt das Gesetz nicht die durch Art.20 Abs.2 Satz 2 GG gebotene Gewaltenteilung. | |
a) Das Gesetz geht auf eine Initiative der Bundesregierung zurück, die ein in ihrem Auftrag von der Planungsgesellschaft ausgearbeitetes Plankonzept vorgelegt hat. Zu diesem Plankonzept waren vor der Einbringung in den Bundestag Auslegungen, Anhörungen und Erörterungen nach Art eines Planfeststellungsverfahrens durchgeführt worden. Bundestag und Bundesrat haben dieses Konzept nach weiteren Anhörungen ohne Änderungen gebilligt. | |
b) Der Gesetzgeber beansprucht auch nicht generell eine Kompetenz zur Zulassung von Verkehrsvorhaben anstelle der Verwaltung. Vergleichbare Gesetze waren von Anfang an nur für einzelne, besonders ausgewählte Abschnitte von Fernverkehrswegen vorgesehen, so daß es an jedem Anhaltspunkt für eine Verlagerung von originären Verwaltungsfunktionen auf die Legislative fehlt. | |
Für die Planfeststellung des Streckenabschnitts "Südumfahrung Stendal" durch Gesetz bestanden gute Gründe: | |
aa) Die Entscheidung des Gesetzgebers war ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl BTDrucks 12/3477, S.5 ff) von der Erwägung geleitet, auf schnellstmöglichem Wege die Wirtschaft in den neuen Ländern zu stärken und auf die Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hinzuwirken (vgl auch § 1 Abs.1 Satz 1 des Gesetzes). Dieses Ziel verlangte einen unverzüglichen Aufbau der Verkehrsinfrastruktur in den neuen Ländern, deren Verkehrswege sich nach jahrzehntelanger Vernachlässigung zum Teil in einem desolaten Zustand befanden und den Anforderungen des modernen Verkehrs nicht gewachsen waren. | |
Vor diesem Hintergrund maß der Gesetzgeber den vom Bundesminister für Verkehr erarbeiteten 17 Verkehrsprojekten "Deutsche Einheit" eine Schlüsselfunktion sowohl für den wirtschaftlichen Aufschwung als auch für das Zusammenwachsen der alten und der neuen Länder bei. Als herausragendes Vorhaben betrachtete er den Neubau der Hochgeschwindigkeitsstrecke Hannover-Berlin. Ihr wird nach den gesetzgeberischen Vorstellungen auch eine zentrale Rolle im internationalen Ost-West-Verkehr zukommen (vgl aaO, S.6). | |
bb) In diesem Rahmen wollte der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur annähernd zeitgleichen Fertigstellung der gesamten Hochgeschwindigkeitsstrecke und ihrer Inbetriebnahme im Jahre 1997 beitragen; er erwartete sich einen erheblichen Zeitgewinn (vgl aaO, S.7 f). | |
(1) Für behördliche Planfeststellungsverfahren entlang der Stammstrecke Berlin-Oebisfelde rechnete der Gesetzgeber auch bei Nutzung des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes in Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Verwaltungen in den neuen Ländern mit einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von zwei Jahren bis zum Ergehen von Planfeststellungsbeschlüssen. Für den Streckenabschnitt "Südumfahrung Stendal" sah er eine Verfahrensdauer von drei Jahren voraus. Dies leitete er daraus ab, daß in dem Streckenabschnitt in stärkerem Maß öffentliche und private Belange berührt würden und auch die Stadt Stendal bereits im Vorfeld der Planungen aus ökologischen Gründen erheblichen Widerstand angekündigt habe. Eine zeitgleiche Fertigstellung und Inbetriebnahme aller Streckenabschnitte im Jahre 1997 war damit in Frage gestellt. ]B2) 61 ]B2[ (2) Den Zeitbedarf für ein Gesetzgebungsverfahren von der Verabschiedung der Vorlage in der Bundesregierung bis zur Verkündung des beschlossenen Gesetzes im Bundesgesetzblatt veranschlagte der Gesetzgeber unter Zugrundelegung der Erfahrungen mit eilbedürftigen Gesetzen auf sechs bis sieben Monate. Zwar hat sich diese gesetzgeberische Prognose nicht bestätigt. Denn tatsächlich dauerte das Gesetzgebungsverfahren erheblich länger. Gleichwohl war die grundsätzliche Einschätzung des Gesetzgebers, daß die Planfeststellung durch Gesetz zur zeitgleichen Fertigstellung der Hochgeschwindigkeitsstrecke und ihrer angestrebten Inbetriebnahme im Jahre 1997 beitrage, vertretbar und hat sich als richtig erwiesen. So wurde nach Inkrafttreten des Gesetzes noch im Dezember 1993 im Streckenabschnitt "Südumfahrung Stendal" mit den Bauarbeiten begonnen. Dies ermöglichte nach den Angaben der Bundesregierung den termingerechten Abschluß der Erd-, Straßen- und Brückenbauarbeiten bis zum Juni 1995. Die Ausrüstung der Strecke soll bis Ende 19 | |
(2) Den Zeitbedarf für ein Gesetzgebungsverfahren von der Verabschiedung der Vorlage in der Bundesregierung bis zur Verkündung des beschlossenen Gesetzes im Bundesgesetzblatt veranschlagte der Gesetzgeber unter Zugrundelegung der Erfahrungen mit eilbedürftigen Gesetzen auf sechs bis sieben Monate. Zwar hat sich diese gesetzgeberische Prognose nicht bestätigt. Denn tatsächlich dauerte das Gesetzgebungsverfahren erheblich länger. Gleichwohl war die grundsätzliche Einschätzung des Gesetzgebers, daß die Planfeststellung durch Gesetz zur zeitgleichen Fertigstellung der Hochgeschwindigkeitsstrecke und ihrer angestrebten Inbetriebnahme im Jahre 1997 beitrage, vertretbar und hat sich als richtig erwiesen. So wurde nach Inkrafttreten des Gesetzes noch im Dezember 1993 im Streckenabschnitt "Südumfahrung Stendal" mit den Bauarbeiten begonnen. Dies ermöglichte nach den Angaben der Bundesregierung den termingerechten Abschluß der Erd-, Straßen- und Brückenbauarbeiten bis zum Juni 1995. Die Ausrüstung der Strecke soll bis Ende 1996 abgeschlossen sein. Ab Januar 1997 beginnen Abnahmefahrten und - anschließend - der Probebetrieb, so daß der Streckenabschnitt - wie geplant - zum Fahrplanwechsel 1997 zugleich mit den anderen Streckenabschnitten in Betrieb genommen werden kann. Daß dieses Ziel des Gesetzgebers auch bei einer behördlichen Planfeststellung zu erreichen gewesen wäre, erscheint wenig wahrscheinlich. Bei einer - von der Bundesregierung vertretbar angenommenen - Dauer von drei Jahren hätte ein Planfeststellungsbeschluß, ausgehend von der Zuleitung des Plans an die Träger öffentlicher Belange Mitte November 1991, erst Mitte November 1994 vorgelegen. Dementsprechend hätten die Bauarbeiten auch frühestens zu diesem Zeitpunkt beginnen können. Die Fertigstellung des Streckenabschnitts hätte sich gegenüber den anderen Streckenabschnitten dann um mindestens ein Jahr verzögert. | |
(3) Im Rahmen des dem Gesetzgeber zustehenden Beurteilungsspielraums hält sich auch seine Einschätzung, eine Weiterbenutzung der vorhandenen Stammstrecke durch den Bahnhof Stendal sei nicht einmal übergangsweise hinnehmbar. Nach den Untersuchungen der Planungsgesellschaft hätte dies nämlich zu erheblichen Geschwindigkeitseinbußen und zu dadurch bedingten längeren Fahrzeiten geführt, zumal auch eine auf zwei Gleise ausgebaute Stammstrecke im Raum Stendal nicht ausreiche, das Betriebsprogramm der Hochgeschwindigkeitsstrecke zu bewältigen (vgl Anlagenband I zum Gesetz, Erläuterungsbericht, Teil II.Punkt 1.1.3., S.63 f). III. | |
Den Prüfungsmaßstab für die weitere verfassungsrechtliche Beurteilung des Gesetzes bilden die grundrechtlichen Vorgaben aus Art.14 Abs. 1 Satz 1 und Abs.3 GG, Art.19 Abs.1 Satz 1 und Art.3 Abs.1 GG sowie die Gewährleistungen der Selbstverwaltungsgarantie aus Art.28 Abs.2 Satz 1 GG. | |
1. Das Gesetz genügt den verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art.14 Abs.1 Satz 1 und Abs.3 GG, denen es wegen seiner enteignungsrechtlichen Vorwirkungen unterliegt. ]B6) 65 ]B6[ a) Nach Art.14 Abs.3 GG ist eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Enteignung durch Gesetz ist dadurch gekennzeichnet, daß das Gesetz selbst und unmittelbar - ohne weiteren Vollzugsakt - konkrete und individuelle Rechtspositionen entzieht, die einem bestimmbaren Kreis von Personen oder Personengruppen nach dem bis dahin geltenden Recht zustehen (vgl BVerfGE_31,275 <281>; BVerfGE_45,297 <325 f>). ]B7) 66 ]B7[ Zwar sieht das vorliegende Gesetz selbst keine unmittelbare Enteignung der betroffenen Grundstückseigentümer vor, sondern weist sowohl die Enteignung als auch die Entschädigungsregelung gemäß § 3 des Gesetzes einem besonderen Verwaltungsverfahren zu, für das die Regelungen des Baugesetzbuchs gelten. Indes ist zu berücksic | |
a) Nach Art.14 Abs.3 GG ist eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Enteignung durch Gesetz ist dadurch gekennzeichnet, daß das Gesetz selbst und unmittelbar - ohne weiteren Vollzugsakt - konkrete und individuelle Rechtspositionen entzieht, die einem bestimmbaren Kreis von Personen oder Personengruppen nach dem bis dahin geltenden Recht zustehen (vgl BVerfGE_31,275 <281>; BVerfGE_45,297 <325 f>). | |
Zwar sieht das vorliegende Gesetz selbst keine unmittelbare Enteignung der betroffenen Grundstückseigentümer vor, sondern weist sowohl die Enteignung als auch die Entschädigungsregelung gemäß § 3 des Gesetzes einem besonderen Verwaltungsverfahren zu, für das die Regelungen des Baugesetzbuchs gelten. Indes ist zu berücksichtigen, daß § 3 Abs.1 des Gesetzes die Enteignung zugunsten des Vorhabenträgers bereits dann zuläßt, wenn sie zur Ausführung des gemäß § 1 Abs.1 Satz 2 des Gesetzes festgestellten Plans notwendig ist. Der gesetzlich zugelassene Plan bestimmt - anders als etwa die Bedarfsplanung für den Ausbau des Netzes der Bundesfernstraßen nach der Anlage zu § 1 Abs.1 Satz 2 des Fernstraßenausbaugesetzes - in allen Einzelheiten den Verlauf der Hochgeschwindigkeitsstrecke im Bereich des Streckenabschnitts "Südumfahrung Stendal". Mit Inkrafttreten des Gesetzes steht mithin fest, welche konkreten Grundstücke und in welchem Umfange diese für das Vorhaben in Anspruch genommen werden sollen (vgl BVerfGE_45,297 <327>; BVerfGE_56,249 <264>). Außerdem erzeugt die gesetzliche Projektzulassung dadurch Bindungen für ein nachfolgendes Enteignungsverfahren, daß nach § 1 Abs.2 Satz 3 des Gesetzes mit der planerischen Zulassung des Vorhabens alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen der damaligen Deutschen Reichsbahn als Träger des Vorhabens und den Betroffenen rechtsgestaltend geregelt werden. Der durch Gesetz zugelassene Plan ist mithin dem Enteignungsverfahren zugrundezulegen; er entfaltet insoweit enteignungsrechtliche Vorwirkungen, als er abschließend und für das weitere Verfahren verbindlich über die Zulässigkeit der Enteignungen einzelner Grundstücke entscheidet. Als Legalenteignung im Gewande einer Legalplanung ist das Gesetz folglich an Art.14 Abs.3 GG zu messen (vgl BVerfGE_45,297 <319 f>; BVerfGE_56,249 <264 f>; BVerfGE_74,264 <282>; vgl auch BVerwGE_98,339 <346>). | |
b) Eine Legalenteignung ist nur in eng begrenzten Fällen zulässig, weil sie den durch Art.14 Abs.1 Satz 1 GG und durch Art.19 Abs.4 Satz 1 GG garantierten effektiven Rechtsschutz schmälert (vgl BVerfGE_24,367 <398 ff>; BVerfGE_45,297 <331, 333>). Dies gilt auch für die Legalplanung mit ihren enteignungsrechtlichen Vorwirkungen. Sie entzieht den von dem Vorhaben betroffenen Grundstückseigentümern den verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz gegen eine behördliche Planfeststellungsentscheidung. In welchen Fällen eine derartige Verkürzung des Rechtsschutzes verfassungsrechtlich zulässig ist, bedarf vorliegend keiner abschließende Entscheidung. Eine Legalplanung hat vor der Verfassung jedenfalls dann Bestand, wenn eine mit ihr verbunden Enteignung nicht nur - wie jede Enteignung - im Sinne des Art.14 Abs.3 Satz 1 GG zum Wohle der Allgemeinheit erforderlich ist, sondern auch triftige Gründe für die Annahme bestehen, daß die Durchführung einer behördlichen Planfeststellung mit erheblichen Nachteilen für das Gemeinwohl verbunden wäre, denen nur durch eine gesetzliche Regelung begegnet werden kann. | |
c) Bei einer Planungsentscheidung der vorliegenden Art ist dem Gesetzgeber eine Gestaltungsbefugnis und damit die Kompetenz eingeräumt, die erforderliche Abwägung der verschiedenen Belange selbst vorzunehmen. Das Bundesverfassungsgericht kann nicht seine eigene Abwägung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen; es hat nur zu prüfen, ob sich diese in den verfassungsrechtlich vorgezeichneten Grenzen hält. Hierfür ist maßgebend, daß der Gesetzgeber sich davon hat leiten lassen, den für die Regelung erheblichen Sachverhalt zutreffend und vollständig zu ermitteln, anhand dieses Sachverhalts alle sachlich beteiligten Belange und Interessen der Entscheidung zugrunde zu legen sowie umfassend und in nachvollziehbarer Weise gegeneinander abzuwägen. Das Gebot, den für die beabsichtigte Planung erheblichen Sachverhalt zutreffend und vollständig zu ermitteln, umfaßt insbesondere die Pflicht des Gesetzgebers, die individuell betroffenen Grundstückseigentümer und Gemeinden anzuhören (vgl BVerfGE_50,195 <202 f>; BVerfGE_56,298 <319 ff>; BVerfGE_76,107 <122>; BVerfGE_86,90 <107 f>). Auf der Grundlage eines in dieser Weise ermittelten Sachverhalts und der Gegenüberstellung der daraus folgenden verschiedenen - oft gegenläufigen - Belange ist der Gesetzgeber befugt, sich letztlich für die Bevorzugung eines Belangs (oder mehrerer Belange) und damit zugleich für die Zurückstellung aller anderen betroffenen Gesichtspunkte zu entscheiden. Soweit Ziele, Wertungen und Prognosen in Rede stehen, hat das Bundesverfassungsgericht seine Nachprüfungen darauf zu beschränken, ob diese Einschätzungen und Entscheidungen offensichtlich fehlerhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder ob sie den Prinzipien der verfassungsrechtlichen Ordnung widersprechen (vgl BVerfGE_76,107 <121 f>; BVerfGE_86,90 >108 f>; vgl ebenso BVerwGE_67,74 <75 f>; BVerfGE_72,15 <25 f>). | |
d) Das vorliegende Gesetz genügt den unter b) und c) dargelegten Anforderungen. | |
aa) Der Gesetzgeber kann sich auf triftige Gründe stützen, welche die mit der Planfeststellung verbundene Legalenteignung rechtfertigen. Die Wiedervereinigung hat eine außergewöhnliche Situation geschaffen. Zum Aufbau der Wirtschaft in den neuen Ländern war und ist der unverzügliche Aufbau der Verkehrsinfrastruktur unabdingbar. Wenn der Gesetzgeber bei dieser Sachlage zu der Einschätzung gekommen ist, daß eine schnellstmögliche Fertigstellung der Hochgeschwindigkeitsstrecke Hannover- Berlin die Planfeststellung durch Gesetz für den Streckenabschnitt "Südumfahrung Stendal" erforderte, so ist das von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Die bei einer behördlichen Planfeststellung vorausgesehene deutliche Verzögerung hätte angesichts der herausragenden Bedeutung des Vorhabens für die Stärkung der Wirtschaft in den neuen Ländern einen erheblichen Nachteil für das Gemeinwohl dargestellt. | |
bb) Der Gesetzgeber ließ sich davon leiten, den Sachverhalt zutreffend und vollständig zu ermitteln. | |
Der Gesetzgeber hat sich die unter Beteiligung der betroffenen Bürger und Gemeinden ermittelten Ergebnisse des Raumordnungsverfahrens und der Untersuchungen der Planungsgesellschaft zu eigen gemacht und zusätzliche Ermittlungen durch seine Ausschüsse angestellt. | |
Die von der Planung betroffenen Bürger und Gemeinden hatten bereits im Raumordnungsverfahren mehrfach Gelegenheit, zu dem Bau der geplanten Hochgeschwindigkeitsstrecke Stellung zu nehmen (vgl Anlageband I zum Gesetz, Erläuterungsbericht, Teil II, Punkt 1.3, Durchführung und Ergebnis des Raumordnungsverfahrens, S.67 f). Auch im anschließenden Planabstimmungsverfahren durch die Planungsgesellschaft konnten die betroffenen Grundstückseigentümer und Gemeinden bis zum 20.Dezember 1991 Einwendungen gegen den Bau der "Südumfahrung Stendal" erheben (vgl Anlageband I zum Gesetz, Erläuterungsbericht, Teil I, Punkt 1., Verfahrensgang, S.14 f). Sogar verspätete Stellungnahmen wurden bis zum 21.Februar 1992 berücksichtigt; sie sind in die Planunterlagen eingegangen (vgl aaO, Punkt 2., Stellungnahmen, S.16 ff, insbesondere S.42). | |
Weiterhin informierten sich die Berichterstatter der an dem Gesetzgebungsverfahren mitwirkenden Bundestagsausschüsse am 7.Dezember 1992 in Stendal und Umgebung durch Gespräche und Besichtigungen über Einzelheiten des Verkehrsprojekts. Am 10.Februar 1993 führte der Ausschuß für Verkehr sodann unter Beteiligung der mitberatenden Ausschüsse eine öffentliche mündliche Anhörung zu der Frage durch, ob und unter welchen Voraussetzungen die Form eines Gesetzes für die konkrete Festlegung der Trassenführung für einen Abschnitt anstelle eines ansonsten üblichen Planfeststellungsverfahrens rechtlich zulässig sowie tatsächlich zweckmäßig sei (vgl Wortprotokoll der 39.Sitzung des Ausschusses für Verkehr vom 10.Februar 1993, 12.Wahlperiode, Ausschuß für Verkehr - 744 - 2450 -; und Ausschuß für Verkehr, Ausschußdrucks 380/6). Die Stadt Stendal hat hierzu sowohl vorab schriftlich als auch in der öffentlichen Anhörung durch ihren Bürgermeister Stellung genommen. | |
Darüber hinaus gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber seine Pflicht, die Ermittlungen vollständig und zuverlässig durchzuführen, verletzt hat. Dies gilt auch für die Bewertung des Zusammenspiels der Hochgeschwindigkeitsstrecke mit anderen Bahn- und Straßenprojekten (vgl hierzu die Zusammenstellung in der landesplanerischen Beurteilung des Ministeriums für Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen des Landes Sachsen-Anhalt vom 16.Juli 1991, BTDrucks 12/3477, Anlage 1 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, S.690, 701). | |
cc) Das Gesetz stützt sich auf eine umfassende und nachvollziehbare Abwägung aller in Rede stehenden Belange. ]C8) 77 ]C8[ In das Gesetzgebungsverfahren wurden die Ergebnisse des Raumordnungsverfahrens sowie die Stellungnahmen und Einwendungen einbezogen, welche die Träger öffentlicher Belange, die beteiligten Gemeinden und die betroffenen Bürger gegenüber der Planungsgesellschaft abgegeben hatten (vgl Anlageband I zum Gesetz, Erläuterungsbericht, Teil I, Punkt 2., Stellungnahmen, S.16 ff und Punkt 3., Niederschriften über Informationsveranstaltungen, S.48 ff; vgl. ebenso Teil II, Punkt 1.3, Durchführung und Ergebnis des Raumordnungsverfahrens, S.67 f.). Schließlich war Gegenstand der Beschlußfassung im Bundestag auch die ergänzende Sachverhaltsermittlung durch den Ausschuß für Verkehr (vgl BTDrucks 12/5126, S.4 ff; ebenso Ausschuß für Verkehr, Ausschußdrucks 340, 364 und 380). Mit der Beschlußfassung über den Gesetzentwurf hat der Gesetzgeber auf der Grundlage dieser Vorermittlungen mithin eine eigene Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Bel | |
In das Gesetzgebungsverfahren wurden die Ergebnisse des Raumordnungsverfahrens sowie die Stellungnahmen und Einwendungen einbezogen, welche die Träger öffentlicher Belange, die beteiligten Gemeinden und die betroffenen Bürger gegenüber der Planungsgesellschaft abgegeben hatten (vgl Anlageband I zum Gesetz, Erläuterungsbericht, Teil I, Punkt 2., Stellungnahmen, S.16 ff und Punkt 3., Niederschriften über Informationsveranstaltungen, S.48 ff; vgl. ebenso Teil II, Punkt 1.3, Durchführung und Ergebnis des Raumordnungsverfahrens, S.67 f.). Schließlich war Gegenstand der Beschlußfassung im Bundestag auch die ergänzende Sachverhaltsermittlung durch den Ausschuß für Verkehr (vgl BTDrucks 12/5126, S.4 ff; ebenso Ausschuß für Verkehr, Ausschußdrucks 340, 364 und 380). Mit der Beschlußfassung über den Gesetzentwurf hat der Gesetzgeber auf der Grundlage dieser Vorermittlungen mithin eine eigene Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange vorgenommen. | |
dd) Hiernach rechtfertigt sich im Blick auf Art.14 GG das Ergebnis der Entscheidung über die konkrete Trassierung der Strecke aus triftigen Gründen des Allgemeinwohls. Die Einschätzungen und Wertungen des Gesetzgebers sind weder offensichtlich fehlerhaft noch eindeutig widerlegbar oder mit den Prinzipien der verfassungsrechtlichen Ordnung unvereinbar. Ebensowenig gibt es Anhaltspunkte dafür, daß der Eingriff in den Bestand der Eigentumsverhältnisse im Einzelfall unverhältnismäßig ausgefallen ist. | |
2. Das Gesetz verstößt nicht gegen Art.19 Abs.1 Satz 1 GG. Art.14 Abs.3 Satz 2 GG gestattet dem Gesetzgeber unter bestimmten - hier gegebenen - Voraussetzungen (siehe oben B. III.1.), eine Enteignung, also den Entzug eines konkreten Eigentums, selbst anzuordnen, so daß er nicht unter allen Umständen darauf verwiesen ist, in einem allgemeinen Gesetz zunächst generell-abstrakt den Enteignungszweck festzulegen, die Verfolgung des Regelungsziels im weiteren aber der Administrativenteignung zu überlassen (vgl BVerfGE_24,367 <403>; BVerfGE_74,264 <297>). Schon diese ausdrückliche Regelung des Art.14 Abs.3 Satz 2 GG rechtfertigt Legalenteignungen und damit auch enteignungsrechtliche Vorwirkungen einer Legalplanung. | |
3. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots nach Art.3 Abs.1 GG im Hinblick auf die räumliche Begrenzung des Gesetzes auf den Streckenabschnitt "Südumfahrung Stendal" kommt von vornherein nicht in Betracht. Wie oben bereits ausgeführt (vgl B.II.2.b), liegen gerade im Streckenabschnitt "Südumfahrung Stendal" im Vergleich zu den übrigen Streckenabschnitten der Hochgeschwindigkeitsstrecke Hannover-Berlin mehrere besondere Umstände vor, die eine Bauzulassung durch Gesetz anstelle eines Planfeststellungsbeschlusses rechtfertigen. | |
4. Schließlich verstößt das Gesetz auch nicht gegen die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aus Art.28 Abs.2 Satz 1 GG. Denn die gesetzliche Planungsentscheidung stützt sich - ungeachtet der von der Stadt Stendal gerügten Aktualisierungsbedürftigkeit des Kartenmaterials - auf vollständige und sorgfältige Sachverhaltsermittlungen und auf eine umfassende Abwägung unter Berücksichtigung der Belange der betroffenen Gemeinden (vgl BVerfGE_50,195 <202 f>; BVerfGE_56,298 <320 ff>; BVerfGE_76,107 <122>; BVerfGE_86,90 <107 f>). | |
Auszug aus BVerfG B, 17.07.96, - 2_BvF_2/93 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.40 ff | |
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Amtshaftung - 1996 | [ ] |
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