1968  
  1967                   1969 [ ‹ ]
68.001 Nachtbackverbot

  1. BVerfG,     B, 23.01.68,     – 1_BvR_709/66 –

  2. BVerfGE_23,50 = www.dfr/BVerfGE

  3. BAZG_§_5 Abs.1; GG_Art.12 Abs.1

 

Das Nachtbackverbot ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

 

LB 2) Art.2 Abs.1 GG kommt für eine verfassungsrechtliche Prüfung im vorliegenden Fall deshalb nicht in Betracht, weil diese Vorschrift nur insoweit heranzuziehen ist, als nicht bestimmte Lebensbereiche durch besondere Grundrechte geschützt sind ( BVerfGE_1,264 <273 f>; BVerfGE_6,32 <37>; BVerfGE_9,73 <77>; BVerfGE_9,338 <343>).

 

LB 3) Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei durch § 5 Abs.1 BAZG in seiner freien beruflichen Betätigung eingeschränkt. Der Prüfungsmaßstab hierfür ist Art.12 Abs.1 GG ( BVerfGE_13,97 <104>; BVerfGE_13,181 <185>).

 

LB 4) § 5 Abs.1 BAZG soll die in den Bäckereibetrieben Beschäftigten davor schützen, zu ständiger gesundheitsschädigender Nachtarbeit herangezogen zu werden. Dieser sozialpolitische Zweck der Bestimmung ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus ihrer Entstehungsgeschichte.

 

LB 5) Es läßt sich auch nicht feststellen, die angegriffene Norm hätte ihre Tauglichkeit zur Erreichung dieses Zieles in der Gegenwart so völlig verloren, daß ihre Geltung - auch unter dem Gesichtspunkt des Art.12 GG - davon berührt sein könnte.

 

LB 6) Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist der Gleichheitssatz auch nicht dadurch verletzt, daß nach § 5 Abs.1 BAZG nur im Backgewerbe die in anderen Gewerbezweigen zulässige Nachtarbeit oder Nachtschichtarbeit untersagt ist. Diese gesetzliche Differenzierung beruht auf sachgerechten Gründen.

§§§

68.002 Ausbürgerung I

  1. BVerfG,     B, 14.02.68,     – 2_BvR_557/62 –

  2. BVerfGE_23,98 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.3 Abs.1, GG_Art.3 Abs.3; GG_Art.116 Abs.2

 

1) Nationalsozialistischen "Rechts"vorschriften kann die Geltung als Recht abgesprochen werden, wenn sie fundamentalen Prinzipien der Gerechtigkeit so evident widersprechen, daß der Richter, der sie anwenden oder ihre Rechtsfolgen anerkennen wollte, Unrecht statt Recht sprechen würde.

 

2) In der 11.Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25.November 1941 (RGBl.I S.772) hat der Widerspruch zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht, daß sie von Anfang an als nichtig erachtet werden muß.

 

3) Einmal gesetztes Unrecht, das offenbar gegen konstituierende Grundsätze des Rechtes verstößt, wird nicht dadurch zu Recht, daß es angewendet und befolgt wird.

 

4) Zu den fundamentalen Rechtsprinzipien gehört das Willkürverbot, das heute in Art.3 Abs.1 GG und teilweise auch in Art.3 Abs.3 GG seinen positiv-rechtlichen Ausdruck gefunden hat.

 

5) Verfolgte, denen zwischen dem 30.Januar 1933 und dem 8.Mai 1945 die deutsche Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, haben dadurch die deutsche Staatsangehörigkeit nicht verloren, soweit sie nicht zu erkennen geben, daß sie die deutsche Staatsangehörigkeit nicht besitzen wollen.

 

6) Auch wenn die Verfolgten eine fremde Staatsangehörigkeit erworben haben, können sie durch die Begründung eines Wohnsitzes in Deutschland oder durch einen Antrag nach Art.116 Abs.2 S.1 GG die deutsche Staatsangehörigkeit wiedererlangen.

 

7) Für diejenigen, die eine fremde Staatsangehörigkeit nicht erworben haben, liegt die Bedeutung des Art.116 Abs.2 GG darin, daß der deutsche Staat sie - unbeschadet des Umstandes, daß sie die deutsche Staatsangehörigkeit nicht verloren haben - nicht als Deutsche betrachtet, solange sie nicht durch Wohnsitzbegründung oder Antragstellung sich auf ihre deutsche Staatsangehörigkeit berufen.

 

8) Art.116 Abs.2 GG gilt nicht für die Verfolgten, die den 8.Mai 1945 nicht überlebt haben.

 

9) Diese Verfolgten können jedoch nicht anders behandelt werden als diejenigen, die das Inkrafttreten des GG erlebt haben. Auch bei ihnen ist daher in Betracht zu ziehen, daß sie möglicherweise ihre deutsche Staatsangehörigkeit aufgeben wollten.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

Die Verfügung des Amtsgerichts Wiesbaden vom 8. Mai 1962 - 41 VI 586/61 -, der Beschluß des Landgerichts Wiesbaden vom 27. Juli 1962 - 4 T 252/62 - und der Beschluß des Oberlandesgerichts Frankfurt (Main) vom 18. September 1962 - 6 W 441/62 - verletzen das Grundrecht der Beschwerdeführer aus Artikel 3 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Wiesbaden zurückverwiesen.

§§§

68.003 Blankettstrafrecht

  1. BVerfG,     B, 22.02.68,     – 2_BvO_2/65 –

  2. BVerfGE_23,113 = www.dfr/BVerfGE

  3. StGB_§_367 Abs.1 Nr.15; GG_Art.74 Nr.1

 

1) § 367 Abs.1 Nr.15 StGB gilt gemäß Art.125 Nr.1 GG als Bundesrecht fort.

 

2) Der Bundesgesetzgeber kann, wenn er ein Verhalten als strafwürdig erachtet, im Bereich der im Strafgesetzbuch herkömmlich geregelten Materien Straftatbestände schaffen (Art.74 Nr.1 GG), ohne hierbei an die ihm sonst durch die Zuständigkeitskataloge gezogenen Grenzen gebunden zu sein.

§§§

68.004 Zeugen Jehovas

  1. BVerfG,     B, 05.03.68,     – 1_BvR_579/67 –

  2. BVerfGE_23,127 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.4 Abs.3, GG_Art.20 Abs.1, GG_Art.103 Abs.2; ErsDiG_§_53 Abs.1

 

1) § 53 Abs.1 ErsDiG vom 16.Juli 1965 (BGBl.I 1965,983) ist mit Art.103 Abs.2 GG vereinbar.

 

2) Es wird daran festgehalten, daß das Grundrecht der Gewissensfreiheit nicht zur Verweigerung des zivilen Ersatzdienstes berechtigt (vergleiche BVerfGE_19,135 ).

 

3) Die Begrenzung der Gewissensfreiheit durch Art.4 Abs.3 GG schließt die Berücksichtigung der die Ersatzdienstverweigerung motivierenden freien Gewissensentscheidung auch im Bereich der strafrechtlichen Schuld aus. Dies steht im Einzelfall der Berücksichtigung einer strafrechtlich erheblichen individuellen psychischen Zwangslage nicht entgegen; hierbei handelt es sich um die Anwendung einfachen Rechts.

 

4) Die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes setzen den Sanktionen gegen Ersatzdienstverweigerer Grenzen. Sie verbieten Strafen, die durch ihre Härte geeignet sind, die Persönlichkeit des Gewissenstäters zu brechen. Die Abgrenzung ist im Einzelfall unter Abwägung der Bedeutung der Tat für die Rechtsordnung gegenüber der Stärke des Gewissensdruckes und der dadurch geschaffenen Zwangslage zu treffen.

§§§

68.005 Schatzanweisungen

  1. BVerfG,     B, 06.03.68,     – 1_BvR_975/58 –

  2. BVerfGE_23,153 = www.dfr/BVerfGE

  3. BVerfGG_§_93 Abs.2; GG_Art.3 Abs.1; AKG_§_32 Abs.1 Nr.3

 

1) Eine innerhalb der Frist des § 93 Abs.2 BVerfGG unmittelbar gegen ein Gesetz erhobene Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, wenn der Beschwerdeführer erst nach Ablauf der Frist selbst und unmittelbar durch das Gesetz betroffen worden ist.

 

2) Währungs- und Umstellungsgesetzgebung einerseits, das Allgemeine Kriegsfolgengesetz andererseits sind Teile einer einheitlichen Gesamtregelung mit dem Ziel, die durch den Krieg und den Zusammenbruch entstandene Konkurslage des Deutschen Reiches zu bereinigen und die Grundlagen für einen wirtschaftlichen Wiederaufbau und gesunde staatliche Finanzen zu schaffen.

 

3) Werden innerhalb dieser Gesamtregelung Vorteile und Nachteile für eine bestimmte Wirtschaftsgruppe im Hinblick auf Art.3 Abs.1 GG gegeneinander abgewogen, so können als begünstigende Sonderregelungen alle gesetzlichen Maßnahmen berücksichtigt werden, die die betreffende Gruppe objektiv und unmittelbar begünstigt haben.

 

4) Der Ausschluß der Banken von der Ablösung der verbrieften Forderungen gegen das Deutsche Reich in § 32 Abs.1 Nr.3 AKG ist mit Art.3 Abs.1 GG vereinbar. Dies gilt auch für die Banken, die keine Ausgleichsforderungen erhalten haben.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

Die Verfassungsbeschwerde wird, soweit sie sich gegen § 30 Nr.1 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes vom 5.November 1957 (Bundesgesetzbl.I Seite 1747) richtet, verworfen, im übrigen zurückgewiesen.

§§§

68.006 Dienstflucht

  1. BVerfG,     B, 07.03.68,     – 2_BvR_354/66 –

  2. BVerfGE_23,191 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.103 Abs.3; VerfGG_§_93a Abs.2

 

1) Dieselbe Tat im Sinne von Art.103 Abs.3 GG liegt auch vor, wenn die wiederholte Nichtbefolgung einer Einberufung zum zivilen Ersatzdienst auf die ein für allemal getroffene und fortwirkende Gewissensentscheidung des Täters zurückgeht; eine dazwischen ergangene Verurteilung wegen Dienstflucht steht dem nicht entgegen.

 

2) Ein Senat des Bundesverfassungsgerichts kann in einer Rechtsfrage von der in einer Entscheidung eines gemäß § 93a Abs.2 BVerfGG berufenen Vorprüfungsausschusses des anderen Senats enthaltenen Rechtsauffassung ohne Anrufung des Plenums abweichen. ]EF1> Beschluss ]EF1[ Entscheidungsformel:

1) Die Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23. Mai 1966 (3 Ss 743/65 - Kü... - und 3 Ss 83/66 - Str... -) und der Beschluß des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 6. März 1967 3 Ss 88/67 - Que... -) - letzterer mit den zugrunde liegendenBVerfGE 23, 191 (192) BVerfGE 23, 191 (193)Urteilen des Landgerichts Ulm/Donau vom 11. Januar 1967 (II Ns 312/66) und des Schöffengerichts Ulm/Donau vom 15.Juli 1966 (2 Ms 9/66) -, ferner die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 31. Oktober 1966 (4 Ss 544/66 - Mä... -) und vom 4.August 1966 (2 Ss 376/66 - To... -) und die durch diese Beschlüsse bestätigten Urteile des Landgerichts Stuttgart vom 6.Juli 1966 (1 Ns 598/66) und des Amtsgerichts Nürtingen vom 21.April 1966 (4 Ds 45/66) b

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

1) Die Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23. Mai 1966 (3 Ss 743/65 - Kü... - und 3 Ss 83/66 - Str... -) und der Beschluß des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 6. März 1967 3 Ss 88/67 - Que... -) - letzterer mit den zugrunde liegendenBVerfGE 23, 191 (192) BVerfGE 23, 191 (193)Urteilen des Landgerichts Ulm/Donau vom 11. Januar 1967 (II Ns 312/66) und des Schöffengerichts Ulm/Donau vom 15.Juli 1966 (2 Ms 9/66) -, ferner die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 31. Oktober 1966 (4 Ss 544/66 - Mä... -) und vom 4.August 1966 (2 Ss 376/66 - To... -) und die durch diese Beschlüsse bestätigten Urteile des Landgerichts Stuttgart vom 6.Juli 1966 (1 Ns 598/66) und des Amtsgerichts Nürtingen vom 21.April 1966 (4 Ds 45/66) bzw. des Landgerichts Ravensburg vom 5.April 1966 (Ns 61/66) und des Schöffengerichts Biberach/ Riß vom 8.Februar 1966 (2 Ms 68/65) verletzen das Recht der Beschwerdeführer aus Artikel 103 Absatz 3 des Grundgesetzes und werden aufgehoben. Die Sachen werden an das Oberlandesgericht Stuttgart (3 Ss 743/65 und 3 Ss 83/66) sowie an die Amtsgerichte Ulm/Donau (2 Ms 9/66), Nürtingen (4 Ds 45/66) und Biberach/Riß (2 Ms 68/65) zurückverwiesen.

2) Das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 19.Mai 1967 (Ss 88/67 - Kü... -) sowie die zugrunde liegenden Urteile des Landgerichts Aachen vom 6. Dezember 1966 (11 Ms 20/65) und des Amtsgerichts Gemünd/Eifel vom 13.September 1966 (I e 58/65) verletzen das Recht des Beschwerdeführers aus Artikel 103 Absatz 3 des Grundgesetzes und werden aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Gemünd/Eifel zurückverwiesen.

3) Die Beschlüsse des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 23. August 1966 (4a St 86/66 - Stö... - und 4a St 88/66 - Sta... -) und vom 22.Dezember 1966 (4a St 120/66 - Ra... -) sowie die durch diese Beschlüsse bestätigten Urteile des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 1. April 1966 (848 Ns 776/65 und Ns 44/66) und vom 23.Juni 1966 (787 Ns 632/65) und das Urteil des Schöffengerichts Nürnberg vom 7.Dezember 1965 (251 Ms 88/65) verletzen das Recht der Beschwerdeführer aus Artikel 103 Absatz 3 des Grundgesetzes und werden aufgehoben. Die Sachen werden an das Landgericht Nürnberg-Fürth (848 Ns 776/65 und 787 Ns 632/65) bzw. an das Amtsgericht Nürnberg (251 Ms 88/65) zurückverwiesen.

4) Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers Que... wird als unzulässig zurückgewiesen, soweit sie sich gegen § 53 des Gesetzes über den zivilen Ersatzdienst in der Fassung vom 16. Juli 1965 (Bundesgesetzbl.I S.984) - früher 37 desselben Gesetzes in der Fassung vom 13.Januar 1960 (Bundesgesetzbl.I S.10) - richtet.

§§§

68.007 Kriegsfolgelasten II

  1. BVerfG,     B, 14.05.68,     – 2_BvR_544/63 –

  2. BVerfGE_23,288 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.25; GG_Art.100 Abs.2;

 

1) Es gibt keine allgemeine Regel des Völkerrechts (Art.25 GG), die es verbietet, Ausländer zur Deckung der Folgelasten eines Krieges zu besteuern.

 

2) a) Eine Vorlage an das BVerfG nach Art.100 Abs.2 GG ist bereits dann geboten, wenn das erkennende Gericht bei Prüfung der Frage, ob und mit welcher Tragweite eine allgemeine Regel des Völkerrechts gilt, auf ernstzunehmende Zweifel stößt, und nicht nur dann, wenn das Gericht selbst Zweifel hat.

 

b) Ernstzunehmende Zweifel bestehen dann, wenn das Gericht abweichen würde von der Meinung eines Verfassungsorgans oder von den Entscheidungen hoher deutscher, ausländischer oder internationaler Gerichte oder von den Lehren anerkannter Autoren der Völkerrechtswissenschaft.

§§§

68.008 Breitenborn-Gelnhausen

  1. BVerfG,     B, 21.05.68,     – 2_BvL_2/61 –

  2. BVerfGE_23,353 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.28 Abs.2; (He) FAG_§_14 Abs.2 Nr.1

 

Zur Frage der Vereinbarkeit der sog Vorbelastungsregelung in § 14 Abs.2 Nr.1 des Finanzausgleichsgesetzes des Landes Hessen vom 27.März 1958 (GVBl.S.43) mit Art.28 Abs.2 GG.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

§ 14 Absatz 2 Nr.1 des Finanzausgleichsgesetzes des Landes Hessen vom 27.März 1958 (GVBl.S.43) war mit dem Grundgesetz auch insoweit vereinbar, als er bestimmt, daß die Steuerkraftzahlen um den Betrag erhöht werden, "um den die Steuerkraftmeßzahlen einzelner Gemeinden 160 vom Hundert der Bedarfsmeßzahlen übersteigen".

§§§

68.009 AKU-Beschluß

  1. BVerfG,     U, 25.06.68,     – 2_BvR_251/63 –

  2. BVerfGE_24,33 = www.dfr/BVerfGE

  3. BVerfGG_§_77, BVerfGG_§_94 Abs.4, BVerfGG_§_94 Abs.5; GG_Art.19 Abs.4

 

1) Die in § 77 BVerfGG genannten Verfassungsorgane haben - nach Maßgabe dieser Bestimmung - das Recht, dem Verfahren auf Verfassungsbeschwerde beizutreten, wenn sich die Verfassungsbeschwerde unmittelbar oder mittelbar gegen ein Gesetz richtet (§ 94 Abs.4 und 5 BVerfGG).

 

2) Für die Zulässigkeit von Verfassungsbeschwerden gegen Vertragsgesetze gelten dieselben Grundsätze wie für Normenkontrollverfahren. Verfassungsbeschwerden gegen solche Gesetze sind schon vor der Verkündung des Gesetzes zulässig, wenn das Gesetzgebungsverfahren bis auf die Ausfertigung des Vertragsgesetzes durch den Bundespräsidenten und die Verkündung abgeschlossen ist.

 

3) Die Gesetzgebung gehört nicht zur "öffentlichen Gewalt" im Sinne von Art.19 Abs.4 GG.

§§§

68.010 Adoption I

  1. BVerfG,     B, 29.07.68,     – 1_BvL_20/63 –

  2. BVerfGE_24,119 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.1 Abs.1, GG_Art.2 Abs.1, GG_Art.6 Abs.1, GG_Art.6 Abs.2, GG_Art.6 BGB_§_1747 AbsAbs.3, GG_Art.100 Abs.1; .3

 

1) Die in BVerfGE_11,330 (334 ff) über die Zulässigkeit von Vorlagen nach Art.100 Abs.1 GG entwickelten Grundsätze gelten nicht, wenn ein zur Entscheidung über eine Revision oder weitere Beschwerde berufenes Gericht bei Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm die Sache zur weiteren tatsächlichen Aufklärung an eine Vorinstanz zurückverweisen würde.

 

2) "Trennung von der Familie" im Sinne des Art.6 Abs.3 GG bedeutet die tatsächliche Trennung bei grundsätzlichem Fortbestand der Eltern-Kind-Beziehung und der darauf beruhenden Rechte und Pflichten.

 

3) Art.6 Abs.2 GG garantiert den Eltern gegenüber dem Staat den Vorrang als Erziehungsträger. Dieses Elternrecht enthält als wesensbestimmenden Bestandteil die Pflicht zur Pflege und Erziehung der Kinder; Eltern, die sich dieser Verantwortung entziehen, können sich gegenüber staatlichen Eingriffen zum Wohle des Kindes nicht auf das Elternrecht berufen.

 

4) Das Wächteramt des Staates (Art.6 Abs.2 Satz 2 GG) beruht in erster Linie auf dem Schutzbedürfnis des Kindes, dem als Grundrechtsträger eigene Menschenwürde und ein eigenes Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit im Sinne des Art.1 Abs.1 und Art.2 Abs.1 GG zukommt.

 

5 a) Die Ersetzung der elterlichen Einwilligung zur Adoption in Fällen schwerwiegenden und dauernden Versagens der Eltern (§ 1747 Abs.3 BGB) verstößt nicht gegen Art.6 Abs.2 GG und steht auch in Einklang mit der Wertentscheidung des Art.6 Abs.1 GG.

b) Die Anwendung des § 1747 Abs.3 BGB ist auch bei Inkognito-Adoptionen verfassungsrechtlich zulässig.

Diese Entscheidung hat Gesetzeskraft.

§§§

68.011 Gemeinsame Amtsgerichte

  1. BVerfG,     B, 01.10.68,     – 2_BvL_6/67 –

  2. BVerfGE_24,155 = www.dfr/BVerfGE

  3. GVG_§_58 Abs.1 S.1; JGG_§_33 Abs.4 S.2

 

LB 1) Die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes für die in § 58 GVG und § 33 Abs.4 JGG enthaltenen Regelungen beruht auf der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes für das Gebiet "Gerichtsverfassung" (Art.74 Nr.1 GG).

 

LB 2) Nach 58 GVG und 33 Abs.4 JGG können in Abweichung von der allgemeinen umfassenden Zuständigkeit der Amtsgerichte für die Strafrechtspflege gemeinsame Amtsgerichte oder gemeinsame Schöffen- und Jugendschöffengerichte für mehrere Bezirke als Gerichte besonderen Typs errichtet werden.

Abs.49

LB 3) 58 Abs.1 Satz 1 GVG und 33 Abs. 4 Satz 2 JGG genügen den Anforderungen, die Art.80 Abs.1 GG stellt.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

§ 58 Absatz 1 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes in der Fassung des Artikels 11 Nr.1 des Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 19.Dezember 1964 (Bundesgesetzbl.I S.1067) und § 33 Abs.4 Satz 2 des Jugendgerichtsgesetzes vom 4.August 1953 (Bundesgesetzbl.I S.751) sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

* * *

T-68-01Verfassungsmäßigkeit § 58/1 S.1 GVG und § 33/4 S.2 JGG

49

"§ 58 Abs.1 Satz 1 GVG und § 33 Abs.4 Satz 2 JGG genügen den Anforderungen, die Art.80 Abs.1 GG stellt.

50

1. § 58 Abs.1 Satz 1 GVG bezeichnet als Adressaten der Ermächtigung - wie in Art.80 Abs.1 Satz 1 GG vorgesehen - die Landesregierungen. Die erteilte Ermächtigung ist nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend (BVerfGE_8,274 <312>) bestimmt.

51

a) Die Möglichkeit, einem Amtsgericht für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte die Strafsachen ganz oder teilweise sowie Entscheidungen bestimmter Art in Strafsachen zuzuweisen, bildet den Inhalt der Ermächtigung. Der Inhalt der Ermächtigung ist damit ausreichend bestimmt.

52

b) Auch das Ausmaß der Ermächtigung ist bestimmt. Ihre sachlichen Grenzen sind durch den Begriff "Strafsachen", der seinerseits durch die Beschreibung der amtsgerichtlichen Zuständigkeit für Strafsachen in § 24 GVG festgelegt ist, gezogen und insoweit genau bestimmt: die Ermächtigung bezieht sich nur auf die, aber auch auf alle amtsgerichtlichen Strafsachen.

53

Räumlich darf sich die Zusammenfassung auf den Bezirk mehrer Amtsgerichte eines Landes erstrecken. Das genügt dem Art.80 GG.

54

c) Als Zweck der Ermächtigung bestimmt § 58 Abs.1 Satz 1 GVG, daß "die Zusammenfassung für eine sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung der Verfahren zweckmäßig" sein muß. Die Zusammenfassung muß also auf eine Förderung oder schnellere Erledigung der Verfahren hinzielen. Sie darf nicht etwa in der Absicht vorgenommen werden, im Einzelfall bestimmte Richter aus der Strafrechtspflege zu verdrängen. Ziel der Zusammenfassung muß vielmehr, wie vom Bundesminister der Justiz zu Recht hervorgehoben, eine Verbesserung der amtsgerichtlichen Strafrechtspflege sein. Die Erfahrung lehrt, daß Richter, die ihre gesamte Arbeitskraft einem besonderen Sachgebiet zuwenden und dort spezielle Erfahrungen sammeln können, auf Grund ihrer besonderen Sachkunde rationeller und schneller arbeiten und die Materie tiefer durchdringen. Darauf kann eine moderne Rechtspflege nicht verzichten. In den nur mit einem oder zwei Amtsrichtern besetzten kleinen Amtsgerichten besteht nicht die Möglichkeit, Spezialdezernate zu bilden. Dem soll durch eine Zusammenfassung der Strafsachen aus mehreren Bezirken abgeholfen werden. "Programm" (BVerfGE_8,274 <307>) der Ermächtigung ist also die Bildung optimal ausgelasteter Sachdezernate auf dem Gebiet der amtsgerichtlichen Strafrechtspflege. Dieses Programm ist mit der Formulierung "sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung" hinreichend verdeutlicht.

55

2. Im Text von § 33 Abs.4 Satz 2 JGG ist als Adressat noch die Landesjustizverwaltung benannt. Nach § 1 des Gesetzes über Rechtsverordnungen im Bereich der Gerichtsbarkeit vom 1.Juli 1960 ist jedoch die Ermächtigung jetzt den Landesregierungen erteilt, die sie auf oberste Landesbehörden übertragen können. Mit dieser Ergänzung genügt § 33 Abs.4 Satz 2 JGG insoweit den Anforderungen des Art.80 Abs.1 Satz 1 GG. Auch Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung sind hinreichend bestimmt.

56

Nach § 2 JGG gelten die allgemeinen Vorschriften, soweit im Jugendgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt ist. § 33 Abs.4 Satz 2 JGG will für die Bildung gemeinsamer Jugendschöffengerichte keine andere Regelung treffen, als sie § 58 GVG für die Bildung gemeinsamer Erwachsenenschöffengerichte vorsieht. Die Vorschrift stellt lediglich klar, daß nach den Voraussetzungen für die Errichtung gemeinsamer Erwachsenenschöffengerichte auch Jugendschöffengerichte gebildet werden können. Bei Bestimmung von Inhalt, Zweck und Ausmaß der in § 33 Abs.4 Satz 2 JGG enthaltenen Ermächtigung ist deshalb § 58 GVG ergänzend heranzuziehen (vgl BVerfGE_8,274 <307>; BVerfGE_20,283 <293>).

57

Nach § 33 Abs.4 Satz 2 JGG können also die Jugendschöffengerichtssachen "ganz oder teilweise oder Entscheidungen bestimmter Art in Jugendschöffengerichtssachen" bei einem gemeinsamen Jugendschöffengericht zusammengefaßt werden. Die Zusammenfassung muß zu einer "sachdienlichen Förderung oder schnelleren Erledigung der Verfahren" führen, also auf die Schaffung optimal ausgelasteter Jugendschöffengerichtsdezernate hinzielen, in denen Jugendrichter besondere Erfahrungen auf dem Gebiet des Jugendstrafrechts sammeln und der Rechtspflege dienstbar machen können.

IV.

58

Unzutreffend ist die Auffassung des Amtsrichters in Königslutter, eine Zusammenfassung mehrerer Gerichtsbezirke in der Weise, wie sie § 58 Abs.1 GVG und § 33 Abs.4 JGG vorsehen, verstoße gegen die Grundsätze der Bundesstaatlichkeit und der Sozialstaatlichkeit. Die föderative Gliederung des Bundes steht der Bildung größerer Gerichtsbezirke in den Ländern nicht entgegen. Wenn sich dabei für manche Verfahrensbeteiligte der Weg zum Gerichtsort verlängert, so ist dies angesichts der Entwicklung des modernen Verkehrswesens auch unter sozialen Gesichtspunkten grundsätzlich unbedenklich. Im Einzelfall hat der Verordnunggeber die Vorteile der Zusammenfassung gegen Nachteile, die sich aus besonderen örtlichen Verkehrsverhältnissen ergeben können, nach pflichtgemäßem Ermessen abzuwägen."

 

Auszug aus BVerfG B, 01.10.68, - 2_BvL_6/67 -, www.dfr/BVerfGE,  Abs.49 ff

§§§

68.012 Gesellschaftssteuer

  1. BVerfG,     B, 02.10.68,     – 1_BvF_3/65 –

  2. BVerfGE_24,174 = www.dfr/BVerfGE

  3. KVStG_§_6 Abs.1; BVerfGG_§_76; GG_Art.93 Abs.1 Nr.2

 

LB 1) Der Antrag auf Durchführung eines Normenkontrollverfahrens ist nach Art.93 Abs.1 Nr.2 GG in Verbindung mit § 76 BVerfGG zulässig. Die Frage, ob es sich bei der nachzuprüfenden Norm um vor- oder nachkonstitutionelles Recht handelt, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung; Gegenstand der abstrakten Normenkontrolle im Gegensatz zur konkreten Normenkontrolle kann auch vorkonstitutionelles Recht sein ( BVerfGE_2,124 <131>).

 

LB 2) All diese Erwägungen rechtfertigen es, daß eine solche GmbH & Co. KG im Hinblick auf die Gesellschaftsteuer anderen Regeln unterworfen wird als eine Kommanditgesellschaft, deren Komplementäre ausschließlich natürliche Personen sind.

 

LB 3) Aus diesen Erwägungen folgt zugleich, daß auch die übrigen vom Bundesfinanzhof hervorgehobenen Verschiedenheiten in der steuerlichen Behandlung der Gesellschafter einer GmbH & Co. KG im Vergleich zu anderen Kommanditgesellschaften einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht begründen können. Somit läßt die besondere Regelung des § 6 Abs.1 Nr.4 KVStG keinen Verstoß gegen Art.3 Abs.1 GG erkennen.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

§ 6 Absatz 1 Nummer 4 des Kapitalverkehrsteuergesetzes in der Fassung vom 24.Juli 1959 (Bundesgesetzbl.I S.530) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

§§§

68.013 Zustimmungsgesetz

  1. BVerfG,     B, 09.10.68,     – 2_BvE_2/66 –

  2. BVerfGE_24,184 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.80 Abs.2; HZÜ_Art.3

 

In Art.80 Abs.2 GG bezeichnen die Worte "Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen" die zustimmungsbedürftigen Bundesgesetze als Ganzes. Rechtsverordnungen auf Grund solcher Bundesgesetze bedürfen -- falls nicht eine anderweitige Regelung getroffen worden ist -- auch dann der Zustimmung des Bundesrates, wenn die Ermächtigung und die mit ihr zusammenhängenden Normen die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes nicht ausgelöst haben.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

Die Bundesregierung hat dadurch, daß sie die Verordnung über die Ausstellung der Apostille nach Artikel 3 des Haager Übereinkommens vom 5.Oktober 1961 zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation vom 23.Februar 1966 (Bundesgesetzbl.I S.138) ohne die Zustimmung des Bundesrates erlassen hat, nicht gegen Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes verstoßen.

§§§

68.014 Angestelltenversicherung

  1. BVerfG,     B, 16.10.68,     – 1_BvL_7/62 –

  2. BVerfGE_24,220 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.3 Abs.1, GG_Art.14, GG_Art.20 Abs.1; AnVNG_Art.2_§_5 Abs.1 S.1

 

LB 1) Art.2 § 5 Abs.1 Satz 1 AnVNG verstößt nicht gegen Art.14 GG. Entscheidungsformel: Artikel 2 § 5 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten (Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz - AnVNG -) vom 23.Februar 1957 (Bundesgesetzbl.I S.88) ist mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit er das Recht der Weiterversicherung derjenigen betrifft, die nicht innerhalb der letzten drei Monate vor dem 1. Januar 1957 einen Beitrag aus versicherungspflichtiger Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet und erst zwischen dem 1.Januar und dem 23.Februar 1957 von dem Weiterversicherungsrecht Gebrauch gemacht haben.

 

LB 2) Der Gesetzgeber hat die verfassungsrechtlichen Grenzen, die seiner Gestaltungsfreiheit durch das Prinzip des Vertrauensschutzes gezogen sind, bei der Übergangsregelung des Art.2 § 5 Abs.1 Satz 1 AnVNG nicht überschritten hat.

 

LB 3) Der Vertrauensschaden der früher pflichtversicherten Personen, die erst nach dem 31.Dezember 1956 den ersten freiwilligen Beitrag geleistet haben, hat demgegenüber kein so erhebliches Gewicht, daß ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip angenommen werden müßte.

§§§

68.015 (Aktion) Rumpelkammer

  1. BVerfG,     B, 16.10.68,     – 1_BvR_241/66 –

  2. BVerfGE_24,236 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.4 Abs.1, GG_Art.4 Abs.2;

 

1) Das Grundrecht aus Art.4 Abs.1 und 2 GG steht nicht nur Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu, sondern auch Vereinigungen, die sich nicht die allseitige, sondern nur die partielle Pflege des religiösen oder weltanschaulichen Lebens

 

2) Art.4 Abs.2 GG gewährleistet auch das Recht, Sammlungen für kirchliche oder religiöse Zwecke zu veranstalten. Das Gleiche gilt für eine im Rahmen des üblichen religiösen Lebens liegende Unterstützungshandlung wie die Werbung von der Kanzel.

 

LB 3) Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers kann auch nicht als eine Art Anschluß-Verfassungsbeschwerde zulässig sein. Ein der unselbständigen Anschlußberufung oder der Anschlußrevision im Zivilprozeß (§§ 521, 556 ZPO) oder in anderen Verfahrensordnungen vergleichbares Rechtsinstitut kennt das Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht.

 

LB 4) Die Eigenart der Verfassungsbeschwerde als eines außerordentlichen, nicht zum Rechtsmittelzuge im ordentlichen Verfahren gehörigen und sich gegen eine rechtskräftige Entscheidung wendenden Rechtsbehelfs zur prozessualen Durchsetzung von Grundrechten (BVerfGE_1,4 <5>; BVerfGE_18,315 <325>) verbietet es auch, die für den Zivilprozeß und andere Verfahrensarten geltenden Vorschriften über die Anschlußberufung und Anschlußrevision analog anzuwenden.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

1) Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers H.... wird verworfen.

2) Das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 16.März 1966 - 11 b S 215/65 - verletzt das Grundrecht der Beschwerdeführerin, der Katholischen Landjugendbewegung Deutschlands, aus Artikel 4 Absatz 2 Grundgesetz. Es wird aufgehoben, soweit die Beschwerdeführerin verurteilt worden ist, Kanzelwerbung zu unterlassen und Kosten zu tragen. Die Sache wird insoweit an das Landgericht Düsseldorf zurückverwiesen.

§§§

68.016 Politische Partei

  1. BVerfG,     U, 17.10.68,     – 2_BvE_4/67 –

  2. BVerfGE_24,260 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.21 Abs.1; PartG_§_2 Abs.2;

 

1) Zum Begriff einer politischen Partei im Sinne des Art.21 Abs.1 GG gehört der Wille der Partei, an Wahlen in Bund oder Ländern innerhalb einer vernünftigen Zeitspanne teilzunehmen.

 

2) § 2 Abs.2 PartG konkretisiert den Art.21 Abs.1 GG. Er schränkt weder die Freiheit der Parteien in verfassungswidriger Weise ein, noch verstößt er gegen das verfassungsmäßig garantierte Verbot der Rückwirkung von Gesetzen.

 

3) § 2 Abs.2 PartG ist vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an auf jede Partei anzuwenden, gleichgültig, ob sie sich vor oder nach diesem Zeitpunkt gebildet hat.

 

4) Eigene Wahlvorschläge im Sinne des § 2 Abs.2 PartG sind nur die nach den Vorschriften des Wahlrechts zugelassenen und öffentlich bekanntgemachten Wahlvorschläge einer Partei, die diese unter ihrem Namen eingereicht hat.

§§§

68.017 GEMA

  1. BVerfG,     B, 06.11.68,     – 1_BvR_501/62 –

  2. BVerfGE_24,278 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.5 Abs.1, GG_Art.5 Abs.2

 

Die Wahrnehmung berechtigter Interessen deckt in einem öffentlichen Meinungskampf auch herabsetzende Äußerungen, wenn sie ein adäquates Mittel zur Abwehr eines von der Gegenseite beabsichtigten grundrechtsgefährdenden Verhaltens sind.

 

LB 2) Beide Beschwerdeführer können für sich das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art.5 Abs.1 Satz 1 GG) wie auch das der Pressefreiheit (Art.5 Abs.1 Satz 2 GG) in Anspruch nehmen.

 

LB 3) Die angefochtene Entscheidung ist in dem summarischen Verfahren über eine einstweilige Verfügung ergangen. Auch hier obliegt die Feststellung des Sachverhalts und seine Beurteilung nach einfachem Recht den ordentlichen Gerichten.

 

LB 4) Nachzuprüfen hat das Bundesverfassungsgericht aber die Würdigung der Ausstrahlungswirkung des Art.5 Abs.1 GG im Bereich des Ehrenschutzes ( BVerfGE_7,198 <207>; BVerfGE_7,230 <233 f>; BVerfGE_19,73 <75>; BVerfGE_20,162 <176 f>).

 

LB 5) Das Oberlandesgericht hat zwar die mögliche Kollision des Ehrenschutzes mit dem Grundrecht der Beschwerdeführer aus der Meinungs- und Pressefreiheit erwähnt, aber jede nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erforderliche konkrete Abwägung für den Einzelfall ( BVerfGE_7,198, <207 ff>) unterlassen.

 

LB 6) Bei Vornahme dieser Abwägung hätte es erkennen müssen, daß die von den Beschwerdeführern verwendete Formulierung durch den § 193 StGB in Verbindung mit Art.5 Abs.1 GG gedeckt ist, weil die Äußerung im Rahmen einer öffentlichen, der allgemeinen Meinungsbildung dienenden Auseinandersetzung gefallen ist und es sich um eine adäquate Reaktion auf einen anderen Vorgang handelte ( BVerfGE_12,113 <125 f>).

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

Das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 7. August 1962 -- 5 U 1120/62 -- verletzt die Grundrechte der Beschwerdeführer aus Artikel 5 Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht München zurückverwiesen.

§§§

68.018 Hessisches Schulgebet

  1. BVerfG,     B, 06.11.68,     – 1_BvR_727/65 –

  2. BVerfGE_24,289 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.4, GG_Art.6, GG_Art.7, GG_Art.140; WRV_Art.136; BVerfGG_§_90 Abs.1

 

Eine gegen das Urteil eines Landesverfassungsgerichts von einem am Verfahren Nichtbeteiligten erhobene Verfassungsbeschwerde ist schon dann unzulässig, wenn eine spätere tatsächliche Verletzung seiner Grundrechte in zumutbarer Weise im Rechtsweg beseitigt werden kann.

 

LB 2) Für die am Ausgangsverfahren nicht beteiligten Beschwerdeführer haben Verkündung und Zustellung des angefochtenen Urteils für den Beginn der Verfassungsbeschwerdefrist keine Bedeutung, weil sie bei der Verkündung des Urteils nicht zugegen waren, ihnen die Entscheidung auch nicht zugestellt wurde und sie daher keine Gelegenheit hatten, sich über eine mögliche Verletzung ihrer Grundrechte schlüssig zu werden ( BVerfGE_9,109 <117>).

 

LB 3) Für sie begann die Frist deshalb erst mit der Veröffentlichung des Urteils im Hessischen Staatsanzeiger als dem Zeitpunkt, von dem an sie in zuverlässiger Weise von der in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung Kenntnis nehmen konnten ( BVerfGE_4,309 <313>; BVerfGE_21,132 <136>).

 

LB 4) Stehen demnach weder Rechtskraft noch Bindungswirkung der angefochtenen Entscheidung einer späteren Geltendmachung von Grundrechtsverletzungen entgegen, so können die Beschwerdeführer - falls gegen ihren Willen ein gemeinsames Schulgebet in einer von der Beschwerdeführerin besuchten Klasse von der Schulbehörde nicht gestattet oder entgegen bisheriger Übung untersagt würde - den Rechtsweg erneut beschreiten.

§§§

68.019 Wahlkampfkostenpauschal

  1. BVerfG,     B, 03.12.68,     – 2_BvE_1/67 –

  2. BVerfGE_24,300 = www.dfr/BVerfGE

  3. BVerfGG_§_64; GG_Art.21 Abs.1 S.4

 

1) a) Es ist Sache der dem Vorstand einer Partei obliegenden Geschäftsführung, ein Organstreitverfahren nach § 64 BVerfGG einzuleiten.

b) Zum verfassungsrechtlichen Status einer Partei (Art.21 Abs.1 GG) gehört das Recht, im Rahmen des Möglichen feststellen zu können, ob und in welchem Umfang private Geldgeber auf andere Parteien durch Spenden einzuwirken suchen.

 

2) a) Die Pauschalierung der Wahlkampfkosten verletzt nicht den Grundsatz, daß den Parteien nur die notwendigen Kosten eines angemessenen Wahlkampfes erstattet werden dürfen.

b) Es ist sachgerecht, das Pauschale an der Zahl der Wahlberechtigten zu orientieren.

 

3) Bei der Wahlkampfkostenerstattung, bei der grundsätzlich alle Parteien, die am Wahlkampf teilgenommen haben, berücksichtigt werden müssen, kann ein Mindeststimmenanteil nur durch die für jede Wahl unerläßliche Voraussetzung gerechtfertigt werden, daß die zur Wahl gestellten Vorschläge und Programme ernst gemeint, das heißt, allein auf den Wahlerfolg und nicht auf sonstige Ziele gerichtet sind.

 

4) Das Recht der Parteien auf Chancengleichheit wird nicht dadurch verletzt, daß der Anteil am Wahlkampfkostenpauschale( Erstattungsbetrag) nach dem letzten Wahlerfolg berechnet wird.

 

5) a) Abschlagszahlungen sind ein Teil der Wahlkampfkostenerstattung. Sie sind durch die Notwendigkeiten des Wahlkampfes gerechtfertigt, für den langfristige Vorbereitungen unerläßlich sind.

b) Im Rahmen der Wahlkampfkostenerstattung kann der Gesetzgeber auch bei den Abschlagszahlungen an die für die nachträgliche Erstattung maßgebliche Mindeststimmenklausel anknüpfen.

 

6) Die Wahlkampfkostenerstattung gehört nicht zum Wahlrecht. Zum Wahlrecht zählen nur die Vorschriften, welche die Vorbereitung, Organisation, Durchführung und Überprüfung der Wahlen durch die staatlichen Organe regeln.

 

7) § 5 PartG, der den Trägern öffentlicher Gewalt die Möglichkeit eröffnet, bei der Gewährung öffentlicher Leistungen die Parteien nach ihrer Bedeutung unterschiedlich zu behandeln und der den im Bundestag in Fraktionsstärke vertretenen Parteien das Recht gibt, die Leistungen in einem Umfang zu beanspruchen, der mindestens halb so groß wie für jede andere Partei ist, verstößt nicht gegen den Grundsatz der Chancengleichheit.

 

8) a) Der Pflicht der Parteien, über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft zu geben (Art.21 Abs.1 Satz 4 GG), ist Genüge getan, wenn nur die Spender benannt werden, deren Spende ihrer Höhe nach für eine Partei ins Gewicht fällt.

b) Es ist mit dem Gleichheitssatz unvereinbar, die Freigrenze für die Offenlegungspflicht nach der Herkunft der Spenden von natürlichen oder juristischen Personen verschieden zu bemessen.

 

9) Die Steuervergünstigung für Beiträge und Spenden an politische Parteien in § 34 und § 35 PartG verstößt weder gegen das Recht der Parteien auf Chancengleichheit noch gegen das Prinzip der Parteienfreiheit, noch gegen das Recht des Bürgers auf gleiche Teilhabe am politischen Willensbildungsprozeß.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

1) Der Deutsche Bundestag und der Bundesrat haben gegen Artikel 21 Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes verstoßen,

a) indem sie in 18 Absatz 2 Nr. 1 und in 20 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über die politischen Parteien (Parteiengesetz) vom 24. Juli 1967 (Bundesgesetzbl. I S. 773) bestimmt haben, daß das Wahlkampfkostenpauschale sowie Abschlagszahlungen auf den Erstattungsbetrag nur auf Parteien verteilt werden, die nach dem endgültigen Wahlergebnis mindestens 2,5 vom Hundert der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erreicht haben, b) indem sie in 22 des Gesetzes über die politischen Parteien (Parteiengesetz) vom 24.Juli 1967 (Bundesgesetzbl.I S.773) die Länder ermächtigt haben, die Erstattung der Kosten für Landtagswahlkämpfe und die Abschlagszahlungen davon abhängig zu machen, daß eine Partei 2,5 vom Hundert der Zweitstimmen erreicht hat,

c) indem sie in § 25 des Gesetzes über die politischen Parteien (Parteiengesetz) vom 24.Juli 1967 (Bundesgesetzbl.I S.773) bestimmt haben, daß Spenden einer juristischen Person nur dann im Rechenschaftsbericht der Parteien zu verzeichnen sind, wenn ihr Gesamtwert in einem Kalenderjahr 200 000 DM übersteigt.


3) Im übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

§§§

68.020 Mühlengesetz

  1. BVerfG,     B, 18.12.68,     – 1_BvL_5/64 –

  2. BVerfGE_25,1 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.12 Abs.1

 

Das im Mühlengesetz enthaltene Errichtungs- und Erweiterungsverbot ist jedenfalls bis zum vollständigen Abbau der überschüssigen Vermahlungskapazität mit dem Grundrecht der freien Berufswahl und Berufsausübung (Art.12 Abs.1 GG) vereinbar.

 

LB 2) Das Mühlengesetz dient dem Zweck, die in der deutschen Mühlenwirtschaft seit langem bestehende strukturelle Überkapazität abzubauen.

 

LB 3) Das Mühlengesetz ist somit als ein wirtschaftslenkendes Maßnahmegesetz anzusehen. Es sucht eine augenblickliche Krisensituation zu bewältigen, indem es den Prozeß der Anpassung der Mühlenkapazität an den Bedarf planmäßig steuert und beschleunigt; dadurch sollen auf dem Gebiete der Mühlenwirtschaft stabile Marktverhältnisse als Voraussetzung für eine gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Mahlerzeugnissen geschaffen werden.

 

LB 4) Maßnahmegesetze sind durch das Grundgesetz nicht ausgeschlossen ( BVerfGE_10,89 <108>; BVerfG_15,126 <146 f>). Für ihre verfassungsgerichtliche Prüfung gelten die allgemeinen Grundsätze; das schließt nicht aus, daß sich aus der Eigenart des Lebensbereichs, den sie ordnen wollen, für die Beurteilung der in ihnen enthaltenen Grundrechtseingriffe besondere Gesichtspunkte ergeben können. Als solcher kommt hier vor allem der enge Zusammenhang in Betracht, in dem die Einschränkung des Grundrechts der freien Berufsausübung mit den übrigen im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen steht.

 

LB 5) Wenn das Mühlengesetz eine Sanierung der Mühlenwirtschaft durch Herstellung eines gesunden Verhältnisses zwischen Kapazität und Bedarf erreichen will, so verfolgt es darüber hinaus das Fernziel, die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Brot und anderen Mahlerzeugnissen auch in Krisenzeiten sicherzustellen.

 

LB 6) Rechtfertigt somit die vom Gesetzgeber befürchtete Gefährdung eines besonders wichtigen Gemeinschaftsguts prinzipiell eine Beschränkung der Freiheit der Berufswahl - und damit naturgemäß auch der Berufsausübung-, so kommt es weiter darauf an, ob das im Mühlengesetz gewählte Mittel des Errichtungs- und Erweiterungsverbots mit Genehmigungsvorbehalt zur Erreichung des gesetzgeberischen Zieles geeignet und erforderlich ist.

 

LB 7) Das Mühlengesetz ist, wie bereits erwähnt, ein wirtschaftslenkendes Maßnahmegesetz, das einer augenblicklichen Krisensituation in einem einzelnen Wirtschaftszweig begegnen will. Daraus folgt, daß es nach Erreichung dieses Ziels außer Kraft treten kann und muß.

 

LB 8) Ordnungspolitische Eingriffe der hier vorliegenden Art haben ihren Zweck erfüllt, wenn die Ordnung, die sie erstreben, hergestellt ist. Dann muß grundsätzlich wieder Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung herrschen; die Auslese der leistungsfähigen Unternehmen wird durch den freien Wettbewerb bewirkt, für eine Prüfung des "Bedürfnisses" bei der Neuerrichtung von Betrieben ist grundsätzlich kein Raum mehr.

 

LB 9) Der Gesetzgeber hat dies nicht verkannt und deshalb die Geltungsdauer des Gesetzes von Anfang an befristet.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

§ 1 Absatz 1 und § 3 Absatz 3 des Gesetzes über die Errichtung, Inbetriebnahme, Verlegung, Erweiterung und Finanzierung der Stillegung von Mühlen (Mühlengesetz) vom 27. Juni 1957 in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Juni 1959 - Bundesgesetzbl.I S.282 - (gleichlautend mit § 1 Absatz 1 und § 3 Absatz 4 in der Fassung der Bekanntmachung vom 1.September 1965 - Bundesgesetzbl.I S.1057 -) sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

§§§

68.021 Deichordnungsgesetz

  1. BVerfG,     U, 18.12.68,     – 1_BvR_638/64 –

  2. BVerfGE_24,367 = www.dfr/BVerfGE

  3. GG_Art.14 Abs.3 S.1, GG_Art.14 Abs.3 S.2, GG_Art.14 Abs.3 S.3 GG_Art.19 Abs.1; (Hb) DeichOG_§_2 Abs.1 + 3;

 

1) Im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde kann gerügt werden, der Gesetzgeber sei zum Erlaß des angegriffenen Enteignungsgesetzes nicht zuständig gewesen.

 

2) Die Entstehung "öffentlichen Eigentums" an Hochwasserschutzanlagen nach § 2 Abs.1 und 3 des hamburgischen Deichordnungsgesetzes ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

 

3) Die Garantie des Eigentums als Rechtseinrichtung dient der Sicherung des Eigentumsgrundrechts. Die Institutsgarantie verbietet, solche Sachbereiche der Privatrechtsordnung zu entziehen, die zum elementaren Bestand grundrechtliche geschützter Betätigung im vermögensrechtlichen Bereich gehören.

 

4) Enteignungsgesetze (Art.14 Abs.3 GG) schänken das Grundrecht des Eigentums nicht im Sinne des Art.19 Abs.1 GG ein.

 

5) Ein den Bestand, nicht nur den Wert des Eigentums sichernder Rechtsschutz ist ein wesentliches Element der Eigentumsgarantie.

 

6) Die Enteignung durch Gesetz (Legalenteignung) ist nur in eng begrenzten Fällen zulässig.

 

7) Ob Enteignungsgesetze für ihren konkreten Sachbereich dem Begriff des Wohles der Allgemeinheit im Sinne des Art.14 Abs.3 Satz 1 GG gerecht werden, unterliegt der verfassungsgerichtlichen Prüfung.

 

8) Auch für Legalenteignungen gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Bei der hiernach gebotenen Prüfung, ob zur Durchführung eines Vorhabens das Mittel der Enteignung erforderlich ist, ist das Bundesverfassungsgericht nicht an die Auffassung des Gesetzgebers gebunden.

 

9) Entspricht die Entschädigungsregelung eines Enteignungsgesetzes nicht den Erfordernissen des Art.14 Abs.3 Sätze 2 und 3 GG, so ist das ganze Gesetz verfassungswidrig.

 

10) Besteht bei enteigneten Grundstücken kein wertmäßig bedeutsamer Unterschied in den wertbestimmenden Faktoren, so ist der Gesetzgeber nicht gehindert, im Gesetz selbst einen festen Quadratmeterbetrag als Grundlage für die Berechnung der Entschädigung zu bestimmen.

 

11) Das Abwägungsgebot des Art.14 Abs.3 Satz 3 GG ermöglicht es dem Gesetzgeber, je nach den Umständen vollen Ersatz, aber auch eine darunter liegende Entschädigung zu bestimmen. Das Grundgesetz verlangt nicht, daß die Entschädigung stets nach dem Marktwert bemessen wird.

 

LB 12 Der hamburgische Landesgesetzgeber hat bei den angefochtenen Regelungen des II. Teiles des Deichordnungsgesetzes seine Gesetzgebungszuständigkeit nicht überschritten.

§§§

[ 1966 ] RS-BVerfG - 1968 [ 1967 ]     [  ›  ]

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