1961 | ||
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1960 1962 | [ ] |
61.001 | Inkompatibilität |
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LB 1) Art.137 Abs.1 GG ermächtigt den Gesetzgeber, die Wählbarkeit von Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes im Bund, in den Ländern und den Gemeinden zu beschränken. Diese Ermächtigung gilt im Hinblick auf Art.28 Abs.1 Satz 2 GG auch für eine Beschränkung der Wählbarkeit zu den Kreisvertretungskörperschaften. | |
LB 2) Die Gefahren einer Interessenkollision reichen aus, um die durch die angefochtene Vorschrift eingeführte Beschränkung der Wählbarkeit noch als eine mit dem Grundsatz der Wahlgleichheit zu vereinbarende Differenzierung zu rechtfertigen. | |
LB 3) Zum Sinn und Zweck des § 33 BRRG. | |
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T-61-01 | Kommunalbeamte + Inkompatibilität |
"Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. I. | |
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich unmittelbar gegen § 13 Abs.1 Buchst.g) des nordrhein-westfälischen Kommunalwahlgesetzes. Dies ist zulässig, da der Beschwerdeführer durch die angefochtene Bestimmung unmittelbar in seinem passiven Wahlrecht betroffen wird. Bei der Ausgestaltung des Wahlrechts ist der Gesetzgeber an den Verfassungsgrundsatz der Gleichheit der Wahl gebunden, der ein Anwendungsfall des allgemeinen Gleichheitssatzes in Art. 3 Abs.1 GG ist. Der Beschwerdeführer macht geltend, daß § 13 Abs.1 Buchst.g) KWG gegen diese Verfassungsbestimmung verstoße. II. | |
Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl (Art.3 Abs.1, Art.28 Abs.1 Satz 2 GG) verlangt, daß allen Staatsbürgern das aktive und passive Wahlrecht in formal möglichst gleicher Weise gewährt wird. Er beläßt dem Gesetzgeber auf dem Gebiet des Wahlrechts nur einen engen Ermessensspielraum. Differenzierungen in diesem Bereich bedürfen stets eines besonderen rechtfertigenden Grundes (Rechtsprechungsnachweise in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2.November 1960 -- 2 BvR 504/60, S. 14, ferner im Urteil vom 15.November 1960 -- 2 BvR 536/60, S.21 f). | |
Die in § 13 Abs.1 Buchst.g) KWG getroffene Regelung verletzt jedoch nicht das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art.3 Abs.1 GG. | |
1. Art.137 Abs.1 GG ermächtigt den Gesetzgeber, die Wählbarkeit von Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes im Bund, in den Ländern und den Gemeinden zu beschränken. Diese Ermächtigung gilt im Hinblick auf Art.28 Abs.1 Satz 2 GG auch für eine Beschränkung der Wählbarkeit zu den Kreisvertretungskörperschaften (vgl Maunz/Dürig, Grundgesetz, Rand-Nr. 13 zu Art.137). Art.137 Abs.I GG will die organisatorische Gewaltenteilung gegen Gefahren sichern, die durch eine Personalunion zwischen einem Exekutivamt und einem Abgeordnetenmandat entstehen können. Insbesondere sollen Verwaltungsbeamte nicht derjenigen gewählten Vertretungskörperschaft angehören, der eine Kontrolle über ihre Behörde obliegt. | |
Eine gesetzliche Regelung, die auf Grund des Art.137 Abs.1 GG ergeht, darf die Wählbarkeit nur beschränken, aber nicht ausschließen. Die in § 13 Abs.1 Buchst.g) iVm § 13 Abs.2-4 KWG getroffene Regelung schließt die Wählbarkeit eines Beamten einer kreisangehörigen Gemeinde in den Kreistag nicht schlechthin aus. Sie statuiert nur eine Inkompatibilität. Der Beamte kann sich als Wahlbewerber aufstellen lassen, und sein Dienstherr muß ihm dann sogar Urlaub zur Wahlvorbereitung erteilen. Der Beamte kann aber die Wahl nur annehmen, wenn er die Beendigung seines Dienstverhältnisses nachweist. Die angefochtene Bestimmung hält sich im Rahmen der in Art.137 Abs.1 GG gegebenen Ermächtigung. | |
2. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Gesetzgeber hinsichtlich der Art und des Ausmaßes der Beschränkung der Wählbarkeit lediglich die durch Art.137 Abs.1 GG gesetzten Schranken zu beachten hat, oder ob Art.137 Abs.1 GG von Art.3 Abs.1 GG in der Weise überlagert ist, daß die Beschränkung der Wählbarkeit im einzelnen Fall noch besonderer rechtfertigender Gründe bedarf. Jedenfalls beruht die vom Gesetzgeber in § 13 Abs.1 Buchst.g) KWG getroffene Regelung auf solchen Gründen. | |
a) Gemäß § 48 Abs.1 der Landkreisordnung für Nordrhein- Westfalen führt der Oberkreisdirektor die allgemeine Aufsicht und die Sonderaufsicht über die kreisangehörigen Gemeinden und Ämter sowie die Aufsicht über Körperschaften, Anstalten und Stiftungen, soweit nicht gesetzliche Vorschriften etwas anderes bestimmen. Der Oberkreisdirektor bedarf bei den in § 48 Abs.1 Buchst.a)-p) LKrO genannten Entscheidungen der Zustimmung des Kreisausschusses. Diese Zustimmung ist zB erforderlich bei folgenden Aufsichtsentscheidungen: | |
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b) Nach § 38 Abs.6 LKrO ist der Kreistag Dienstvorgesetzter des Oberkreisdirektors. Dieser wird gemäß § 38 Abs.1 LKrO vom Kreistag auf die Dauer von zwölf Jahren gewählt. Die Beteiligung von Beamten oder Angestellten kreisangehöriger Gemeinden an der Wahl des Oberkreisdirektors ist unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Interessenkonflikts von besonderer Bedeutung im Hinblick auf die disziplinarrechtlichen Befugnisse des Oberkreisdirektors nach den §§ 116-120 der Disziplinarordnung. Gemäß deren § 118 Abs.1 kann nämlich die Aufsichtsbehörde die Zuständigkeit an sich ziehen, wenn es der Hauptverwaltungsbeamte einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes unterläßt, gegen einen ihm nachgeordneten Beamten disziplinarisch vorzugehen, obwohl dieser eines Dienstvergehens dringend verdächtig ist; das gleiche gilt nach § 118 Abs.2 aaO, wenn die Aufsichtsbehörde eine disziplinarrechtliche Maßnahme des Hauptverwaltungsbeamten für ungeeignet hält. | |
c) Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch die enge Verbindung von Bedeutung, die infolge der Verbandsstruktur des Landkreises zwischen dem Landkreis und den kreisangehörigen Gemeinden besteht. Auch die dabei notwendig werdenden Entscheidungen des Kreistages, wie zB über Zuwendungen des Kreises an kreisangehörige Gemeinden und über die Erhöhung oder Ermäßigung der Kreisumlage (§ 10 Abs.1 Satz 1 des Preußischen Kreis- und Provinzialabgabengesetzes idF des § 20 Abs.5 des Gesetzes zur Regelung des Finanz- und Lastenausgleichs mit den Gemeinden und den Gemeindeverbänden für das Rechnungsjahr 1960, vom 6.April 1960 -- GVBl.S.62) schließen die Gefahr einer Interessenkollision ein. | |
3. Dieser Gefahr ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers mit den Vorschriften der Landkreisordnung nicht in allen Fällen zu begegnen. Nach § 22 Abs.2 LKrO iVm § 23 GO ist ein Kreistagsmitglied zwar unter bestimmten Voraussetzungen von einer Mitwirkung bei der Beratung und Beschlußfassung ausBVerfGE 12, 73 (79)BVerfGE 12, 73 (80)geschlossen, insbesondere dann, wenn die Entscheidung ihm selbst einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen würde. Diese Vorschriften erfassen jedoch nicht den oben unter 2.b) angeführten Fall. Der Beamte oder Angestellte einer kreisangehörigen Gemeinde wäre daher ohne die Vorschrift des § 13 Abs.1 Buchst.g) KWG in der Lage, als Kreistagsmitglied an der Wahl seines eigenen Disziplinarvorgesetzten und an der Beschlußfassung über Maßnahmen mitzuwirken, die im Rahmen der Dienstaufsicht über seinen Disziplinarvorgesetzten erforderlich werden würden. Dieser Fall einer möglichen Interessenkollision kann im übrigen nur bei Beamten und Angestellten der kreisangehörigen Gemeinden eintreten, nicht dagegen bei Mitgliedern der Vertretungskörperschaften kreisangehöriger Gemeinden. Denn nur die Beamten und Angestellten der kreisangehörigen Gemeinden sind in bestimmten Fällen disziplinarrechtlichen Maßnahmen des Oberkreisdirektors unterworfen. | |
4. Diese Gefahren einer Interessenkollision reichen aus, um die durch die angefochtene Vorschrift eingeführte Beschränkung der Wählbarkeit noch als eine mit dem Grundsatz der Wahlgleichheit zu vereinbarende Differenzierung zu rechtfertigen. | |
Der Beschwerdeführer hat weiter gerügt, die angegriffene Vorschrift sei auch mit § 33 BRRG nicht vereinbar. Er macht also geltend, geltend, daß die Bestimmung eines Landesgesetzes wegen Unvereinbarkeit mit einem Bundesgesetz nichtig sei. | |
Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Frage im Rahmen eines Verfahrens betreffend eine Verfassungsbeschwerde überhaupt geprüft werden kann, denn der Antrag ist insoweit offensichtlich unbegründet (vgl BVerfGE_6,7 <11>). § 33 BRRG normiert nicht Inkompatibilitätstatbestände, sondern eröffnet dem Landesgesetzgeber für den Fall, daß er sich für die Einführung von Inkompatibilitäten entschließt -- wobei er im Rahmen von Art.137 Abs.1 GG frei ist-, nur die Möglichkeit, in gewissen Fällen die Versetzung der betreffenden Beamten in den Ruhestand vorzusehen." | |
Die Verfassungsbeschwerde war daher zurückzuweisen. | |
Auszug aus BVerfG B, 17.01.61, - 2_BvR_547/60 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.17 ff | |
§§§ | |
61.002 | Richterliches Amtsrecht |
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1) Soweit Art.33 Abs.5 GG die Beachtung -- und nicht nur die Berücksichtigung -- eines bestimmten, die persönliche Rechtsstellung des Beamten betreffenden "hergebrachten Grundsatzes des Berufsbeamtentums" fordert und garantiert, verleiht er in jedem Fall dem Beamten einen subjektiven grundrechtsähnlichen Anspruch gegen den Staat, der dahin geht, daß der Staat nicht die durch den hergebrachten Grundsatz geschaffene persönliche Rechtsstellung des Beamten verletzt. | |
2) Art.33 Abs.5 GG räumt auch den Richtern entsprechende grundrechtsähnliche Individualrechte ein, soweit sich für sie vom Gesetzgeber zu beachtende hergebrachte Grundsätze des richterlichen Amtsrechts nachweisen lassen, die gerade die persönliche Rechtsstellung der Richter mitgestalten. | |
3) Die richterliche Unabhängigkeit fordert, daß das Aufsteigen des Richters im Gehalt gesetzlich normiert wird und daß ein Aufrücken in der Besoldung in den Fällen, in denen es nicht die Folge der Zuweisung einer anderen, mit höherer Verantwortlichkeit verbundenen Dienstaufgabe ist, nicht in das Ermessen der Exekutive gestellt wird. | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
61.003 | Unterschriftsquorum |
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LB 1) Politische Parteien können die angebliche Verletzung ihres verfassungsrechtlichen Status durch die rechtliche Gestaltung des Wahlverfahrens nur im Wege des Organstreits vor dem Bundesverfassungsgericht geltend machen (BVerfGE_4,27). | |
LB 2) Zu Sinn und Zweck der Unterschriftenquoren bei Wahlvorschlagsrecht und ihrer verfassungsmäßigen Begrenzungen. | |
LB 3) Auch gegen das Erfordernis der polizeilichen Beglaubigung der Unterschriften bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. | |
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T-61-03 | Unterschriftsquorum |
"... Die Möglichkeit, das Wahlvorschlagsrecht durch Unterschriftenquoren zu begrenzen, ist heute allgemein anerkannt. Ihr legitimes Ziel ist, der Stimmenzersplitterung vor der Wahl zu begegnen. Nur Wahlvorschläge sollen im Wahlkampf zugelassen werden, von denen vermutet werden kann, daß hinter eine politische ernst zu nehmende Gruppe steht. Eine solche Vermutung für die Ernsthaftigkeit eines Wahlvorschlages wird dadurch begründet, daß eine bestimmte, vom Gesetz festgelegte Anzahl von Unterschriften von den Wahlvorschlagsberechtigten beigebracht wird. Dadurch wird der Wähler zugleich davor bewahrt, daß er seine Stimme einem von vornherein aussichtslosen Bewerber oder Wahlvorschlag gibt. | |
"...Auch gegen das Erfordernis der polizeilichen Beglaubigung der Unterschriften bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Wahlbehörde muß die Möglichkeit haben, die Echtheit der Unterschriften und die Wahlberechtigung der Unterzeichner zu prüfen ( BVerfGE_5,77 (82). Die polizeiliche Beglaubigung der Unterschriften ist ein geeignetes Mittel, etwaige Manipulationsversuchen vorzubeugen. Es ist verfassungsrechtlich ebenso unbedenklich wie das Erfordernis der Eintragung in eine beim Wahlleiter aufliegende Liste (vgl dazu des näheren den Beschluß vom 22.11.60 - 2_BvR_606/60 - mit weiteren Nachweisen). ..." | |
Auszug aus BVerfG B, 25.01.61, - 2_BvR_582/60 -, BVerfGE_12,132, 133 f | |
§§§ | |
61.004 | Schmid-Spiegel |
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Die Wahrnehmung berechtigter Interessen deckt auch Gegenäußerungen in der Presse, die der Art eines Presseangriffs und seiner Wirkung auf die öffentliche Meinungsbildung entsprechen ( Art.5 Abs.1 und Abs.2 GG; § 193 StGB). | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
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T-61-02 | Presse-Wahrheitspflicht |
"Mit der Pressefreiheit - unter deren Schutz der Wolga-Artikel an sich stand - gehen Pflichten einher, die um so ernster genommen werden müssen, je höher man das Grundrecht der Pressefreiheit einschätzt. Wenn die Presse von ihrem Recht, die Öffentlichkeit zu unterrichten, Gebrauch macht, ist sie zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung verpflichtet. Die Erfüllung dieser Wahrheitspflicht wird nach gesicherter Rechtsprechung schon um des Ehrenschutzes des Betroffenen willen gefordert (vgl BGHZ 31,308 <312 f>; BGHSt 4,338; BGH Lindenmaier/Möhring, Nr.4 zu § 354 Abs.1 StPO; BGH in NJW 1952 S.194). Sie ist zugleich in der Bedeutung der öffentlichen Meinungsbildung im Gesamtorganismus einer freiheitlichen Demokratie begründet. Nur dann, wenn der Leser - im Rahmen des Möglichen - zutreffend unterrichtet wird, kann sich die öffentliche Meinung richtig bilden. Die Presse ist daher um ihrer Aufgabe bei der öffentlichen Meinungsbildung willen gehalten, Nachrichten und Behauptungen, die sie weitergibt, auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Wenn auch diese Prüfungs- und Wahrheitspflicht nicht überspannt werden darf, so ist es doch unzulässig, leichtfertig unwahre Nachrichten weiterzugeben. Erst recht darf die Wahrheit nicht bewußt entstellt werden; dies geschieht auch dann; wenn man wesentliche Sachverhalte, die einem bekannt sind, der Öffentlichkeit unterschlägt. | |
Wie das Landgericht feststellt, hat der Wolga-Artikel ein verzerrtes Bild von der politischen Einstellung des Beschwerdeführers gezeichnet, und zwar nicht nur durch Wiedergabe einiger unrichtiger Behauptungen, sondern auch und vor allem durch bewußtes Weglassen von Tatsachen, die geeignet waren, das Bild seiner politischen Gesinnung richtigzustellen. Es wird nicht objektiv dargelegt, was dem Verfasser bekannt und zur Beurteilung des politischen Standpunkts des Beschwerdeführers ersichtlich wesentlich ist. Der Artikel trägt vielmehr alles, auch weit Zurückliegendes, zusammen, was dazu dienen kann, den "ausgesprochen roten Faden" im Leben des Beschwerdeführers aufzuzeigen, verschweigt dagegen geflissentlich das, was den Verdacht kommunistischer Gesinnung entkräften könnte. Insbesondere wird der Leser nicht mit den Unterlagen bekanntgemacht, die der Beschwerdeführer dem Korrespondenten zum Beweis dafür übergeben hatte, daß er den Bolschewismus entschieden verurteile. Der "Spiegel" hat also seinen Lesern unter dem Anschein der vollen Wahrheit bewußt nur Teilwahrheiten geboten. | |
Wie der Beschwerdeführer erwidert, welche Gestalt er seinem Beitrag zu dem öffentlich zur Diskussion gestellten Thema geben durfte, wird entscheidend durch diese Art der Berichterstattung des "Spiegel" und durch die Notwendigkeit bestimmt, ihrer Einwirkung auf die öffentliche Meinung entgegenzuwirken. Wenn der "Spiegel" durch seine Berichterstattung über den Beschwerdeführer sich dem begründeten Verdacht, nicht zuverlässig zu berichten, ausgesetzt hatte, so konnte ein angemessener Beitrag zur öffentlichen Diskussion auch darin liegen, daß der "Spiegel" allgemein als Träger solcher Darstellungsweise entsprechend kritisiert wurde. Der "Spiegel" hatte insoweit zu einem abwertenden Urteil selbst Anlaß gegeben (vgl BGHSt_12,287 <294>) und mußte deshalb ein solches Urteil grundsätzlich hinnehmen, auch wenn es sein Ansehen minderte. Die von dem Landgericht dem Beschwerdeführer allein zugestandene "sachliche Widerlegung" der gegen ihn erhobenen Vorwürfe konnte als Gegenwirkung gegenüber dem Einfluß des Wolga-Artikels auf die öffentliche Meinungsbildung nicht genügen. Da der Artikel seine Gesamtwirkung weniger eigentlichen Unwahrheiten als der Unterdrückung von Tatsachen und der Verschiebung der Akzente verdankt, war eine solche Widerlegung überaus schwierig, und damit allein der nachhaltige Eindruck einer Publikation der vielgelesenen Wochenschrift kaum zu überwinden." | |
Auszug aus BVerfG B, 25.01.61, - 1_BvR_9/57 -, www.dfr/BVerfG, Abs.63 ff | |
§§§ | |
61.005 | Ehegattenfreibetrag |
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1) § 29 Abs.1 LAG ist nur dann mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn er dahin ausgelegt wird, daß der Freibetrag jedem Ehegatten gesondert zusteht. | |
2) Solange die Ehegatten Gesamtschuldner sind, darf bei verfassungsgemäßer Handhabung des § 7 Abs.3 StAnpG auf Antrag auch die Vermögensabgabe nur nach proportionaler Aufteilung beigetrieben werden. | |
LB 3) Verfassungsrechtlich entscheidend ist die Ungleichheit, die darin liegt, daß zwei Personen zusammen nur dieselbe Vergünstigungsmöglichkeit eingeräumt ist wie sonst einer Einzelperson und daß diese - schon mit Art.3 Abs.1 GG kaum vereinbare - Benachteiligung zudem an die Ehe geknüpft ist. | |
§§§ | |
61.006 | 1.Rundfunkentscheidung |
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1) Auch "Vertragsgesetze" zu Staatsverträgen zwischen den Ländern unterliegen der verfassungsgerichtlichen Prüfung im Normenkontrollverfahren. | |
2) Ein Organ des Bundes hat Landesrecht auch dann im Sinne von § 76 Nr.2 BVerfGG "nicht angewendet", wenn es dieses Recht "nicht beachtet" hat. | |
3) a) Das Post- und Fernmeldewesen im Sinne von Art.73 Nr.7 GG umfaßt - wenn man vom Empfang der Rundfunksendungen absieht - nur den sendetechnischen Bereich des Rundfunks unter Ausschluß der sogenannten Studiotechnik. b) Art.73 Nr.7 GG gibt dem Bund nicht die Befugnis, die Organisation der Veranstaltung und die der Veranstalter von Rundfunksendungen zu regeln. | |
4) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Fernmeldewesen (Art.73 Nr.7 GG) läßt auch Regelungen zu, die dem Bund das ausschließliche Recht vorbehalten, Funkanlagen für Zwecke des Rundfunks zu errichten und zu betreiben. | |
5) Nach der Systematik des Grundgesetzes bezeichnet die Gesetzgebungskompetenz des Bundes die äußerste Grenze für seine Verwaltungsbefugnisse. "Bundespost" in Art.87 Abs.1 GG kann daher nicht mehr umfassen als "Post- und Fernmeldewesen" in Art.73 Nr.7 GG. | |
6) Die Bundespost ist gehalten, bei Verleihungen zur Errichtung oder zum Betrieb von Rundfunksendeanlagen (§ 2 FAG) und beim Abschluß von Verträgen über die Benutzung solcher Anlagen ausschließlich sendetechnische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. "Auflagen", die diesen Bereich verlassen, sind unzulässig. | |
7) a) Die Veranstaltung von Rundfunksendungen ist nach der deutschen Rechtsentwicklung eine öffentliche Aufgabe. Wenn sich der Staat mit dieser Aufgabe in irgendeiner Form befaßt (auch dann, wenn er sich privatrechtlicher Formen bedient), wird sie zu einer "staatlichen Aufgabe" im Sinne von Art.30 GG. | |
8) a) Art.30 GG gilt sowohl für die gesetzesakzessorische wie für die "gesetzesfreie" Erfüllung öffentlicher Aufgaben. | |
9) Auch das procedere und der Stil der Verhandlungen, die zwischen dem Bund und seinen Gliedern und zwischen den Ländern im Verfassungsleben erforderlich werden, stehen unter dem Gebot bundesfreundlichen Verhaltens. | |
10) Art.5 GG fordert Gesetze, durch die die Veranstalter von Rundfunkdarbietungen so organisiert werden, daß alle in Betracht kommenden Kräfte in ihren Organen Einfluß haben und im Gesamtprogramm zu Wort kommen können, und die für den Inhalt des Gesamtprogramms Leitgrundsätze verbindlich machen, die ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten. | |
§§§ | |
61.007 | Parteienprivileg |
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1) Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen. Insofern kommt dieser Entscheidung konstitutive Bedeutung zu. | |
2) Das in erster Linie die Parteiorganisation schützende Privileg des Art.21 Abs.2 GG erstreckt sich auch auf die mit allgemein erlaubten Mitteln arbeitende parteioffizielle Tätigkeit der Funktionäre und Anhänger einer Partei. Ihre Tätigkeit ist durch das Parteienprivileg auch dann gestützt, wenn ihre Partei durch eine spätere Entscheidung des BVerfG für verfassungswidrig erklärt wird. | |
3) Die Rechtsordnung kann nicht ohne Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit die verfassungsrechtlich eingeräumte Freiheit, eine Partei zu gründen und für sie im Verfassungsleben zu wirken, nachträglich als rechtswidrig behandeln. | |
§§§ | |
61.008 | Pflichtaltersversorgung |
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Zur landesrechtlichen Einführung einer Pflicht-Altersversorgung für freiberuflich tätige Ärzte. | |
LB 2) Daß ein Gesetz, das eine Zwangsversorgung für freiberuflich tätige Ärzte einführt, die Grundrechte aus Art.2 Abs.1, Art.9 Abs.1, Art.11 und 14 GG nicht verletzt, hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden ( BVerfGE_10,354 <361 ff>). | |
LB 3) Wenn andere Gesetzgeber eine gleichartige Regelung nicht getroffen haben, so ist damit der Gleichheitssatz nicht verletzt ( BVerfGE_10,354 <371>). | |
LB 4) Abgesehen davon, daß eine unmittelbare Anwendung des für den Bereich der Bundesgesetzgebung geltenden Art.80 Abs. 1 GG hier ausscheidet, lassen sich die Grundsätze, die für die Übertragung rechtssetzender Gewalt an die Exekutive durch ihre Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen gelten, nicht auf die Verleihung autonomer Satzungsgewalt an rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts anwenden. | |
LB 5) Das Recht, solche Satzungen mit Rechtswirkung für den vom Tätigkeitsbereich der Anstalt erfaßten Personenkreis zu erlassen, ist ein wesentliches Element der Selbstverwaltung, in deren Verleihung die Länder durch das Grundgesetz nicht beschränkt sind. | |
§§§ | |
61.009 | Spinnweber-Zusatzsteuer |
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Es gibt keinen Rechtssatz, der verbietet, in einer Verordnung Vorschriften oder Teile einer Vorschrift unberührt zu lassen, wenn andere Vorschriften oder Teile von ihnen auf Grund einer neuen Ermächtigung geändert werden sollen. | |
LB 2) Die Auferlegung einer Steuer berührt zwar die wirtschaftliche Freiheit des Einzelnen, sie greift aber nicht in den durch Art.2 Abs.1 GG geschützten Bereich ein, wenn dem Betroffenen angemessener Spielraum verbleibt, sich als verantwortlicher Unternehmer wirtschaftlich frei zu entfalten ( BVerfGE_4,7 <16>; vgl auch BVerfGE_6,32 <36 ff, 41>; BVerfGE_8,274 <328 f>). | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
61.010 | Volkswagenprivatisierung |
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1) Das Gesetz über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand vom 21.Juli 1960 (BGBl.I S.585) ist mit dem Grundgesetz vereinbar. | |
2) Der Erlaß eines Gesetzes ist unabhängig von seinem Inhalt stets Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne des § 90 Abs.1 BVerfGG. | |
3) Ein Verfassungssatz, der die Veräußerung rein erwerbswirtschaftlicher Unternehmen des Bundes generell verbietet, besteht nicht. | |
4) Art.15 GG enthält keinen Verfassungsauftrag zur Sozialisierung, sondern nur eine Ermächtigung an den Gesetzgeber; er enthält auch kein Gebot, alles zu unterlassen, was eine künftige Sozialisierung erschweren könnte. | |
5) Die Organe des Bundes sind verpflichtet, bei einer Veräußerung öffentlichen Vermögens einen angemessenen Preis zu erstreben. Werden jedoch mit der Veräußerung besondere Ziele, etwa wirtschaft- oder sozialpolitischer Art, verfolgt, so dürfen in gewissen Grenzen und bei Wahrung der rechtsstaatlichen Prinzipien auch sogenannte politische Gesichtspunkte mitberücksichtigt werden. | |
6) Im Bereich der Hilfe und Förderung gewährenden Staatstätigkeit sind Regelungen zugunsten einzelner Gruppen der Bevölkerung zulässig, wenn vernünftige Gründe dafür bestehen, der Gesetzgeber also nicht zu willkürlichen Privilegierungen und Diskriminierungen übergeht, vielmehr den Kreis der Begünstigten sachgerecht abgrenzt. Auch das Sozialstaatsprinzip ermächtigt nicht zu beliebiger Sozialgestaltung, die das Gebot der Gleichheit auflösen könnte. | |
§§§ | |
61.011 | Friedenswahlen |
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Art.28 Abs.1 Satz 2 GG schreibt zwingend vor, daß jeder Wahlberechtigte seine Stimme bei der Wahl soll abgeben können. Diesem Gebot ist nicht Genüge getan, wenn das Wahlergebnis durch die Aufstellung und Duldung entsprechender Wahlvorschläge vorweggenommen werden kann (sogenannte Friedenswahlen). Die Möglichkeit, die Wahlhandlung selbst, durch die Einreichung weiterer Wahlvorschläge erzwingen zu können, ist kein Ersatz für die verfassungsrechtlich garantierte Ausübung des Stimmrechts. | |
LB 2) § 17 Abs.2 Satz 1 und § 11 GKWG verstoßen auch deshalb gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl und damit gegen Art.3 Abs.1 GG, weil sie das passive Wahlrecht der Beschwerdeführer verkürzen. Sie beschneiden die Erfolgsaussichten eines nicht von einer politischen Partei aufgestellten Bewerbers von vornherein dadurch, daß er nicht auf einer Liste kandidieren kann ( BVerfGE_11,351 <364>). | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
61.012 | Diplomatische Klausel |
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Ob eine gemäß Art.100 Abs.1 GG zur Prüfung gestellte Bestimmung für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens erheblich ist, ist auf Grund der tatsächlichen Würdigung des vorlegenden Gerichts zu beurteilen, sofern diese nicht offensichtlich unhaltbar ist (Ergänzung zu BVerfGE_7,171 <175>) | |
LB 2) Härten, die jeder Stichtagsregelung innewohnen, müssen aber nur dann hingenommen werden, wenn die Einführung eines Stichtages überhaupt und die Wahl des Zeitpunktes am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit sachlich vertretbar ist (vgl BVerfGE_3,58 <148>; BVerFGE_3,288 <337>). | |
LB 3) Die Vorschriften des Bundesentschädigungsgesetzes und des Dritten Änderungsgesetzes führen in ihrem Zusammenhange dazu, daß von den in bestimmten Ländern ansässig gewordenen Auswanderern nur eine relativ kleine Gruppe wegen des Zeitpunktes ihrer Auswanderung ohne ausreichende sachliche Gründe diskriminiert wird. Darin liegt ein Verstoß gegen Art.3 Abs.1 GG. | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
61.013 | Neugliederung Hessen |
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1) Art.93 Abs.1 Nr.3 GG beruft das Bundesverfassungsgericht nur zur Entscheidung von verfassungsrechtlichen Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern; solche Streitigkeiten liegen nur vor, wenn der Antragsteller gegen den Antragsgegner Ansprüche erhebt, die sich aus einem beide Teile umschließenden materiellen Verfassungsrechtsverhältnis ergeben. | |
2) Art.29 GG macht die Neugliederung des Bundesgebietes zu einer ausschließlichen Angelegenheit des Bundes; die lediglich passive Beteiligung der Länder als Objekte der von Bundes wegen vorzunehmenden Neugliederung erzeugt nicht einen Status der gegenwärtig bestehenden Länder, aus dem sich für dies gegen den Bund ein Anspruch auf Neugliederung ergeben könnte. | |
3) Das Prinzip der Bundestreue konstituiert oder begrenzt Rechte und Pflichten innerhalb eines bestehenden Rechtsverhältnisses zwischen Bund und Ländern, begründet aber nicht selbständig ein Rechtsverhältnis zwischen ihnen; die wechselseitigen rechtlichen Beziehungen, innerhalb deren Treue zu wahren ist, müssen bestehen oder durch Verhandlungen begründet werden. | |
4) Die Bund und Ländern gemeinsame Pflicht zur Wahrung und Herstellung der grundgesetzlichen Ordnung in allen Teilen und Ebenen des Gesamtstaates, aus der sich ein im Verfassungsrechtsstreit verfolgbarer Anspruch eines Landes gegen den Bund ergeben kann, bezieht sich nur auf die Bestimmungen des Grundgesetzes, die die Ausübung der Staatsgewalt zwischen Bund und Ländern abscheiden oder die das Verfassungsleben im Bund und in den Ländern materiell bestimmen, dagegen nicht auf die Bestimmungen des Grundgesetzes, die nur das organschaftliche Zusammenwirken der Bundesorgane ordnen oder die den Bund ermächtigen, einseitig Maßnahmen gegenüber den Ländern zu ergreifen. | |
5) Die Heimatbünde, die sich zur Betreibung der Volksbegehren nach Art.29 Abs.2 GG gebildet haben, sind, anders als die politischen Parteien, nicht notwendige Institutionen des Verfassungslebens; sie besitzen daher keine Parteifähigkeit im Organstreit. | |
6) a) Die Volksbegehren nach Art.29 Abs.2 GG sind ein in sich abgeschlossenes Vorverfahren zu dem Gesetzgebungsverfahren, das erst mit der Einbringung des Gesetzentwurfs beginnt. | |
b) Gegenstand des Volksentscheides nach Art.29 Abs.3 GG ist nicht das Volksbegehren, sondern das aus der Entscheidung des Bundesgesetzgebers hervorgegangene Neugliederungsgesetz. Die Volksbefragungen, die in Art.29 Abs.2 und 3 GG als Volksbegehren und Volksentscheid bezeichnet werden, sind also nicht aufeinander bezogen und darum nicht Bestandteile eines Volksgesetzgebungsverfahrens. | |
c) Der Bürger, der beim Volksentscheid nach Art.29 Abs.3 GG seine Stimme abgibt, nimmt nicht an einem Akt entscheidender Willensbildung eines Bundesorgans teil. | |
7) Das Recht auf Teilnahme am Volksentscheid nach Art.29 Abs.3 entsteht erst, wenn der Bundesgesetzgeber das Neugliederungsgesetz beschlossen hat. Es ist etwas anderes als das Recht auf Wahlen, so daß die Anführung des Art.38 GG in § 90 Abs.1 BVerfGG nicht im Wege der Analogie auf das Recht zur Teilnahme am Volksentscheid ausgedehnt werden kann, und die Verfassungsbeschwerde zur Verfolgung dieses Rechts nicht gewährt ist. | |
8) Im System der Verfassungsgerichtsbarkeit nach deutschem Verfassungsrecht ist der einzelne Staatsbürger im Organstreit nicht parteifähig. | |
§§§ | |
61.014 | Handwerksordnung |
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1) Der Befähigungsnachweis für das Handwerk ist mit dem Grundgesetz vereinbar. | |
2) Auch subjektive Zulassungsvoraussetzungen sind nur zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter gerechtfertigt. Schutzwürdig können nicht nur allgemein anerkannte, sondern auch solche Gemeinschaftswerte sein, die sich erst aus den besonderen wirtschafts-, sozial- und lschaftspolitischen Zielen des Gesetzgebers ergeben, wie zB die Erhaltung des Leistungsstandes und der Leistungsfähigkeit des Handwerks und die Sicherung des Nachwuchses für die gesamte gewerbliche Wirtschaft. | |
3) Dem Gesetzgeber steht die Befugnis zu, Berufsbilder festzulegen und damit die freie Berufswahl in diesem Bereich zu verengen. Er darf dabei typisieren und braucht Spezialisierungstendenzen nur in gewissem Umfang zu berücksichtigen. | |
4) Es entspricht dem Schutzgedanken des Art.12 Abs.1 GG, einem Berufsbewerber eine Ausnahmebewilligung nach § 7 Abs.2 , § 8 HdwO zu erteilen, wenn es eine übermäßige, nicht zumutbare Belastung darstellen würde, ihn auf den Nachweis seiner fachlichen Befähigung gerade in der Form der Ablegung der Meisterprüfung zu verweisen. | |
§§§ | |
61.015 | Fragestunde |
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LB 1) Zur Zulässigkeit von Anträgen im Organstreit gemäß § 64 Abs.1 BVerfG .Abs.9 | |
| LB 2) Zum Sinn und Zweck von Antworten auf mündliche Anfragen. |
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T-61-04 | Zur Zulässigkeit von Anträgen im Organstreit |
"Nach § 64 Abs.1 BVerfGG ist ein Antrag im Organstreit nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, daß er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. Die zur Nachprüfung gestellte Maßnahme muß rechtserheblich sein oder sich zumindest zu einem die Rechtsstellung der Antragstellerin beeinträchtigenden, rechtserheblichen Verhalten verdichten önnen ( BVerfGE_2,143 <168>; BVerfGE_3,12 <17>); die Verletzung oder Gefährdung der Rechte und Pflichten muß sich aus dem Sachvortrag als mögliche Rechtsfolge ergeben ( BVerfGE_2,347 <366>). Von einer solchen Verletzung oder Gefährdung der Rechte der Antragstellerin kann aber im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden. | |
Antworten der Bundesregierung auf mündliche Fragen in der Fragestunde des Bundestages sollen dazu dienen, dem einzelnen Abgeordneten die für seine Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Sie gehören in den Rahmen des Frage- und Interpellationsrechts des Parlaments das den Mitgliedern der Bundesregierung die verfassungsrechtliche Verpflichtung auferlegt, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen. Die Beantwortung der Frage eines Abgeordneten durch den zuständigen Minister ist ein parlamentsinterner Vorgang, der sich in der Regel in der Äußerung einer Meinung erschöpft und eine rechtliche Außenwirkung nicht erzeugt. Dies gilt insbesondere, wenn, wie im vorliegenden Fall, der Bundesminister des Innern in Erfüllung seiner verfassungsrechtlichen Pflicht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu schützen, in sachlicher Form die Frage eines Abgeordneten beantwortet. | |
Weder der Bundesminister des Innern noch die Bundesregierung hat im übrigen die verfassungsrechtliche Möglichkeit, von sich aus die Antragstellerin an der Ausübung der in Art.21 GG umschriebenen Rechte und Pflichten zu hindern. Erstreckt sich das Verbotsurteil der KPD nicht auf die Antragstellerin - und dies ist weder vom Bundesminister des Innern noch von der Bundesregierung im vorliegenden Verfahren behauptet worden -, so genießt die Antragstellerin das Parteienprivileg des Art.21 Abs.2 GG, dh bis zu einer etwaigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann niemand rechtlich geltend machen, daß die Deutsche Friedens-Union verfassungswidrig sei (Urteil vom 21.März 1961 - 2 BvR 27/60 - unter C II 2 | |
Auszug aus BVerfG B, 18.07.61, - 2_BvE_1/61 -, www.dfr/bverfg.de, Abs.8 | |
§§§ | |
61.016 | Bayerische Feiertage |
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Wer nach Art.98 Satz 4 der Bayerischen Verfassung und § 54 Abs.1 BayVerfGHG die unzulässige Einschränkung eines Grundrechts, von der er selbst nicht betroffen zu sein braucht, geltend macht und durch seinen Antrag ein Popularklageverfahren beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof in Gang bringt, hat in diesem Verfahren Anspruch auf rechtliches Gehör und auf den gesetzlichen Richter. | |
LB 2) Darüber hinaus ist jedoch entscheidend, daß die Bayerische Verfassung jedem Bürger die Befugnis einräumt, verfassungswidrige Grundrechtseinschränkungen durch Gesetze d Verordnungen zu rügen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob eigene Grundrechte verletzt sind. | |
§§§ | |
61.017 | Feuerwehrabgabe |
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Die Feuerwehrabgabe nach baden-württembergischen Recht ist mit dem Grundgesetz vereinbar. | |
LB 2) Die Feuerwehrabgabe in diesem Sinne ist eine Ausgleichsabgabe" eigener Art, die sich der herkömmlichen Einteilung in Steuern, Gebühren, Beiträge (§ 1 AO) nicht ohne weiteres einfügt. | |
LB 3) Nach dem Gesetz sind alle gesundheitlich tauglichen Männer vom 18. bis zum 50.Lebensjahr zum Dienst in der Feuerwehr verpflichtet. Da aber nicht alle Dienstpflichtigen tatsächlich zur Dienstleistung benötigt werden, sollen die Dienstpflichtigen, die - aus welchen Gründen auch immer - nicht zum Dienst herangezogen werden, zum Ausgleich eine Geldleistung erbringen. | |
LB 4) Ob der einzelne Pflichtige zur einen oder anderen Gruppe gehört, entscheidet allein die Gemeinde als Träger der Feuerwehr. | |
LB 5) Hierin liegt nach der Auffassung des Gesetzgebers ein Merkmal, das die "Ausgleichsabgabe" vom "Ersatzgeld" unterscheidet, bei dem der Pflichtige nach seiner Wahl sich von einer ihm auferlegten Leistungspflicht durch Zahlung eines Geldbetrages "loskaufen" kann. | |
§§§ | |
61.018 | Verbotene Vereinigungen |
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Weder das Grundgesetz noch das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht begründen eine ausschließliche Zuständigkeit dieses Gerichts für die Entscheidung, ob eine Vereinigung gemäß Art.9 Abs.2 GG verboten ist. | |
§§§ | |
61.019 | Schankerlaubnissteuer |
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1) Steuerliche Vorschriften sind jedenfalls dann an Art.12 Abs.1 GG zu messen, wenn sie - wie die Schankerlaubnissteuer - an die Erlangung der Erlaubnis zur Ausübung eines bestimmten Berufes anknüpfen und den Nebenzweck verfolgen, den Zugang zu diesem Beruf zu hemmen. | |
2) Eine solche Steuernorm berührt die Freiheit der Berufswahl nur dann, wenn die Steuer ihrer Gestaltung und Höhe nach es den Berufsbewerbern in aller Regel wirtschaftlich unmöglich macht, den gewählten Beruf zur Grundlage ihrer Lebensführung zu machen. | |
3) Die verfassungsrechtliche Befugnis eines Landes zur Regelung einer bestimmten Steuer kann nicht durch einen Rückgriff auf allgemeine Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes in Frage gestellt werden, und zwar auch dann nicht, wenn die mit der Steuer verfolgten Nebenzwecke materiell Gebiete berühren, die der Gesetzgebung der Länder entzogen sind. | |
4) Die Schankerlaubnissteuer ist der Gewerbesteuer nicht gleichartig. Die Gewerbeordnung steht der Erhebung von Schankerlaubnissteuer nicht entgegen. | |
§§§ | |
61.020 | Bahnhofsapotheke Frankfurt |
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Zur Auslegung des Art.3 Abs.1 GG. | |
LB 2) Die vom Gesetzgeber einheitlich zu ordnenden Lebensverhältnisse sind nie in allen, sondern stets nur in einzelnen Elementen gleich. Es muß deshalb nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen werden, die Merkmale zu bestimmen, nach denen Sachverhalte als hinreichend gleich anzusehen sind, um sie gleich zu regeln (vgl BVerfGE_6,273 <280>). | |
LB 3) Die Apotheke des Beschwerdeführers hat zwar mit den Verkaufsstellen auf Personenbahnhöfen gemein, daß auch sie ein Bundesbahnnebenbetrieb im Sinne des § 41 des Bundesbahngesetzes vom 13.Dezember 1951 (BGBl.I S.955) ist und der Deckung von Reisebedarf dienen soll; zugleich unterscheidet sie sich jedoch wesentlich von diesen durch ihre spezifische Aufgabe als Apotheke, die Bevölkerung mit Arzneimitteln zu versorgen. Diese Sonderstellung der Apotheken gegenüber Einzelhandelsgeschäften, die das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen umrissen hat ( BVerfGE_7,377; BVerfGE_9,73), erlaubt es dem Gesetzgeber, eine Bahnhofsapotheke der allgemein für Apotheken geltenden Regelung zu unterwerfen und sie anders zu behandeln als andere Verkaufsstellen auf Personenbahnhöfen. | |
§§§ | |
61.021 | Ladenschlußgesetz |
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2) Zur Auslegung des Art.72 Abs.2 GG. | |
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T-61-05 | Betroffenheit der Bürger durch das LSchlG |
"Formell sind zwar Adressaten des Gesetzesbefehls nicht die Beschwerdeführerinnen selbst, sondern die Inhaber der Verkaufsstellen, denen die Schließung ihrer Läden zu bestimmten Zeiten auferlegt wird. | |
Die Einwirkung dieser Maßnahme auf die Handlungsfreiheit der Beschwerdeführerinnen geht aber über eine bloße Reflexwirkung hinaus. Die an den Ladeninhaber gerichtete Norm hindert zwangsläufig die Kundschaft am Einkauf, wirkt also wie ein unmittelbar an diese gerichteter Gerichteter Gesetzesbefehl. ) 12 | |
a) Der Bund hat durch Erlaß des Ladenschlußgesetzes nicht gegen Art.72 Abs.2 GG verstoßen. | |
Die durch das Ladenschlußgesetz geregelte Materie gehört zur konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes; als Gewerberecht fällt sie unter Nr.11, als Recht des Arbeitsschutzes unter Nr.12 des Art.74 GG. In diesem Bereich ist gemäß Art.72 Abs.2 GG der Bund zur Gesetzgebung nur befugt, soweit ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung besteht. Die Entscheidung darüber, ob ein solches Bedürfnis vorliegt, weil eine der in Art.72 Abs.2 Nr.1 bis 3 GG näher bestimmten Voraussetzungen gegeben ist, hat zunächst derjenige zu treffen, dem es obliegt zu handeln, also der Bundesgesetzgeber. Was insbesondere Nr.3 des Art.72 Abs.2 GG anlangt, so ist der Bundesgesetzgeber nicht darauf beschränkt, einer bereits bestehenden Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse mit bundeseinheitlicher Gesetzgebung lediglich zu folgen. Es kann ihm nicht versagt sein, auf das ihm erwünscht erscheinende Maß an Einheitlichkeit im Sozialleben hinzustreben. Hierin liegt eine politische Vorentscheidung, die das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich zu respektieren hat, weil es die Aufgabe jedes Gesetzgebers ist, Lebensverhältnisse - insbesondere auf dem Gebiet der Wirtschaft - gestaltend zu ordnen. Der Bundesgesetzgeber hat sich dann aber gemäß Art.72 Abs.2 Nr.3 GG zu fragen, ob die von ihm angestrebte Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse sein eigenes Tätigwerden erfordert; nur dann darf er die Bedürfnisfrage bejahen. Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit und Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse sind zwar Rechtsbegriffe. Sie sind jedoch so unbestimmt, daß ihre Konkretisierung weitgehend darüber entscheidet, ob zu ihrer Erreichung ein Bundesgesetz erforderlich ist. Das Bundesverfassungsgericht ist deshalb auf die Prüfung beschränkt, ob der Bundesgesetzgeber die in Art.72 Abs.2 Nr.3 GG verwendeten Begriffe im Prinzip zutreffend ausgelegt und sich in dem dadurch bezeichneten Rahmen gehalten hat. | |
Die Bundesregierung hat in der mündlichen Verhandlung ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung des Ladenschlusses vor allem mit der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet, den die Landesgrenzen überschreitenden einheitlichen Wirtschaftsräumen und dem Zusammenhang des Ladenschlusses mit dem bundesrechtlich geregelten Schutz der Arbeitszeit (Arbeitszeitordnung und §§ 105a ff GewO) begründet. Sie hat weiter hervorgehoben, daß die Arbeitsminister der Länder eine bundesgesetzliche Regelung angeregt haben, woraus sich ergebe, daß den Ländern selbst eine im Sinne des Art.72 Abs.2 Nr.1 GG "wirksame" Regelung des Ladenschlusses nicht möglich war. Bei dieser Sachlage läßt sich nicht feststellen, daß der Bundesgesetzgeber seinen Ermessensbereich überschritten hat. | |
b) Die Beschwerdeführerinnen wenden ferner ein, daß die ins einzelne gehende Regelung des Ladenschlusses nicht nur das notwendige Maß der Beschränkung des Kunden weit überschreite, sondern überhaupt überflüssig sei, zumal andere Staaten sich mit wenigen Bestimmungen allgemeiner Art begnügten, soweit sie überhaupt eine gesetzliche Regelung getroffen hätten. | |
Der letzte Gesichtspunkt versagt schon deshalb, weil nicht nur schematisch die Ladenöffnungszeiten nebeneinander dargestellt, sondern auch die in den einzelnen Staaten sehr verschiedenen Einkaufsgewohnheiten der Bevölkerung, wie überhaupt die allgemeinen Lebensverhältnisse in den Vergleich einbezogen werden müßten. | |
Der Einwand, die Regelung durch Gesetz sei überflüssig, enthält den Vorwurf, daß der Gesetzgeber seine Befugnisse mißbraucht habe. Einen Mißbrauch könnte das Bundesverfassungsgericht nur dann feststellen, wenn sich für eine gesetzliche Regelung kein sachlicher Grund finden ließe. Dies ist aber nicht der Fall. Ladenschlußbestimmungen für den Werktag waren schon in der Gewerbeordnung seit 1900, der Demobilmachungsverordnung vom 18.März 1919 und in den Arbeitszeitordnungen vom 26. Juli 1934 (§§ 24, 25) und 30.April 1938 (§§ 22, 23) enthalten. Sie galten bis zum Erlaß des Ladenschlußgesetzes und beweisen, daß seit Jahrzehnten eine gesetzliche Ordnung der Ladenschlußzeiten für notwendig gehalten wurde. Das Ladenschlußgesetz soll die Einhaltung der Arbeitszeitbestimmungen für die Ladenangestellten sicherstellen, zumindest ihre Kontrolle wirksamer machen; darüber hinaus will es die zulässige Arbeitszeit auf die Tageszeiten der Werktage verteilen und - soweit es die Verkaufsstellen ohne Angestellte einbezieht - gleiche Chancen im Wettbewerb herbeiführen. Es mag sein, daß auch ohne gesetzliche Vorschriften über den werktäglichen Ladenschluß die Beachtung des Arbeitszeitschutzes der Angestellten durchzusetzen gewesen wäre. Es ist aber nicht zu verkennen, daß angesichts der zahlreichen einander widerstreitenden Interessen eine gesetzliche Regelung zum Ausgleich und zur sozialen Befriedung beizutragen vermag. Dies genügt, um den Vorwurf eines Mißbrauchs der Gesetzgebungsgewalt zu entkräften. | |
c) Das Gesetz beschränkt die Handlungsfreiheit der Beschwerdeführerinnen auch nicht in unzumutbarer oder übermäßig belastender Weise. Es ist zuzugeben, daß die Beschwerdeführerinnen, die neben ihrer Berufstätigkeit einen Haushalt zu führen haben, durch das Gesetz erheblich stärker betroffen sind als etwa Hausfrauen, die ihre Arbeit selbst einteilen können, oder Personen, die keinen Haushalt führen; denn die 64 1/2 Stunden der Woche, während deren nach dem Ladenschlußgesetz Verkaufsstellen offen sein dürfen, fallen weitgehend mit der Arbeitszeit der Beschwerdeführerinnen zusammen. Doch hat der Gesetzgeber auf die Lage der erwerbstätigen Frauen bei der Regelung der Ladenöffnungszeiten ausreichend Rücksicht genommen. Ein Vergleich mit § 22 der Arbeitszeitordnung vom 30.April 1938, der durch das Ladenschlußgesetz abgelöst wurde, zeigt, daß dieses im ganzen keine erhebliche weitere Beschränkung gebracht hat. Zwar sind die Ladenöffnungszeiten insgesamt um durchschnittlich 7 1/2 Stunden in der Woche verkürzt worden; dem steht aber eine weitgehende Verkürzung auch der Arbeitszeiten seit 1938 gegenüber. Ihre Belastung sehen die Beschwerdeführerinnen offenbar auch nicht in der Verkürzung der Ladenöffnungszeiten an sich, sondern darin, daß an drei (eventuell vier) Samstagen im Monat der Einkauf am Nachmittag unterbunden wird. Die Erschwerungen, die dadurch entstehen, können jedoch hingenommen werden, da im ganzen gesehen auch diese Regelung den berufstätigen Frauen noch ausreichend Zeit zum Einkauf läßt: Für den täglichen Bedarf reicht die Zeit zwischen Beendigung der Arbeitszeit und Ladenschluß an den ersten fünf Tagen der Woche und am Samstagvormittag, zum Einkauf von anderen Gegenständen kann, wenn sonst keine Zeit zur Verfügung steht, der erste Samstagnachmittag im Monat benutzt werden. Es kommt hinzu, daß bereits viele Betriebe und Behörden dazu übergegangen sind, zwei Samstage im Monat (wie bei der Beschwerdeführerin zu 2) oder den Samstag schlechthin arbeitsfrei zu halten. Eine gewisse Anpassung der Arbeitszeit an die Ladenöffnungszeiten ist auch bei den Angestellten eines Anwaltsbüros durchführbar. Im übrigen müssen gewisse Härten für einzelne in Kauf genommen werden, da ein Gesetz, das seiner Natur nach typisieren muß, nicht alle Einzelfälle berücksichtigen kann und fast immer mit anderen Interessen in Konflikt gerät; es genügt, wenn es eine für möglichst viele Tatbestände angemessene Regelung schafft." | |
d) Der Gesetzgeber war an seiner Regelung auch nicht dadurch gehindert, daß für andere Gewerbezweige, wie das Verkehrsgewerbe und das Gaststättengewerbe, eine dem Ladenschlußgesetz entsprechende Regelung fehlt. Diese Gewerbezweige unterscheiden sich, wie nicht näher dargelegt zu werden braucht, in so erheblichem Maße von dem Einzelhandel, daß der Gesetzgeber durch Art.3 Abs.1 GG nicht verpflichtet sein kann, entweder für sie eine dem Ladenschlußgesetz entsprechende Regelung zu treffen oder eine Regelung des Ladenschlusses zu unterlassen." | |
Auszug aus BVerfG U, 29.11.61, - 1_BvR_758/57 -, www.bverfg.de, Abs.10 f | |
§§§ | |
61.022 | Wahlgebietsgröße |
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Der Gesetzgeber wird durch das Gebot des grundsätzlich gleichen Erfolgswertes jeder Wählerstimme nicht gehindert, im Rahmen eines Kommunalwahlgesetzes der verschiedenen Größe der Wahlgebiete durch eine unterschiedliche Gestaltung des Wahlrechts in gewissem Umfange Rechnung zu tragen, wenn in jedem Wahlgebiet allen Stimmberechtigten das gleiche Stimmrecht gewährleistet bleibt und ungerechtfertigte Differenzierungen zwischen Wahlgebieten gleicher Größenordnung vermieden werden. | |
LB 2) Sind hiernach auch verfassungsrechtlich zweifelhafte Wahlrechtsbestimmungen in der Regel nur an der radikal-egalitären Wahlrechtsgleichheit und nicht am allgemeinen Gleichheitssatz zu messen, so behält dieser jedoch auch für das Wahlrecht seine regulative und letzthin übergeordnete Bedeutung ( BVerfGE_1,208 <247>; BVerfGE_4,375 <382>) insofern bei, als das Gebot des grundsätzlich gleichen Erfolgswertes jeder Wählerstimme nicht unbegrenzt gilt. | |
LB 3) Vielmehr gibt es Ausnahmen von diesem Gebot, die sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben, weil Zweck und Natur des Wahlverfahrens sie zwingend erfordern ( BVerfGE_4,31 <39 f>,375 <382 f>). Aus diesem Grunde bedürfen Differenzierungen in diesem Bereich stets eines besonderen rechtfertigenden Grundes ( BVerfGE_12,73 <77>; weitere Rechtsprechungsnachweise BVerfGE_11,351 <361>). | |
LB 4) Als eine in diesem Sinne legitime Ausnahme von der formalen Wahlrechtsgleichheit ist die Sperrklausel im Kommunalwahlrecht anerkannt. Sie ist nur in engen Grenzen zulässig (BVerfGE_6,104 ff; BVerfGE_6,121 <130>; BVerfGE_11,266 <277>). Sie findet ihre Rechtfertigung in dem erlaubten Ziel, eine die Funktionsfähigkeit der Selbstverwaltung gefährdende Zersplitterung großer Kommunalvertretungen zu verhindern (vgl dazu BVerfGE_6,104 ff). | |
§§§ | |
61.023 | Rückwirkende Steuern |
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1) Aus dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit läßt sich der Verfassungsrechtssatz ableiten, daß belastende Steuergesetze grundsätzlich ihre Wirksamkeit nicht auf abgeschlossene Tatbestände erstrecken dürfen. | |
2) Erst von dem Zeitpunkt ab, in dem der Bundestag ein rückwirkendes Steuergesetz beschlossen hat, ist das Vertrauen des Bürgers in den Bestand des geltenden Rechts nicht mehr schutzwürdig. Entsprechendes gilt, wenn ein Steuergesetz den päteren Erlaß eines rückwirkenden Gesetzes fordert oder voraussetzt. | |
3) Daß der Gesetzgeber ein ihm unterlaufenes Versehen bei der Gesetzesfassung berichtigen will, berechtigt ihn noch nicht, dies für einen vergangenen Veranlagungszeitraum zu tun. Nur wenn sein Versehen zu erheblichen Unklarheiten oder zu objektiven Lücken in der ursprünglichen gesetzlichen Regelung geführt hat, ist eine Rückwirkung ausnahmsweise zulässig. | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
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[ 1960 ] | RS-BVerfG - 1961 | [ 1962 ] [ ] |
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