2005   (2)
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05.031 Kopierschutz
 
  1. BVerfG,     B, 25.07.05,     – 1_BvR_2182/04 –

  2. www.BVerfG.de

  3. GG_Art.14; UrhG_§_53 Abs.1, UrhG_§_108b Abs.1, UrhG_§_111a Abs.1

T-05-14

LB 1) Selbsthilfemaßnahmen zur Umgehung eines etwaigen Kopierschutzes sind nunmehr auch dann rechtswidrig, wenn sie dazu dienen, von der Erlaubnis des § 53 Abs.1 UrhG (Privatkopie) Gebrauch zu machen.

Abs.14

LB 2) § 108b Abs.1 letzter Satzeinschub, § 111a Abs.1 Nr.1 Buchst.a UrhG nehmen Umgehungen des Kopierschutzes zum eigenen privaten Gebrauch von straf- und bußgeldrechtlichen Sanktionen aus.

Abs.16

LB 3) Das Risiko einer zivilrechtlichen Inanspruchnahme - rechtfertigt, anders als die Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit vorliegend nicht, die Zulässigkeit einer unmittelbar gegen das Gesetz gerichteten Verfassungsbeschwerde zu bejahen.

Abs.19

LB 4) Das BVerfG hat offen gelassen, ob mit einem eventuellen strafbewehrten gesetzlichen Verbot der digitalen Privatkopie eine Verletzung des Eigentumsgrundrechts verbunden sein könnte, oder ob damit nicht - wofür vieles spreche - lediglich eine wirksame Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinn des Art.14 Abs.1 Satz 2 GG vorgenommen würde.

* * *

T-05-14Zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde

10

"Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen hierfür (vgl BVerfGE_90,22 <24 ff>) nicht vorliegen. Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinn des § 93a Abs.2 Buchstabe a BVerfGG kommt ihr nicht zu. Die Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte anzunehmen (§ 93a Abs.2 Buchstabe b BVerfGG), weil sie unzulässig ist und deshalb keine Aussicht auf Erfolg hat.

11

1. Sie genügt nicht dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, weil der Beschwerdeführer durch die angegriffenen Regelungen nicht unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen ist (vgl BVerfGE_1,97 <101 ff>; BVerfGE_18,1 <11>; BVerfGE_91,294 <305>; BVerfGE_97,157 <164>).

12

a) Ein solches Betroffensein ergibt sich zum einen nicht aus den in § 95a UrhG enthaltenen Verboten. Diese bringen für den Beschwerdeführer keine bereits jetzt spürbaren Rechtsfolgen mit sich (vgl BVerfGE_97,157 <164>).

13

Durch § 53 Abs.1 Satz 1 UrhG bleiben einzelne Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch weiterhin grundsätzlich zulässig, wenn dazu nicht eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage verwendet wird. Der Beschwerdeführer stützt sich allein auf Privatkopien, die ohne weiteres von dieser Erlaubnis erfasst sind. Es ist nicht erkennbar, dass die Einführung der §§ 95a, b UrhG für den Beschwerdeführer insoweit substantielle Änderungen gebracht hat.

14

Zutreffend ist allerdings, dass Selbsthilfemaßnahmen zur Umgehung eines etwaigen Kopierschutzes nunmehr auch dann rechtswidrig sind, wenn sie dazu dienen, von der Erlaubnis des § 53 Abs.1 UrhG Gebrauch zu machen (Dreyer in HK-UrhR, 2004, § 53 Rn.12; Schmid/Wirth, Urheberrechtsgesetz, 2004, § 53 Rn.4). Damit ist aber keine Strafandrohung verbunden. Denn § 108b Abs.1 letzter Satzeinschub, § 111a Abs.1 Nr.1 Buchst.a UrhG nehmen Umgehungen des Kopierschutzes zum eigenen privaten Gebrauch von straf- und bußgeldrechtlichen Sanktionen aus (vgl BTDrucks 15/38, S.29; Schmid/Wirth, aaO, Rn.6; Ernst, CR 2004, S.39 <42 f>).

15

Es verbleibt nur die Möglichkeit, dass die Rechtsinhaber den Zivilrechtsweg gegen das Erstellen von Privatkopien unter Umgehung des Kopierschutzes beschreiten (vgl BTDrucks 15/38, S.29; Schmid/Wirth, aaO; Kotthoff in HK-UrhR, 2004, § 108 b Rn.7) und Ansprüche gemäß §§ 97 ff UrhG oder §§ 823, 1004 BGB geltend machen (vgl dazu Spieker, GRUR 2004, S.475 <480 ff.>; Arlt, MMR 2005, S.148 <149 ff>). Inwiefern der Beschwerdeführer das zu besorgen hätte, führt er jedoch nicht aus. Darlegungen hierzu wären aber angesichts des Umstandes, dass - soweit ersichtlich - in Deutschland derartige Verfahren bei Privatkopien bislang nicht angestrengt wurden, erforderlich gewesen.

16

Im Übrigen rechtfertigt das Risiko einer zivilrechtlichen Inanspruchnahme - anders als die Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit (vgl BVerfGE_46,246 <256>; BVerfGE_81,70 <82> ) - vorliegend nicht, die Zulässigkeit einer unmittelbar gegen das Gesetz gerichteten Verfassungsbeschwerde zu bejahen. Vielmehr ist es dem Beschwerdeführer zuzumuten, im Rahmen eines etwaigen fachgerichtlichen Verfahrens Rechtsschutz zu erlangen. Dort hat auch die Klärung zu erfolgen, ob und in welchem Umfang der Beschwerdeführer durch die beanstandeten Regelungen konkret in seinen Rechten betroffen ist. Unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde ist eine derartige fachgerichtliche Prüfung gerade bei Vorschriften wie §§ 95a, b UrhG und §§ 97 ff. UrhG angezeigt, die den Gerichten Entscheidungsspielräume belassen, die für die Frage der Verfassungsmäßigkeit Gewicht erlangen können (vgl BVerfGE_97,157 <164 f.>).

17

b) Die angegriffenen Regelungen führen zum anderen auch nicht zu einer faktischen Betroffenheit des Beschwerdeführers etwa der Gestalt, dass keine geeigneten Kopierwerkzeuge mehr zur Verfügung ständen. Es ist bereits nicht erkennbar, dass die bei ihm offensichtlich aus der Zeit vor In-Kraft-Treten der Gesetzesänderung noch vorhandenen Werkzeuge nicht auf absehbare Zeit das Außerkraftsetzen der üblichen Kopierschutzmechanismen ermöglichen würden (vgl dazu Stickelbrock, GRUR 2004, S.736 <739 f.>). Zudem ist das Sich-Verschaffen eines geeigneten Werkzeugs beispielsweise aus dem Internet per Download auch nach seinem Vortrag tatsächlich möglich und - wenn es zu privaten Zwecken erfolgt - ebenso wie das Umgehen des Kopierschutzes selbst weder mit Strafe noch mit Bußgeld bedroht.

18

2. Darüber hinaus ist die Verfassungsbeschwerde nicht den Anforderungen des § 92 BVerfGG entsprechend substantiiert erhoben worden. Der Beschwerdeführer setzt sich schon nicht mit der streitigen einfachrechtlichen Frage auseinander, wann eine wirksame technische Maßnahme im Sinn des § 95a UrhG vorliegt - also ob es daran etwa fehlt, wenn sich die Maßnahme ohne weiteres (zum Beispiel durch standardmäßig mit Betriebssystemen ausgelieferte Kopierwerkzeuge) umgehen lässt (so Schmid/Wirth, aaO, § 95a Rn.8 f.; vgl auch Ernst, aaO, S.39; enger wohl Dreyer, aaO, § 95a Rn.21; Stickelbrock, a.a.O., S. 738). Außerdem lässt der pauschale Vortrag des Beschwerdeführers zu den von ihm regelmäßig erworbenen Datenträgern keinerlei Beurteilung zu, ob diese tatsächlich eine wirksame technische Maßnahme im Sinn des § 95a UrhG aufweisen.

19

3. Nach Vorstehendem bedarf die streitige Frage, ob es ein Recht auf eine digitale Privatkopie gibt (vgl zB Stickelbrock, aaO, S.740; Ulbricht, aaO, S.677 ff; Hucko, aaO, S.130), keiner Erörterung. Es kann mithin dahinstehen, ob mit einem strafbewehrten gesetzlichen Verbot der digitalen Privatkopie eine Verletzung des Eigentumsgrundrechts verbunden sein könnte, oder ob damit nicht - wofür vieles spricht - lediglich eine wirksame Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinn des Art.14 Abs.1 Satz 2 GG vorgenommen wäre."

 

Auszug aus BVerfG B, 25.07.05, - 1_BvR_2182/04 -, www.BVerfG.de,  Abs.10 ff

§§§

05.032 Lebensversicherungsvertrag
 
  1. BVerfG,     U, 26.07.05,     – 1_BvR_782/94 –

  2. BVerfGE_114,1 = www.BVerfG.de

  3. GG_Art.14 Abs.1, GG_Art.2 Abs.1; BGB_§_415; VAG_§_8 Abs.1 S.1 Nr.3, VAG_§_14 Abs.1 S.4

 

1) Bedarf es für die Übertragung des Bestands von Lebensversicherungsverträgen auf ein anderes Unternehmen keiner Genehmigung durch den Versicherungsnehmer (Ausschluss des § 415 BGB durch § 14 Abs.1 Satz 4 VAG), ist der Gesetzgeber durch Art.2 Abs.1 und Art.14 Abs.1 GG verpflichtet, den dadurch bewirkten Verlust der Möglichkeit, die vertragsmäßigen Rechte eigenständig und individuell durchzusetzen, auszugleichen.

 

2) Unterwirft der Gesetzgeber - wie in § 14 Abs.1 Satz 3 in Verbindung mit § 8 Abs.1 Satz 1 Nr.3 VAG geschehen - die Übertragung des Bestands von Lebensversicherungsverträgen auf ein anderes Unternehmen dem Vorbehalt einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung, so sind die Belange der Versicherten von der Aufsichtsbehörde umfassend festzustellen und ungeschmälert in die Entscheidung über die Genehmigung und die dabei vorzunehmende Abwägung einzubringen.

 

3) Die verfassungsrechtlichen Schutzpflichten aus Art.2 Abs.1 und Art.14 Abs.1 GG fordern Sicherungen dafür, dass die durch Prämienzahlungen der Versicherungsnehmer beim Versicherer geschaffenen Vermögenswerte im Fall von Bestandsübertragungen als Quellen für die Erwirtschaftung von Überschüssen erhalten bleiben und den Versicherten in gleichem Umfang zugute kommen wie ohne Austausch des Schuldners.

 

4) Zu den Anforderungen aus Art.14 Abs.1 GG an einen angemessenen Vermögensausgleich für den Verlust der Vereinsmitgliedschaft bei der Übertragung des Bestands von Lebensversicherungsverträgen eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit.

§§§

05.033 Überschussbeteiligung
 
  1. BVerfG,     B, 26.07.05,     – 1_BvR_80/95 –

  2. BVerfGE_114,73 = www.BVerfG.de

  3. GG_Art.14 Abs.1, GG_Art.2 Abs.1

 

Der Gesetzgeber ist durch Art.2 Abs.1 und Art.14 Abs.1 GG verpflichtet, hinreichende rechtliche Vorkehrungen dafür vorzusehen, dass bei der Ermittlung eines bei Vertragsende zuzuteilenden Schlussüberschusses die Vermögenswerte angemessen berücksichtigt werden, die durch die Prämienzahlungen im Bereich der kapitalbildenden Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung geschaffen worden sind.

§§§

05.034 Telekommunikationsüberwachung
 
  1. BVerfG,     U, 27.07.05,     – 1_BvR_668/04 –

  2. BVerfGE_113,348 = www.BVerfG.de

  3. GG_Art.10, GG_Art.19 Abs.1 S.2, GG_Art.74 Abs.1 Nr.1; (Ns)SOG_§_33a Abs.1 Nr.2 +3

 

1) Führt die Änderung eines Gesetzes zu neuen Grundrechtseinschränkungen, ist das betroffene Grundrecht im Änderungsgesetz auch dann gemäß Art.19 Abs.1 Satz 2 GG zu benennen, wenn das geänderte Gesetz bereits eine Zitiervorschrift im Sinne dieser Bestimmung enthält.

 

2) Der Bundesgesetzgeber hat abschließend von seiner Gesetzgebungsbefugnis aus Art.74 Abs.1 Nr.1 GG Gebrauch gemacht, die Verfolgung von Straftaten durch Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung zu regeln. Die Länder sind deshalb nicht befugt, die Polizei zur Telekommunikationsüberwachung zum Zwecke der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten zu ermächtigen.

 

3) Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit von gesetzlichen Ermächtigungen zur Verhütung und zur Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten durch Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung.

* * *

Urteil

Entscheidungsformel:

§ 33a Absatz 1 Nummer 2 und 3 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds.SOG) in der Fassung von Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes vom 11.Dezember 2003 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 414) und in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.Januar 2005 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 9) ist mit Artikel 10 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.

Das Land Niedersachsen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

§§§

05.035 Auflösung Bundestag
 
  1. BVerfG,     B, 08.08.05,     – 2_BvE_4/05 –

  2. BVerfGE_114,105 = www.BVerfG.de

  3. GG_Art.68 Abs.1 S.1; BVerfGG_§_65 Abs.1;

T-05-15

Auf die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Auflösungsentscheidung kommt es im Zusammenhang mit der Wahlvorbereitung insofern nicht an, als politische Parteien in jedem Fall einer vorzeitigen Auflösung des Deutschen Bundestages innerhalb der gesetzlichen Fristen die an ihre Teilnahme an der Bundestagswahl gestellten Anforderungen erfüllen müssen.

Abs.1

Zur Unzulässigkeit des Beitritts einer politischen Partei zum Organstreitverfahren über die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Auflösung des Deutschen Bundestages.

* * *

T-05-15Beitritt

1

"Der Beitritt der politischen Parteien zu dem Organstreitverfahren der Antragstellerin ist unzulässig, da es an der für einen zulässigen Beitritt nach § 65 Abs.1 BVerfGG notwendigen Übereinstimmung der rechtlichen Interessen der Antragstellerin einerseits und der beitrittswilligen politischen Parteien andererseits fehlt.

2

Die Antragstellerin macht ein rechtliches Interesse an der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Auflösung des 15. Deutschen Bundestages geltend, weil ihr durch die Auflösung ihr verfassungsrechtlicher Status als Bundestagsabgeordnete entzogen wird. Dieser Status würde ihr in verfassungswidriger Weise entzogen, sofern eine verfassungsgerichtliche Überprüfung der Auflösungsentscheidung des Antragsgegners ergäbe, dass den grundgesetzlichen Anforderungen des Art.68 Abs.1 Satz 1 GG nicht Genüge getan worden ist.

3

Das Interesse der beitrittswilligen politischen Parteien an einer längeren Vorbereitungszeit für die nächste Bundestagswahl ist anders gelagert als das verfassungsrechtliche Interesse der Antragstellerin daran, dass ihr der Abgeordnetenstatus nicht in verfassungswidriger Weise vorzeitig entzogen wird. Auf die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Auflösungsentscheidung kommt es im Zusammenhang mit der Wahlvorbereitung insofern nicht an, als politische Parteien in jedem Fall einer vorzeitigen Auflösung des Deutschen Bundestages innerhalb der gesetzlichen Fristen die an ihre Teilnahme an der Bundestagswahl gestellten Anforderungen erfüllen müssen.

 

Auszug aus BVerfG B, 08.08.05, - 2_BvE_4/05 -, www.BVerfG.de,  Abs.1 ff

§§§

05.036 Auflösung Bundestag II
 
  1. BVerfG,     B, 23.08.05,     – 2_BvE_5/05 –

  2. BVerfGE_114,107 = www.BVerfG.de

  3. GG_Art.68 Abs.1, GG_Art.21

 

Artikel 68 Absatz 1 des Grundgesetzes dient nicht dem Schutz politischer Parteien, die nicht im Parlament vertreten sind.

§§§

05.037 Vertrauensfrage
 
  1. BVerfG,     U, 25.08.05,     – 2_BvE_4/05 –

  2. BVerfGE_114,121 = www.BVerfG.de

  3. GG_Art.63, GG_Art.67, GG_Art.68

 

1) Die auf Auflösung des Bundestages gerichtete Vertrauensfrage ist nur dann verfassungsgemäß, wenn sie nicht nur den formellen Anforderungen, sondern auch dem Zweck des Art.68 GG entspricht. Das Grundgesetz erstrebt mit Art.63, Art.67 und Art.68 eine handlungsfähige Regierung.

 

2) Die auflösungsgerichtete Vertrauensfrage ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Handlungsfähigkeit einer parlamentarisch verankerten Bundesregierung verloren gegangen ist. Handlungsfähigkeit bedeutet, dass der Bundeskanzler mit politischem Gestaltungswillen die Richtung der Politik bestimmt und hierfür auch eine Mehrheit der Abgeordneten hinter sich weiß.

 

3) Von Verfassungs wegen ist der Bundeskanzler in einer Situation der zweifelhaften Mehrheit im Bundestag weder zum Rücktritt verpflichtet noch zu Maßnahmen, mit denen der politische Dissens in der die Regierung tragenden Mehrheit im Parlament offenbar würde.

 

4) Das Bundesverfassungsgericht prüft die zweckgerechte Anwendung des Art.68 GG nur in dem von der Verfassung vorgesehenen eingeschränkten Umfang.

a) Ob eine Regierung politisch noch handlungsfähig ist, hängt maßgeblich davon ab, welche Ziele sie verfolgt und mit welchen Widerständen sie aus dem parlamentarischen Raum zu rechnen hat. Die Einschätzung der Handlungsfähigkeit hat Prognosecharakter und ist an höchstpersönliche Wahrnehmungen und abwägende Lagebeurteilungen gebunden.

b) Eine Erosion und der nicht offen gezeigte Entzug des Vertrauens lassen sich ihrer Natur nach nicht ohne weiteres in einem Gerichtsverfahren darstellen und feststellen. Was im politischen Prozess in legitimer Weise nicht offen ausgetragen wird, muss unter den Bedingungen des politischen Wettbewerbs auch gegenüber anderen Verfassungsorganen nicht vollständig offenbart werden.

c) Drei Verfassungsorgane - der Bundeskanzler, der Deutsche Bundestag und der Bundespräsident - haben es jeweils in der Hand, die Auflösung nach ihrer freien politischen Einschätzung zu verhindern. Dies trägt dazu bei, die Verlässlichkeit der Annahme zu sichern, die Bundesregierung habe ihre parlamentarische Handlungsfähigkeit verloren.

 

LS 5) Zur abweichenden Meinung des Richters Jensch siehe BVerfGE_114,170 = www.BVerfG.de, Abs.188 ff.

 

LB 6) Zur abweichenden Meinung der Richterein Lübbe-Wolff siehe BVerfGE_114,182 = www.BVerfG.de, Abs.213 ff.

§§§

05.038 Mißbrauchsgebühr
 
  1. BVerfG,     B, 12.09.05,     – 2_BvR_1435/05 –

  2. www.BVerfG.de

  3. BVerfGG_§_34 Abs.2, BVerfGG_§_93a Abs.2

T-05-16

LB 1) Ein Missbrauch liegt vor, wenn die Verfassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und ihre Einlegung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss.

Abs.3

LB 2) Ist die Missbräuchlichkeit der Verfassungsbeschwerde vorrangig den Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin zuzurechnen, kann diesem eine Mißbrauchsgebühr auferlegt werden.

* * *

T-05-16Missbrauchsgebühr

2

"2. Die Auferlegung einer Missbrauchsgebühr in der hier angemessenen Höhe von 500 beruht auf § 34 Abs.2 BVerfGG. Danach kann das Bundesverfassungsgericht eine Gebühr bis zu 2.600 auferlegen, wenn die Einlegung der Verfassungsbeschwerde einen Missbrauch darstellt. Ein Missbrauch liegt vor, wenn die Verfassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und ihre Einlegung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Das Bundesverfassungsgericht muss nicht hinnehmen, dass es an der Erfüllung seiner Aufgaben durch für jedermann erkennbar aussichtslose Verfassungsbeschwerden behindert wird und dadurch anderen Bürgern den ihnen zukommenden Grundrechtsschutz nur verzögert gewähren kann. Dies gilt namentlich dann, wenn ein Beschwerdeführer trotz zahlreicher Nichtannahmeentscheidungen in ähnlich gelagerten Fällen weiterhin Verfassungsbeschwerden in derselben Sache anhängig macht (stRspr; vgl. Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 16.Dezember 1991 - 2 BvR 1608/91 -, NJW 1992, S.1952 f.; vom 14.September 1994 - 2 BvR 1626/94 -, NJW 1995, S. 1419; vom 6.November 1995 - 2 BvR 1806/95 -, NJW 1996, S. 1273 f.; vom 29.Mai 1996 - 2 BvR 725/96 -, NJW 1996, S. 2785; vom 19. März 1998 - 2 BvR 291/98 -, NJW 1998, S.2205; vom 13.April 1999 - 2 BvR 539/98 -, NJW-RR 1999, S.1149 f.).

3

Die Beschwerdeführerin hat mit ihrem Begehren im Jahr 2005 nunmehr bereits die vierte Verfassungsbeschwerde erhoben, obwohl alle vorangegangenen Beschwerden ohne Erfolg geblieben sind (vgl Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23.Mai 2005 - 2 BvR 87/05 -, vom 13.Juni 2005 - 2 BvR 716/05 - und vom 6.Juli 2005 - 2 BvR 909/05 -). Das Vorbringen war dabei weitgehend identisch; eine Auseinandersetzung mit der ausführlichen Begründung der Verwaltungsgerichte, dass der Beschwerdeführerin der begehrte Anspruch nicht zustehen kann, findet dabei nicht statt. Die Tatsache, dass nunmehr bereits ein richterlicher Hinweis mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen wird, lässt darauf schließen, dass die Missbräuchlichkeit der Verfassungsbeschwerde vorrangig den Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin zuzurechnen ist. Deshalb wird ihnen die Gebühr des § 34 Abs.2 BVerfGG auferlegt (vgl Beschluss der 3.Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 9.Juni 2004 - 1 BvR 915/04 -). Dass insoweit kein der Verfassungsbeschwerde zugänglicher Akt öffentlicher Gewalt vorliegt, kann für einen Rechtsanwalt nicht zweifelhaft gewesen sein."

 

Auszug aus BVerfG B, 12.09.05, - 2_BvR_1435/05 -, www.BVerfG.de,  Abs.2 f

§§§

05.039 Beitragssicherungsgesetz
 
  1. BVerfG,     B, 13.09.05,     – 2_BvF_2/03 –

  2. BVerfGE_114,196 = www.BVerfG.de

  3. GG_Art.76 ff, GG_Art.80 Abs.1 S.2, GG_Art.80 Abs.2, GG_Art.84 Abs.1

 

1) Verfahrensbestimmungen lösen die Zustimmungsbedürftigkeit nach Art.84 Abs.1 GG nicht aus, wenn sie keinen neuen Einbruch in die Verwaltungszuständigkeit der Länder darstellen.

 

2) Ändert das Parlament bestehende Rechtsverordnungen oder fügt in diese neue Regelungen ein, so ist das dadurch entstandene Normgebilde aus Gründen der Normenklarheit insgesamt als Rechtsverordnung zu qualifizieren.

 

3) Bei der Änderung von Verordnungsrecht ist der Gesetzgeber an das Verfahren nach Art.76 ff GG und an die Grenzen der Ermächtigungsgrundlage (Art.80 Abs.1 Satz 2 GG) gebunden. Die Zustimmungsbedürftigkeit richtet sich nicht nach Art.80 Abs.2 GG.

 

LB 4) Zur abweichenden Meinung der Richterin Osterloh und des Richters Gerhardt siehe BVerfGE_114,250 = www.BVerfG.de, Abs.250 ff.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

Das Gesetz zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzsicherungsgesetz - BSSichG) vom 23.Dezember 2002 (Bundesgesetzblatt I Seite 4637) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

§§§

05.040 Vorläufiges Wahlergebnis
 
  1. BVerfG,     B, 13.09.05,     – 2_BvQ_31/05 –

  2. www.BVerfG.de

  3. GG_Art.32 Abs.1, GG_Art.41 Abs.1; BWO_§_67 ff, BWO_§_71 Abs.5 +6;

T-05-17

LB 1) § 49 Bundeswahlgesetz bestimmt, dass Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, nur mit den im Bundeswahlgesetz und der Bundeswahlordnung dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen sowie im Wahlprüfungsverfahren nach Art.41 Abs.1 GG angefochten werden können.

Abs.5

LB 2) Ist damit nach dem Willen des Verfassungsgebers und nach der Konzeption des Rechtsschutzes im Wahlverfahren der Rechtsschutz im vorliegenden Verfahren erst nach der Durchführung der Wahl zu erlangen, so steht dies der Statthaftigkeit einer Verfassungsbeschwerde im Vorfeld der Wahl entgegen.

* * *

T-05-17Eilrechtsschutz im Wahlverfahren

3

"Nach § 32 Abs.1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Der Antrag auf Eilrechtsschutz hat jedoch keinen Erfolg, wenn der Antrag in der Hauptsache unzulässig oder offensichtlich unbegründet wäre (vgl BVerfGE_71,158 <161>; BVerfGE_111,147 <152 f.>; stRspr).

3

1. Der Zulässigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung steht nicht entgegen, dass ein Verfahren zur Hauptsache noch nicht anhängig ist (vgl BVerfGE_71,350 <352>; stRspr). Eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde wäre jedoch unstatthaft und damit unzulässig.

4

a) Die Verfassungsbeschwerde würde sich nach dem Vortrag in der Antragsschrift gegen die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses in den Wahlbezirken gemäß §§ 67 ff. Bundeswahlordnung - BWO - sowie gegen die Ermittlung und Bekanntgabe der vorläufigen Wahlergebnisse nach § 71 Abs.5 und 6 BWO richten. Angriffsgegenstand sind damit Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen.

5

b) § 49 Bundeswahlgesetz bestimmt, dass Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, nur mit den im Bundeswahlgesetz und der Bundeswahlordnung dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen sowie im Wahlprüfungsverfahren nach Art.41 Abs.1 GG angefochten werden können. Ist damit nach dem Willen des Verfassungsgebers und nach der Konzeption des Rechtsschutzes im Wahlverfahren der Rechtsschutz im vorliegenden Verfahren erst nach der Durchführung der Wahl zu erlangen, so steht dies der Statthaftigkeit einer Verfassungsbeschwerde im Vorfeld der Wahl entgegen.

6

Besondere Umstände, wie etwa die herausgehobene staatspolitische Bedeutung der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl, die den Senat bewogen hat, Rechtsschutz ausnahmsweise vor Durchführung der Wahl zu gewähren (vgl BVerfGE_82,322 <325,36>; BVerfGE_82,353 <369>), sind vorliegend schon im Ansatz nicht ersichtlich.

7

2. Auch eine - in das einstweilige Anordnungsverfahren vorverlegte - Wahlprüfungsbeschwerde wäre vorliegend unzulässig. Weder das Grundgesetz noch ein anderes Gesetz sehen eine vorverlegte Wahlprüfung durch das Bundesverfassungsgericht auf Antrag eines Wahlberechtigten vor (vgl BVerfGE_63,73 <76>)."

 

Auszug aus BVerfG B, 13.09.05, - 2_BvQ_31/05 -, www.BVerfG.de,  Abs.3 ff

§§§

05.041 § 12a BhVO-NRW
 
  1. BVerfG,     B, 27.09.05,     – 2_BvL_11/02 –

  2. BVerfGE_114,303 = www.BVerfG.de

  3. GG_Art.93 Abs.1 Nr.2, GG_Art.100 Abs.1 S.1; BVerfGG_§_80; (NW) BhVO_§_12a;

T-05-18

LB 1) Die in Art.100 Abs.1 GG, § 80 BVerfGG geregelte Vorlagepflicht besteht nur dann, wenn es sich bei der zur Nachprüfung gestellten entscheidungserheblichen Norm um ein formelles Gesetz handelt.

Abs.35

LB 2) Art.100 Abs.1 GG ist nicht anwendbar, wenn eine Rechtsverordnung durch ein formelles Gesetz geändert wird.

Abs.38

LB 3) Die Verwaltungsgerichte können selbst über die Vereinbarkeit von Regelungen einer Rechtsverordnung mit mit höherrangigem (Bundes-)Recht entscheiden.

Abs.45

LB 4) Ausnahmsweise kann die gesetzliche Grundlage einer Verordnungsbestimmung zum Gegenstand einer Vorlage nach Art.100 Abs.1 GG gemacht werden, obwohl für das Ausgangsverfahren nicht sie, sondern allein das auf ihr beruhende Verordnungsrecht unmittelbar entscheidungserheblich ist. Die Zulässigkeit einer solchen Vorlage wegen mittelbarer Entscheidungserheblichkeit ist für den Fall anerkannt worden, dass die vorgelegte Norm zwar nicht selbst unmittelbar Rechtsgrundlage für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens ist, dass ihre verfassungsrechtliche Bewertung aber zugleich über die Verfassungsmäßigkeit der unmittelbar maßgeblichen Rechtsgrundlage entscheide.

* * *

T-05-18Vorlagepflicht für formelle Gesetze

35

"a) Die in Art.100 Abs.1 GG, § 80 BVerfGG geregelte Vorlagepflicht besteht nur dann, wenn es sich bei der zur Nachprüfung gestellten entscheidungserheblichen Norm um ein formelles Gesetz handelt (vgl.BVerfGE 1,184 <201>; 1,202 <206>; 1,261 <262>; 17,208 <209 f.>; 48,40 <44 f.>; 71, 305 <337 f.>). Auch Vorschriften des Landesrechts können dem Bundesverfassungsgericht nur dann zur Entscheidung vorgelegt werden, wenn es sich um förmliche Gesetze handelt (vgl BVerfGE_1,283 <292>; BVerfGE_17,208 <210>). Die insoweit beim Bundesverfassungsgericht konzentrierte ausschließliche Zuständigkeit hat ihren tragenden Grund in der Achtung vor der gesetzgeberischen Gewalt, über deren Willen sich nicht jedes Gericht soll hinwegsetzen dürfen (vgl BVerfGE_48,40 <44 f>; BVerfGE_97,117 <122>). Dies gilt nicht in gleicher Weise für Normen im Rang unter dem förmlichen Gesetz.

36

Anders als bei förmlichen Gesetzen besteht zudem bei der Nachprüfung von Rechtsverordnungen durch einzelne Gerichte unter der Geltung des Grundgesetzes auch nicht die Gefahr der Rechtsunsicherheit oder Rechtszersplitterung. Die Normenkontrolle nach Art.93 Abs.1 Nr.2 GG bietet der jeweiligen Landesregierung insoweit hinreichende Möglichkeiten, um bei allen Rechtsverordnungen von Bedeutung rechtzeitig eine allgemein verbindliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeizuführen (vgl.BVerfGE 1,184 <199>). Die verfassungsrechtliche Nachprüfung von Rechtsverordnungen obliegt daher in Fällen ihrer Entscheidungserheblichkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedem Richter (BVerfGE_1,184 <195>; BVerfGE_17,208 <210>; BVerfGE_48,40 <45>).

37

Angesichts der umfangreichen Zuständigkeiten des Bundesverfassungsgerichts entspricht dies auch dem Gebot, die Tätigkeit des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen der Normenkontrolle zu beschränken (vgl BVerfGE_1,184 <200 f.>). Hält ein Gericht eine Norm, auf deren Gültigkeit es bei seiner Entscheidung ankommt, für unvereinbar mit höherrangigem Recht, darf es das Bundesverfassungsgericht nach Art.100 Abs.1 GG nur anrufen, wenn seine eigene Prüfungszuständigkeit nicht ausreicht, um diese Norm für die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits außer Acht zu lassen (vgl BVerfGE_10,124 <127>).

38

b) Daran fehlt es hier. Das vorlegende Gericht kann über die Vereinbarkeit des § 12a NW BVO mit höherrangigem (Bundes-)Recht selbst entscheiden. Die Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist deshalb unzulässig.

39

aa) § 12a NW BVO ist als im parlamentarischen Verfahren (vgl Art.II Abs.8 des Haushaltssicherungsgesetzes vom 17.Dezember 1998 - GV.NW S.757) geschaffenes Verordnungsrecht zu qualifizieren. Werden - wie hier - Verordnungen durch förmliche Gesetze geändert oder ergänzt, so könnte dies zu einem missverständlichen, irreführenden Normgebilde führen, dessen Bezeichnung (Verordnung) und Kennzeichnung als Normsetzung auf Grund einer Ermächtigung (Art.80 Abs.1 S.3 GG) zu ihrem tatsächlichen Rang (förmliches Gesetz) und den davon abhängigen Rechtsfolgen im Widerspruch stünde. Gälte der Inhalt einer durch förmliches Gesetz veränderten Verordnung, soweit die entsprechenden Änderungen reichen, im Gesetzesrang, so wäre aus einem solchen bereinigten Normtext nicht mehr zu erkennen, welche Teile davon Verordnungsrecht geblieben und welche durch Änderungsgesetze vom Gesetzgeber erlassen worden sind. Der Rechtscharakter der einzelnen Normteile wäre nur noch mit Rückgriff auf die Gesetzgebungsmaterialien oder auf die verkündeten Fassungen von Änderungsnormen erkennbar. Auf die Auskünfte in der Überschrift und den einleitenden Worten, die auf eine genau bezeichnete Ermächtigungsgrundlage Bezug nehmen (Art.80 Abs.1 S.3 GG), wäre kein Verlass mehr; der wirkliche Status der einzelnen Bestimmungen könnte nur mit erheblichem Aufwand ermittelt werden.

40

Ein solcher Rechtszustand wäre mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar. Dass zur Normenklarheit auch Normenwahrheit gehört (BVerfGE_108,1 <20>), wirkt sich hier denkbar einfach aus: Überschrift und Einleitung eines Regelungswerkes müssen auch nach zahlreichen Änderungen noch halten, was sie versprechen. Eine Norm darf die von ihr Betroffenen nicht im Unklaren darüber lassen, welchen Rang sie hat und wie gegen sie effektiver Rechtsschutz zu suchen ist - sei es auf einem direkt auf die Kontrolle der Norm gerichteten Rechtsweg oder durch eine indirekte Anfechtung im Zusammenhang mit einem Rechtsmittel gegen einen Vollzugsakt (vgl Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13.September 2005 - 2 BvF 2/03 -, zu C.II.2.b)).

41

Die aufgezeigten Schwierigkeiten vermeidet nur eine Lösung, die einerseits der geänderten Verordnung einen einheitlichen Rang zuweist und andererseits sicherstellt, dass der Gesetzgeber von dieser Praxis nur in den generellen Grenzen einer Verordnungsermächtigung Gebrauch macht. Ändert das Parlament wegen des sachlichen Zusammenhangs eines Reformvorhabens bestehende Verordnungen oder fügt es in diese neue Regelungen ein, so ist das dadurch entstandene Normgebilde aus Gründen der Normenklarheit insgesamt als Verordnung zu qualifizieren (vgl Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13.September 2005 - 2 BvF 2/03 -, zu C.II.2.b) cc)).

42

bb) Gleichviel, ob die Verordnung als Ganzes oder einzelne ihrer Teile angegriffen werden und ob ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht im Verfahren der Normenkontrolle oder als Vorfrage der Prüfung einer Normanwendung zu beurteilen ist, dürfen weder die Wahl des zutreffenden Rechtsweges noch die Prüfungskompetenz des angerufenen Gerichts oder der anzuwendende Prüfungsmaßstab davon abhängen, ob Änderungen im parlamentarischen Verfahren vorgenommen wurden. Die Verordnung und alle ihre Teile stehen zur Prüfung durch jedes damit befasste Gericht. Diese erstreckt sich nicht nur auf die Einhaltung der Ermächtigungsgrundlage; sie kann zur Beanstandung der Verordnung durch das befasste Gericht selbst führen. Art.100 Abs.1 GG ist nicht anwendbar; eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht ist unzulässig (vgl Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13.September 2005 - 2 BvF 2/03 -, zu C.II.2.c) cc)).

43

cc) Demgegenüber kann das vorlegende Gericht mit seinem Einwand, der Landesgesetzgeber habe die Änderungen der Beihilfeverordnung, namentlich wegen ihrer haushaltsrechtlichen Relevanz, ausdrücklich als Gesetz gewollt, nicht durchdringen. Nach dem Grundgedanken des Art.100 GG ist es zwar Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, zu verhüten, dass jedes einzelne Gericht sich über den Willen des Bundes- oder Landesgesetzgebers hinwegsetzt, indem es von diesen beschlossene Gesetze nicht anwendet, weil sie nach Auffassung des Gerichts mit höherrangigem Recht unvereinbar sind (vgl BVerfGE_1,184 <197>). Die Art.100 GG zu Grunde liegende Intention, die Autorität des (nach-)konstitutionellen Gesetzgebers zu wahren (vgl BVerfGE_97,117 <122> ), kommt aber dann nicht zum Tragen, wenn sich der Gesetzgeber auf die Ebene der Verordnung begibt. Dies wird besonders sinnfällig, wenn - wie hier - der Gesetzgeber selbst, zumal in Kenntnis der Bedeutung der Regelung für den Haushalt, die Rückkehr zum einheitlichen Verordnungsrang mittels einer Entsteinerungsklausel angeordnet hat und damit zu erkennen gibt, dass er die getroffene Regelung in den Verantwortungsbereich der Exekutive entlässt. Auch vom Standpunkt des (Landes-) Gesetzgebers sind deshalb keine Gründe ersichtlich, den von ihm eingefügten Verordnungsteil nicht wie eine Rechtsverordnung zu behandeln (vgl. hierzu auch BVerwGE 117,313 <320>).

44

dd) Der (Landes-)Gesetzgeber wird durch die hier getroffene Beurteilung nicht über Gebühr belastet. Will er den Schutz des Art.100 Abs.1 GG in Anspruch nehmen und verhindern, dass sich einzelne Gerichte über seinen Willen hinwegsetzen, so steht es ihm frei, ein formelles (Parlaments-)Gesetz zu erlassen, das sich nicht auf die Ebene der Verordnung begibt. Anderenfalls kann er den Schutz des Art.100 Abs.1 GG nicht beanspruchen und muss möglicherweise eine (vorübergehende) Rechtszersplitterung in Kauf nehmen (vgl Külpmann, Änderungen von Rechtsverordnungen durch den Gesetzgeber, NJW 2002, S.3436 <3440>). Er ist aber auch dann nicht schutzlos gestellt. Jedenfalls kann die Landesregierung gemäß Art.93 Abs.1 Nr.2 GG, § 76 Abs.1 Nr.2 BVerfGG für den Fall, dass die Verwaltungsgerichte entsprechende Verordnungsbestimmungen unangewendet lassen, einen Normenkontrollantrag beim Bundesverfassungsgericht stellen. Aus dem Umstand, dass das Land Nordrhein-Westfalen von der in § 47 Abs.1 Nr.2 VwGO enthaltenen Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht hat, ist zu schließen, dass der Landesgesetzgeber eine Inzidentkontrolle von Landesrechtsverordnungen durch seine Verwaltungsgerichte grundsätzlich als ausreichend ansieht und Entscheidungen mit Wirkung inter omnes auf Landesebene nicht für geboten erachtet. Das vorlegende Verwaltungsgericht kann daher selbst über die Vereinbarkeit von § 12a NW BVO mit höherrangigem (Bundes-)Recht entscheiden.

45

Die Vorlage ist ferner auch nicht unter dem Gesichtspunkt mittelbarer Entscheidungserheblichkeit als zulässig anzusehen.

46

a) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass unter Umständen die gesetzliche Grundlage einer Verordnungsbestimmung zum Gegenstand einer Vorlage nach Art.100 Abs.1 GG gemacht werden kann, obwohl für das Ausgangsverfahren nicht sie, sondern allein das auf ihr beruhende Verordnungsrecht unmittelbar entscheidungserheblich ist. Die Zulässigkeit einer solchen Vorlage wegen mittelbarer Entscheidungserheblichkeit ist für den Fall anerkannt worden, dass die vorgelegte Norm zwar nicht selbst unmittelbar Rechtsgrundlage für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens ist, dass ihre verfassungsrechtliche Bewertung aber zugleich über die Verfassungsmäßigkeit der unmittelbar maßgeblichen Rechtsgrundlage entscheidet (vgl BVerfGE_20,296 <303>; BVerfGE_32,346 <358> und BVerfGE_48,29 <35 ff.> für den Fall, dass das unmittelbar entscheidungserhebliche Verordnungsrecht auf einer zur Nachprüfung gestellten gesetzlichen Ermächtigung beruht; BVerfGE_30,227 <240 f.>; BVerfGE_32,260 <266 f> für den Fall, dass das unmittelbar entscheidungserhebliche Verordnungsrecht nur den wesentlichen Inhalt der zur Nachprüfung gestellten Gesetzesnorm wiederholt; siehe auch BVerfGE_75,166 <175>).

47

b) Eine Zulässigkeit der Vorlage nach diesen Grundsätzen kommt hier nicht in Betracht. Gegenstand der Vorlage ist nach dem ausdrücklichen Inhalt des Vorlagebeschlusses die unmittelbar entscheidungserhebliche Verordnungsbestimmung des § 12a NW BVO, nicht § 88 Satz 5 LBG NW als die dazugehörige gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Die Voraussetzungen einer mittelbaren Entscheidungserheblichkeit des § 88 Satz 5 LBG NW sind vorliegend nicht erfüllt. Weder entspricht § 12a NW BVO wörtlich dem die Ermächtigungsgrundlage dieser Regelung bildenden § 88 Satz 5 LBG noch gibt § 12a NW BVO lediglich dessen wesentlichen Inhalt wieder. Eine mittelbare Erheblichkeit dieser Vorschrift des Landesbeamtengesetzes hat das Verwaltungsgericht auch nicht vorgetragen. Vor allem hat es sich nicht grundsätzlich gegen jedwede in § 88 Satz 5 LBG angeordnete "vertretbare Selbstbeteiligung", sondern nur gegen deren konkrete Ausgestaltung gewandt.

48

3. Unzulässig ist die Vorlage - ungeachtet des auch insoweit unzulässigen Vorlagegegenstandes - schließlich auch im Hinblick auf die im Beschluss vom 10.Februar 2004 vorgenommene Ergänzung. Es fehlt hier nicht nur an einer Begründung überhaupt, sondern auch an der Vorlageberechtigung. Bei Kollegialgerichten ist grundsätzlich nur das Gericht in seiner vollen Besetzung zur Vorlage berechtigt (vgl BVerfGE_1,80 <81 f.>; BVerfGE_29,178 <179>; BVerfGE_34,52 <57>). Hier hat die Kammer jedoch lediglich in der Besetzung mit drei Berufsrichtern - also ohne die zu einer vollständigen Kammerbesetzung gehörenden ehrenamtlichen Richter (vgl § 5 Abs.3 Satz 1 VwGO) - entschieden.

 

Auszug aus BVerfG B, 27.09.05, - 2_BvL_11/02 -, www.BVerfG.de,  Abs.35 ff

§§§

05.042 Altersversorgung-Beamte
 
  1. BVerfG,     U, 27.09.05,     – 2_BvR_1387/02 –

  2. BVerfGE_114,258 = www.BVerfG.de

  3. GG_Art.3 Abs.1, GG_Art.20, GG_Art.33 Abs.5

T-05-19

1) Es existiert kein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums, der den Gesetzgeber verpflichtete, bei Anpassungen der Bezüge eine strikte Parallelität der Besoldungs- und Versorgungsentwicklung zu gewährleisten.

Abs.105

2) Auch gibt es keinen hergebrachten Grundsatz, wonach der Höchstversorgungssatz mindestens 75 vH der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge betragen müsste.

Abs.121

3) Im Beamtenrecht ist das Bemühen, Ausgaben zu sparen, in aller Regel für sich genommen keine ausreichende Legitimation für eine Kürzung der Altersversorgung.

Abs.131

4) Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung können zur Bestimmung der Amtsangemessenheit der Versorgungsbezüge und zur Rechtfertigung von deren Absenkung nur herangezogen werden, soweit dies mit den strukturellen Unterschieden der Versorgungssysteme vereinbar ist.

Abs.80

LB 5) Zur Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz.

Abs.88

LB 6) Zum Subsidiaritätsgrundsatz der Verfassungsbeschwerde.

Abs.94

LB 7) Zur Verfassungsmäßigkeit des § 69e BeamtVG.

Abs.112

LB 8) Zu den Plichten des Dienstherrn, die aus dem Alimentationsprinzip folgen.

Abs.140

LB 9) Zur Änderung der Versorgung und dem Gleichheitssatz.

Abs.150

LB 10) Zur Änderung der Versorgung und dem Rückwirkungsverbot.

* * *

T-05-19Verfassungsbeschwerde gegen Gesetz

69

"Die Verfassungsbeschwerde ist lediglich insoweit zulässig, als die Beschwerdeführer die Verfassungswidrigkeit von Art.1 Nr.48 VersÄndG 2001 rügen.

70

Art.1 Nr.48 und Art.11 Nr.1 a) VersÄndG 2001 sind geeignet, die Beschwerdeführer in ihren Rechten aus Art.33 Abs.5 GG, Art.20 Abs.3 GG und Art.3 Abs.1 GG zu beeinträchtigen; durch diese Bestimmungen wird ihr Versorgungsniveau gesenkt, und sie werden von der staatlichen Förderung einer privaten Altersvorsorge ausgeschlossen. Hinsichtlich Art.8 Nr.2 b) und c) VersÄndG 2001 sind die Beschwerdeführer jedoch nicht beschwerdebefugt. (Abs.70)

71

1. Die Beschwerdebefugnis setzt voraus, dass sich aus dem Vortrag des Beschwerdeführers mit hinreichender Deutlichkeit die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung ergibt (vgl BVerfGE_65,227 <232 f>; BVerfGE_78,320 <329>; BVerfGE_89,155 <171> ). Er muss einen Sachverhalt darlegen, nach dem es jedenfalls möglich ist, dass er durch die angegriffenen Vorschriften in einem beschwerdefähigen Recht beeinträchtigt ist (vgl BVerfGE_64,367 <375>). Die als verfassungswidrig gerügte Rechtsnorm muss nach Struktur und Inhalt geeignet sein, eine grundrechtlich geschützte Position des Beschwerdeführers zu seinem Nachteil zu verändern (vgl BVerfGE_40,141 <156>).

72

2. Hieran fehlt es bezüglich Art.8 Nr.2 b) und c) VersÄndG 2001.

73

a) Mit ihrer Rüge, die Versorgungsrücklage bewirke eine im Vergleich zum Rentenrecht stärkere Reduzierung des Lebenseinkommens, haben die Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Verletzung ihrer Rechte aus Art.33 Abs.5 GG nicht dargelegt. Denn die Rücklage als solche ist - mit Ausnahme der Anordnung ihrer vorübergehenden Aussetzung in Art.8 Nr.2 c) VersÄndG 2001 - nicht Gegenstand des Versorgungsänderungsgesetzes 2001.

74

b) Auch soweit sich die Beschwerdeführer gegen die durch Art.8 Nr.2 b) VersÄndG 2001 bewirkte Verlängerung des Zeitraums bis 2017 wenden, in dem die Erhöhungen der Bezüge gedämpft werden sollen, lässt ihre Verfassungsbeschwerde nicht die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten erkennen. Die von dieser Änderung betroffene Vorschrift des § 14a Abs.2 Satz 1 BBesG begründet keine Rechtsfolgen und ist deshalb nicht geeignet, die Rechtsposition der Beschwerdeführer zu beeinträchtigen.

75

§ 14a Abs.2 Satz 1 BBesG bestimmt zwar, dass die Anpassungen der Bezüge nach § 14 BBesG in der Zeit vom 1.Januar 1999 bis zum 31.Dezember 2017 gemäß § 14a Abs.1 Satz 2 BBesG vermindert werden. Da aber die Besoldung und die Versorgung einschließlich ihrer jeweiligen Anpassung gemäß § 2 Abs.1, § 14 Abs.1 BBesG und § 3 Abs.1, § 70 Abs.1 BeamtVG der Regelung durch ein Bundesgesetz bedürfen, das - wegen des lex-posterior-Grundsatzes - gegenüber § 14a Abs.2 Satz 1 in Verbindung mit Abs.1 Satz 2 BBesG stets vorrangig ist, hat diese Vorschrift lediglich Programmcharakter (vgl BVerwGE 117,305 <311 f.>). Ihr Bestand allein hat keine Auswirkungen auf die Beamtenbesoldung und -versorgung. Sie kann vor allem nicht zu deren Verminderung führen, da bereits der Zeitpunkt der Absenkungsstufen nicht bestimmt ist.

76

Diese Feststellung lässt sich nicht mit dem Argument entkräften, die Möglichkeit der Änderung einer gesetzlichen Vorschrift bestehe immer und sei deshalb nicht geeignet, die Bindungswirkung einer Norm in Frage zu stellen. Soweit § 14a BBesG die Minderung der Besoldungs- und Versorgungserhöhungen anordnet, zeichnet er sich durch die Besonderheit aus, dass die Geltung der Vorschrift nicht lediglich unter dem Vorbehalt einer möglichen, wenn auch ungewissen zukünftigen Modifikation steht. Vielmehr bedarf die in § 14a BBesG angesprochene Versorgungsrücklage wegen § 2 Abs.1, § 14 Abs.1 BBesG und § 3 Abs.1, § 70 Abs.1 BeamtVG zwingend der Umsetzung und Inkraftsetzung durch ein nachfolgendes Gesetz, für das § 14a Abs.1 Satz 2 und Abs.2 Satz 1 BBesG lediglich programmatische Vorgaben und eine vorweggenommene Begründung für eine gegebenenfalls hinter den Tarifabschlüssen im öffentlichen Dienst zurückbleibende Anpassung der Bezüge enthält.

77

c) Die durch Art.8 Nr.2 c) VersÄndG 2001 eingefügte Vorschrift des § 14a Abs.2a Satz 1 BBesG bestimmt, dass die auf den 31.Dezember 2002 folgenden acht allgemeinen Anpassungen der Besoldung abweichend von § 14a Abs.2 Satz 1 BBesG nicht vermindert werden. Hat aber bereits die Festlegung der Minderung lediglich programmatischen Charakter, so gilt dies ebenso für deren Aussetzung, die im Übrigen die Beschwerdeführer eher begünstigen als belasten würde. (Abs.77)

78

d) Schließlich ist auch hinsichtlich der in § 14a Abs.2a Satz 2 BBesG enthaltenen Anordnung, dass die auf vorangegangenen Anpassungen beruhenden weiteren Zuführungen an die Versorgungsrücklagen von der Aussetzung der Minderungen durch § 14a Abs.2a Satz 1 BBesG unberührt bleiben, die Möglichkeit einer Verletzung der Rechte der Beschwerdeführer nicht ersichtlich. Zwar ist § 14a Abs.2a Satz 2 BBesG - anders als Abs.1 Satz 2, Abs.2 Satz 1 und Abs.2a Satz 1 der Vorschrift - rechtlich bindend. Adressaten der Anordnung sind jedoch nicht die Beamten, sondern der Bund und die Länder. Der Regelung kommt eine klarstellende Funktion dergestalt zu, dass diese durch die Aussetzung der Minderung nicht zur Auflösung der nach § 14a Abs.1 Satz 1 BBesG gebildeten Sondervermögen berechtigt sind und dass die bisher erzielten Einsparungen auch während der Aussetzung den Versorgungsrücklagen zugeführt werden.

79

Die Rechtsstellung der Beschwerdeführer ist hiervon nicht betroffen. Rechtsgrund dafür, dass ihre Bezüge weiterhin hinter denjenigen zurückbleiben, die sich bei einer uneingeschränkten Übernahme der Tarifabschlüsse ergeben hätten, ist nicht § 14a Abs.2a Satz 2 BBesG. Die Differenz beruht vielmehr ausschließlich auf den verminderten Anpassungen in Art.1 BBVAnpG 99 und Art.1 BBVAnpG 2000. Ein Wegfall von § 14a Abs.2a BBesG ließe die Situation der Beschwerdeführer unberührt. Er führte allein dazu, dass die Einsparungen in die allgemeinen Haushalte des Bundes und der Länder statt in das Sondervermögen flössen.

80

Die Beschwerdeführer sind durch die Vorschriften des Art.1 Nr.48 und Art.11 Nr.1 a) VersÄndG 2001 als Adressaten selbst und auch gegenwärtig betroffen.

81

1. Gegenwärtig ist die Betroffenheit, wenn die angegriffene Vorschrift auf die Rechtsstellung des Beschwerdeführers aktuell und nicht nur potentiell einwirkt, wenn das Gesetz die Normadressaten mit Blick auf seine künftig eintretende Wirkung zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen zwingt oder wenn klar abzusehen ist, dass und wie der Beschwerdeführer in der Zukunft von der Regelung betroffen sein wird (vgl BVerfGE_97,157 <164>; BVerfGE_102,197 <207>). Allein die vage Aussicht, dass er irgendwann einmal in der Zukunft von der beanstandeten Gesetzesvorschrift betroffen sein könnte, genügt hingegen nicht (vgl BVerfGE_1,97 <102>; BVerfGE_43,291 <385 f>; BVerfGE_60,360 <371>; BVerfGE_74,297 <319>).

82

2. Die in § 69e Abs.3 und 4 BeamtVG (Art.1 Nr.48 VersÄndG 2001) angeordnete Verminderung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge erfolgt nicht bereits mit dem Inkrafttreten der Vorschrift am 1.Januar 2002, sondern erst mit den auf den 31.Dezember 2002 folgenden Anpassungen nach § 70 BeamtVG und damit nach Ablauf der Jahresfrist des § 93 Abs.3 BVerfGG. Sie wirkt folglich nicht aktuell auf die Rechtsstellung der Beschwerdeführer ein. Dies steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde jedoch nicht entgegen. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführer gezwungen sind, irreversible Dispositionen zu tätigen. Denn die Betroffenheit ist auch dann gegenwärtig, wenn die angegriffene Norm materielle Rechtswirkungen zwar erst in der Zukunft erzeugen wird, der Adressatenkreis der Vorschrift aber feststeht und klar abzusehen ist, in welcher Weise die Beschwerdeführer betroffen werden (vgl BVerfGE_74,297 <319 f.>; BVerfGE_97,157 <164>; BVerfGE_101,54 <74>; BVerfGE_102,197 <207>). So liegt der Fall hier.

83

a) § 69e BeamtVG erfasst alle am 1.Januar 2002 vorhandenen Pensionäre sowie die ab diesem Zeitpunkt in den Ruhestand tretenden Beamten. Das Gesetz richtet sich demnach an einen wenn auch zahlenmäßig großen, so doch eindeutig abgrenzbaren Personenkreis.

84

b) Der Zeitpunkt der Betroffenheit der Beschwerdeführer ist abzusehen. Die Minderung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge nach § 69e Abs.3 BeamtVG und des Ruhegehaltssatzes nach § 69e Abs.4 BeamtVG setzt zwar Anpassungen der Bezüge nach § 70 BeamtVG voraus. Diesbezüglich enthält § 70 Abs.1 BeamtVG in Verbindung mit § 14 Abs.1 BBesG keine zeitlichen Vorgaben. Allerdings sind in der Vergangenheit die Bezüge fast ausnahmslos jährlich erhöht worden. Von einer weiterhin jährlichen Anpassung geht auch die Begründung des Entwurfs zum Versorgungsänderungsgesetz 2001 aus, wenn darin ausgeführt wird, die Aussetzung der Versorgungsrücklage nach § 14a BBesG - die gleichfalls an die nachfolgenden acht allgemeinen Anpassungen anknüpft - erfolge voraussichtlich bis 2010 (BTDrucks 14/7064, S.31). Nach dem Inkrafttreten des § 69e BeamtVG wurde die Anhebung der Bezüge im Jahresrhythmus durch das Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004 fortgesetzt; es sah für das Jahr 2004 sogar eine zweifache Erhöhung vor. Wenn auch innerhalb der Frist des § 93 Abs.3 BVerfGG nicht der exakte Zeitpunkt des Eintritts der Rechtswirkungen der angegriffenen Norm feststand, so war doch hinreichend gewiss, dass es in absehbarer Zeit zu einer Absenkung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge kommen würde.

85

c) Des Weiteren ist der Umfang der Betroffenheit der Beschwerdeführer bestimmbar. In der Sache macht es keinen Unterschied, ob - wie in § 69e Abs.3 BeamtVG angeordnet - zunächst die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge und erst bei der achten Anpassung gemäß § 69e Abs.4 BeamtVG der Ruhegehaltssatz oder von vornherein letzterer mit dem jeweiligen Anpassungsfaktor multipliziert wird. Folglich stand bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 fest, dass der Ruhegehaltssatz der Beschwerdeführerin zu 1. mit der ersten Anpassung auf 62,01 vH und bis zur achten Anpassung schrittweise auf 59,65 vH absinken wird. Der Ruhegehaltssatz des Beschwerdeführers zu 2. wird nach der ersten Anpassung 65,23 vH und nach der achten Anpassung 62,75 vH, der des Beschwerdeführers zu 3. 74,59 vH und 71,75 vH betragen.

86

3. Die Änderung des § 10a Abs.1 Satz 1 Nr.1 EStG (Art.11 Nr.1 a) VersÄndG 2001) trat zum 1.Januar 2002 in Kraft. Seit diesem Zeitpunkt kommen Besoldungs-, nicht aber Ruhegehaltsempfänger in den Genuss der staatlichen Förderung einer privaten Altersvorsorge. Die angegriffene Regelung wirkt daher aktuell auf die Rechtsstellung der Beschwerdeführer ein.

87

"Die Beschwerdeführer sind nicht gehalten, die Verfassungsmäßigkeit des Art.1 Nr.48 VersÄndG 2001 zunächst im fachgerichtlichen Verfahren überprüfen zu lassen. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde jedoch gegen Art.11 Nr.1 a) VersÄndG 2001 wendet, ist sie aus Subsidiaritätsgründen unzulässig.

88

1. Der Grundsatz der Subsidiarität erfordert, dass ein Beschwerdeführer über das Gebot der Rechtswegerschöpfung im engeren Sinne hinaus die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl BVerfGE_74,102 <113>; BVerfGE_77,381 <401>; BVerfGE_81,22 <27>). Der Subsidiaritätsgrundsatz soll vor allem gewährleisten, dass dem Bundesverfassungsgericht infolge der fachgerichtlichen Vorprüfung der Beschwerdepunkte ein bereits eingehend geprüftes Tatsachenmaterial vorliegt und ihm auch die Fallanschauung und die Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch die sachnäheren Fachgerichte vermittelt werden (vgl BVerfGE_79,1 <20>; BVerfGE_86,382 <386 f>).

89

Das ist vor allem dort von Bedeutung, wo die Beurteilung der mit der Verfassungsbeschwerde erhobenen Rügen die Prüfung tatsächlicher und einfachrechtlicher Fragen voraussetzt, für die das Verfahren vor den Fachgerichten besser geeignet ist. Das Bundesverfassungsgericht soll nicht genötigt werden, auf ungesicherter Grundlage weit reichende Entscheidungen zu erlassen (vgl BVerfGE_74,102 <113 f>; BVerfGE_77,381 <401>; BVerfGE_86,15 <27>; BVerfGE_102,197 <207> ). Auch soll es nicht Aussagen über den Inhalt einer einfachgesetzlichen Regelung treffen müssen, solange sich hierzu noch keine gefestigte Rechtsprechung der Fachgerichte entwickelt hat (vgl BVerfGE_86,15 <27>).

90

Eine vorherige Anrufung der Fachgerichte ist jedoch nur dann geboten, wenn hiervon eine Vertiefung oder Verbreiterung des tatsächlichen und rechtlichen Materials zu erwarten ist, das für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes von Bedeutung sein kann. Eine Verweisung auf die Inanspruchnahme fachgerichtlichen Rechtsschutzes kommt deshalb nicht in Betracht, wenn von der vorherigen Durchführung eines Gerichtsverfahrens weder die Klärung von Tatsachen noch die Klärung von einfachrechtlichen Fragen zu erwarten ist, auf die das Bundesverfassungsgericht bei der Entscheidung der verfassungsrechtlichen Fragen angewiesen wäre, sondern deren Beantwortung allein von der Auslegung und Anwendung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe abhängt (vgl BVerfGE_88,384 <400>; BVerfGE_91,294 <306>; BVerfGE_98,218 <244>).

91

2. a) Danach können die Beschwerdeführer hinsichtlich Art.1 Nr.48 VersÄndG 2001 nicht auf die vorherige Anrufung der Verwaltungsgerichte verwiesen werden. Für den Umfang und die Art ihrer Betroffenheit kommt es auf keine weitere einfachgesetzliche Vorschrift als die des § 69e Abs.3 und 4 BeamtVG an. In Anbetracht des eindeutigen Wortlauts der Norm entfällt die Möglichkeit einer ihnen günstigeren Auslegung. Zugleich hat die angegriffene Regelung auf andere Rechtsgebiete keine Auswirkungen, die die Verfassungsmäßigkeit beeinflussen könnten. Damit beantwortet sich die Frage, ob die Absenkung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge und des Ruhegehaltssatzes mit Art.33 Abs.5 GG vereinbar ist, allein nach verfassungsrechtlichen Kriterien.

92

b) Hinsichtlich Art.11 Nr.1 a) VersÄndG 2001 ist die Verfassungsbeschwerde jedoch unzulässig. Insoweit setzt die Beurteilung der mit ihr erhobenen Rügen auch die Prüfung tatsächlicher Fragen voraus. Sie erfordert daher die vorrangige Inanspruchnahme fachgerichtlichen Rechtsschutzes. Dort wird vor allem zu klären sein, inwiefern die Möglichkeit des Abschlusses eines ergänzenden privaten Versorgungsvertrags für Bestandspensionäre überhaupt relevant ist. Insoweit ist zu beachten, dass diese vor der Wahl stehen, entweder eine künftige Absenkung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge und des Ruhegehaltssatzes zu akzeptieren - wobei eine Vermutung dafür spricht, dass hiermit keine betragsmäßige Verringerung der Pensionen einhergehen wird - oder einen Teil ihres Einkommens zum Aufbau einer ergänzenden Altersvorsorge zu verwenden und dadurch schon jetzt den zur freien Verfügung stehenden Teil ihrer Bezüge zu verringern. Für diesen Fall müssten sie für mehrere Jahre ein Einkommen hinnehmen, das dem von ihnen als zu gering gerügten entspräche oder dieses sogar unterschritte.

93

Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Art.1 Nr.48 VersÄndG 2001 verstößt weder gegen hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums noch gegen Art.3 Abs.1 GG. Auch hat der Gesetzgeber die ihm durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes gezogenen Grenzen nicht überschritten.

94

§ 69e BeamtVG verletzt die Beschwerdeführer nicht in ihren Rechten aus Art.33 Abs.5 GG.

95

1. Dass sich die Bezüge der aktiven und der sich im Ruhestand befindenden Beamten auf Grund § 69e BeamtVG unterschiedlich entwickeln, begegnet hinsichtlich Art.33 Abs.5 GG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Es existiert kein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums, der den Gesetzgeber verpflichtete, bei Anpassungen der Bezüge eine strikte Parallelität der Besoldungs- und Versorgungsentwicklung zu gewährleisten (vgl BVerfGE_2,64 <67>; Beschluss der 1.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 2.Juni 2001 - 2 BvR 571/00 -, NVwZ 2001, S.1393 <1394>).

96

a) Mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art.33 Abs.5 GG ist der Kernbestand von Strukturprinzipien gemeint, die allgemein oder doch ganz überwiegend während eines längeren, traditionsbildenden Zeitraums, mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind (vgl BVerfGE_8,332 <342 f>; BVerfGE_106,225 <232>; stRspr).

97

b) Das Beamtenrecht der Weimarer Zeit kannte keine allgemein anerkannte Regel des Inhalts, dass sich die Anpassung der Ruhegehälter stets parallel zu derjenigen der Aktivenbezüge zu vollziehen hätte. So bestimmte beispielsweise der auch zu Zeiten der Weimarer Republik geltende § 10 des Preußischen Pensionsgesetzes vom 27.März 1872 (Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten - Gesetzsamml.S.268), dass sich das Ruhegehalt nach den zuletzt gewährten Dienstbezügen bemaß. Änderungen in den Pensions- und Besoldungssätzen konnten grundsätzlich nicht zugunsten der Altpensionäre berücksichtigt werden (vgl. Brand, Das Beamtenrecht, 3.Aufl., 1928, S.311; Fischbach, Bundesbeamtengesetz, 1.Halbband, 3.Aufl., 1964, S.780 f).

98

Allerdings verfolgte der Gesetzgeber auch gegenüber den Ruhegehaltsempfängern den Grundsatz, den Versorgungsanspruch so zu regeln, dass er unter Berücksichtigung der sich wandelnden Verhältnisse jeweils einen angemessenen Lebensunterhalt sicherte (vgl BVerfGE_8,1 <20> ). Dies führte in der Zeit der Hyperinflation dazu, dass die Anpassungen der Besoldung und der Versorgung weitgehend parallel erfolgten. Dieser Gleichlauf war jedoch nicht umfassend. So erhielten die aktiven Beamten in Preußen gemäß § 19 Abs.1 des Gesetzes betreffend das Diensteinkommen der unmittelbaren Staatsbeamten - Beamten-Diensteinkommensgesetz - vom 7.Mai 1920 (Gesetzsamml.S.191; im Folgenden: BDEG) einen Ausgleichszuschlag. Den nach dem Inkrafttreten des Beamten-Diensteinkommensgesetzes in den Ruhestand versetzten Beamten wurde gemäß § 19 Abs.2 Satz 1 BDEG ein Zuschlag in Höhe der Hälfte des Betrags gezahlt, den sie zu dem zuletzt bezogenen Diensteinkommen als Ausgleich erhalten hätten. Nach dem zeitgleich mit dem Beamten-Diensteinkommensgesetz in Kraft getretenen Gesetz betreffend die anderweitige Regelung der Versorgungsbezüge der zum 1.April 1920 oder zu einem früheren Zeitpunkt in den Ruhestand versetzten unmittelbaren Staatsbeamten, deren Hinterbliebenen und der Hinterbliebenen der vor dem 1.April 1920 verstorbenen Beamten vom 7.Mai 1920 (Gesetzsamml. S.260; im Folgenden: Beamten-Altruhegehaltsgesetz) waren die Ruhegehälter der zum 1.April 1919 bis einschließlich 1.April 1920 in den Ruhestand versetzten Beamten auf den Betrag neu festzusetzen, der sich ergeben hätte, wenn der Betroffene nach den am 1.April 1920 geltenden Vorschriften besoldet gewesen und in den Ruhestand versetzt worden wäre. Die vor dem 1.April 1919 pensionierten Beamten erhielten hingegen gemäß § 4 Abs.1 Beamten-Altruhegehaltsgesetz nur einen Zuschlag in Höhe von 50 vH des Differenzbetrags zwischen ihrem bisherigen und dem Ruhegehalt, das sich ohne Berücksichtigung des Ausgleichszuschlags ergeben hätte, wenn sie nach den am 1.April 1920 geltenden Vorschriften besoldet gewesen und in den Ruhestand versetzt worden wären.

99

Eine weitere Neuregelung erfuhr das Besoldungsrecht durch das Gesetz über das Diensteinkommen der unmittelbaren Staatsbeamten - Beamten-Diensteinkommensgesetz - vom 17.Dezember 1920 (Gesetzsamml.1921 S.135), das rückwirkend zum 1.April 1920 in Kraft trat. Wie schon die Vorgängerregelungen ordnete es an, dass der Berechnung des Ruhegehalts das auf Grund des Beamten-Diensteinkommensgesetzes zuletzt bezogene Diensteinkommen zugrunde zu legen war. Den - nunmehr in § 18 BDEG geregelten - Ausgleichszuschlag für aktive Beamte zur Anpassung an die Veränderungen in der allgemeinen Wirtschaftslage setzte das Gesetz auf 50 vH fest. Zugleich bestimmte es, dass die Ruhegehaltsempfänger einen Versorgungszuschlag erhielten. Dieser wurde von den Ruhegehaltsbezügen in derselben Art und in demselben Verhältnis berechnet wie der Ausgleichszuschlag gleichartiger im Dienste befindlicher Beamten von deren Grundgehalt. Gemäß § 23 Abs.4 BDEG war der Versorgungszuschlag bei einer späteren Änderung des Ausgleichszuschlags für aktive Beamte für die Ruhegehaltsempfänger entsprechend neu zu berechnen. Das ebenfalls zum 1.April 1920 in Kraft getretene Beamten-Altruhegehaltsgesetz vom 17.Dezember 1920 (Gesetzsamml.1921, S.214) ordnete die Neufestsetzung des Ruhegehalts der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes in den Ruhestand versetzten Beamten auf den Betrag an, der sich ergeben hätte, wenn der Beamte bei seinem Ausscheiden nach den am 1.April 1920 geltenden Vorschriften besoldet gewesen und pensioniert worden wäre. Auch der Versorgungszuschlag des § 23 BDEG berechnete sich nach diesem Stichtag.

100

In Folge der starken Inflation wechselten sich hernach die Erhöhungen der Zuschläge und die Anpassungen der Besoldungsordnung in immer kürzeren Abständen ab. Die Bestandspensionäre wurden entweder - bezüglich der Zuschläge - durch die dynamische Verweisung in § 23 BDEG oder - hinsichtlich der Neufassungen der Besoldungsordnung - durch die jeweilige Anordnung der Neufestsetzung der Versorgungsbezüge in den Anstieg der Besoldung einbezogen. Die so neu berechneten Versorgungsbezüge der Landesbeamten durften jedoch die Pensionen der Reichsbeamten nicht übersteigen.

101

Eine vollständige Parallelität der Erhöhung gab es erstmals mit der Verordnung über Änderungen der Dienst- und Versorgungsbezüge der unmittelbaren Staatsbeamten vom 17.April 1924 (Gesetzsamml.S.469). Jedoch wurden Pensionäre auch dann nicht automatisch besser gestellt, sondern es bedurfte einer besonderen Anordnung, auf die sie wiederum keinen Anspruch hatten (vgl Brand, aaO, S.311). Bereits drei Jahre später differenzierte das Gesetz über die Dienstbezüge der unmittelbaren Staatsbeamten - Preußisches Besoldungsgesetz - vom 17.Dezember 1927 (Gesetzsamml.S.223) bei der Erhöhung der Bezüge zwischen den aktiven Beamten und den Ruhegehaltsempfängern, die keine Neufestsetzung, sondern lediglich einen degressiv gestaffelten Vomhundertsatz des ruhegehaltfähigen Diensteinkommens als Zuschlag erhielten.

102

In der Folgezeit kam es zu keinen weiteren Erhöhungen der Besoldung. Stattdessen wurden die Bezüge der aktiven und der sich im Ruhestand befindenden Beamten in mehreren Verordnungen des Reichspräsidenten gekürzt. Die Verringerung erfolgte jedoch nicht immer einheitlich. Wurden die Besoldung und die Versorgung in den Verordnungen des Reichspräsidenten vom 1.Dezember 1930 (RGBl I S.517) und 5.Juni 1931 (RGBl I S.279) noch in gleicher Höhe vermindert, so sah die Verordnung vom 6.Oktober 1931 (RGBl I S.537) lediglich eine Kürzung der über 75 vH hinausgehenden Ruhegehaltssätze auf 75 vH vor. Zum Ausgleich fiel die Reduzierung der Pensionen in der Verordnung vom 8.Dezember 1931 (RGBl I S.699) geringer aus als die der Aktivenbezüge. Der in der Preußischen Verordnung zur Sicherung des Haushalts vom 8.Juni 1932 (Gesetzsamml.S.199) angeordnete Einbehalt in Höhe von 2,5 vH umfasste wiederum einheitlich Besoldungs- und Versorgungsbezüge.

103

Auch aus den damaligen "Grundsätzliche(n) Forderungen des Deutschen Beamtenbundes" (abgedruckt bei Völter, in: Gerloff, Die Beamtenbesoldung im modernen Staat, Erster Teil, 1932, S. 99 ff <100>), worin die Übertragung jeder Änderung des Einkommens der aktiven Beamten auf das Ruhegehalt gefordert wurde, ergibt sich, dass das Beamtenrecht der Weimarer Republik den Grundsatz einer notwendig parallelen Anpassung der Bezüge nicht kannte.

104

Der Grundsatz, dass sich die Versorgung allein nach dem bei Eintritt in den Ruhestand erdienten Gehaltsanspruch bemisst, wurde erst durch § 86 Abs.2 BBG vom 14.Juli 1953 (BGBl I S.551) und § 50 Abs.2 BRRG vom 1.Juli 1957 (BGBl I S.667) zugunsten des - einfachgesetzlichen - Grundsatzes aufgegeben, dass sich künftig auch die Versorgungsbezüge jeweils nach den allgemeinen Veränderungen der Dienstbezüge errechnen sollten (vgl BVerfGE_44,227 <235>).

105

2. Des Weiteren gibt es keinen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums, wonach der Höchstversorgungssatz mindestens 75 vH der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge betragen müsse.

106

a) Allerdings sahen die Beamtengesetze der Weimarer Zeit einen Versorgungshöchstsatz von 75 vH vor; teilweise galt sogar ein höherer Vomhundertsatz. So setzte beispielsweise § 41 Reichsbeamtengesetz in der Fassung des Art.2 Abschnitt III der neunten Ergänzung des Besoldungsgesetzes vom 18.Juni 1923 (RGBl I S.385) den Höchstsatz auf 80 vH fest. Dem Schutz des Art.33 Abs.5 GG unterfällt jedoch nicht jede einfachgesetzliche Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses, sondern nur der überlieferte Kernbestand von Strukturprinzipien (vgl BVerfGE_43,242 <278>; BVerfGE_106,225 <232> ; stRspr). Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers wird nur durch solche hergebrachten Regelungen beschränkt, die das Bild des Beamtentums in seiner überkommenen Gestalt und Funktion so prägen, dass ihre Beseitigung auch das Wesen des Beamtentums antasten würde (vgl Maunz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art.33 Rn.53; Kunig, in: v Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd.2, 4./5. Aufl., 2001, Art.33 Rn.62).

107

b) Der hergebrachte Grundsatz der Beamtenversorgung, nach dem unter Wahrung des Leistungsprinzips und Anerkennung aller Beförderungen das Ruhegehalt aus dem letzten Amt zu berechnen ist, prägt das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis des Beamten und gehört zu den Grundlagen, auf denen die Einrichtung des Berufsbeamtentums ruht (BVerfGE 11,203 ). Zu den vom Gesetzgeber zu beachtenden Grundsätzen zählt daher, dass das Ruhegehalt anhand der Dienstbezüge des letzten vom Beamten bekleideten Amts zu berechnen ist (vgl BVerfGE_61,43 <57 f.>). Das gleichfalls Art.33 Abs.5 GG unterfallende Leistungsprinzip verlangt darüber hinaus, dass sich die Länge der aktiven Dienstzeit in der Höhe der Versorgungsbezüge niederschlägt (vgl BVerfGE_76,256 <322>). Art.33 Abs.5 GG erfordert mithin, dass die Ruhegehaltsbezüge sowohl das zuletzt bezogene Diensteinkommen als auch die Zahl der Dienstjahre widerspiegeln.

108

c) Daraus folgt jedoch nicht, dass auch sämtliche Berechnungsgrundlagen an dem vorstehend skizzierten Schutz des Art.33 Abs.5 GG teilhaben (vgl BVerfGE_4,219 <243>; BVerfGE_16,94 <112>; BVerfGE_21,329 <344>). So gibt es beispielsweise keinen hergebrachten Grundsatz, dass alle Teile der Amtsbezüge ruhegehaltfähig sein müssen (vgl BVerfGE_44,227 <244 f.>).

109

Bei der Ausgestaltung des Versorgungshöchstsatzes handelt es sich um eine Detailregelung, die keinen zwingenden Bezug zur Amtsangemessenheit der Alimentation aufweist. Für diese sind vielmehr die Nettobezüge maßgeblich (vgl BVerfGE_44,249 <266>; BVerfGE_81,363 <376>; BVerfGE_99,300 <315>), mithin das, was sich der Beamte von seinem Ruhegehalt leisten kann (vgl BVerfGE_44,249 <266 f.>; BVerfGE_56,353 <361 f.>). Der Versorgungssatz ist hierfür nur ein Berechnungsfaktor, dessen Absenkung nicht zwangsläufig Einfluss auf den dem Beamten ausgezahlten Betrag hat. So kann eine Verminderung des Ruhegehaltssatzes beispielsweise durch eine geringere Besteuerung oder dadurch ausgeglichen werden, dass Zulagen verstärkt ruhegehaltfähig gestellt werden.

110

Die Praxis der Jahre 1920 bis 1923 sowie 1926, in denen den Ruhegehaltsempfängern Zuschläge gezahlt wurden, bezeugt, dass auch unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung der an den Beamten ausgezahlte Betrag, nicht aber dessen Berechnungsgrundlage für die Frage der amtsangemessenen Versorgung bestimmend war. Den Bezügen lagen zwar noch die Zahl der ruhegehaltfähigen Dienstjahre und der danach errechnete Vomhundertsatz zugrunde. Es kamen aber Zuschläge hinzu, weil andernfalls eine amtsangemessene Alimentation der Beamten nicht zu gewährleisten war. Umgekehrt mussten die Ruhegehaltsempfänger in den Jahren 1930 bis 1932 Abschläge hinnehmen, obwohl diese Kürzungen - vor allem nach der Reduzierung durch die Verordnungen vom 6.Oktober und 8.Dezember 1931 und mit dem in der Verordnung vom 8.Juni 1932 angeordneten Einbehalt - dazu führten, dass sie nicht mehr 75 vH ihrer letzten Dienstbezüge erhielten. Auch das steht der Annahme eines hergebrachten Grundsatzes, wie ihn die Beschwerdeführer behaupten, entgegen.

111

3. Art.1 Nr.48 VersÄndG 2001 greift nicht in den Kernbestand des Alimentationsprinzips ein. Die verfassungsrechtlich gebotene Mindestalimentation wird durch § 69e BeamtVG nicht unterschritten.

112

a) Das Alimentationsprinzip gehört zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (vgl BVerfGE_8,1 <14,16 ff.>; BVerfGE_99,300 <314>; stRspr). Es verpflichtet den Dienstherrn, den Beamten und seine Familie lebenslang angemessen zu alimentieren und ihm nach seinem Dienstrang, nach der mit seinem Amt verbundenen Verantwortung und nach Maßgabe der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren (vgl BVerfGE_8,1 <14>; BVerfGE_107,218 <237>; stRspr). Der Beamte muss über ein Nettoeinkommen verfügen, das seine rechtliche und wirtschaftliche Sicherheit und Unabhängigkeit gewährleistet und ihm über die Befriedigung der Grundbedürfnisse hinaus ein Minimum an Lebenskomfort ermöglicht (vgl BVerfGE_44,249 <265 f.>; BVerfGE_99,300 <315>; BVerfGE_107,218 <237> ; BVerfGK 2,64 <68>). Hierbei hat der Besoldungsgesetzgeber auch die Attraktivität des Beamtenverhältnisses für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte, das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft, die vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung und seine Beanspruchung zu berücksichtigen (vgl BVerfGE_44,249 <265 f>).

113

Die Besoldung des Beamten stellt kein Entgelt für bestimmte Dienstleistungen dar, sondern ist eine Gegenleistung des Dienstherrn dafür, dass sich der Beamte ihm mit seiner ganzen Persönlichkeit zur Verfügung stellt und gemäß den jeweiligen Anforderungen seine Dienstpflicht nach Kräften erfüllt. Sie bildet die Voraussetzung dafür, dass sich der Beamte ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf widmen und zur Erfüllung der dem Berufsbeamtentum vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe beitragen kann, eine stabile und gesetzestreue Verwaltung zu sichern und damit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften zu bilden (vgl BVerfGE_7,155 <162>; BVerfGE_21,329 <345>; BVerfGE_56,146 <162>; BVerfGE_99,300 <315>; BVerfGE_107,218 <237> ). Die Sicherung eines angemessenen Lebensunterhalts - zu der auch die Versorgung des Beamten nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst zählt (vgl BVerfGE_11,203 <210>; BVerfGE_39,196 <200 f>; BVerfGE_44,249 <265>) - ist deshalb ein besonders wesentlicher Grundsatz, zu dessen Beachtung der Gesetzgeber verpflichtet ist (vgl BVerfGE_8,1 <16>; BVerfGE_11,203 <210>; BVerfGE_61,43 <57 f.>).

114

Bei der Konkretisierung der aus Art.33 Abs.5 GG resultierenden Pflicht zur amtsangemessenen Alimentierung hat der Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum (vgl BVerfGE_8,1 <22 f>; BVerfGE_76,256 <295>; BVerfGE_81,363 <375 f>; stRspr). Die Alimentation ist ein Maßstabsbegriff, der nicht statisch, sondern entsprechend den jeweiligen Zeitverhältnissen zu konkretisieren ist. Die einfachgesetzliche Verpflichtung in § 14 BBesG und § 70 Abs.1 BeamtVG, die Bezüge der Beamten durch eine Erhöhung oder auch eine Verminderung der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anzupassen, stellt sich damit als Konkretisierung des Alimentationsgrundsatzes aus Art.33 Abs.5 GG dar (vgl BVerfGE_56,353 <361> ). Hiermit korrespondiert, dass der Beamte grundsätzlich keinen Anspruch darauf hat, dass ihm die für die Bemessung der Bezüge maßgeblichen Regelungen, unter denen er in das Beamten- und Ruhestandsverhältnis eingetreten ist, unverändert erhalten bleiben. Art.33 Abs.5 GG garantiert vor allem nicht die unverminderte Höhe der Bezüge. Der Gesetzgeber darf sie vielmehr kürzen, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist (vgl BVerfGE_8,1 <12 ff>; BVerfGE_18,159 <166 f>; BVerfGE_70,69 <79 f>; 76,256 <310>; Beschluss der 3.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15.Juli 1999 - 2 BvR 544/97 -, NVwZ 1999, S.1328 <1329>). Das kann vor allem dann der Fall sein, wenn er mit der Neufestsetzung der Bezüge oder der Umgestaltung ihrer Berechnungsgrundlage unerwünschte Vergünstigungen abbaut (vgl BVerfGE_76,256 <311> ) oder der Änderung solcher Umstände Rechnung trägt, die auch für die Bemessung der Amtsangemessenheit der Alimentation maßgeblich sind.

115

Allerdings hat der Gesetzgeber auch hierbei das Alimentationsprinzip zu beachten, das nicht nur Grundlage, sondern auch Grenze der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist; insoweit wird sein Entscheidungsspielraum eingeengt (vgl BVerfGE_61,43 <57>; 76,256 <298,310> ; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15.Juli 1999 - 2 BvR 544/97 -, NVwZ 1999, S.1328 <1329>). Dem Beamten steht, wenn auch nicht hinsichtlich der Höhe und der sonstigen Modalitäten, so doch hinsichtlich des Kernbestands seines Anspruchs auf standesgemäßen Unterhalt ein durch seine Dienstleistung erworbenes Recht zu, das durch Art.33 Abs.5 GG ebenso gesichert ist wie das Eigentum durch Art.14 GG (vgl BVerfGE_16,94 <112 f, 115>; BVerfGE_39,196 <200>).

116

b) Die durch Art.1 Nr.48 VersÄndG 2001 eingefügte Norm des § 69e Abs.3 und 4 BeamtVG bewirkt eine dauerhafte Verringerung des Pensionsniveaus und damit eine Kürzung, die der sachlichen Rechtfertigung bedarf.

117

Die Vorschrift senkt den Versorgungsstandard, indem sie die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge und den Versorgungssatz vermindert. In den vergangenen Jahren wurden die Bezüge durch die Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetze stets nur der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse angeglichen (vgl BTDrucks 12/732, S.1 und 23; 12/3629, S.1 und 25; 12/5472, S.1; 12/7706, S.1 und 23; 13/2210, S.1 und 22; 13/5983, S.1 und 7; 13/10722, S.1 und 7; 14/1088, S.1 und 9; 14/5198, S.9; 15/1186, S.1 und 64). Dies lässt erwarten, dass die Anpassungen auch in den kommenden Jahren nur diese Entwicklung nachvollziehen, jedoch nicht darüber hinausgehen werden. Eine Abflachung des Anstiegs der Versorgungsbezüge - wie sie § 69e BeamtVG bewirkt - führt daher voraussichtlich dazu, dass diese hinter der Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Umstände zurückbleiben werden, auch wenn sie betragsmäßig weiter ansteigen. Ein Zurückbleiben hinter der allgemeinen Entwicklung bedeutet eine relative Verringerung des Lebensstandards des Versorgungsempfängers, das Absenken des Versorgungsniveaus mithin eine Kürzung seiner Bezüge.

118

Dem entspricht auch der Zweck des § 69e BeamtVG, der die Staatsausgaben senken soll. Eine solche Ersparnis des Staates erfordert spiegelbildlich eine Kürzung der Bezüge des Beamten. Der Betrag der Ersparnis ergibt sich aus der Differenz der Bezüge, die der Beamte unter Zugrundelegung seines festgesetzten Ruhegehaltssatzes erhält, und denen, die sich nach Maßgabe des Vomhundertsatzes errechnen, den § 69e Abs.3 und 4 BeamtVG festlegt. Auch dies verdeutlicht, dass Art.1 Nr.48 VersÄndG 2001 eine Absenkung der Versorgungsbezüge bewirkt.

119

Dass hier eine Kürzung erfolgt, könnte darüber hinaus nur durch die Annahme in Frage gestellt werden, künftige Änderungen würden weiterhin zu einer betragsmäßigen Anhebung der Bezüge führen, die Einkommen der Pensionäre mithin trotz § 69e BeamtVG künftig weiter steigen. Diese Vermutung findet ihre Grundlage aber allein in den bisherigen Anpassungsgesetzen, nicht jedoch in der vorgenannten Vorschrift. Diese knüpft die Absenkung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge und des Ruhegehaltssatzes nicht an die Anhebung der Bezüge, sondern an die Anpassung nach § 70 BeamtVG. Gemäß § 70 Abs.1 BeamtVG können die Dienstbezüge jedoch sowohl erhöht als auch vermindert werden. Im Falle einer Kürzung aber verringert § 69e Abs.3 und 4 BeamtVG das Einkommen stärker als das entsprechende Anpassungsgesetz allein.

120

c) Die absehbare Verringerung des Versorgungsniveaus ist im Hinblick auf die Entwicklung des Alterseinkommens der Rentner, nicht jedoch wegen des Anstiegs der Versorgungsausgaben gerechtfertigt. Die Reform der Beamtenversorgung geht zwar über die Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung durch die Rentenreform 2001 hinaus. Sie hält sich aber noch in den Grenzen des gesetzgeberischen Beurteilungsspielraums.

121

aa) Die steigenden Ausgaben der Beamtenversorgung, mit denen der Gesetzgeber die Absenkung des Versorgungsniveaus begründet hat (vgl BTDrucks 14/7064, S.30), stellen keinen sachlichen Grund für die Verminderung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge und des Versorgungssatzes dar.

122

(1) Im Beamtenrecht können finanzielle Erwägungen und das Bemühen, Ausgaben zu sparen, in aller Regel für sich genommen nicht als ausreichende Legitimation für eine Kürzung der Altersversorgung angesehen werden. Die vom Dienstherrn geschuldete Alimentierung ist keine dem Umfang nach beliebig variable Größe, die sich einfach nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten der öffentlichen Hand, nach politischen Dringlichkeitsbewertungen oder nach dem Umfang der Bemühungen um die Verwirklichung des allgemeinen Sozialstaatsprinzips bemessen lässt (vgl BVerfGE_44,249 <264>; BVerfGE_99, 300 <320>). Alimentation des Beamten und seiner Familie ist etwas anderes und Eindeutigeres als staatliche Hilfe zur Erhaltung eines Mindestmaßes sozialer Sicherung und eines sozialen Standards für alle und findet seinen Rechtsgrund nicht im Sozialstaatsprinzip, sondern in Art.33 Abs.5 GG (vgl BVerfGE_44,249 <264 f>; BVerfGE_81,363 <378>). Zu den finanziellen Erwägungen müssen deshalb in aller Regel weitere Gründe hinzukommen, die im Bereich des Systems der Altersversorgung liegen und die Kürzung von Versorgungsbezügen als sachlich gerechtfertigt erscheinen lassen (vgl BVerfGE_76,256 <311>).

123

(2) Derartige systemimmanente Gründe können beispielsweise darin bestehen, dass das Versorgungsrecht - wie insbesondere vor der Linearisierung des Steigerungssatzes - Frühpensionierungen dadurch begünstigt, dass der Höchstruhegehaltssatz bereits mehrere Jahre vor der gesetzlichen Altersgrenze erreicht wird. Die mit einem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand verbundenen Belastungen der Staatsfinanzen rechtfertigen Einschnitte in die Beamtenversorgung mit dem Ziel, das tatsächliche Pensionierungsalter anzuheben. Hingegen können die wachsende Nachfrage staatlicher Leistungen und die Belastungen, die durch die Aufstockung der Zahl der Beamten verursacht werden, für sich genommen eine Absenkung des Versorgungsniveaus zur Einsparung staatlicher Ausgaben nicht rechtfertigen.

124

Die Begründung zum Versorgungsänderungsgesetz 2001 verweist neben der Ausweitung des Personalbestands in den 60er und 70er Jahren auf den Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung sowie die hohe Zahl von Frühpensionierungen und damit auf die Laufzeit der Versorgungsleistungen (BTDrucks 14/7064, S.30). Dies kann der Gesetzgeber lediglich insoweit beeinflussen, als er Anreize für eine Frühpensionierung verringert und die Zusatzkosten eines vorzeitigen Übertritts in den Ruhestand dadurch individualisiert, dass er die Pension des betroffenen Beamten um einen Abschlag kürzt. Eine vollständige Kostenneutralität lässt sich hierdurch jedoch nicht herstellen. (Abs.124)

125

Vor diesem Hintergrund ist die Inanspruchnahme auch der Beamten für die durch das Anwachsen des Versorgungszeitraums bedingten Mehrkosten grundsätzlich nicht sachfremd. Jeder Beamte kann in die Situation einer vorzeitigen Pensionierung kommen. Zugleich profitiert jeder Beamte davon, dass der Gesetzgeber auf die längere Lebenserwartung nicht durch eine Anhebung der Altersgrenze reagiert. Damit erscheint es grundsätzlich nicht unbillig, diese Umstände bei der Bemessung des Umfangs der Alimentation zu berücksichtigen. Da jedoch diese Gesichtspunkte die Beamtenschaft insgesamt betreffen, weisen sie keinen spezifischen Bezug zum System der Altersversorgung auf und rechtfertigen deshalb nicht die Inanspruchnahme allein der Versorgungsempfänger.

126

bb) Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung und die diesen zu Grunde liegenden Entwicklungen können Anlass bieten, sie in der Beamtenversorgung systemkonform nachzuführen. Die Berücksichtigungsfähigkeit von Einschnitten in die Alterseinkünfte der Rentner beruht auf der herausragenden Bedeutung der Einkommen der privatrechtlich beschäftigten Arbeitnehmer für die verfassungsrechtlich gebotene Alimentierung. Mit der Übertragung der Rentenreform 2001 hat sich der Gesetzgeber folglich an Umständen orientiert, die für die Bemessung der Amtsangemessenheit der Alimentation von Bedeutung sind.

127

(1) Dem (Netto-)Einkommensniveau der privatrechtlich beschäftigten Arbeitnehmer, vor allem der Angestellten des öffentlichen Dienstes, kommt eine besondere Bedeutung für die Bestimmung der Wertigkeit des Amtes und damit der Angemessenheit der Besoldung zu.

128

Die Angemessenheit der Alimentation bestimmt sich maßgeblich nach innerdienstlichen, unmittelbar auf das Amt bezogenen Kriterien wie dem Dienstrang, der mit dem Amt verbundenen Verantwortung und der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit. Durch das Gebot, bei der Besoldung dem Dienstrang des Beamten Rechnung zu tragen, soll - dem Leistungsgrundsatz des Art.33 Abs.2 GG folgend (vgl BVerfGE_61,43 <57 f>) - einerseits sichergestellt werden, dass die Bezüge entsprechend der unterschiedlichen Wertigkeit der Ämter abgestuft sind. In dieser Hinsicht bestimmt sich die Amtsangemessenheit im Verhältnis zur Besoldung und Versorgung anderer Beamtengruppen. Andererseits kommt darin zum Ausdruck, dass jedem Amt eine Wertigkeit immanent ist, die sich in der Besoldungshöhe widerspiegeln muss. Diese Wertigkeit wird durch die Verantwortung des Amtes und die Inanspruchnahme des Amtsinhabers bestimmt (vgl BVerfGE_44,249 <265>).

129

Bezugsrahmen für die betragsmäßige Konkretisierung dieses abstrakten Wertes der vom Beamten erbrachten Leistung sind die Einkommen der Arbeitnehmer mit vergleichbarer Ausbildung und Tätigkeit, vor allem des öffentlichen Dienstes. Die Bereitschaft des Beamten, sich mit ganzem Einsatz seinem Dienst zu widmen, und seine Immunität gegenüber politischer und finanzieller Einflussnahme durch Dritte hängen nicht zuletzt davon ab, dass die von ihm geleisteten Dienste adäquat gewürdigt werden. Maßstab hierfür wie auch für das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft sind nicht zuletzt die Einkünfte, die er mit seinen Fähigkeiten und Kenntnissen erzielt, im Vergleich zu den Einkommen ähnlich ausgebildeter Arbeitnehmer mit vergleichbarer beruflicher Verantwortung. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber das Beamtenverhältnis für qualifizierte Kräfte anziehend ausgestalten muss (vgl BVerfGE_44,249 <265>). Dies setzt auch voraus, dass der öffentliche Dienst mit Konditionen wirbt, die insgesamt einem Vergleich mit denen der privaten Wirtschaft standhalten können. Denn die Alimentation dient nicht allein dem Lebensunterhalt des Beamten, sie hat zugleich eine qualitätssichernde Funktion.

130

(2) Hinsichtlich der Versorgungsempfänger kann der Besoldungsgesetzgeber im Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise davon ausgehen, dass der finanzielle Bedarf des Ruhestandsbeamten geringer ist als derjenige des aktiven Beamten (vgl BGHZ_21,248 <252>). Damit scheidet auch das Einkommen aktiver privatrechtlich beschäftigter Arbeitnehmer als Bezugspunkt zur Bestimmung der amtsangemessenen Versorgung aus. Die Orientierung an den Einkommensverhältnissen der Rentenempfänger liegt hingegen in der Konsequenz der Fortsetzung der Bedeutung der Einkommen der Angestellten für die Beurteilung der Amtsangemessenheit. (2) Hinsichtlich der Versorgungsempfänger kann der Besoldungsgesetzgeber im Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise davon ausgehen, dass der finanzielle Bedarf des Ruhestandsbeamten geringer ist als derjenige des aktiven Beamten (vgl BGHZ_21,248 <252>). Damit scheidet auch das Einkommen aktiver privatrechtlich beschäftigter Arbeitnehmer als Bezugspunkt zur Bestimmung der amtsangemessenen 1Z R Versorgung aus. Die Orientierung an den Einkommensverhältnissen der Rentenempfänger liegt hingegen in der Konsequenz der Fortsetzung der Bedeutung der Einkommen der Angestellten für die Beurteilung der Amtsangemessenheit. ]F3) 131 ]F3[ (a) Das System der gesetzlichen Rentenversicherung und dessen Veränderungen können allerdings nur insofern zur Bestimmung der Amtsangemessenheit der Versorgungsbezüge und zur Rechtfertigung von deren Absenkung herangezogen werden, als dies mit den strukturellen Unterschieden der Versorgungssysteme vereinbar ist. ]F4) 132 ]F4[ Ein wesentlicher Unterschied der gesetzlichen Rentenversicherung gegenüber der beamtenrechtlichen Altersversorgung besteht darin, dass die Sozialrente als Grundversorgung durch Zusatzleistungen ergänzt wird. Die Beamtenversorgung umfasst hingegen als Vollversorgung sowohl die Grund- als auch die Zusatzversorgung, wie sie durch die betriebliche Altersvorsorge erfolgt. Diese Doppelfunktion ist einerseits durch die Pflicht des Dienstherrn begründet, dem Beamten einen seinem Amt angemessenen Ruhestand zu ermöglichen. Andererseits ist sie Korrektiv dafür, dass dem Beamten weder individuell noch durch kollektive Maßnahmen eine ergänzende betriebliche Versorgungszusage ermöglicht wird. Zwischen der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung bestehen mithin strukturelle Unterschiede. Sie sind bei einem Vergleich der Systeme zu berücksichtigen. Das Versorgungsniveau von Mitgliedern der gesetzlichen Rentenversicherung bildet nur dann einen tauglichen Vergleichsmaßstab, wenn dabei neben der Rente auch Einkünfte aus einer betrieblichen Zusatzversorgung berücksichtigt werden.

131

(a) Das System der gesetzlichen Rentenversicherung und dessen Veränderungen können allerdings nur insofern zur Bestimmung der Amtsangemessenheit der Versorgungsbezüge und zur Rechtfertigung von deren Absenkung herangezogen werden, als dies mit den strukturellen Unterschieden der Versorgungssysteme vereinbar ist.

132

Ein wesentlicher Unterschied der gesetzlichen Rentenversicherung gegenüber der beamtenrechtlichen Altersversorgung besteht darin, dass die Sozialrente als Grundversorgung durch Zusatzleistungen ergänzt wird. Die Beamtenversorgung umfasst hingegen als Vollversorgung sowohl die Grund- als auch die Zusatzversorgung, wie sie durch die betriebliche Altersvorsorge erfolgt. Diese Doppelfunktion ist einerseits durch die Pflicht des Dienstherrn begründet, dem Beamten einen seinem Amt angemessenen Ruhestand zu ermöglichen. Andererseits ist sie Korrektiv dafür, dass dem Beamten weder individuell noch durch kollektive Maßnahmen eine ergänzende betriebliche Versorgungszusage ermöglicht wird. Zwischen der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung bestehen mithin strukturelle Unterschiede. Sie sind bei einem Vergleich der Systeme zu berücksichtigen. Das Versorgungsniveau von Mitgliedern der gesetzlichen Rentenversicherung bildet nur dann einen tauglichen Vergleichsmaßstab, wenn dabei neben der Rente auch Einkünfte aus einer betrieblichen Zusatzversorgung berücksichtigt werden.

133

(b) Soweit die Rentenreform des Jahres 2001 dazu führt, dass eine angemessene Altersversorgung nur mit Hilfe zusätzlicher, privater Altersvorsorge gesichert werden kann (vgl BTDrucks 14/4595, S.38), scheidet eine Übertragbarkeit auf das Versorgungsrecht aus.

134

Unabhängig von der Frage, ob und gegebenenfalls in welchen Grenzen ein entsprechender Übergang zu einem System, in dem Teile der Altersversorgung durch private Zusatzversicherung abgesichert sind, auch für den Bereich der Beamtenversorgung überhaupt ohne Verfassungsänderung möglich wäre, kann für die Bemessung der Bezüge beamteter Versorgungsempfänger jedenfalls gegenwärtig der Vergleich mit Rentenbezügen insoweit nicht maßgebend sein, als diese nur eine Teilversorgung im Rahmen eines mehrsäuligen Versorgungssystems darstellen. (Abs.134)

135

(c) Schließlich hat der Gesetzgeber zu beachten, dass der Leistungsgrundsatz des Art.33 Abs.2 GG und das aus Art.33 Abs. 5 GG folgende Gebot einer dem Amt angemessenen Alimentierung auch unter den Versorgungsempfängern eine Differenzierung der Höhe ihres Ruhegehalts nach der Wertigkeit des Amtes erfordern, das von ihnen zuletzt ausgeübt wurde. Auch nach einer Absenkung des Versorgungsniveaus muss deshalb ein hinreichender Abstand zur Mindestversorgung gewährleistet sein. Bliebe die Mindestversorgung nicht auf Ausnahmefälle beschränkt oder lägen die Bezüge ganzer Gruppen von Versorgungsempfängern nicht in nennenswertem Maße über der Mindestversorgung, so führte dies zu einer Nivellierung, die die Wertigkeit des Amtes nicht mehr hinreichend berücksichtigte.

136

cc) § 69e BeamtVG stellt keine wirkungsgleiche Übertragung der Rentenreform 2001 dar. Bei Erlass des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 ging der Gesetzgeber davon aus, die Anpassung in der gesetzlichen Rentenversicherung werde um 5 vH verringert werden. Die Absenkung des Versorgungsniveaus belaufe sich auf 4,33 vH, zu der die bereits nach § 14a BBesG erbrachte Versorgungsrücklage in Höhe von 0,6 vH hinzuzurechnen sei (vgl BTDrucks 14/7064, S.33 und 42). Unberücksichtigt blieb dabei, dass die gesetzliche Rente in vielen Fällen nur einen Teil der Altersversorgung ausmacht und dass die vorgenommenen Kürzungen zudem - jedenfalls teilweise - durch eine staatlich geförderte private Altersvorsorge kompensiert werden. Dementsprechend haben die in der mündlichen Verhandlung gehörten sachkundigen Dritten übereinstimmend ausgeführt, die Absenkung der Beamtenversorgung gehe über die der Rente hinaus.

137

Dennoch hat der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seines Entscheidungsspielraums noch nicht überschritten. Wegen der Unterschiedlichkeit der Versorgungssysteme, zumal der jeweils eigenständigen Berechnungsgrundlage der Renten und der Pensionen, können die Beschwerdeführer eine prozentual identische Angleichung nicht verlangen. Hinzu kommt, dass die finanziellen Auswirkungen der Reform der gesetzlichen Rentenversicherung bei Erlass des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 nicht feststanden, sondern sich lediglich anhand von Modellrechnungen abschätzen ließen (vgl Hain/Tautz, DRV 2001, S.359 <369>). Insbesondere wird die Höhe der Anpassungen der Rente von vorausgegangenen Beitragssatzänderungen bestimmt (vgl Hain/Tautz, aaO, S.359 <361>), deren Ausmaß nicht vorhersehbar ist. Darüber hinaus bestanden Unsicherheiten, anhand welchen Faktors das Absenkungsvolumen in der gesetzlichen Rentenversicherung zu bemessen sei (vgl die Ausführungen von Ruland in der 73.Sitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundestags vom 8.November 2001, Protokoll S.16).

138

Die Übertragung der erst künftigen Auswirkungen der Rentenreform auf die Beamtenversorgung erforderte deshalb eine prognostische Entscheidung des Gesetzgebers. Hiermit zwangsläufig verbundene Ungenauigkeiten und Abweichungen sind bei der Beurteilung des Gestaltungsspielraums und der Amtsangemessenheit der Versorgungsbezüge zu berücksichtigen. Eine von Anbeginn bestehende Deckungsgleichheit der Veränderungen in den Versorgungssystemen ist deshalb nicht Voraussetzung der Verfassungsmäßigkeit des gesetzgeberischen Handelns. Dem Besoldungsgesetzgeber ist darüber hinaus zuzugestehen, zunächst die Auswirkungen der Veränderungen abzuwarten. Andererseits ist er jedoch gehalten, bei einer nicht unerheblichen Abweichung der tatsächlichen von der prognostizierten Entwicklung Korrekturen an der Ausgestaltung der Bezüge vorzunehmen.

139

Dem hat der Gesetzgeber durch die ebenfalls mit dem Versorgungsänderungsgesetz 2001 eingefügte Vorschrift des § 14a Abs.5 BBesG Rechnung getragen. Danach sind vor der Wiederaufnahme der Versorgungsrücklage deren Auswirkungen unter Berücksichtigung der allgemeinen Entwicklung der Alterssicherungssysteme und der Situation in den öffentlich-rechtlichen Versorgungssystemen sowie der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse zu prüfen. Durch diese Revisionsklausel wurde die Möglichkeit geschaffen, festzustellen, ob die mit dem Versorgungsänderungsgesetz 2001 angestrebte wirkungsgleiche und systemgerechte Übertragung der Rentenreform erreicht wurde. Der Gesetzgeber ist folglich schon nach der Konzeption des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 (vgl BTDrucks 14/7064, S.51) verpflichtet, seine Prognose zu überprüfen und gegebenenfalls erforderliche Änderungen zu beschließen. Er hat hierdurch der Zweistufigkeit der Reform sowohl der Rentenversicherung als auch der Beamtenversorgung Rechnung getragen und sich die Möglichkeit offengehalten, Ungleichheiten in der ersten bei der Übertragung der zweiten Stufe auszugleichen.

140

Art.1 Nr.48 VersÄndG 2001 verstößt nicht gegen Art.3 Abs.1 GG.

141

1. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art.3 Abs.1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl BVerfGE 1,14 <52>; 98,365 <385> ; stRspr). Er ist verletzt, wenn ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung sich nicht finden lässt, sodass die Bestimmung als objektiv willkürlich bezeichnet werden muss (vgl BVerfGE 1,14 <52>; 103, 310 <318>; stRspr).

142

2. Art.1 Nr.48 VersÄndG 2001 bewirkt, dass aktive Beamte nur in Höhe der bislang angefallenen Versorgungsrücklage nach § 14a BBesG, Versorgungsempfänger hingegen zusätzlich durch die Absenkung des Versorgungsniveaus nach § 69e BeamtVG zur Verringerung des Anstiegs der Versorgungsausgaben finanziell belastet werden. Darin liegt eine Ungleichbehandlung.

143

Besoldung und Versorgung sind die einheitliche, schon bei Begründung des Beamtenverhältnisses garantierte Gegenleistung des Dienstherrn (vgl BVerfGE 21,329 <346>; 37,167 <179>; 39, 196 <202> ); sie sind Teilelemente des einheitlichen Tatbestands der Alimentation. Der Dienstherr ist gehalten, den Unterhalt des Beamten lebenslang - und damit auch nach Eintritt in den Ruhestand - zu garantieren (vgl BVerfGE 76,256 <298> ). Dieser Verpflichtung kommt er gegenwärtig durch Bereitstellung einer Vollversorgung nach. Der Beamte hat seine Altersversorgung und die seiner Hinterbliebenen nicht selbst zu veranlassen (vgl BVerfGE_39,196 <202>); stattdessen sind die Bruttobezüge der aktiven Beamten von vornherein - unter Berücksichtigung der künftigen Pensionsansprüche - niedriger festgesetzt (vgl BRDrucks 562/51, S.60; BVerfGE_54,11 <31 f.>; BVerfGE_105,73 <115,125>). (Abs.143)

144

Die Einheit von Besoldung und Versorgung hat zur Folge, dass es in rechtlicher Hinsicht keine "Versorgungslast" gibt. Diesem Begriff liegt die unzutreffende Annahme zugrunde, es lasse sich zwischen dem - im Vergleich zu einem Angestellten - preiswerteren aktiven Beamten, bei dem der Dienstherr nicht mit den Sozialabgaben belastet ist, und dem teureren Ruhestandsbeamten differenzieren, für den weiterhin der Dienstherr und nicht die Versorgungsanstalten des Bundes und der Länder und die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte aufkommen muss. Die Versorgung ist vielmehr die Fortsetzung der Besoldung (vgl BVerfGE_21,329 <346 f>).

145

3. Der Beamte hat kein Recht auf eine allgemeine, stets prozentual vollkommen gleiche und gleichzeitig wirksam werdende Besoldungs- und Versorgungsanpassung für alle Besoldungs- und Versorgungsempfänger. Verschiedene Besoldungsgruppen können deshalb ungleich behandelt werden, wenn es hierfür einen sachlichen Grund gibt (vgl.BVerfGE 56, 353 <362>; 61,43 <63> ; Beschluss der 1.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 2.Juni 2001 - 2 BvR 571/00 -, NVwZ 2001, S.1393 <1394>).

146

a) Daraus folgt zunächst, dass eine Heranziehung allein der Ruhestandsbeamten zur Absenkung der Personalkosten nicht mit dem zu erwartenden Anstieg der Ausgaben für Versorgungsempfänger sachlich gerechtfertigt werden kann.

147

b) Für eine Ungleichbehandlung kann gleichfalls nicht auf eine ansonsten doppelte Inanspruchnahme der aktiven Beamten verwiesen werden. Eine Doppelbelastung der aktiven Beamten hat der Gesetzgeber darin gesehen, dass sie neben den Verminderungen der Besoldungsanpassung auch durch eine private Altersvorsorge belastet würden (vgl BTDrucks 14/7064, S.50 f.). Nach der Gesetzesbegründung ist eine private Altersvorsorge für eine amtsangemessene Versorgung jedoch nicht erforderlich (vgl BTDrucks 14/7064, S.31). Hierauf geleistete Zahlungen stellen sich vor diesem Hintergrund als Geldanlagen dar, die zu tätigen der privaten Lebensplanung unterfällt. Ebenso wie nicht staatlich geförderte Anlageformen rechtfertigen sie es daher nicht, aktive Beamte im Gegensatz zu Versorgungsempfängern von als notwendig erachteten Sparmaßnahmen auszunehmen. b) Für eine Ungleichbehandlung kann gleichfalls nicht auf eine ansonsten doppelte Inanspruchnahme der aktiven Beamten verwiesen werden. Eine Doppelbelastung der aktiven Beamten hat der Gesetzgeber darin gesehen, dass sie neben den Verminderungen der Besoldungsanpassung auch durch eine private Altersvorsorge belastet würden (vgl BTDrucks 14/7064, S.50 f.). Nach der Gesetzesbegründung ist eine private Altersvorsorge für eine amtsangemessene Versorgung jedoch nicht erforderlich (vgl BTDrucks 14/7064, S.31). Hierauf geleistete Zahlungen stellen sich vor diesem $ç 5 Hintergrund als Geldanlagen dar, die zu tätigen der privaten Lebensplanung unterfällt. Ebenso wie nicht staatlich geförderte Anlageformen rechtfertigen sie es daher nicht, aktive Beamte im Gegensatz zu Versorgungsempfängern von als notwendig erachteten Sparmaßnahmen auszunehmen. ]G0) 148 ]G0[ c) Für die Anwendung des Gleichheitssatzes gelten jedoch die gleichen Maßstäbe wie bei der Überprüfung anhand des Kriteriums der amtsangemessenen Alimentation und der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (vgl BVerfGE 26,141 <159>; 49,260 <273> ; Beschluss der 3.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26.April 1995 - 2 BvR 794/91 ua -, NVwZ 1996, S.580). Die Übertragung der Rentenreform 2001 auf die Beamtenversorgung rechtfertigt deshalb auch im Lichte des Art.3 Abs.1 GG die Ungleichbehandlung der aktiven und der sich im Ruhestand befindenden Beamten. ]H1) 149 ]H1[ Art.1 Nr.48 VersÄndG 2001 verstößt weder gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot noch gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes.

148

c) Für die Anwendung des Gleichheitssatzes gelten jedoch die gleichen Maßstäbe wie bei der Überprüfung anhand des Kriteriums der amtsangemessenen Alimentation und der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (vgl BVerfGE 26,141 <159>; 49,260 <273> ; Beschluss der 3.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26.April 1995 - 2 BvR 794/91 ua -, NVwZ 1996, S.580). Die Übertragung der Rentenreform 2001 auf die Beamtenversorgung rechtfertigt deshalb auch im Lichte des Art.3 Abs.1 GG die Ungleichbehandlung der aktiven und der sich im Ruhestand befindenden Beamten.

149

Art.1 Nr.48 VersÄndG 2001 verstößt weder gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot noch gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes.

150

§ 69e BeamtVG stellt keine (echte) Rückwirkung in Form einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen dar.

151

1. Eine solche liegt vor, wenn der Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs einer Norm und der Eintritt ihrer Rechtsfolgen auf einen Zeitpunkt festgelegt sind, der vor demjenigen liegt, zu dem die Norm gültig geworden ist, sodass der Gesetzgeber nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift (vgl BVerfGE_30,367 <386 f>; BVerfGE_97,67 <78 f.>). Grundsätzlich erlaubt die Verfassung nur ein belastendes Gesetz, dessen Rechtsfolgen frühestens mit der Verkündung eintreten. Die Anordnung, eine Rechtsfolge solle bereits vorher eintreten, ist grundsätzlich unzulässig. Der Adressat einer belastenden Regelung kann in der Regel bis zum Zeitpunkt ihrer Verkündung darauf vertrauen, dass er nicht nachträglich einer bisher nicht geltenden Belastung unterworfen wird (vgl BVerfGE_72,200 <242,254>; BVerfGE_97,67 <78 f>).

152

Das Ruhegehalt der Beamten steht von vornherein unter dem Vorbehalt seiner Abänderbarkeit. Die Verringerung der Pensionsleistungen ist gesetzlich vorgesehen, mit dem Alimentationsprinzip vereinbar und unter Rückwirkungsgesichtspunkten (vgl BVerfGE_3,58 <160>) grundsätzlich zulässig.

153

2. § 69e BeamtVG verletzt die Beschwerdeführer nicht in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Vertrauen. Eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen findet nicht statt. Die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge und der Ruhegehaltssatz werden erst für die Zeit nach dem Inkrafttreten der Vorschrift abgesenkt. Die Regelung wirkt somit auf gegenwärtig noch nicht abgeschlossene Rechtsbeziehungen für die Zukunft in einer die Rechtsposition der Betroffenen verschlechternden Weise ein; es handelt sich daher um einen Fall der tatbestandlichen Rückanknüpfung (vgl BVerfGE 76,256 <346>).

154

Abzuwägen sind demnach die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der bestehenden Rechtslage. Hierbei ist einerseits das Rechtsstaatsprinzip zu beachten, welches auch die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf schützt. Andererseits besteht die unabdingbare Notwendigkeit, die Rechtsordnung ändern zu können, um den Staat handlungs- und die Rechtsordnung anpassungsfähig zu erhalten. Es muss dem Gesetzgeber daher grundsätzlich möglich sein, Normen zu erlassen, die an in der Vergangenheit liegende Tatbestände anknüpfen, und unter Änderung der künftigen Rechtsfolgen dieser Tatbestände auf veränderte Gegebenheiten zu reagieren (vgl BVerfGE_63,312 <331>; BVerfGE_70,69 <84>; BVerfGE_71,255 <272>; BVerfGE_72,200 <254>; BVerfGE_76,256 <347 f>).

155

Diese Grundsätze haben im Bereich der Beamtenversorgung und der Sozialversicherung besondere Bedeutung, weil dort die Beschäftigungsverhältnisse erst sehr viel später zu Leistungen führen und die Leistungsempfänger häufig Dispositionen mit langfristigen Auswirkungen treffen. Daher wird im Beamtenversorgungs- und Rentenversicherungsrecht besonderes Vertrauen auf den Fortbestand gesetzlicher Leistungsregelungen begründet. Hinzu kommt, dass Versorgungsempfänger und Rentner in der Regel schon deshalb ein hohes Interesse an der Beständigkeit der Rechtslage haben, weil gerade ältere Menschen bei deren Änderung leicht in eine Lage geraten können, die sie nur schwer oder überhaupt nicht aus eigener Kraft zu bewältigen vermögen. Je größer die insoweit bestehenden Gefahren sind, desto schutzwürdiger wird das betroffene Vertrauen und desto weniger darf es enttäuscht werden (vgl zB BVerfGE_40,65 <76>; BVerfGE_76,256 <348 f>).

156

Auf der anderen Seite muss der Gesetzgeber gerade auch bei notwendigerweise langfristig angelegten Alterssicherungssystemen die Möglichkeit haben, aus Gründen des Allgemeinwohls an früheren Entscheidungen nicht mehr festzuhalten und Neuregelungen zu treffen, die den gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Veränderungen sowie den damit verbundenen wechselnden Interessenlagen Rechnung tragen. Bei wesentlichen und grundlegenden Änderungen von Alterssicherungssystemen, vor allem wenn sie erhebliche Verschlechterungen für die Leistungsempfänger mit sich bringen, gilt dies jedenfalls insoweit, als gewichtige und bedeutende Gründe dafür vorhanden sind (vgl BVerfGE_24,220 <230>; BVerfGE_51,356 <363>; BVerfGE_63,152 <175>; BVerfGE_69,272 <309>).

157

3. Der Umfang der Absenkung des Versorgungsniveaus in Höhe von 5 vH innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren und der Umstand, dass die Verminderung voraussichtlich nicht mit einem betragsmäßigen Rückgang der Bezüge einhergehen wird, lassen erwarten, dass die Beschwerdeführer in der Lage sein werden, sich den veränderten Umständen anzupassen. Hinzu kommt, dass das sachlich gerechtfertigte Ziel des Gesetzgebers, die Rentenreform 2001 auf die Pensionen zu übertragen, von der Notwendigkeit unterstützt wird, das System der Beamtenversorgung langfristig zu sichern. Die Sanierung der Staatsfinanzen ist eine übergreifende und legitime Aufgabe des Gesetzgebers zugunsten des Staatsganzen (vgl BVerfGE_60,16 <43>; BVerfGE_72,175 <198>; BVerfGE_76,256 <357> ). Kann diese allein die Absenkung des Versorgungsniveaus nicht rechtfertigen, so handelt es sich hierbei dennoch um einen Belang, der bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen zu berücksichtigen ist. Insoweit bestätigt der Dritte Versorgungsbericht der Bundesregierung die Notwendigkeit von Einsparungen auch bei den Versorgungsempfängern und die Bedeutung der Verminderung des Versorgungsniveaus für eine nachhaltige Aufrechterhaltung der Altersversorgung der Beamten (vgl BTDrucks 15/5821, S.267 f.).

158

Die mit der Übertragung der Rentenreform auf die Beamtenversorgung verfolgten Anliegen überwiegen hier das schützenswerte Vertrauen der Beschwerdeführer in den Fortbestand der für die Berechnung ihrer Versorgungsbezüge maßgeblichen Faktoren."

 

Auszug aus BVerfG U, 27.09.05, - 2_BvR_1387/02 -, www.BVerfG.de,  Abs.69 ff

§§§

05.043 Zweitwohnsteuer
 
  1. BVerfG,     B, 11.10.05,     – 1_BvR_1232/00 –

  2. BVerfGE_114,316 = www.BVerfG.de

  3. GG_Art.6 Abs.1;

 

Die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer auf die Innehabung einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Wohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten, dessen eheliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befindet, diskriminiert die Ehe und verstößt gegen Art.6 Abs.1 GG.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

I. 1. § 1 Absatz 1 der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer der Landeshauptstadt Hannover vom 10.März 1994 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk Hannover vom 30.März 1994 Seite 187) ist insoweit mit Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, als nach § 1 Absatz 2 in Verbindung mit § 2 Absatz 1 Satz 2 der Satzung auch die Innehabung einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Wohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten, dessen eheliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befindet, besteuert wird.

2. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.April 2000 - BVerwG 11 C 12.99 (8 C 18.99) - verletzt den Beschwerdeführer zu 1 in seinem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben. Das Verfahren wird an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen.

3. Die Bundesrepublik Deutschland und die Landeshauptstadt Hannover haben dem Beschwerdeführer zu 1 seine notwendigen Auslagen je zur Hälfte zu erstatten.

II. 1) § 1 der Satzung über die Erhebung der Zweitwohnungssteuer in der Stadt Dortmund vom 23. April 1998 (Dortmunder Bekanntmachungen Nr.18, 54.Jahrgang) ist insoweit mit Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, als nach § 2 Absatz 1 in Verbindung mit § 3 Absatz 1 Satz 2 der Satzung auch die Innehabung einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Wohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten, dessen eheliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befindet, besteuert wird.

2) Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12.November 2003 - 14 A 2917/03 -, das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 22.Mai 2003 - 16 K 941/02 -, der Widerspruchsbescheid der Stadt Dortmund vom 21.Februar 2002 - StA 21/4 - und die Bescheide der Stadt Dortmund vom 12. Dezember 2001 - Kassenzeichen 051 037 009 - verletzen den Beschwerdeführer zu 2 in seinem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Das Verfahren wird an das Oberverwaltungsgericht zur Entscheidung über die Kosten zurückverwiesen.

3) Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde verworfen.

4) Das Land Nordrhein-Westfalen und die Stadt Dortmund haben dem Beschwerdeführer zu 2 drei Viertel seiner notwendigen Auslagen je zur Hälfte zu erstatten.

§§§

05.044 IM-Sekretär
 
  1. BVerfG,     B, 25.10.05,     – 1_BvR_1696/98 –

  2. BVerfGE_114,339 = www.BVerfG.de

  3. GG_Art.2 Abs.1, GG_Art.1 Abs.1, GG_Art.5; BGB_§_823 Abs.2, BGB_§_1004 Abs.1 StGB_§_186

 

Verletzt eine mehrdeutige Meinungsäußerung das Persönlichkeitsrecht eines anderen, scheidet ein Anspruch auf deren zukünftige Unterlassung - anders als eine Verurteilung wegen einer in der Vergangenheit erfolgten Äußerung, etwa zu einer Strafe, zur Leistung von Schadensersatz oder zum Widerruf - nicht allein deshalb aus, weil sie auch eine Deutungsvariante zulässt, die zu keiner Persönlichkeitsbeeinträchtigung führt.

§§§

05.045 Aufenthaltserlaubnis
 
  1. BVerfG,     B, 25.10.05,     – 2_BvR_524/01 –

  2. BVerfGE_114,357 = www.BVerfG.de

  3. GG_Art.3 Abs.3 S.1

 

Mit Art.3 Abs.3 Satz 1 GG ist es nicht vereinbar, die erleichterte Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für ein im Bundesgebiet geborenes Kind allein an den Aufenthaltstitel der Mutter, nicht hingegen auch des Vaters zu knüpfen.

§§§

05.046 Teilnehmerentgelt
 
  1. BVerfG,     B, 26.10.05,     – 1_BvR_396/98 –

  2. BVerfGE_114,371 = www.BVerfG.de

  3. GG_Art.2 Abs.1, GG_Art.3 Abs.1, GG_Art.5 Abs.1, GG_Art.20 Abs.3; (By) MedienG_§_34 Abs.4 -6, MedienG_§_38 Abs.3 -6

 

Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die finanzielle Unterstützung privater Rundfunkanbieter durch das bayerische Teilnehmerentgelt.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

1) Die Regelungen über das Teilnehmerentgelt in Artikel 38 Absatz 3 bis 6 des Gesetzes über die Entwicklung, Förderung und Veranstaltung privater Rundfunkangebote und anderer Mediendienste in Bayern (Bayerisches Mediengesetz - BayMG) vom 24.November 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 584) und in Artikel 33 Absatz 4 bis 6 dieses Gesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.Oktober 2003 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 799) sind mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.

2) Soweit die genannten Regelungen noch gelten, sind sie längstens bis zum 31. Dezember 2008 weiterhin anwendbar.

3) Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.

4) Der Freistaat Bayern hat den Erben des Beschwerdeführers die notwendigen Auslagen zu erstatten.

§§§

05.047 Sammelklage
 
  1. BVerfG,     B, 09.11.05,     – 2_BvR_1198/03 –

  2. BVerfGE_115,396 = www.BVerfG.de

  3. GG_Art.2 Abs.1, GG_Art.20 Abs.3; BVerfGG_§_32; ZPO_§_328 Abs.1

T-05-20

LB 1) Erfolgreicher Antrag auf Untersagung das Zeugnis über die Zustellung einer Klageschrift gegen den Beschwerdeführer gemäß Art.6 Abs.4 HZÜ zu übermitteln

Abs.31

LB 2) Der Vorbehalt in Art.13 HZÜ für die Anwendung ausländischen Rechts wird durch Rechtsprechung und Literatur im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Haager Zustellungsübereinkommens eng ausgelegt.

Abs.33

LB 3) Das Grundgesetz gebietet, fremde Rechtsordnungen und -anschauungen grundsätzlich zu achten (vgl BVerfGE_75,1 <16 f>) auch wenn sie im Einzelnen nicht mit den deutschen innerstaatlichen Auffassungen übereinstimmen.

Abs.35

LB 4) Diese Respektierungspflicht könnte jedoch ihre Grenze dort erreichen, wo die ausländische, im Klageweg geltend gemachte Forderung - jedenfalls in ihrer Höhe - offenkundig keine substantielle Grundlage hat. Werden Verfahren vor staatlichen Gerichten in einer offenkundig mißbräuchlichen Art und Weise genutzt, um mit publizistischem Druck und dem Risiko einer Verurteilung einen Marktteilnehmer gefügig zu machen, könnte dies deutsches Verfassungsrecht verletzen.

Abs.37

LB 5) Verstößt schon die Zustellung einer ausländischen Klage gegen unverzichtbare Grundsätze des freiheitlichen Rechtsstaates, so ist fraglich, ob deutsche Behörden in diesem Fall die Rechtshilfe mit dem Hinweis leisten dürfen, der Betroffene habe noch im weiteren Verlauf des Verfahrens - etwa im Rahmen der Anerkennung des ausländischen Titels nach § 328 Abs.1 ZPO - die Möglichkeit, den Verstoß zu rügen. Denn aus der Zustellung ergeben sich für den Empfänger Rechtsfolgen, die geeignet sind, ihn in seinen grundrechtlich geschützten Positionen zu beeinträchtigen.

Abs.38

LB 6) Zur Folgenabwägung im Rahmen des einstweiligen Anordnungsverfahrens.

* * *

T-05-20Übermittlung Zustellungszeugnis

29

"Das Begehren in der Hauptsache ist weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet.

30

1. Das Haager Zustellungsübereinkommen will die gegenseitige Rechtshilfe unter den Vertragsparteien dadurch verbessern, dass die technische Abwicklung der Zustellung vereinfacht und beschleunigt wird. Dadurch soll sichergestellt werden, dass gerichtliche und außergerichtliche Schriftstücke, die im Ausland zuzustellen sind, ihren Empfängern rechtzeitig zur Kenntnis gelangen (vgl BVerfGE_91,335 <339 f> ). Diese Erwägungen schließen es grundsätzlich aus, dass die innerstaatliche Rechtsordnung zum Prüfungsmaßstab für die Zustellung gemacht wird (vgl Koch/Diedrich, Grundrechte als Maßstab für Zustellungen nach dem Haager Zustellungsübereinkommen?, ZIP 1994, S.1830 <1831>). Andernfalls könnte die materielle Prüfung des Zustellungsersuchens zu Verzögerungen bei der Zustellung oder, wegen der Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Rechtsauffassungen zu einer Vereitelung der Zustellung führen, die durch das Haager Zustellungsübereinkommen gerade ausgeschlossen werden sollten. Ein Zustellungsersuchen kann nach dem Wortlaut von Art.13 Abs.1 HZÜ jedoch abgelehnt werden, wenn der ersuchte Staat die Zustellung für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden.

31

Der Vorbehalt in Art.13 HZÜ für die Anwendung ausländischen Rechts wird durch Rechtsprechung und Literatur im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Haager Zustellungsübereinkommens eng ausgelegt (vgl OLG Frankfurt, RIW 2001, S.464 = NJW-RR 2002, S.357; siehe Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 2.Aufl, 2003, Art.13 HZÜ Rn.3 mwN). So hat auch das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Gewährung von Rechtshilfe durch die Zustellung einer Klage, mit der Ansprüche auf Strafschadensersatz nach US-amerikanischem Recht (punitive damages) geltend gemacht werden, in der Regel nicht die allgemeine Handlungsfreiheit in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verletzt (vgl BVerfGE_91,335 <340>). Die Entscheidung hat jedoch offen gelassen, ob die Zustellung einer solchen Klage mit Art.2 Abs.1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip zu vereinbaren ist, wenn das mit der ausländischen Klage angestrebte Ziel offensichtlich gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats verstößt (BVerfGE_91,335 <343>; vgl auch Schlosser, aaO, Art.13 HZÜ Rn.3).

32

2. Im Hauptsacheverfahren ist die Frage zu klären, ob diese Grenze in dem hier zu beurteilenden Fall überschritten ist. Insoweit ist die Bedeutung und Reichweite von Art.13 Abs.1 HZÜ zu klären (vgl Juenger/Reimann, Zustellung von Klagen auf punitive damages nach dem Haager Zustellungsübereinkommen, NJW 1994, S.3274; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 4.Aufl, 2001, Rn.2159).

33

a) Der Abschluss und die Ratifikation des Haager Zustellungsübereinkommens konkretisiert die Entscheidung des Grundgesetzes, dass der von ihm verfasste Staat in die Völkerrechtsordnung der Staatengemeinschaft eingegliedert ist (vgl Präambel, Art.1 Abs.2, Art.9 Abs.2, Art.16 Abs.2 und Art.23 bis 26 GG). Das Grundgesetz gebietet damit zugleich, fremde Rechtsordnungen und -anschauungen grundsätzlich zu achten (vgl BVerfGE_75,1 <16 f>, Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24.Juni 2003 - 2 BvR 685/03 -, im Umdruck S.11), auch wenn sie im Einzelnen nicht mit den deutschen innerstaatlichen Auffassungen übereinstimmen.

34

Im Hinblick auf das Haager Zustellungsübereinkommen hat sich die deutsche Rechtsordnung für das Recht des ersuchenden Staates im Bereich des Zivilprozessrechts geöffnet. Die deutsche öffentliche Gewalt wird für die ersuchende ausländische Behörde tätig, um das in jener Rechtsordnung anhängige, innerstaatliche Verfahren über die Grenzen der nationalen Hoheitsgewalt hinaus zu fördern. Dies schließt grundsätzlich auch die Zustellung von Klagen mit ein, die in für die deutsche Rechtsordnung unbekannten Verfahrensarten erhoben worden sind.

35

Diese Respektierungspflicht könnte jedoch ihre Grenze dort erreichen, wo die ausländische, im Klageweg geltend gemachte Forderung - jedenfalls in ihrer Höhe - offenkundig keine substantielle Grundlage hat. Werden Verfahren vor staatlichen Gerichten in einer offenkundig mißbräuchlichen Art und Weise genutzt, um mit publizistischem Druck und dem Risiko einer Verurteilung einen Marktteilnehmer gefügig zu machen, könnte dies deutsches Verfassungsrecht verletzen. Ein ähnlicher Gedanke hat im Jahre 1999 durch Art.40 Abs.3 Nr.2 EGBGB auch Eingang in das deutsche internationale Privatrecht gefunden. Die Vorschrift regelt das Deliktsstatut und schließt Schadenersatzansprüche auf der Grundlage ausländischen Rechts unter bestimmten Voraussetzungen dem Grunde nach aus (vgl Heldrich, in: Palandt, 62.Aufl., 2003, Art.40 EGBGB Rn.1, 20). Art.40 Abs.3 EGBGB bestimmt insoweit, dass Ansprüche, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen, nicht geltend gemacht werden können, soweit sie wesentlich weiter gehen als zur angemessenen Entschädigung des Verletzten erforderlich oder offensichtlich anderen Zwecken als einer angemessenen Entschädigung des Verletzten dienen oder haftungsrechtlichen Regelungen eines für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen Übereinkommens widersprechen.

36

b) Bei der Prüfung der Frage, ob die beabsichtigte Zustellung gegen Art.2 Abs.1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verstößt, ist auch die Ausgestaltung der multilateralen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Rechtshilfe zu würdigen. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass die ersuchte Vertragspartei ihre Behörden in den Dienst des ersuchenden Staates stellt, indem Schriftstücke entgegengenommen und die für die innerstaatliche Zustellung erforderlichen Maßnahmen veranlasst werden. Bei der Zustellung handelt es sich um einen staatlichen Hoheitsakt, mit dem Gerichtsverfahren einer fremden Rechtsordnung gefördert werden.

37

Verstößt schon die Zustellung einer ausländischen Klage gegen unverzichtbare Grundsätze des freiheitlichen Rechtsstaates, so ist fraglich, ob deutsche Behörden in diesem Fall die Rechtshilfe mit dem Hinweis leisten dürfen, der Betroffene habe noch im weiteren Verlauf des Verfahrens - etwa im Rahmen der Anerkennung des ausländischen Titels nach § 328 Abs.1 ZPO - die Möglichkeit, den Verstoß zu rügen. Denn aus der Zustellung ergeben sich für den Empfänger Rechtsfolgen, die geeignet sind, ihn in seinen grundrechtlich geschützten Positionen zu beeinträchtigen.

III.

38

Die Folgenabwägung fällt zu Gunsten der Beschwerdeführerin aus.

39

1. Bei einer Folgenabwägung sind gegeneinander abzuwägen die Nachteile, die für die Beschwerdeführerin einträten, wenn die begehrte einstweilige Anordnung abgelehnt wird, in der Hauptsache sich aber später herausstellt, dass die Zustellung der Klage deren grundrechtlich geschützte Positionen verletzt, mit denjenigen Nachteilen, die sich ergäben, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen wird, sich später aber herausstellt, dass die Zustellung mit dem Grundgesetz vereinbar war.

40

2. Erginge die beantragte einstweilige Anordnung, stellte sich die Verfassungsbeschwerde später aber als unbegründet heraus, hätte sich die Zustellung der Klage im Wege der Rechtshilfe verzögert. Es ist nicht erkennbar, dass die Kläger des US-amerikanischen Ausgangsverfahrens bereits dadurch unwiederbringliche Rechtsnachteile erlitten.

41

Es ist auch nicht zu erwarten, dass eine Verzögerung der Rechtshilfe die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu den Vereinigten Staaten von Amerika ernstlich belasten könnte. Der Erlass der einstweiligen Anordnung führt noch nicht zu einer nachhaltigen Beschränkung des Rechtshilfeverkehrs zwischen beiden Staaten auf der Grundlage des Haager Zustellungsübereinkommens.

42

3. Unterbliebe der Erlass der einstweiligen Anordnung, erwiese sich die Gewährung der Rechtshilfe im Hauptsacheverfahren dagegen als verfassungswidrig, müsste das Bundesverfassungsgericht davon ausgehen, dass die Beschwerdeführerin in das US-amerikanische Verfahren einbezogen ist und das erkennende Bundesgericht über die Zulassung der Klage als class action mit den entsprechenden Rechtsfolgen entscheidet.

43

Mit der Zustellung und dem Fortgang des US-amerikanischen Verfahrens ist die Beschwerdeführerin der Gefahr einer Verurteilung ausgesetzt, die bei unterstelltem Erfolg in der Hauptsache den Maßstäben des Grundgesetzes - wie sie von Art.13 Abs.1 in das Haager Übereinkommen aufgenommen werden - nicht standhielte. Die Möglichkeit, dass das Urteil in einem späteren Verfahrensstadium im Inland nicht anerkannt oder für nicht vollstreckbar erklärt wird, könnte die Beschwerdeführerin weder vor einer Vollstreckung in ihr in den Vereinigten Staaten belegenes Vermögen noch vor einem mit der Zustellung geförderten Reputationsverlust bewahren."

 

Auszug aus BVerfG B, 09.11.05, - 2_BvR_1198/03 -, www.dfr/BVerfGE,  Abs.29 ff

§§§

05.048 Transsexueller
 
  1. BVerfG,     B, 06.12.05,     – 1_BvL_3/03 –

  2. www.BVerfG.de

  3. GG_Art.2 Abs.1, GG_Art.1 Abs.1; TSG_§_7 Abs.1 Nr.3

 

§ 7 Abs.1 Nr.3 des Transsexuellengesetzes verletzt das von Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG geschützte Namensrecht eines homosexuell orientierten Transsexuellen sowie sein Recht auf Schutz seiner Intimsphäre, solange ihm eine rechtlich gesicherte Partnerschaft nicht ohne Verlust des geänderten, seinem empfundenen Geschlecht entsprechenden Vornamens eröffnet ist.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

1) § 7 Absatz 1 Nummer 3 des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz - TSG) vom 10.September 1980 (Bundesgesetzblatt I Seite 1654) ist mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar, solange homosexuell orientierten Transsexuellen ohne Geschlechtsumwandlung eine rechtlich gesicherte Partnerschaft nicht ohne Verlust des nach § 1 des Transsexuellengesetzes geänderten Vornamens eröffnet ist.

2) § 7 Absatz 1 Nummer 3 des Transsexuellengesetzes ist bis zum In-Kraft-Treten einer gesetzlichen Regelung, die homosexuell orientierten Transsexuellen ohne Geschlechtsumwandlung das Eingehen einer rechtlich gesicherten Partnerschaft ohne Vornamensverlust ermöglicht, nicht anwendbar.

§§§

05.049 Verfassungwidrige Auslegung
 
  1. BVerfG,     B, 06.12.05,     – 1_BvR_1905/02 –

  2. www.BVerfG.de

  3. GG_Art.3 Abs.1; BVerfGG_§_79 Abs.2 S.3

 

Zur analogen Anwendung des § 79 Abs.2 Satz 3 BVerfGG auf nicht mehr anfechtbare Entscheidungen, die auf einer vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen verfassungskonformer Auslegung als verfassungswidrig verworfenen Interpretatitonsvariante einer Rechtsvorschrift oder auf der Auslegung und Anwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe beruhen, die vom Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist.

§§§

05.050 Behandlungsmethode
 
  1. BVerfG,     B, 06.12.05,     – 1_BvR_347/98 –

  2. www.BVerfG.de

  3. GG_Art.2 Abs.1, GG_Art.2 Abs.2 S.1

 

Es ist mit den Grundrechten aus Art.2 Abs.1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art.2 Abs.2 Satz 1 GG nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:

1) Das Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.September 1997 - 1 RK 28/95 - verletzt den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben. Die Sache wird an das Bundessozialgericht zurückverwiesen.

2) Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

§§§

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