BVerwG | 2006 (5) | 121-150 |
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06.121 Erwerb der Befähigungsvoraussetzungen |
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BVerwG, U, 15.06.06, - 2_C_14/05 -
BBG_§_78; (Th) LBG_§_82; Einigungsvertrag Anlage I Kap.XIX Sachgebiet A Abschn.III Nr.2 Buchst.a S.2
Schadensersatzanspruch des Dienstherrn wegen Dienstpflichtverletzung des Beamten / öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch / Anspruchskonkurrenz / unterschiedliche Verjährungsfristen / „Übergreifen“ der kürzeren Verjährungsfrist
1) Die Befähigungsvoraussetzungen gemäß § 4 Abs.1 Satz 1 der 2.BesÜV sind auch dann im bisherigen Bundesgebiet erworben worden, wenn die im bisherigen Bundesgebiet absolvierten Teile der Ausbildung zeitlich mindestens die Hälfte der Gesamtausbildung ausmachen.
2) Die Einrede der Verjährung gegenüber Besoldungsansprüchen ist unzulässig, wenn der Beamte durch das Verhalten der Behörde veranlasst worden ist, verjährungshemmende Schritte zu unterlassen.
§§§
06.122 Erwerb der Befähigungsvoraussetzungen |
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BVerwG, U, 15.06.06, - 2_C_15/05 -
GG_Art.3 Abs.1; 2.BesÜV_§_4; (aF) BGB_§_197
Befähigungsvoraussetzungen / Erwerb der - teilweise im bisherigen Bundesgebiet und im Beitrittsgebiet / Verjährung von Besoldungsansprüchen / Verzicht auf die Einrede der Verjährung
1) Die Befähigungsvoraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV sind auch dann im bisherigen Bundesgebiet erworben worden, wenn die im bisherigen Bundesgebiet absolvierten Teile der Ausbildung zeitlich mindestens die Hälfte der Gesamtausbildung ausmachen. (Wie Urteil vom heutigen Tage BVerwG 2 C 14.05)
2) Die Einrede der Verjährung gegenüber Besoldungsansprüchen ist unzulässig, wenn der Beamte durch das Verhalten der Behörde veranlasst worden ist, verjährungshemmende Schritte zu unterlassen. (Wie Urteil vom heutigen Tage BVerwG 2 C 14.05)
§§§
06.123 Ausnahmsweise Nachsichtgewährung |
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BVerwG, B, 15.06.06, - 8_B_32/06 -
VermG_§_30a Abs.1 S.1
Anmeldefrist / materielle Ausschlussfrist / Wiedereinsetzung / Nachsichtgewährung / Verschulden staatlicher Stellen.
Soweit eine ausnahmsweise Nachsichtgewährung wegen Versäumung der Anmeldefrist des § 30a VermG unter anderem davon abhängt, dass die Fristversäumung auf staatliches Fehlverhalten zurückzuführen ist, ist damit allein ein Fehlverhalten des Staates gemeint, der die Ausschlussfrist gesetzt hat, also der Bundesrepublik Deutschland. Fehlverhalten staatlicher Stellen der DDR kann materielle Ansprüche nach dem Vermögensgesetz begründen, aber nicht dazu führen, dass die Ausschlussfrist des § 30a VermG unbeachtlich ist (wie Beschlüsse vom 9. Februar 2006 BVerwG 7 B 106.05 juris Rn. 8 und vom 14. Oktober 2005 BVerwG 7 PKH 5.05).
§§§
06.124 Erwerb der Befähigungsvoraussetzungen |
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BVerwG, U, 15.06.06, - 2_C_17/05 -
GG_Art.3 Abs.1; 2.BesÜV_§_4; (aF) BGB_§_210
Befähigungsvoraussetzungen / Erwerb der - teilweise im bisherigen Bundesgebiet und im Beitrittsgebiet / Verjährung von Besoldungsansprüchen
1) Die Befähigungsvoraussetzungen gemäß § 4 Abs.1 Satz 1 der 2.BesÜV sind auch dann im bisherigen Bundesgebiet erworben worden, wenn die im bisherigen Bundesgebiet absolvierten Teile der Ausbildung zeitlich mindestens die Hälfte der Gesamtausbildung ausmachen. (Wie Urteil vom heutigen Tage BVerwG 2 C 14.05)
2) Wird mit einem Widerspruch beanstandet, dass die Höhe der Besoldung nicht der Besoldung im bisherigen Bundesgebiet entspricht, hat der Dienstherr regelmäßig auch zu prüfen, ob dem Beamten der Zuschuss gemäß § 4 Abs.1 Satz 1 der 2.BesÜV zusteht.
§§§
06.125 Artenschutzrechtlicher Verbotstatbestand |
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BVerwG, U, 21.06.06, - 9_A_28/05 -
BNatSchG_§_19, BNatSchG_§_42 Abs.1, BNatSchG_§_43 Abs.4, BNatSchG_§_62 Abs.1; RL 79/409/EWG (VRL) Art.4, 5, 9; RL 92/43/EWG FFH-RL_Art.12, FFH-RL_Art.13, FFH-RL_Art.16; (MV) LNatG_§ 15 Abs.4, LNatG_§ 15 Abs.5; FStrG_§_17 Abs.4, FStrG_§_17 Abs.6c; (MV) VwVfG_§_73 Abs.6, VwVfG_§_75 Abs.2
Straßenbauvorhaben / Planfeststellung / Nachanhörung / Bestimmtheit / faktisches Vogelschutzgebiet / IBA-Verzeichnis / Nachanmeldung / Artenschutz / Präklusion / Kompensationsmaßnahme / Ausgleichsmaßnahme / Brutvorkommen / Brutrevier / Brutstätte / Brutplatz / Befreiung / Vernässung / Alternativenprüfung
1) Die Beseitigung eines Brutreviers mit regelmäßig benutzten Brutplätzen durch eine vollständige Baufeldbefreiung erfüllt den artenschutzrechtlichen Verbotstatbestand des § 42 Abs.1 Nr.1 BNatSchG.
2) Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach § 19 Abs.2 BNatSchG sind grundsätzlich nicht geeignet, die Verwirklichung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände nach § 42 Abs.1 BNatSchG zu verhindern.
3) § 43 Abs.4 Satz 1 BNatSchG bietet nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10.Januar 2006 Rs.C-98/03 (NVwZ 2006, 319) keine Grundlage für die Zulassung eines gegen Verbotstatbestände des § 42 Abs.1 BNatSchG verstoßenden (Straßenbau-)Vorhabens. Von diesen Verboten kann aber gegebenenfalls noch während des gerichtlichen Verfahrens eine Befreiung nach § 62 BNatSchG erteilt werden.
§§§
06.126 Gewerbliche Veranstalten von Sportwetten |
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BVerwG, U, 21.06.06, - 6_C_19/06 -
GG_Art.3 Abs.1, GG_Art.12 Abs.1, GG_Art.70 Abs.1, GG_Art.72 Abs.1, GG_Art.74 Abs.1 Nr.11; StGB_§_9, StGB_§_284; GewO_§_33h; Gesetz über die vom Freistaat Bayern veranstalteten Lotterien und Wetten vom 29.April 1999
Sportwette / Oddset-Wette / Repressivverbot / Erlaubnisvorbehalt / Gefahren / Spielleidenschaft / Ausnutzung der Spielleidenschaft / Gewerbeerlaubnis der DDR
Das gewerbliche Veranstalten von Sportwetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung derartiger Wetten, die nicht vom Freistaat Bayern veranstaltet werden, dürfen derzeit in Bayern ordnungsrechtlich unterbunden werden. Eine von einem Hoheitsträger in der früheren DDR erteilte gewerberechtliche Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten rechtfertigt es nicht, in Bayern solche Wetten zu veranstalten oder zu vermitteln.
§§§
06.127 Einfache Melderegisterauskunft |
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BVerwG, U, 21.06.06, - 6_C_5/05 -
MRRG_§_6, MRRG_§_21; BDSG_§_28; (Hb) MG_§_6, MG_§_34
Melderecht / Melderegister / Melderegisterauskunft / einfache Auskunft / Auskunftssperre / Werbung / Direktwerbung / Robinson-Liste / schutzwürdige Interessen
Die Meldebehörde darf eine einfache Melderegisterauskunft (§ 21 Abs. 1 MRRG) nicht erteilen, wenn diese erkennbar für Zwecke der Direktwerbung begehrt wird und der Betroffene einer Weitergabe seiner Daten für solche Zwecke zuvor ausdrücklich widersprochen hat.
§§§
06.128 Anwartschaftsrecht |
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BVerwG, U, 21.06.06, - 8_C_19/05 -
VermG_§_1 Abs.1 Buchst.a
Volkseigentum / entschädigungslose Enteignung / Anwartschaftsrecht / Republikflüchtling / republikflüchtiger Grundeigentümer / zielgerichteter Eingriff / mittelbare Schädigung
Ist ein Anwartschaftsrecht auf Übertragung des Grundeigentums im Zuge einer gegen einen republikflüchtigen Grundstückseigentümer gerichteten Enteignungsmaßnahme untergegangen, so ist der Anwartschaftsberechtigte nur mittelbar geschädigt.
§§§
06.129 Einholen von Auskünften eines Katasteramtes |
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BVerwG, U, 21.06.06, - 8_C_12/05 -
VermG_§_38 Abs.1, VermG_§_27, VermG_§_3 Abs.5; AusglLeistG_§_6 Abs.2
Kostenfreiheit / Katasteramt / Auskunft / Vergewisserungsverfahren / Voreigentümernachweis / Verwaltungsverfahren
Weder in direkter noch in analoger Anwendung folgt aus § 38 Abs. 1 VermG eine sachliche Kostenfreiheit für das Einholen von Auskünften eines Katasteramtes.
§§§
06.130 Erhebung der Disziplinarklage-Post-AG |
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BVerwG, U, 22.06.06, - 2_C_11/05 -
(01) BAPostG_§_3 Abs.2 Nr.8, BAPostG_§_15; BBG_§_77 Abs.1 S.1; BDG_§_13 Abs.1, BDG_§_13 Abs.2 S.1, BDG_§_34 Abs.2, BDG_§_52 Abs.1 S.1, BDG_§_55, BDG_§_65 Abs.1; BetrVG_§_1, BetrVG_§_50, BetrVG_§_58; BPersVG_§_72 Abs.1, BPersVG_§_72 Abs.4 S.2, BPersVG_§_78 Abs.1 Nr.3, BPersVG_§_78 Abs.2; BRRG_§_126 Abs.3 Nr.3; PostPersRG_§_1 Abs.2, PostPersRG_§_1 Abs.5, PostPersRG_§_1 Abs.7, PostPersRG_§_24, PostPersRG_§_28, PostPersRG_§_29 Abs.5, PostPersRG_§_29 Abs.6; StGB_§_17
Postbeamter des höheren Dienstes; Disziplinarklage(-schrift) / Mitwirkung des Personalrats (Betriebsrats) / Verfahrensmangel (Heilung) / Prüfverfahren der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost / Dienstverweigerung / dienstliches Handeln nach anwaltlichem Rat / Tatbestands-/Verbotsirrtum / Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (schweres Dienstvergehen, endgültiger Vertrauensverlust) / Zumessungserwägungen
1) Im Geschäftsbereich der Deutschen Post AG hat bei Erhebung der Disziplinarklage regelmäßig der Betriebsrat des Betriebes mitzuwirken, bei dem der Beamte beschäftigt ist; eine Mitwirkungszuständigkeit des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats ist nur ausnahmsweise gegeben.
2) Die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost hat den gesamten Disziplinarverfahrensgang auf Rechtmäßigkeit in formeller und materieller Hinsicht sowie auf sachgerechte Ermessensausübung im Regelfall erst dann zu überprüfen, wenn zuvor alle Verfahrensschritte einschließlich des Beteiligungsverfahrens abgeschlossen sind.
§§§
06.131 Entzug eines Funktionsamtes |
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BVerwG, U, 22.06.06, - 2_C_26/05 -
GG_Art.33 Abs.5, GG_Art.143b Abs.3, GG_Art.87f Abs.2; BBG_§_26, BBG_§_27; PostPersRG_§_2 Abs.3 S.1, PostPersRG_§_3 Abs.1, PostPersRG_§_4 Abs.1, PostPersRG_§_4 Abs.4, PostPersRG_§_4 Abs.6 S.3, PostPersRG_§_6, PostPersRG_§_8
Bei einem Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost beschäftigter Beamter / Versetzung zu einer Personalserviceagentur (Vivento) ohne Übertragung der Funktionsämter / Statusamt / Funktionsämter / abstrakt-funktionelles Amt / konkret-funktionelles Amt / Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung / Umwandlung des Sondervermögens der Deutschen Bundespost in Unternehmen privater Rechtsform / Schutzbereich des Art.143b Abs.3 GG / kein Entzug eines Funktionsamtes auf unbestimmte Zeit / Gestaltungsspielraum zur Fortentwicklung und Anpassung des Beamtenrechts an veränderte Umstände steht nur dem Gesetzgeber zu
1) Ein Beamter hat jederzeit Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung. Der zeitlich unbefristete Entzug eines Funktionsamtes verletzt diesen Anspruch.
2) Der Schutz des Art.143b Abs.3 Satz 1 GG erfasst nicht nur Veränderungen des Statusamtes, sondern erstreckt sich auch auf die Funktionsämter.
3) Der Gestaltungsspielraum nach Art.33 Abs.5 GG zur Fortentwicklung und Anpassung des Beamtenrechts an veränderte Umstände steht vorrangig dem Gesetzgeber zu.
§§§
06.132 Beschränkung der Wehrpflicht auf Männer |
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BVerwG, B, 26.06.06, - 6_B_9/06 -
GG_Art.3, GG_Art.12, GG_Art.12a, GG_Art.59; EMRK_Art.4, EMRK_Art.14; WPflG_§_1
Allgemeine Wehrpflicht / Wehrgerechtigkeit / Pflichtdienst für Männer / geschlechtsbezogene Diskriminierung / sachliche Gründe
Die Beschränkung der allgemeinen Wehrpflicht auf Männer nach Art. 12a Abs. 1 und 4 GG beruht auf sachlichen Gründen und steht nicht im Widerspruch zum Diskriminierungsverbot in Art. 14 EMRK.
§§§
06.133 Entschädigungsberechnung |
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BVerwG, B, 26.06.06, - 3_B_183/05 -
NS-VEntschG_§_1 Abs.1 S.1, NS-VEntschG_§_2 S.1, NS-VEntschG_§_2 S.2, NS-VEntschG_§_3 S.2, NS-VEntschG_§_4 S.1; VermG_§_1 Abs.6 S.1; BRRG_§_16 Abs.2 S.2; BEG_§_56 Abs.1
Unternehmensverlust „auf andere Weise“/ Entschädigung / Bemessungsgrundlage / Boykottmaßnahmen / Schädigungszeitpunkt / gestreckter Schädigungstatbestand / Zweistufigkeit des Verfahrens / Bindung der Entschädigungsbehörde an die Berechtigtenfeststellung
Die nach § 4 Satz 1 NS-VEntschG zuständige Behörde ist bei der Entschädigungsberechnung an die Feststellungen der Vermögensbehörden zu der für die Berechtigung nach § 1 Abs.6 VermG maßgeblichen Schädigung gebunden.
§§§
06.134 „Einheitswert“ iS von § 10 Abs.1 S.1 Nr.3 EntschG |
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BVerwG, B, 27.06.06, - 3_B_190/05 -
EntschG_§_10 Abs.1 S.1 Nr.3
Abführung / Abführungsbetrag / Einheitswert / zuletzt festgestellter Einheitswert / Entschädigung
Mit „Einheitswert“ im Sinne von § 10 Abs.1 Satz 1 Nr.3 EntschG war auch nach der ursprünglichen Fassung der vor der Schädigung zuletzt festgestellte Einheitswert gemeint.
§§§
06.135 Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen |
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BVerwG, U, 27.06.06, - 1_C_14/05 -
AufenthG_§_23 Abs.1, AufenthG_§_25 Abs.3, AufenthG_§_25 Abs.5, AufenthG_§_60 Abs.7, AufenthG_§_60a Abs.1, AufenthG_§_60a Abs.2; AuslG_§_30 Abs.3, AuslG_§_30 Abs.4, AuslG_§_53 Abs.6, AuslG_§_55 Abs.2; AsylVfG_§_42
Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen / Aufenthaltsbefugnis / Abschiebungsverbot / Unmöglichkeit der Abschiebung (hier: in den Irak) / Abschiebestopp-Erlass / freiwillige Ausreise in den Heimatstaat / zielstaatsbezogene Ausreisehindernisse / allgemeine Gefahren / Unmöglichkeit der Ausreise / Unzumutbarkeit der Ausreise / Aufenthaltsgewährung durch oberste Landesbehörde / Kettenduldungen / Aufenthaltserlaubnis nach achtzehn Monaten Duldung
1) Eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis kann nach § 25 Abs.5 Satz 2 AufenthG nicht schon dann erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Zusätzlich müssen vielmehr die Voraussetzungen des Satzes 1 der Vorschrift erfüllt sein.
2) Die Ausreise ist im Sinne von § 25 Abs.5 Satz 1 AufenthG aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn sowohl der Abschiebung als auch der freiwilligen Ausreise rechtliche Hindernisse entgegenstehen, welche die Ausreise ausschließen oder als unzumutbar erscheinen lassen. Derartige Hindernisse können sich aus inlandsbezogenen und aus zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben.
3) Auch bei der Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs.5 AufenthG sind die Ausländerbehörden und die Gerichte an die unanfechtbare Feststellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs.2, 3, 5 und 7 AufenthG gebunden (wie Urteil vom 22. November 2005 BVerwG 1 C 18.04 zu § 25 Abs.3 AufenthG).
4) Es bleibt offen, ob eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs.5 AufenthG auch dann erteilt werden kann, wenn über längere Zeit durch Erlass ein Abschiebestopp aus humanitären Gründen angeordnet ist (hier: verneint für die Erlasslage bezüglich Irak).
§§§
06.136 Vermögenseinziehung durch Urteil |
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BVerwG, U, 29.06.06, - 7_C_18/05 -
VermG_§_1 Abs.7, VermG_§_1 Abs.8 Buchst.a
Verurteilung durch sowjetisches Militärtribunal / Einziehung Vermögen / besatzungshoheitliche Enteignung / russisches Rehabilitierungsgesetz / faktischer Enteignungsbegriff / Zweitenteignung
1) Eine Vermögenseinziehung durch Urteil eines sowjetischen Militärtribunals war nur unter der Voraussetzung wirksam, dass im Zusammenhang mit der Verurteilung auf den eingezogenen Vermögensgegenstand tatsächlich zugegriffen wurde.
2) Ein Rückübertragungsanspruch nach Rehabilitierung durch russische Stellen besteht nicht, wenn das aufgehobene Urteil eines sowjetischen Militärtribunals zwar die Einziehung des Vermögens angeordnet hatte, auf den eingezogenen Vermögensgegenstand aber erst auf der Grundlage einer nachfolgenden besatzungshoheitlichen Enteignung tatsächlich zugegriffen wurde.
§§§
06.137 Jährlichen Abschläge |
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BVerwG, U, 29.06.06, - 7_C_2/05 -
VermG_§_7 Abs.1 S.1, VermG_§_7 Abs.1 S.3 bis 5, VermG_§_7 Abs.7
Restitution / Wertausgleich für bauliche Maßnahme / Schwellenwerte / Abschläge für Wertverzehr / mehrjährige Baumaßnahme / Ende der jährlichen Abschläge / Entscheidung über die Rückgabe / Bestandskraft der Rückgabeentscheidung
Die jährlichen Abschläge zur Ermittlung des Wertausgleichs gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 VermG sind nur bis zum Erlass des Rückübertragungsbescheids, nicht bis zu dessen Bestandskraft vorzunehmen.
§§§
06.138 Ehrenrührigkeit einer Äußerung |
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BVerwG, U, 29.06.06, - 2_WD_26/05 -
SG_§_10 Abs.3, SG_§_12 S.2, 1SG_§_17 Abs.2 S.1
Ehrverletzung / Meinungsäußerung / objektiver Bedeutungsgehalt / Kontext der Erklärung
1) Eine negative Äußerung über die Persönlichkeit ist nur dann eine Beleidigung, wenn der andere damit gerade in seiner Ehre, d.h. seinem sittlichen (moralischen), personalen oder sozialen Geltungswert getroffen wird.
2) Enthält die Äußerung einen ehrkränkenden Inhalt, sodass ein Konflikt zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht besteht, muss eine Abwägung unter Berücksichtigung der Schwere der Beeinträchtigung vorgenommen werden, die jedem der beiden Rechtsgüter droht.
3) Die Ehrenrührigkeit einer Äußerung muss eindeutig feststehen. Das ist dann nicht der Fall, wenn ein aus dem Gesamtzusammenhang herausgenommenes Wort isoliert betrachtet wird, und es je nach dem Kontext verschiedene Bedeutungsvarianten desselben Wortes geben kann.
§§§
06.139 Gewährung von Jugendhilfe |
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BVerwG, U, 29.06.06, - 5_C_24/05 -
SGB-VIII_§_89d, SGB-VIII_§_89f
Asylbewerber, unbegleitet eingereiste -/ Aufgabenerfüllung, Gesetzeskonformität der - / Gesetzeskonformität der Aufgabenerfüllung / Interessenwahrungsgrundsatz / Jugendhilfeleistung / Rechtmäßigkeit der -/ Jugendhilfeträger, Kostenerstattung zwischen -/ Jugendliche, unbegleitet eingereiste -/ Kostenerstattung zwischen Jugendhilfeträgern / Ungewissheit über das Alter eines Jugendhilfeempfängers
Kommt es für die Gewährung von Jugendhilfe auf das Alter einer Person an, entspricht die Aufgabenerfüllung iSd § 89f Abs.1 SGB VIII den Vorschriften des Gesetzes, wenn der Hilfe leistende Jugendhilfeträger im Zeitpunkt der Hilfegewährung davon ausgehen konnte, dass die an das Alter einer Person anknüpfenden Voraussetzungen der Aufgabenerfüllung (noch) vorlagen, und davon auszugehen ist, dass auch der auf Erstattung in Anspruch genommene Jugendhilfeträger bei der zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung gegebenen Erkenntnislage die Leistung gewährt hätte.
§§§
06.140 Widerspruchsverfahren |
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BVerwG, U, 29.06.06, - 7_C_14/05 -
VwGO_§_68 Abs.1 S.2 Nr.2, VwGO_§_73 Abs.3 S.3, VwGO_§_79 Abs.1 Nr.1, VwGO_§_79 Abs.1 Nr.2, VwGO_§_161 Abs.1, VwGO_§_162 Abs.1, VwGO_§_162 Abs.2 S.2, VwGO_§_162 Abs.3; VwVfG_§_80 Abs.1 S.1, VwVfG_§_80 Abs.2, VwVfG_§_80 Abs.3 S.1; VermG_§_38 Abs.2 S.2
Ausgangsbescheid / Widerspruchsbescheid / Kostenlast- / Kostengrundentscheidung / Kostenfestsetzungsbeschluss / zweipoliges-, dreipoliges Verwaltungsrechtsverhältnis / Einheitlichkeit des Verwaltungsverfahrens / Verdrängung / Ersetzung der Kostenentscheidung der Widerspruchsbehörde / Bestandskraft der Kostenentscheidung / Verfahrensökonomie / Unterliegensprinzip / Kosteneinheit / Ergänzung/Nachholung der Kostenentscheidung / Rechtsverfolgung / Rechtsverteidigung
1) Kosten eines Vorverfahrens im Sinne von § 162 Abs.1 VwGO sind solche eines Widerspruchsverfahrens unabhängig davon, ob diesem ein zwei- oder dreipoliges Rechtsverhältnis zu Grunde gelegen hat.
2) Hat sich an ein Widerspruchsverfahren ein gerichtliches Hauptsacheverfahren angeschlossen, entfällt die Anwendbarkeit des § 80 VwVfG.
§§§
06.141 Zulassung eines Rahmenbetriebsplans |
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BVerwG, U, 29.06.06, - 7_C_11/05 -
VwGO_§_42 Abs.2, VwGO_§_113 Abs.1 S.1; BBergG_§_48 Abs.2, BBergG_§_77 Abs.2; ROG_§_4 Abs.1 S.2; (NW) LPlG_§_34 Abs.5
Klagebefugnis / Rechtsverletzung / Braunkohlentagebau / Braunkohlenplan / Rahmenbetriebsplan / Zulassung / Beschränkung / Untersagung / überwiegende öffentliche Interessen / Eigentümerinteressen / vorgezogener Rechtsschutz / Grundabtretung
§ 48 Abs.2 Satz 1 BBergG entfaltet schon bei der Zulassung eines Rahmenbetriebsplans für einen Tagebau drittschützende Wirkung zu Gunsten der Eigentümer, deren Grundstücke für den Tagebau unmittelbar in Anspruch genommen werden sollen (Abweichung vom Urteil vom 14. Dezember 1990 BVerwG 7 C 18.90 Buchholz 406.27 § 55 BBergG Nr. 3).
§§§
06.142 Spezialschulungen für Personalratsmitglieder |
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BVerwG, B, 11.07.06, - 6_PB_8/06 -
BPersVG_§_46
Spezialschulungen für Personalratsmitglieder
Spezialschulungen liegen auch schon dann vor, wenn in bestimmten für die Personalratstätigkeit relevanten Tätigkeitsfeldern Kenntnisse vermittelt werden, die über Grundzüge hinausgehen, insbesondere der Wissensvertiefung und erweiterung dienen.
§§§
06.143 Rückverbringung eingeführter Lebensmittel |
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BVerwG, B, 11.07.06, - 3_B_50/06 -
LMEV_§_6 Abs.3; Richtlinie 97/78/EG Art.17 Abs.2; Richtlinie 97/78/EG Art.22 Abs.2
Einfuhr von Lebensmitteln / Lebensmittelkontrolle / Veterinärkontrolle / Gesundheitsbedenken / Gesundheitsgefahr / Rücksendung / Rückverbringung / Vernichtung / Beseitigung / Unbrauchbarmachung.
Gesundheitsbedenken stehen einer Gestattung der Rückverbringung eingeführter Lebensmittel in den Herkunftsstaat im Sinne von § 6 Abs.3 LMEV nicht nur dann entgegen, wenn Gefahren von der Rückverbringung als solcher ausgehen.
§§§
06.144 Vertretbaren Auslegungsergebnis |
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BVerwG, U, 12.07.06, - 10_C_9/05 -
GG_Art.20 Abs.3, GG_Art.72 Abs.1, GG_Art.84 Abs.1; BBodSchG_§_24; (93) GebVO mit Anlage (GbVerz) Tz-1.12.8
Bodenschutz / Annexkompetenz / Altlastensanierung / Gefahrenabwehr / Kostenregelung / Kostenbegriff / Auslagen / Verwaltungsgebühren / Sperrwirkung gegenüber Landesrecht / Gebührenhoheit der Länder / Amtshandlung / Gebührenfreiheit / Grundsatz der Normenklarheit / Bestimmtheit von Gebührentatbeständen / Grenzen der gerichtlichen Rechtskontrolle / Besprechung / Gespräch
1) § 24 Abs.1 Satz 1 BBodSchG entfaltet als Bundesrecht für landesrechtliche Gebührenregelungen keine Sperrwirkung, die es verbietet, für Maßnahmen im Vorfeld behördlicher Sanierungsanordnungen Verwaltungsgebühren zu erheben.
2) Der rechtsstaatliche Grundsatz der Normenklarheit verlangt, dass ein Gebührentatbestand durch seine Unbestimmtheit den Behörden und Gerichten nicht die Möglichkeit einer willkürlichen Handhabung eröffnet. Dies gewährleistet eine nachträgliche Auslegung des Gebührentatbestandes nur dann, wenn ein Gebührenschuldner mit seiner Heranziehung rechnen musste, weil dies in Anwendung juristischer Methoden ein vertretbares Auslegungsergebnis darstellt.
3) An einem vertretbaren Auslegungsergebnis in diesem Sinne fehlt es, wenn auch die gerichtliche Auslegung eines Gebührentatbestandes keine Kriterien dafür zu benennen vermag, wie die Teilnahme von Behördenvertretern an Besprechungen mit dem Betroffenen als gebührenpflichtige „Amtshandlung“ vom Führen „bloßer Gespräche“ und anderen gebührenfreien Kontakten mit Bagatellcharakter abzugrenzen ist. Mit Blick auf die Vielgestaltigkeit behördlicher Kontakte und Vorfeldhandlungen (zB Aufklärung des Sachverhalts, Auskunft, Beratung, Anhörung, vgl § 24 Abs.1, §§ 25, 28 Abs.1 VwVfG BW) muss für den Bürger vorhersehbar sein, wann diese die Erheblichkeitsschwelle zur Gebührenpflicht überschreiten.
§§§
06.145 Erlass eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags |
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BVerwG, U, 13.07.06, - 4_C_5/05 -
BauGB_§_135 Abs.5, BauGB_§_154, BauGB_§_155 Abs.4 S.1
Sanierungsmaßnahme / Ausgleichsbetrag, sanierungsrechtlicher / Erlass / öffentliches Interesse / Ziele und Zwecke der Sanierung
Ein öffentliches Interesse am Erlass eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags besteht, wenn der Erlass geeignet ist, die Ziele und Zwecke der jeweiligen Sanierungsmaßnahmen zu fördern.
§§§
06.146 Heranziehungsmöglichkeit |
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BVerwG, B, 13.07.06, - 1_WDB_1/06 -
WDO_§_58 Abs.3; SG_§_23 Abs.1, SG_§_23 Abs.2 Nr.2, SG_§_59 Abs.2 S.1 Nr.1, SG_§_59 Abs.2 S.1 Nr.3
Früherer Soldat / wehrübender Stabsoffizier / Wiederverwendung / Heranziehungsmöglichkeit
§ 58 Abs.3 WDO iVm § 59 Abs.2 Satz 1 Nr.3 SG stellt allein auf die Heranziehungsmöglichkeit ab, jedoch nicht darauf, dass die freiwillige schriftliche Verpflichtung sowie die Zustimmung durch das Bundesministerium der Verteidigung im konkreten Fall tatsächlich bereits vorliegen.
§§§
06.147 Bebauter Bereich iS des § 35 Abs.6 S.1 BauGB |
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BVerwG, U, 13.07.06, - 4_C_2/05 -
BauGB_§_35 Abs.6; VwGO_§_137 Abs.2
Außenbereichssatzung / bebauter Bereich / Wohnbebauung von einigem Gewicht / Splittersiedlung / Baulücke / Bebauungszusammenhang
1) Ein bebauter Bereich im Sinne des § 35 Abs.6 Satz 1 BauGB ist nur gegeben, wenn und soweit bereits eine vorhandene Bebauung dazu führt, dass der Außenbereich seine Funktion, als Freiraum oder als Fläche für privilegiert zulässige Vorhaben zu dienen, nicht mehr oder nur noch mit wesentlichen Einschränkungen erfüllen kann. Die vorhandene Bebauung muss auf eine weitere Bebauung im Wege der baulichen Verdichtung hindeuten.
2) Für das erforderliche Gewicht der Wohnbebauung kommt es auf die siedlungsstrukturellen Gegebenheiten in der Gemeinde oder der weiteren Umgebung nicht an.
§§§
06.148 Neue und andersartige Verfolgung |
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BVerwG, U, 18.07.06, - 1_C_15/05 -
BauGB_§_35 Abs.6; VwGO_§_137 Abs.2
Außenbereichssatzung / bebauter Bereich / Wohnbebauung von einigem Gewicht / Splittersiedlung / Baulücke / Bebauungszusammenhang
1) Die Grundsätze für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung sind prinzipiell auch auf die private Verfolgung (hier: von Christen im Irak) durch nichtstaatliche Akteure übertragbar, wie sie nunmehr durch das Zuwanderungsgesetz ausdrücklich als schutzbegründend geregelt ist.
2) Droht dem (hier: wegen des subjektiven Nachfluchtgrunds der Asylantragstellung in Deutschland) anerkannten Flüchtling im Falle des Widerrufs bei der Rückkehr in seinen Heimatstaat keine Verfolgungswiederholung, sondern eine gänzlich neue und andersartige Verfolgung (hier: wegen der Religionszugehörigkeit durch Private), ist der allgemeine Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzuwenden.
§§§
06.149 Anforderungen an die Beweiswürdigung |
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BVerwG, U, 19.07.06, - 2_WD_13/05 -
WDO_§_16 Abs.1 Nr.2, WDO_§_58 Abs.2, WDO_§_18 Abs.2, WDO_§_44 Abs.1 S.2; StPO_§_261
Beweiswürdigung / früherer Soldat / Beförderungsverbot / Verhängungsverbot / körperliche Misshandlung / Kürzung der Dienstbezüge / Generalprävention
2) Zur Maßnahmebemessung bei einer außerdienstlichen Misshandlung der Ehefrau eines (früheren) Soldaten.
3) Das disziplinarrechtliche Verhängungsverbot des § 16 Abs.1 Nr.2 WDO greift hinsichtlich jedes Anschuldigungspunktes nur insoweit ein, als die vorausgegangene rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung denselben Sachverhalt betrifft.
§§§
06.150 Klärung der Gewerkschaftseigenschaft |
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BVerwG, B, 25.07.06, - 6_P_17/05 -
ArbGG_§_2a Abs.1 Nr.4, ArbGG_§_97; (NW) PersVG_§_22, PersVG_§_125
Klärung der Gewerkschaftseigenschaft im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren / Aussetzung des Verfahrens / Gewerkschaft im personalvertretungsrechtlichen Sinne / personalvertretungsrechtliche Aufgaben und Befugnisse von Gewerkschaften / Berufsverbände
1) Wird im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren über die Gewerkschaftseigenschaft gestritten, ist das Verfahren nicht gemäß § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG auszusetzen.
2) Eine Gewerkschaft im Sinne des nordrhein-westfälischen Personalvertretungsrechts muss über hinreichende Durchsetzungskraft jedenfalls in personalvertretungsrechtlichen Zusammenhängen verfügen; solches ist bei mitgliederschwachen Verbänden zu verneinen, wenn diese nicht wenigstens über Personalratsmandate in einer nennenswerten Zahl von Dienststellen verfügen.
3) Ein Berufsverband, dem nach Maßgabe von § 125 NWPersVG die personalvertretungsrechtlichen Aufgaben und Befugnisse von Gewerkschaften zustehen, muss nicht selbst die Anforderungen an den personalvertretungsrechtlichen Gewerkschaftsbegriff erfüllen.
§§§
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