BVerwG | 2005 (9) | 241-270 |
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05.241 Ausländische Fahrerlaubnis |
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BVerwG, U, 17.11.05, - 3_C_54/04 -
FeV_§_28 Abs.4, FeV_§_28 Abs.5; IntKfzV_§_4 Abs.3, IntKfzV_§_4 Abs.4; Richtlinie 91/439 EWG Art.1 Abs.2, Art.8 Abs.4
Ausländische Fahrerlaubnis / Recht zum Gebrauch einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland nach Versagung oder Entziehung einer inländischen Fahrerlaubnis / Zuerkennung des Rechts, mit einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland ein Kraftfahrzeug zu führen
1) Ist eine Fahrerlaubnis im Inland entzogen oder bestandskräftig versagt worden, so schließt § 28 Abs.4 Nr.3 FeV bzw § 4 Abs.3 Nr.3 IntKfzV das Recht, mit einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland ein Kraftfahrzeug zu führen, für alle Fahrerlaubnisklassen aus.
2) Wird dem Betroffenen nach Entziehung oder Versagung einer inländischen Fahrerlaubnis gemäß § 28 Abs.5 FeV bzw § 4 Abs.4 IntKfzV in den Klassen, die Gegenstand der Entziehung oder Versagung waren, das Recht zum Gebrauch einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland zuerkannt, so bedarf es für das Gebrauchmachen von ausländischen Fahrerlaubnissen anderer Klassen keiner weiteren Zuerkennungsentscheidung.
3) Es bleibt offen, inwieweit diese Regelungen mit Art.1 Abs.2 iVm Art. 8 Abs.4 Richtlinie 91/439/EWG vereinbar sind.
§§§
05.242 DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz |
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BVerwG, U, 17.11.05, - 3_C_55/04 -
GG_Art.14 Abs.3 S.4; DDR-EErfG_§_3, DDR-EErfG_§_6; GVG_§_17a Abs.2, GVG_§_17a Abs.5
stecken gebliebene Entschädigung / hängen gebliebene DDR-Entschädigung / DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz / Enteignung / Enteignungsentschädigung / Entschädigung / Auskehrung / Wiedergutmachung / Zinsanspruch / Zinsen / Rechtsweg / Verwaltungsrechtsweg / Zivilrechtsweg / öffentlich-rechtliche Streitigkeit
1) Durch das DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz wurden die Ansprüche auf Auszahlung einer Entschädigung, die nach den zum Zeitpunkt der Enteignung in der Deutschen Demokratischen Republik anzuwendenden gesetzlichen Vorschriften zu gewähren war, auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt. Für einen unmittelbaren Rückgriff auf in der DDR ergangene Festsetzungsbescheide als Anspruchsgrundlage bleibt deshalb kein Raum.
2) Das DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz erfasst solche Entschädigungsansprüche auch dann, wenn sie vor dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes bereits rechtshängig waren.
3) Ein Anspruch nach dem DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz setzt eine behördliche Entscheidung in dem in den §§ 4 bis 6 dieses Gesetzes vorgesehenen Verfahren voraus und kann nicht unmittelbar im Wege einer Leistungsklage gegen den nach § 1 Abs.1 DDR-EErfG zur Zahlung Verpflichteten verfolgt werden.
§§§
05.243 Rückforderung von Lastenausgleichsleistungen |
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BVerwG, U, 17.11.05, - 3_C_1/05 -
LAG_§_349 Abs.1 S.1, LAG_§_349 Abs.2 S.2, LAG_§_349 Abs.3 S.1, LAG_§_349 Abs.3 S.2, LAG_§_342 Abs.3; BewG_§_22
Rückforderung von Lastenausgleichsleistungen / Schadensausgleich / Wertminderungen / Fehlen geringfügiger Flächenanteile / Erheblichkeitsschwelle
Die Wiedererlangung der vollen Verfügungsmöglichkeit über einen lastenausgleichsrechtlich als weggenommen behandelten Grundbesitz stellt auch dann eine Rückgabe im Sinne der Schadensausgleichsfiktion des § 349 Abs.3 Satz 2 LAG dar, wenn geringfügige Teilflächen fehlen. Geringfügig sind Bestandsveränderungen, die den Einheitswert unberührt lassen. Maßgeblich ist insoweit § 22 BewG in der Fassung vom 16. Oktober 1934 (RGBl I S.1035) unter Berücksichtigung der Änderungen durch das Einführungsgesetz zu den Realsteuergesetzen vom 1.Dezember 1936 (RGBl I S.961; wie Urteile vom 12.Dezember 1974 BVerwG 3 C 72.72 BVerwGE 47, 265; vom 31.Mai 1979 BVerwG 3 C 39.78 Buchholz 427.6 § 15 BFG Nr.14 und vom 11.Dezember 1980 BVerwG 3 C 8.80 Buchholz 427.6 § 15 BFG Nr.17).
§§§
05.244 Vermögensrechtliche Rückübertragung |
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BVerwG, B, 22.11.05, - 7_B_32/05 -
VermG_§_1 Abs.1 Buchst.a
vermögensrechtliche Rückübertragung / Darlehensforderung / entschädigungslose Enteignung / faktische Enteignung / Darlehensnehmer / Einzelkaufmann / Verbindlichkeit des Betriebs / Enteignung des Betriebs / Fortbestand der Forderung / mittelbare Schädigung
1) Der Gläubiger eines Darlehens, das ohne dingliche Sicherung an den Inhaber eines Betriebs zur Verwendung für das Unternehmen gegeben wurde, ist durch die spätere Verstaatlichung des Unternehmens selbst nicht im Sinne des § 1 Abs.1 Buchst.a VermG entschädigungslos enteignet worden, wenn die Darlehensforderung gegen den früheren Inhaber des Betriebs fortbesteht.
2) Dass nach der Rechtsordnung der DDR keine (zusätzliche) Haftung des VEB begründet wurde, der das Unternehmen weiterführte, stellt keinen Eingriff in bestehende Rechte und damit weder rechtlich noch faktisch eine Enteignung dar.
§§§
05.245 Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen |
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BVerwG, U, 22.11.05, - 1_C_18/04 -
AufenthG_§_25 Abs.3, AufenthG_§_26 Abs.2, AufenthG_§_26 Abs.4, AufenthG_§_60 Abs.7; AuslG_§_30 Abs.3, AuslG_§_53 Abs.6, AuslG_§_55 Abs.2; AsylVfG_§_42
Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen / Aufenthaltsbefugnis / Abschiebungsverbot / freiwillige Ausreise in den Heimatstaat / freiwillige Ausreise in einen Drittstaat / Soll-Vorschrift / atypischer Fall / Widerruf des Abschiebungsverbots als atypischer Fall / gesetzlicher Ausschlussgrund
1) Bei der Entscheidung über die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs.3 AufenthG sind die Ausländerbehörden und die Gerichte an die unanfechtbare Feststellung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 53 Abs.6 Satz 1 AuslG (jetzt: § 60 Abs.7 Satz 1 AufenthG) gebunden.
2) Seit dem 1.Januar 2005 ist einem Ausländer nach § 25 Abs.3 AufenthG regelmäßig eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 53 Abs.6 Satz 1 AuslG oder § 60 Abs.7 Satz 1 AufenthG festgestellt und die Ausländerbehörde ihm Duldungen erteilt hat. Nur in atypischen Fällen entscheidet die Ausländerbehörde ausnahmsweise nach Ermessen.
3) Ein atypischer Ausnahmefall in diesem Sinne liegt vor, wenn das Bundesamt ein Verfahren auf Widerruf der Feststellung nach § 53 Abs.6 Satz 1 AuslG oder § 60 Abs.7 Satz 1 AufenthG eingeleitet hat.
§§§
05.246 Fun Games |
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BVerwG, U, 22.11.05, - 6_C_8/05 -
GewO_§_33c Abs.1, GewO_§_33d Abs.1, GewO_§_33i Abs.1, GewO_§_33i Abs.2; SpielV_§_9 S.1
Fun Game / Geldgewinnspiel / Unterhaltungsspielgerät / PEP-System
1) Sogenannte Fun Games, die ähnlich wie Geldspielgeräte aufgemacht sind, aber mit gegen Geld zu erwerbenden Spielmarken, sog Token, oder über entgeltlich aufladbare Speicherchips bespielt werden können, sind als Geldspielgeräte im Sinne des § 33 c GewO anzusehen, auch wenn Spielgewinne lediglich bis zur Höhe der für Token oder die Chipaufladung entrichteten Beträge ermöglicht werden. In Ermangelung einer dafür erforderlichen Bauartzulassung dürfen sie nicht in Gewerbebetrieben wie zB Spielhallen aufgestellt werden.
2) Die zuvor angekündigte Gewährung von Geld nach Ablauf einer Stunde Spielzeit an einem Geldspielgerät verstößt gegen § 9 Satz 1 SpielV und ist daher unzulässig.
§§§
05.247 Straßenplanung-Lärmschutz |
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BVerwG, U, 23.11.05, - 9_A_28/04 -
FStrG_§_3 Abs.1, FStrG_§_17 Abs.1 S.2, FStrG_§_17 Abs.6c; BImSchG_§_41, BImSchG_§_47 Abs.6, (aF) BImSchG_§_47a Abs.4; 16.BImSchV_§_1, 16.BImSchV_§_2 Abs.1, 16.BImSchV_Anl_1 zu § 3
Straßenplanung / Lärmschutz / Neubau / wesentliche Änderung / bauliche Erweiterung / erheblicher baulicher Eingriff / Kausalität / konzeptioneller Zusammenhang / Gesamtkonzept / Abschnittsbildung / Abwägungsgebot / Lärmminderungsplan
Steht ein erheblicher baulicher Eingriff in einen Verkehrsweg in engem konzeptionellen und räumlichen Zusammenhang mit einem bereits planfestgestellten oder während des Prognosezeitraums absehbaren Weiterbau dieses Verkehrsweges, so ist die durch den Eingriff bewirkte Erhöhung des Beurteilungspegels des von dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms nach § 1 Abs. 2 der 16. BImSchV zu ermitteln aus der Differenz der im maßgeblichen Prognosezeitpunkt zu erwartenden Beurteilungspegel am Immissionsort für den Zustand ohne und für den Zustand mit der Gesamtplanung. Das gilt auch dann, wenn der Weiterbau teilweise ohne den in Rede stehenden baulichen Eingriff durchgeführt werden könnte.
§§§
05.248 Umdiplomierung |
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BVerwG, U, 23.11.05, - 6_C_19/04 -
Einigungsvertrag_Art.37 Abs.1 S.2
Umdiplomierung / Nachdiplomierung / Diplom / Grad / akademischer Grad / DDR / Beitritt / Beitrittsgebiet / Prüfung / Befähigungsnachweis / Gleichwertigkeit / Niveaugleichheit / Berechtigung / gleiche Berechtigung
Aus Art.37 Abs.1 Satz 2 des Einigungsvertrages ergibt sich kein Anspruch auf Umwandlung eines in der DDR verliehenen Diplomgrades in einen vergleichbaren Diplomgrad, der in den alten Bundesländern verliehen wird ("Umdiplomierung").
§§§
05.249 Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge |
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BVerwG, U, 23.11.05, - 6_C_2/05 -
StPO_§_81b 2.Alt.
Vorbeugende Verbrechensbekämpfung / Strafverfolgungsvorsorge / Rechtsweg / erkennungsdienstliche Unterlagen
Die Zuständigkeit für polizeiliche Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge nach § 81 b 2. Alt. StPO beurteilt sich nicht nach der Strafprozessordnung, sondern nach den Polizeigesetzen der Länder.
§§§
05.250 Maßnahmebemessung bei Hehlerei |
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BVerwG, U, 23.11.05, - 2_WD_35/04 -
SG_§_17 Abs.2 S.2; WDO_§_16 Abs.1 Nr.2, WDO_§_108 Abs.3 S.1; StGB_§_259, StGB_§_267, StGB_§_53, StGB_§_25 Abs.2
Hehlerei / Verhängungsverbot / Einstellung des Verfahrens / Persönlichkeitsprognose / Zeitfaktor / Besonderheiten des Einzelfalles
Zur Maßnahmebemessung bei Hehlerei durch einen Soldaten.
§§§
05.251 Anschluss- und Benutzungszwang |
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BVerwG, U, 23.11.05, - 8_C_14/04 -
GG_Art.28 Abs.2 S.1, GG_Art.20a; (BW) GO_§_11 Abs.2
Anschluss- und Benutzungszwang / gemeindliches Satzungsrecht / Aufgabe / kommunale Selbstverwaltung / Grenzen / Staatszielbestimmung / Änderung der Rechtsgrundlage im Revisionsverfahren
Art.20a GG ermächtigt eine Gemeinde nicht, Aufgaben des Umweltschutzes losgelöst von ihrem Kompetenzbereich an sich zu ziehen.
Z-501 Schutzauftrag des Art.20a GG und Gemeinde
Die Gewährleistung des Art. 28 Abs.2 Satz 1 GG sichert den Gemeinden einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte in diesem Bereich zu (BVerfGE 26,228; 56,298; 59,216; 79,127; 91,228; 110,370). (Abs.19)
Der Vorbehalt "im Rahmen der Gesetze" in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, der sich sowohl auf den gegenständlichen Aufgabenbereich als auch auf die Art und Weise der Er¬ledigung bezieht, überläßt dem Gesetzgeber diese Ausgestaltung und Formung nicht beliebig. Der Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie setzt dem Gesetzgeber eine Grenze. Danach darf der Wesensgehalt der gemeindlichen Selbstverwaltung nicht ausgehöhlt werden (BVerfGE 1, 167 ; 38, 258 ; 76, 107 ). Dazu gehört die Befugnis, sich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die nicht durch Gesetz bereits anderen Trägern öffentlicher Verwaltung übertragen sind, anzunehmen. Gegenständlich beschränkt das Grundgesetz das gemeindliche Zugriffsrecht auf die Angelegenheiten der "örtlichen Gemeinschaft" und verwehrt den Gemeinden, unter Berufung auf ihre Allzuständigkeit auch allgemeinpolitische Fragen zum Gegenstand ihrer Tätigkeit zu machen (BVerfGE 8, 122 ). Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaften sind diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben (BVerfGE 8, 122 ; 50, 195 ; 52, 95 ), die also den Gemeindeeinwohnern gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und das Zusammenwohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen. Hat eine Aufgabe keinen oder keinen relevanten örtlichen Charakter, ist der Gesetzgeber in seiner Zuordnung frei und die Aufgabe fällt aus dem Gewährleistungsbereich heraus (BVerfGE 79, 127 ). Die örtlichen Bezüge einer Aufgabe und deren Gewicht lassen sich nicht an scharf konturierten Merkmalen messen. Die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft bilden keinen ein für alle Mal feststehenden Aufgabenkreis. Eine Aufgabe muss sich nicht hinsichtlich aller ihrer Teilaspekte als eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft darstellen. Sie kann vielmehr auch nur teilweise als örtlich anzusehen sein, im Übrigen aber überörtlich erscheinen (BVerfGE 110,370). (Abs.20)
Die Gewährleistung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG hinsichtlich des Aufgabenbereichs, der alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfasst, und der Organisationshoheit ist in ihrem Wesensgehalt nicht berührt. Die Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs, der jedenfalls das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG einschränkt, bedarf einer gesetzlichen Ermächtigung und gehört nicht von vornherein zum Inhalt der gemeindlichen Satzungshoheit. Er ist damit nicht automatisch von der Garantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG umschlossen (vgl. Urteile vom 11. April 1986 BVerwG 7 C 50.83 und 7 C 57.84 Buchholz 415.1 Allgemeines Kommunalrecht Nr. 58 S. 49 und vom 6. April 2005 BVerwG 8 CN 1.03 NVwZ 2005, 963 ). Der Verwaltungsgerichtshof hat mit seiner Auslegung von § 11 Abs. 2 GemO a.F. an die kommunalverfassungsrechtliche Systematik und den Willen des Gesetzgebers angeknüpft. Entscheidender Anknüpfungspunkt sei die räumliche Komponente. Die Gemeinde dürfe und solle sich derjenigen Bedürfnisse und Interessen annehmen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzelten oder auf sie einen spezifischen Bezug hätten. Inhalt und Schranken der kommunalen Selbstverwaltung hat der Verwaltungsgerichtshof bei der Auslegung der Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Satzung der Beklagten nicht verkannt, sondern entscheidungserheblich darauf abgestellt, dass die von der Beklagten mit der Maßnahme verfolgten Ziele des überörtlichen Umweltschutzes und einer vernünftigen Energiepolitik nicht unter den Begriff des "öffentlichen Bedürfnisses" im Sinne von § 11 Abs. 2 GemO a.F. subsumiert werden könnten, weil dieses voraussetze, dass durch den Anschluss- und Benutzungszwang an die Fernwärmeversorgung objektiv das Wohl der Gemeindeeinwohner gefördert werde; dies sei nicht der Fall, weil die Maßnahme keinen hinreichenden örtlichen Bezug aufweise. Insoweit scheidet auch eine Verletzung der Organisationshoheit der Beklagten aus (zur Organisationshoheit vgl. Urteil vom 6. April 2005 BVerwG 8 CN 1.03 a.a.O., m.w.N.). Die Eigenverantwortlichkeit der Gemeinde kann nur verletzt sein, wenn es sich um die Wahrnehmung einer Aufgabe handelt, die in den Kompetenzbereich der Gemeinde fällt. (Abs.21)
Auszug aus: Originalurteil, Abs.19 ff
Z-502 Im Rahmen der Gesetze" in Art.28 Abs.2 Satz 1 GG
Gemäß Art.20 a GG schützt der Staat auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung. Die Verpflichtung zum Schutz der natürlichen Grundlagen ist als Staatsziel ausgestaltet, dh staatliche Gewalt ist verfassungsrechtlich verpflichtet, das Gemeinschaftsgut "natürliche Lebensgrundlagen" im Sinne eines Optimierungsgebots zu schützen. Der Umweltschutz wird damit zu einer fundamentalen Staatsaufgabe. Art.20a GG wendet sich in erster Linie an den Gesetzgeber, den die Verpflichtung trifft, den in dieser Norm enthaltenen Gestaltungsauftrag umzusetzen (Beschluss vom 13.April 1995 BVerwG 4 B 70.95 Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr.309 S.47; Urteil vom 6.November 1997 BVerwG 4 A 16.97 Buchholz 310 § 42 VwGO Nr.250 S.36.). Art.20a GG bezieht aber auch die Exekutive und die Rechtsprechung in den Schutzauftrag mit ein. Bei der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe und bei der Betätigung von Ermessen ist das Schutzgebot des Art.20 a GG Auslegungs- und Abwägungshilfe (Beschluss vom 19. Dezember 1997 BVerwG 8 B 234.97 Buchholz 415.1 Allgemeines Kommunalrecht Nr.142 S.22 ). Durch die Einordnung der Staatszielbestimmung in die verfassungsmäßige Ordnung und den Vorbehalt von Gesetz und Recht wird klargestellt, dass der Umweltschutz keinen absoluten Vorrang genießt, sondern in Ausgleich mit anderen Verfassungsprinzipien und -rechtsgütern zu bringen ist. (Abs.23)
Als untergesetzliche Normgeberin hat auch die Gemeinde dem Schutzauftrag des Art.20a GG Rechnung zu tragen. Aus anderen gleichrangigen Verfassungsprinzipien und aus Grundrechten ergeben sich aber Grenzen, die bei der Verwirklichung des Staatszieles zu beachten und abzuwägen sind. Die Gemeinde darf unter Berufung auf Art.20a GG daher weder Maßnahmen des Umweltschutzes losgelöst von ihrem Kompetenzbereich an sich ziehen noch ihnen einen absoluten Vorrang einräumen mit der Konsequenz, dass Grundrechtseinschränkungen im Bereich des Umweltschutzes immer zu tolerieren wären. (Abs.24)
Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist ein Verstoß gegen Art.20a GG nicht ersichtlich. Für eine Auslegung, dass die gesetzliche Ermächtigung die Gemeinden auch zu einem Anschluss- und Benutzungszwang aus Gründen eines überörtlichen Klimaschutzes ermächtigt, bietet § 11 Abs.2 GemO aF keinen Raum. Nach dem Verständnis dieser Vorschrift, wie sie der Verwaltungsgerichtshof in Auslegung irrevisiblen Landesrechts gewonnen hat, ist ein öffentliches Bedürfnis für einen Anschluss- und Benutzungszwang nur gegeben, wenn das Ziel verfolgt wird, die lokale Umweltsituation zu verbessern. Eine darüber hinausgehende Ermächtigung lässt sich dem Art.20a GG nicht entnehmen. Die Verfassungsbestimmung knüpft an bestehende Kompetenzen an, in deren Rahmen das Staatsziel verwirklicht werden kann. Einer Erweiterung der Ermächtigung ohne Entscheidung des Gesetzgebers steht bereits die Unbestimmtheit des Schutzguts, dem ein dahingehender Rechtssatz nicht entnommen werden kann, und der dem Gesetzgeber einzuräumende Gestaltungsspielraum entgegen, der auch die Entscheidung umfasst, auf welcher Ebene und in welcher Weise neben den bereits bestehenden Regelungen wie z.B. dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, dem Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien und dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz das Staatsziel umzusetzen ist. Zudem bedarf die Anordnung und damit auch die Erweiterung eines Anschluss- und Benutzungszwangs wegen der Grundrechtsbetroffenheit der Gemeindeeinwohner einer Ermächtigung durch den Gesetzgeber. Inzwischen hat der Landesgesetzgeber die Baden-Württembergische Gemeindeordnung neu gefasst. § 11 Abs.1 Satz 1 GemO nF sieht nunmehr den Anschluss- und Benutzungszwang an die öffentliche Fernwärmeversorgung auch für den Fall vor, dass sie dem Schutz der natürlichen Grundlagen des Lebens einschließlich des Klima- und Ressourcenschutzes dient. (Abs.25)
Auszug aus: Originalurteil, Abs.23 ff
§§§
05.252 Großflächiger Einzelhandelsbetrieb |
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BVerwG, U, 24.11.05, - 8_C_8/05 -
BauGB_§_34 Abs.1; BauNVO_§ 11 Abs.3
Großflächiger Einzelhandelsbetrieb / Großflächigkeit / Verkaufsfläche / selbstständiger Betrieb / mehrere Betriebe
1) Einzelhandelsbetriebe sind großflächig im Sinne von § 11 Abs.3 Satz 1 Nr.2 BauNVO, wenn sie eine Verkaufsfläche von 800 m² überschreiten (wie Urteil vom 24.November 2005 BVerwG 4 C 10.04 ).
2) Ob es sich um einen einzigen oder um mehrere Betriebe handelt, bestimmt sich nach baulichen und betrieblich-funktionellen Gesichtspunkten. Ein Einzelhandelsbetrieb ist nur dann als selbstständig anzusehen, wenn er unabhängig von anderen Betrieben genutzt werden kann und deshalb als eigenständiges Vorhaben genehmigungsfähig wäre (wie Urteil vom 24.November 2005 BVerwG 4 C 14.04). Dies ist bei einem Betrieb zu bejahen, der über einen eigenen Eingang, eine eigene Anlieferung und eigene Personalräume verfügt (hier: Getränkemarkt neben einem Lebensmittel-Discount-Markt).
§§§
05.253 Kosten zu Unrecht erbrachter Leistungen |
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BVerwG, U, 24.11.05, - 5_C_16/04 -
BSHG_§_92a Abs.4
Erlöschen des Anspruches auf Kostenersatz bei zu Unrecht erbrachten Leistungen der Sozialhilfe / Kostenersatz bei zu Unrecht erbrachten Leistungen der Sozialhilfe / Erlöschen des Anspruches auf -
Der Anspruch auf Ersatz der Kosten zu Unrecht erbrachter Leistungen der Sozialhilfe gemäß § 92 a Abs. 4 Satz 1 BSHG erlischt in entsprechender Anwendung des Absatzes 3 Satz 1 der Bestimmung in drei Jahren vom Ablauf des Jahres an, in dem er aufgrund der Rücknahme der rechtswidrigen Sozialhilfebewilligung entstanden ist.
§§§
05.254 Großflächigkeit |
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BVerwG, U, 24.11.05, - 4_C_10/04 -
BauGB_§_30; BauNVO_§_11 Abs.3
großflächiger Einzelhandelsbetrieb / Großflächigkeit / Verkaufsfläche / Auswirkungen
1) Einzelhandelsbetriebe sind großflächig im Sinne von § 11 Abs.3 Satz 1 Nr.2 BauNVO, wenn sie eine Verkaufsfläche von 800 m² überschreiten.
2) Bei der Berechnung der Verkaufsfläche sind auch die Thekenbereiche, die vom Kunden nicht betreten werden dürfen, der Kassenvorraum (einschließlich eines Bereichs zum Einpacken der Ware und Entsorgen des Verpackungsmaterials) sowie ein Windfang einzubeziehen.
3) Da der Typus des der wohnungsnahen Versorgung dienenden Einzelhandelsbetriebs häufig nicht mehr allein anhand der Großflächigkeit bestimmt werden kann, kommt dem Gesichtspunkt der Auswirkungen in § 11 Abs.3 BauNVO erhöhte Bedeutung zu.
§§§
05.255 Sexuelle Belästigung einer Untergebenen |
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BVerwG, U, 24.11.05, - 2_WD_32/04 -
GG_Art.1 Abs.1, GG_Art.2 Abs.2 S.1; SG_§_6, SG_§_7, SG_§_10 Abs.3, SG_§_12 S.2, SG_§_17 Abs.2 S.1; WDO_§_38 Abs.1, WDO_§_58 Abs.7, WDO_§_62 Abs.1 S.3; StGB_§_21, StGB_§_49 Abs.1, StGB_§_177 Abs.1, StGB_§_177 Abs.5; StPO_§_331 Abs.1
Sexuelle Belästigung einer Untergebenen / strafbare Handlung im dienstlichen Bereich / selbstverschuldete Trunkenheit / Verschlechterungsverbot / Vorgesetzter / Vorgesetztendienstgrad
1) Bei sexueller Belästigung gegenüber einer untergebenen Soldatin ist im Regelfall die Dienstgradherabsetzung, unter Umständen sogar die Entfernung aus dem Dienstverhältnis geboten.
2) Die Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung (§ 7 SG) wird in schwerwiegender Weise verletzt, wenn ein Soldat im dienstlichen Bereich durch sexuelle Nötigung eine strafbare Handlung (§ 177 Abs.1 und 5 StGB) begangen hat.
3) Selbstverschuldete Trunkenheit führt nicht zu einer Maßnahmemilderung.
4) Absehen von der Höchstmaßnahme wegen Bindung an das Verschlechterungsverbot (§ 331 Abs.1 StPO iVm § 91 Abs.1 Satz 1 WDO).
§§§
05.256 Dienstliche Beurteilung |
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BVerwG, U, 24.11.05, - 2_C_34/04 -
BBG_§_15; BLV_§_40, BLV_§_41, BLV_§_41a; GG_Art.33 Abs.2
Dienstliche Beurteilung / während des Beurteilungszeitraums in Kraft getretene Beurteilungsrichtlinie / vorgeschriebenes Personalführungsgespräch / Richtwerte für Noten / zu bildende Vergleichsgruppe als Bezugsgruppe für Richtwerte / Größe der Vergleichsgruppe / Homogenität der Vergleichsgruppe, Gleichheit des Statusamts / Gleichheit des Dienstpostens / Ermessen des Dienstherrn für Einschätzung
1) Sind bei dienstlichen Beurteilungen Richtwerte für die Notenvergabe vorgeschrieben, muss die jeweilige Vergleichsgruppe hinreichend groß und hinreichend homogen sein.
2) Die Gruppe der Sachbearbeiter des gehobenen Dienstes einer Fachabteilung einer Behörde genügt dem Homogenitätserfordernis, wenn die Beamten trotz unterschiedlicher Statusämter im Wesentlichen gleiche Dienstaufgaben wahrnehmen.
§§§
05.257 Städtebaulicher Vertrag |
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BVerwG, U, 25.11.05, - 4_C_15/04 -
(98) BauGB_§_2 Abs.3; BauGB_§_2 Abs.4; BauGB_§_4b, BauGB_§_11, (04) BauGB_§_1 Abs.3 S.2; BauGB_§_1 Abs.8; BauGB_§_4b, BauGB_§_11; BGB_§_291; GVG_§_17b Abs.1 S.2; VwVfG_§_59; ZPO_§_261, ZPO_§_696
Städtebaulicher Vertrag / Bebauungsplan, Aufstellung eines s / Anspruch auf - / Anspruch auf Durchführung eines Verfahrens auf -/ Änderung eines Bebauungsplans / Kosten für die - / Abwälzbarkeit der -/ Angemessenheit / Kausalität / Verwaltungskosten / persönliche -/ sachliche -/ Nichtigkeit / Teilnichtigkeit/ Gesamtnichtigkeit / Zinsen / Prozesszinsen / Rechtshängigkeit / Mahnbescheid / Verweisung
In einem städtebaulichen Vertrag nach § 11 Abs.1 Satz 2 Nr.3 BauGB darf vereinbart werden, dass der Vertragspartner auch die verwaltungsinternen Kosten (Personal- und Sachkosten) zu tragen hat, die der städtebaulichen Planung einer Gemeinde zurechenbar sind. Ausgenommen hiervon sind Kosten für Aufgaben, die die Gemeinde nicht durch Dritte erledigen lassen dürfte, sondern durch eigenes Personal wahrnehmen muss.
§§§
05.258 Windenergieanlage |
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BVerwG, B, 28.11.05, - 4_B_66/05 -
BauGB_§_35 Abs.1 Nr.5, BauGB_§_35 Abs.3 S.1, BauGB_§_35 Abs.3 S.3
Windenergieanlage / Außenbereich / öffentlicher Belang / in Aufstellung befindliches Ziel der Raumordnung als - / Vorrangflächen / Vorbehaltsflächen / unbeplante Flächen / "weiße" Flächen / Ausschlusswirkung
Weist der Raumordnungsplan Vorranggebiete aus, die der Nutzung der Windenergie im Plangebiet substanziell Raum schaffen, stehen Flächen, auf denen die Träger der Flächennutzungsplanung weitere Standorte für Windenergieanlagen ausweisen dürfen (so genannte "weiße" Flächen), der Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB nicht entgegen. Die Ausschlusswirkung erstreckt sich allerdings nur auf die Gebiete, die der Plan als Ausschlusszone festschreibt. Die "weißen" Flächen erfasst sie nicht, weil es in Bezug auf diese Flächen an einer abschließenden raumordnerischen Entscheidung fehlt.
§§§
05.259 Großflächiger-Einzelhandelsbetrieb |
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BVerwG, B, 29.11.05, - 4_B_72/05 -
BauGB_§_29 Abs.1; BauGB_§_31 Abs.2; BauNVO_§_11 Abs.3
Einzelhandelsbetrieb, großflächiger -/ Erweiterung / Änderung / Vorhaben / Verkaufsfläche / Geschossfläche / Regelvermutung / Vermutungsregel / Widerlegung / Gesamtvorhaben / Auswirkungen / Befreiung
Es kommt weder für das Eingreifen der Regelvermutung nach § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO noch für deren Widerlegung darauf an, ob der Einzelhandelsbetrieb von vornherein in der nun zu beurteilenden Größe errichtet oder ob ein bestehender Betrieb nachträglich erweitert werden soll.
§§§
05.260 Entsorgung gewerblicher Siedlungsabfälle |
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BVerwG, U, 01.12.05, - 10_C_4/04 -
GG_Art.3 Abs.1; GG_Art.70; GG_Art.74 Abs.1 Nr.11, GG_Art.74 Abs.1 Nr.24, GG_Art.74 Abs.2, GG_Art.103 Abs.1; EWGV_Art.130r Abs.2; EG_Art.174 Abs.2 S.3, EG_Art.234; RL 75/442/EWG Art.3 Abs.1 lit.b), Art.5 Abs.2; VwGO_§_86 Abs.1; VwGO_§_108 Abs.2, VwGO_§_132 Abs.2 Nr.3; KrW-/AbfG_§_1; KrW-/AbfG_§_3 Abs.1, KrW-/AbfG_§_3 Abs.7; KrW-/AbfG_§_5 Abs.2 S.2, KrW-/AbfG_§_5 Abs.4, KrW-/AbfG_§_5 Abs.5, KrW-/AbfG_§_10 Abs.1, KrW-/AbfG_§_11 Abs.1, KrW-/AbfG_§_12 Abs.1; KrW-/AbfG_§_13 Abs.1; KrW-/AbfG_§_15 Abs.1 S.1; KrW-/AbfG_§_22 ff; GewAbfV_§_7 Abs.4; (RP) KAG_§_7 Abs.1 S.1
Abgaben / Gebühren / Beiträge / Steuern / Typenzwang / Bestimmtheitsgebot / Belastungsgleichheit / Äquivalenzprinzip / Grundsatz der Leistungsproportionalität / Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit / Mindestgebühr / Grundgebühr / Grundsatz der Typengerechtigkeit / Wirklichkeitsmaßstab / Vorhaltekosten / Kostendeckung / Lenkungswirkung / Einheit der Rechtsordnung / Gebührensatzung / Abfallwirtschaftssatzung / Anschluss- und Benutzungszwang / Restabfallsack / Behälternutzungspflicht / Restmüllgefäß / Pflichtmülltonne / dualer Abfallbegriff / Abfallentsorgung / Wahl des Entsorgungswegs / kommunale Abfallentsorgung / öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger / Eigenentsorgung / kommerzielle Abfallwirtschaft / private Entsorgungsunternehmen / Verwertungsoption / Abfall zur Beseitigung / Abfall zur Verwertung / Sekundärrohstoff / Abfall als Wirtschaftsgut / energetische Verwertung / stoffliche Verwertung / Abfallgemisch / gewerblicher Siedlungsabfall / Abfallerzeuger / Abfallbesitzer / Verursacherprinzip / Produktverantwortung / abfallrechtliche Überlassungspflicht / Verwertungsgebot / Vorrang der Verwertung / fehlende Inanspruchnahme der kommunalen Entsorgungsleistung / Abfallvolumen eines Kleinsthaushaltes / Abfallrahmenrichtlinie / Näheprinzip / Verfahrensmangel / Aufklärungsrüge / Gehörsrüge / auf Willkür beruhende Gerichtsentscheidung
1) Auch vor In-Kraft-Treten der Gewerbeabfallverordnung stellte der Vorrang der Abfallverwertung, den das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz statuiert, kein rechtliches Hindernis dar, Erzeuger und Besitzer gewerblichen Siedlungsabfalls, der nicht verwertet wird, einer satzungsrechtlichen Behälternutzungspflicht und einer daran anknüpfenden Gebührenregelung zu unterwerfen (im Anschluss an BVerwG, Urteile vom 17. Februar 2005 BVerwG 7 C 25.03 und 7 CN 6.04 Buchholz 451.221 § 12 KrW-/AbfG Nr. 2 und 3).
2) Es hält sich im Rahmen des Grundsatzes der Typengerechtigkeit, wenn eine kommunale Abgabensatzung die Mindestgebühr für die Entsorgung gewerblicher Siedlungsabfälle nach einem Maßstab bemisst, der sich am Abfallvolumen orientiert, das durchschnittlich in einem privaten Kleinsthaushalt anfällt. Diese Mindestgebühr entfaltet keine Lenkungswirkung, die mit dem abfallrechtlichen Verwertungsgebot in Widerspruch steht.
3) Dem Grundsatz der Belastungsgleichheit und dem Äquivalenzprinzip widerspricht es nicht, die Mindestgebühr auch dann zu erheben, wenn der Gebührenschuldner unter Verstoß gegen die satzungsrechtliche Behälternutzungspflicht das ihm zur Verfügung gestellte Abfallgefäß nicht nutzt.
4) Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz hat für gewerbliche Siedlungsabfälle keinen Grundsatz freiwilliger Inanspruchnahme kommunaler Entsorgungseinrichtungen aufgestellt und dem Abfallerzeuger die Überlassung der Abfälle bis zum Erlass einer Ordnungsverfügung nicht freigestellt.
5) Seiner abfallwirtschaftlichen Verantwortung, die ihm mit dem Vorrang der Verwertung auferlegt ist, genügt der Abfallerzeuger nicht, wenn er seinen gewerblichen Siedlungsabfall einem privaten Entsorgungsunternehmen überlässt, ohne dass ein bestimmter Weg zur Verwertung sichergestellt ist. Spätestens mit der Bereitstellung zur Verbringung aus der Betriebstätte fällt insoweit Abfall zur Beseitigung mit der Folge an, dass den Abfallerzeuger gegenüber dem kommunalen Entsorgungsunternehmen eine Überlassungspflicht trifft.
§§§
05.261 Kosten eines Verbundnetzes |
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BVerwG, U, 01.12.05, - 10_C_1/05 -
GG_Art.28 Abs.2; WVG_§_8, WVG_§_23 Abs.2, WVG_§_28 Abs.3, WVG_§_28 Abs.4, WVG_§_30 Abs.1; (NW) LWG_§_47a Abs.1 S.1; (NW) KAG_§_7 Abs.1 S.1
Abgaben / Verbandslasten / Beiträge / Vorteilsmaßstab / Wasserverband / kommunale Wasserversorgung / Wasserfehlbedarf / Verbundnetz / Mitglieder / Drittversorger / Wasserbeschaffungsverbände / Nutznießer / Wasserverkaufsmenge / Endverbraucher
Der von einer Gemeinde zu tragende Anteil an den Kosten eines Verbundnetzes, das von einem Wasserverband betrieben wird, um im Falle eines Wasserfehlbedarfs die kommunale Wasserversorgung der Mitgliedsgemeinden sicherzustellen, kann in der Verbandssatzung nach dem Verhältnis der an die Endverbraucher im Abrechnungszeitraum abgegebenen Wasserverkaufsmengen bemessen werden. Wasserverkaufsmengen der auf dem Gemeindegebiet als Drittversorger tätigen Wasserbeschaffungsverbände dürfen dabei einbezogen werden, solange diese über einen Anschluss an das Verbundnetz verfügen, der mit Wissen und Willen der Gemeinde eingerichtet worden ist.
§§§
05.262 "Liste 3 Enteignung" |
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BVerwG, B, 05.12.05, - 7_B_81/05 -
VermG_§_1 Abs.8 Buchst.a
"Liste 3 Enteignung" / besatzungshoheitliche Enteignung
Eine vom sog demokratischen Magistrat von Groß-Berlin nach Maßgabe der "Liste 3" oben zum Gesetz zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten vom 8.Februar 1949 beschlossene Enteignung eines Vermögenswerts folgte auch dann auf besatzungshoheitlicher Grundlage im Sinne von § 1 Abs.8 Buchst.a VermG, wenn die vor dem 5.Februar 1949 erfolgte Beschlagnahme des Vermögenswerts der sowjetischen Besatzungsmacht nicht bekannt war (im Anschluss an Urteil vom 13.Februar 1995 BVerwG 7 C 53.94 BVerwGE 98,1 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr.38).
§§§
05.263 Einberufung einer Gruppenversammlung |
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BVerwG, B, 12.12.05, - 6_P_7/05 -
(NW) PersVG_§_39, PersVG_§_45 ff
Einberufung einer Gruppenversammlung durch den Personalrat / Abstimmung mit dem Dienststellenleiter / Einladung einzelner Beschäftigter zu Besprechungsterminen im Personalratsbüro / Herstellung des Benehmens mit dem Dienststellenleiter
1) Will der Personalrat eine Gruppenversammlung im Sinne von § 45 Abs.2 Satz 2 NWPersVG einberufen, so muss er sich zuvor mit dem Dienststellenleiter abstimmen.
2) Das gleiche gilt, wenn er einzelne Beschäftigte zu einem Besprechungstermin in das Personalratsbüro einladen will; für solche Fälle kann das Benehmen mit dem Dienststellenleiter auch dadurch hergestellt werden, dass dieser generell erklärt, mit einer Einladung durch den Personalrat ohne vorherige Rücksprache einverstanden zu sein, wenn die gleichzeitige Mitteilung der Einladung ihm ermöglicht, gegebenenfalls Einwände vorzubringen und die Verschiebung der Besprechung zu erreichen.
§§§
05.264 Rückübertragungsausschluss |
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BVerwG, U, 13.12.05, - 8_C_13/04 -
VermG_§_5 Abs.1 Buchst.a
Rückübertragungsausschluss förmlicher Anordnung der Verwalterbestellung / Umwandlung einer Kinderkrippe in ein Kinderheim / Änderung der Zweckbestimmung eines Gebäudes
Auch vor der endgültigen Entziehung eines Grundstücks durch dessen Inanspruchnahme nach dem Aufbaugesetz können Veränderungen von Grundstücken oder eines Gebäudes in ihrer Nutzungsart oder Zweckbestimmung, die mit einem erheblichen baulichen Aufwand verbunden sind, zu einem Ausschluss der Rückübertragung nach § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG führen, wenn diese nach der förmlichen Anordnung der staatlichen Verwaltung erfolgt sind, die später in eine Enteignung des Grundstücks einmündet.
§§§
05.265 Reiseausweis |
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BVerwG, U, 13.12.05, - 1_C_36/04 -
GFK_Art.28 Abs.1 S.2, GFK_Art.32, GFK_13, GFK_14, Anhang zur GFK Staatenlosenübereinkommen - StlÜbK_Art.28 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge - WVRK_Art.4, WVRK_31 Abs.1; AufenthG_§_11 Abs.1 S.1, AufenthG_§_25 Abs.5, AufenthG_§_37 Abs.3 Nr.1; AuslG_§_8 Abs.2
Rechtmäßiger Aufenthalt / Ausweisung / Duldung / Flüchtling / Genfer Flüchtlingskonvention / Konventionspass / Konventions-Reiseausweis / öffentliche Ordnung / ordre public-Vorbehalt / PKK / Reiseausweis / Sperrwirkung / öffentliche Sicherheit / Terrorismus
Die Ausländerbehörde kann einem anerkannten Flüchtling auch dann nach ihrem Ermessen einen Reiseausweis nach Art.28 Abs.1 Satz 2 GFK ausstellen, wenn sein Aufenthalt nach bestandskräftiger Ausweisung nur geduldet wird. § 11 Abs.1 Satz 1 AufenthG steht dem nicht entgegen.
§§§
05.266 Bodenordnungsverfahren |
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BVerwG, U, 14.12.05, - 10_C_6/04 -
FlurbG_§_4; LwAnpG_§_56 ff, LwAnpG_§_63 Abs.3
Flurbereinigungsverfahren / Bodenordnungsverfahren / Zusammenführung von Gebäude- und Bodeneigentum / kombiniertes Verfahren / Verbindung der Verfahren
Bundesrecht insbesondere § 63 Abs.3 LwAnpG verbietet es nicht, ein Flurbereinigungsverfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz und ein Bodenordnungsverfahren nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz in der Weise miteinander zu kombinieren, dass die Verfahren parallel betrieben und die zu treffenden Entscheidungen gebündelt werden. Voraussetzung ist, dass die in dem jeweiligen Verfahren geltenden formellen und materiellen Voraussetzungen beachtet werden und der Betroffene durch die Kombination der Verfahren nicht schlechter gestellt wird, als wenn die Verfahren getrennt und nacheinander durchgeführt und abgeschlossen würden.
§§§
05.267 Spielautomaten ohne Gewinnmöglichkeit |
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BVerwG, U, 14.12.05, - 10_CN_1/05 -
GG_Art.105 Abs.2a; GG_Art.3 Abs.1
Vergnügungssteuer / Aufwandsteuer / Spielautomatensteuer / Stückzahlmaßstab / Schwankungsbreite der Einspielergebnisse / Bezug zum Vergnügungsaufwand der Spieler / Spielapparate ohne Gewinnmöglichkeit / Unterhaltungsspielgeräte
Sofern für Spielautomaten ohne Gewinnmöglichkeit nicht feststeht, dass in dem betreffenden Gemeindegebiet nur Apparate mit "manipulationssicherem" Zählwerk aufgestellt sind und aller Voraussicht nach nur solche Apparate künftig aufgestellt werden, ist die Erhebung der Vergnügungssteuer nach dem Stückzahlmaßstab für diesen Typ von Spielautomaten weiterhin grundsätzlich zulässig (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 13.April 2005 BVerwG 10 C 5.04 DVBl 2005, 1208).
§§§
05.268 Magermilch |
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BVerwG, U, 15.12.05, - 3_C_53/04 -
VO (EWG) Nr.2204/90; MOG_§_14 Abs.1
Marktorganisation für Milch / Magermilch / Kasein / Beihilfe / Kaseinbeihilfe / Rückforderung / Erstattung / Abgabe zu Marktordnungszwecken / Sanktion / Verwaltungssanktion / Verwaltungsstrafe / Zinsen / Verzinsung
1) Eine besondere Vergünstigung im Sinne von § 14 Abs.1 Satz 1 MOG muss auf der Grundlage eines begünstigenden Verwaltungsakts gewährt worden sein. Ihre Erstattung setzt voraus, dass dieser Verwaltungsakt zuvor nach § 10 MOG zurückgenommen oder widerrufen worden ist.
2) Abgaben zu Marktordnungszwecken im Sinne von § 14 Abs.1 Satz 2 MOG setzen die Rechtmäßigkeit der Produktion voraus. Zahlungspflichten, die durch unrechtmäßiges Handeln ausgelöst werden, sind keine Abgaben, sondern Sanktionen.
§§§
05.269 Beihilfevorschriften des Bundes |
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BVerwG, U, 15.12.05, - 2_C_35/04 -
GG_Art.3 Abs.1, GG_Art.33 Abs.5; BBG_§_79; BhV_§_5 Abs.4 Nr.1, BhV_§_5 Abs.4 Nr.2, BhV_§_5 Abs.4 Nr.9; SGB-V_§_5 Abs.1 Nr.11, SGB-V_§_13 Abs.2, SGB-V_§_249a
Beihilfevorschriften des Bundes und Gesetzesvorbehalt / beihilfeberechtigter Angehöriger / freiwillige gesetzliche Krankenversicherung / Krankenversicherungspflicht der Rentenbezieher / Nachrang der Beihilfe / Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag / Zuzahlungen und Kostenanteile in der gesetzlichen Krankenversicherung
1) Die krankenversicherungspflichtigen Rentenbezieher haben Anspruch auf einen zuschussgleichen Finanzierungsanteil zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag.
2) Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen, die wegen der Inanspruchnahme von Kostenerstattung in der gesetzlichen Krankenversicherung ungedeckt bleiben, ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
3) Die Systemunterschiede zwischen gesetzlicher Krankenversicherung und privater Gesundheitsvorsorge einschließlich ergänzender Beihilfe rechtfertigen es, Beihilfeleistungen zu der Eigenbeteiligung des gesetzlich Versicherten auszuschließen.
§§§
05.270 Arbeitszeitverkürzungstag |
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BVerwG, U, 15.12.05, - 2_C_4/05 -
(NW) LBG_§_78 Abs.3; (NW) (aF) AZVO_§_2a
Arbeitszeit der Beamten / sog Arbeitszeitverkürzungstag, rückwirkende Aufhebung / echte Rückwirkung / Vertrauensschutz / Ermessensrichtlinie / Vorwegnahme einer beabsichtigten Rechtsänderung durch generell versagende Ermessensentscheidung / Ermessensschrumpfung
Die beabsichtigte rückwirkende Aufhebung einer Arbeitszeitregelung berechtigt den Dienstherrn nicht, bereits gegenwärtig die Arbeitszeit im Vorgriff auf das künftige Recht zu gestalten.
§§§
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