BVerwG |
2004 (5) |
121-150 |
| [ 2003 ][ « ][ » ][ 2005 ] | [ ] |
BVerwG, B, 18.08.04, - 1_WB_8/04 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
SLV_§_2 Abs.2; ZDv 20/6 Nrn.903 Buchst.a, 905 Buchst.b, 906 Buchst.b
Beurteilung / Stellungnahme / nächsthöherer Vorgesetzter / Förderungswürdigkeit.
Zur Entwicklung der Beurteilung der Förderungswürdigkeit aus der Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten zum Leistungsstand und Eignungsgrad eines Soldaten.
§§§
BVerwG, B, 19.08.04, - 1_WDS-VR_5/04 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
GG Art.3 Abs.3 S.2, GG_Art.20 Abs.1; SG_§_10 Abs.3;
Schwerbehinderung / Fürsorgeerlass / Fürsorgepflicht / Zahnarzt / Benachteiligungsverbot.
Inhalt der gesetzlichen Fürsorgepflicht der Vorgesetzten gegenüber einem schwerbehinderten Soldaten ist unter anderem, die Regelungen des im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung geltenden Fürsorgeerlasses, der das Benachteiligungsverbot des Art.3 Abs.3 Satz 2 GG und des Sozialstaatsgebots (Art.20 Abs.1 GG) konkretisiert, zu beachten; der von dem Fürsorgeerlass erfasste Personenkreis kann sich auf dessen Beachtung berufen.
§§§
04.123 Baugenehmigungsgebühr |
---|
BVerwG, B, 20.08.04, - 9_B_40/04 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
GG Art.3 Abs.1; (Th) VwKostG_§_3 Abs.1 Nr.5;
Verwaltungsgebühr / Baugenehmigungsgebühr / Gebührenbefreiung als negative Staatsleistung / freie Wohlfahrtsverbände / bundesrechtskonforme Auslegung und Anwendung des Landesrechts / Abgabengerechtigkeit / Willkürverbot.
§ 3 Abs.1 Nr.5 ThürVwKostG, der den freien Wohlfahrtsverbänden in Thüringen Befreiung von Verwaltungsgebühren gewährt, verstößt nicht gegen den bundesrechtlichen Grundsatz der Abgabengerechtigkeit (Art.3 Abs.1 GG), wenn der Befreiungstatbestand dahingehend ausgelegt wird, dass er nur den in der Liga der freien Wohlfahrtsverbände zusammengeschlossenen und in Thüringen tätigen (Landes-)Wohlfahrtsverbänden (Caritas, Diakonisches Werk, Arbeiterwohlfahrt, Deutsches Rotes Kreuz, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Zentrale Wohlfahrtsstelle für Juden) zugute kommt, nicht aber anderen im Bereich der Wohlfahrtspflege tätigen Organisationen, auch wenn sie ihrerseits Mitglied eines freien Wohlfahrtsverbandes sind.
§§§
BVerwG, B, 25.08.04, - 9_BN_2/04 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
GG_Art.19 Abs.4; VwGO_§_47 Abs.2;
Recht auf wirksamen Rechtsschutz gegen die öffentliche Gewalt / Normenkontrolle.
Es verletzt nicht das Recht auf wirksamen Rechtsschutz gegen die öffentliche Gewalt, wenn ein Gericht die inhaltliche Überprüfung einer untergesetzlichen Rechtsvorschrift ablehnt, weil es den vom Antragsteller beanstandeten Eingriff der öffentlichen Gewalt in seine Rechte unabhängig von jener Rechtsvorschrift bereits unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten für gerechtfertigt hält.
§§§
04.125 Geheimhaltungsvorschriften |
---|
BVerwG, B, 26.08.04, - 20_F_16/03 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
VwGO_§_99 Abs.1 S.2; VwVfG_§_40; (Th) VSG_§_11 Abs.2
"in-camera"-Verfahren / Ermächtigung zur Ermessensentscheidung über Aktenvorlage / Verpflichtung zur Zurückhaltung der Akten nach allgemeinen Geheimhaltungsvorschriften / ordnungsgemäße Ermessensausübung / Differenzierung bei Verschiedenartigkeit der Gründe für die Zurückhaltung der Akten
1) Die Vorschrift des § 99 Abs.1 Satz 2 VwGO über die Ermächtigung der obersten Aufsichtsbehörde zur Entscheidung nach Ermessen, in einem anhängigen Verwaltungsrechtsstreit auch geheimhaltungsbedürftige Behördenakten dem Verwaltungsgericht vorzulegen, geht als prozessrechtliche Spezialbestimmung allgemeinen Geheimhaltungsvorschriften vor, nach denen die Behörde dem Betroffenen keinen Einblick in geheimhaltungsbedürftige Akten mit ihn betreffenden Daten gewähren darf.
2) Entscheidet sich die oberste Aufsichtsbehörde bei einer Akte, deren einzelne Teile sie aus unterschiedlichen Gründen für geheimhaltungsbedürftig erachtet, gegen eine Vorlage an das Verwaltungsgericht, müssen ihre Ermessenserwägungen erkennen lassen, warum hinsichtlich jedes dieser Aktenbestandteile dem Geheimhaltungsinteresse Vorrang vor dem Interesse an umfassender Sachverhaltsermittlung durch das Verwaltungsgericht und an effektivem Rechtsschutz eingeräumt wird.
§§§
BVerwG, U, 31.08.04, - 5_C_8/04 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
BSHG_§_11, BSHG_§_12; RegelsatzVO_§_3 Abs.1 S.1; WoGG_§_8
Angemessenheit von Unterkunftskosten / Kosten der Unterkunft / Sozialhilfe / Angemessenheit.
In welcher genauen Höhe Aufwendungen für eine Unterkunft nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere der Mietpreissituation auf dem maßgeblichen regionalen Wohnungsmarkt, angemessen sind, ist eine Frage der tatrichterlichen, einzelfallbezogenen Bewertung der für den jeweiligen örtlichen Wohnungsmarkt zur Verfügung stehenden Informationen und entzieht sich insoweit revisionsgerichtlicher Festlegung.
§§§
BVerwG, U, 01.09.04, - 6_P_3/04 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
(Bl) PersVG_§_85 Abs.2 Nr.2, PersVG_§_90 Nr.2
Beteiligung der Personalvertretung / Mitwirkung beim Erlass von Verwaltungsvorschriften / mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten / Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung / Pflichtstundenzahl für Lehrer / Streichung der Altersermäßigung
1) Die Vorschrift über die Mitwirkung des Personalrats beim Erlass von Verwaltungsvorschriften (§ 90 Nr.2 BlnPersVG) ist in den mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten nach § 85 BlnPersVG nicht anzuwenden.
2) Die Streichung der Altersermäßigung in Nr.7.1 der Richtlinien für die Lehrerstundenzumessung und die Organisation der Berliner Schule ab dem Schuljahr 2002/03 war als Maßnahme zur Hebung der Arbeitsleistung nach § 85 Abs.2 Nr.2 Alt.1 BlnPersVG mitbestimmungspflichtig.
§§§
BVerwG, U, 01.09.04, - 9_C_15/03 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
GG_Art.3 Abs.1, (aF) GG_Art.74 Nr.18; BauGB_§_34, BauGB_§_131 Abs.1 S.1
Erschließungsbeitrag / Verteilung des Erschließungsaufwands / erschlossene Grundstücke / Erschließungsvorteil / Bodenrecht / Tiefenbegrenzung im unbeplanten Innenbereich / Gleichheitssatz / Abgabengerechtigkeit
1) Die Anwendbarkeit einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung, die die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegelt, auch auf "zentrale" Grundstücke des unbeplanten Innenbereichs steht mit § 131 Abs.1 Satz 1 BauGB in Einklang.
2) Eine daraus folgende unterschiedliche Behandlung von Grundstücken im beplanten und im unbeplanten Innenbereich ist mit Blick auf den Gleichheitssatz des Art.3 Abs.1 GG sachlich gerechtfertigt. Dasselbe gilt für die unterschiedliche Behandlung von Grundstücken, die vollständig innerhalb der Tiefenbegrenzung liegen, und solchen, die darüber hinausreichen.
Z-437 Erschließung: iSd § 131 Abs.1 S.1 BauGB
"...Die Revision, gegen deren Zulässigkeit keine Bedenken bestehen, ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Tiefenbegrenzungsregelung des § 5 der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten verstoße gegen die bundesrechtliche Vorgabe in § 131 Abs.1 Satz 1 BauGB, weil eine rückwärtige Teilfläche eines uneingeschränkt im unbeplanten Innenbereich gelegenen Anliegergrundstücks stets erschlossen im Sinne dieser Vorschrift sei, misst dem Tatbestandsmerkmal "erschlossen" eine Bedeutung bei, die weder aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgeleitet werden kann noch mit der verfassungsrechtlichen Grundlage der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Erschließungsbeitragsrecht vereinbar wäre (1.). Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (2.). Auf der Grundlage der in den Vorinstanzen getroffenen tatsächlichen Feststellungen und des diesbezüglichen Sach- und Streitstandes ist die Berufung der Beklagten vielmehr zurückzuweisen (3.). (Abs.15)
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können sich aus dem Tatbestandsmerkmal "erschlossen" in § 131 Abs.1 Satz 1 BauGB von Fall zu Fall gewisse Eingrenzungen der Fläche ergeben, mit der ein Grundstück nach dieser Vorschrift an der Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands
teilnimmt (vgl BVerwG, Urteile vom 27.Juni 1985 BVerwG 8 C 30.84 BVerwGE 71,363, vom 22.April 1994 BVerwG 8 C 18.92 Buchholz 406.11 § 131 BauGB Nr. 91 S.5 und vom 23.August 1996 BVerwG 8 C 34.94 BVerwGE 101,382 ). Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die damit angesprochene Erschließungswirkung und ihre Begrenzung anhand des Erschließungsvorteils zu bestimmen sind, den die Erschließungsanlage dem jeweiligen Grundstück zu vermitteln vermag. (Abs.16)
Dieser Erschließungsvorteil besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in dem, was die Erschließung für die bauliche oder gewerbliche Nutzbarkeit (Nutzung) des Grundstücks hergibt. Mit anderen Worten: Die Erschließung ist Voraussetzung für die nach dem Bebauungsrecht (§§ 30, 33, 34 und 35 BauGB) zulässige Ausnutzbarkeit der Grundstücke, die ihrerseits Auswirkungen auf den Gebrauchswert (Nutzungswert) dieser Grundstücke hat. Indem die Gemeinde durch die Herstellung von Erschließungsanlagen die Voraussetzungen für diese den Gebrauchswert der Grundstücke beeinflussende Ausnutzbarkeit schafft, die letztlich auf der Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Anlagen beruht, vermittelt sie den Eigentümern der erschlossenen Grundstücke (Erschließungs-)Vorteile, zu deren Ausgleich sie Erschließungsbeiträge zu erheben verpflichtet ist. Dieser Vorteilsausgleich hat sich mithin an der durch
die Erschließung ermöglichten vorbezeichneten Ausnutzbarkeit der Grundstücke zu orientieren (BVerwG, Urteil vom 10. Juni 1981 BVerwG 8 C 15.81 BVerwGE 62,300). (Abs.17)
Aus dem vom Berufungsgericht herangezogenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Dezember 1995 BVerwG 8 C 11.94 (BVerwGE 100,104 ff) ergibt sich nichts Abweichendes. Dieses beschränkt sich in seiner dafür in Anspruch genommenen Passage (aaO S.112) vielmehr auf Zitate aus früheren Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 19.März 1982 BVerwG 8 C 35,37 und 38.81 Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr.47 S.50 sowie vom 18. April 1986 BVerwG 8 C 51 und 52.85 BVerwGE 74,149 ), die ihrerseits nur die soeben dargestellten Ausführungen im Urteil vom 10. Juni 1981 in Bezug nehmen, und enthält deshalb nichts anderes als die verkürzte Wiedergabe dieser bisherigen Rechtsprechung. (Abs.18)
Erschließung in diesem Sinne ist also nicht gleichbedeutend mit Zugänglichkeit, sondern erfordert darüber hinaus, dass die Zugänglichkeit eine auf die bauliche oder gewerbliche Grundstücksnutzung gerichtete Funktion hat; sie besteht darin, einem Grundstück die Erreichbarkeit der Erschließungsanlage in einer auf die bauliche oder gewerbliche Nutzbarkeit des Grundstücks gerichteten Funktion zu
vermitteln (BVerwG, Urteile vom 25. Juni 1969 BVerwG 4 C 14.68 BVerwGE 32,226 , vom 29.April 1977 BVerwG 4 C 1.75 BVerwGE 52,364 , vom 27.Juni 1985 aaO S.364 f. und vom 3.März 2004 BVerwG 9 C 6.03 UA S.9). Dabei ist nicht nur auf die bauliche oder gewerbliche Nutzung im engeren Sinne abzustellen; vielmehr sind auch solche Nutzungen einzubeziehen, die wie z.B. Friedhöfe im Hinblick auf die Erschließung der baulichen oder gewerblichen Nutzung gleichartig sind, also Ziel- und Quellverkehr verursachen und deswegen auf die Erschließung angewiesen sind (vgl BVerwG, Urteil vom 4.Mai 1979 BVerwG 4 C 25.76 Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr.69 S.52,55). Ein Grundstück ist deshalb durch eine Anbaustraße im Sinne des § 131 Abs.1 BauGB nur erschlossen, wenn ihm durch diese Straße entweder eine Bebaubarkeit oder eine der Bebaubarkeit erschließungsbeitragsrechtlich gleichstehende Nutzbarkeit vermittelt wird, und es ist erschlossen nur, soweit diese Voraussetzungen vorliegen. Der in dieser Weise einem Grundstück vermittelte Erschließungsvorteil rechtfertigt den Ausgleich durch den Erschließungsbeitrag (vgl BVerwG, Urteile vom 27.Juni 1985 aaO S.365 und vom 4.Oktober 1990 BVerwG 8 C 1.89 Buchholz 406.11 § 131 BBauG/BauGB Nr.83 S.54). (Abs.19)
Die Möglichkeit der Inanspruchnahme der hergestellten Erschließungsanlage oder was gleichbedeutend ist die Zugänglichkeit des Grundstücks von dieser Anlage aus
ist nach dieser ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung des Erschließungsvorteils und seiner Bemessung. Davon, dass gerade sie wie das Berufungsgericht meint neuerdings als "maßgeblich" für die Reichweite der Erschließungswirkung angesehen werde, kann danach keine Rede sein. (Abs.20)
Ein maßgeblich nur auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme abstellendes Verständnis des Erschließungsvorteils und der daran auszurichtenden Erhebung von Erschließungsbeiträgen wäre zudem unvereinbar mit dem Umstand, dass sich die Befugnis des Bundesgesetzgebers, die Erschließungsbeiträge zu regeln, allein aus Art.74 Nr.18 GG aF ergab. Die dort der konkurrierenden Gesetzgebung zugewiesene Materie Bodenrecht umfasste das Recht der Erschließungsbeiträge nur als Teil des Bauplanungsrechts, nämlich als Regelung hinsichtlich der Kosten, welche bei der Herstellung der Bebauungsfähigkeit der einzelnen Grundstücke entstehen. Der Bundesgesetzgeber konnte nur solche erschließungsbeitragsrechtlichen Vorschriften erlassen, die ihrem materiellen Inhalt nach diesem Sachbereich zugeordnet werden können. Bei verfassungskonformer Auslegung dieser Vorschriften kann der Erschließungsbeitrag deshalb nichts anderes sein als die "Beteiligung" des Grundstücks an den Kosten derjenigen Maßnahmen, die seine bauliche oder gewerbliche Ausnutzung erst ermöglichen. Die Beitragspflicht ist aufgrund dieses
verfassungsrechtlichen Rahmens abhängig von der Erschließung als einer Maßnahme, die eine funktionsgerechte Verwendung von Grund und Boden für bauliche Maßnahmen sicherstellen soll (vgl BVerfGE 33,265; 34,139 ). Dem widerspräche es, die Bemessung der Erschließungsbeiträge von ihrer Funktion als Ausgleich der dem betroffenen Grundstück durch die Erschließungsanlage vermittelten baulichen oder gewerblichen Ausnutzbarkeit zu lösen und allein auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Erschließungsanlage zu stützen. (Abs.21)
Da sich bei diesem Verständnis des von einer beitragsfähigen Erschließungsanlage bewirkten Erschließungsvorteils dessen Ausmaß ganz allgemein einer rechnerisch exakten Ermittlung entzieht, ist die Annahme gerechtfertigt, dass Grundstücken von vergleichbarer Größe und Ausnutzbarkeit durch die von einer Anbaustraße bewirkte Erschließung grundsätzlich annähernd gleiche Vorteile verschafft werden (BVerwG, Urteil vom 18.April 1986 aaO S.157). Bei besonders tiefen (namentlich wie hier landwirtschaftlich genutzten) Grundstücken in unbeplanten Gebieten fehlt diese Korrelation zwischen Größe und Vorteil: Der Erschließungsvorteil, dessen Umfang von der zulässigen baulichen Nutzung (Ausnutzbarkeit) abhängt, ist bei ihnen regelmäßig nicht größer als bei den durchschnittlich tiefen Grundstücken eines Abrechnungsgebiets (vgl BVerwG, Urteile vom 10.Juni 1981 BVerwG 8 C 20.81 BVerwGE 62,308 , vom 19.Februar 1982 BVerwG 8 C 27.81 BVerwGE
65,61, vom 22.April 1994 aaO und vom 23.August 1996 aaO). Daraus ergibt sich unmittelbar kraft Gesetzes die Notwendigkeit einer Tiefenbegrenzung bei solchen Grundstücken (BVerwG, Urteil vom 9.Dezember 1983 BVerwG 8 C 112.82 BVerwGE 68,249). Die Gemeinde müsste in jedem Einzelfall gemäß § 131 Abs.1 BauGB entscheiden, inwieweit ein Grundstück erschlossen ist, was infolge der Anwendungsschwierigkeiten des § 34 BauGB mit erheblichen Unsicherheiten verbunden wäre. Deshalb hat es das Bundesverwaltungsgericht im Interesse der Rechtssicherheit und der Verwaltungspraktikabilität als zulässig angesehen, eine solche Tiefenbegrenzung zu generalisieren und in die Satzung aufzunehmen. Sie begründet dann, sofern sie sich an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientiert, eine Vermutung dafür, dass im unbeplanten Innenbereich alle Grundstücke bis zur festgesetzten (Tiefen-)Grenze erschlossen sind und bei über die Grenze hinausreichenden Grundstücken hinsichtlich des die Grenze überschreitenden Teils ein Erschließungsvorteil wegen fehlender Ausnutzbarkeit nicht gegeben ist (vgl BVerwG, Urteil vom 19.Februar 1982 aaO S.66 f). Dass ein Liebhaber diesen Teil möglicherweise dennoch gärtnerisch anlegen und als besonders große Freifläche einer einheitlichen Nutzung mit der bebaubaren Fläche zugänglich machen kann, darf bei der für eine satzungsmäßige Regelung gebotenen typisierenden Betrachtungsweise außer acht gelassen werden. (Abs.22)
Einen tragfähigen Grund dafür, diese von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätze auf einen wie auch immer abzugrenzenden "Randbereich" des unbeplanten Innenbereichs im Übergang zum Außenbereich zu beschränken (vgl Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7.Aufl.2004, § 17 Rn.35) oder im Gegenteil auf diesen Randbereich für unanwendbar zu halten (vgl Thielmann, Eigene Wege des OVG Koblenz zur Tiefenbegrenzung, in: KStZ 2002, S.201 ), sieht der erkennende Senat im Erschließungsbeitragsrecht nicht. (Abs.23)
Auszug aus: Originalurteil, Abs.15 ff
Z-438 Tiefenbegrenzung: Gleichheitssatz
"2. Steht hiernach bei entsprechenden örtlichen Verhältnissen die Anwendbarkeit einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung auch auf "zentrale" Grundstücke des unbeplanten Innenbereichs entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts mit § 131 Abs.1 Satz 1 BauGB in Einklang, so stellt sich die Berufungsentscheidung selbst auch nicht unter dem übergeordneten Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes aus Art.3 Abs.1 GG im Ergebnis als richtig dar. Mit Blick auf den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit als Ausprägung des Gleichheitssatzes bedarf allerdings die aus der Tiefenbegrenzung folgende unterschiedliche Behandlung von Grundstücken im beplanten und im unbeplanten Innenbereich einer sachlichen Rechtfertigung (vgl (Abs.24)
Driehaus, aaO Rn.34). Diese hält der erkennende Senat in Anknüpfung an die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch weiterhin für gegeben. (Abs.25)
Bei Grundstücken in (qualifiziert) beplanten Gebieten ist grundsätzlich die gesamte im Plangebiet gelegene Fläche als erschlossen im Sinne des § 131 Abs.1 BauGB anzusehen, weil wegen der Grundflächen- und Geschossflächenzahlen die zulässige bauliche Nutzung in aller Regel von der Grundstücksgröße abhängig ist und damit diese Grundstücksgröße gewissermaßen voraussetzt (vgl BVerwG, Urteile
vom 19.Februar 1982 aaO S.66 f, vom 27.Juni 1985 aaO S.365 und vom 3. Februar 1989 BVerwG 8 C 66.87 BVerwGE 81,251 sowie Beschluss vom 29.November 1994 BVerwG 8 B 171.94 Buchholz 406.11 § 131 BauGB Nr.95 S.34). (Abs.26)
Dies gilt, obgleich so gut wie niemals die gesamte Grundstücksfläche der baulichen (oder sonstwie beitragsrechtlich relevanten) Nutzung zugeführt werden darf, obgleich also auf diese Weise auch nicht bzw nicht relevant nutzbare Flächenteile als "erschlossen" behandelt werden. Gerechtfertigt wird das damit, dass der Erschließungsbegriff in § 131 Abs.1 BauGB nicht an der Rechtstatsache vorbeigehen kann, dass das Baurecht fast nie die volle Überbauung eines Grundstücks zulässt, sondern die Zulässigkeit einer Bebauung meist die Freihaltung erheblicher Grundstücksteile voraussetzt, mithin für die Ausführbarkeit eines Bauvorhabens durchweg mehr an Fläche zur Verfügung stehen muss, als für die bauliche Anlage als solche benötigt wird. Mit Rücksicht auf diesen Zusammenhang zwischen dem Bau- und dem Erschließungsbeitragsrecht ist es auf den Umfang der im Sinne des § 131 Abs.1 BauGB erschlossenen Fläche grundsätzlich ohne Einfluss, wenn die überbaubare Fläche eines beplanten Baugrundstücks zB durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen gemäß § 23 BauNVO oder durch Abstands- und Anbauverbotsvorschriften etwa gemäß § 9 Abs. 1 und 2 FStrG beschränkt ist.
Regelungen dieser Art sollen nach ihrer Zielsetzung nicht auf das Maß der baulichen Nutzung, sondern auf den Standort der baulichen Anlagen Einfluss nehmen (vgl BVerwG, Urteil vom 25.Januar 1985 BVerwG 8 C 106.83 Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr.59 S.82 und Beschluss vom 29.November 1994 aaO S.35). Im Ergebnis nichts anderes gilt für eine etwa gemäß § 9 Abs.1 Nr.15 BauGB zulässige Festsetzung der Teilfläche eines Grundstücks als "private Grünfläche", soweit sich ihre Wirkung auf den Standort der auf dem betreffenden Grundstück bebauungsrechtlich zulässigen baulichen Anlagen beschränkt und die Verwirklichung der baulichen Ausnutzbarkeit dieses Grundstücks unberührt lässt (BVerwG, Beschluss vom 29.November 1994 aaO). Angesichts des dargestellten Zusammenhangs zwischen dem Bau- und dem Erschließungsbeitragsrecht haben nicht bebaubare Grundstücksteile im Plangebiet hiernach grundsätzlich keinen selbständigen, sondern nur einen über die zugelassene Bebauung vermittelten Anteil an der Erschließungswirkung einer Straße. Dies hängt damit zusammen, dass bei der Planung regelmäßig darauf geachtet wird, dass Grundstücksgröße und Grad der Bebaubarkeit in einem angemessenen Verhältnis stehen (vgl § 1a Abs.1 BauGB). (Abs.27)
Eine solche Regelhaftigkeit der Beziehung zwischen zulässiger baulicher Nutzung und Grundstücksgröße kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts für
nicht beplante Gebiete nicht angenommen werden. Ob sich ein Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (§ 34 Abs.1 BauGB), hängt mit der Größe und Tiefe des jeweiligen Grundstücks nicht regelmäßig zusammen. Vielmehr kommen im unbeplanten Innenbereich auch dann, wenn nach den örtlichen Verhältnissen Haus- und Nutzgärten hinter den Baukörpern das Umfeld der gemäß § 34 BauGB zulässigen Bebauung prägen (und deshalb bei der Bemessung einer Tiefenbegrenzung zu berücksichtigen sind), häufig darüber hinausgehende und deshalb "übertiefe" Grundstücke vor, die in ihrem hinteren Teil weder bebaut werden können noch den benachbarten Haus- und Nutzgärten vergleichbar sind. (Abs.28)
Wenn, was nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderlich ist, eine satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegelt, verstößt es nicht gegen den aus Art.3 Abs.1 GG herzuleitenden Grundsatz der Abgabengerechtigkeit, den die Tiefengrenze überschreitenden Grundstücksteilen, soweit sie nicht tatsächlich baulich oder gewerblich genutzt werden, keinen erschließungsbeitragsrechtlichen Vorteil beizumessen. (Abs.29)
Dass bei beplanten Gebieten für eine solche durch Satzung erfolgende Tiefenbegrenzung kein Raum ist, rechtfertigt sich am Maßstab des Art.3 Abs.1 GG daraus, dass in beplanten Gebieten bereits eine Prüfung der Nutzungsmöglichkeit stattgefunden hat, sich wie bereits erwähnt die Grenzen der Ausnutzbarkeit der Grundstücke dort in aller Regel aus den Festsetzungen des Bebauungsplans ergeben und grundsätzlich von der Grundstücksgröße abhängig sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 3.Juni 1971 BVerwG 4 C 28.70 BVerwGE 38,147, vom 30.Juli 1976 BVerwG 4 C 65 und 66.74 Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr.15, vom 4.Mai 1979 BVerwG 4 C 54.76 KStZ 1980, S.150 f und vom 19.Februar 1982 aaO S.67). (Abs.30)
Dass kleinere Grundstücke, die vollständig innerhalb der Tiefenbegrenzung liegen, von der dadurch normierten Eingrenzung der an der Verteilung des Erschließungsaufwands teilnehmenden Fläche ausgeschlossen sind, ist folgerichtig und bedarf am Maßstab des Art.3 Abs.1 GG keiner besonderen Rechtfertigung, weil sie regelmäßig mit ihrer gesamten Fläche am Erschließungsvorteil mit Rücksicht auf ihre bauliche oder gewerbliche Nutzbarkeit Teil haben. (Abs.31)
3. Nach den in den Vorinstanzen getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die mit Revisionsrügen nicht angegriffen sind, ist davon auszugehen, dass das Grundstück des Klägers die in § 5 Abs.2 Nr. 2 der Erschließungsbeitragssatzung
der Beklagten normierte Tiefengrenze von 40 m von der Erschließungsanlage überschreitet, in dem diese Grenze überschreitenden Teil nicht erschließungsbeitragsrechtlich relevant genutzt wird und bei Anwendung dieser Satzungsbestimmung ein Erschließungsbeitrag von mehr als 35 363,85 DM nicht festgesetzt werden durfte. Anhaltspunkte dafür, dass die Tiefenbegrenzung auf 40 m den typischen örtlichen Verhältnissen hier nicht entsprach, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Unter diesen Umständen erscheint es dem erkennenden Senat geboten, gemäß § 144 Abs.3 Satz 1 Nr.1 VwGO in der Sache selbst zu entscheiden und die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen. (Abs.32)
Auszug aus: Originalurteil, Abs.24 ff
§§§
BVerwG, B, 02.09.04, - 5_B_18/04 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
BSHG_§_3 Abs.2 S.3, BSHG_§_4 Abs.2
Sozialhilfe / Bekleidungsbedarf
LB 1) Ist "der objektive Bekleidungsbedarf der Hilfeempfänger insgesamt gesehen durch das Verfahren des Beklagten nicht gedeckt, besteht aber weder ein Auswahlermessen des Beklagten nach § 4 Abs.2 BSHG noch ist dann für die Anwendung von § 3 Abs.2 BSHG Raum.
Z-439 Auswahlermessen: Bekleidungsbedarf
"... Werden die im Zusammenhang mit seinen Erwägungen zu entstehenden Mehrkosten (§ 3 Abs.2 Satz 3 BSHG) getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs zugrunde gelegt, kann "eine durchgängige Versorgung mit 'Amtspreisartikeln' nicht sichergestellt" und "der objektive Bekleidungsbedarf der Hilfeempfänger insgesamt gesehen durch das Verfahren des Beklagten nicht gedeckt werden" (S.16 des Berufungsurteils). Ist dies der Fall, besteht aber weder ein Auswahlermessen des Beklagten nach § 4 Abs.2 BSHG, die Deckung einmaligen Bekleidungsbedarfs pauschal auf die hier in Rede stehende Weise zu decken, noch ist dann für die Anwendung von § 3 Abs. 2 BSHG Raum, der ein Wahl- und Wunschrecht des Hilfesuchenden zwischen verschiedenen, zur Deckung des Hilfebedarfs gleichermaßen geeigneten Alternativen voraussetzt (vgl BVerwGE 94,127 ; 101,194). Dies gilt auch für den Mehrkostenvorbehalt aus § 3 Abs.2 Satz 3 BSHG: Die Höhe von Mehrkosten der von ihm gewünschten Leistung muss der Hilfesuchende sich nur im Vergleich zu Alternativen entgegenhalten lassen, durch die ihm gegenwärtig und tatsächlich geholfen, sein Hilfebedarf im sozialhilferechtlich anzuerkennenden und gebotenen Umfang vollständig gedeckt wird. Das Wahl- und Wunschrecht des Hilfesuchenden wie das Auswahlermessen des Sozialhilfeträgers sind daher nur auf solche Hilfealternativen bezogen, bei denen kein sozialhilferechtlicher Bedarf offen bleibt. Treffen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz zu, ist eine volle bzw zumindest teilweise
Geldleistung aber die zur Deckung des sozialhilferechtlich anzuerkennenden Bekleidungsbedarfs einzige geeignete also alternativlose Hilfemaßnahme. Auch wenn die Kläger vom Beklagten auf der Grundlage der vorinstanzlichen Urteile keine Geldleistung verlangen können, weil ihr auf eine Bekleidungsbeihilfe in bar gerichtetes Begehren vom Verwaltungsgericht in vollem Umfang abgewiesen worden ist und nur der Beklagte, nicht aber auch die Kläger hinsichtlich der Teilabweisung ihrer Klage gegen das erstinstanzliche Urteil vorgegangen sind, wäre eine Revision des Beklagten gegen das Berufungsurteil, durch das seine Verpflichtung zur Neubescheidung der Kläger bestätigt worden ist, nach § 144 Abs.4 VwGO zurückzuweisen, wenn im Revisionsverfahren davon ausgegangen werden muss, dass das Warenangebot des Bekleidungsshops der Lebenshilfe H in G minderwertig und unzureichend ist; denn dann behält die tragende Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs im Ergebnis seine Richtigkeit, dass das Sachleistungsangebot des Beklagten ermessensfehlerhaft ist, weil "die konkrete Form der Sachleistung rechtswidrig ist" (vgl S.11 oben des Berufungsurteils). (Abs.9)
Auszug aus: Originalurteil, Abs.9
§§§
BVerwG, B, 06.09.04, - 3_B_20/04 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
GG_Art.20; LAG_§_349
Z-440 Zur Verfassungsmäßigkeit des § 349 LAG
"... Zum einen lässt die Beschwerdebegründung außer Acht, dass der Senat sich mit der Problematik und der Frage der Verfassungsmäßigkeit im Hinblick auf § 349 LAG bereits ausführlich in zahlreichen Entscheidungen auseinander gesetzt hat (vgl etwa Urteile vom 18.Mai 2000 BVerwG 3 C 9.99 VIZ 2000, 596 = Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 8; 22.Oktober 1998 BVerwG 3 C 19.98 IFLA 1999, 19 = Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 7; 22.Oktober 1998 BVerwG 3 C 37.97 BVerwGE 107,294; 19.Juni 1997 BVerwG 3 C 40.96 BVerwGE 105,106 = Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr.3; 19.Juni 1997 BVerwG 3 C 10.97 BVerwGE 105,110; 6.Mai 1997 BVerwG 3 C 38.96 Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr.2; 3.November 1994 BVerwG 3 C 32.93 Buchholz 427.6 § 20a BFG Nr.2). Zur ordnungsgemäßen Darlegung aller in diesem Rahmen noch in einem Revisionsverfahren zu klärenden Rechtsfragen hätte namentlich eine Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung gehört (vgl DVBl 1960,854). Daran fehlt es ebenfalls. (Abs.8)
Zum anderen hat sich der Senat in einer neueren Entscheidung, die allerdings dem Kläger zum Zeitpunkt der Beschwerdebegründung noch nicht bekannt sein konnte, mit Fragen des § 349 LAG, namentlich verfassungsrechtlichen Problemen im Hinblick auf eine möglicherweise unzulässige Rückwirkung des 33. Änderungsgesetzes des LAG vom 16. Dezember 1999 (BGBl I S. 2422) befasst (vgl. Urteil vom 15. Juli 2004 BVerwG 3 C 44.03). Danach beruhen die
Rückforderungsregelungen insgesamt auf der nicht zu beanstandenden Erwägung des Gesetzgebers, dass durch den nachträglichen Schadensausgleich etwa in Form der Rückgabe der entzogenen Vermögensgegenstände der Rechtsgrund für die Gewährung des Lastenausgleichs entfallen ist. Es besteht kein Anlass, jemandem Leistungen zu belassen, die vom Staat als Ausgleich für einen inzwischen anderweitig ausgeglichenen und damit letztlich nicht mehr existenten Vermögensverlust erbracht worden sind. Es handelt sich um die Rückabwicklung einer Vermögensverschiebung, die sich im Nachhinein als nicht mehr gerechtfertigt erweist. Dieser Grundgedanke trägt prinzipiell die Forderung, dass der gesamte als Lastenausgleich gewährte Entschädigungsbetrag zurückzuzahlen ist. Geklärt ist durch diese Entscheidung auch, dass das 33. Änderungsgesetz des LAG vom 16. Dezember 1999 (BGBl I S. 2422) nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstößt, obwohl die Neuregelungen zum Teil an einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhalt anknüpfen und ihn für die Zukunft mit der Folge neu regeln, dass eine bei Eintritt des Schadensausgleichs noch nicht bestehende Rückzahlungspflicht Platz greift. (Abs.9)
Auszug aus: Originalurteil, Abs.8
Z-441 Zum Rückwirkungsverbot
"... Das Rückwirkungsverbot besteht nämlich nicht absolut, sondern lediglich soweit, wie der Vertrauensschutzgedanke reicht, da dieser nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur den Grund, sondern auch die Grenze des Rückwirkungsverbots bildet. Es gilt daher nicht, wenn sich ausnahmsweise ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand einer bestimmten Rechtslage nicht bilden konnte (vgl etwa BVerfGE 88,384). So hat schon der Gesetzgeber den Geschädigten gegenüber zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, dass die Zuerkennung und Erfüllung der Hauptentschädigung stets unter dem Vorbehalt ihrer Rückforderung im Falle nachträglichen Schadensausgleichs stand, indem er ihnen ausdrücklich die Rechtspflicht auferlegt hat, die entsprechenden Wiederaufnahmegründe anzuzeigen (§ 342 Abs.2 Satz 2 LAG; vgl dazu auch Urteil vom 19.Juni 1997 BVerwG 3 C 10.97, aaO). (Abs.10)
Auszug aus: Originalurteil, Abs.10
§§§
BVerwG, B, 06.09.04, - 7_B_62/04 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
WHG_§_1a Abs.1, WHG_§_4 Abs.1, WHG_§_6 Abs.1, WHG_§_7 Abs.1, WHG_§_8 Abs.3 S.1, WHG_§_23
wasserrechtliche Erlaubnis für Fährbetrieb / Versagung / Anfechtung einer wasserrechtlichen Erlaubnis durch Berufsfischer / Bedarf für Gewässerbenutzung / Planfeststellung / Fischereirecht / Beeinträchtigung durch erlaubte Gewässerbenutzung
1) Die wasserrechtliche Erlaubnis gemäß § 7 WHG ist nicht als Planfeststellung ausgestaltet; ihre Erteilung ist deshalb im Rahmen der Anfechtungsklage eines Dritten nicht nach den Maßstäben zu überprüfen, die die Rechtsprechung für die Anfechtung von Planfeststellungsbeschlüssen entwickelt hat (wie Beschluss vom 28.Juli 2004 BVerwG 7 B 61.04).
2) Ein Dritter kann bei der Anfechtung einer wasserrechtlichen Erlaubnis eines Fährbetriebs unter Berufung auf Bundesrecht nicht geltend machen, die im Rahmen des öffentlichen Nahverkehrs geschaffene Fährverbindung sei unwirtschaftlich. Auch ein defizitär arbeitender öffentlicher Nahverkehr, für den Bedarf besteht, beeinträchtigt das Wohl der Allgemeinheit im Sinne von § 6 Abs.1 WHG nicht (wie Beschluss vom 28.Juli 2004 BVerwG 7 B 61.04).
3) Nachteilige Veränderungen der Tier- und Pflanzenwelt beeinträchtigen das Wohl der Allgemeinheit im Sinne des § 6 WHG. Ein Naturnutzer (hier: Berufsfischer) kann dies mit Anfechtung der einem Dritten erteilten Erlaubnis (nur) insoweit geltend machen, als Rechtsvorschriften des Bundes- oder Landesrechts sein individuelles Interesse schützen (im Anschluss an Urteil vom 15.Juli 1987 BVerwG 4 C 56.83 BVerwGE 78,40).
§§§
BVerwG, B, 16.09.04, - 20_F_20/03 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
VwGO_§_99
Aktenvorlage / Ermessenausübung / Geheimhaltungsinteresse.
LB 2) Zum Wegfall des Geheimhaltungsinteresse infolge der öffentlichen Berichterstattung über den Fall.
Z-442 Aktenvorlage: Verweigerung
"... Die Rechtsgrundlage der Verweigerung der Akten und Urkundenvorlage durch den Beklagten ergibt sich aus § 99 Abs.1 Satz 2 VwGO. Nach dieser Vorschrift kann die oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Akten verweigern, wenn das Bekanntwerden ihres Inhalts dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen. Wie der Senat im Beschluss vom 29.Juli 2002 BVerwG 2 AV 1.02 (BVerwGE 117,8) ausgeführt hat, kann der Nachteil für das Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes ua darin bestehen, dass den Sicherheitsbehörden die Erfüllung ihrer Aufgaben einschließlich ihrer Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschwert oder Leben oder Gesundheit oder Freiheit von Personen gefährdet wird. Die notwendige Geheimhaltung der Informationen, die die Sicherheitsbehörden gewonnen haben, der Schutz ihrer Informationsquellen, ihrer Arbeitsweise und ihrer Vertraulichkeitszusagen an Informanten können die oberste Aufsichtsbehörde im Rahmen einer nach § 99 Abs.1 Satz 2 VwGO gebotenen Ermessensentscheidung zur Verweigerung der Aktenvorlage berechtigen (vgl auch BVerfGE 101,106). Der beschließende Senat hat sich durch Einsicht in die bezeichneten Unterlagen davon überzeugt, dass ihr Inhalt diesen Kriterien entspricht und nicht in das Hauptsacheverfahren eingeführt werden darf. (Abs.3)
Die oberste Aufsichtsbehörde hat im Rahmen ihrer Ermessensprüfung die Gründe, die für die Geheimhaltung sprechen, mit dem Interesse des Klägers und Antragstellers an einer dem § 19 Abs.4 GG gerecht werdenden Prozessführung abzuwägen. Diesen Anforderungen ist die oberste Aufsichtsbehörde im Ergebnis gerecht geworden. Sie hat zutreffend geprüft und verneint, dass eine Vorlage geschwärzter Akten in Betracht kommt. Im Übrigen hat sie allerdings teilweise unzutreffende Erwägungen in die Ermessensprüfung eingestellt. Dazu gehört die Einschätzung, dem Kläger fehle das Rechtsschutzinteresse. Zwar wäre der Inhalt der zurückgehaltenen Akten nicht entscheidungserheblich, wenn die Klage unzulässig oder unbegründet wäre. Im Rahmen der Ermessensausübung nach § 99 Abs.1 Satz 2 VwGO hat die oberste Aufsichtsbehörde grundsätzlich nur zu prüfen, welchem Interesse sie mehr Gewicht zumessen kann, dem Geheimhaltungs- oder dem Offenbarungsinteresse. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Gericht der Hauptsache vor der Abgabe des Antrags (Abs.4)
auf Feststellung der Rechtmäßigkeit der Vorlageverweigerung an den Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts sowie anschließend in jedem Verfahrensabschnitt prüfen muss, ob die Akten, um deren Vorlage es geht, entscheidungserheblich sind. Wegen des geheim zu haltenden Inhalts der Akten, dessen Offenbarung Informationsquellen und die taktische Arbeitsweise des Verfassungsschutzes
aufdecken würde, ferner wegen der Unmöglichkeit der Vorlage teilweise geschwärzter Akten ist die Entscheidung der obersten Aufsichtsbehörde im Ergebnis nicht zu beanstanden. (Abs.5)
Das Geheimhaltungsinteresse des Beklagten ist auch nicht dadurch weggefallen, dass der Kläger den Inhalt der bezeichneten Unterlagen aus seiner früheren Tätigkeit als stellvertretender Leiter der Verfassungsschutzabteilung des Beklagten kennt. Der Gesetzgeber bezweckte mit dem nunmehr in § 99 Abs.2 VwGO geregelten "in-camera-Verfahren", den Kreis der Geheimnisträger möglichst klein zu halten. Deshalb wurde jeweils nur ein Fachsenat bei den Oberverwaltungsgerichten und bei dem Bundesverwaltungsgericht gebildet, dessen Mitglieder auf vier Jahre bestimmt werden. Mit der Übertragung der Entscheidung über die Geheimhaltung auf spezielle Fachsenate und nicht auf das Gericht der Hauptsache soll außerdem verhindert werden, dass geheim zu haltende Unterlagen unbewusst in die Entscheidung über die Hauptsache einfließen und auf diese Weise bekannt werden. Ferner wird insbesondere mit § 99 Abs.2 Satz 10 und 11 VwGO sichergestellt, dass die als geheim deklarierten Unterlagen keinen Mitarbeitern des Gerichts zur Kenntnis gelangen, die mit dem Verfahren in der Hauptsache zu tun haben, aber nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet oder nach den Sicherheitsgesetzen überprüft sind (vgl iE BTDrucks 14/6854 und BRDrucks
405/01)." (Abs.6)
Auszug aus: Originalurteil, Abs.3 ff
Z-443 Geheimhaltungsintersse: Presseveröffentlichungen
"... Das Geheimhaltungsinteresse des Beklagten ist schließlich auch nicht deshalb weggefallen, weil der Vorgang "Martin" infolge der öffentlichen Berichterstattung über das Strafverfahren gegen einen Mitarbeiter des Klägers vor dem Amtsgericht Wismar sowie durch das Buch "Informanten", das sich mit dieser Affäre befasst, ohnehin einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Denn der Einblick in die originalen Verfassungsschutzakten vermittelt eine Kenntnis von der Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörden, ihren Verbindungen zu anderen Behörden, von ihren Mitarbeitern und Informanten sowie deren Rekrutierung und Führung, wie sie in dieser Form aufgrund der Berichterstattung in den öffentlichen Medien nicht zu gewinnen war." (Abs.7)
Auszug aus: Originalurteil, Abs.6
§§§
BVerwG, B, 17.09.04, - 10_B_20/04 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
VwGO_§_3 Abs.1 Nr.3, VwGO_§_58 Abs.1
Sitz eines Gericht / andere Orte
Z-444 Gericht: Sitz
"...Als grundsätzlich bedeutsam wirft die Beschwerde die Frage auf, "ob mit dem Begriff Sitz im Sinne von § 58 Abs. 1 VwGO lediglich der durch Ländervorschrift festgelegte Sitz gemeint ist oder nicht auch gemeint ist jeder Ort, an dem der Verwaltungsgerichtshof Senate unterhält." (Abs.2 + 3)
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Denn sie lässt sich bereits unmittelbar aus dem Gesetz im Sinne der ersten Alternative der Frage beantworten, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte. Wie sich nämlich aus § 3 Abs.1 VwGO ergibt, unterscheidet die Verwaltungsgerichtsordnung zwischen dem Sitz eines Gerichts (vgl. Nrn. 1 und 2 dieser Vorschrift) und "anderen Orten", an denen einzelne Kammern oder Senate bestehen können (vgl § 3 Abs.1 Nr.5 VwGO). Wenn in § 58 Abs.1 VwGO ausschließlich der "Sitz" erwähnt wird, folgt daraus, dass die Angabe "anderer Orte", an denen sich auswärtige Spruchkörper des Gerichts befinden, nicht erforderlich ist." (Abs.4)
Auszug aus: Originalurteil, Abs.2 f
§§§
04.134 City-Tunnel-Leipzig |
---|
BVerwG, B, 17.09.04, - 9_VR_3/04 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
GG_Art.14 Abs.1 S.2, GG_Art.14 Abs.3; AEG_§_18, AEG_§_20 Abs.7; VwVfG_§_76
Schienenwegeplanung / City-Tunnel Leipzig / Planfeststellungsbeschluss / Bestandskraft / Einwendungsausschluss / Präklusion / Änderungsplanfeststellungsbeschluss / enteignungsrechtliche Vorwirkung / Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums / Planrechtfertigung / vorübergehende Grundstücksbelastung / Baustellenbetrieb
Ein Änderungsplanfeststellungsbeschluss nach § 76 VwVfG eröffnet dem Planbetroffenen Klagemöglichkeiten grundsätzlich nur gegen neue oder weitergehende Belastungen, die durch den Änderungsplanfeststellungsbeschluss hervorgerufen werden, nicht aber gegen bestandskräftige oder einer Einwendungspräklusion unterliegende Festsetzungen des geänderten Planfeststellungsbeschlusses.
§§§
04.135 planbedingte Nachteile |
---|
BVerwG, U, 22.09.04, - 9_A_59/03 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
(Bg) VwVfG_§_73; FStrG_§_17 Abs.4
Planfeststellung für Bau einer Bundesfernstraße / Anhörungsverfahren / Einwendungsausschluss.
Versäumt es ein von einer Straßenbauplanung Betroffener, im Anhörungsverfahren für eine straßenrechtliche Planfeststellung auf seine besondere betriebliche Disposition (hier: das Vorhandensein überbreiter Arbeitsfahrzeuge in seinem Landwirtschaftsbetrieb) hinzuweisen, so ist er mit darauf gestützten Einwendungen gegen den Plan ausgeschlossen, wenn im Hinblick auf diese Disposition jedenfalls das Risiko planbedingter Nachteile aus den ausgelegten Unterlagen für ihn erkennbar war.
§§§
BVerwG, U, 23.09.04, - 2_A_8/03 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
GG_Art.19 Abs.4; VwVfG_§_20, VwVfG_§_21; SLVO_§_40;
Beurteilung / Befangenheit
Zum Prüfumfang bei der Frage, ob eine dienstliche Beurteilung durch Befangenheit maßgebelich beeinflusst ist.
Z-445 Beurteilung + Befangenheit
"Die dienstliche Beurteilung ist nicht durch Voreingenommenheit des Erstbeurteilers oder des Verfassers des Beurteilungsbeitrags beeinflusst. (Abs.25)
Ist eine dienstliche Beurteilung bereits erstellt, lässt sich im Einklang mit Art.19 Abs.4 GG in sinnvoller Weise nur prüfen und feststellen, ob der Beurteiler "tatsächlich" voreingenommen war und die dienstliche Beurteilung durch diese Voreingenommenheit beeinflusst ist. § 21 VwVfG, nach dem im Verwaltungsverfahren bereits die Besorgnis der Befangenheit ausreicht, einen Amtsträger von der Wahrnehmung seiner Aufgaben zu entbinden, ist auf dienstliche Beurteilungen nicht anwendbar, weil diese keine Verwaltungsakte sind (vgl Urteil vom 23.April 1998 aaO S.320 mwN). Die für den Anspruch auf erneute dienstliche Beurteilung erforderliche Voreingenommenheit liegt tatsächlich vor, wenn der Beurteiler nicht Willens oder nicht in der Lage ist, den Beurteilten sachlich und gerecht zu beurteilen (Urteil vom 23.April 1998 BVerwG 2 C 16.97 aaO S.321). Voreingenommenheit des Beurteilers unterscheidet sich von der Besorgnis seiner Befangenheit dadurch, dass seine mangelnde Objektivität und Unvoreingenommenheit gegenüber dem zu Beurteilenden nicht aus dessen subjektiver Sicht, sondern aus der Perspektive eines objektiven Dritten festzustellen ist. Die Voreingenommenheit eines Beurteilers kann sich aus der Beurteilung selbst, aber
auch aus dem sonstigen Verhalten des Beurteilers in Angelegenheiten des zu Beurteilenden im Beurteilungszeitraum oder im Beurteilungsverfahren ergeben. In besonders gelagerten Einzelfällen können auch Vorgänge aus der Zeit vor dem Beurteilungszeitraum Voreingenommenheit noch bei der Beurteilung offenbaren (Urteil vom 23.April 1998 BVerwG 2 C 16.97 aaO S.320). (Abs.26)
Weder der Direktor beim Bundesnachrichtendienst K als Erstbeurteiler noch der ehemalige Leitende Regierungsdirektor T als Verfasser des Beurteilungsbeitrags haben nach den Feststellungen des erkennenden Gerichts während des Beurteilungsverfahrens, im Beurteilungszeitraum oder in der Zeit davor Verhaltensweisen gezeigt, die Voreingenommenheit gegenüber der Klägerin erkennen lassen. (Abs.27)
Mit den als Beleg für eine Voreingenommenheit ihrer Vorgesetzten auf Seite 6 des Schriftsatzes vom 23.April 2004 aufgelisteten Verhaltensweisen umschreibt die Klägerin weitgehend die verschiedenen Maßnahmen und Schritte, mit denen der Unterabteilungsleiter und der Abteilungsleiter reagiert haben, als die Klägerin eine Abschrift ihres für den Abteilungsleiter bestimmten Berichts über die Spannungen zwischen ihr und dem Mitarbeiter in ihrem Referat zwei anderen Sachgebietsleitern überließ, damit diese die Sichtweise der Klägerin in der
Unterabteilung bekannt machten. Der Unterabteilungsleiter hat dadurch, dass er den Abteilungsleiter und dieser die Leitung des Bundesnachrichtendienstes davon informierte, dass die Klägerin ihren der Sache nach vertraulichen Bericht an zwei Kollegen des in dem Bericht kritisierten Mitarbeiters weitergegeben hatte, die Klägerin weder "bloßgestellt" noch deren "korrekte Führung gegenüber Herrn ..." verkannt. In der Kritik am Verhalten der Klägerin liegt auch kein "Ignorieren berechtigter Gründe im Rahmen der Weitergabe des Schreibens". Insgesamt sind die negativ wertenden Bezeichnungen unzutreffend, mit denen die Klägerin in dem Schriftsatz vom 23.April 2004 die Reaktion des Unterabteilungsleiters und des Abteilungsleiters umschreibt, als diese von der Weitergabe des vertraulichen Berichts erfuhren und als sich einer der unfreiwilligen Empfänger dieses Berichts gegen seine Einbeziehung in den Streit zwischen der Klägerin und dem Mitarbeiter in dem Referat verwahrte. Die Reaktionen der beiden Vorgesetzten waren nicht grundlos, sondern dem Anlass, nämlich der Verletzung der Vertraulichkeit in einer Personalangelegenheit durch die Klägerin, angemessen. (Abs.28)
Auch die Form, in der der Unterabteilungsleiter und der Abteilungsleiter reagiert haben, sowie die übrigen Begleitumstände ergeben keinen Hinweis auf eine Voreingenommenheit. Stil und Ton der Berichte, etwa der des
Abteilungsleiters an den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes in der Anlage zum Schreiben vom 26.Juli 2000, sind zurückhaltend und ausgewogen. Dass auch die sonstigen Begleitumstände, insbesondere das Auftreten des Unterabteilungsleiters gegenüber der Klägerin und seine Grundeinstellung keine Hinweise auf Voreingenommenheit enthalten, hat die Vernehmung des Unterabteilungsleiters als Zeuge vor dem Senat ergeben. Sie lassen für einen objektiven Dritten eine Voreingenommenheit nicht erkennen." (Abs.29)
Auszug aus: Originalurteil, Abs.25
§§§
BVerwG, U, 23.09.04, - 2_C_27/03 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
BeamtVG_§_36 Abs.1
Dienstunfähigkeit / Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit / abstrakt-funktionelles Amt als Maßstab zur Beurteilung der Dienstfähigkeit / Übertragung des abstrakt-funktionellen Amtes / Zuordnung des abstrakt-funktionellen Amtes zu einer Behörde.
1) Zur Beurteilung der Dienstfähigkeit eines Beamten ist auf die Anforderungen des ihm zuletzt übertragenen abstrakt-funktionellen Amtes abzustellen (stRspr). Die Entscheidung, welcher Behörde das einem Beamten übertragene abstrakt-funktionelle Amt zugeordnet ist, liegt im Organisationsermessen des Dienstherrn.
2) Aus Gründen der Rechtssicherheit ist es erforderlich, dass dem Beamten nicht nur das statusrechtliche Amt, sondern auch das Amt im funktionellen Sinn eindeutig und individuell konkretisiert übertragen wird.
Z-446 Beurteilung der Dienstfähigkeit
"Ein Beamter erhält nach § 36 Abs.1 BeamtVG Unfallruhegehalt, wenn er infolge eines Dienstunfalls dienstunfähig geworden und in den Ruhestand getreten ist. Der Kläger hat einen Dienstunfall erlitten, der eine Versteifung seines Ellenbogengelenks herbeiführte, und ist wegen dieser Behinderung sowie anderer Erkrankungen als dienstunfähig in den Ruhestand versetzt worden. (Abs.10)
Die Bundesbahndirektion Hannover hat die Dienstunfähigkeit zwar mit mehreren gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers begründet. Dennoch ist die auf dem Dienstunfall beruhende körperliche Behinderung im Sinne des im Dienstunfallrecht geltenden Kausalitätsbegriffs als objektiv wesentlich mitwirkende Ursache der Dienstunfähigkeit anzusehen, weil sie für die Beurteilung der Dienstfähigkeit neben den beim Kläger festgestellten weiteren körperlichen Beeinträchtigungen jedenfalls annähernd die gleiche Bedeutung hatte (vgl ua Urteil vom 18.April 2002 BVerwG 2 C 22.01 Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr.12 mwN). Die diese Würdigung rechtfertigenden Tatsachen hat das Berufungsgericht mit für den Senat bindender Wirkung festgestellt, weil die Verfahrensrügen der Beklagten unbegründet sind (§ 137 Abs.2 VwGO). (Abs.11)
Zur Beurteilung der Dienstfähigkeit eines Beamten ist auf das ihm zuletzt übertragene abstrakt-funktionelle Amt abzustellen. Nicht entscheidend ist, dass
der Beamte die Aufgaben bewältigen kann, die ihm das konkret-funktionelle Amt, dh der Dienstposten, stellt (vgl etwa Urteil vom 28.Juni 1990 BVerwG 2 C 18.89 Buchholz 237.6 § 56 NdsLBG Nr.1 mwN, stRspr). Dem Kläger war zuletzt das abstrakt-funktionelle Amt eines Bundesbahnsekretärs bei der Ga ... Hbf übertragen. (Abs.12)
Mit der Übertragung des Statusamtes an den Beamten steht im Allgemeinen zwar fest, welche Aufgaben der Beamte zu erfüllen hat, etwa wie hier die Aufgaben eines Beamten des mittleren Dienstes, nicht entschieden ist aber, welches abstrakt-funktionelle Amt der Beamte innehaben soll. Das abstrakt-funktionelle Amt wird dem Beamten vielmehr durch einen weiteren Einzelakt des Dienstherrn übertragen. Die Übertragungsverfügung benennt das übertragene, einer bestimmten Behörde zugeordnete Amt. Die Zuordnung dieses Amtes zu dieser Behörde liegt unbeschadet gesetzlicher Regelungen im Organisationsermessen des Dienstherrn und erfolgt durch Organisationsentscheidung der hierfür zuständigen Stelle. (Abs.13)
Dementsprechend ist die Beklagte vorgegangen. Sie hat dem Kläger mit zwei gesonderten Verfügungen das Statusamt eines Bundesbahnsekretärs und das abstrakt-funktionelle Amt eines Bundesbahnsekretärs bei der Ga ... Hbf übertragen. Die Übertragung dieses abstrakt-funktionellen Amtes entspricht der
damaligen Rechtslage. Denn die Ga ... Hbf war Dienststelle der Deutschen Bundesbahn und als solche Bundesbehörde (vgl § 6 Abs.2 des Bundesbahngesetzes in der Fassung vom 19.Dezember 1990 BGBl I S.2909 iVm §§ 5 und 6 der Verwaltungsordnung der Deutschen Bundesbahn). (Abs.14)
Dass dem Kläger ein abstrakt-funktionelles Amt bei der Ga ... Hbf und nicht wie die Beklagte meint bei der Bundesbahndirektion Hannover übertragen wurde, ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Begleitverfügung des Präsidenten der Bundesbahndirektion Hannover zur Beförderung des Klägers vom 22.April 1992 ("... übertrage ich Ihnen das Amt eines Bundesbahnsekretärs bei der Ga ... Hbf ..."). Diese Verfügung kann auch nicht als die Übertragung beider Ämter im funktionellen Sinn, also zusätzlich auch des konkret-funktionellen Amtes, verstanden werden. Denn die Übertragung des konkret-funktionellen Amtes erfolgte gesondert durch die dienstliche Anordnung der Bundesbahndirektion Hannover vom 30.Juli 1992, deren eindeutiger Wortlaut ("... wir übertragen Ihnen einen M (Ld)-Dienstposten 'Zugvorbereitungsdienst ... Hbf' bei der Ga ... Hbf ...") ebenfalls keine andere Deutung zulässt." (Abs.15)
Auszug aus: Originalurteil, Abs.10 ff
Z-447 Übertragung des Amtes im funktionellen Sinne
"Es liegt im Ermessen des Dienstherrn, die abstrakt- sowie die konkret-funktionellen Ämter im Rahmen der durch die Übertragung des Statusamtes bedingten Vorgaben inhaltlich zu bestimmen, ihr Verhältnis zueinander festzulegen sowie sie den einzelnen Behörden zuzuordnen. Wegen dieses dem Dienstherrn eingeräumten Organisationsermessens ist es aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich, dass dem Beamten nicht nur das statusrechtliche Amt, sondern auch das Amt im funktionellen Sinn in ausdrücklicher und unmissverständlicher Form übertragen wird. Führt der Dienstherr in seinen Behörden organisatorische Veränderungen durch, die die übertragenen Ämter betreffen, ist der Beamte in unterschiedlichem Grad rechtlich geschützt. Gegen die Entziehung des konkret-funktionellen Amtes steht ihm Rechtsschutz in nur geringerem Maße zur Verfügung als gegen die Entziehung des abstrakt-funktionellen Amtes. Er hat zwar Anspruch auf Übertragung eines seinem Amt im statusrechtlichen Sinn entsprechenden funktionellen Amtes, dh eines "amtsgemäßen Aufgabenbereiches". Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gemäß Art.33 Abs.5 GG gehört jedoch nicht das Recht des Beamten auf unveränderte und ungeschmälerte Ausübung des ihm übertragenen konkret-funktionellen Amtes. Der Beamte muss vielmehr eine Änderung seines dienstlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe seines Amtes im statusrechtlichen Sinn hinnehmen (vgl Urteil vom 22.Mai 1980 BVerwG 2 C 30.78 BVerwGE 60, 144
mwN). Das abstrakt-funktionelle Amt aber kann nur durch eine Versetzungsverfügung verändert werden. (Abs.16)
Da das einer bestimmten Behörde zugeordnete abstrakt-funktionelle Amt durch Einzelakt auf einen Beamten übertragen werden muss, kommt es zur Bestimmung der Zuordnung dieses Amtes zu einer bestimmten Behörde weder auf den von der Beklagten ins Feld geführten Begriff der Beschäftigungsbehörde noch darauf an, dass die Bundesbahndirektion Hannover die personalführende Stelle des Klägers gewesen ist. Auch lässt sich aus der Vorschrift des § 42 Abs.3 BBG in der Fassung vom 18.Dezember 1989 (BGBl I S.2218) nicht ableiten, dass das abstrakt-funktionelle Amt der personalführenden Stelle als Beschäftigungsbehörde des Beamten zugeordnet war. Weder enthält die Vorschrift den Begriff der Beschäftigungsstelle, noch hat sich an der bis zu ihrer Neufassung geltenden Rechtslage, dass die Dienstfähigkeit eines Beamten an den Anforderungen des abstrakt-funktionellen Amtes gemessen wird, etwas geändert. (Abs.17)
Unbegründet sind auch die Verfahrensrügen der Beklagten. Auf die Klärung der Frage, ob bei anderen der Bundesbahndirektion Hannover nachgeordneten Behörden "leidensgerechte" Dienstposten vorhanden waren, die der Kläger trotz seiner Behinderung hätte ausfüllen können, kommt es nicht an, weil dem Kläger ein
abstrakt-funktionelles Amt bei der Ga ... Hbf und nicht bei der Bundesbahndirektion Hannover übertragen war. Von den ihr durch die Neufassung des § 42 Abs.3 BBG eingeräumten Möglichkeiten, den Kläger anderweitig zu verwenden und erforderlichenfalls sogar zu versetzen, hätte die Beklagte von der Versetzung des Klägers in den Ruhestand Gebrauch machen können. Das hat sie aber nicht getan. Ebenso wenig ist entscheidungserheblich, ob sich aus dem vom Berufungsgericht eingeholten unfallchirurgischen Gutachten zwingend ergibt, dass die auf dem Dienstunfall beruhende Behinderung des Klägers als wesentlich mitwirkende Teilursache gewertet werden darf. Denn aus dem Gutachten ergibt sich eindeutig, dass der Kläger nicht in der Lage war, das mobile Dateneingabegerät zu bedienen. Da in der Ga ... Hbf unstreitig kein anderer leidensgerechter Dienstposten zur Verfügung stand, der dem abstrakt-funktionellen Amt entsprach, das dem Kläger übertragen war, durfte das Berufungsgericht ohne weitere Sachaufklärung davon ausgehen, dass der Kläger wegen seiner auf dem Dienstunfall beruhenden Körperbehinderung dienstunfähig war." (Abs.18)
Auszug aus: Originalurteil, Abs.16 ff
§§§
BVerwG, U, 23.09.04, - 2_C_50/03 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
GG_Art.3; EGV_Art.141; RL-97/81/EG, RL-75/117/EWG; BBesG_§_6 Abs.1, BBesG_§_48 Abs.1; BGleiG_§_15 Abs.1; BGB_§_249; AZV_§_7 Abs.1 S.1; MVergV_§_3 Abs.1; (SH) AZVO_§_2, AZVO_§_9 Abs.2; (SH) LBG_§_88 Abs.2, LBG_§_88b, LBG_§_95;
Arbeitszeit / Ausgleichsmaßnahmen / außerunterrichtliche Verpflichtungen / Benachteiligungsverbot / Gleichheitsgrundsatz / Klassenfahrt / Lehrer / Lehrerarbeitszeit / Mehrarbeitsvergütung / Mehrbeanspruchung / mittelbare und unmittelbare Diskriminierung / Pflichtstunden / Schadensersatz / Teilnahme an Klassenfahrt / Teilzeitbeschäftigung.
1) Die Teilnahme an mehrtägigen Klassenfahrten begründet für teilzeitbeschäftigte beamtete Lehrer keinen Anspruch auf zusätzliche Vergütung (Abgrenzung zu BAGE 98, 368).
2) Teilzeitbeschäftigte Lehrer werden durch die Teilnahme an Klassenfahrten nur dann gleichheitswidrig stärker belastet, wenn ihnen während des maßgeblichen Zeitraums der Teilzeitbeschäftigung kein Ausgleich gewährt werden kann.
LB 5) Teilzeitbeschäftigte und Anspruch aus Fürsorgepflicht. LB 5) Teilzeitbeschäftigte und Anspruch auf Schadensersatz.
Z-448 Arbeitszeit + Teilzeitbeschäftigung
"1. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin aus § 6 BBesG zu Recht verneint. Nach dieser Bestimmung werden die Dienstbezüge bei Teilzeitbeschäftigung im gleichen Verhältnis wie die Arbeitszeit gekürzt. Zwar leistet der Lehrer während der Zeit einer Klassenfahrt Dienst und ist die im Dienst verbrachte Zeit Arbeitszeit, doch ist Anknüpfungspunkt für die Besoldung der Lehrer nur die Zahl der festgelegten Pflichtstunden. Diese Zahl ändert sich während der Klassenfahrt nicht. Die Festsetzung der regelmäßigen wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung der Lehrer stellt eine Regelung der Arbeitszeit im Sinne der beamtenrechtlichen Vorschriften über die Arbeitszeit dar. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats, wonach die Pflichtstundenregelung für Lehrer und einzelne Lehrergruppen in die allgemeine beamtenrechtliche Arbeitszeitregelung eingebettet ist (Urteil vom 28.Januar 2004 BVerwG 2 C 19.03 Buchholz 237.4 § 76 HmbLBG Nr.2 S.2; Beschluss vom 14. Dezember 1989 BVerwG 2 NB 2.89 Buchholz 237.0 § 90 BaWüLBG Nr.2 S.2 mwN). Die zeitliche Festlegung ausschließlich dieses Teils der Arbeitszeit der Lehrer erklärt sich daraus, dass deren Arbeitszeit nur hinsichtlich der eigentlichen Unterrichtsstunden exakt messbar ist, während sie im Übrigen entsprechend der pädagogischen Aufgabe wegen der erforderlichen Unterrichtsvorbereitung, der Korrekturen, Elternbesprechungen, Konferenzen und dergleichen nicht im Einzelnen in messbarer und überprüfbarer Form bestimmt, sondern nur grob pauschalierend geschätzt
werden kann (stRspr, vgl ua Urteil vom 29.November 1979 BVerwG 2 C 40.77 BVerwGE 59,142 mwN; Beschluss vom 14.Dezember 1989 BVerwG 2 NB 2.89 aaO). Dieser Aufgabenbereich neben dem Unterricht ist umso weniger zeitlich messbar, als die insoweit aufzuwendende Zeit auch nach Schülerzahl, Schulfächern und schließlich individuell nach Fähigkeiten, Einsatzbereitschaft und Erfahrung des einzelnen Lehrers differiert (vgl Urteile vom 1.Juni 1978 BVerwG 2 C 20.76 Buchholz 232 § 72 BBG Nr.14 S.23 und vom 28.Oktober 1982 BVerwG 2 C 88.81 Buchholz 11 Art.3 GG Nr.279 S.9 f, zuletzt vom 28.Januar 2004 BVerwG 2 C 19.03 aaO). (Abs.12)
Darüber hinaus ist mit "Arbeitszeit" in § 6 Abs.1 BBesG nicht die konkrete, ausschließlich auf eine Woche bezogene Arbeitszeit gemeint, sondern die durchschnittliche Arbeitszeit, die der Beamte während der Gesamtdauer der ihm gewährten Teilzeitbeschäftigung zu leisten hat. Dieses Verständnis des Begriffs der Arbeitszeit liegt auch § 2 Abs.1 Satz 2 und Satz 3 der schleswig-holsteinischen Arbeitszeitverordnung zugrunde. Die Bestimmung legt fest, dass bei Teilzeitbeschäftigten die vereinbarte Wochenarbeitszeit als durchschnittliche Wochenarbeitszeit gilt; für die Berechnung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit können bis zu zwölf Kalendermonate zugrunde gelegt werden (Berechnungszeitraum). Wie innerhalb dieses Zeitraums die Arbeitszeit verteilt wird, ist dabei ohne Belang. Erhöht sich die insgesamt zu
leistende Arbeitszeit und damit auch die durchschnittliche Arbeitszeit nicht, weil Zeiten zusätzlicher Arbeit durch entsprechende Zeiten herabgesetzter Arbeit ausgeglichen werden, so führt § 6 Abs. 1 BBesG zu keiner Erhöhung des Besoldungsanspruchs (vgl. Urteil vom 28.November 2002 BVerwG 2 CN 1.01 BVerwGE 117, 219). So verhält es sich hier. (Abs.13)
Auszug aus: Originalurteil, Abs.12 f
Z-449 Mehrarbeitsvergütung
"2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung nach § 88 Abs.2 Satz 3 LBG, § 48 Abs.1 BBesG iVm der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte (MVergV). Mehrarbeit ist der Dienst, den der Beamte aufgrund dienstlicher Anordnung oder Genehmigung zur Wahrnehmung der Obliegenheiten des Hauptamts oder, soweit ihm ein Amt nicht verliehen ist, zur Erfüllung der einem Hauptamt entsprechenden Aufgaben über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus verrichtet (vgl § 7 Abs.1 Satz 1 AZV). In § 9 Abs.2 SH AZVO wird der Begriff der Mehrarbeit nicht abweichend definiert, sondern vorausgesetzt. (Abs.14)
Nach der genannten Bestimmung des Landesbeamtengesetzes ist der Beamte verpflichtet, ohne Entschädigung über die wöchentliche Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Wird er durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht, ist ihm innerhalb von drei Monaten für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren. Ist die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich, können an ihrer Stelle Beamte in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern für einen Zeitraum bis zu 480
Stunden im Jahr eine Entschädigung erhalten. § 48 Abs.1 BBesG bestimmt, dass Mehrarbeitsvergütung nur gewährt werden darf, soweit sie nicht durch Dienstbefreiung ausgeglichen wird. Die Vergütung darf nur für Beamte in Bereichen vorgesehen werden, in denen nach Art der Dienstverrichtung eine Mehrarbeit messbar ist. § 3 Abs.1 MVergV bestimmt, dass die Vergütung nur gewährt wird, wenn die Mehrarbeit schriftlich angeordnet oder genehmigt wurde und aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht innerhalb eines Jahres durch Dienstbefreiung ausgeglichen werden kann. (Abs.15)
Die Teilnahme an einer Klassenfahrt ist, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, keine Mehrarbeit, sondern gehört zum normalen Arbeitsumfang eines Lehrers. Dementsprechend können auch vollzeitbeschäftigte Lehrer für die Dauer derartiger Veranstaltungen Mehrarbeitsvergütung nicht in Anspruch nehmen. (Abs.16)
Des Weiteren scheitert der Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung daran, dass ein Vergütungsanspruch nur insoweit entsteht, wie ein vorrangig zu leistender Zeitausgleich nicht möglich ist (§ 3 Abs.1 Nr.3 MVergV; ebenso § 9 Abs.2 Satz 2 und 3 (Abs.17)
SH AZVO). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Zeitausgleich nicht möglich war. (Abs.18)
Schließlich kann eine Vergütung für Mehrarbeit nur gewährt werden, wenn sie schriftlich angeordnet oder genehmigt wurde (§ 3 Abs.1 Nr.1 MVergV). Anordnung und Genehmigung von Mehrarbeit sind Ermessensentscheidungen, die der Dienstherr unter Abwägung der im konkreten Zeitpunkt maßgebenden Umstände zu treffen hat. Der Dienstherr hat dabei zu prüfen, ob nach den dienstlichen Notwendigkeiten überhaupt eine Mehrarbeit erforderlich ist und welchem Beamten sie übertragen werden soll (Urteil vom 28.Mai 2003 BVerwG 2 C 28.02 Buchholz 232 § 72 BBG Nr.38 S.5). Bei dem Dienst, den die Klägerin während der Klassenfahrt über ihre Pflichtstundenzahl hinaus geleistet hat, fehlt es an einer entsprechenden Anordnung des Beklagten. (Abs.19)
Auszug aus: Originalurteil, Abs.14 ff
Z-450 Anspruch aus Fürsorgepflicht
"3. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 95 Abs.1 LBG = § 79 BBG) kommt als Anspruchsgrundlage ebenfalls nicht in Betracht. Sie wird im Einzelnen grundsätzlich abschließend durch Spezialvorschriften des öffentlichen Dienstrechts geregelt. Soweit es um die Alimentierung des Beamten geht, geschieht dies abschließend durch die Vorschriften über die Besoldung und über die Vergütung von Mehrarbeit, die wie dargelegt einen solchen Anspruch nicht ergeben (vgl Urteil vom 21.Dezember 2000 BVerwG 2 C 39.99 BVerwGE 112, 308; Beschluss vom 24.Oktober 1989 BVerwG 2 B 112.89 Buchholz 421.20 Hochschulpersonalrecht Nr.46 S.52). Es lässt sich auch nicht feststellen, dass diese gesetzlichen Regelungen eine offensichtlich nicht beabsichtigte Lücke in der dem Beamten geschuldeten Fürsorge lassen.
Auszug aus: Originalurteil, Abs.20
Z-451 Teilzeitarbeit + Gleichbehandlung
"4. Aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach dem seiner Ausprägung dienenden nationalen Verfassungsrecht (Art.3 Abs.1 bis 3 GG) und gemeinschaftsrechtlichen Regelungen (Art.141 EG) lässt sich der geltend gemachte Anspruch ebenfalls nicht herleiten. Teilzeitbeschäftigte Lehrer sollen als Beamte nach den bestehenden beamtenrechtlichen Regelungen gemessen an ihrer relativen zeitlichen Belastung und ihrer Besoldung durch Klassenfahrten nicht stärker belastet werden als Vollzeitbeschäftigte; es ist damit auch keine Benachteiligung vorgesehen, die Frauen stärker betrifft als Männer (unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung Art.141 EG). (Abs.21)
a) Zu Unrecht beruft sich die Klägerin in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22. August 2001 5 AZR 108/00 BAGE 98, 368. Nach dieser Entscheidung sind teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis für die Dauer der Teilnahme an ganztägigen Klassenfahrten wie vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte zu vergüten. Nach den Tarifbestimmungen erhalten Angestellte für jede zusätzliche Arbeitsstunde den auf eine Stunde entfallenden Anteil der Vergütung entsprechend vollbeschäftigten Angestellten. Die entgegenstehende Regelung des Tarifvertrages, nach der für Lehrer abweichend hiervon die Bestimmungen für Beamte gelten, hält das Bundesarbeitsgericht wegen Verstoßes gegen § 2 BeschFG für unwirksam, weil die (von den Tarifvertragsparteien gewollte) Anwendung der
Mehrarbeitsvergütungsverordnung zu einem geringeren Stundensatz führen würde als bei vollzeitbeschäftigten Lehrkräften. Den Einwand mangelnder Messbarkeit geleisteter Mehrarbeit in der Einheit von Unterrichtsstunden hält das Bundesarbeitsgericht für nicht durchgreifend, da hier gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen entschieden werden könne. Bei der Teilnahme an Klassenfahrten sei nur die Vollzeitvergütung angemessen. (Abs.22)
Die Grundsätze dieses Urteils lassen sich aus den vom Berufungsgericht zutreffend dargelegten Gründen nicht auf den Fall der Klägerin übertragen, die Beamtin ist. Bei Angestellten steht das Synallagma zwischen Dienstleistung und Bezahlung beherrschend im Vordergrund. Im Beamtenrecht gibt es ein solches Synallagma nicht, vielmehr steht hier der Pflicht des Beamten, sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen, die Pflicht des Dienstherrn gegenüber, den Beamten lebenslänglich zu alimentieren und ihm Schutz und Fürsorge zu gewähren. Die Besoldung ist nicht Gegenleistung für den Dienst des Beamten, sondern Teil der komplexen Rechts- und Pflichtenstellung, in der der Beamte und der Dienstherr einander gegenüberstehen. Ein allgemeiner Grundsatz, dass jede Mehrarbeit bei einem Beamten zu einem zusätzlichen Vergütungsanspruch führt, ist nicht anzuerkennen. Dem Beamten steht auch kein Wahlrecht zwischen Freizeitausgleich und Vergütung für geleistete Mehrarbeit zu. Nationales und
Gemeinschaftsrecht gebieten es, eine benachteiligende Diskriminierung auf andere Weise zu verhindern. Die Gewährleistungen beamtenrechtlicher Regelungen bieten dafür ausreichende Grundlagen. (Abs.23)
Nach Artikel 141 EG iVm der Richtlinie 75/117/EWG vom 10. Februar 1975 (ABl Nr.L 045 S.19) und der Richtlinie 97/81 EG des Rates vom 15. Dezember 1997 (ABl 1998 L 14/9) gilt der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sowie das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter. Unter "Entgelt" im Sinne des Art.141 EG sind die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt. Gleichheit des Arbeitsentgelts ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bedeutet, dass das Entgelt für eine gleiche nach Akkord bezahlte Arbeit aufgrund der gleichen Maßeinheit festgesetzt wird und dass für eine nach Zeit bezahlte Arbeit das Entgelt bei gleichem Arbeitsplatz gleich ist. (Abs.24)
Das Berufungsgericht hat die zuletzt genannte Frage lediglich mit Blick auf die von der Klägerin zitierte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 30.Juni 2003 6 A 4424/01 (ZBR 2004,63) erörtert und ist zutreffend davon
ausgegangen, dass der hier zu entscheidende Fall anders gelagert ist. In dem entschiedenen Falle hatte der Schulleiter für einen Monat eine Erhöhung der Unterrichtsstundenzahl angeordnet, für die eine (mindere) Vergütung nach der Mehrarbeitsvergütungsverordnung gezahlt wurde. (Abs.25)
Art.141 EG und die seiner Umsetzung dienende Richtlinie 75/117/EWG zielen in erster Linie auf die Beseitigung bestehender Diskriminierungen zwischen Männern und Frauen bei der Bezahlung. Daneben ist die Richtlinie auch Grundlage für den Grundsatz gleicher Bezahlung innerhalb der Geschlechter und steht insofern auch einer Diskriminierung bei der Bezahlung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegen. Die bestehenden nationalen Vorschriften über die Besoldung der Beamten und über die Vergütung von Mehrarbeit berücksichtigen diesen Grundsatz. Die Richtlinie legt nicht fest, wie die Vergleichsgröße der "Leistung" zu erfassen ist. Sie steht daher einer nationalen Regelung nicht entgegen, die als Maßstab hierfür die Dauer der Unterrichtsverpflichtung zugrunde legt.
Durch die Richtlinie 97/81 EG des Rates vom 15.Dezember 1997 wurde die im gleichen Jahr zwischen den europäischen Sozialpartnern geschlossene Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit in Gemeinschaftsrecht überführt. Den Mitgliedstaaten wurde aufgegeben, die für die Umsetzung in nationales Recht
erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bis zum 20.Januar 2000 in Kraft zu setzen. Die Rahmenvereinbarung sieht in § 1 als Ziel vor, die Beseitigung von Diskriminierungen Teilzeitbeschäftigter sicherzustellen und zu einer flexiblen Organisation der Arbeit beizutragen, die den Bedürfnissen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer Rechnung trägt. Der Anwendungsbereich erstreckt sich nach § 2 Nr.1 auf Teilzeitbeschäftigte, die in einem Arbeitsverhältnis stehen. § 4 mit "Grundsatz der Nichtdiskriminierung" überschrieben bestimmt insbesondere, dass Teilzeitbeschäftigte in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil sie teilzeitbeschäftigt sind, gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden dürfen, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus objektiven Gründen gerechtfertigt. (Abs.26)
Die Klägerin fällt als Beamtin in den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist Arbeitnehmer, wer während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisungen Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (EuGH, Urteile vom 3.Juli 1986, Rs.66/85, Lawrie-Blum, Slg 1986, 2121, Rn.17 und vom 26.Februar 1992, Rs C-357/89, Raulin, Slg 1992, S.I-1027, Rn.10). Ohne Belang ist es, in welchem Status diese Tätigkeit ausgeübt wird; Beamte fallen daher, wenn auch als besondere Gruppe, ebenfalls unter
diesen Begriff. Ebenso ist es ohne Belang, wie das Entgelt bezeichnet wird; ein Gehalt oder Lohn ist es ebenso wie eine Aufwandsentschädigung, eine Entschädigung oder ein Unterhaltsbeitrag (vgl Urteile des EuGH vom 23.Oktober 2003 C-4/02 Schönheit, DVBl 2004,188 191 = ZBR 2004, 246 und vom 27.Mai 2004 C-285/02 Elsner-Lakeberg, NVwZ 2004,1103 = ZBR 2004,314). (Abs.27)
Der Umsetzung dieser Richtlinie in deutsches Recht wie auch der Gebote des Art.3 Abs.2 und Abs.3 GG dient ua § 88b LBG. Danach darf die Ermäßigung der Arbeitszeit nach § 88a LBG das berufliche Fortkommen nicht beeinträchtigen. Beamtinnen und Beamte mit ermäßigter Arbeitszeit dürfen gegenüber Beamtinnen und Beamten mit regelmäßiger Arbeitszeit nicht benachteiligt werden. Eine unterschiedliche Behandlung Teilzeitbeschäftigter gegenüber Vollzeitbeschäftigten ist nur zulässig, wenn zwingende sachliche Gründe sie rechtfertigen (§ 15 Abs.1 BGleiG). (Abs.28)
b) Die Klägerin wird nicht im Sinne der genannten Bestimmungen gleichheitswidrig benachteiligt. (Abs.29)
Von einer gleichheitswidrigen Behandlung einer teilzeitbeschäftigten Lehrerin kann hier nur die Rede sein, wenn diese im maßgeblichen Zeitraum relativ stärker belastet oder relativ schlechter bezahlt wird als vollzeitbeschäftigte Lehrer.
Sie ist dann nicht stärker beansprucht, wenn vorübergehende Belastungen durch entsprechende Entlastungen ganz oder nahezu vollständig ausgeglichen werden. Ungleich belastend oder diskriminierend kann nur der Teil der dienstlichen Beanspruchung sein, bei dem ein solcher Ausgleich nicht möglich ist. Ähnlich wie § 6 BBesG erfasst der Gleichheitssatz nur den Saldo aus Mehrbelastung und Entlastung, wobei der Zeitraum, innerhalb dessen Mehr- und Minderleistungen zu erfassen sind, über einen Kalendermonat hinausgehen kann (vgl Urteil vom 28.November 2002 BVerwG 2 CN 1.01 aaO S.225). Dies findet Ausdruck in § 2 Abs.1 Satz 2 und Satz 3 der schleswig-holsteinischen Arbeitszeitverordnung, nach dem bei Teilzeitbeschäftigten die vereinbarte Wochenarbeitszeit als durchschnittliche Wochenarbeitszeit gilt und für die Berechnung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit ein Berechnungszeitraum von bis zu zwölf Kalendermonaten zugrunde gelegt werden kann. (Abs.30)
Die Mehrbelastung der Klägerin durch die Teilnahme an einer Klassenfahrt wird durch Entlastungsmaßnahmen des Dienstherrn ausgeglichen. (Abs.31)
Nach dem Erlass des Beklagten vom 24.April 1995 (in der Fassung vom 23.Juni 1999) zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte sollen Zeiten der Mehrbelastung ausgeglichen werden. Im Einzelnen sieht der
Erlass vor, sogenannte teilbare außerunterrichtliche Verpflichtungen von Teilzeitbeschäftigten proportional zur reduzierten Unterrichtsverpflichtung zu bemessen. Die Belastungen durch Klassenfahrten, die nach dem Sprachgebrauch des Erlasses zu den "teilbaren" Aufgaben rechnen, sind demnach durch anteiligen oder alternierenden Einsatz auszugleichen. (Abs.32)
Der Klägerin ist zuzugeben, dass die im zweiten Teil des Erlasses unter den Nummern 1 bis 4 aufgeführten Maßnahmen nicht speziell als Entlastung für die Teilnahme an Klassenfahrten gedacht sind, sondern allen teilzeitbeschäftigten Lehrern zugute kommen sollen. Ebenso vermag der Senat der Klägerin darin zu folgen, dass der in Absatz 3 erwähnte "anteilige" Einsatz des teilzeitbeschäftigten Lehrers während einer Klassenfahrt (also etwa dessen Ablösung nach Ablauf der halben Dauer der Fahrt) kaum praktikabel ist. Mit dem Berufungsgericht ist jedoch davon auszugehen, dass ein alternierender Einsatz teilzeitbeschäftigter Lehrer bei Klassenfahrten möglich ist. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob von dieser im Erlass genannten Maßnahme bisher Gebrauch gemacht worden ist. Ebensowenig kommt es darauf an, ob sich für eine mit einem Bruchteil der vollen Wochenstunden beschäftigte Lehrerin wie die Klägerin ein mathematisch exakter Ausgleich herstellen lässt, wenn sie nur an jeder zweiten (oder dritten oder vierten usw) Klassenreise teilzunehmen hat. Es genügt, dass
es möglich ist, jedenfalls einen annähernden Ausgleich zu schaffen. Wird der Klägerin gestattet, alternierend nur an jeder zweiten Klassenfahrt durchschnittlicher Art und Dauer teilzunehmen, erhält sie bereits eine höhere Entlastung, als ihrer Teilzeitquote entspricht. (Abs.33)
Die normative und durch den genannten Erlass ergänzte Regelung genügt den Anforderungen des § 88b LBG und der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, deren Umsetzung er dient. Auch wenn die Pflicht des Dienstherrn, teilzeitbeschäftigte Lehrer zu entlasten, nicht von einem Antrag abhängig ist, stellt es keine unzumutbare Erschwerung der Rechtsverfolgung dar, wenn der nach Entlastung strebende Lehrer sein Begehren gegenüber dem Leiter der Schule, an der er beschäftigt ist, äußert und sich mit ihm über einen Interessenausgleich verständigt, der seinen eigenen Wünschen ebenso wie den schulischen Belangen Rechnung trägt. Würde man den Lehrern bei versäumter Antragstellung und im Anschluss daran nicht realisiertem (Freizeit-)Ausgleich einen Vergütungsanspruch einräumen, so liefe dies letztlich auf ein entsprechendes Wahlrecht der Lehrer hinaus, das dem Beamtenrecht fremd ist. (Abs.34)
Lässt sich unter Berücksichtigung möglicher Ausgleichsmaßnahmen eine Benachteiligung teilzeitbeschäftigter Lehrer nicht feststellen, so entfällt auch
ein Verstoß gegen das Verbot indirekter Diskriminierung. ..."
Auszug aus: Originalurteil, Abs.21 ff
Z-452 Teilzeitarbeit + Schadensersatz
"5. Für einen Schadensersatzanspruch fehlt es an einem zu ersetzenden Schaden. Zusätzlicher Dienst eines Beamten ist kein Schaden im Sinne des allgemeinen Schadensersatzrechts. Für beamtenrechtliche Schadensersatzansprüche ist der Schadensbegriff maßgebend, der auch den §§ 249 ff BGB zugrunde liegt (stRspr; vgl zB Urteile vom 21. Februar 1991 BVerwG 2 C 48.88 BVerwGE 88, 60 m.w.N. und vom 10.Februar 2000 BVerwG 2 A 4.99 Buchholz 236.1 § 24 SG Nr.18 S.10). Danach ist mangels besonderer Vorschriften Geldersatz nur bei einem Vermögensschaden, nicht bei einem immateriellen Schaden zu leisten. Der Aufwand von Zeit und Arbeitskraft zur Leistung des zusätzlichen Dienstes und der damit verbundene Verlust von Freizeit als solche sind kein durch Geld zu ersetzender materieller Schaden (Urteile vom 28.Mai 2003 BVerwG 2 C 28.02 aaO, vom 21.Februar 1991 BVerwG 2 C 48.88 aaO sowie vom 5.November 1998 BVerwG 2 A 2.98 Buchholz 240 § 48 BBesG Nr.7 S.4; ebenso BGH, Urteile vom 29. April 1977 V ZR 236/74 BGHZ 69, 34 und vom 22. November 1988 VI ZR 126/88 BGHZ 106,28 ). Hiervon abgesehen käme ein Schadensersatzanspruch erst dann in Betracht, wenn Ausgleichsmaßnahmen nicht mehr möglich wären. Selbst wenn der Erlass des Beklagten zu Unrecht nicht angewandt worden sein sollte, hätte sich die Klägerin hiermit nicht begnügen dürfen, sondern hätte versuchen müssen, ihren Anspruch auf zeitliche Entlastung wegen der Teilnahme an der Klassenfahrt als "Primäranspruch" (vgl § 839 Abs.3 BGB) notfalls auch gerichtlich durchzusetzen."
Auszug aus: Originalurteil, Abs.36
§§§
04.140 Stäbe der Division |
---|
BVerwG, B, 23.09.04, - 6_P_2/04 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
SBG_§_2, SBG_§_49, SBG_§_53;
Soldatenbeteiligung / Vertrauenspersonen oder Personalvertretungen / Stäbe der Divisionen / Stäbe der Korps / Gleichbehandlungsgrundsatz.
1) Die Stäbe der Divisionen sind Wahlbereiche nach § 2 Abs.1 Nr.3 SBG; sie sind keine den Stäben der Korps entsprechende Dienststellen im Sinne von § 49 Abs.1 Satz 2 SBG.
2) Die beteiligungsrechtliche Sonderbehandlung der Korpsstäbe gegenüber den Divisionsstäben verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
§§§
04.141 Beschlussverfahren |
---|
BVerwG, B, 23.09.04, - 6_P_5/04 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
SBG_§_2, SBG_§_49; BPersVG_§_53, BPersVG_§_83;
Wahl von Personalvertretungen durch Soldaten in militärischen Dienststellen / Antragsbefugnis des Bezirkspersonalrats / Antragsbefugnis einzelner Soldaten.
Für die im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren angestrebte gerichtliche Feststellung, dass die Soldaten in einer militärischen Dienststelle Personalvertretungen wählen, kommt dem Bezirkspersonalrat bei der übergeordneten militärischen Dienststelle, nicht aber dem einzelnen der Dienststelle angehörenden Soldaten die Antragsbefugnis zu.
§§§
04.142 Kontaminiertes Grundstück |
---|
BVerwG, U, 23.09.04, - 7_C_22/03 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
GG_Art.14 Abs.1 S.2, GG_Art.14 Abs.3; BBodSchG_§_4 Abs.3, BBodSchG_§_4 Abs.6, BBodSchG_§_9 Abs.2, BBodSchG_§_10 Abs.1 S.1; BImSchG_§_5, BImSchG_§_22; KrW-/AbfG_§_3 Abs.5, KrW-/AbfG_§_3 Abs.6, KrW-/AbfG_§_11; InsO_§_32 Abs.3 S.1, InsO_§_38, InsO_§_55 Abs.1 Nr.1, InsO_§_60, InsO_§_80 Abs.1, InsO_§_148 Abs.1
Bodenschutzrechtliche Anordnung / Ordnungspflichten / Insolvenz / schädliche Bodenveränderungen / Altlasten / kontaminierte Grundstücke / Insolvenzverwalter / störender Massegegenstand / Zustandsverantwortlichkeit / Masseverbindlichkeit / Insolvenzforderung / Ordnungsrecht / Insolvenzrecht / Freigabe / massefreies Vermögen / Sittenwidrigkeit / Eigentumsaufgabe / Eigentumsinhaltsbestimmungen/ Verhältnismäßigkeit
1) Der Insolvenzverwalter kann nach § 4 Abs.3 Satz 1 BBodSchG als Inhaber der tatsächlichen Gewalt für die Sanierung von massezugehörigen Grundstücken herangezogen werden, die bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kontaminiert waren. Eine solche Verpflichtung ist eine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs.1 Nr.1 InsO (Bestätigung von BVerwGE 108,269).
2) Hat der Insolvenzverwalter die kontaminierten Grundstücke aus der Masse freigegeben, darf er nicht mehr nach § 4 Abs.3 Satz 1 BBodSchG für deren Sanierung in Anspruch genommen werden; ebenso wenig ist § 4 Abs.3 Satz 4 Halbsatz 2 BBodSchG entsprechend anwendbar.
§§§
04.143 Aufenthaltserlaubnis |
---|
BVerwG, U, 28.09.04, - 1_C_10/03 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
GG Art.101 Abs.1 S.2; AuslG_§_24 Abs.1; AuslG_§_35; AuslG_§_46 Nr.6; VwGO_§_6, VwGO_§_134;
Versagung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis / Ausweisungsgrund Sozialhilfebezug der Eltern / Ausweisungsgrund als abstrakter Versagungsgrund / Zulassung der Sprungrevision durch den Einzelrichter.
1) Eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs.1 AuslG darf einem Ausländer dann nicht unter Berufung auf den Ausweisungsgrund nach § 46 Nr.6 AuslG mit der Begründung versagt werden, dass seine in Deutschland lebenden Eltern Sozialhilfe beziehen, wenn die Eltern ein eigenes Aufenthaltsrecht besitzen, das vom Aufenthaltsstatus des Sohnes unabhängig ist.
2) Der Senat lässt offen, ob die Bindung des Revisionsgerichts an die Zulassung der Sprungrevision ausnahmsweise entfallen oder die Zulassung unwirksam sein kann, wenn sie im Einzelfall unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters ergangen ist (unter Bezugnahme auf das Urteil vom 29.Juli 2004 BVerwG 5 C 65.03 )
§§§
BVerwG, U, 29.09.04, - 10_C_3/04 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
GG_Art.3 Abs.1, GG_Art.19 Abs.4, (Ss) KAG_§_9 Abs.1, KAG_§_9 Abs.2, KAG_§_17 Abs.1, KAG_§_17 Abs.4, KAG_§_39a;
Satzungsfehler / Unbeachtlichkeit / Nichtigkeit / Gesamtnichtigkeit / Abgabengerechtigkeit / öffentliche Einrichtung / Einrichtungsbegriff / Typisierung / Pauschalierung / Verwaltungspraktikabilität / Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers / Ergebniskontrolle.
Verstöße einer Beitragssatzung gegen höherrangiges Recht können nicht unter Berufung auf den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit deswegen als unbeachtlich behandelt werden, weil die Beitragsmehrbelastung bei rechtmäßiger Satzungsvorschrift nur unwesentlich höher ausfiele.
§§§
BVerwG, B, 29.09.04, - 6_P_4/04 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
(He) PersVG_§_69 Abs.3, PersVG_§_74 Abs.1 Nr.17;
Initiativrecht des Personalrats / Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems / Mitbestimmung bei Einführung technischer Überwachungseinrichtungen.
Der Personalrat kann nicht auf der Grundlage seines Mitbestimmungsrechts bei der Einführung technischer Überwachungseinrichtungen durch einen Initiativantrag die Einführung einer solchen Einrichtung verlangen.
§§§
04.146 außerordentliche Beschwerde |
---|
BVerwG, B, 05.10.04, - 2_B_90/04 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
VwGO_§_173; ZPO_§_321a;
Zivilprozessreformgesetz; außerordentliche Beschwerde; greifbare Gesetzwidrigkeit.
Seit In-Kraft-Treten des Zivilprozessreformgesetzes vom 27.Juli 2001 (BGBl I S.1887) ist die außerordentliche Beschwerde gegen unanfechtbare Entscheidungen wegen sog greifbarer Gesetzwidrigkeit nicht mehr statthaft.
§§§
BVerwG, U, 05.10.04, - 7_C7/04 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
VermG_§_38 Abs.2; VwVfG_§_80 Abs.2; VwGO_§_42 Abs.2, VwGO_§_162 Abs.2 S.2; FGO_§_139; BRAGO_§_12 Abs.1, BRAGO_§_118 Abs.1 Nr.1, BRAGO_§_119 Abs.1; GG Art.28 Abs.2;
Erstattung von Anwaltskosten im Widerspruchsverfahren / Kosten des Vorverfahrens / Geschäftsgebühr / Mittelgebühr.
Wenn ein Anwalt bereits im Ausgangsverfahren tätig geworden ist, gehört zu den Kosten der Vertretung im Widerspruchsverfahren nur der Teil der Geschäftsgebühr nach § 118 Abs.1 Nr.1 BRAGO, der durch das Widerspruchsverfahren verursacht worden ist.
§§§
04.148 verbundene jur-Person |
---|
BVerwG, B, 14.10.04, - 6_B_/04 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
PartG-DDR_§_20b Abs.2; EGBGB_Art.232 § 1; ZPO_§_415 Abs.2
DDR / Parteien / verbundene juristische Personen / Treuhandvertrag / Vertragsrecht der DDR / Revisibilität / öffentliche Urkunde / Gegenbeweis.
1) Das Tatbestandsmerkmal des § 20 b Abs.2 PartG-DDR "verbundene juristische Person" ist erfüllt, wenn die Geschäftsanteile an einer GmbH treuhänderisch zugunsten der SED oder einer der SED gehörenden Gesellschaft gehalten wurden.
2) Das Vertragsrecht der DDR gehört nach Maßgabe des Art.232 § 1 EGBGB grundsätzlich zu dem vor dem Bundesverwaltungsgericht revisiblen Recht; dazu können auch Vorschriften über die notarielle Beurkundung von Willenserklärungen gehören.
3) § 415 Abs.2 ZPO hindert das Tatsachengericht nicht, gemäß § 86 Abs.1 VwGO die ihm geboten erscheinenden Aufklärungsmaßnahmen auch bezüglich der Umstände zu treffen, die sich auf den beurkundeten Vorgang beziehen.
§§§
04.149 Asylfolgeverfahren |
---|
BVerwG, U, 20.10.04, - 1_C_15/03 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
AsylVfG_§_71 Abs.1, AsylVfG_§_77 Abs.1; AuslG_§_53 Abs.6; VwGO_§_86 Abs.1, VwGO_§_113 Abs.5; VwVfG_§_49 Abs.1, VwVfG_§_51;
Asylfolgeverfahren / Wiederaufgreifen des Verfahrens / Ermessen / Ermessensreduzierung / zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis / Krankheit / medizinische Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat / Abschiebestopp-Erlass / Spruchreife / gerichtliche Aufklärungspflicht.
1) Bei einer Entscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs.6 AuslG iVm § 51 Abs.5, §§ 48, 49 VwVfG ist das Ermessen zugunsten des Ausländers regelmäßig auf Null reduziert, wenn er im Zielstaat der drohenden Abschiebung einer extremen individuellen Gefahr ausgesetzt wäre.
2) Die Verwaltungsgerichte sind auch in solchen Verfahren gehalten, die Sache zulasten oder zugunsten des Ausländers soweit wie möglich spruchreif zu machen (§ 113 Abs.5 Satz 1 VwGO), bevor sie das Bundesamt zu einer Neubescheidung verpflichten.
§§§
BVerwG, U, 21.10.04, - 4_C_2/04 -
Originalurteil = www.BVerwG.de
BauGB_§_35 Abs.1 Nr.6, BauGB_§_35 Abs.3;
Revisionsverfahren / Rechtsänderung / Flächennutzungsplan / Teilnichtigkeit / Teilunwirksamkeit / Ausschlusswirkung / Planungskonzept / Windenergieanlagen.
1) Die Konzentrationsplanung von Windenergieanlagen in einem Flächennutzungsplan ist insgesamt unwirksam, wenn dem Plan mangels ausreichender Darstellung von Positivflächen kein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zugrunde liegt.
2) Die Änderung eines Flächennutzungsplans, mit dem Ausweisungen an anderer Stelle vorgenommen werden und der damit die Ausschlusswirkung nach § 35 Abs.3 Satz 3 BauGB herbeiführen soll, stellt eine im Revisionsverfahren beachtliche Rechtsänderung dar.
§§§
[ 2003 ][ « ] |
RS-BVerwG - 2004 (121-150) |
[ » ][ 2005 ][ ] |
Saar-Daten-Bank (SaDaBa) - Frisierte Gesetzestexte - © H-G Schmolke 1998-2007
Rechtsprechungssammlung BVerwG (RS-BVerwG)
K-Adenauer-Allee 13, 66740 Saarlouis, Tel: 06831-988099, Fax: 06831-988066, Email: hgs@sadaba.de
Der schnelle Weg durch's Paragraphendickicht!
www.sadaba.de
§§§