Anm | zu § 20 VwVfG | Schmolke | [ ] |
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I. Allgemeines
Die §§ 20 und 21 VwVfG sind wesentliche Bestandteile eines rechtsstaatlichen, dh fairen, objektiven, unparteiischen, allein an Recht und Gesetz orientiertem Verwaltungsverfahren. Die Regelungen wollen sicherstellen, daß nur solche Bedienstete tätig werden, bei denen keine Umstände vorliegen, die objektiv geeignet sind Mißtrauen gegen ein sachgemäßes, unparteiisches Verhalten aufkommen zu lassen. Darüberhinaus stellt sie den Bediensteten von persönlichen Konfliktsiuationen frei und aktualisiert damit die Menschenwürde des Bediensteten bei Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit.
Der allgemeine Sprachgebrauch versteht unter Befangenheit gemeinhin Voreingenommenheit. (Mackensen, Großes Deutsches Wörterbuch, S.136). Ist die unvoreingenommene Ausübung einer Entscheidungskompetenz gefragt, gefährdet die Befangenheit diese Zielsetzung. Unsere Rechtsordnung kennt deshalb eine Vielzahl von Rechtsvorschriften, die Unbefangenheit bei der Amtsausübung gewährleisten sollen.(vgl zB § 27 KSVG; §§ 82, 83, 15 AO; § 16 SGB-X; § 59 BBG, § 73 SBG). Eine der jüngsten Vorschriften in dieser Hinsicht ist § 20 VwVfG. Sie baut weitgehend auf den kommunalrechtlichen Befangenheitsregelungen auf (vgl zB § 35 DGO, § 27 KSVG) auf und ergänzt sie um eine Definition des Angehörigenbegriffs. Die Regelung entspricht weitgehend dem bisherigen Recht, so daß die Entscheidungen zu den Gemeindeordnungen durchaus auch zur Rechtsfindung im Verwaltungsverfahren verwertbar sind.
Obwohl der Normzweck bei Befangenheitstatbeständen sich sehr ähnelt, haben wir die unterschiedlichsten Befangenheitsregeln zu verzeichnen. So verweist zB die beamtenrechtliche Befangenheitsregelung hinsichtlich des Angehörigenbegriffs auf das Zeugnisverweigerungsrecht wegen familienrechtlicher Beziehungen (§ 52 Abs.1 StPO), währen das VwVfG und die AO den Angehörigenbegriff selbst und deckungsgleich definieren. Im Ergebnis führt das zu teilweise im Randbereich unterschiedlichen Angehörigenbegriffen für die ein sachliches Bedürfnis nicht zu erkennen ist. Durch eine verfassungsrechtliche Regelung der Befangenheitsproblematik, könnte dieser Tatbestand vor die Klammer gezogen und eine Vielzahl bereichsspezifischer Befangenheitsregelungen entfallen.
Wie wenig der Gesetzgeber der zunehmenden Komplexität unserer Rechtsordnung noch gewachsen ist, zeigt klar sein Verhalten bei der Verabschiedung des Lebenspartnerschaftsgesetzes. Nach § 11 Abs.1 LPartG gilt ein Lebenspartner als Familienangehöriger des anderen Lebenspartners, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Da der Gesetzgeber aber die Definition des Angehörigenbegriffes in § 20 Abs.5 des VwVfG, § 15 AO und in § 16 Abs.5 SGB-X, im Gegensatz zB zu § 11 Abs.1 Nr.1 StGB nicht um den Begriff "Lebenspartner" erweitert hat, läge im Verwaltungs- und im Steuerverfahren keine Befangenheit vor, wenn ein Beamter einen Verwaltungsakt gegen oder zugunsten seines Lebenspartners erliese. Aus den Motiven zum Lebenspartnerschaftsgesetz geht nämlich klar hervor, daß die Einschränkung des zweiten Halbsatzes des § 11 Abs.1 sich auf Regelungsbereiche erstreckt, in denen der Angehörige legal definiert ist. Zwar weist die beamtenrechtliche Befangenheitsregelung (§ 59 BBG, § 73 SBG) auf die Regelung des Zeugnisverweigerungsrechtes naher Angehöriger der (§ 52 StPO), in den als Nr.2a der Lebensparter des Beschuldigten auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht aufgenommen wurde, so daß diese Lücke wenn Beamte im Verwaltungsverfahren tätig werden geschlossen werden kann. Da keine sachlichen Gründe erkennbar sind, den Lebenspartner im Verwaltungs- und Steuerverfahren nicht als Angehörigen anzuerkennen, liegt im Hinblick auf Angestellte hier ein planwidriges gesetzgeberisches Unterlassen vor, das wohl im Wege der Analogie geschlossen werden muss, solange der Gesetzgeber dieses Unterlassen nicht korrigiert.
§ 20 VwVfG hat die amtliche Überschrift "Ausgeschlossene Personen". Eine Paragraphenüberschrift hat die Aufgabe den Regelungsgehalt einer Vorschrift zu umschreiben und so das Auffinden dieser Norm zu erleichtern. Dieser Aufgabe wird sie um so eher gerecht, je treffender ihr Bedeutungsinhalt den Regelungsgehalt des Tatbestandes umschreibt. Dieser Vorgabe wird die Überschrift des § 20 nur unzureichend gerecht. Sie weist ausschließlich auf die Rechtsfolge hin. Die Voraussetzungen, die diese Folge herbeiführen sind nicht erkennbar. Auch die Rechtsfolge wird nur unvollständig umschrieben, da dem Ausgeschlossenen nicht nur etwas verboten wird, sondern die Vorschrift ihm auch subjektiv einen Anspruch auf Freistellung von seinen Amtspflichten gewährt. M.E. trifft die Überschrift "Mitwirkungsausschluß wegen Befangenheit" den Regelungsgehalt dieser Vorschrift am besten, weil er auf Tatbestand und Rechtsfolge hinweist und ausreichend neutral ist, um nicht auszuschließen, daß dem Normadressat der Regelung selbst einen Anspruch auf Ausschluß zusteht.
II. Die Befangenheitstatbestände
Der Regelungsgehalt des § 20 VwVfG ist recht kompliziert und nur unzureichend systematisch aufgearbeitet. Die Vorschrift regelt drei unterschiedliche Grundbefangenheitstatbestände und zwei Ausnahmen zu diesen Tatbeständen. Etwas übersichtlicher und vereinfacht kann der Regelungsgehalt wie folgt dargestellt weren:
In einem Verwaltungsverfahren darf für eine Behörde nicht tätig werden
wer außerhalb seiner amtlichen Eigenschaft in der Angelegenheit tätig geworden ist, insbesondere ein Gutachten abgegeben hat
wer selbst Tätiger oder Beteiligter ist
wenn der Tätige zu einem Beteiligten oder Betroffenen des Verwaltungsverfahrens in einer die Befangenheit vermittelnden Beziehung steht als
a) gesetzlicher/bevollmächtigter Vertreter (§ 20 Abs.1 Nr.2)Beteiligte sind gemäß § 13 VwVfG
Antragsteller und Antragsgegner,
diejenigen, an die die Behörde den Verwaltungsakt richten will oder gerichtet hat, (VA-Adressat)
diejenigen, mit denen die Behörde einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen will oder geschlossen hat, (Vertragsgegner)
diejenigen, die nach Absatz 2 von der Behörde zu dem Verfahren hinzugezogen worden sind. (rechtlich Betroffener)
Betroffener ist,
Ausnahmetatbestände:
Der Mitwirkungsausschluß des Absatz 1 gilt nicht
nach § 20 Abs.2 für Wahlen zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit und für die Abberufung ehrenamtlich Tätiger. Hierbei handelt es sich um eine echte Ausnahmeregelung. Sie beruht darauf, daß nach allgemeiner Auffassung im politischen Bereich das Wahlrecht auch das Recht mitumfaßt, sich selbst zu wählen (vgl Kopp, VwVfG 5.Aufl. § 20 RNr.41).
nach § 20 Abs.3 bei Gefahr im Verzuge bei unaufschiebbaren Maßnahmen.
Auch wenn die Einleitung in § 20 Abs.1 S.3 VwVfG "Das gilt nicht..." auf einen Ausnahmetatbestand hinweist, handelt es sich doch materiell nicht um einen solchen, sondern um eine Klarstellung unter welchen Voraussetzungen ein unmittelbarer Vor- oder Nachteil nicht vorliegt. (a.A. Wohlfarth zur vergleichbaren Regelung des § 27 Abs.3 Nr.1 KSVG vgl KomR, 2.Aufl. RNr.127).
Siehe Übersicht-2 Befangenheit
III. Rechtsprechungshinweise
Zum Sinn und Zweck der Befangenheitsregelung vgl RsprS Hinweise I a)
zum Begriff des unmittelbarer Vor- oder Nachteils vgl RsprS Hinweise I b)
zum Begriff Angehöriger einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe vgl Rspr-Hinweise I c)
Einzelfälle in denen Befangenheit bejaht wurde vgl. Rspr-Hinweise II.,
in denen sie verneint wurde siehe III,
sonstige Einzelfälle siehe V.
Zu den Folgen befangener Mitwirkung siehe IV.
§§§
VwVfG §§ 21, 22 - Anmerkungen | [ ] |
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