2010 (2) | ||
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10.031 | Einschreitensbegehren |
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1) Es gehört nicht zu den Aufgaben des Oberverwaltungsgerichts in Zulassungsverfahren, mit eigenem Überlegungs- und Auslegungsaufwand zu ermitteln oder auch nur zu "vermuten", welchem Zulassungstatbestand im Sinne von § 124 Abs.2 VwGO sich ein in der Form einer Berufungsbegründung gehaltener Sachvortrag zuordnen lassen könnte. | |
2) Der in der Unterschrift des Nachbarn in den Bauvorlagen zu erblickende Verzicht auf materielle nachbarliche Abwehrrechte bindet bei mehreren Miteigentümern des Nachbargrundstücks ungeachtet im Einzelfall bestehender familiärer Beziehungen, insbesondere auch bei Ehegatten, nur den jeweils Verzichtenden. | |
3) Sowohl materielle nachbarliche Verzichtserklärungen als auch die Verwirkung von Nachbarrechten sind selbst bei Gefahren für Leib und Leben des Verzichtenden wirksam, weil sie in erster Linie die Nutzbarkeit des eigenen Grundstücks betreffen. | |
4) Über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehende "Auflagen" zur Baugenehmigung, die auf entsprechende Forderungen des Nachbarn im Zusammenhang mit seiner Nachbarzustimmung zur Ausräumung von Genehmigungshindernissen zurück gehen, begründen einen Anspruch des Nachbarn gegen die als Adressat der Verzichtserklärung anzusehende Bauaufsichtsbehörde, nur eine genehmigungskonforme Ausführung hinzunehmen. | |
5) Ist aber der ein entsprechendes Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde verlangende Nachbar im Besitz eines inhaltlich die zur Ausräumung seiner geltend gemachten Rechtsbeeinträchtigung von ihm für geboten erachteten Anordnung abdeckenden vollstreckbaren zivilgerichtlichen Titels und kann er sich daher selbst "zu seinem Recht verhelfen", so kommt kein Anspruch auf (zusätzliches) Tätigwerden der Bauaufsicht in Betracht. Das gilt insbesondere auch im Hinblick auf die aus Sicht des Nachbarn einfachere und vor allem "kostengünstigere" Vollstreckung einer behördlichen Anordnung im Vergleich zur Durchsetzung des Zivilurteils, bei der der private Vollstreckungsgläubiger zumindest in Vorlage treten muss. | |
6) Die öffentlich-rechtliche Wirkung der nachbarlichen Verzichtserklärung gegenüber der Genehmigungsbehörde erfasst ein genehmigungsabweichend ausgeführtes Vorhaben insgesamt nicht, so dass dem Nachbarn mit Blick auf eine Nichteinhaltung seinem Schutz dienender Vorschriften ein Anspruch der Beseitigung des Gebäudes - vorbehaltlich einer nachträglichen Herstellung des genehmigten Zustands durch den Bauherrn - zuzubilligen ist. | |
7) Wie materielle Abwehrrechte sind auch Ansprüche auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten aufgrund einer Nichteinhaltung von "Bedingungen" für die Nachbarzustimmung im Rahmen der Bauausführung vom Verzichtenden zeitnah geltend zu machen und unterliegen ansonsten einer Verwirkung. | |
8) Das Verwaltungsgericht verletzt nach ständiger Rechtsprechung seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs.1 VwGO) nicht, wenn ein in der mündlichen Verhandlung rechtskundig vertretener Beteiligter dort - wie hier die Kläger ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 22.4.2009 - keine konkreten Beweisanträge zu dem jeweiligen Tatsachenvorbringen gestellt hat. Die Aufklärungsrüge im Berufungszulassungsverfahren dient nicht dazu, solche Beweisanträge zu ersetzen. Gleiches gilt für Ankündigungen von Beweisanträgen oder Beweisersuchen in die mündliche Verhandlung vorbereitenden Schriftsätzen. | |
9) Im Rahmen eines baurechtlichen Nachbarstreits, insbesondere hinsichtlich der Beurteilung von Lärm- und Geruchsimmissionen, kommt es nicht auf besondere Befindlichkeiten und die gesundheitliche Situation des individuellen (konkreten) Nachbarn an. | |
§§§ | |
10.032 | Amtsärztliche Untersuchung |
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1) Die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung durch den Dienstherrn setzt voraus, dass der Beamte nach eigener Einschätzung infolge Krankheit dienstunfähig ist und dass der Dienstherr Zweifel an dieser (Selbst-)Einschätzung hat; diese Zweifel dürfen nicht aus der Luft gegriffen, sondern müssen durch konkrete Umstände veranlasst sein. | |
2) Die eine Untersuchungsanordnung tragenden Zweifel des Dienstherrn können sich auch aus einer Summe von Umständen ergeben, die - je für sich gesehen - noch keinen hinreichenden Anlass zu Zweifeln bieten. | |
LB 3) Privatärztlichen Attesten kommt aufgrund der persönlichen Beziehung zwischen Arzt und Patient ein geringerer Beweiswert zu als amtsärztlichen Bescheinigungen. | |
LB 4) Dass der Dienstherr nicht bereits bei den ersten Zweifeln an der behaupteten Dienstunfähigkeit des Beamten eine amtsärztliche Untersuchung angeordnet, sondern damit zugewartet hat, bis sich die Zweifel durch Hinzutreten weiterer Umstände entsprechend verdichtet hatten, führt - entgegen der Auffassung des Beamten - nicht zur Unverhältnismäßigkeit der angeordneten Maßnahme. Vielmehr entspricht das verzögerte Vorgehen gerade dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. | |
§§§ | |
10.033 | Schüttgutlager |
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1) § 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2 LBO schreibt vor, dass neben der planungsrechtlichen Zulässigkeit einer Grenzbebauung öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls ohne Grenzabstand gebaut wird. Eine solche öffentlich-rechtliche Sicherung in Form einer Baulast kann nicht dadurch ersetzt werden, dass auf dem Nachbargrundstück bereits eine grenzständige Bebauung vorhanden ist. | |
2) § 7 Abs.1 Satz 3 LBO erlaubt eine Grenzbebauung bei vorhandenen grenzständigen baulichen Anlagen auf dem Nachbargrundstück nur insoweit, als die Grenzbebauung hinsichtlich ihrer Qualität nicht wesentlich von dem abweicht, was auf dem Nachbargrundstück bereits vorhanden ist. | |
3) Ein grenzständiges Schüttgutlager, das nur drei Meter von einem auf dem Nachbargrundstück stehenden Wohnhaus entfernt errichtet worden ist, verstößt gegen § 3 Abs.1 Nr.2 LBO und gegen das Gebot der Rücksichtnahme. | |
4) Die Bauaufsichtsbehörde ist nicht verpflichtet vor dem Erlass einer Beseitigungsverfügung Ermittlungen darüber anzustellen, ob sich in der Umgebung der aufgegriffenen baulichen Anlage vergleichbare Anlagen befinden. | |
5) Ein Nachbar verwirkt seine Abwehrrechte gegen eine nachbarrechtswidrige bauliche Anlage dann nicht, wenn zwar seit der Errichtung der Anlage bereits eine längere Zeit vergangen ist (hier: ca.13 Jahre) der Bauherr aber nicht im Vertrauen auf die Nichtausübung der Abwehrrechte solche Vorkehrungen und Maßnahmen getroffen hat, dass ihm durch die verspätete Geltendmachung der Abwehrrechte ein unzumutbarer Nachteil entsteht. | |
6) Die Einschreitensbefugnis der Bauaufsichtsbehörde kann nicht durch Verwirkung verloren gehen. | |
7) Es bedarf keiner Duldungsverfügung gegen den Grundstückseigentümer, wenn der Mieter des Grundstücks zur Beseitigung einer baulichen Anlage aufgefordert wird, die er selbst im Rahmen des Betriebes seiner Baustoffhandlung errichtet hat. | |
§§§ | |
10.034 | Hinterhausbebauung |
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Eine Bebauung in zweiter Reihe ist unzulässig, wenn sie sich nach dem Merkmal der "Grundstücksfläche, die überbaut werden soll" nicht in die nähere Umgebung einfügt und die rückwärtige Ruhezone stört. | |
§§§ | |
10.035 | Rückforderung eines Investitionszuschusses |
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1) Bei Verfehlung des Zuwendungszwecks gebieten es die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Regelfall, den Zuwendungsbescheid gemäß § 49 Abs.3 Satz 1 Nr.1 SVwVfG zu widerrufen und den ausgezahlten Investitionszuschuss gemäß § 49a SVwVfG zurückzufordern; nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände bedarf es besonderer Ermessenserwägungen der Behörde bei der Entscheidung über den Widerruf des Zuwendungsbescheides. | |
2) Der Zuwendungsempfänger trägt grundsätzlich das wirtschaftliche Risiko für die Nichterreichung des mit dem Investitionszuschuss verfolgten Zweck. | |
3) Unter Ermessensgesichtspunkten bestehen keine Bedenken, die Bewilligung eines Investitionszuschusses zur Schaffung neuer und Sicherung vorhandener Dauerarbeitsplätze nicht nur anteilig, sondern in vollem Umfang zu widerrufen, weil nicht nur die neu zu schaffenden, sondern auch die zu sichernden Dauerarbeitsplätze nicht während der gesamten Zweckbindungsfrist besetzt gewesen sind. | |
§§§ | |
10.036 | Windkraftanlagen |
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1) Der Hinweis auf das öffentliche Interesse an der umweltverträglichen Energieversorgung genügt den formalen Anforderungen des § 80 Abs.3 VwGO. | |
2) Gegen die Anwendung der TA Lärm und der DIN ISO 9613-2 zur Bestimmung der Lärmimmissionen von Windkraftanlagen bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. | |
3) Eigentümer von Grundstücken in reinen Wohngebieten, die unmittelbar an den Außenbereich angrenzen, können immissionsschutzrechtlich nur die Einhaltung der Richtwerte für ein allgemeines Wohngebiet beanspruchen. | |
4) Die Nebenbestimmung, dass die Windkraftanlagen nachts nicht mehr betrieben werden dürfen, wenn nicht binnen 12 Monaten nach Inbetriebnahme der Nachweis der Einhaltung der Richtwerte aufgrund von Messungen erbracht wird, trifft hinreichend Vorsorge für die Nachbarschaft, wenn ein Überschreiten der Richtwerte für ein Kern-, Dorf- oder Mischgebiet ausgeschlossen erscheint. | |
5) Windenergieanlagen, die mehr als 1.200 m und damit mehr als das 20fache der erforderlichen Abstandsfläche von 0,4 H bzw das 8fache der Gesamthöhe der einzelnen Anlagen von der Wohnbebauung entfernt stehen, wirken im Rechtssinne nicht optisch bedrückend. | |
6) Die Gefahren durch von Windkraftanlagen ausgehenden Infraschall werden durch Nr.7.3 TA Lärm geregelt. | |
§§§ | |
10.037 | Aufbauseminar |
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1) Einzelfall einer rechtskräftigen Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 4 Abs.7 S.1 StVG | |
2) Die ordnungsgemäße Ersatzzustellung einer Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar mittels Einschreiben gegen Rückschein durch einen Postdienstler richtet sich nicht nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Postdienstlers. | |
§§§ | |
10.038 | Angemessene Altersicherung |
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1) Eine der Versorgung im Alter dienende private Anlageform stellt sich nur dann als angemessene Alterssicherung im Sinne von § 39 Abs.4 Satz 2 SGB VIII dar, wenn die gewählte Anlageform subjektiv zur Altersversorgung bestimmt ist und es dieser auch nicht von vornherein an der objektiven Eignung zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung fehlt. | |
2) Eine private Anlageform ist zu einer Absicherung der Versorgung im Alter objektiv nur geeignet, wenn das im Alter zur Verfügung stehende Vorsorgekapital der Höhe nach zumindest den aufgewendeten und öffentlich geförderten Altersvorsorgebeiträgen entspricht sowie sichergestellt ist, dass das Vorsorgekapital nicht schon vor Eintritt in den Ruhestand anderweitig verwertet werden kann. | |
3) Eine Fondsgebundene Lebensversicherung und ein Wertpapier-Sparvertrag sind zu einer angemessenen Alterssicherung im Sinne von § 39 Abs.4 Satz 2 SGB VIII schon deshalb objektiv ungeeignet, weil diese keine garantierte Versicherungsleistung bzw keinen garantierten Kapitalertrag beinhalten, sondern die Versicherungsleistung bzw der Kapitalertrag der Wertentwicklung der jeweiligen Fonds- bzw Wertpapieranteile unterliegen, und damit das Risiko des (teilweisen) Verlustes des Vorsorgekapitals besteht. | |
§§§ | |
10.039 | Aufenthaltserlaubnis |
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Die Regelung des § 104a Abs.3 S.1 AufenthG gilt auch für den Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft, wenn die Lebenspartner seit vielen Jahren in nichtehelicher Gemeinschaft zusammenleben und fünf gemeinsame Kinder haben, mithin praktisch vergleichbare Lebensverhältnisse wie bei Eheleuten gegeben sind. | |
§§§ | |
10.040 | Fahrtenbuchauflage |
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1) Zu den Voraussetzungen und zur Verhältnismäßigkeit der Auferlegung einer Fahrtenbuchauflage nach § 31a StVZO | |
2) Halter eines Fahrzeuges ist derjenige, der das Kraftfahrzeug für eigene Rechnung gebraucht bzw wer tatsächlich, vornehmlich wirtschaftlich, über die Fahrzeugbenutzung bestimmt. Ein Verlust der Haltereigenschaft tritt dabei erst bei längerfristigem Überlassen des Kraftfahrzeuges an einen Dritten nicht ein, wenn der Eigentümer jederzeit über das Fahrzeug selbst verfügen kann. | |
3) Maßgeblich für die fortbestehende Haltereigenschaft bei Überlassen eines Fahrzeuges an einen Dritten ist, ob der Halter, der sein Fahrzeug dauerhaft verleiht, seine Verfügungsbefugnis behält bzw nach der Absprache mit dem Entleiher diesem gegenüber hinsichtlich der Nutzung des Fahrzeuges weisungsbefugt bleibt. In diesem Falle ist der Halter in der Lage, den Dritten etwa dazu zu veranlassen, seinerseits eine den Anforderung einer Fahrtenbuchauflage entsprechendes Fahrtenbuch zu führen. | |
§§§ | |
10.041 | Reifenservicebetrieb |
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Die von einem Reifenservicebetrieb, der in einem grenzständigem Gebäude untergebracht werden soll, ausgehenden Immissionen sind für ein benachbartes ebenfalls grenzständiges Wohnhaus grundsätzlich unzumutbar, so dass er wegen des Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme nicht genehmigungsfähig ist. | |
§§§ | |
10.042 | Anfechtung formloser Schreiben |
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1) Gegen formlose Schreiben der Bauaufsichtsbehörde ist die Anfechtungsklage unzulässig. | |
2) Vorbeugender Rechtsschutz auf die Feststellung, dass ein Bauwerk mit der Baugenehmigung übereinstimmt, ist nach § 43 VwGO nur ausnahmsweise zulässig. | |
LB 3) Für vorbeugende Feststellungsklagen wird das Feststellungsinteresse durch die hM nur dann bejaht, wenn ein spezielles, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse besteht und mit dem Abwarten der befürchteten Maßnahme für den Kläger Nachteile verbunden wären, die ihm auch unter Berücksichtigung der Möglichkeiten vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 bzw § 123 VwGO nicht zumutbar sind, insbesondere, wenn Rechtsnachteile drohen, die mit einer späteren Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage usw. nicht mehr ausräumbar sind oder wenn ein sonst nicht wieder gutzumachender Schaden droht. | |
§§§ | |
10.043 | Erdwärmkollektoren |
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1) Beantragt ein Nachbar bei der Bauaufsicht allein umfangreiche Überprüfungen, ist eine ohne entsprechenden Antrag bei der Behörde erhobene Klage auf Erlass einer Beseitigungsanordnung gegen den Nachbarn unzulässig. | |
2) Ein Abwehranspruch gegen in der Abstandsfläche unterirdisch verlegte Erdwärmekollektoren steht dem Nachbarn nicht zu. | |
3) In der Abstandsfläche nach § 8 Abs.2 Nr.11 LBO SL zulässige Aufschüttungen kann der Nachbar grundsätzlich nicht abwehren. | |
§§§ | |
10.044 | Tierschutz |
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1) § 16 a Tierschutzgesetz verpflichtet die Veterinärbehörden zum Einschreiten gegen festgestellte oder zu besorgende Verstöße gegen die sich aus § 2 Tierschutzgesetz oder den aus der Tierschutz-NutztierhaltungsVO ergebenden Pflichten des Tierhalters. Ein Entschließungsermessen besteht insoweit nicht. | |
2) Das bei der Wahl geeigneter Maßnahmen nach § 16a Satz 2 Tierschutzgesetz bestehende Auswahlermessen ist regelmäßig auf den Erlass eines Haltungsverbotes reduziert, wenn der Tierhalter die von ihm gehaltenen Rinder über Jahre hinweg unterversorgt und gequält hat. | |
3) Verhindert ein Tierhalter über Jahre den zuständigen Veterinärbehörden den Zutritt zu seinem Stall in dem Rinder entgegen den Anforderungen der Tierschutz-NutztierhaltungsVO gehalten wurden, so liegen Tatsachen vor, die im Sinne von § 16a Satz 2 Nr.3 Tierschutzgesetz die Annahme rechtfertigen, das er auch künftig seinen tierschutzrechtlichen Halterpflichten zuwider handeln wird. | |
4) Die Festsetzung eines Zwangsgeldes als Vollstreckungsmaßnahme ist rechtswidrig, wenn es nach Lage der Dinge nicht geeignet ist, den Willen des Ordnungspflichtigen zu beugen, weil es mangels Masse gegen ihn nicht vollstreckt werden kann. | |
§§§ | |
10.045 | Agglomeration von 6 Einzelhandelsgeschäften |
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Eine Agglomeration von sechs Einzelhandelsgeschäften mit einer Gesamtverkaufsfläche von 2.613,92 qm können ein Einkaufszentrum darstellen. | |
§§§ | |
10.046 | Ehebedingter Familiennachzug |
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1) Ein Anspruch auf nachträgliche Erteilung eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet ist im Falle des ehebedingten Familiennachzugs nicht deshalb im Sinne des § 39 Nr. Aufenthaltsverordnung nach der Einreise entstanden, weil nach Eheschließung im Ausland die eheliche Lebensgemeinschaft erst im Anschluss an die Einreise nach Deutschland begründet wird. | |
2) Das Beweisanerbieten, das Gericht möge sich durch die Anhörung des Ausländers von dessen ausreichenden Deutschkenntnissen überzeugen, ist nicht geeignet, den nach § 30 Abs.1 Satz 1 Nr.2 AufenthG erforderlichen Nachweis hinreichender Sprachkenntnisse zu erbringen oder zu ersetzen. | |
3) Bestätigung der Rechtsprechung der Kammer, wonach sich ein Ausländer wegen der Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen in einem EU-Mitgliedsstaat (hier: Dänemark) nicht mit Erfolg auf ein ihm für die Bundesrepublik Deutschland zustehendes Aufenthaltsrecht gemäß Art.18 EGV berufen kann. | |
§§§ | |
10.047 | Risikoschwangerschaft |
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1) Die Schutzpflichten aus Art.6 GG, die prinzipiell erst ab der Geburt eines Kindes einsetzen, können in besonders gelagerten Ausnahmefällen Vorwirkungen mit der Folge entfalten, dass die beabsichtigte Abschiebung auch eines werdenden Vaters unzumutbar sein kann. | |
2) Eine solche Sondersituation ist dann anzunehmen, wenn eine Gefahrenlage für das ungeborene Kind und/oder die Mutter wegen einer sogenannten Risikoschwangerschaft besteht und die Unterstützung der Schwangeren durch den abzuschiebenden Ausländer zumindest überwiegend wahrscheinlich ist. | |
3) Die wegen einer Risikoschwangerschaft der Ehefrau des abzuschiebenden Ausländers gebotene einstweilige Verpflichtung der Behörde, von der zwangsweisen Beendigung seines Aufenthaltes im Bundesgebiet abzusehen, ist hinsichtlich ihrer Dauer auf die Zeit der Schwangerschaft seiner Ehefrau zuzüglich eines in Anlehnung an § 6 Abs.1 MuSchG bestimmten Zeitraumes von acht Wochen nach der Geburt zu begrenzen. | |
§§§ | |
10.048 | Antikollegiales Verhalten |
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gravierender Verletzung seiner Loyalitätspflicht gegenüber seinem Dienstherrn Mitarbeiter, denen er kriminelles Verhalten unterstellt, - auch unter missbräuchlicher Inanspruchnahme der Strafrechtsorgane - in antikollegialer Weise verfolgt. | |
§§§ | |
10.049 | Zukunftsinvestitionsgesetz |
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1) Nach den Regelungen des Vergabeverfahrens für Mittel aus dem Zukunftsinvestitionsgesetz im Saarland können neben den Gemeinden und Gemeindeverbänden auch "Dritte", soweit sie anstelle der Kommunen kommunale Aufgaben erfüllen, in den Genuss von Fördermitteln aus dem ZuInvG kommen (Nr.3.2 der Förderrichtlinie Zukunftsinvestitionsgesetz ). | |
2) Dies sind im Bereich des Fördergegenstandes Bildung insbesondere die Träger von Privatschulen. | |
3) Derartige "Dritte" können nach Nr.3.1 der Förderrichtlinie Zukunftsinvestitionsgesetz nicht selbst als Antragsteller gegenüber der zentralen Bewilligungsbehörde auftreten und die erstrebten Fördermittel beantragen. | |
4) Sie haben jedoch gegen die in Nr.3.1 der Förderrichtlinie Zukunftsinvestitionsgesetz genannten Gemeinden und Gemeindeverbände einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung darüber, ob diese sie an den ihnen zur Verfügung gestellten Fördermitteln partizipieren lassen und einen Antrag auf entsprechende Zuwendungen bei der Bewilligungsbehörde stellen, die sie dann - nach Bewilligung - gemäß Nr.3.2 der Förderrichtlinie Zukunftsinvestitionsgesetz an die privaten Schulträger weiterreichen. | |
§§§ | |
10.050 | Dienstliche Beurteilung |
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1) Die Beurteilung hat die Anforderungen des statusrechtlichen Amtes und die vergleichsweisen Leistungen und Befähigungen der Beamten derselben Laufbahn- und Besoldungsgruppe zum Anknüpfungspunkt. | |
2) Im Fall einer Absenkung des Gesamturteils um zwei Wertungsstufen gegenüber der Vorbeurteilung sind erhöhte Anforderungen an die Plausibilisierung der Bewertung zu stellen. | |
§§§ | |
10.051 | Berufsunfähigkeitsrente |
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1) Berufsunfähigkeit iSv § 11 Abs.1 der Satzung des Versorgungswerkes der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen setzt voraus, dass dem Architekten jedwede Architektentätigkeiten der in § 1 BaukammernG NW beschriebenen Art zur Einkommenserzielung auf Dauer nicht möglich ist; solange noch bestimmte nicht wahrgenommene Behandlungsmöglichkeiten bestehen, die nach medizinischen Erkenntnissen eine Besserung des Krankheitsbildes erwarten lassen, liegt keine dauerhafte Berufsunfähigkeit vor. | |
2) Das Verwaltungsgericht verletzt seine Sachaufklärungspflicht grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer (weiteren) Beweiserhebung absieht, die ein rechtskundig vertretener Beteiligter nicht förmlich beantragt hat und deren Erforderlichkeit sich dem Verwaltungsgericht auch nicht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht aufdrängen musste. | |
§§§ | |
10.052 | Erkennungsdienstliche Behandlung |
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LB 1) Bei § 81b 2.Alt StPO handelt es sich nicht um eine Regelung im Bereich der Strafverfolgung, sondern um die Ermächtigung zu Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge im Sinne präventiv-polizeilicher Tätigkeit. | |
LB 2) Die Vorschrift dient der vorsorgenden Bereitstellung von Hilfsmitteln für die künftige Erforschung und Aufklärung von Straftaten. | |
LB 3) Die Notwendigkeit erkennungsdienstlicher Maßnahmen bemisst sich dementsprechend danach, ob der Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend - fördern könnten. | |
LB 4) Bei der Prognose, ob eine Wiederholungsgefahr vorliegt, kann ein Tatvorwurf selbst dann berücksichtigt werden, wenn das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs.2 StPO eingestellt worden ist. | |
LB 5) Die Anfertigung von Lichtbildern kann anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles voraussichtlich für die zukünftige Aufklärungsarbeit der Polizei geeignet sein (bejahrt bei 3 eingestellten Verfahren wegen Nötigung im Straßenverkehr). | |
LB 6) bei Verkehrsstraftaten sind Finger und Handflächenabdrücke im Regelfall weniger geeignet, die polizeilichen Ermittlungen zu fördern. | |
LB 7) Gemäß § 38 Abs.2 Satz 1 SPolG sind in Dateien gespeicherte personenbezogene Daten zu löschen und die dazugehörigen Unterlagen zu vernichten, wenn ihre Speicherung unzulässig war. | |
LB 8) Hinsichtlich der Finger- und Handflächenabdrücke besteht ein Löschungsanspruch des Klägers deshalb, weil diese nicht zur Unterstützung künftiger Ermittlungen geeignet waren und ihre Speicherung deshalb unzulässig war (§ 38 Abs.2 Satz 1 Nr.1 SPolG). | |
§§§ | |
10.053 | Baueinstellung |
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1) Zwar gelten für den Erlass von Baueinstellungen durch die Bauaufsichtsbehörde mit Blick auf die zugrunde liegende gesetzgeberische Intention einer Sicherung gerade der Funktion des formellen Baurechts regelmäßig geringe Anforderungen. Wird die Behörde jedoch erkennbar ausschließlich zur Verhinderung einer nach ihrer Beurteilung drohenden Nichtbeachtung von Vorschriften aus dem Bereich des materiellen Bauplanungs- oder Bauordnungsrechts tätig, so muss eine dem § 39 Abs. 1 Satz 3 SVwVfG genügende Begründung der Ermessensentscheidung zumindest erkennen lassen, welche konkreten Rechtsverstöße gemeint sind. Insoweit genügt nicht ein allgemein gehaltener Hinweis, die aufgegriffenen Bauarbeiten seien "in bauplanungsrechtlicher Hinsicht unzulässig". | |
2) Es bleibt offen, ob sich der Adressat einer wegen eines formellen Rechtsverstoßes angeordneten Baueinstellungen deshalb nicht auf eine unterbliebene Anhörung (§ 28 Abs.1 SVwVfG) berufen kann, weil er - in diesen Fällen - die Bauverwirklichung unter Verzicht auf eine gebotene vorherige Einreichung entsprechender Anträge oder Unterlagen in Angriff genommen hat. | |
3) Der Grundsatz, dass bei der rechtlichen Beurteilung von Bauvorhaben vor allem im Baunachbarstreit eine einheitliche Betrachtung der zu schaffenden Bausubstanz und der vom Bauherrn bei genehmigungsbedürftigen Vorhaben durch die Angaben im Bauantrag konkretisierten beabsichtigten Nutzung anzustellen ist, lässt sich nicht uneingeschränkt auf Fälle übertragen, in denen der Eigentümer eines stark sanierungsbedürftigen Bestands im Bereich "genehmigungsfreigestellten" Bauens zwar eine in ihrer rechtlichen Zulässigkeit umstrittene Benutzung, hier eine Haltung von Großtieren, plant, indes in jedem Fall die notwendige Sicherung vorhandener Bausubstanz anstrebt, um sich überhaupt eine künftige Nutzungsmöglichkeit zu erhalten. In diesem Fall fällt es in den Risikobereich des "genehmigungsfrei" tätig werdenden Bauherrn, wenn sich später die für den von ihm als erhaltens- und sanierungswert angesehenen, Baubestand angestrebte Nutzung aus rechtlichen Gründen nicht realisieren lassen sollte. | |
§§§ | |
10.054 | Festbetragsregelung |
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1) Die Festbetragsregelung des § 5 Abs.1 Nr.6 Satz 2 Halbsatz 1 BhVO ist mit höherrangigem Recht vereinbar. | |
2) Der Dienstherr ist nicht verpflichtet, den Beihilfeberechtigten auf Änderungen im Beihilferecht hinzuweisen. | |
3) Der Beihilfeberechtigte genießt keinen Vertrauensschutz dahingehend, dass eine dem geltenden Beihilferecht widersprechende Anerkennung der Beihilfefähigkeit eines Arzneimittels über den Festbetrag nach § 35 SGB V hinaus fortgesetzt wird. | |
§§§ | |
10.055 | Alfason Repair Lotion 100 |
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Die Hautcreme Alfason Repair Lotion 100 ist kein Arzneimittel im Sinne des saarländischen Beihilferechts und zudem geeignet, ein Gut des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Aus beiden Gründen sind die Aufwendungen hierfür, auch wenn sie aus Anlass einer Erkrankung getätigt werden, nicht beihilfefähig. | |
§§§ | |
10.056 | Abwassergebührenbescheid |
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§ 169 AO bildet eine absolute Rücknahmesperre, die die Anwendung des § 130 AO von vorneherein ausschließt. | |
§§§ | |
10.057 | Algerischer Staatsangehöriger |
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Ein algerischer Staatsangehöriger, der eine Verfolgung durch islamische Terroristen geltend macht, hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs.1 AufenthG, da der algerische Staat grundsätzlich schutzwillig und schutzfähig ist. Außerdem besteht in der Regel eine inländische Fluchtalternative in den größeren algerischen Städten. | |
§§§ | |
10.058 | Haftungsbescheid |
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Das Benennungsverlangen nach § 160 AO begründet lediglich eine Obliegenheit des Steuerpflichtigen, deren Nichterfüllung lediglich zu der für ihn unvorteilhaften Nichtberücksichtigung von Schulden, Lasten, Kosten und anderen Ausgaben führt; eine Pflichtverletzung im Sinne des § 69 AO liegt in der Nichterfüllung des Benennungsverlangens jedoch nicht. | |
§§§ | |
10.059 | Yeziden in der Türkei |
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1) Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG in Verbindung mit dem § 60 Abs. 1 AufenthG begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Für die Annahme der insoweit notwendig festzustellenden Verfolgungsdichte ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. | |
2) Die in dem Zusammenhang gebotene Beurteilung des Verhältnisses von Gruppenangehörigen und Verfolgungshandlungen erfordert keine Feststellung mit "naturwissenschaftlicher Genauigkeit". Es reicht vielmehr aus, die ungefähre Größenordnung der Schläge zu ermitteln und sie in Bezug zur Gesamtgruppe der von der Verfolgung Betroffenen zu setzen. Bei unübersichtlicher Tatsachenlage und nur bruchstückhaften Informationen aus einem Krisengebiet dürfen Tatsachengerichte auch aus einer Vielzahl vorliegender Einzelinformationen eine zusammenfassende Bewertung des ungefähren Umfangs der Verfolgungsschläge und der Größe eines verfolgten Personenkreises vornehmen. Die in dem Zusammenhang gebotene Beurteilung des Verhältnisses von Gruppenangehörigen und Verfolgungshandlungen erfordert nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Feststellung mit "naturwissenschaftlicher Genauigkeit". | |
3) Eine insoweit erleichterte Tatsachenfeststellung kann nur für die Fälle der (sehr) "kleinen Gruppen" in Betracht kommen, bei denen die Feststellung ausreichend sein kann, dass asylrelevante Übergriffe gegen die Mitglieder "an der Tagesordnung sind". Auch hierbei handelt es sich indes nicht um einen rechtlich anderen Maßstab für die erforderliche Verfolgungsdichte. | |
4) Bei Zugrundelegung dieser Anforderungen für eine unmittelbare oder mittelbare Gruppenverfolgung, die prinzipiell auf die nunmehr in § 60 Abs.1 Satz 4 lit.c AufenthG in Anlehnung an Art.6 lit.c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates der Europäischen Union vom 29.4.2004 (sog "Qualifikationsrichtlinie", QRL) geregelte "private Verfolgung" zu übertragen sind, lässt sich aus heutiger Sicht eine (mittelbare) Gruppenverfolgung von der yezidischen Religionsgemeinschaft angehörenden Kurden in deren angestammten Siedlungsgebieten im Südosten der Türkei auch bei Anwendung des so genanten herabgestuften Prognosemaßstabs einer hinreichenden Verfolgungssicherheit im Rückkehrfall nicht (mehr) bejahen (vgl. zur früheren Annahme einer Gruppenverfolgung in den 1980er Jahren beispielsweise OVG des Saarlandes, Beschluss vom 6.12.1993 - 9 R 156/93 -). | |
5) Neben der veränderten tatsächlichen Verfolgungssituation ist inzwischen auch eine Veränderung im Verhalten staatlicher Stellen der Türkei im Umgang mit Übergriffen auf Minderheiten beziehungsweise bei der Sicherung von Rechtspositionen von Yeziden eingetreten. Offizielle Stellen in der Türkei sind aufgrund von Anforderungen der EU mit Blick auf einen angestrebten Beitritt zumindest seit etwa 2000 bemüht, religiösen Minderheiten, auch Yeziden, vermehrt den gebotenen Schutz staatlicher Institutionen angedeihen zu lassen. | |
6) Eine die weitere Zuerkennung der Asylberechtigung oder der Flüchtlingseigenschaft rechtfertigende Gefährdung ergibt sich auch nicht unter dem Aspekt des religiösen Existenzminimums. Das gilt auch dann, wenn man davon ausgeht, dass der Schutzbereich der Religionsfreiheit durch den Art.10 Abs.1b QRL hinsichtlich der öffentlichen Religionsausübung eine Erweiterung gegenüber der bisherigen Rechtslage erfahren hat. Es ist nicht erkennbar, dass den Yeziden die Ausübung ihrer Religion, die nach den Glaubensvorstellungen der Anhänger ohnehin nicht öffentlich, das heißt vor den Augen Ungläubiger, praktiziert werden darf, in seiner Heimat durch staatliche oder dem türkischen Staat zurechenbare Eingriffe Dritter unmöglich gemacht würde. Zur Gewährleistung einer ausreichenden "religiösen Infrastruktur" ist der Heimatstaat eines unter religiösen Aspekten schutzsuchenden Ausländers nicht verpflichtet. | |
§§§ | |
10.060 | Doppelehe |
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1) Wie der an die allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Terminologie anknüpfende § 51 Abs.1 Nr.3 AufenthG verdeutlicht, geht der Gesetzgeber davon aus, dass auch rechtswidrig erteilte bestandskräftige Aufenthaltstitel von der zuständigen Behörde aufgehoben werden können. Da die in Betracht kommende Rücknahme, anders als der Widerruf rechtmäßig erteilter Titel (vgl. dazu § 52 AufenthG), im Aufenthaltsrecht keiner speziellen Regelung unterworfen wurde, ist insoweit auf die allgemeine Vorschrift in § 48 SVwVfG zurückzugreifen. | |
2) Aufenthaltstitel, die dem Ausländer mit Blick auf eine von ihm unter Verstoß gegen das familienrechtliche Verbot der Doppelehe und die diesbezügliche Strafvorschrift (§§ 1306 BGB, 172 StGB) geschlossene Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen erteilt werden, können nicht bereits mit Blick auf § 44 Abs.2 Nr.6 SVwVfG wegen Verstoßes gegen die guten Sitten als nichtig angesehen werden, sind aber am Maßstab der einschlägigen ausländerrechtlichen Vorschriften (hier: § 2 Abs.1 AuslG 1965) als rechtswidrig zu qualifizieren. | |
3) Der ausländerrechtlichen "Verwertbarkeit" dieses Umstands steht nicht entgegen, dass nach dem bis 1998 geltenden § 23 EheG, wonach sich niemand auf die Nichtigkeit der Ehe berufen konnte, bis diese durch Urteil des zuständigen Familiengerichts für nichtig erklärt worden war, die Nichtigkeit einer verbotswidrig vor dem deutschen Standesamt geschlossenen Doppelehe nur als rückwirkende Vernichtbarkeit ausgestaltet war und dass nach gegenwärtigem Recht die nach § 1306 BGB verbotene bigamische Ehe oder Doppelehe sogar nur noch einer Aufhebbarkeit (§ 1314 Abs.1 BGB) durch gerichtliches Urteil mit Wirkung für die Zukunft (§ 1313 Satz 2 BGB) unterliegt. | |
4) Die ausländerrechtlichen Vorschriften über den Familiennachzug (§§ 2 Abs.1 Satz 2 AuslG 1965, heute § 27 Abs.1 AufenthG) knüpfen vielmehr materiell an den Schutzbereich des Art.6 GG, so dass in der ausländerbehördlichen Verweigerung der auf das Institut der Ehe gründenden Möglichkeiten eines Familiennachzugs beziehungsweise eines aus der Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen abgeleiteten Bleiberechts durch die Ausländerbehörde bei Schein- und Doppelehen kein Verstoß gegen die familienrechtlichen Folgenregelungen in den §§ 23 EheG, 1314 Abs.1 BGB zu erblicken ist. | |
5) Aufenthaltsrechtlicher Nachzug soll nur in dem durch Art.6 Abs.1 GG gebotenen Umfang erfolgen und damit grundsätzlich auch begrenzt werden. Zu dem begünstigten Personenkreis zählt der doppelt verheiratete Ausländer nicht. Der verfassungsrechtliche Begriff der Ehe in Art.6 Abs.1 GG und die dadurch ausgefüllte, im genannten Sinne in allen bisherigen Gesetzesfassungen ausländerrechtlich beachtliche grundrechtliche Schutzgarantie (heute § 27 Abs.1 AufenthG) basieren auf dem Prinzip der Einehe. | |
6) Über die am Grundsatz der Rechtssicherheit orientierte Ausschlussfrist des § 48 Abs.4 Satz 1 SVwVfG für die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte hinaus lassen sich weder dem einfachen Gesetz noch verfassungsrechtlichen Anforderungen weiter gehende, auf den Erteilungszeitpunkt bezogene Fristen für die Rücknahme rechtswidriger, insbesondere durch falsche Angaben des Ausländers gegenüber den deutschen Behörden erwirkter Aufenthaltstitel entnehmen. Die seit 2009 im Gefolge der Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Staatsangehörigkeitsrecht normierte absolute zeitliche Grenze von fünf Jahren ab Bekanntgabe für die Rücknahme von durch arglistige Täuschung, Drohung, Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkte rechtswidrige Einbürgerungen (§ 35 Abs.3 StAG nF) ist vor dem Hintergrund der besonderen statusrechtlichen Auswirkungen der Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit auch für Dritte und des verfassungsrechtlichen Verbots einer Entziehung in Art.16 Abs.1 Satz 1 GG zu sehen. Ein vergleichbarer normativer Wert ist für aufenthaltsrechtliche Titel, die einem Ausländer die Berechtigung zum - gegebenenfalls auch unbefristeten - Aufenthalt vermitteln, in der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht verankert. | |
7) Bei einer Rücknahme bereits unanfechtbar gewordener Verwaltungsakte nach § 48 Abs.1 Satz 1 SVwVfG hat die Behörde im Rahmen ihrer Ermessensausübung zu prüfen, ob es aufgrund besonderer Umstände erforderlich erscheint, von der grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzes zugunsten der Bestandskraft und damit der Rechtssicherheit ausnahmsweise abzuweichen. Dabei sind neben den in Rede stehenden öffentlichen Interessen sowie der Art und Intensität des mit der Rücknahme zu korrigierenden Rechtsverstoßes auch die Auswirkungen für den Betroffenen in den Blick zu nehmen und nach ihrer Bedeutung angemessen zu berücksichtigen. | |
8) Einschränkungen ergeben sich dabei für den Fall einer Rücknahme ausländerrechtlicher Aufenthaltstitel auch mit Blick auf § 48 Abs.2 Satz 4 SVwVfG nicht nach den allgemeinen Grundsätzen über das so genannte intendierte Ermessen, für dessen Betätigung vom Gesetzgeber eine "Richtung" beziehungsweise ein bestimmtes Ergebnis gewissermaßen bereits als vom Gesetz "gewollt" vorgezeichnet ist und bei dem es vorbehaltlich vom Regelfall abweichender Besonderheiten des Einzelfalls keiner besonderen Erwägungen des "Für und Wider" bedarf. | |
9) Bei einem seit knapp 30 Jahren in Deutschland lebenden, seit Jahrzehnten bei demselben Arbeitgeber beschäftigten und damit dauerhaft seinen Lebensunterhalt selbst bestreitenden und in der gesamten Zeit seines Aufenthalts in Deutschland nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten oder gar strafrechtlich in Erscheinung getretenen Ausländer ist die Ermessensentscheidung für eine Rücknahme sämtlicher in der Vergangenheit - hier seit 1982 - erteilter Aufenthaltstitel mit Blick auf den Schutzbereich des "Privatlebens" nach Art. 8 Abs.1 EMRK dann ermessensfehlerhaft, wenn die Behörde diese Aspekte einer gelungenen wirtschaftlichen und sozialen Integration zwar erkennt, ihnen aber allein wegen einer Jahrzehnte zurückliegenden Täuschung des Ausländers über seinen Familienstand beziehungsweise Heiratsfähigkeit im Hinblick auf die Ursächlichkeit des Verhaltens für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse von vorneherein kein sonderliches Gewicht beimisst. | |
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