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16.031 Abrechnung gegenüber Pflegebedürftigen

  1. BVerfG,     B, 13.07.16,     – 1_BvR_617/12 –

  2. www.BVerfG.de = PM-Nr.56/2016

  3. SGB-XI_§_82 Abs.2 + 3

  4. Einbeziehung Investitionskosten / Zulässigkeit / Abrechnung / Erbbauzinsen / Eigenkapitalzinsen / Rückstellungen / Pflegebedürftige / Verfassungsmäßigkeit

 

PM: Nichtzulassung der Einbeziehung von Investitionskosten in die Abrechnung gegenüber Pflegebedürftigen nach alter Rechtslage verfassungsgemäß

 

Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, auf Grundlage des § 82 Abs.2 und 3 SGB XI in der bis zum 27.Dezember 2012 geltenden Fassung gegenüber Pflegebedürftigen die kalkulatorische Berechnung von Eigenkapitalzinsen, von Rückstellungen für spätere Investitionen sowie von Pauschalen für Instandhaltungsmaßnahmen neben den tatsächlich angefallenen Kosten nicht zuzulassen. Dies hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden.

§§§

16.032 Rückübertragung einer Grundschuld

  1. BVerfG,     B, 13.07.16,     – 2_BvQ_25/16 –

  2. www.BVerfG.de = PM-Nr.47/2016

  3. BVerfGG_§_32 Abs.1

  4. Sicherheitsleistung / Verwaltung des Deutschen Bundestages / Eilantrag / Ablehnung

 

PM: Eilantrag der NPD auf Rückübertragung einer als Sicherheitsleistung abgetretenen Grundschuld erfolglos

 

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts einen Antrag der NPD auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Verwaltung des Deutschen Bundestages abgelehnt. Mit dem Eilantrag wollte die NPD erreichen, dass ihr die Verwaltung des Deutschen Bundestages eine zuvor als Sicherheitsleistung abgetretene Grundschuld bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zurücküberträgt.

§§§

16.033 Befangenheit Richter Müller

  1. BVerfG,     B, 19.07.16,     – 2_BvC_46/14 –

  2. BVerfGE_142,302-312 = www.BVerfG.de = PM-Nr.52/2016

  3. BVerfGG_§_19

  4. vorhergehende amtliche Tätigkeit / Unvoreingenommenheit

 

PM: Befangenheitsantrag gegen den Richter des Bundesverfassungsgerichts Müller abgelehnt

 

Der Beschwerdeführer wendet sich mit einer Wahlprüfungsbeschwerde gegen die Wahl zum 18. Deutschen Bundestag vom 22.September 2013 und hat Richter Müller wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat entschieden, dass die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Sachverhalte keinen Anlass dafür bieten, an der Unvoreingenommenheit des Richters Müller zu zweifeln. Insbesondere weisen die vorgetragenen Sachverhalte keinen hinreichenden Bezug zum Gegenstand der Wahlprüfungsbeschwerde auf.

§§§

16.034 Kommunales Freizeitbad

  1. BVerfG,     B, 19.07.16,     – 2_BvR_470/08 –

  2. www.BVerfG.de = PM-Nr.58/2016

  3. GG_Art.3 Abs.1, GG_Art.101 Abs.1 S.2; AEUV_Art.267 Abs.3; EUV_Art.49; BGB_§_134

  4. Preisgestaltung - diskriminierende / Willkürverbot /

 

PM: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die diskriminierende Preisgestaltung durch ein kommunales Freizeitbad

 

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben, die sich gegen die Preisgestaltung durch ein kommunales Freizeitbad richtete. Der aus Österreich stammende Beschwerdeführer hatte mit seiner Verfassungsbeschwerde vornehmlich eine Benachteiligung gerügt, da er als Besucher des Freizeitbads den regulären Eintrittspreis zu entrichten hatte, während die Einwohner der umliegenden Betreibergemeinden einen verringerten Eintrittspreis bezahlten.

 

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Österreich. Bei einem Besuch eines von mehreren Gemeinden und einem Landkreis betriebenen Freizeitbades im Bertechsgadener Land musste er den regulären Eintrittspreis entrichten, während den Einwohnern dieser Gemeinden ein Nachlass auf den regulären Eintrittspreis von etwa einem Drittel gewährt wurde. Der Beschwerdeführer erhob Klage zum Amtsgericht und forderte wegen unzulässiger Benachteiligung die Rückzahlung des Differenzbetrags und die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger den Eintritt künftig zu dem ermäßigten Entgelt zu gewähren. Das Amtsgericht wies die Klage ab; die gegen das Urteil eingelegte Berufung war ebenfalls erfolglos. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art.3 Abs.1 GG) und eine Verletzung seines Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art.101 Abs.1 Satz 2 GG) durch Unterlassung einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union. ]d> ]d[ Wesentliche Erwägungen der Kammer:

1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art.3 Abs.1 GG.

a) Das Bundesverfassungsgericht überprüft die fachgerichtliche Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts grundsätzlich nur darauf, ob sie willkürlich ist oder auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts beruht oder mit anderen verfassungsrechtlichen Vorschriften unvereinbar ist.

b) Die Annahme der Fachgerichte, die Grundrechte des Beschwerdeführers seien vorliegend nicht anwendbar oder jedenfalls nicht verletzt, lässt sich unter keinem Blickwinkel nachvollziehen.

aa) Die unmittelbare Bindung der öffentlichen Gewalt an die Grundrechte hängt weder von der Organisationsform ab noch von ?4 ù- der Handlungsform. Das gilt auch dann, wenn der Staat oder andere Träger öffentlicher Gewalt auf privatrechtliche Organisationsformen zurückgreifen. In diesen Fällen trifft die Grundrechtsbindung nicht nur die dahinters

 

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art.3 Abs.1 GG.

a) Das Bundesverfassungsgericht überprüft die fachgerichtliche Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts grundsätzlich nur darauf, ob sie willkürlich ist oder auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts beruht oder mit anderen verfassungsrechtlichen Vorschriften unvereinbar ist.

b) Die Annahme der Fachgerichte, die Grundrechte des Beschwerdeführers seien vorliegend nicht anwendbar oder jedenfalls nicht verletzt, lässt sich unter keinem Blickwinkel nachvollziehen.

aa) Die unmittelbare Bindung der öffentlichen Gewalt an die Grundrechte hängt weder von der Organisationsform ab noch von der Handlungsform. Das gilt auch dann, wenn der Staat oder andere Träger öffentlicher Gewalt auf privatrechtliche Organisationsformen zurückgreifen. In diesen Fällen trifft die Grundrechtsbindung nicht nur die dahinterstehende Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern auch unmittelbar die juristische Person des Privatrechts selbst. Unerheblich ist auch, ob die für den Staat oder andere Träger öffentlicher Gewalt handelnde Einheit "spezifische" Verwaltungsaufgaben wahrnimmt, ob sie erwerbswirtschaftlich oder zur reinen Bedarfsdeckung tätig wird ("fiskalisches" Handeln) und welchen sonstigen Zweck sie verfolgt.

Vor diesem Hintergrund besteht an der unmittelbaren und uneingeschränkten Bindung der Beklagten des Ausgangsverfahrens an die Grundrechte kein Zweifel. Sie ist ein öffentliches Unternehmen, dessen einzige Gesellschafterin eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, die sich ihrerseits auf einen Landkreis und fünf Gemeinden stützt.

bb) Es ist auch nicht zu erkennen, dass die Auffassung der Fachgerichte im Ergebnis hinzunehmen sein könnte, weil die in Rede stehende Ungleichbehandlung gerechtfertigt wäre. Zwar ist es Gemeinden nicht von vornherein verwehrt, ihre Einwohner bevorzugt zu behandeln. Die darin liegende Ungleichbehandlung Auswärtiger muss aber durch hinreichende Sachgründe gerechtfertigt sein. Verfolgt eine Gemeinde das Ziel, knappe Ressourcen auf den eigenen Aufgabenbereich zu beschränken, Gemeindeangehörigen einen Ausgleich für besondere Belastungen zu gewähren oder Auswärtige für einen erhöhten Aufwand in Anspruch zu nehmen, oder sollen die kulturellen und sozialen Belange der örtlichen Gemeinschaft dadurch gefördert und der kommunale Zusammenhalt dadurch gestärkt werden, dass Einheimischen besondere Vorteile gewährt werden, kann dies mit Art.3 Abs.1 GG vereinbar sein. Das Bad der Beklagten ist jedoch auf Überregionalität angelegt, soll Auswärtige ansprechen und gerade nicht kommunale Aufgaben im engeren Sinne erfüllen.

c) Das Urteil des Oberlandesgerichts verletzt Art.3 Abs.1 GG in dessen Ausprägung als Willkürverbot ferner dadurch, dass es Art.49 EGV (Art.56 AEUV) mit Blick auf das darin enthaltene Diskriminierungsverbot nicht als Verbotsgesetz im Sinne des 134 BGB ansieht. Diese Annahme lässt sich unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt begründen.

2. Darüber hinaus verletzt das Urteil des Oberlandesgerichts den Beschwerdeführer auch in seinem Recht aus Art.101 Abs.1 Satz 2 GG.

a) Die nationalen Gerichte sind von Amts wegen gehalten, den Gerichtshof der Europäischen Union anzurufen, wenn die Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV vorliegen. Sie verletzen das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), wenn die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist.

b) Das Oberlandesgericht hat seine Vorlagepflicht offensichtlich unhaltbar gehandhabt, weil es sich hinsichtlich des materiellen Unionsrechts nicht hinreichend kundig gemacht hat. Dies gilt zunächst für den Umgang des Oberlandesgerichts mit der Frage, ob die Beklagte als öffentliches Unternehmen unmittelbar an die Grundfreiheiten gebunden ist. Angesichts der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Bindungswirkung des Diskriminierungsverbots und der Grundfreiheiten für vom Staat beherrschte Unternehmen liegt die Annahme einer unmittelbaren Bindung der Beklagten an die in Rede stehenden Vorgaben des Unionsrechts nahe. Ferner hat der Gerichtshof der Europäischen Union zu Entgeltsystemen für die Nutzung kultureller Einrichtungen, die Gemeindeeinwohner bevorzugen, festgestellt, dass wirtschaftliche Ziele die darin liegende Beschränkung der Grundfreiheiten nicht rechtfertigen könnten und dass auch steuerrechtliche Gründe nur dann anzuerkennen seien, wenn ein spezifischer Zusammenhang zwischen der Besteuerung und den Tarifvorteilen bestehe.

§§§

16.035 Steuerfestsetzungsfrist

  1. BVerfG,     B, 21.07.16,     – 1_BvR_3092/15 –

  2. www.BVerfG.de = PM-Nr.57/2016

  3. AO_§_169, AO_§_171 Abs.4 S.1 + 3, AO_§_201

 

PM: Die Ausrichtung der Steuerfestsetzungsfrist am Zeitpunkt der Schlussbesprechung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden

 

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Bundesfinanzhofs zum Lauf von Steuerfestsetzungsfristen bei Außenprüfungen nicht zur Entscheidung angenommen. Die vom Bundesfinanzhof vertretene Auslegung von § 171 Abs.4 Satz 3 Abgabenordnung (nachfolgend "AO"), wonach sich bei Außenprüfungen der Lauf der Festsetzungsfrist nur bei definitivem Unterbleiben der Schlussbesprechung nach dem Zeitpunkt der letzten Ermittlungshandlung richte, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

§§§

16.036 Nicht einsichtsfähige Betreute

  1. BVerfG,     B, 26.07.16,     – 1_BvL_8/15 –

  2. BVerfGE_142,313-353 = www.BVerfG.de = PM-Nr.59/2016

  3. GG_Art.2 Abs.2 S.1; GG_Art.100 Abs.1; BGB_§_1906 Abs.1 + Abs.3

  4. Richtervorlage / ärztliche Zwangsmaßnahme / Vereinbarkeit

 

1) Aus Art.2 Abs.2 Satz 1 GG folgt die Schutzpflicht des Staates, für nicht einsichtsfähige Betreute bei drohenden erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen unter strengen Voraussetzungen eine ärztliche Behandlung als letztes Mittel auch gegen ihren natürlichen Willen vorzusehen.

 

2. a) Im Verfahren nach Art.100 Abs.1 GG kann Vorlagegegenstand auch eine Norm sein, bei der das Gericht eine Ausgestaltung vermisst, die nach dessen plausibel begründeter Überzeugung durch eine konkrete verfassungsrechtliche Schutzpflicht geboten ist.

 

b) Besteht ein gewichtiges objektives Bedürfnis an der Klärung einer durch eine Vorlage aufgeworfenen Verfassungsrechtsfrage, kann die Vorlage trotz Erledigung des Ausgangsverfahrens durch den Tod eines Hauptbeteiligten zulässig bleiben.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:
1) Es ist mit der aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes folgenden Schutzpflicht des Staates unvereinbar, dass für Betreute, denen schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen drohen und die die Notwendigkeit der erforderlichen ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln können, eine ärztliche Behandlung gegen ihren natürlichen Willen unter keinen Umständen möglich ist, sofern sie zwar stationär behandelt werden, aber nicht geschlossen untergebracht werden können, weil sie sich der Behandlung räumlich nicht entziehen wollen oder hierzu körperlich nicht in der Lage sind.

2) Der Gesetzgeber ist verpflichtet, unverzüglich eine Regelung für diese Fallgruppe zu treffen.

3) Bis zu einer solchen Regelung ist § 1906 Absatz 3 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung von Artikel 1 Nummer 3 des Gesetzes zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme vom 18.Februar 2013 (Bundesgesetzblatt I Seite 266) auch auf stationär behandelte Betreute anzuwenden, die sich einer ärztlichen Zwangsbehandlung räumlich nicht entziehen können.

§§§

16.037 Ermittlung der Bedürftigkeit

  1. BVerfG,     B, 27.07.16,     – 1_BvR_371/11 –

  2. BVerfGE_142,353-388 = www.BVerfG.de = PM-Nr.60/2016

  3. GG_Art.1 Abs.1, GG_Art.20 Abs.1; SGB-II_§_7 Abs.3 Nr.4

  4. Verfassungsbescherde / Bedarfsgemeinschaft

 

Bei der Ermittlung der Bedürftigkeit für die Gewährung existenzsichernder Leistungen (Art.1 Abs.1 in Verbindung mit Art.20 Abs.1 GG) kann grundsätzlich unabhängig von einem Unterhaltsanspruch das Einkommen und Vermögen von Personen berücksichtigt werden, von denen in der familiären Gemeinschaft zumutbar zu erwarten ist, dass sie tatsächlich füreinander einstehen und "aus einem Topf" wirtschaften.

§§§

16.038 Berichterstattung-Adoptivtöchter

  1. BVerfG,     B, 28.07.16,     – 1_BvR_335/14 –

  2. www.BVerfG.de = PM-Nr.61/2016

  3. GG_Art.2 Abs.1, GG_Art.1 Abs.1

  4. Verfassungsbeschwerde / Adoptivtocher / Fernsehmoderator / erneute Veröffentlichung

 

PM: Verfassungsbeschwerden gegen die Berichterstattung über die Adoptivtöchter eines Fernsehmoderators erfolglos

 

Die erneute Veröffentlichung von bereits weit verbreiteten Informationen greift in geringerem Maße in das informationelle Selbstbestimmungsrecht ein als eine erstmalige Veröffentlichung. Daher müssen die Adoptivtöchter eines Fernsehmoderators ihre Erwähnung in der Wortberichterstattung hinnehmen, wenn dieselbe Information bereits in mehreren, nicht beanstandeten Artikeln veröffentlicht worden war. Dies hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden und damit die Verfassungsbeschwerden der beiden Adoptivtöchter eines Fernsehmoderators nicht zur Entscheidung angenommen.

§§§

16.039 Kartellrechtliches Diskriminierungsverbot

  1. BVerfG,     B, 22.08.16,     – 2_BvR_2953/14 –

  2. www.BVerfG.de = PM-Nr.62/2016

  3. GG_Art.93 Abs.1 Nr.4b; BVerfGG_§_91

  4. Kommunalverfassungsbeschwerde / Gesetz / gerichtliche Entscheidungen

 

PM: Titisee-Neustadt rügt erfolglos die richterliche Ausgestaltung des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots

 

Gemeinden haben bei der Vergabe von Stromkonzessionen das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot zu beachten. Die Rechtsprechung leitet hieraus das Verbot der direkten Übernahme örtlicher Energieverteilernetze ohne vorherige Ausschreibung (Verbot direkter Aufgabenerledigung), das Verbot, bei der Ausschreibung des Betriebs örtlicher Energieverteilernetze den Betrieb durch eine kommunale Beteiligungsgesellschaft vorzugeben (Systementscheidungsverbot), sowie das Verbot, bei der Auswahl des Betreibers eines örtlichen Energieverteilernetzes spezifische kommunale Interessen zu berücksichtigen (Verbot der Berücksichtigung kommunaler Interessen) ab. Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass es sich bei dieser Rechtsprechung um in Anwendung bestehenden Gesetzesrechts entwickelte Grundsätze handelt, denen nicht die Qualität selbständiger Rechtsnormen zukommt. Deshalb können sie auch nicht im Wege der Kommunalverfassungsbeschwerde gerügt werden.

§§§

16.040 Einstw-Anordnung Zensus 2011

  1. BVerfG,     B, 20.07.16,     – 2_BvF_1/15 –

  2. www.BVerfG.de = PM-Nr.63/2015

  3. ZensusG_§_19

  4. Einstweilige Anordnung / Datenlöschung

 

PM: Einstweilige Anordnung gegen die Löschung von Daten aus dem Zensus 2011

 

In einem Normenkontrollverfahren auf Antrag des Berliner Senats hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss die Löschung der im Rahmen des Zensus 2011 erhobenen Daten vorläufig gestoppt. Die Außervollzugsetzung von 19 des Zensusgesetzes 2011 gilt bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens für sechs Monate. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beruht auf einer Folgenabwägung: Die längere Datenspeicherung führt zu einer Vertiefung des Eingriffs in das Recht der betroffenen Bürgerinnen und Bürger auf informationelle Selbstbestimmung, der jedoch von verhältnismäßig geringem Gewicht ist. Demgegenüber haben die Vorteile, die die einstweilige Anordnung für die Rechtsschutzmöglichkeiten der Gemeinden mit sich bringt, ein erheblich höheres Gewicht. Denn die Löschung der Daten könnte den Gemeinden die Möglichkeit nehmen, eine etwaige fehlerhafte Berechnung ihrer Einwohnerzahl gerichtlich effektiv überprüfen und gegebenenfalls korrigieren zu lassen.

§§§

16.041 Auslieferung an das Vereinigte Königreich

  1. BVerfG,     B, 06.09.16,     – 2_BvR_890/16 –

  2. www.BVerfG.de = PM-Nr.65/2016

  3. GG_Art.1

  4. Auslieferung / Europäischer Haftbefehl / Selbelastungsfreiheit / britisches Strafrecht / Schweigen / Verwendung

 

PM: Die Verwertung des Schweigens zum Nachteil des Angeklagten hindert die Auslieferung an das Vereinigte Königreich nicht

 

Eine Auslieferung auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls ist nicht schon dann unzulässig, wenn die Selbstbelastungsfreiheit im Prozessrecht des ersuchenden Staates nicht in demselben Umfang gewährleistet ist, wie dies von Verfassungs wegen im deutschen Strafverfahren der Fall ist. Die im britischen Strafprozess bestehende Möglichkeit, unter bestimmten Umständen das Schweigen eines Angeklagten zu seinem Nachteil zu verwenden, widerspricht zwar dem im deutschen Strafrecht geltenden und im Grundgesetz verankerten Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit, verletzt aber noch nicht die für integrationsfest erklärten Verfassungsgrundsätze. Nur wenn der unmittelbar zur Menschenwürde gehörende Kerngehalt der Selbstbelastungsfreiheit berührt ist, liegt eine Verletzung von Art.1 GG vor. Dies hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden und damit eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, mit der sich der Beschwerdeführer gegen die Auslieferung an das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland zum Zwecke der Strafverfolgung gewandt hatte.

§§§

16.042 Sitzungspolizeiliche Anordnung

  1. BVerfG,     B, 09.09.16,     – 1_BvR_2022/16 –

  2. www.BVerfG.de = PM-Nr.63/2016

  3. GG_Art.5 Abs.1 S.2; GVG_§_176

  4. Strafverfahren / Eilantrag

 

PM: Eilantrag gegen die sitzungspolizeiliche Anordnung im Strafverfahren gegen Müslüm E. und weitere Angeklagte teilweise erfolgreich

 

Die 3.Kammer des Ersten Senats hat einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen eine sitzungspolizeiliche Anordnung des 7.Strafsenats des Oberlandesgerichts München im Strafverfahren gegen Müslüm E. und weitere Angeklagte teilweise stattgegeben. Mit der zugrundeliegenden Verfassungsbeschwerde wenden sich die Antragstellerinnen gegen die Beschränkung der Anfertigung von Bildaufnahmen am Rande der Hauptverhandlung. Das vom Vorsitzenden des 7. Strafsenats verfügte Verbot der Bildaufnahme der Verfahrensbeteiligten, soweit diese erkennbar ihre Ablehnung hiergegen zum Ausdruck bringen, und die Einschränkung der Ablichtung der Mitglieder des erkennenden Spruchkörpers auf insgesamt drei konkret bezeichnete Termine hat das Bundesverfassungsgericht bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, längstens jedoch für die Dauer von sechs Monaten, in ihrer Wirksamkeit ausgesetzt.

§§§

16.043 Versagung von Eilrechtsschutz

  1. BVerfG,     B, 14.09.16,     – 1_BvR_1335/13 –

  2. www.BVerfG.de = PM-Nr.73/2016

  3. GG_Art.19 Abs.4 S.1; BVerfGG_§_93c Abs.1 S.1

  4. Verfassungsbeschwerde - erfolgreiche / Besitzeinweisung / sofortig Vollziehung /

 

erfolgreich Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung von Eilrechtsschutz gegen die sofortige Vollziehung einer Besitzeinweisung

 

Droht bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche Grundrechtsverletzung, die durch eine stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so darf sich das Fachgericht im Eilverfahren grundsätzlich nicht auf eine bloße Folgenabwägung der widerstreitenden Interessen beschränken. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes erfordert dann vielmehr regelmäßig eine über die sonst übliche, bloß summarische Prüfung des geltend gemachten Anspruchs hinausgehende, inhaltliche Befassung mit der Sach- und Rechtslage. Dies hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden und das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, mit dem sich die Beschwerdeführerin gegen die sofortige Vollziehung einer vorzeitigen Besitzeinweisung wendete, an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

§§§

16.044 Nichtzulassung-ParalympischeSpiele

  1. BVerfG,     B, 15.09.16,     – 1_BvQ_38/16 –

  2. www.BVerfG.de = PM-Nr.66/2016

  3. BVerfGG_§_32 Abs.1

  4. Folgenabwägung

 

PM: Eilantrag gegen die Nichtzulassung von russischen Sportlerinnen und Sportlern zu den Paralympischen Spielen erfolglos

 

Die 2. Kammer des Ersten Senats hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betreffend die Nichtzulassung zu den Paralympischen Sommerspielen 2016 von fünf russischen Sportlerinnen und Sportlern abgelehnt. Die Entscheidung der Kammer beruht auf einer Folgenabwägung. Mit der Nichtzulassung der Teilnahme an der Abschlusszeremonie der Paralympischen Sommerspiele 2016 ist kein derart schwerwiegender Nachteil verbunden, dass er den Erlass der einstweiligen Anordnung rechtfertigt. Soweit die Zulassung zur Teilnahme an einem sportlichen Wettbewerb begehrt wird, bestehen Zweifel, ob eine Teilnahme aus tatsächlichen Gründen

§§§

16.045 Berufung von Bundesrichtern

  1. BVerfG,     B, 20.09.16,     – 2_BvR_2453/15 –

  2. www.BVerfG.de = PM-Nr.75/2016

  3. GG_Art.33 Abs.2, GG_Art.95 Abs.2

  4. Berufung von Richtern / oberste Gerichtshöfe des Bundes / Auswahlmaßstab / Modifikationen durch vorgegebenes Wahlverfahren / Richterwahlausschuss Handlungsvorgaben / gerichtliche Kontrolle / Ministerpflichten / Zustimmungsverweigerung

 

1) Die Berufung von Richtern an den obersten Gerichtshöfen des Bundes ist an Art.33 Abs.2 GG zu messen. Das durch Art.95 Abs.2 GG vorgegebene Wahlverfahren bedingt jedoch Modifikationen gegenüber rein exekutivischen Auswahl- und Beförderungsentscheidungen.

 

2) Die Mitglieder des Richterwahlausschusses haben bei ihrer Entscheidung die Bindung des zuständigen Ministers an Art.33 Abs.2 GG zu beachten. Der eigentliche Wahlakt unterliegt keiner gerichtlichen Kontrolle.

 

3) Der zuständige Minister hat sich bei seiner Entscheidung den Ausgang der Wahl grundsätzlich zu eigen zu machen, es sei denn, die formellen Ernennungsvoraussetzungen sind nicht gegeben, die verfahrensrechtlichen Vorgaben sind nicht eingehalten oder das Ergebnis erscheint nach Abwägung aller Umstände und insbesondere vor dem Hintergrund der Wertungen des Art.33 Abs.2 GG nicht mehr nachvollziehbar.

 

4) Der Minister muss begründen, wenn er seine Zustimmung verweigert oder wenn er der Wahl eines nach der Stellungnahme des Präsidialrats oder den dienstlichen Beurteilungen nicht Geeigneten zustimmt.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

§§§

16.046 NSA-Selektorenliste

  1. BVerfG,     B, 20.09.16,     – 2_BvE_5/15 –

  2. www.BVerfG.de = PM-Nr.72/2016

  3. GG_Art.93 Abs.1 Nr.1; BVerfGG_§_13 Nr.5, BVerfGG_§_63 ff

  4. G-10 Kommission / Kontrollorgan / Organstreit / Parteifähigkeit

 

Die G 10-Kommission ist ein Kontrollorgan eigener Art und im Organstreit nach Art.93 Abs.1 Nr.1 GG in Verbindung mit 13 Nr.5, 63 ff. BVerfGG nicht parteifähig. Sie ist weder oberstes Bundesorgan, noch ist sie eine andere durch das Grundgesetz oder die Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattete Beteiligte.

§§§

16.047 Erneuerbare Energien-Gesetz 2014

  1. BVerfG,     B, 20.09.16,     – 1_BvR_1140/15 –

  2. www.BVerfG.de = PM-Nr.98/2016

  3. EEG-2014_§_101 Abs.1, EEG-2014_§_101 Abs.2 Nr.1,

  4. Erneuerbare-Energien-Gesetz 2014 / Vereinbarkeit

 

PM: Verfassungsbeschwerden gegen das Erneuerbare-Energien-Gesetz 2014 nicht zur Entscheidung angenommen

 

Mit heute veröffentlichten Beschlüssen hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mehrere Verfassungsbeschwerden gegen das im August 2014 in Kraft getretene Erneuerbare-Energien-Gesetz ("EEG 2014") nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwerdeführer wendeten sich gegen die Deckelung der Strommenge, für die Betreiber von Bestandsbiogasanlagen ihren Vergütungsanspruch in voller Höhe geltend machen können § 101 Abs.1 EEG 2014), und gegen die Beschränkung der Substrate, für deren Verwendung in Biogasanlagen ein zusätzlicher "Landschaftspflegebonus" bezahlt wird (§ 101 Abs.2 Nr.1 EEG 2014). Zwar entfalten beide angegriffenen Neuregelungen eine "unechte" Rückwirkung, verletzen aber nicht das verfassungsrechtlich geschützte Vertrauen der Beschwerdeführer.

§§§

16.048 Rindfleischetikettierungsgesetzes

  1. BVerfG,     B, 21.09.16,     – 2_BvL_1/15 –

  2. www.BVerfG.de = PM-Nr.78/2016

  3. GG_Art.80 Abs.1 S.2, GG_Art.103 Abs.2, GG_Art.104 Abs.1 S.1; RiFlEtikettG_§_10 Abs.1 + Abs.3

  4. Blankettstrafnorm / Vereinbarkeit

 

Zur Unvereinbarkeit einer Blankettstrafnorm mit den Bestimmtheitsanforderungen nach Art.103 Abs.2 in Verbindung mit Art.104 Abs.1 Satz 1 GG sowie nach Art.80 Abs.1 Satz 2 GG.

* * *

Beschluss

§§§

16.049 SGB-II-Rechtsvereinfachungsgesetz

  1. BVerfG,     B, 04.10.16,     – 1_BvR_1704/16 –

  2. www.BVerfG.de = PM-Nr.76/2016

  3. BVerfGG_§_23 Abs.1 S.2, BVerfGG_§_90 Abs.2, BVerfGG_§_93 Abs.3

  4. Verfassungsbeschwerde / formularmäßige Erhebung / Selbstbetroffenheit / Subsidiarität

 

Formularmäßig erhobene Verfassungsbeschwerde gegen das SGB II-Rechtsvereinfachungsgesetz unzulässig.

 

Wer Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz erheben will, muss konkret darlegen, inwiefern das Gesetz bereits für den Beschwerdeführer unmittelbar, selbst und gegenwärtig eine Verletzung in Grundrechten bewirkt. Das gilt auch bei Nutzung einer im Internet verfügbaren "Vorlage" für eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde. Dies hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden und damit eine unmittelbar gegen das Neunte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (Rechtsvereinfachungsgesetz) gerichtete, formularmäßig erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

§§§

16.050 Früh- und Neugeborene

  1. BVerfG,     B, 06.10.16,     – 1_BvR_292/16 –

  2. www.BVerfG.de = PM-Nr.90/2016

  3. GG_Art.101 Abs.1 S.2

  4. Verfassungsbeschwerde / Einführung Mindestmenge / Krankenhausbehandlung / Zulässigkeit / Beschwerdebefugnis

 

PM: Verfassungsbeschwerde gegen die Einführung einer Mindestmenge bei der Krankenhausbehandlung von Früh- und Neugeborenen unzulässig.

 

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 1. Kammer des Ersten Senats eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen die Einführung einer Mindestmenge von Versorgungsfällen bei der Krankenhausbehandlung von Früh- und Neugeborenen mit höchstem Risiko als Mittel der Qualitätssicherung wendet. Die klagenden Betreiber von Krankenhäusern, die eine Verbesserung der Versorgungsqualität durch die Neuregelung in Frage stellen, haben nicht hinreichend konkret dargetan, dass sie beschwerdebefugt sind.

§§§

16.051 Internetsuchmaschine

  1. BVerfG,     B, 07.10.16,     – 2_BvR_1313/16 –

  2. www.BVerfG.de

  3. BVerfGG_§_90 Abs.2 S.1; UrhG_§_87f, UrhG_§_87g,

  4. Verfassungsbeschwerde - Zulässigkeit / Rechtswegerschöpfung

 

PM: Verfassungsbeschwerde von Betreiberinnen einer Internetsuchmaschine erfolglos.

 

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine unmittelbar gegen die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger in das Urheberrechtsgesetz (UrhG) erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Den klagenden Betreiberinnen einer Internetsuchmaschine ist es zumutbar, vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde fachgerichtlichen Rechtsschutz bei Fragen der Reichweite des Presse-Leistungsschutzrechts, der vorgesehenen Ausnahmen oder der Höhe der Vergütung in Anspruch zu nehmen.

§§§

16.052 Eilanträge in Sachen "CETA"

  1. BVerfG,     U, 13.10.16,     – 2_BvR_1368/16 –

  2. www.BVerfG.de = PM-Nr.71/2016

  3. BVerfGG_§_32 Abs.1

  4. Folgenabwägung

 

Eilanträge in Sachen "CETA" erfolglos

 

Mit heute verkündetem Urteil hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts mehrere Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, die sich gegen eine Zustimmung des deutschen Vertreters im Rat der Europäischen Union zur Unterzeichnung, zum Abschluss und zur vorläufigen Anwendung des Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement

- CETA) richteten, über die der Rat der Europäischen Union voraussichtlich am 18. Oktober 2016 entscheiden wird. Die Bundesregierung muss allerdings sicherstellen,

- dass ein Ratsbeschluss über die vorläufige Anwendung nur die Bereiche von CETA umfassen wird, die unstreitig in der Zuständigkeit der Europäischen Union liegen,

- dass bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Hauptsache eine hinreichende demokratische Rückbindung der im Gemischten CETA-Ausschuss gefassten Beschlüsse gewährleistet ist, und

- dass die Auslegung des Art.30.7 Abs.3 Buchstabe c CETA eine einseitige Beendigung der vorläufigen Anwendung durch Deutschland ermöglicht.

Bei Einhaltung dieser Maßgaben bestehen für die Rechte der Beschwerdeführer sowie für die Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages keine schweren Nachteile, die im Rahmen einer Folgenabwägung den Erlass einer einstweiligen Anordnung geboten erscheinen ließen.

§§§

16.053 NSA-Sektorenliste

  1. BVerfG,     B, 13.10.16,     – 2_BvE_2/15 –

  2. www.BVerfG.de

  3. GG_Art.44 Abs.1 S.1; PUAG_§_18 Abs.3

  4. Untersuchungsausschuss / Minderheit / Antragsbefugnis / Ausschussminderheit Beweiserhebungsrecht / Grenzen / Völkerrecht / gutachterliche Stellungsnahme Zusammenarbeit der Nachrichtendienste / Geheimhaltungsinteresse

 

1) § 18 Abs.3 PUAG billigt nicht jeder Minderheit im Untersuchungsausschuss die Antragsbefugnis im Organstreitverfahren zu. Antragsbefugt ist vielmehr nur die von der konkreten oder potentiellen Einsetzungsminderheit im Deutschen Bundestag im Sinne des Art.44 Abs.1 Satz 1 GG getragene Ausschussminderheit.

 

2) Das Beweiserhebungsrecht eines parlamentarischen Untersuchungsaus-schusses unterliegt Grenzen, die, auch soweit sie einfachgesetzlich geregelt sind, ihren Grund im Verfassungsrecht haben müssen (vgl. BVerfGE_124,78 <118>). Völkerrechtliche Verpflichtungen können demgemäß keine unmittelbare Schranke des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts begründen, da sie als solche keinen Verfassungsrang besitzen.

 

3) Das aus dem Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses grundsätzlich folgende Recht auf Vorlage der NSA-Selektorenlisten ist nicht durch die Einsetzung der sachverständigen Vertrauensperson und deren gutachterliche Stellungnahme erfüllt.

 

4) Dem Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses steht das Interesse der Bundesregierung an funktionsgerechter und organadäquater Aufgabenwahrnehmung gegenüber. Zu diesen Aufgaben gehört auch die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste zur Gewährleistung eines wirksamen Staats- und Verfassungsschutzes.

 

5) Hier:

Das Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung überwiegt das parlamentarische Informationsinteresse, weil die vom Beweisbeschluss erfassten NSA-Selektorenlisten aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen nicht ihrer Verfügungsbefugnis unterfallen, ihre Einschätzung, eine nicht konsentierte Herausgabe dieser Listen könne die Funktions- und Kooperationsfähigkeit deutscher Nachrichtendienste erheblich beeinträchtigen, nachvollziehbar ist und sie dem Vorlageersuchen in Abstimmung mit dem Untersuchungsausschuss durch andere Verfahrensweisen so präzise, wie es ohne eine Offenlegung von Geheimnissen möglich gewesen ist, Rechnung getragen hat.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:
1) Der Antrag der Antragstellerin zu 3. wird verworfen.

2) Der Antrag der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. wird zurückgewiesen.

§§§

16.054 Karfreitag

  1. BVerfG,     B, 27.10.16,     – 1_BvR_458/10 –

  2. www.BVerfG.de

  3. GG_Art.4 Abs.1 + 2, GG_Art.8 Abs.1, GG_Art.140; WRV_Art.139

  4. Karfreitag / Stilleschutz / Befreiungsfestigkeit / Vereinbarkeit

 

1) Die Anerkennung des Karfreitags als gesetzlicher Feiertag sowie seine Ausgestaltung als Tag mit einem besonderen Stilleschutz und die damit verbundenen grundrechtsbeschränkenden Wirkungen sind dem Grunde nach durch die verfassungsrechtliche Regelung zum Sonn- und Feiertagsschutz in Art.140 GG in Verbindung mit Art.139 WRV gerechtfertigt, da sie niemandem eine innere Haltung vorschreiben, sondern lediglich einen äußeren Ruherahmen schaffen.

 

2) Für Fallgestaltungen, in denen eine dem gesetzlichen Stilleschutz zuwiderlaufende Veranstaltung ihrerseits in den Schutzbereich der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art.4 Abs.1 und 2 GG) oder der Versammlungsfreiheit (Art.8 Abs.1 GG) fällt, muss der Gesetzgeber jedoch die Möglichkeit einer Ausnahme von stilleschützenden Unterlassungspflichten vorsehen.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:
1) Artikel 5 Halbsatz 2 des Bayerischen Gesetzes über den Schutz der Sonn- und Feiertage ist mit Artikel 4 Absatz 1 und 2 sowie mit Artikel 8 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.

2) a) Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. April 2009 - 10_BV_08.1494 -, das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. März 2008 - M 18 K 07.2274 -, der Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 23. Mai 2007 - 10-2172-2-07 - und der Bescheid der Landeshauptstadt München vom 3. April 2007 - KVR-I/321AG2 - verletzen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Artikel 4 Absatz 1 und 2 sowie aus Artikel 8 Absatz 1 des Grundgesetzes.

b) Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. April 2009 - 10 BV 08.1494 - wird aufgehoben. Die Sache wird an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Damit wird der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 2009 - BVerwG 6 B 35.09 - gegenstandslos.

3) Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

§§§

16.055 Identitätsfeststellung

  1. BVerfG,     B, 02.11.16,     – 1_BvR_289/15 –

  2. www.BVerfG.de = PM-Nr.93/2016

  3. StPO_§_163c Abs.1 S.1

  4. Verfassungsbeschwerde / Freiheitsentziehung / Einkesselung / verdacht einer Straftat / Tatsachengrundlage / Teilnehmerbezug / Gruppe

 

PM: Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die Identitätsfeststellung und Freiheitsentziehung im Rahmen einer Versammlung

 

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde gegen die polizeiliche Identitätsfeststellung und die damit verbundene Freiheitsentziehung durch Einkesselung bei einer Demonstration in Frankfurt am Main nicht zur Entscheidung angenommen. Zwar erfordert der Verdacht einer Straftat eine hinreichend objektive Tatsachengrundlage und muss auf einen konkreten Versammlungsteilnehmer bezogen sein. Dies schließt allerdings nicht aus, dass auch gegen eine ganze Gruppe von Versammlungsteilnehmern polizeiliche Maßnahmen zur Identitätsfeststellung getroffen werden, wenn sich aus deren Gesamtauftreten ein Verdacht auch gegenüber den einzelnen Mitgliedern der Gruppe ergibt und das Vorgehen die übrigen Versammlungsteilnehmer so weit wie möglich ausspart.

§§§

16.056 Durchsuchung von Strafgefangenen

  1. BVerfG,     B, 05.11.16,     – 2_BvR_6/16 –

  2. www.BVerfG.de = PM-Nr.91/2016

  3. BayStVollzG_§_91 Abs.2 S.1

  4. Stichprobe / Abweichung im Einzelfall

 

PM: Bei der Anordnung der stichprobenartigen Durchsuchung von Strafgefangenen muss eine Abweichung im Einzelfall möglich sein

 

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben, die sich gegen die Durchsuchung eines Strafgefangenen vor dem Gang zu einem Besuch richtete. Grundlage der Durchsuchung war eine gemäß Art.91 Abs.2 Satz 1 des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes (BayStVollzG) erlassene Durchsuchungsanordnung, wonach jeder fünfte Gefangene und Sicherungsverwahrte vor der Vorführung zum Besuch zu durchsuchen sei. Dies kann zwar vertretbar noch als Einzelfallanordnung angesehen werden. Allerdings verletzt die Durchsuchungsanordnung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers, weil sie keine Abweichungen im Einzelfall zulässt und daher dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht ausreichend Rechnung trägt. Insoweit hätte die Durchsuchungsanordnung die Möglichkeit vorsehen müssen, von der Durchsuchung abzusehen, wenn die Gefahr des Missbrauchs fernliegt.

§§§

16.057 Überführung DDR-Rentenansprüche

  1. BVerfG,     B, 07.11.16,     – 1_BvR_1089/12 –

  2. www.BVerfG.de = PM-Nr.99/2016

  3. GG_Art.3 Abs.1, GG_Art.14 Abs.1; AAÜG_§_7 Abs.1 S.1 nF

  4. Verfassungsbeschwerde / DDR-Rentenansprüche / begrenzete Überführung

 

PM: Erfolglose Verfassungsbeschwerden gegen die begrenzte Überführung in der DDR erworbener Rentenansprüche

 

Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit heute veröffentlichtem Beschluss bekräftigt, dass die nur begrenzte Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus dem Sonderversorgungssystem des Ministeriums für Staatssicherheit in die gesetzliche Rentenversicherung der BRD verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Die Verfassungsbeschwerden von ehemaligen Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit waren damit nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Beschwerdeführer haben insbesondere keine neuen Tatsachen vorgebracht, um eine erneute verfassungsrechtliche Prüfung der Überführung der Rentenansprüche zu rechtfertigen.

§§§

16.058 Medizinischer Dienst

  1. BVerfG,     B, 08.11.16,     – 1_BvR_935/14 –

  2. www.BVerfG.de = PM-Nr.96/2016

  3. GG_Art.3 Abs.1; SBG-V_§_275, SBG-V_§_276 Abs.2;

  4. Verfassungsbeschwerde / länderübergreifende Beauftragung - medizinischer Dienst / Vereinbarkeit

 

PM: Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die länderübergreifende Beauftragung des Medizinischen Dienstes

 

Das Grundgesetz schreibt eine örtliche Begrenzung der Prüfungskompetenz des Medizinischen Dienstes nicht vor, wenn dieser auf Grundlage von §§ 275, 276 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) tätig wird. Dies hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden und eine Verfassungsbeschwerde gegen die länderübergreifende Beauftragung des Medizinischen Dienstes nicht zur Entscheidung angenommen.

§§§

16.059 Rechtsschutzbeschränkungen

  1. BVerfG,     B, 22.11.16,     – 1_BvL_6/14 –

  2. www.BVerfG.de

  3. GG_Art.19 Abs.4 S.1; TKG_§_35 Abs.5 S.2+3

  4. Reguliertes Telekommunikationsunternehmen / Entgeltentscheidungen / Rechtsschutz / Beschränkung / Vereinbarkeit

 

Eine Beschränkung des Rechtsschutzes, den ein reguliertes Telekommunikationsunternehmen mit Wirkung für die Vergangenheit gegen Entgeltentscheidungen der Bundesnetzagentur erhalten kann, auf den im Eilverfahren erlangten Rechtsschutz, ist mit Art.19 Abs.4 Satz 1 GG nur vereinbar, solange und soweit sie erforderlich ist, um den Wettbewerb zu fördern.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:
§ 35 Absatz 5 Satz 2 und 3 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vom 22. Juni 2004 (Bundesgesetzblatt I Seite 1190) und in der Fassung späterer Gesetze ist mit Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes nicht mehr vereinbar. Das bisherige Recht ist bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 31. Juli 2018 zu treffen.

§§§

16.060 Beschleunigter Atomausstieg

  1. BVerfG,     U, 06.12.16,     – 1_BvR_2821/11 –

  2. www.BVerfG.de

  3. GG_Art.14 Abs.1 S.2, GG_Art.14 Abs.3

  4. 13.Novelle AtomG / Atomausstieg / Verfassungsmäßigkeit / jur-Person / EU-Träger / Europarechtsfreundlichkeit des GG / Eigentumsfreiheit / kein Eigentum an öffentlich-rechtlichen Genehmigungen / Enteignung / Nutzungseinschränkungen / Entzug konkreter Eigentumspositionen / Verhältnismäßigkeit / Ausgleichsregelungen

 

1) Das Dreizehnte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes mit dem Ziel der Beschleunigung des Atomausstiegs steht weitgehend im Einklang mit dem Grundgesetz.

 

2) Eine erwerbswirtschaftlich tätige inländische juristische Person des Privatrechts, die vollständig von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union getragen wird, kann sich wegen der Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes in Ausnahmefällen auf die Eigentumsfreiheit berufen und Verfassungsbeschwerde erheben.

 

3.a) Die den Kernkraftwerken 2002 und 2010 durch Gesetz zugewiesenen Elektrizitätsmengen bilden keinen selbständigen Gegenstand des Eigentumsschutzes, haben aber als maßgebliche Nutzungsgrößen teil am Eigentumsschutz der Anlagen.

 

b) An öffentlich-rechtlichen Genehmigungen besteht grundsätzlich kein Eigentum.

 

4) Eine Enteignung nach Art.14 Abs.3 GG setzt den Entzug des Eigentums durch Änderung der Eigentumszuordnung und stets auch eine Güterbeschaffung voraus. Die Regelungen zur Beschleunigung des Atomausstiegs durch das Dreizehnte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 31.Juli 2011 begründen danach keine Enteignung.

 

5) Führen Einschränkungen der Nutzungs- und Verfügungsbefugnis am Eigentum als Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne von Art.14 Abs.1 Satz 2 GG zu einem Entzug konkreter Eigentumspositionen, ohne der Güterbeschaffung zu dienen, sind gesteigerte Anforderungen an deren Verhältnismäßigkeit zu stellen. Sie werfen stets die Frage nach Ausgleichsregelungen auf.

 

6) Die entschädigungslose Rücknahme der Ende 2010 durch Gesetz erfolgten Verlängerung der Laufzeit der Kernkraftwerke um durchschnittlich 12 Jahre durch das angegriffene Dreizehnte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes ist angesichts des mehrfach eingeschränkten Vertrauens in den Erhalt der Zusatzstrommengen verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber durfte auch ohne neue Gefährdungserkenntnisse den Reaktorunfall in Fukushima als Anlass nehmen, zum Schutze der Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt den Ausstieg aus der Kernenergie zu beschleunigen.

 

7) Das Dreizehnte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes enthält angesichts der gesetzlich festgelegten Restlaufzeiten der Anlagen und wegen des in diesem Fall besonders verbürgten Vertrauensschutzes eine unzumutbare Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, soweit es dazu führt, dass zwei der Beschwerdeführerinnen substantielle Teile ihrer Reststrommengen von 2002 nicht konzernintern nutzen können.

 

8) Art.14 Abs.1 GG schützt unter bestimmten Voraussetzungen berechtigtes Vertrauen in den Bestand der Rechtslage als Grundlage von Investitionen in das Eigentum und seine Nutzbarkeit.

* * *

Beschluss

Entscheidungsformel:
1) Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe a (§ 7 Absatz 1a Satz 1 Atomgesetz) des Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes vom 31. Juli 2011 (Bundesgesetzblatt 2011 Seite 1704) ist nach Maßgabe der Gründe dieses Urteils unvereinbar mit Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit das Gesetz nicht eine im Wesentlichen vollständige Verstromung der den Kernkraftwerken in Anlage 3 Spalte 2 zum Atomgesetz zugewiesenen Elektrizitätsmengen sicherstellt und keinen angemessenen Ausgleich hierfür gewährt.

2) Das Dreizehnte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes ist insoweit mit Artikel 14 Absatz 1 Grundgesetz unvereinbar, als es keine Regelung zum Ausgleich für Investitionen vorsieht, die im berechtigten Vertrauen auf die im Jahr 2010 zusätzlich gewährten Zusatzstrommengen vorgenommen, durch dieses aber entwertet wurden.

3) Im Übrigen werden die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen.

4) Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 30. Juni 2018 zu treffen.§ 7 Absatz 1a Satz 1 Atomgesetz ist bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar.

5) Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführerinnen in den Verfahren 1 BvR 321/12 und 1456/12 jeweils ein Drittel sowie der Beschwerdeführerin in dem Verfahren 1 BvR 2821/11 ein Viertel der in ihren Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu ersetzen.

§§§

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