70-79 | ||
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71.001 | Aufsichtsbehörde |
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1) Verwaltungserlasse, die der nachgeordneten Verwaltung allgemein eine bestimmte Gesetzesauslegung vorschreiben, begründen regelmäßig keine Amtspflicht der vorgesetzten Behörde gegenüber dem Bürger. | |
2) Zur Amtspflicht der Dienstaufsichtsbehörde gegenüber einem Beschwerdeführer, ihr Weisungs- und Leitungsrecht gegenüber den nachgeordneten Behörden richtig zu handhaben. | |
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T-71-01 | Aufsichtspflichten |
"... Die in § 839 BGB vorausgesetzte besondere Beziehung zwischen der Amtspflicht und dem geschädigten "Dritten" (BGH, NJW_71,1172, 1174; BGB-RGRK 11.Aufl., § 839 Anm.40) kann auch bei Aufsichtspflichten, die regelmäßig nur im allgemeinen staatlichen Interesse bestehen, dadurch hergestellt werden, daß der einzelne Bürger sich unmittelbar an die Aufsichtsbehörde wendet (BGHZ_35,44, 50 = NJW_61,1347; Urt. des Senats vom 30.03.67 - 3_ZR_185/64 = VersR_67,471/3 mwN ) Diese Amtspflicht schließt die Verpflichtung ein, den betreffenden Bürger vor gesetzwidrigen Maßnahmen zu bewahren und - soweit ein Eingriff in seine Rechtssphäre bereits erfolgt ist - für ihre Beseitigung zu sorgen (BGH, NJW_56,1028 ). Diese vom Senat für den Bereich der Staatsaufsicht entwickelten Rechtsgrundsätze lassen sich auch auf die Dienstaufsicht übertragen, zumal sie ein unbeschränktes Weisungs- und Leitungsrecht gewährt (Forsthoff, Verwaltungsrecht, Allg Teil, 9.Aufl, § 24 I b). Die Dienstaufsichtsbeschwerde dient nicht nur behördeninternen Interessen . Sie ist dem Bürger (auch) zu dem Zweck an die Hand gegeben, im Einzelfall eine gerechte Entscheidung der Verwaltung herbeizuführen. Sie soll die Aufmerksamkeit der vorgesetzten Behörde auf eine bereits eingetretene konkrete Rechtsverletzung lenken und sie veranlassen, gegebenenfalls die Angelegenheit an sich zu ziehen und in der Sache selbst zu entscheiden (zu dieser Befugnis vgl OVG Berlin JR_52,252, 253; vgl auch Fischbach, Bundesbeamtengesetz, 3.Aufl, § 171 Anm.IX 2; Bochalli, Bundesbeamtengesetz, 2.Aufl. § 171 Anm.2). Dem Recht des Bürgers, die vorgesetzte Behörde auf ein Fehlverhalten der nachgeordneten Stellen hinzuweisen, entspricht die ihm gegenüber bestehende Amtspflicht der Dienstaufsichtsbehörde, seine im Beschwerdeweg an sie herangetragene Beanstandung auf ihre Berechtigung zu prüfen und sie sachgerecht zu bescheiden (BGHZ_35,44, 51 = NJW_61,1347 ). Diese Pflicht wird verletzt, wenn die Dienstaufsichtsbehörde die Einleitung geeigneter Schritte unterläßt, obwohl die bei Ausübung der Diestaufsicht oder sonstwie zutage getretenen Umstände Anlaß zum Eingreifen hätten geben müssen (aaO S.53; BGH, NJW_56,1028 ). ..." | |
Auszug aus BGH U, 28.06.71, - III_ZR_111/68 -, NJW_71,1699, S.1700 | |
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A-71-01 | HG Schmolke: Zustimmende Anmerkung |
Seltsamerweise gibt es keine neuere Entscheidung ähnlichen Inhalts. Der Entscheidung kommt erhebliche Bedeutung für die Dienstaufsichtsbeschwerde zu. Würde ihr Inhalt von den Aufsichtsbehörde Ernst genommen, würde vielfach nicht so schlammpig mit Dienstaufsichtsbeschwerden umgegangen. Leider spricht auch meine Erfahrung dafür, dass der bekannte Satz "Dienstaufsichtsbeschwerden seinen form- frist- und zwecklos" nur alzu oft den Tatsachen entspricht. Deshalb verdient diese Entscheidung des BGH, dass sie bekannter wird. Vielleicht geht man dann etwas sorgfältiger mit Dienstaufsichtsbeschwerden um. Inhaltlich ist der Entscheidung in vollem Umfang zuzustimmen. | |
§§§ | |
73.001 | Waldgrundstück |
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Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht, die dem Eigentümer eines Waldgrundstücks hinsichtlich eines nahe einer Straße stehenden und bei einem Sturm umstürzenden Baumes obliegt. | |
JURION-LS 1) Hinsichtlich der Gefahren, die von Bäumen eines Waldgrundstücks ausgehen, obliegt dem Eigentümer die Verkehrssicherungspflicht. | |
JURION-LS 2) Dies bedeutet aber nicht, daß von einem Landwirt, der Forstwirtschaft betreibt, gefordert werden muß, alle Fichten seines Waldbestandes, die nicht sturmfest sind und sich in der Nähe von Straßen befinden, durch Bohrungen auf Rotfäulebefall hin zu untersuchen. Eine solche Anforderung käme einer Überforderung gleich. Nur wenn besondere Hinweise auf eine Rotfäuleerkrankung gegeben sind, kann die genannte Untersuchung verlangt werden. | |
§§§ | |
74.001 | Metallveredelungsbetrieb |
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1) Zu den Haftungsvoraussetzungen nach § 22 Abs.1 und 2 WHG. | |
2) Ein haftungsbegründendes "Einleiten" oder "Hineingelangen" von Schadstoffen in ein Gewässer aus einer Kläranlage liegt nicht vor, wenn die Kläranlage die ihr zugewiesene Aufgabe erfüllt und dem Gewässer nicht neuerdings Schadstoffe zuführt. ? | |
§§§ | |
75.001 | Einvernehmensversagung |
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1) Im Baugenehmigungsverfahren ist eine Amtspflichtverletzung der Beamten der beteiligten Gemeinde gegenüber dem Baubewerber dann anzunehmen, wenn sie das nach § 36 Abs.1 BBauG erforderliche Einvernehmen der Gemeinde versagen, obwohl das Bauvorhaben nach den §§ 33-35 BBauG zulässig ist. | |
2) Im Rahmen des § 36 BBauG gilt jedes Mitglied des Gemeinderats / Bauausschusses als "Beamter" der Gemeinde im haftungsrechtlichen Sinne. | |
§§§ | |
75.002 | Abgeordnetendiäten |
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1) Aus der in Art.48 Abs.3 GG geforderten Entschädigung, die einmal eine Entschädigung für besonderen, mit dem Mandat verbunden Aufwand war, ist eine Alimentation des Abgeordneten und seiner Familie aus der Staatskasse geworden als Entgelt für die Inanspruchnahme des Abgordneten durch sein zur Hauptbeschäftigung gewordenes Mandat. | |
2) Der Abgeordnete, der dadurch nicht "Beamter" geworden, sondern vom Vertrauen der Wähler berufen - Inhaber eines öffentlichen Amtes, Träger des "freien Mandats" und "Vertreter des ganzen Volkes" geblieben ist, erhält nicht mehr bloß eine echte Aufwandsentschädigung, er bezieht aus der Staatskasse ein Einkommen. | |
3) a) Aus dem formalisierten Gleichheitssatz folgt, daß jedem Abgeordneten eine gleich hoch bemessene Entschädigung zusteht, unabhängig davon, ob die Inanspruchnahme durch die parlamtenarische Tätigkeit größer oder geringer ist, ob der individuelle finanzielle Aufwand oder das Berufseinkommen verschieden hoch ist. | |
4) Die Alimentation der Abgeordneten mit dem Charakter von Einkommen muß nach Grundsätzen, die für alle gleich sind, der Besteurung unterworfen werden. Nur die Entschädigung für wirklich entstandenen, sachlich angemessenen, mit dem Mandat verbundenen besonderen Aufwand ist daneben noch echte Aufwandsentschädigung, die auch künftig steuerfrei bleiben kann. | |
5) a) Die die Beamten unter den Abgeordneten betreffenden Regelung gehören materiell zum Recht des Status des Abgeordneten, gleichgültig, ob sie in Rechtsstellungs-, Diäten- oder Beamtengesetzen enthalten sind. | |
6) Art.48 Abs.3 in Verbindung mit Art.38 Abs.1 GG verlangt gesetzliche Vorkehrungen dagegen, daß Abgeordnete Bezüge aus einem Angestelltenverhältnis, aus einem sogenannten Beratervertrag oder ähnlichem, ohne die danach geschuldeten Dienste zu leisten, nur deshalb erhalten, weil von ihnen im Hinblick auf ihr Mandat erwartet wird, sie würden im Parlament die Interessen des zahlenden Arbeitgebers, Unternehmers oder der zahlenden Großorganisation vertreten und nach Möglichkeit durchzusetzen versuchen. Einkünfte dieser Art sind mit dem unabhängigen Status der Abgeordneten und ihrem Anspruch auf gleichmäßgige finazielle Ausstattung in ihrem Mandat unvereinbar. | |
7) Das demokratische und rechtsstaatliche Prinzip (Art.20 GG) verlangt, daß der Willensbildungsprozeß im Parlament, der zur Festsetzung der Höhe der Entschädigung und zur näheren Ausgestaltung der mit dem Abgeordnetenstatus verbundenen finanziellen Regelungen führt, für den Bürger durchschaubar ist und das Ergebnis vor den Augen der Öffentlichkeit beschlossen wird. | |
LB 11) Zur Vereinbarkeit verschiedener Regelungen des LTG Saarland mit dem GG. | |
LB 12 In der abweichenden Meinung des Richters Vizepräsident Seuffert bemängelt dieser: | |
LB 13) Zur abweichenden Meinung des Richters Vizepräsident Seuffert, siehe BVerfGE_40,330 ff = www.dfr/BVerfGE, Abs.69 ff. | |
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Schlussurteil | Entscheidungsformel: |
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T-75-01 | Demokratie: privilegienfeindliche |
C. "Die angegriffene Vorschrift des § 13 Abs.1 Nr.4 LTG ist mit dem Grundgesetz unvereinbar; sie verstößt sowohl gegen Art.48 Abs.3 Satz 1 GG als auch gegen den formalisierten Gleichheitssatz. Auch die §§ 5, 6, 9, 13 Abs.1 und 2, 14 und 16 Abs.1 Satz 2 LTG, die mit der angegriffenen Vorschrift in Zusammenhang stehen und deshalb zu prüfen sind, sind mit dem Grundgesetz unvereinbar. I. | |
Die Regelungen im Landtagsgesetz gehen ebenso wie die entsprechenden Regelungen für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und der übrigen Landesparlamente noch von der überkommenen Vorstellung über die Rechtsstellung des Abgeordneten und der ihm danach zukommenden finanziellen Ausstattung aus. Dieser Status der Abgeordneten hat sich zwar nicht im Kern, aber in mehrfacher Hinsicht erheblich geändert. Darauf hat das Bundesverfassungsgericht früher schon hingewiesen: "Im Zuge der in einer Reihe von Staaten zu beobachtenden Entwicklung von der liberal-repräsentativen zur parteienstaatlichen Demokratie scheint in der politisch-gesellschaftlichen Wirklichkeit auch der Charakter der Aufwandsentschädigung sich allmählich zu wandeln. Je mehr nämlich die Abgeordneten von ihrem früheren repräsentativen Status einbüßen, um so weniger wird die Aufwandsentschädigung ihren ursprünglichen Sinn erfüllen können, die Unabhängigkeit des einzelnen Abgeordneten sicherzustellen. Es ist daher kein Zufall, daß die Aufwandsentschädigung in einigen Staaten sich mehr und mehr einem Entgelt für die im Parlament geleisteten Dienste annähert und den Charakter einer Besoldung oder eines Gehalts annimmt" (BVerfGE_4,144 <151>). "Die Tätigkeit des Abgeordneten ist im Bund zu einem den vollen Einsatz der Arbeitskraft fordernden Beruf geworden; der Abgeordnete kann daher unter diesem Aspekt heute legitimerweise ein Entgelt beanspruchen, mit dem er seinen und seiner Familie Lebensunterhalt zu bestreiten vermag... Bereits die nach einem bestimmten Prozentsatz des Amtsgehalts eines Bundesministers bemessene Höhe der 'Aufwandsentschädigung' ... zeigt eindrücklich, inwieweit aus der bloßen 'Entschädigung' in Wirklichkeit eine 'Bezahlung' für die parlamentarische Tätigkeit geworden ist. Noch deutlicher tritt der veränderte Charakter der Entschädigung bei der Einführung der Altersversorgung in Erscheinung. Mag man sie auch als einen 'zusätzlichen, auf die nachparlamentarische Zeit projektierten Unabhängigkeitsschutz' (Th. Eschenburg, Der Sold des Politikers, S.76 f) etikettieren und mit diesem Etikett ins Leben gerufen haben (...), in Wirklichkeit ist der Ruhegeldanspruch des Abgeordneten heute ein Annex seiner Besoldung" (BVerfGE_32,157 <164 >). Die Entwicklung läßt sich zur Zeit wie folgt zusammenfassen: | |
1. Heute hat jedermann die rechtliche Möglichkeit, mit Erreichung der Volljährigkeit, das ist ab Vollendung des 18.Lebensjahres, Abgeordneter zu werden. Im allgemeinen kann nicht mehr davon ausgegangen werden, daß ein Abgeordneter für die Zeit seiner Mitgliedschaft im Parlament den wirtschaftlichen Rückhalt für sich und seine Familie aus eigenem Vermögen oder eigenem Einkommen aus beruflicher Tätigkeit erzielen kann. Der Typ des unabhängigen, als Einzelpersönlichkeit gewählten Honoratioren-Abgeordneten, dessen wirtschaftliche Existenz durch das Mandat nicht beeinträchtigt wird und mit ihm nicht verbunden ist, ist immer seltener geworden. Der Umfang der Inanspruchnahme durch das Mandat ist so stark gewachsen, daß der Abgeordnete in keinem Fall mit der im Arbeitsleben sonst üblichen und allgemein als Fortschritt empfundenen wöchentlichen Regelarbeitszeit von 40 Stunden seine Verpflichtungen bewältigen kann. Er wird im Parlament durch Plenar- und Ausschußsitzungen, in der Fraktion und Partei durch Sitzungen und Arbeiten sowie im Wahlkreis durch Veranstaltungen der verschiedensten Art, nicht zuletzt durch Wahlvorbereitungen und Wahlversammlungen in Anspruch genommen. So sehr er theoretisch die Freiheit hat, seine Aktivitäten in diesen drei Bereichen nach eigenem Ermessen bis über die Grenze der Vernachlässigung seiner Aufgabe hinaus einzuschränken, in der Praxis kann er sich dies aus den verschiedensten Gründen nicht leisten. Deshalb sind nach den Bekundungen der Experten in der mündlichen Verhandlung für Bundestagsabgeordnete, die neben ihrer Abgeordnetentätigkeit noch versuchen, ihrem Beruf wenigstens teilweise nachzugehen, Wochenarbeitszeiten zwischen 80 und 120 Stunden und für Landtagsabgeordnete, die ihrem Beruf nachgehen, Wochenarbeitszeiten zwischen 60 und 100 Stunden typisch und unvermeidbar. Außerdem: Niemand bewirbt sich heute um einen Abgeordnetensitz, um ihn nach vier Jahren wieder aufzugeben. Regelmäßig faßt er den Entschluß, für den Bundestag oder einen Landtag zu kandidieren in der Absicht, alles zu tun, um das Mandat so lange zu behalten, wie ihm die Wiederwahl aufgrund des Vertrauens von Partei und Wählern gelingt. Das liegt in der Regel auch im Interesse der politischen Partei und des Parlaments. Dementsprechend ist die Zahl der Abgeordneten, die während mehrerer Legislaturperioden dem Parlament angehören, relativ groß. Die parlamentarische Demokratie einer höchst komplizierten Wirtschafts- und Industriegesellschaft, in der Rechtsstaat, Freiheit und Pluralismus entscheidend mit Hilfe der politischen Parteien aufrechterhalten werden sollen, verlangt vom Abgeordneten mehr als nur eine ehrenamtliche Nebentätigkeit, verlangt den ganzen Menschen, der allenfalls unter günstigen Umständen neben seiner Abgeordnetentätigkeit noch versuchen kann, seinem Beruf nachzugehen. Dem entspricht auch das Erscheinungsbild des heutigen Parlamentariers; für Abgeordnete mit besonderen Funktionen im Parlament oder in den Fraktionen tritt die berufliche Tätigkeit völlig in den Hintergrund. Schließlich: Die Gefahr einer Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Abgeordneten droht heute nicht mehr vom Staat, sondern eher von der politischen Partei, der er angehört, und vor allem von einflußreichen Gruppen der Gesellschaft. | |
Diese Veränderungen der Verhältnisse hatten ihre Auswirkungen auf die Gestaltung der Abgeordnetenentschädigung: Während zunächst die Abgeordnetendiäten nichts anderes und nicht mehr als ein Ausgleich des mit dem Abgeordnetenmandat verbundenen besonderen Aufwands waren - ursprünglich gehörte nicht einmal der Verdienstausfall dazu -, mehrten sich nach und nach, seit 1950 immer rascher, die Formen der verschiedenen Entschädigungen; ein Teil, die Grundentschädigung, wurde vielfach dynamisiert, indem man sie mittelbar mit der Beamtenbesoldung koppelte; in den meisten Ländern zogen die Ruhegehälter der Abgeordneten aus dem öffentlichen Dienst (das sog. Beamtenprivileg) die Verdienstausfallentschädigung für Abgeordnete nach sich, die einen privaten Beruf ausübten; in Bund und Ländern wuchsen nicht zuletzt infolge des Übergangs zum Pauschalierungsprinzip die Beträge der Entschädigungen beträchtlich )(zB Reisekosten-, Bürokosten-, Tagegeld-Pauschale); zu den "normalen" Abgeordnetendiäten traten besondere Entschädigungen für die Parlamentspräsidenten, die Vizepräsidenten, die Ausschußvorsitzenden, in einer Reihe von Landtagen für die Fraktionsvorsitzenden, für die Schriftführer und in einigen Ländern für die Oppositionsführer hinzu; dem Übergangsgeld für ausscheidende Abgeordnete, das zugleich die Übergangszeit zwischen den Wahlperioden überbrückt, folgte schließlich die Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung. Das Ergebnis ist, daß aus der Entschädigung für einen besonderen, mit dem Mandat verbundenen Aufwand eine Alimentation des Abgeordneten und seiner Familie aus der Staatskasse geworden ist als Entgelt für die Inanspruchnahme des Abgeordneten durch sein zur Hauptbeschäftigung ("full-time-job") gewordenes Mandat. Aus der Entschädigung des Inhabers eines Ehrenamtes ist die Bezahlung für die im Parlament geleistete Tätigkeit geworden. Der Abgeordnete, der dadurch natürlich nicht "Beamter" geworden, sondern - vom Vertrauen der Wähler berufen - Inhaber eines öffentlichen Amtes, Träger des "freien Mandats" und "Vertreter des ganzen Volkes" geblieben ist, erhält nicht mehr bloß eine echte Aufwandsentschädigung, er bezieht aus der Staatskasse ein Einkommen. Das gilt jedenfalls für den Bundestagsabgeordneten. Ob es auch für alle Landesparlamente gilt, kann hier offenbleiben. Im folgenden genügt der Nachweis, daß das genannte Ergebnis nach dem Landtagsgesetz auch für den Abgeordneten des Saarländischen Landtags zutrifft. | |
2. Den Schwerpunkt der Entschädigung für den Abgeordneten des Saarländischen Landtags bilden die Entschädigung nach § 11 LTG, die im Januar 1975 nach Auskunft des Direktors des Landtages 2039,80 DM betrug und steuerfrei ist, und - für Beamte, die gemäß § 5 in den Ruhestand treten - mindestens 60 vH der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge (§ 6 Abs.2 LTG), - für Angestellte des öffentlichen Dienstes - ebenfalls mindestens 60 vH der Vergütung, die ihnen bei Verbleiben im Dienst in ihrer Vergütungsgruppe zugestanden hätte (§ 9 Abs.1 LTG), - für Berufstätige außerhalb des öffentlichen Dienstes - eine steuerfreie Verdienstausfallentschädigung gemäß § 13 LTG, für Angestellte und Selbständige höchstens 1000 DM. Der Abgeordnete ohne besondere parlamentarische Funktion erhält danach in der Regel monatlich über 3000 DM. Dazu kommen freie Benutzung des Telefons in den Räumen des Parlaments, freie Fahrkarte, 350 DM monatliche Bürokostenpauschale, für den Abgeordneten monatlich 50 DM, für die Schriftführer monatlich 250 DM, für die Vizepräsidenten und Fraktionsvorsitzenden monatlich 450 DM Kilometerpauschale sowie für jeden Abgeordneten 10 Fahrten vom Wohnsitz zum Landtag und zurück 0,40 DM je Kilometer, schließlich ein Sitzungsgeld von mindestens 40 DM pro Tag. Da bei der Größe und den Verkehrsverhältnissen des Saarlandes in der Regel ein doppelter Wohnsitz nicht erforderlich ist und die genannten zusätzlichen pauschalierten sonstigen Entschädigungen (§ 14 LTG) reichlich bemessen sind, steht das Einkommen von monatlich über 3000 DM netto für den Unterhalt des Abgeordneten und seiner Familie zur Verfügung. Das ist - ohne daß hier schon auf die Angemessenheit abgehoben wird - eine Vollalimentierung aus der Staatskasse für die Tätigkeit als saarländischer Landtagsabgeordneter. II. | |
1. Im Lichte der dargelegten, nicht zufälligen, sondern notwendigen und innerlich folgerichtigen, schwerlich reversiblen Entwicklung gewinnt Art.48 Abs.3 GG eine neue Bedeutung. Die dort für die Abgeordneten geforderte "angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung" muß für sie und ihre Familien während der Dauer ihrer Zugehörigkeit zum Parlament eine ausreichende Existenzgrundlage abgeben können. Sie muß außerdem der Bedeutung des Amtes unter Berücksichtigung der damit verbundenen Verantwortung und Belastung und des diesem Amt im Verfassungsgefüge zukommenden Ranges gerecht werden. Die Bemessung des parlamentarischen Einkommens darf die Entscheidungsfreiheit des Abgeordneten und die praktische Möglichkeit, sich seiner eigentlichen parlamentarischen Tätigkeit auch um den Preis, Berufseinkommen ganz oder teilweise zu verlieren, widmen zu können, nicht gefährden. Die Alimentation ist also so zu bemessen, daß sie auch für den, der, aus welchen Gründen immer, kein Einkommen aus einem Beruf hat, aber auch für den, der infolge des Mandats Berufseinkommen ganz oder teilweise verliert, eine Lebensführung gestattet, die der Bedeutung des Amtes angemessen ist. Anderen Zwecken als dem der Unterhaltssicherung, beispielsweise einer Mitfinanzierung der Fraktion oder politischen Partei oder der Beteiligung an Wahlkosten, hat die Entschädigung nicht zu dienen. Die angemessene, die Unabhängigkeit sichernde Entschädigung im Sinne des Art.48 Abs.3 Satz 1 GG ist demnach heute eine Vollalimentation aus der Staatskasse. | |
2. Die Entschädigung wird damit keineswegs zu einem "arbeitsrechtlichen Anspruch, mit dem ein Anspruch auf Erfüllung dienstlicher Obliegenheiten korrespondieren würde - der Abgeordnete "schuldet" rechtlich keine Dienste, sondern nimmt in Unabhängigkeit sein Mandat war -; ebensowenig wird sie damit zu einem Gehalt im beamtenrechtlichen Sinn - der Abgeordnete ist, wie dargelegt, kein Beamter -, steht also nicht unter den verfassungsrechtlich gesicherten hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art.33 Abs.5 GG); sie wird von diesen Grundsätzen überhaupt nicht berührt. Diese Entschädigung hat auch nichts mit den Regelungen des Gehalts in den Besoldungsgesetzen zu tun. Sie verträgt deshalb auch keine Annäherung an den herkömmlichen Aufbau eines Beamtengehalts und keine Abhängigkeit von der Gehaltsregelung, etwa in der Weise, daß sie unmittelbar oder mittelbar in Von-Hundert-Sätzen eines Beamtengehalts ausgedrückt wird. Denn dies letztere ist kein bloß "formal-technisches Mittel" zur Bemessung der Höhe der Entschädigung, sondern der Intention nach dazu bestimmt, das Parlament der Notwendigkeit zu entheben, jede Veränderung in der Höhe der Entschädigung im Plenum zu diskutieren und vor den Augen der Öffentlichkeit darüber als einer selbständigen politischen Frage zu entscheiden. Wertet man also die "technische" Kopplung der Entschädigung an eine besoldungsrechtliche Regelung materialiter, so führt sie
zur Abhängigkeit jeder Erhöhung der Entschädigung von einer entsprechenden Erhöhung der Besoldung. Genau dies aber widerstreitet der verfassungsrechtlich gebotenen selbständigen (und nicht in die ganz andere Entscheidung über die angemessene Besoldung der Beamten eingeschlossene) Entscheidung des Parlaments über die Bestimmung dessen, was nach seiner Überzeugung "eine angemessene, die Unabhängigkeit sichernde Entschädigung" ist. Nicht einmal § 60 BBesG aF (jetzt § 14 in der Fassung des 2.BesVNG vom 23.Mai 1975 | |
Die Demokratie des Grundgesetzes ist eine grundsätzlich privilegienfeindliche Demokratie. Zwar fordert der Gleichbehandlungssatz nicht, daß der Gesetzgeber die Einzelnen und ihre relevanten gesellschaftlichen Gruppen unbedingt gleichmäßig behandelt; er läßt Differenzierungen zu, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt sind. Ob und in welchem Ausmaß der Gleichheitssatz bei der Ordnung bestimmter Materien dem Gesetzgeber Differenzierungen erlaubt, richtet sich nach der Natur des jeweiligen Sachbereichs (BVerfGE_6,84 (91); BVerfGE_32,157 (167); ständige Rechtsprechung). Für den Sachbereich der Wahlen ist nach der historischen Entwicklung zum Demokratisch-Egalitären hin, die im Grundgesetz für das Bundestagswahlrecht in Art.38 Abs.1 Satz 1 und für das Wahlrecht in den Ländern, Kreisen und Gemeinden in Art.28 Abs.1 Satz 2 ihren verfassungsrechtlich verbindlichen Ausdruck gefunden hat, davon auszugehen, daß jedermann seine staatsbürgerlichen Rechte in formal möglichst gleicher Weise soll ausüben können (BVerfGE_11,266 (272); BVerfGE_34,81 (98) mit weiteren Hinweisen; ständige Rechtsprechung). Das gilt nicht nur für die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts im engeren Sinn, es gilt auch für die Ausübung des Mandats. Das Grundgesetz kennt im Wahlrecht und im Parlamentsrecht keine für den Status des Abgeordneten erheblichen besonderen in seiner Person liegenden Umstände, die eine Differenzierung innerhalb des Status rechtfertigen können. Alle Mitglieder des Parlaments sind einander formal gleichgestellt. Das Prinzip dieser formalisierten Gleichbehandlung ist verfassungsrechtlich im egalitären Gleichheitssatz ausgeprägt. Aus ihm folgt: Jedermann muß ohne Rücksicht auf soziale Unterschiede, insbesondere auf seine Abstammung, seine Herkunft, seine Ausbildung oder sein Vermögen die gleiche Chance haben, Mitglied des Parlaments zu werden. Aus ihm folgt weiter, daß jedem Abgeordneten eine gleich hoch bemessene Entschädigung zusteht, unabhängig davon, ob die Inanspruchnahme durch die parlamentarische Tätigkeit größer oder geringer ist, ob der individuelle finanzielle Aufwand oder das berufliche Einkommen verschieden hoch ist (vgl Maunz in Maunz-Dürig-Herzog, GG, 1973, Art.48, Randnote 17). Eine Ausnahme vom formalisierten Gleichheitssatz im Sinne eines zwingenden Grundes ist nur für den Parlamentspräsidenten und seine Stellvertreter anzuerkennen; ihre angemessene Entschädigung wird dadurch mitbestimmt, daß sie an der Spitze eines obersten Verfassungsorgans stehen. | |
Die so verstandene einheitliche Entschädigung mit Alimentationscharakter schließt aus den dargelegten Gründen alle weiteren, der Höhe nach differenzierten, individuellen oder pauschalierten finanziellen Leistungen an einzelne Abgeordnete aus öffentlichen Mitteln aus, die nicht einen Ausgleich für sachlich begründeten, besonderen, mit dem Mandat verbundenen finanziellen Aufwand darstellen. Danach werden also künftig zB eine Reihe von Pauschalen, Tage- und Sitzungsgeldern, Verdienstausfallentschädigungen und ähnlichen Zuwendungen aus der Parlamentskasse sowie gestaffelte Diäten für Abgeordnete mit besonderen parlamentarischen Funktionen entfallen. | |
b) Art.48 Abs.3 Satz 1 GG in Verbindung mit Art.38 Abs.1 Satz 2 GG und der formalisierte Gleichheitssatz, der bei der Ausgestaltung und Bemessung der Abgeordnetenentschädigung zu beachten ist, berühren die Frage der Begründung und Fortführung eines Berufes neben der Parlamentstätigkeit und das daraus erzielte Einkommen grundsätzlich nicht. Allerdings verlangen sie - unbeschadet des Art.48 Abs.1 und 2 GG - gesetzliche Vorkehrungen dagegen, daß Abgeordnete Bezüge aus einem Angestelltenverhältnis, aus einem sog Beratervertrag oder ähnlichem, ohne die danach geschuldeten Dienste zu leisten, nur deshalb erhalten, weil von ihnen im Hinblick auf ihr Mandat erwartet wird, sie würden im Parlament die Interessen des zahlenden Arbeitgebers, Unternehmers oder der zahlenden Großorganisation vertreten und nach Möglichkeit durchzusetzen versuchen. Einkünfte dieser Art sind mit dem unabhängigen Status der Abgeordneten und ihrem Anspruch auf gleichmäßige finanzielle Ausstattung in ihrem Mandat unvereinbar. | |
Die nähere Regelung entsprechend diesen aus Art.48 Abs.3 Satz 1 GG entwickelten Grundsätzen ist Sache des Gesetzgebers. | |
Die Verfassung des Saarlandes enthält keine Regelung über die Entschädigung für Abgeordnete. Für das Saarland gelten die aus Art.48 Abs.3 GG entwickelten Grundsätze über Art.28 Abs.1 Satz 1 GG. Denn Art.48 Abs.3 GG, der seinem Grundsatzcharakter entsprechend innerhalb der aus ihm entwickelten Grundsätze durch den Gesetzgeber näher konkretisiert werden kann, gehört zu den Essentialen des demokratischen Prinzips, das in Art.28 Abs.1 GG als ein für die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern wesentlicher Bestandteil gefordert wird; demgemäß muß eine landesrechtliche Regelung des Parlamentsrechts an jener Vorschrift des Grundgesetzes gemessen werden. Die Frage, wie sich dies auf die Interpretation von Landesverfassungsbestimmungen auswirkt, die eine Regelung über die Entschädigung von Landtagsabgeordneten enthalten, kann hier offenbleiben. | |
Auf der Grundlage des bisher Dargelegten ergibt sich für die Vorschriften des Landtagsgesetzes, deren Prüfung dieses Verfahren erforderlich macht, im einzelnen folgendes: | |
1. Gegen § 3 Abs.1 Buchst.a und b, von deren Verfassungsmäßigkeit die Bedeutung und die Reichweite der §§ 5 bis 9 LTG abhängen, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Vorschrift enthält eine gesetzliche Beschränkung der Wählbarkeit von Richtern, Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes, die nach Art. 137 Abs.1 GG statthaft ist (vgl BVerfGE_12,73 <77>; BVerfGE_18,172 <183>). Sie schließt die genannten Personengruppen nicht von der Wählbarkeit aus, sondern untersagt nur, daß sie, solange sie Abgeordnete sind, in ihrem Amt als Richter oder Beamter oder in ihrem Dienst als Angestellter tätig sein dürfen. Diese Inkompatibilitätsregel erfaßt allerdings alle Richter, Beamte und Angestellte des Landes, einer Gemeinde, eines Gemeindeverbandes oder einer sonstigen, der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts ohne Rücksicht auf den Rang oder die Bedeutung des Amtes oder die Art der Beschäftigung, obwohl sich innerhalb der genannten öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Einrichtungen Aufgaben denken lassen, bei denen schwerlich die Gefahr einer Vermischung, Verfilzung oder eines Interessenkonflikts zwischen Legislative und Exekutive angenommen werden kann. Abgesehen davon könnte der Wortlaut des Art.137 Abs.1 GG ("Die Wählbarkeit von Beamten ... im Bund, in den Ländern und den Gemeinden") die Auslegung nahelegen, daß der Gesetzgeber von der Ermächtigung nur in der Weise Gebrauch machen kann, daß er einen Teil der bezeichneten Angehörigen des öffentlichen Dienstes - nämlich den Kreis der Personen, bei denen die gleichzeitige Wahrnehmung amtlicher und parlamentarischer Aufgaben zu einer ernsthaften Gefährdung des Prinzips der Gewaltenteilung und zu Interessenkonflikten führen kann - der Wählbarkeitsbeschränkung unterwirft. In Anbetracht der Schwierigkeit, die Grenze innerhalb der im Gesetz genannten Gruppen zwischen denen zu ziehen, deren Tätigkeit sie in die bezeichnete Gefahr bringen kann, und denen, deren Tätigkeit sie nicht in diese Gefahr bringen kann, muß es dem Gesetzgeber überlassen bleiben, in seiner Regelung bis an die äußerste Grenze der Ermächtigung des Art.137 Abs.1 GG zu gehen. Sie ist hier jedenfalls nicht evidenterweise überschritten. Es läßt sich sogar fragen, ob das in Bund und Ländern zu beobachtende unverhältnismäßig starke Anwachsen der Zahl der aktiven und inaktiven Angehörigen des öffentlichen Dienstes unter den Abgeordneten ("Verbeamtung der Parlamente"), sollte es sich fortsetzen, noch mit den Anforderungen eines materiell verstandenen Gewaltenteilungsprinzips vereinbar ist. | |
2. Die von § 3 Abs.1a und b LTG betroffenen Richter und Beamten treten gemäß § 5 LTG mit der Annahme der Wahl in den Ruhestand. Sie erhalten nach § 6 Abs.1 LTG für den Monat, in dem sie in den Ruhestand treten, ihre bisherigen Dienstbezüge in unveränderter Höhe und vom anschließenden Monat ab auf die Dauer der Mitgliedschaft im Landtag Ruhegehalt. Solange dieses Ruhegehalt weniger als 60 vH der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge beträgt, wird den Richtern und Beamten eine Ausgleichszulage in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Ruhegehalt und 60 vH der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge gewährt. Diese Regelung ist in die Prüfung einzubeziehen, weil von ihr nach der Systematik des Gesetzes die Regelung für Angestellte in § 9 LTG und die Regelung über die Verdienstausfallentschädigung in § 13 Abs.1 LTG abhängen. | |
Die die Beamten unter den Abgeordneten betreffenden Regelungen gehören materiell zum Recht des Status des Abgeordneten, gleichgültig, ob sie in Rechtsstellung-, Diäten- oder Beamtengesetzen enthalten sind. Daß der ins Parlament gewählte Beamte sein Gehalt behält oder in den Ruhestand tritt und Ruhegehalt bezieht, war von Anfang an und ist bis zu den noch in Geltung stehenden Regelungen ein mit dem Mandat verbundenes Privileg geblieben." | |
Dieses Privileg gehört nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art.33 Abs.5); es steht vielmehr mit dem überkommenen Beamtenrecht in Widerspruch. Das Beamtenverhältnis begründet für den Beamten die Pflicht, seine volle Arbeitskraft - grundsätzlich auf Lebenszeit - dem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen. Als Korrelat gewährt der Dienstherr dem Beamten lebenslang die angemessene Alimentation für ihn und seine Familie (vgl BVerfGE_21,329 (345). Eine Alimentation des Beamten für die Zeit, in der er trotz Dienstfähigkeit seiner Dienstpflicht nicht nachkommt und die geschuldete Dienstleistung nicht erbringt, gibt es außerhalb der das Beamtenverhältnis mitgestaltenden Elemente des Erholungsurlaubs, der Fortbildung und der kurzfristigen Dienstbefreiung nicht. Deshalb ist im Gesetz bei jedem unentschuldigten Fernbleiben vom Dienst eine entsprechende Gehaltskürzung vorgesehen. Deshalb gibt es Beurlaubung in Sonderfällen nur in Form des unbezahlten Urlaubs. Und schließlich bindet das Beamtenrecht eine Nebenbeschäftigung an die Erlaubnis des Dienstherrn, um zu verhindern, daß der Beamte infolge dieser Nebenbeschäftigung nicht mehr die sich aus dem Beamtenverhältnis ergebenden Pflicht, seine ganze Kraft dem öffentlichen Dienst zu widmen, erfüllt. Der Ruhestand mit Ruhegehalt ist im Beamtenrecht an die Erreichung der Altersgrenze oder an die Dienstunfähigkeit geknüpft. Es gibt für den dienstfähigen Beamten bis zur Dienstaltersgrenze also keine Bezüge, weder volles Gehalt nocht Ruhegehalt, solange er seine geschuldete Leistung aus welchen Gründen auch immer, nicht erbringt. Die dem hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums gemäße Regelung ist also, daß der Beamte, der Mitglied des Parlaments wird und nicht mehr im öffentlichen Dienst tätig ist, für die Dauer dieser Mitgliedschaft ohne Bezüge beurlaubt wird oder daß für diese Zeit das Ruhen seiner Rechte und Pflichten aus dem Beamtenverhältnis angeordnet wird. Die nicht dem Beamtenrecht zugehörige "Ausnahme", in Wirklichkeit das Privileg zugunsten der Abgeordneten, die Beamte sind, hat ihre Berechtigung innerhalb des Abgeordnetenrechts in dem Augeblick verloren, in dem der Abgeordnete angemessen alimentiert wird. Außerdem widerspricht das Privileg dem formalisierten Gleichheitssatz, der sich auch im Abgeordentenrecht durchgesetzt hat. Das gilt auch für die aktiven Beamten, die nicht von der Inkompatibilitätsvorschrift betroffen werden und während ihrer Mitgliedschaft im Landtag, ohne Dienst zu tun, bisher ihr volles Gehalt weiterbezogen haben; im Saarland kann dies für Bundesbeamte und Soldaten in Betracht kommen, die von § 3 Abs.1b LTG nicht erfaßt sind. | |
b) § 6 Abs.2 und 3 LTG macht besonders deutlich, daß die Vorschriften der §§ 5 und 6 Abs.1 LTG der Sache nach nicht eine beamtenrechtliche Regelung enthalten, sondern auf die Alimentierung des Abgeordneten zielen. Denn § 6 Abs.2 und 3 LTG beläßt es nicht bei dem dem Beamten zukommenden Ruhegehalt, sondern garantiert ihm durch einen Unterschiedsbetrag, daß ihm mindestens 60 vH seiner ruhegehaltfähigen Bezüge ausgezahlt werden, und bestimmt ua, daß das Land dem Dienstherrn die Versorgungsbezüge erstattet, soweit nicht die Ruhegehaltskasse des Saarlandes Leistungen gewährt. Indem aber das Gesetz das Ruhegehalt zum Teil der Abgeordnetenalimentation macht, verstößt es wiederum gegen den formalisierten Gleichheitssatz. Denn dieser Teil der Alimentation ist nicht für alle gleich; er schwankt insbesondere der Höhe nach zwischen 60 vH und 75 vH der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge, die ihrerseits verschieden hoch sind, ganz abgesehen davon, daß für Bundesbeamte und Soldaten, die ihr volles Gehalt beziehen, die Abgeordnetenalimentierung noch vorteilhafter ist. | |
Demnach sind die §§ 5, 6 LTG mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. | |
3. § 9 LTG, der die Rechtsstellung der Angestellten des öffentlichen Dienstes als Abgeordnete betrifft, kann, wie sich aus Absatz 1 Satz 1 ergibt - er verdankt seinen Inhalt dem Bestreben, die Angestellten des öffentlichen Dienstes den Beamten nach Möglichkeit gleichzustellen -, schon deshalb keinen Bestand haben, weil die §§ 5, 6 LTG, wie dargelegt, verfassungswidrig sind. Für ihn gilt außerdem das zu 2 b) Ausgeführte in gleicher Weise. Die Angestellten des öffentlichen Dienstes erhalten als Abgeordnete nach dieser Vorschrift vom Arbeitgeber in der Form eines Anteils der ihnen vertraglich zugesagten Vergütung etwas, was ihnen nach dem Anstellungsvertrag keineswegs zusteht: Entweder 60 vH oder mehr bis zu 75 vH der Vergütung, wenn sie einen vertraglichen Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen - selbstverständlich für den Fall des Alters oder der Invalidität! - besitzen, oder wenn sie jenen Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen nicht besitzen, 60 vH der Vergütung, die ihnen bei Verbleiben im Dienst in ihrer Vergütungsgruppe zugestanden hätte. Was danach der Arbeitgeber nicht kraft Anstellungsvertrag, sondern kraft § 9 LTG zu zahlen hat, wird ihm nach § 9 Abs.3 LTG vom Land erstattet. Es handelt sich also materiell wiederum um einen Teil der Abgeordnetenalimentation, der deshalb dem formalisierten Gleichheitssatz widerspricht und verfassungswidrig ist, weil er nicht für alle gleich hoch bemessen ist, sondern zwischen den dadurch begünstigten Abgeordneten je nach Vergütungsgruppe, Vom-Hundert-Satz und nach Bestehen oder Nichtbestehen eines vertraglichen Anspruchs auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen differenziert. | |
4. a) Der Ersatz des Verdienstausfalls nach § 13 Abs.1 LTG bildet nach der Systematik des Gesetzes ebenfalls einen Teil der Abgeordnetenalimentation. Das Bestreben des Gesetzgebers, in diesem Punkt die privaten Angestellten, Arbeiter und Selbständigen ähnlich zu behandeln wie die Angestellten des öffentlichen Dienstes, die ihrerseits annähernd gleich wie die Beamten behandelt werden, ist unverkennbar. | |
Gleichwohl gibt es in § 13 Abs.1 Nr.1 bis 3 LTG beträchtliche, sachlich nicht begründete Unterschiede sowohl innerhalb des dort genannten Personenkreises als auch zwischen diesem und den Angestellten des öffentlichen Dienstes: Abgeordnete, die als Arbeiter beschäftigt sind, erhalten vollen Ersatz des nachgewiesenen tatsächlichen Verdienstausfalls; Abgeordnete, die als Angestellte beschäftigt sind, erhalten Ersatz des - ebenfalls nachzuweisenden und nicht nur zu behauptenden - Lohn- oder Verdienstausfalls, jedoch nur bis zur Hälfte der Bruttobezüge, soweit nicht der gemäß § 13 Abs.2 LTG vom Präsidium festgesetzte Höchstbetrag überschritten wird, und Abgeordnete, die weder im öffentlichen Dienst noch in einem anderen Dienst- oder Arbeitsverhältnis stehen, erhalten schließlich als Verdienstausfall eine Pauschale, die ebenfalls gemäß § 13 Abs.2 LTG vom Präsidium festgesetzt wird. Der Höchstbetrag und die Pauschale betragen nach einer Auskunft der Landtagsverwaltung derzeit 1000 DM. Durch die Höchstbeträge des Verdienstausfallersatzes für die in § 13 Abs.1 Nr.2 und 3 LTG genannten Personen wird eine gewisse Egalisierung dieses Anteils der Alimentierung erreicht. Gänzlich ausgeräumt wird der Verstoß gegen den formalisierten Gleichheitssatz jedoch nicht. | |
b) Der saarländische Gesetzgeber sieht die Entschädigung der leitenden Angestellten im Sinne von § 3 Abs.1 Buchst.c LTG ebenfalls als Ersatz von Verdienstausfall an, der der Regelung der §§ 6 Abs.2, 9 Abs.1 LTG über das Ruhegehalt und die diesem entsprechende Vergütung angenähert ist. § 13 Abs.1 Nr.4 LTG limitiert aber die Entschädigung in doppelter Hinsicht, nämlich auf "60 vom Hundert des bisher bezogenen steuerpflichtigen Entgelts, höchstens jedoch 60 vom Hundert der BesGr.3 der Besoldungsordnung B des Bundesbesoldungsgesetzes einschließlich Ortszuschlag". | |
Es gibt weder einen sachlich vertretbaren noch gar einen zwingenden Grund, für die Privatangestellten (§ 13 Abs.1 Nr.2 LTG) von der "Hälfte der Bruttobezüge" und für die leitenden Angestellten (§ 13 Abs.1 Nr.4 LTG) von 60 vH des bisher bezogenen steuerpflichtigen Entgelts auszugehen und außerdem die danach errechneten Beträge abweichend von den Höchstbeträgen für die Entschädigungen nach § 13 Abs.1 Nr. 2 und 3 LTG auf höchstens 60 vH der BesGr.B 3 des Bundesbesoldungsgesetzes (jetzt Bundesbesoldungsordnung B) zu begrenzen. Der Einwand, daß diese Abgeordneten als Folge der Inkompatibilitätsregelung ihre Stellung aufgeben müssen, während andere Abgeordnete u. U. die Möglichkeit haben, neben dem Landtagsmandat ihre private Tätigkeit auszuüben, verschlägt gegenüber der nach den dargelegten Grundsätzen für alle Mitglieder des Landtages des Saarlandes prinzipiell einheitliche und volle Alimentierung gewährenden Abgeordnetenentschädigung nicht. | |
Die Bemessung der Entschädigung der von § 3 Abs.1 Buchst.c LTG betroffenen Abgeordneten läßt sich auch nicht im Hinblick auf die für Angestellte des öffentlichen Dienstes getroffene Regelung sachlich begründen. Einmal abgesehen von der Verfassungswidrigkeit des § 9 Abs.1 Satz 1 in Verbindung mit den ebenfalls verfassungswidrigen §§ 5, 6 Abs.2 und § 9 Abs.2 LTG, erfahren diese Abgeordneten weder eine Beschränkung auf 60 vH ihrer Aktivbezüge noch eine Beschränkung auf Bezüge höchstens aus der BesGr.3 der Besoldungsordnung B des Bundesbesoldungsgesetzes; für Angestellte im öffentlichen Dienst ohne vertraglichen Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen sind zwar 60 vH der ihnen im Zeitpunkt der Mandatsübernahme zustehenden Vergütung, aber sonst keine Begrenzung der Höhe nach vorgesehen. Demgegenüber lassen sich insbesondere für die absolute Begrenzung der Verdienstausfallentschädigung nach § 13 Abs.1 Nr.4 LTG auf einen der BesGr.B 3 zuzüglich Ortszuschlag entsprechenden Betrag keine vernünftigen Gründe anführen. Leitende Angestellte im Sinne von § 3 Abs.1 Buchst.c LTG erhalten in der Regel ein beträchtliches Gehalt, wie das Beispiel des Beschwerdeführers zeigt. Mit der etwaigen Absicht des Landesgesetzgebers, dieser Entwicklung bei der Entschädigung der Abgeordneten entgegenzutreten und gleichzeitig kurzfristige Gehaltserhöhungen vor der Mandatsübernahme auf Kosten der Parlamentskasse zu verhindern, kann die dargelegte Differenzierung des Gesetzes gegenüber dem Gebot der formalen Gleichbehandlung der Abgeordneten nicht gerechtfertigt werden. Da die Verfassungswidrigkeit des § 13 Abs.1 Nr.4 LTG feststeht, bedarf es keiner Entscheidung, soweit der Beschwerdeführer auch bemängelt, daß die Gewährung der Entschädigung nach dieser Vorschrift von der Aufgabe der Stellung abhängig gemacht sei und der Gesetzgeber es unterlassen habe, eine Regelung zur Sicherung des Arbeitsplatzes des Betroffenen für die Zeit nach Ablauf des Mandats zu schaffen. | |
c) Im übrigen ist verfassungsrechtlich zu beanstanden, daß § 13 Abs. 2 LTG die Festsetzung des Höchstbetrages für die Entschädigung nach Absatz 1 Nr. 2 und der Pauschale nach Absatz 1 Nr. 3 sowie daß § 14 LTG die Festsetzung der Höhe der "sonstigen Entschädigungen", die Abgeordneten gewährt werden, dem Präsidium des Landtages zuweisen. Damit werden für den Abgeordneten wesentliche Teile seiner finanziellen Ausstattung in einem Verfahren festgesetzt, das sich der Kontrolle der Öffentlichkeit entzieht. In einer parlamentarischen Demokratie läßt es sich nicht vermeiden, daß das Parlament in eigener Sache entscheidet, wenn es um die Festsetzung der Höhe und um die hähere Ausgestaltung, der mit dem Abgeordnetenstatus verbundenen finanziellen Regelungen geht. Gerade in einem solchen Fall verlangt aber das demokratische und rechtstaatliche Prinzip (Art.20 GG), daß der gesamte Willensbildungsprozeß für den Bürger durchschaubar ist und das Ergebnis vor den Augen der Öffentlichkeit beschlossen wird. Denn dies ist die einzige wirksame Kontrolle. Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes; Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt zu verfolgen, was politisch geschieht, ist nicht möglich." | |
5. Nach § 16 Abs.1 Satz 2 LTG sind die in den §§ 11 bis 14 vorgesehenen Entschädigungen der Abgeordneten steuerfrei. Das widerspricht dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung aller vor dem Gesetz (Art.3 Abs.1 GG). | |
a) Offenbleiben soll daher hier die Frage, ob der Landesgesetzgeber bestimmen kann, daß gewisse Einkünfte der Abgeordneten steuerfrei sein sollen. Auch wenn man die Regelung materiell als zum Abgeordnetenrecht gehörig auffaßte, bliebe noch zu entscheiden, ob einfaches Landesrecht, wenn es inhaltlich mit einfachem Bundesrecht (§ 3 Ziff.12 EStG 1975) übereinstimmt, als vereinbar mit Art.31 GG gültig ist - eine Frage, die in der Entscheidung vom 29.Januar 1974 (BVerfGE_36,342 <357, 367>) offengelassen worden ist. Dahinstehen kann auch, inwiefern der Ersatz des Ausfalls von Einkommen (§ 13 Abs.1 LTG), das seinerseits steuerpflichtig ist, steuerfrei bleiben konnte." | |
b) Die bisherige Steuerfreiheit der Diäten beruht auf der herkömmlichen Auffassung der Abgeordnetenentschädigung als Entschädigung für Mehraufwand und Verdienstausfall infolge der Mandatsausübung. Nachdem die Bezüge der Abgeordneten im wesentlichen den Charakter der Alimentation gewonnen haben, die den Abgeordneten aus der Staatskasse zur Sicherung ihrer Unabhängigkeit und z ur wirtschaftlichen Existenzgrundlage für sie und ihre Familie auf die Dauer ihrer Mitgliedschaft im Parlament gewährt wird, handelt es sich um Einkommen. Dieses Einkommen muß nach Grundsätzen, die für alle gleich sind, der Besteuerung unterworfen werden. Ein willkürliches Steuerprivileg hinsichtlich bestimmter Einkommen ist mit Art.3 Abs.1 GG unvereinbar. Es kann auch nicht mehr aus dem Zweck des Art.48 Abs.3 Satz 1 GG in Verbindung mit Art.38 Abs.1 Satz 2 GG hergeleitet werden. Nur die Entschädigung für wirklich entstandenen, sachlich angemessenen, mit dem Mandat verbundenen besonderen Aufwand ist daneben noch echte Aufwandsentschädigung, die auch künftig steuerfrei bleiben kann. Damit ist nicht ausgeschlossen, daß diese Aufwandsentschädigung in Orientierung am tatsächlichen Aufwand pauschaliert wird. Die Entschädigungsregelungen für Abgeordnete und das Einkommensteuergesetz können sich über diese verfassungsrechtliche Schranke nicht hinwegsetzen. Es kommt also nicht darauf an, ob eine Einnahme nach dem Steuergesetz formal als steuerfreie Aufwandsentschädigung anzusehen ist; die einkommensteuerrechtliche Regelung wäre ihrerseits verfassungswidrig, wenn sie Abgeordneten in größerem Umfang als dargelegt steuerfreie Entschädigungen einräumte." | |
6.a) Demnach sind die §§ 5, 6, 9, 13 Abs.1 und 2, 14 und 16 Abs. 1 Satz 2 LTG mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Über die Vorschrift des § 13 Abs.1 Nr.4 LTG, die vom Beschwerdeführer angegriffen ist, muß in der Entscheidungsformel entschieden werden. Sie ist, wie dargelegt, ua mit dem formalisierten Gleichheitssatz unvereinbar. Da mit dem Gleichheitssatz auch die Vorschriften der §§ 5, 6, 9, 13 Abs.1 Nr.1 bis 3, 16 Abs.1 Satz 2 LTG unvereinbar sind, konnte auch über sie gemäß § 78 Satz 2 BVerfGG, der auch im Verfassungsbeschwerdeverfahren, das sich gegen ein Gesetz richtet, anwendbar ist, in der Entscheidungsformel entschieden werden. (Dagegen fordert § 95 Abs.1 Satz 1 BVerfGG nicht, daß in der Entscheidungsformel auch angegeben wird, welche Vorschriften des Grundgesetzes durch die angegriffenen und geprüften Normen verletzt werden; es genügt vielmehr, dies in der "Entscheidung", also uU nur in den Entscheidungsgründen festzustellen.) Das Gericht hatte sich, soweit es in der Entscheidungsformel über die angegriffene Vorschrift und weitere Vorschriften des Landtagsgesetzes entschieden hat, auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit dieser Vorschriften zu beschränken. Es mußte davon absehen, die Vorschriften für nichtig zu erklären, weil damit den unter der Geltung des Landtagsgesetzes in den Landtag gewählten Abgeordneten teilweise die Rechtsgrundlage für ihren Status entzogen worden wäre. Sie sind aber zur Erhaltung ihrer Unabhängigkeit bis zur Neuregelung der Materie auf die im Gesetz festgelegten Einkünfte angewiesen. Der Landtag hat jedoch vordringlich die Neuregelung in Angriff zu nehmen, weil sie nur zum Beginn einer neuen Legislaturperiode in Kraft gesetzt werdenk ann und nicht vertretbar wäre, daß die festgestellten Verfassungswidrigkeiten über die laufende Legislaturperiode hinaus andauern. Welche Konsequenzen aus dieser Entscheidung für die übrigen Parlamente zu ziehen sind, werden diese zu entscheiden haben. | |
b) Bei der Neuregelung wird zu beachten sein, daß nun in einer Person zwei Bezüge aus öffentlichen Kassen mit Alimentationscharakter zusammentreffen können: die Abgeordnetenentschädigung und beispielsweise das Gehalt eines Hochschullehrers, eines Parlamentarischen Staatssekretärs, eines Ministers. Die Alimentationsverpflichtung der öffentlichen Hand geht in einem solchen Fall nicht notwendig auf eine doppelte Aufbringung des angemessenen Lebensunterhalts. Es fehlt jedenfalls an jedem sachlich zureichenden Grund, diesen Fall anders als entsprechend den gegenwärtig im Beamtenrecht geregelten Grundsätzen zu behandeln und den Abgeordneten zu privilegieren (vgl BVerfGE_32,157 <166>). Das wäre unvereinbar mit dem Gleichheitssatz." | |
c) Außerdem wird bei der Neuregelung zu überlegen sein, ob nicht im Hinblick auf die dargestellte Verfassungsrechtslagea uch die Regelung über das Übergangsgeld und über die Altersrente geändert oder e rgänzt werden muß (letzteres beispielsweise, wenn zwei Altersversorgungen aus der öffentlichen Kasse zusammentreffen) und ob Übergangsregelungen (beispielsweise zur Angleichung des Rechtsstandes ausgeschiedener Abgeordneter an den neuen Rechtsstand) oder Vorbehalte zugunsten eines erworbenen Rechtsstandes ausgeschiedener Abgeordneter nötig sind. V. | |
Gemäß § 34 Abs.4 BVerfGG hat das Saarland, dem die festgestellten Verfassungswidrigkeiten zuzurechnen sind, dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten. VI. | |
Diese Entscheidung ist mit sechs Stimmen gegen eine Stimme ergangen. | |
Auszug aus BVerfG SU, 05.11.75, - 2_BvR_193/74 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.35 ff | |
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A-75-01 | HG Schmolke: Befremdliche Veröffentlichungspraxis im Saarland |
Obwohl üblicherweise bedeutende Urteil des BVerfG in der Saarländischen Kommunalzeitung veröffentlich werden, wurde diese Entscheidung seltsamerweise nicht veröffentlicht. Lediglich soweit im Teilurteil vom 21.01.75 (BVerfGE_38,326 ff = Nr.75.001) das BVerfG, die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen hat, hat man den Text veröffentlicht (vgl SKZ 75,220-221). Das wesentlich bedeutungsvollere Schlussurteil in dieser Sache, das mehrere Normen des Saarländischen Landtagsgesetzes für nichtig erklärte, wurde tot geschwiegen. | |
Es wundert deshalb wenig, dass 15 Jahre später in der Pensionsaffaire-Lafontaine in Fernsehsendungen lautstark verkündet wurde es sei alles mit rechten Dingen zugegangen. Wäre vorstehendes Urteil allgemein bekannt gewesen, wäre es mit Sicherheit nicht zu solchen Äußerungen hoher Regierungsvertreter gekommen. | |
Der Aufsatz des damaligen Staatsekretärs Dr Roland Rixecker "Der Versorgungstatus kommunaler Wahlbeamter mit Parlamentsmandat und Regierungsamt" (SKZ_92,186 ff) zitiert zwar vorstehendes Urteil, zieht aber eine an den Grundsatzentscheidungen dieses Urteils orientierte verfassungskonforme Auslegung des einfachrechtlichen Beamtenrechts nicht in Betracht. Obwohl ich im Beamtenrecht nicht unbewandert bin habe ich den Aufsatz trotz mehrmaligem Lesen nicht verstanden. Ich halte ihn für ein Meisterstück der Vernebelungstechnik. | |
Obwohl der damals amtierende Justizminister des Saarlandes den Beschwerdeführer in dieser Verfassunsbeschwerde anwaltlich vertreten hat, und damit in Regierungskreisen das Urteil mit Sicherheit bekannt war, ist es zu unberechtigten Pensionszahlungen gekommen, die zurückgezahlt werden mussten. Dieses Beispiel zeigt in aller Klarheit, welche Bedeutung die allgemeine Verbreitung verfassungsrechtlicher Grundsatzentscheidungen in der freiheitlich rechtsstaatlichen Demokratie zukommt. Auch heute noch, über 35 Jahre nach der Verfassungsgerichtsentscheidung tut sich die politische Klasse schwer den verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG folge zu leisten, wenn Eigeninteresse im Spiel ist. | |
Nur wenn verfassungsrechtliche Grundsatzentscheidungen nicht nur in der juristischen Fachpresse veröffentlicht werden, sonder allgemein verbreitet werden, kann das Demokratieprinzip funktionieren. Erfährt das Volk nichts von dem verfassungswidrigen Handeln des Parlaments oder der Regierung, kann es dieses Wissen auch nicht in seine Wahlentscheidung einfließen lassen. Kann die Verbreitung des Wissens verhindert werden, besteht immer die Gefahr, dass das aus eigennützigen Gründen auch getan wird, wie das konkrete Beispiel zeigt. | |
Wie "verantwortungsvoll" die damalige Regierung mit der ihr auf Zeit verliehenen Macht umgegangen ist, zeigt auch die Tatsache, dass der Beamte der den Rückzahlungsbescheid unterschrieben hat, von seinem Ministerium mehrfach zur Beförderung vorgeschlagen wurde und seine Beförderung vom Kabinett jeweils ohne Begründung abgelehnt wurde. Der Kollege hat mit selbst diese Tatsache bestätigt und mir erlaubt, sie zu veröffentlichen. | |
§§§ | |
76.001 | Reparationsschäden |
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1) Gesetzliche Regelungen zur Bewältigung der außergewöhnlichen Probleme, die ihren Ursprung in historischen Vorgängen aus der Zeit vor der Entstehung der Bundesrepublik haben, können nicht an GG Art.14 gemessen werden. Das Grundgesetz hat den Ausgleich der wirtschaftlichen und politischen Lasten, die aus dem Krieg und dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches herrühren, weitgehend der eigenverantwortlichen Gestaltung des Gesetzgebers überlassen. | |
2) Die Reparationsschäden gehören zu dem großen Komplex der Kriegslasten und Kriegsfolgelasten, die nach den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätzen über die Bereinigung des Staatsbankrotts des Deutschen Reiches abgewickelt werden durften. Die Bundesrepublik war nur zu einem innerstaatlichen sozialen Ausgleich dieser Schäden verpflichtet (Anschluß BVerfG, 1962-11-14, 1_BvR_987/58, BVerfGE_15,126; Anschluß BVerfG, 1969-12-03, 1_BvR_624/56, BVerfGE_27,253 ). | |
3) Den von den Reparationsmaßnahmen Betroffenen standen weder unter dem Gesichtspunkt der Tilgung einer deutschen Reparationsschuld noch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten Entschädigungsansprüche gegen die Bundesrepublik zu, die außerhalb des Staatsbankrotts zu erfüllen wären und über die Beteiligung am sozialen Ausgleich der Kriegslasten und Kriegsfolgelasten hinausreichten. | |
4) Der Gesetzgeber durfte die Entschädigung für Reparationsschäden nach dem Vorbild der sozialen Konzeption des Lastenausgleichsgesetzes regeln. Ebenso wie in diesem Gesetz durfte er im Reparationsschädengesetz die verfügbaren begrenzten Mittel auf eine wirksame Hilfe für die betroffenen Menschen beschränken und die Kapitalgesellschaften oder andere juristische Personen von Entschädigungsleistungen ausschließen. | |
§§§ | |
76.002 | Bad Pyrmont |
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LB 2) Auch staatsvertraglich vereinbarte Bestandsgarantien unterliegen der "clausula rebus sic stantibus. | |
LB 3) Die Rechtsfolge des Eintritts der clausula rebus sic stantibus ist zunächst nicht der Wegfall der vertraglichen Verpflichtung, sondern die Pflicht der Beteiligten, nach einer Anpassung der vertraglichen Vereinbarung an die veränderten Verhältnisse zu suchen. | |
LB 4) Daraus hat das BVerfG die Folgerung gezogen, daß der sich auf die clausula rebus sic stantibus Berufende grundsätzlich verpflichtet ist, mit dem aus dem Vertrag Berechtigten in ernsthafte Verhandlungen einzutreten, die die Anpassung der Vereinbarung an die neuen Verhältnisse zum Ziel haben ( BVerfGE_34,216 <236 f>). | |
LB 5) Ist eine Anpassung an die veränderten Verhältnisse - wie hier - nicht möglich, so kommt zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen den vertraglichen Leistungen und Gegenleistungen nur ein angemessener Ausgleich in Gestalt einer Geldleistung in Betracht, der weder einen Schadensersatz noch eine Entschädigung darstellt (vgl BVerfGE_34,216 <237>). | |
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Beschuss | Entscheidungsformel: |
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T-76-01 | Staatsvertrag + clausula rebus sic stantibus |
"1. Art.1 Abs.e des Schlußprotokolls enthält eine Bestandsgarantie für das Amtsgericht Bad Pyrmont. Die Existenz eines Amtsgerichts in Bad Pyrmont ist jedenfalls über den hier in Frage stehenden Zeitpunkt seiner Auflösung (1974) hinaus garantiert worden. Wenn eine unbeschränkte Bestandsgarantie hinsichtlich der staatlichen Behördenorganisation innerhalb eines Staatsvertrages auch etwas Außergewöhnliches darstellt, so kann sie im Einzelfall doch gewollt sein, wenn sich dies aus besonders gewichtigen Umständen ergibt. So liegen die Dinge hier: Dem Wortlaut nach ist Art.1 Abs.e Satz 1 weder befristet noch in sonstiger Weise beschränkt. Mit diesem Wortlaut wäre eine Auslegung der Klausel nicht vereinbar, die dahin ginge, daß das Amtsgericht Bad Pyrmont nur im Zusammenhang mit der Eingliederung Pyrmonts nach Preußen nicht aufgehoben werden durfte, und es danach lediglich bis zu einer sachlich begründeten Neuordnung, die alle Gerichte in gleicher Weise träfe, zu erhalten sei. Eine solche Auslegung würde auch dem Zweck der Klausel widersprechen: Das Amtsgericht sollte als Ausgleich für die durch die Eingliederung des Landesteils Pyrmont bedingte Einbuße an Gewicht der Stadt Pyrmont erhalten bleiben; die Bedeutung Pyrmonts innerhalb des kleinen Landes war relativ größer als sie nun innerhalb Preußens wurde. Um dieses Ausgleichs willen verzichtete Preußen insoweit sogar auf die ihm durch die vorausgegangenen Staatsverträge eingeräumte und in sein Ermessen gestellte Befugnis zur anderweitigen Organisation der Justizbehörden. Eine zeitliche Einschränkung der Garantie läßt sich auch nicht aus dem Gesamtinhalt des Vertrages herleiten. Im Gegenteil zeigt besonders § 9 Abs. 1 des Staatsvertrages, wonach einer noch zu gründenden Gesellschaft der Nießbrauch am Bade Pyrmont für 60 Jahre übertragen werden sollte, daß die Parteien mit längerfristigen Verpflichtungen, die über das Jahr 1980 hinausgehen, rechneten. Die Existenz so weitgehender ausdrücklicher Verpflichtungen verbietet eine diesen Zeitpunkt unterschreitende Auslegung anderer Vertragsklauseln mit der Begründung, daß die Vertragspartner eine Bindung bis in das Jahr 1974 nicht gewollt haben konnten. | |
2. Eine vertraglich unbeschränkt und vorbehaltlos gegebene Garantie steht jedoch unter dem Vorbehalt der clausula rebus sic stantibus, die ungeschriebener Bestandteil des Bundesverfassungsrechts ist (vgl BVerfGE_34,216 <231>). Ihre Anwendung auf den vorliegenden Fall führt dazu, daß die Aufhebung des Amtsgerichts Bad Pyrmont nicht in Widerspruch mit Art.1 Abs.e des Schlußprotokolls steht. | |
Nach den vom Senat in der Entscheidung zum Coburger Staatsvertrag (BVerfGE_34,216 ff) entwickelten Grundsätzen, an denen festzuhalten ist, findet die clausula rebus sic stantibus Anwendung, "wenn sich die Verhältnisse, die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestanden haben, mittlerweile grundlegend geändert haben und angesichts dieser Veränderung das Festhalten am Vertrag oder an einer Einzelvereinbarung innerhalb des Vertrags für den Verpflichteten unzumutbar geworden ist" (BVerfGE_34,216 <232>). | |
a) Die für die Gerichtsorganisation eines Landes erheblichen Verhältnisse haben sich seit Abschluß des Staatsvertrages grundlegend geändert. Mit dem Ausbau des Rechtsstaates und der fortschreitenden Verrechtlichung aller Lebensbereiche sind die Anforderungen an die Qualität der Rechtsprechung gestiegen. Die richterliche Entscheidung bedarf heute mehr denn je der sachlichen Überzeugungskraft. Zugleich haben die Zahl der Gesetze, die Kompliziertheit der Regelungen und der Umfang der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugenommen. Den unter diesen Umständen heute an eine leistungsfähige Rechtsprechung zu stellenden Anforderungen vermögen kleine Amtsgerichte mit nur ein oder zwei Richterplanstellen schwerlich zu genügen. Die Erhaltung und Steigerung der Qualität der Rechtsprechung verlangt im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit eine weitgehende Spezialisierung des Richters. Spezialisierung setzt eine Arbeitsteilung unter den Richtern eines Gerichts voraus; sie ist nur möglich an einem größeren Amtsgericht mit mehreren Richtern. Hinzu kommt, daß eine den modernen Bedürfnissen entsprechende Ausstattung der Gerichte mit Literatur und erst recht der Einsatz moderner bürotechnischer Hilfsmittel - einschließlich elektronischer Datenverarbeitungsanlagen - wirtschaftlich sinnvoll nur an größeren Gerichten möglich ist. | |
Die Zentralisierung des Gerichtswesens in größeren Gerichtseinheiten wird - heute anders als vor 50 Jahren - ermöglicht und erleichtert durch die Verbesserung der Verkehrs- und Postwege, die Einrichtung eines dichten Fernsprechnetzes und die zunehmende Motorisierung der Bevölkerung; der rechtssuchende Bürger überwindet heute die weiteren Entfernungen zum größeren Gericht leichter und rascher als 1922 den Weg zum ortsnahen Gericht. Schließlich sind die tatsächlichen Verhältnisse auch durch die kommunale Neugliederung teilweise einschneidend verändert worden. Das grundsätzlich anzuerkennende Prinzip der Einräumigkeit der Verwaltung (vgl BVerfGE_34,216 <233>) fordert aber wegen der häufig erforderlichen Zusammenarbeit und des erstrebenswerten Informationsaustausches besonders auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach Möglichkeit eine Anpassung der Bezirke der Gerichte erster Instanz an die Bezirke der Unterstufe der inneren Verwaltung (BVerfGE_34,216 <233 f>). | |
b) Angesichts dieser grundlegenden Veränderungen ist das Festhalten an der Pflicht des Art.1 Abs.e für das Land Niedersachsen auch unzumutbar geworden. Schon eine Ausnahme vom Prinzip der Einräumigkeit der Verwaltung würde - selbst wenn zwei Amtsgerichte innerhalb der Grenzen eines Kreises errichtet würden - auf Grund unterschiedlicher örtlicher Zuständigkeiten und der Dislozierung der Amtssitze die Zusammenarbeit zwischen Amtsgerichten und den verschiedenen Verwaltungsbehörden erschweren. | |
Vor allem aber: Wenn sich das Land Niedersachsen aus schwerwiegenden politischen Erwägungen, denen das Bundesverfassungsgericht nicht mit eigenen politischen Erwägungen entgegentreten kann, entschlossen hat, die kleinen Amtsgerichte mit nur ein oder zwei Richterplanstellen aufzulösen, so ist grundsätzlich auch das Interesse an der vollständigen Durchführung dieses Konzepts anzuerkennen. Ebenso wie die Neugliederung der Staatsverwaltung (BVerfGE_34,216 <234>) verträgt auch eine Neugliederung der Bezirke der erstinstanzlichen Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit vernünftigerweise keine Ausnahme, die erkennbar dem mit der Reform verfolgten Zweck zuwiderläuft. Demgegenüber kann nicht eingewandt werden, daß das Land selbst sein Konzept noch nicht "lupenrein" verwirklicht habe, weil noch Amtsgerichte mit ein oder zwei Richterplanstellen existieren. Das Land hat versichert, daß auch diese Gerichte aufgehoben werden sollen. Es liegt auf der Hand, daß ein umfassendes Reformkonzept nur schrittweise verwirklicht werden kann. Das Land ist auf Grund des Staatsvertrages auch nicht verpflichtet, mit der Auflösung des Amtsgerichts Bad Pyrmont bis zum "letzten Akt" der Reform zuzuwarten und das Amtsgericht Bad Pyrmont als letztes aufzulösen. | |
Eine mit dem Reformkonzept Niedersachsens vereinbare Möglichkeit, das Amtsgericht Bad Pyrmont aufrechtzuerhalten, ist nicht ersichtlich. | |
Die ständige Einrichtung einer Nebenstelle des Amtsgerichts Hameln in Bad Pyrmont, sei es auch nur beschränkt auf einige wenige Rechtsgebiete, steht unter Berücksichtigung der für die Bildung größerer Gerichtseinheiten maßgeblichen Gesichtspunkte der Erhaltung eines kleinen Amtsgerichts gleich, und kommt daher als zumutbare Alternative nicht in Betracht. | |
Die regelmäßige Abhaltung von Gerichtstagen in Bad Pyrmont könnte zwar die mit der Aufhebung des Amtsgerichts für die Bevölkerung von Bad Pyrmont uU verbundenen Schwierigkeiten mildern, stellt aber ebenfalls keine ausreichende Alternative zur Aufhebung des Amtsgerichts dar. | |
Die Verlegung des Amtsgerichts Hameln nach Bad Pyrmont ist ausgeschlossen, weil damit der Sitz des Gerichts an den Rand seines Sprengels verlegt würde, - ein bei den ungünstigen Verkehrsverbindungen gänzlich unzumutbares Ergebnis für die große Mehrheit der Gerichtseingesessenen. | |
Auch die Vergrößerung des Sprengels des Amtsgerichts Bad Pyrmont um die nördlich angrenzenden Teile des Kreises, die Gemeinden Aerzen und Emmertal, kommt nicht in Betracht. Zunächst würde durch die Zuschlagung der Gemeinden Aerzen und Emmertal zum Sprengel des Amtsgerichts Bad Pyrmont noch nicht der vom Land angestrebte Richtwert von 60.000 Einwohnern für jedes Amtsgericht erreicht, da in diesen Gebieten nur je etwa 11.000 Einwohner leben. Die in Frage stehenden Gebiete sind seit je entsprechend den geographischen Verhältnissen raumordnerisch, insbesondere auch verkehrsmäßig eng der Stadt Hameln zugeordnet - sie sind insbesondere dem städtischen Verkehrsnetz angeschlossen -, so daß eine Zuschlagung dieser Gebiete zum Amtsgerichtsbezirk Bad Pyrmont in Widerspruch zur sonstigen Orientierung der dort ansässigen Bevölkerung nach Hameln stünde. Eine Lösung, die zwar den Interessen der Bevölkerung Bad Pyrmonts entgegenkäme, dafür aber zu erheblichen Nachteilen für die benachbarten Bevölkerungsteile führen würde, stellt keine Alternative zur Auflösung des Amtsgerichts dar; der Sinn der staatsvertraglichen Garantie ist die Erhaltung des Amtsgerichts zum Vorteil der Stadt und ihrer Bevölkerung, - aber nicht auf Kosten der Nachbarbevölkerung, dh nicht unter Inkaufnahme ganz erheblicher Nachteile für die fast gleichgroße Zahl von Bürgern zweier angrenzender Gemeinden. | |
In Ermangelung einer sinnvollen Alternative zur Aufhebung des Amtsgerichts Bad Pyrmont ist die Garantie des Art.1 Abs. e des Schlußprotokolls infolge der grundlegenden Änderung der Verhältnisse heute für das Land Niedersachsen unzumutbar geworden. Unter diesen Umständen ist das Land Niedersachsen nicht mehr durch Art.1 Abs.e des Schlußprotokolls gehindert, im Zuge der Neugliederung der Gerichte auch das Amtsgericht Bad Pyrmont aufzulösen. | |
3. Die Rechtsfolge des Eintritts der clausula rebus sic stantibus ist zunächst nicht der Wegfall der vertraglichen Verpflichtung, sondern die Pflicht der Beteiligten, nach einer Anpassung der vertraglichen Vereinbarung an die veränderten Verhältnisse zu suchen. Daraus hat das Bundesverfassungsgericht die Folgerung gezogen, daß der sich auf die clausula rebus sic stantibus Berufende grundsätzlich verpflichtet ist, mit dem aus dem Vertrag Berechtigten in ernsthafte Verhandlungen einzutreten, die die Anpassung der Vereinbarung an die neuen Verhältnisse zum Ziel haben (BVerfGE_34,216 <236 f>). Diese Pflicht hat das Land verletzt. Die Stadt hat sich zwar wiederholt unter Darlegung ihrer Auffassung schriftlich gegen die geplante Aufhebung des Amtsgerichts an die Landesregierung und die Landtagsabgeordneten gewandt, ihre Vertreter wurden auch einmal zu einer Aussprache im Ministerium empfangen, zu keiner Zeit ließ das Land jedoch ernsthaft über die Belassung des Amtsgerichts in Bad Pyrmont, über mögliche Alternativen zur geplanten Aufhebung und über die Folgen einer Aufhebung mit sich reden. Daraus läßt sich indessen hier keine die Auflösung des Gerichts in Frage stellende Folgerung ziehen, weil, wie dargelegt, auch das verfassungsrechtlich geforderte, aber unterbliebene Prozedere zu keinem anderen Ergebnis als der Aufhebung des Amtsgerichts Bad Pyrmont hätte führen können. | |
Ist eine Anpassung an die veränderten Verhältnisse - wie hier - nicht möglich, so kommt zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen den vertraglichen Leistungen und Gegenleistungen nur ein angemessener Ausgleich in Gestalt einer Geldleistung in Betracht, der weder einen Schadensersatz noch eine Entschädigung darstellt (vgl BVerfGE_34,216 <237>). Der Senat hält hier die Zuerkennung eines Ausgleichs in Geld für geboten, weil die staatsvertragliche Bestandsgarantie für das Amtsgericht Bad Pyrmont gerade dem durch die Eingliederung nach Preußen bedingten Bedeutungsverlust, den die Stadt Bad Pyrmont erlitten hat, entgegenwirken sollte. | |
Für die Höhe der Geldleistung waren folgende Gesichtspunkte von Bedeutung: Die Antragstellerin wird durch die Auflösung des Amtsgerichts finanzielle Einbußen hinzunehmen haben. Zum einen werden die bisher am Gericht Beschäftigten ihren Wohnsitz an den neuen Beschäftigungsort verlegen. Zum anderen ist ein Rückgang an Besuchern der Stadt, die bisher zu den Gerichtsterminen angereist sind, zu erwarten. Die Bürger der Stadt müssen nunmehr zur Wahrnehmung ihrer Gerichtstermine nach Hameln reisen. Schließlich verliert die Stadt ihre besondere Bedeutung als "Gerichtsstätte". Der damit verbundene "Verlust an Zentralität" kann nicht nur die weitere Entwicklung der Stadt beeinträchtigen, sondern auch zur Folge haben, daß die Stadt bei zukünftigen, von der Bedeutung der Gemeinde abhängig gemachten Förderungsmaßnahmen des Bundes oder des Landes weniger berücksichtigt wird oder unberücksichtigt bleibt. Darnach erscheint als Ausgleich für den Wegfall der Verpflichtung aus Art.1 Abs.e des Schlußprotokolls eine Geldleistung in Höhe von einer Million Deutsche Mark angemessen. Eine solche Ablösung der vertraglichen Garantie ist andererseits auch unter den gegenwärtigen finanziellen Verhältnissen dem Lande Niedersachsen zumutbar." | |
Auszug aus BVerfG U, 22.09.76, - 2_BvH_1/74 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.41 ff | |
§§§ | |
77.001 | Stadtwerke Hameln |
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Die zu einer Entschädigung verpflichtete öffentliche Hand kann nicht mit der Verfassungsbeschwerde geltend machen, eine Enteignung im Sinne des Art.14 Abs.3 GG habe nicht vorgelegen. | |
LB 2) Die Verfassungsbeschwerde ist nur dann gegeben, wenn die als verletzt bezeichnete Norm des objektiven Verfassungsrechts zugleich ein - im Katalog des Art.93 Abs.1 Nr.4a GG aufgeführtes - subjektives Recht verbürgt. | |
LB 4) Ein Betrieb, der ganz der öffentlichen Aufgabe der gemeindlichen Daseinsvorsorge gewidmet ist und der sich in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung befindet, stellt daher nur eine besondere Erscheinungsform dar, in der öffentliche Verwaltung ausgeübt wird; er ist in der Frage der Grundrechtssubjektivität in dem hier gegebenen Zusammenhang nicht anders zu behandeln als der Verwaltungsträger selbst. | |
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T-77-02 | Verfassungsbeschwerde + subjektive Rechtsverletzung |
"Soweit sich die Beschwerdeführer auf Art.14 GG berufen, fehlt es bei der hier gegebenen Sachlage bereits an einem grundrechtlich geschützten subjektiven Recht, das mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden könnte. | |
Nach Art.93 Abs.1 Nr.4a GG, § 90 BVerfGG kann jedermann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem der dort genannten Rechte verletzt zu sein, Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben. Im Gesamtsystem der verfassungsgerichtlichen Zuständigkeit ist die Verfassungsbeschwerde Ausdruck der besonderen Bedeutung, die das Grundgesetz diesen Rechten für die verfassungsmäßige Ordnung des Gemeinwesens beimißt. Die Zulassung dieses Rechtsbehelfs gegen gerichtliche Urteile dient auch dem Ziel, daß bei der Entscheidung eines konkreten Rechtsstreits nur verfassungsmäßiges Recht zugrunde gelegt wird. In dieser Richtung deckt sich ihre Funktion mit der konkreten Normenkontrolle nach Art.100 Abs.1 GG (BVerfGE_42,42 <49 f>). Die Verfassungsbeschwerde ist nicht nur ein Rechtsbehelf zur Sicherung und Durchsetzung grundgesetzlich garantierter individueller Rechtspositionen, sondern in gleicher Weise ein "spezifisches Rechtsschutzmittel des objektiven Verfassungsrechts" (BVerfGE_33,247 <259>). | |
Diese doppelte Rechtsschutzfunktion kann das Bundesverfassungsgericht aber nicht schlechthin wahrnehmen. Die Verfassungsbeschwerde ist nur dann gegeben, wenn die als verletzt bezeichnete Norm des objektiven Verfassungsrechts zugleich ein - im Katalog des Art.93 Abs.1 Nr.4a aufgeführtes - subjektives Recht verbürgt. Die Rüge, ein subjektives Verfassungsrecht sei verletzt, ist Voraussetzung jeder Verfassungsbeschwerde (BVerfGE_4,205 <210>; BVerfGE_6,445 <448>; BVerfGE_15,298 <301>). Eine Verfassungsbeschwerde, die lediglich die fehlerhafte Anwendung objektiven Verfassungsrechts rügt, ist - unabhängig von allen anderen Zulässigkeitsvoraussetzungen - bereits aus diesem Grund unzulässig. Das Grundgesetz kennt keine Popularklage. ...." | |
"Auch soweit sich die Beschwerdeführer auf die Verletzung der Grundrechte aus Art.2 Abs.1, Art.3 Abs.1 und Art.12 Abs.1 GG berufen, sind die Verfassungsbeschwerden nicht zulässig. | |
1. Zwar gelten die Grundrechte nach Art.19 Abs.3 GG auch für juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt entschieden hat, sind jedoch die Grundrechte und der zu ihrer Verteidigung geschaffene Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde auf juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie öffentliche Aufgaben erfüllen, grundsätzlich nicht anwendbar (BVerfGE_21,362 [ 369 ff | |
Die Ausgangsverfahren der Verfassungsbeschwerden einschließlich der angefochtenen gerichtlichen Entscheidungen betreffen die Beschwerdeführer zu 1 a), 2) und 3) ausschließlich in ihrer spezifischen Funktion als Träger öffentlicher Aufgaben. Gemeinden und Landkreise nehmen als Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts im Bereich der Daseinsvorsorge öffentliche Aufgaben wahr, zu denen auch die Einrichtung der Wasserversorgung gehört (vgl BVerfGE_38,258 <270>). Es kommt nicht darauf an, ob die Wasserversorgung in (verwaltungs-)privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Formen durchgeführt wird, sondern allein darauf, daß die daseinsfürsorgende Leistung ihrer Rechtsnatur nach in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe erbracht wird. Um die Erledigung dieser Aufgabe sicherzustellen, ist den betroffenen Grundstückseigentümern die wasserrechtliche Erlaubnis versagt worden. Bei der deswegen erfolgten Verurteilung der Beschwerdeführer zur Entschädigung handelt es sich mithin um eine Rechtsfolge dieser im hoheitlichen Funktionsbereich liegenden öffentlichen Aufgabe. | |
Einer der Ausnahmefälle, in denen nach der zitierten Rechtsprechung auch einer juristischen Person des öffentlichen Rechts Grundrechtsfähigkeit zuzuerkennen ist (BVerfGE_21,362 <373 f>; BVerfGE_31,314 <322>), liegt nicht vor. Weder handelt es sich um die Verletzung eines sogenannten Verfahrensgrundrechts noch sind die beschwerdeführenden Gebietskörperschaften unmittelbar dem Lebensbereich der Bürger zugeordnet, der durch die als verletzt gerügten Grundrechte geschützt wird. Das letztere setzt voraus, daß es sich - wie bei den Kirchen, Universitäten und Rundfunkanstalten - um eine juristische Person handelt, die den Bürgern zur Verwirklichung ihrer individuellen Grundrechte dienen und als eigenständige, vom Staat unabhängige oder jedenfalls distanzierte Einrichtungen Bestand haben. Davon kann bei den beschwerdeführenden Gebietskörperschaften keine Rede sein. | |
Diese haben bei ihrer Maßnahme zur Sicherung der Wasserversorgung auch nicht individuelle Rechte der hinter ihnen stehenden natürlichen Personen gegenüber der öffentlichen Gewalt verfolgt und stehen dem Staat nicht in der gleichen "grundrechtstypischen Gefährdungslage" gegenüber wie der einzelne Eigentümer. Vielmehr sind sie in Erfüllung einer "staatlichen Aufgabe" tätig geworden. Die Verpflichtung zur Zahlung einer Enteignungsentschädigung ist den Beschwerdeführern auferlegt worden, weil sie die "Nutznießer" der nicht erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis sind. Sie sind - nach der in den angegriffenen Urteilen vertretenen Rechtsauffassung - durch die "Enteignung" begünstigt und haben deshalb einen Wertausgleich durch Entschädigung zu leisten." | |
2. Soweit die Stadtwerke H AG Verfassungsbeschwerde erhoben hat, gilt für sie nichts anderes als für die beschwerdeführenden Gebietskörperschaften. Verneint man deren Grundrechtsfähigkeit, so kann die Beschwerdeführerin zu 1 b) als juristische Person des Privatrechts, deren alleiniger Aktionär eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, sich ebensowenig wie diese auf Individualgrundrechte berufen. Anderenfalls wäre die Frage der Grundrechtsfähigkeit der öffentlichen Hand in nicht geringem Umfang abhängig von den jeweiligen Organisationsformen; es käme darauf an, ob eine Aufgabe der Daseinsvorsorge von ihrem Träger selbst oder von einer dieser gegenüber rechtlich verselbständigten, privatrechtlich organisierten Verwaltungseinheit erfüllt wird. Ein Betrieb, der ganz der öffentlichen Aufgabe der gemeindlichen Daseinsvorsorge gewidmet ist und der sich in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung befindet, stellt daher nur eine besondere Erscheinungsform dar, in der öffentliche Verwaltung ausgeübt wird; er ist in der Frage der Grundrechtssubjektivität in dem hier gegebenen Zusammenhang nicht anders zu behandeln als der Verwaltungsträger selbst." | |
78.001 | Zeugenentschädigung |
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LB 1) Die Zeugenpflicht ist nach deutscher Rechtstradition eine allgemeine Staatsbürgerpflicht, für deren Erfüllung ein Entgelt nicht verlangt werden kann. | |
LB 2) Die Ehefrau, der die Haushaltsführung überlassen ist, erfüllt ihre Verpflichtung durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushalts (§ 1360 Satz 2 BGB) und leistet damit einen der Erwerbstätigkeit des Mannes gleichwertigen Beitrag zur Existenzsicherung der Familie. | |
LB 3) Unter diesem Blickpunkt steht die Hausfrau, die durch die Erfüllung der Zeugenpflicht ihrer -- nur beschränkt nachholbaren -- häuslichen Tätigkeit entzogen wird, dem Erwerbstätigen, der einen Verdienstausfall erleidet, näher, als dem Zeugen, der einen sonstigen -- meist in der Einbuße von Freizeit sich erschöpfenden -- Nachteil hinnehmen muß. Wenn der Gesetzgeber diese Besonderheit in § 2 Abs.3 ZuSEG dadurch berücksichtigt, daß er den Hausfrauen einen höheren Entschädigungssatz zubilligt, so ist das jedenfalls nicht sachfremd und steht mit der vom Grundgesetz in Art.3 Abs.2 GG getroffenen Wertung in Einklang. | |
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Beschuss | Entscheidungsformel: |
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T-78-01 | Zeugenentschädigung + Gleichheitssatz |
"§ 2 Abs.3 ZuSEG ist in dem zur Nachprüfung gestellten Umfang mit dem Grundgesetz vereinbar. | |
Durch diese Vorschrift werden aus der Gruppe derjenigen Personen, die durch ihre Inanspruchnahme als Zeuge keinen Verdienstausfall aber andere Nachteile erleiden, die Hausfrauen begünstigt. Während ihnen eine Entschädigung in Höhe von 6 Deutsche Mark je Stunde zugebilligt wird, erhalten die übrigen Zeugen lediglich eine Entschädigung in Höhe von 2 Deutsche Mark je Stunde. Diese Differenzierung ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar. | |
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts enthält der Gleichheitssatz für den Gesetzgeber die allgemeine Weisung, bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Er ist erst verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt. Der Gesetzgeber hat hiernach weitgehende Gestaltungsfreiheit. Das gilt in noch höherem Maße bei einer rechtsgewährenden Regelung. Der Gesetzgeber besitzt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit größere Gestaltungsfreiheit als innerhalb der Eingriffsverwaltung (BVerfGE_11,50 <60>; BVerfGE_17,210 <216>; BVerfGE_22,100 <103>; BVerfGE_23,258 <264>; BVerfGE_36,230 <235>) und ist in diesem Bereich in weitem Umfang zum Erlaß typisierender und generalisierender Regelungen berechtigt (BVerfGE_26,16 <31>). Das gilt im Grundsatz auch dann, wenn der Gesetzgeber wie hier für Nachteile, die dem Bürger als Folge der Erfüllung allgemeiner staatsbürgerlicher Pflichten entstehen, einen Ausgleich gewährt, zu dem er verfassungsmäßig nicht verpflichtet ist (vgl BVerfGE_29,51 <56>). Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz käme mithin nur in Betracht, wenn sich aus dem Gegenstand der Regelung für die Art der Differenzierung kein sachlich vertretbarer Grund anführen ließe oder wenn der Gesetzgeber die besonderen Wertentscheidungen der Verfassung außer acht gelassen hätte (vgl BVerfGE_12,354 <367>; BVerfGE_17,122 <131>; BVerfGE_17,210 <216 f>; BVerfGE_36,230 <235>). Davon kann nicht die Rede sein. | |
2. Die Zeugenpflicht ist nach deutscher Rechtstradition eine allgemeine Staatsbürgerpflicht, für deren Erfüllung ein Entgelt nicht verlangt werden kann (vgl dazu etwa die Begründung zum Gesetz betreffend die Änderung der Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige vom 10. Juli 1914 -- RGBl. S.214 -- Drucksache Nr.38 <1913> zu den Verhandlungen des Bundesrates des Deutschen Reiches sowie die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften -- BTDrucks.II 2545, S.212 f). Unbeschadet dessen wird jedoch, neben dem für alle Zeugen in den §§ 9-11 ZuSEG vorgesehenen Ersatz der tatsächlich entstandenen Aufwendungen, dem Zeugen, dem ein Verdienstausfall entsteht, darüber hinaus aus Billigkeitsgründen eine -- allerdings der Höhe nach begrenzte (§ 2 Abs.2 Satz 1 und Abs.5 ZuSEG) -- Entschädigung dafür gewährt, daß er seine geldwerte Arbeitsleistung nicht hat erbringen können. | |
Für die Fälle, in denen ein Verdienstausfall nicht entstanden oder nicht konkret nachweisbar ist, bestimmt § 2 Abs.3 ZuSEG wiederum aus Billigkeitsgründen, daß ein Zeuge, der zwar keinen Verdienstausfall aber einen sonstigen Nachteil erleidet, die nach dem geringsten Satz bemessene Entschädigung in Höhe von 2 Deutsche Mark, eine Hausfrau indes eine Entschädigung in Höhe von 6 Deutsche Mark je Stunde erhalten. Auch dabei handelt es sich nicht um einen vollen Ausgleich von Nachteilen, sondern lediglich um die Gewährung einer pauschalierten teilweisen Entschädigung. | |
Zu der Gruppe von Zeugen, die nur eine nach dem geringsten Satz bemessene Entschädigung beanspruchen können, gehörten nach früherem Recht auch die Hausfrauen. Im Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen vom 26.Juli 1957 (BGBl.I S.902) traf der Gesetzgeber erstmals eine Sonderregelung für nicht erwerbstätige Hausfrauen und billigte ihnen eine höhere Entschädigung zu. Er trug damit auch in diesem Bereich einer im Grundgesetz enthaltenen Forderung Rechnung. Wie das Bundesverfassungsgericht bereits in anderem Zusammenhang hervorgehoben hat, ist es eine der wichtigsten Aufgaben des Art.3 Abs.2 GG, der rechtlichen Unterbewertung der Arbeit der Frau in Haushalt und Familie ein Ende zu setzen und ihr eine gerechte Berücksichtigung zu sichern (vgl BVerfGE_17,1 <12 f>). Die Ehefrau, der die Haushaltsführung überlassen ist, erfüllt ihre Verpflichtung durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushalts (§ 1360 Satz 2 BGB) und leistet damit einen der Erwerbstätigkeit des Mannes gleichwertigen Beitrag zur Existenzsicherung der Familie. Unter diesem Blickpunkt steht die Hausfrau, die durch die Erfüllung der Zeugenpflicht ihrer -- nur beschränkt nachholbaren -- häuslichen Tätigkeit entzogen wird, dem Erwerbstätigen, der einen Verdienstausfall erleidet, näher, als dem Zeugen, der einen sonstigen -- meist in der Einbuße von Freizeit sich erschöpfenden -- Nachteil hinnehmen muß. Wenn der Gesetzgeber diese Besonderheit in § 2 Abs.3 ZuSEG dadurch berücksichtigt, daß er den Hausfrauen einen höheren Entschädigungssatz zubilligt, so ist das jedenfalls nicht sachfremd und steht mit der vom Grundgesetz in Art.3 Abs.2 GG getroffenen Wertung in Einklang. | |
Daß der Gesetzgeber sich bei der Entschädigung sonstiger Nachteile für Pauschbeträge entschieden hat, begegnet ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der mit einer weiteren Differenzierung notwendig verbundene Verwaltungsaufwand ließe sich in Anbetracht der relativ geringen Höhe der Entschädigung schwerlich rechtfertigen. | |
Ob die vom Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit gefundene Lösung im einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste ist, hat das Bundesverfassungsgericht nicht zu prüfen." | |
Auszug aus BVerfG B, 10.10.78, - 2_BvL_3/78 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.13 ff | |
§§§ | |
79.001 | Mittelwert |
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1) Dem Kläger fehlt das berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsaktes, wenn eine beim Zivilgericht anhängige Schadensersatz - bzw Entschädigungsklage gegen den Träger öffentlicher Gewalt offensichtlich aussichtslos erscheint. | |
2) Allein mit der Begründung, ein Amtswalterverschulden liege offensichtlich nicht vor, kann ein Feststellungsinteresse noch nicht verneint werden. Es ist vielmehr zu berücksichtigen, daß durch richterliche Rechtsfortbildung der Institute des enteignungs - und aufopferungsgleichen Eingriffs für weite Bereiche eine verschuldensunabhängige Staatsunrechtshaftung entwickelt worden ist. | |
3) Bei der verwaltungsrechtlichen Beurteilung eines Feststellungsinteresses ist die zivilgerichtliche Judikatur zu den Voraussetzungen eines Amtspflichtverstoßes bei Ermessensentscheidungen zugrunde zu legen, nach der willkürliches oder evident ermessensfehlerhaftes Verhalten gegeben sein muß. | |
4) Zu den Sorgfaltspflichten eines Amtsträgers gehört zwar die Beachtung der höchstrichterlichen Judikatur. Der Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme und das Verbot einer schematischen Anwendung der Immissionsrichtwerte der TALärm beim Aufeinandertreffen unterschiedlicher Nutzungsarten bedeuten jedoch noch nicht, daß die behördliche Festlegung eines anderen Wertes als eines solchen Mittelwertes eine schuldhafte Amtspflichtverletzung darstellt. | |
§§§ | |
79.002 | Genehmigungsversagung |
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1) Die Versagung der bauaufsichtlichen Genehmigung für einen zulässigen Anbau kann einen enteignungsgleichen Eingriff in den Gewerbebetrieb bilden, wenn sie zur vorübergehenden Einstellung eines zum Betrieb gehörigen Fleischverkaufs zwingt, den der Betriebsinhaber bei rechtzeitiger Genehmigung ohne Unterbrechung in dem Anbau fortgeführt hätte. | |
2) Beteiligt die Bauaufsichtsbehörde eine Gemeinde am Baugenehmigungsverfahren, weil sie deren Einvernehmen für erforderlich hält, so verletzt die zuständigen Amtsträger der Gemeinde ihre Amtspflicht gegenüber dem Bauwilligen, wenn sie die Erteilung der Baugenehmigung durch eine unberechtigte Verweigerung des für erforderlich gehaltenen Einvernehmens hindern, mag dieses auch nach einer späteren Klärung der Rechtslage nicht erforderlich gewesen sein (Ergänzung BGH, Urt v 29.09.75 - 3_ZR_40/73 - BGHZ_65,182 ). | |
§§§ | |
79.003 | Verpflichtungserklärung |
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1a) Die Verpflichtungserklärung einer Gemeinde, innerhalb bestimmter Frist einen Bebauungsplan aufzustellen, ist nichtig. | |
1b) Der Beamte, der eine solche Verpflichtungserklärung abgibt, hat dem Empfänger der Erklärung gegenüber die Amtspflicht, die Zulässigkeit der Verpflichtungserklärung sorgfältig zu prüfen. | |
1c) Der in § 307 Abs.1 S.2 BGB enthaltene Rechtsgedanke findet auf die Amtshaftung (§ 839 BGB) keine Anwendung. | |
2) Zur Zulässigkeit einer privatrechtlichen Vereinbarung, mit der eine Gemeinde als Verkäuferin von Bauerwartungsland die künftige Nutzbarkeit der Grundstücke als Bauland gewährleistet. | |
§§§ |
Amtshaftung - 2016 | [ ] |
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Haftung + Amtshaftung (RS-Amtshaftung)
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§§§