1979 | ||
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1978 1980 | [ ] |
79.001 | Unterhaltspflichtverletzung | |
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1) Eine Strafrechtsnorm verstößt nicht schon deswegen gegen Art.3 Abs.1 GG, weil einzelne Fälle in gleicher Weise strafwürdigen Verhaltens von ihr nicht erfaßt werden. | ||
§§§ |
79.002 | Ausweisung | |
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Die Ausweisung eines wegen unerlaubten Waffenbesitzes verurteilten Ausländers aus generalpräventiven Gründen ist nicht verfassungswidrig, wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wurde. | ||
§§§ |
79.003 | Rheda-Wiedebrück | |
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Die Bestimmung des Namens einer im Rahmen der kommunalen Neugliederung gebildeten neuen Gemeinde durch den Landesgesetzgeber verletzt nicht die Selbstverwaltungsgarantie des Art.28 Abs.2 Satz 1 GG. | ||
LB 2) Zur Anhörungspflicht der Gemeinde bei Gebietsänderungen. | ||
LB 3) Zu den Voraussetzungen von Eingriffen in die Gebietshoheit der Gemeinde. | ||
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T-79-01 | Namensbestimmung bei Neugliederung | |
"...Die Bestimmung des Namens einer im Rahmen der kommunalen Neugliederung gebildeten neuen Gemeinde durch den Landesgesetzgeber verletzt nicht die Selbstverwaltungsgarantie des Art.28 Abs.2 Satz 1 GG. | ||
a) Den Gemeinden ist durch Art.28 Abs.2 Satz 1 GG sowohl ein grundsätzlich alle örtlichen Angelegenheiten umfassender Aufgabenbereich (Allzuständigkeit) als auch die Befugnis zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte in diesem Bereich (Eigenverantwortlichkeit) zuerkannt (vgl BVerfGE_21,117 <128 f>; BVerfGE_23, 353 <365>; BVerfGE_38, 258 <278>). Angelegenheiten des örtlichen Wirkungskreises sind solche Aufgaben, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder aufs ie einen spezifischen Bezug haben und von ihr eigenverantwortlich und selbständig bewältigt werden können (vgl BVerfGE_8,122 <134>). Bei der Bestimmung dessen, was zum Kernbereich der Selbstverwaltung gehört, ist der geschichtlichen Entwicklungu nd den verschiedenen historischen Erscheinungsformen der Selbstverwaltung Rechnung zu tragen (vgl BVerfGE_7,358 (364); BVerfGE_11,266 (274); BVerfGE_17,172 (182); BVerfGE_22,180 (205); BVerfGE_26,228 <238>). | ||
b) Ein Recht der in eine Neugliederungsmaßnahme des Staates einbezogenen Gemeinde, über den Namen der neugebildeten Gemeinde selbst zu entscheiden, gehört nicht zum verfassungsrechtlich gewährleisteten Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts nach Art.28 Abs.2 Satz 1 GG. Vielmehr ist die Bestimmung des Namens einer neugebildeten Gemeinde auch unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung des deutschen Kommunalrechts (vgl hierzu Suren-Loschelder, Die Deutsche Gemeindeordnung vom 30.Januar 1935, (1940), Band I, § 10, Erl 2) ein gestaltender Organisationsakt des Staates im gemeindlichen Bereich (vgl Stern, Bonner Kommentar, Art.28 (Zweitbearbeitung), Rdnr 140; Köttgen, in Peters (Herausgeber) Handbuch der Kommunalen Wissenschaft und Praxis, (1956), Band I, S.227; Kottenberg-Rehn, Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen (9.Aufl, 1970), § 10, Anm II). Wegen der weittragenden, über den Rahmen der örtlichen Gemeinschaft hinausgehenden Bedeutung des Namens einer neugebildeten Gemeinde im Rechtsverkehr und in Anbetracht des übergeordneBVerfGE 50, 195 (201)BVerfGE 50, 195 (202)ten Interesses an klaren, nicht verwechslungsfähigen und leicht gebräuchlichen Bezeichnungenk ann sich der Staat die letzte Entscheidung über den Namen einer neu entstandenen Gebietskörperschaft vorbehalten. Unter dem Blickpunkt der Selbstverwaltungsgarantie des Art.28 Abs.2 S atz 1 GG ist es dabei unerheblich, welches Verfassungsorgan des Staates - Gesetzgeber oder Regierung - über den Namen der neugebildeten Gemeinde entscheidet. Der Landesgesetzgeber durfte mithin auch in einem späteren und spezielleren Neugliederungsgesetz von der zuvor in § 10 Abs. 1 Satz 2 GO NW getroffenen generellen Regelung abweichen und die Namensbestimmung für eine neugebildete Gemeinde an sich ziehen. ..." | ||
2. Die an der Neugliederung beteiligten Gemeinden sind im Gesetzgebungsverfahren anzuhören; dies ist hier in ausreichendem Umfang geschehen. | ||
a) Bestandsänderungen und Gebietsänderungen von Gemeinden sind nur nach vorheriger Anhörung der betroffenen Gebietskörperschaften zulässig. Zum historisch gewachsenen Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gehört, daß Gemeinden in Wahrung ihrer von der Verfassung geforderten Rechtsstellung Gelegenheit erhalten, zu einem sie betreffenden Neugliederungsvorhaben des Staates Stellung zu nehmen; sie dürfen bei der Neugliederung nicht zum bloßen Objekt staatlichen Handelns werden. Eine dem öffentlichen Wohl entsprechende Entscheidung des Gesetzgebers über die kommunale Neugliederung eines Gebietes setzt im übrigen auch regelmäßig die Abwägung der verschiedenen, oft gegenläufigen Interessen voraus. Diese Abwägung kann sachgerecht nicht ohne Beteiligung der Betroffenen erfolgen. Durch sie erhält der Gesetzgeber zumeist erst die erforderliche umfassende und zuverlässige Kenntnis von allen erheblichen Umständen. Das in allen Gemeindeordnungen der Länder verankerte Recht der Gemeinden auf Anhörung bei Eingriffen des Staates in den Gebietsbestand ist also nicht nur Inhalt der Selbstverwaltungsgarantie, sondern zugleich Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips (vgl Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, DVBl_69,799 (807); Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen, OVGE_26,286 (288 f); 26,306 (311 f); 30,306 (307); Staatsgerichtshof Baden-Württemberg, ESVGH_23,1 (18 ff); NJW_75,1205 (1213 f); Hoppe-Rengeling, Rechtsschutz bei der kommunalen Gebietsreform, (1973), S.147 ff). | ||
b) Die von einem Neugliederungsvorhaben betroffene Gemeinde muß bei der verfassungsrechtlich gebotenen Anhörung zwar nicht von allen Einzelheiten, wohl aber vom wesentlichen Inhalt des Neugliederungsplanes und seiner Begründung Kenntnis erhalten. Wird das Vorhaben bis zu seiner endgültigen Festlegung in diesen wesentlichen Punkten geändert, so muß die Gemeinde neuerlich angehört werden (vgl Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen, OVGE_26,286 (289); 30,306 (307); Staatsgerichtshof Baden-Württemberg, ESVGH_23,1 (20); DÖV_75,500 <501>). | ||
c) Ob auch der Name einer neugebildeten Gemeinde zum wesentlichen Inhalt des Neugliederungsvorhabens gehört, so daß sich das von Art.28 Abs.2 Satz 1 GG gewährleistete Anhörungsrecht der Gemeinden hierauf erstreckt (vgl in diesem Sinne Saarländischer Verfassungsgerichtshof, NJW 1974, 1995 zu Art.122, 123, 127 der Verfassung des Saarlandes), bedarf hier keiner Entscheidung. Im Gesetzentwurf der Landesregierung war als Name der neuen Gemeinde "Wiedenbrück-Rheda" vorgesehen. Hierzu wurden alle beteiligten Gemeinden gehört. Im weiteren Verlauf der Gesetzesberatungen ist lediglich die Reihenfolge der Bestandteile des Doppelnamens vertauscht worden. Dies allein stellt jedenfalls keine wesentliche Änderung des Neugliederungsvorhaben dar. Schon aus diesem Grunde war es nicht geboten, die beteiligten Gemeinden zur Namensgebung wiederum anzuhören. | ||
3. Eingriffe des Staates in die gemeindliche Gebietshoheit durch Auflösung von Gemeinden, Gemeindezusammenschlüsse, Eingemeindungen und sonstige Gebietsänderungen sind in Anbetracht der Selbstverwaltungsgarantie des Art.28 Abs.2 Satz 1 GG nur aus Gründen des öffentlichen Wohl zulässig (vgl BVerfGE_50,50, mit weiteren Nachweisen). | ||
Es sind keine verfassungsrechtlichen relevanten Anhaltspunkte dafür dargetan oder ersichtlich, daß das Neugliederungsgesetz vom 4. Dezember 1969 im ganzen oder der Zusammenschluß von Wiedenbrück mit Rheda und anderen Gemeinden zu einer neuen Gemeinde im besonderen nicht aus Gründen des öffentlichen Wohl gerechtfertigt wäre. Auch mit der Namensbestimmung hat der Gesetzgebers die vom Grundgesetz gezogenen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nicht überschritten. Die Namensgebung ist insbesondere nicht willkürlich. Der Gesetzgeber hat hier ausnahmsweise einen Doppelnamen für zweckmäßig gehalten, damit der Name der neuen Gemeinde der Bedeutung der beiden zusammengeschlossenen Städte gerecht werde (LTDrucks 6/1342, S.130, Nr.9). Dies läßt sich von Verfassungs wegen nicht beanstanden. Aus welchen Gründen anstelle des ursprünglich vorgesehenen Namens "Wiedenbrück-Rheda" schließlich der Name "Rheda-Wiedenbrück" festgelegt worden ist, bedarf keiner Prüfung. Auch der Name "Rheda-Wiedenbrück" für die neugebildete Gemeinde ist nicht sachwidrig, offensichtlich verfehlt oder sonst willkürlich, zumal beide Städte vor dem Zusammenschluß etwa gleich groß waren (vgl LTDrucks 6/1342, S.122, Nr.2). Selbst wenn für die Umstellung besondere Rücksichten auf died en Zusammenschluß mit Wiedenbrück ablehnende frühere Stadt Rheda und ihre Bürgen oder die Notwendigkeit, zum Zwecke parlamentarischer M ehrheitsbildung Kompromisse zu schließen, maßgebend gewesen sein sollten, so ergäben sich allein daraus keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen, OVGE_28,307 <308 f>; Staatsgerichtshof Baden-Württemberg, NJW_75,1205 <1213>)." | ||
Auszug aus BVerfG B, 17.01.79, - 2_BvL_6/76 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.14 | ||
§§§ |
79.004 | Bagatelldelikte | |
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LB 1) Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, die Regelung des Diebstahls geringwertiger Sachen aus dem Strafrecht herauszunehmen und etwa in das Ordnungswidrigkeitenrecht zu verlagern. | ||
LB 2) Es verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Prinzip schuldangemessenen Strafens, daß das Gesetz die Begehung von Diebstählen geringwertiger Sachen wahlweise mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren und mit Geldstrafe bedroht. | ||
* * * | ||
Beschuss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
79.005 | Gerichtspresse | |
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LB: Wäre es dem Richter gestattet, die Entfernung eines Pressevertreters aus dem Sitzungszimmer (§ 177 GVG) mit dem Hinweis auf die -- frühere oder künftige -- Berichterstattung des von ihm repräsentierten Presseorgans zu begründen, so könnte er mittels der ihm eingeräumten sitzungspolizeilichen Befugnisse Pressevertreter für die Art ihrer Berufsausübung nach Belieben "belohnen" und "bestrafen", künftiger Berichterstattung steuern und damit letztlich Einfluß auf Erscheinen und Inhalt von Presseveröffentlichungen gewinnen. Das wäre mit Art 5 Abs 1 Satz 2 GG unvereinbar. | ||
* * * | ||
Beschuss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
79.006 | Mitbestimmung | |
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Die erweiterte Mitbestimmung der Arbeitnehmer nach dem Mitbestimmungsgesetz vom 04. Mai 1976 ist mit den Grundrechten der von dem Gesetz erfaßten Gesellschaften, der Anteilseigner und der Koalitionen der Arbeitgeber vereinbar. | ||
§§§ |
79.007 | Rentenversicherung im Ausland | |
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Die sozialrechtliche Regelung, nach der Ausländern im Ausland ihre Rente nicht ausgezahlt wird und die dem Berechtigten auch keinen Anspruch auf eine angemessene Erstattung der Beiträge einräumt, ist mit GG Art.3 Abs.1 unvereinbar. | ||
LB 2) Zur abweichenden Meinung des Richters Dr Katzenstein, siehe BVerfGE_51,31 = www.dfr/BVerfGE, Abs.101 ff. | ||
LB 3) Zur abweichenden Meinung des Richters Dr Faller und der Richterin Dr Niemeyer, siehe BVerfGE_51,37 = www.dfr/BVerfGE, Abs.118 ff. | ||
§§§ |
79.008 | Bay Personalvertretungsrecht | |
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1) § 108 Abs.2 BPersVG verwehrt es dem Landesgesetzgeber nicht, eine Mitwirkung der Personalvertretung an Kündigungen durch den Arbeitgeber nicht vorzusehen. | ||
2) Der Kreis der Angelegenheiten, in denen die Personalvertretung zu beteiligen ist, sowie Inhalt und Umfang der Beteiligungsrechte für bestimmte Angelegenheiten sind bundesrechtlich nicht verbindlich festgelegt. Dem Landesgesetzgeber ist auch die Entwicklung anderer Formen der Beteiligung, als sie im Bundesgesetz vorgesehen sind, freigestellt. | ||
3) Dem Gesetzgeber ist weder durch das Sozialstaatsprinzip des Art.20 Abs.1 GG noch durch die Grundrechte vorgeschrieben, wie er die Beteiligung der Personalvertretung an innerdienstlichen, sozialen und personellen Angelegenheiten der Beschäftigten im einzelnen auszugestalten hat. | ||
4) Es entbehrt nicht der sachlichen Rechtfertigung und ist nicht willkürlich, wenn dem Personalrat bei der Entscheidung der Frage, ob ein vorwiegend wissenschaftlich tätiger Beschäftigter entlassen oder weiterbeschäftigt werden soll, kein formalisiertes Anhörungsrecht und Mitspracherecht eingeräumt wird. | ||
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Beschuss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
79.009 | Personalrat | |
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1) Die Personalvertretungen werden zur Wahrung der Rechte und Interessen aller in der Dienststelle Beschäftigten, aber nicht zur Unterstützung der spezifischen Ziele der Koalitionen tätig. Die Wahrnehmung des Personalratsamts iS von § 39 Abs.1 BremPersVG durch das Mitglied einer Gewerkschaft ist keine durch Art.9 Abs.3 GG geschützte Betätigung für seine Koalition (im Anschluß an BVerfGE_28,314 ). | ||
2) § 25 Abs.1 BremPersVG gewährleistet für die Abwahl einzelner Personalratsmitglieder weder den Gruppenschutz noch den im Grundsatz der Verhältniswahl verankerten Minderheitenschutz. | ||
3) Muß ein Mitglied der Personalvertretung gewärtigen, daß es während der laufenden Wahlperiode jederzeit ohne besonderen Grund abberufen werden kann, so kann es seine Aufgabe nicht unabhängig und mit der gebotenen Objektivität und Neutralität erfüllen. | ||
4) Nach dem geltenden Bundesrahmenrecht kann ein einzelnes Personalratsmitglied während der laufenden Wahlperiode nur wegen grober Pflichtverletzung oder wegen grober Vernachlässigung seiner gesetzlichen Befugnisse und nur aufgrund einer Entscheidung eines Gerichts aus dem Personalrat entfernt werden. | ||
§§§ |
79.010 | Zwangsvollstreckung I | |
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Auch bei der Zwangsvollstreckung gemäß ZPO § 758 erfordert GG Art.13 Abs.2, außer bei Gefahr im Verzuge, eine - besondere - richterliche Anordnung für die Durchsuchung der Wohnung des Schuldners zum Zwecke der Pfändung beweglicher Sachen. | ||
§§§ |
79.011 | Ausbildungskapazität | |
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1) Die Zulässigkeit von Verfassungsbeschwerden, die sich gegen Beschwerdeentscheidungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren richten, kann nach dem Grundsatz der Subsidiarität unter Berücksichtigung der Eigenart des Verfahrensgegenstandes zu verneinen sein. | ||
2) a) In Verfahren, welche die mangelnde Nutzung von Ausbildungskapazitäten an Hochschulen zum Gegenstand haben, sind die im vorläufigen Verfahren erfolglos gebliebenen Studienbewerber in der Regel gehalten, vor Anrufung des Bundesverfassungsgerichts das verwaltungsgerichtliche Verfahren in der Hauptsache durchzuführen. | ||
* * * | ||
T-79-02 | Zur doppelten Funktion der Verfassungsbeschwerde | |
"Der Verfassungsbeschwerde kommt nach ständiger Rechtsprechung eine doppelte Funktion zu (vgl insbesondere BVerfGE_33,247 <258 f>). Sie wird einmal dem Staatsbürger zur Verteidigung seiner individuellen Grundrechte und grundrechtsähnlichen Rechte eingeräumt und dient zum anderen der Auslegung und Fortbildung des objektiven Verfassungsrechts. Verfahrensrechtlich ist sie als außerordentlicher Rechtsbehelf ausgestaltet, der nur unter wesentlich engeren Voraussetzungen zulässig ist als die allgemeinen Rechtsmittel des einfachen Rechts. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß das Verfassungsbeschwerde-Verfahren wie kaum ein anderes der Gefahr eines Mißbrauchs oder übermäßigen Gebrauchs ausgesetzt ist, der die Funktionsfähigkeit des Gerichts als eines mit weitreichenden Zuständigkeiten ausgestatteten Verfassungsorgans angesichts seiner begrenzten, gesetzlich festgelegten personellen Kapazität ernsthaft beeinträchtigen würde. Dieser Gefahr wirkt insbesondere der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegen, der in zahlreichen Entscheidungen immer deutlicher herausgearbeitet worden ist (vgl etwa BVerfGE_1,97 <103>; BVerfGE_8,222 <225 f; 227>; BVerfGE_14,260 <263>; BVerfGE_22,287 <290 f>; BVerfGE_42,243 <248 ff>; BVerfGE_49,252). Nach diesen Grundsatz muß die Verfassungsbeschwerde erforderlich sein, um eine Grundrechtsverletzung auszuräumen; dies ist nicht der Fall, wenn eine anderweitige Möglichkeit besteht, die Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder ohne Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts im praktischen Ergebnis dasselbe zu erreichen (BVerfGE_33,247 <258>) Als eine solche anderweitige Möglichkeit kann das Verfahren in der Hauptsache in Betracht kommen, wenn das vorläufige Eilverfahren nicht zum Erfolg geführt hat. | ||
2. Die Durchführung des verwaltungsgerichtlichen Hauptverfahrens vor Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts erscheint jedenfalls in Kapazitätsüberprüfungsverfahren im Hinblick auf deren Besonderheiten in der Regel zumutbar." (Abs.19) | ||
Auszug aus BVerfG B, 03.04.79, - 1_BvR_1460/78 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.18 f | ||
§§§ |
79.012 | Benzinbleigesetz | |
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1) Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen, soweit sie gegen §§ 2, 4, 5 VO über die Auszeichnung der Qualitäten von Ottokraftstoffen und die Bekanntgabe der Anforderungen an Ottokraftstoffe (BenzinqualitätsangabeVO vom 16.01.76, BGBl_I,135) gerichtet ist. | ||
2) BzAngabVO ist mit Art.12 Abs.1 GG insoweit unvereinbar, als die Vorschrift keine Auszeichnungsform für solche Ottokraftstoffe vorsieht, die den Vorschriften des Benzinbleigesetzes vom 25.11.75, BGBl_I,2919 , entsprechen, jedoch die Mindestanforderungen an DIN 51600 hinsichtlich Klopffestigkeit, Dichte, Siedeverlauf und Siedeendpunkt nicht erfüllen. | ||
3) In dem unter Nr.2 bezeichneten Umfang wird das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art.12 Abs.1 GG verletzt. | ||
4) Im übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen. | ||
§§§ |
79.013 | Schloßberg | |
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1) Die Vorschrift des § 10 Abs.1 Satz 1 Nr.1 in Verbindung mit Abs.3 des Weingesetzes über die Eintragung von Lagenamen in die Weinbergsrolle ist eine nach Art.12 Abs.1 Satz 2 GG zulässige Berufsausübungsregelung. | ||
2) Die Möglichkeit der Verwendung geographischer Herkunftsangaben für Lagenamen nach Maßgabe des Weingesetzes 1930 war kein durch Art.14 Abs.1 Satz 1 GG geschütztes Recht. | ||
3) Das schutzfähige Warenzeichen ist eine durch Art.14 Abs.1 Satz 1 GG gewährleistete Rechtsposition. | ||
§§§ |
79.014 | 5%-Sperrklausel III | |
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LB: Die 5vH-Sperrklausel des § 2 Abs.6 EuWG ist mit dem Grundgesetz vereinbar, weil sie an dem durch besondere, zwingende Gründe gerechtfertigten Ziel, einer übermäßigen Parteienzersplitterung im Europäischen Parlament entgegenzuwirken, orientiert ist und das Maß des zur Erreichung dieses Zieles Erforderlichen nicht überschreitet. | ||
§§§ |
79.015 | Kleingarten | |
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1) Zur Abgrenzung der Regelungen, die Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art.14 Abs.1 Satz 2 GG bestimmen, von der Enteignung nach Art.14 Abs.3 GG. | ||
2) Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung von Regelungen im Sinne des Art.14 Abs.1 Satz 2 sind Änderungen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen. | ||
3) Der weitgehende Ausschluß der Kündigungsbefugnis privater Verpächter von Kleingartenland ist im Rahmen des Regelungssystems des geltenden Kleingartenrechts (Ausschluß befristeter Verträge, Preisbindung) mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren. | ||
4) Der im Kleingartenrecht angeordnete Vorbehalt behördlicher Genehmigung für die Kündigung von Kleingartenpachtverträgen entspricht nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen des Grundgesetz | ||
§§§ |
79.016 | Verhandlungsfähigkeit | |
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Zur Frage der verfassungsrechtlichen Grenzen für die Durchführung der Hauptverhandlung im Hinblick auf die Verhandlungsfähigkeit eines kranken Angeklagten. | ||
§§§ |
79.017 | Auflösungsgesetz | |
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Zur Frage, ob einzelne Professoren der Universität des Saarlandes durch eine gesetzliche Regelung in Grundrechten betroffen sein können, welche die bisher an der Pädagogischen Hochschule des Saarlandes tätigen Professoren nach Auflösung dieser Wissenschaftlichen Hochschule im Wege der "Fach-zu-Fach-Zuordnung" in die Universität überleitet. | ||
§§§ |
79.018 | Vertretungsverbot | |
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Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Gericht einen Rechtsanwalt, der dem Rat einer Gemeinde angehört, als Prozeßbevollmächtigten zurückweist, weil der gegen das Vertretungsverbot in § 24 Abs.1 Satz 2 der Gemeideordnung für das Land Nordrhein-Westfalen verstößt (Ergänzung zu BVerfGE_41,231 ff). | ||
LB 2) Zur abweichenden Meinung des Richters Dr Rottmann, siehe BVerfGE_52,58 ff. | ||
LB 2) Zur abweichenden Meinung des Richters Hirsch, siehe BVerfGE_52,63 ff. | ||
§§§ |
79.019 | Ausweisung II | |
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1) Die Ausweisung eines wegen einer Straftat verurteilten Ausländers, der mit einer deutschen Frau verheiratet ist und mit ihr ein eheliches Kind hat, ist aufgrund generalpräventiver Ermessenserwägungen nur dann zulässig, wenn die Straftat besonders schwer wiegt. | ||
2) Bei der Entscheidung über die Ausweisung eines solchen Ausländers kommt der Möglichkeit, die Wirkung der Ausweisung zu befristen, besondere Bedeutung zu. | ||
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T-79-03 | Abschiebung mit Deutschen verheirateter Ausländer | |
"1. Gegen die Vorschrift des § 10 Abs.1 Nr.2 AuslG, der die Ausweisung eines wegen einer Straftat verurteilten Ausländers zuläßt, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Da die Ausweisung in das pflichtgemäße Ermessen der Ausländerbehörde gestellt ist, verbleibt im Einzelfall genügend Raum, vorrangigem Verfassungsrecht, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Rechnung zu tragen (BVerfGE_50,166 <174> mwN). Bei verheirateten Ausländern sind die Auswirkungen des Art.6 Abs.1 GG entsprechend zu beachten. | ||
2. Art.6 Abs.1 GG enthält sowohl ein klassisches Grundrecht auf Schutz vor Eingriffen des Staates wie eine Institutsgarantie als auch eine wertentscheidende Grundsatznorm für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts und gilt auch für Ausländer (BVerfGE_31,58 <67>). Zwar schützt Art.6 Abs.1 GG den ausländischen Ehepartner eines deutschen Staatsangehörigen nicht schlechthin vor Abschiebung (BVerfGE_35,382 <408>); das Interesse des deutschen Ehepartners daran, seine Ehe als eine Lebensgemeinschaft gleichberechtigter Partner im Bundesgebiet fortzusetzen, ist aber bei jeder Ermessensentscheidung über die Ausweisung eines Ausländers von Amts wegen zu berücksichtigen (BVerfGE_19,394 <397>; BVerfGE_35,382 <408>). | ||
Da es grundsätzlich allein den Ehepartnern zusteht, selbstverantwortlich und frei von staatlicher Einflußnahme den räumlichen und sozialen Mittelpunkt ihres gemeinsamen Lebens zu bestimmen, verdient die freie Entscheidung beider Eheleute, gemeinsam im Bundesgebiet zu leben, besonderen staatlichen Schutz, falls einer der Ehepartner die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Verurteilungen wegen strafbarer Handlungen vermögen grundsätzlich noch keine eine Ehe gefährdende Ausweisung zu rechtfertigen. Besteht jedoch Wiederholungsgefahr oder soll die Ausweisung der Abschreckung anderer Ausländer dienen, dann ist abzuwägen, ob dennoch der weitere Aufenthalt des Ausländers hingenommen oder ob dem deutschen Ehepartner zugemutet werden kann, sich entweder von seinem Ehegatten zu trennen oder ihm zu folgen und damit seine Heimat aufzugeben. | ||
Bei generalpräventiv motivierten Ausweisungen muß im Blick auf Art.6 Abs.1 GG von einem grundsätzlichen Übergewicht des verfassungsrechtlich abgesicherten Interesses am Erhalt der Ehe mit einem deutschen Staatsbürger gegenüber dem Abschreckungsinteresse ausgegangen werden. Nur wenn die Straftat besonders schwer wiegt und deshalb ein dringendes Bedürfnis dafür besteht, sie über die strafrechtliche Sanktion hinaus zum Anlaß für eine Ausweisung zu nehmen, um andere Ausländer von der Begehung von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuschrecken, kann die staatliche Schutzpflicht zugunsten des Fortbestands der Ehe eines deutschen Staatsangehörigen zurückstehen. Dabei ist davon auszugehen, daß Rauschgiftdelikte zu den gefährlichen und schwer zu bekämpfenden Delikten gehören. | ||
Da Art.6 Abs.1 GG nicht nur die Ehe, sondern die Familie mit Kindern als geschlossenen Lebensbereich erfaßt (BVerfGE_18,97 <105 f>), ist der Staat verpflichtet, die Einheit und Selbstverantwortlichkeit der Familie zu respektieren und zu fördern (BVerfGE_10,59 <83 ff>; BVerfGE_17,38 <50>; BVerfGE_24,119 <135>). Art.6 Abs.2 GG garantiert das Elternrecht im Interesse des Kindeswohls (BVerfGE_24,119 <144>; BVerfGE_37,217 <252>) und schützt die freie Entscheidung der Eltern, wie sie ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen, vor staatlichen Eingriffen (BVerfGE_31,194 <204 f | ||
3. Bei der Entscheidung über die Ausweisung eines Ausländers mit deutschem Ehepartner kommt der Vorschrift des § 15 Abs.1 AuslG besondere Bedeutung zu; denn sie ermöglicht es der Ausländerbehörde, die Wirkung der Ausweisung und damit das Verbot der Erteilung einer neuen Aufenthaltserlaubnis nach pflichtgemäßem Ermessen zu befristen. Der Gesetzgeber hat mit dieser Bestimmung ein geeignetes rechtsstaatliches Mittel geschaffen, die einschneidenden Folgen einer Ausweisung für die persönliche Lebensführung des Ausländers einzuschränken und bei generalpräventiven Überlegungen zu verhindern, daß sich die ausländerrechtliche Maßnahme der Ausweisung im Verhältnis zu der beabsichtigten Abschreckung anderer Ausländer als nicht adäquater Eingriff erweist. Die mit einem nur zeitweiligen Verlassen der Bundesrepublik verbundenen sozialen und wirtschaftlichen Nachteile können noch beträchtlich sein, sind aber im Blick auf das Gebot der Verhältnismäßigkeit des Mittels eher erträglich und zumutbar als die Folgen einer unbefristeten Ausweisung. Die Ausländerbehörde kann danach dem öffentlichen Interesse an der Ausweisung eines straffällig gewordenen und verurteilten Ausländers mit einer zeitlich abgestuften Reaktion gerecht werden, die gleichzeitig seinen privaten Belangen hinreichend Rechnung trägt. (Abs.36) | ||
4. Eine am Verhältnismäßigkeitsprinzip ausgerichtete Entscheidung über die Zulässigkeit einer generalpräventiv motivierten Ausweisung und über deren Befristung setzt neben der Beachtung des Schutzbereichs des Art.6 Abs.1 und 2 GG bei einem Ausländer mit deutschem Ehegatten und deutschem Kind ferner voraus, daß die Ausländerbehörde die Umstände der Straftat und die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen von Amts wegen sorgfältig ermittelt und eingehend würdigt. Ohne die Kenntnis von Einzelheiten der Tatbegehung und der familiären und beruflichen Situation können in der Regel die Auswirkungen der Ausweisung auf die erwähnten verfassungsrechtlich geschützten Individualinteressen nicht hinreichend sicher festgestellt und in einer einzelfallbezogenen Abwägung den die Ausweisung verlangenden Interessen der Allgemeinheit gegenübergestellt werden. Im Regelfall ist deshalb vor der Entscheidung über die Ausweisung die Einsicht in die Strafakten ebenso unerläßlich wie die Feststellung der Familien-, Arbeits- und Wohnverhältnisse des Betroffenen. Läßt sich mit Rücksicht auf den Ausweisungszweck nicht sogleich beurteilen, ob eine Befristung angebracht ist, hat die Ausländerbehörde erforderlichenfalls im nachhinein die Frage einer Befristung und Verkürzung der Frist zu prüfen und dazu die Entwicklung der persönlichen Verhältnisse des Ausgewiesenen und seiner Familie zu verfolgen. Eine formularmäßige Entscheidung über die Ausweisung eines Ausländers ohne Würdigung des konkreten Sachverhalts könnte einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhalten. Das schließt die vom Bundesverwaltungsgericht aufgezeigte Verpflichtung der Ausländerbehörde ein, selbst nach Rechtskraft der Ausweisungsverfügung gegebenenfalls erneut zu überprüfen, ob bei Veränderung maßgebender Umstände die Aufrechterhaltung einer - wenn auch befristeten -Ausweisungsverfügung gegen Art.6 Abs.1 GG verstößt." | ||
Auszug aus BVerfG B, 18.07.79, - 1_BvR_650/77 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.31 ff | ||
§§§ |
79.020 | 2.Parteispenden-Urteil | |
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Zur steuerlichen Berücksichtigung von Beiträgen und Spenden an politische Parteien. | ||
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Urteil | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
79.021 | Schleswig-Holsteinische Ämter | |
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Gemeindeverbände im Sinne von Art.2 Abs.2 der Landessatzung für Schleswig-Holstein sind nur die zur Erfüllung von Selbstverwaltungsaufgaben gebildeten Gebietskörperschaften und diesen nach Umfang und Gewicht der von ihnen wahrzunehmenden Selbstverwaltungsaufgaben vergleichbare kommunale Zusammenschlüsse. | ||
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T-79-04 | Zum Begriff Gebietskörperschaft | |
"b) Gebietskörperschaften sind solche Körperschaften des öffentlichen Rechts, bei denen sich die Mitgliedschaft aus dem Wohnsitz im Gebiet der Körperschaft ergibt und die mit Gebietshoheit ausgestattet sind. Sie werden von allen Bewohnern eines abgegrenzten Teiles des Staatsgebietes getragen. Die Mitgliedschaft wird durch den Wohnsitz - evtl in Verbindung mit dessen Dauer und der Staatsangehörigkeit - begründet. Jedermann, der sich auf ihrem Gebiet aufhält, wird der Herrschaftsgewalt der Körperschaft unterworfen. Wesentlich ist mithin das unmittelbare Verhältnis, welches zwischen Personen, Fläche und hoheitlicher Gewalt besteht (vgl OVG Lüneburg, aaO, S.487 <494>). Die wohl überwiegende Meinung hält die zumindest subsidiäre Allzuständigkeit (Universalität des Wirkungskreises) für ein konstituierendes Merkmal der Gebietskörperschaften (vgl zB Gönnenwein, Gemeinderecht, 1963, S.45f; E Becker, Die Selbstverwaltung als verfassungsrechtliche Grundlage der kommunalen Ordnung in Bund und Ländern; in: Handbuch der Kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd.I S 113 <124>; Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd.1: Verfassungsrecht, 2.Auflage, 1975, S.45; Galette-Scheliha, Kommentar zur Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein, in: Praxis der Gemeindeverwaltung, Anm.3c zu § 1 GO; anders Wolff-Bachof, aaO, § 84 III d 1, jeweils mit weiteren Nachweisen). Andere lassen es genügen, wenn die Summe der Einzelzuständigkeiten zur effektiven Universalität neigt (vgl zB Wagener, Gemeindeverbände, in: HdSW, Bd.4, 1965, S.319; Hoppe, Die Begriffe Gebietskörperschaft und Gemeindeverband und der Rechtscharakter der nordrhein-westfälischen Landschaftsverbände, in: Verwaltung und Wirtschaft, Heft 21, S 22 ff). Zum Teil wird auch eine unmittelbare Volksvertretung als konstituierendes Merkmal der Gebietskörperschaft angesehen (vgl OVG Lüneburg, aaO, S.494). | ||
Wird eine öffentlich-rechtliche Körperschaft dagegen nicht von den einzelnen Bewohnern eines Gebietes getragen, sondern von juristischen Personen und erstreckt sich die Zuständigkeit ihrer Organe unmittelbar nur auf die juristischen Personen, so spricht man von einer Bundkörperschaft (Einzelheiten bei Wolff-Bachof, aaO, § 84 III d 4; von Unruh, Gemeinderecht, in: Besonderes Verwaltungsrecht, herausgegeben von Münch, 4.Auflage, 1976, S.85, OVG Lüneburg, aaO, S.495). | ||
Anders bei den Gebietskörperschaften bildet die Fläche als Gebiet kein konstituierendes Element zur Begründung der Mitgliedschaft. Sie dient nur der räumlichen Begrenzung." | ||
Auszug aus BVerfG U, 24.07.79, - 2_BvK_1/78 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.73 f | ||
§§§ |
79.022 | Arzthaftungsprozess | |
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LB 2) Zur abweichenden Meinung der Richter Hirsch, Niebler und Steinberger, siehe BVerfGE_52,171 ff = www.dfr/BVerfGE, Abs.111 ff. | ||
§§§ |
79.023 | "Vielleicht"-Beschluss | |
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1) Im Verfahren nach Art.100 Abs.1 GG ist eine Prüfung, ob der Anwendung von Vorschriften des EWG-Vertrags Normen oder Grundsätze des Grundgesetzes entgegenstehen, nur statthaft, wenn insoweit das deutsche Zustimmungsgesetz zum Vertrag Prüfungsgegenstand ist. | ||
2) Art.100 Abs.1 GG, §§ 80 ff BVerfGG verleihen dem Bundesverfassungsgericht nicht eine Gerichtsbarkeit darüber, Normen des primären Gemeinschaftsrechts in Widerspruch zu dem Inhalt, den der Europäische Gerichtshof diesen Normen in einer Vorabentscheidung desselben Ausgangsverfahrens beigemessen hat, für den Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland als anwendbar festzustellen. | ||
§§§ |
79.024 | Fristgebundener Schriftsatz | |
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Es ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, wenn ein Gericht den Eingang eines fristgebundenen Schriftsatzes in einem Zivilprozeß deshalb als verspätet ansieht, weil der rechtzeitig in die Verfügungsgewalt des Gerichts gelangte Schriftsatz nicht innerhalb der Frist von dem zu seiner Entgegennahme zuständigen Bediensteten der Geschäftsstelle amtlich in Empfang genommen worden sei. | ||
§§§ |
79.025 | Schulgebet | |
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1) Es ist den Ländern im Rahmen der durch Art.7 Abs.1 GG gewährleisteten Schulhoheit freigestellt, ob sie in nicht bekenntnisfreien Gemeinschaftsschulen ein freiwilliges überkonfessionelles Schulgebet außerhalb des Religionsunterrichts zulassen. | ||
2) Das Schulgebet ist grundsätzlich auch dann verfassungsrechtliche unbedenklich, wenn ein Schüler oder dessen Eltern der Abhaltung des Gebets widersprechen; deren Grundrecht auf negative Bekenntnisfreiheit wird nicht verletzt, wenn sie frei und ohne Zwänge über die Teilnahme am Gebet entscheiden können. | ||
3) Die bei Beachtung des Toleranzgebots regelmäßig vorauszusetzende Freiwilligkeit ist ausnahmsweise nicht gesichert, wenn der Schüler nach den Umständen des Einzelfalls der Teilnahme nicht in zumutbarer Weise ausweichen kann. | ||
§§§ |
79.026 | Tendenzbetrieb | |
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1) Das Grundrecht der Pressefreiheit verwehrt dem Staat eine unmittelbare Einflußnahme auf die Tendenz von Presseerzeugnissen; er darf auch nicht durch rechtliche Einflüssen unterwerfen oder öffnen, die mit dem durch Art.5 Abs.1 Satz 2 GG begründeten Postulat unvereinbar wären, der Freiheit der Presse Rechnung zu tragen. | ||
2) Dies gilt auch für Regelungen des Tendenzschutzes, die das Verhältnis zwischen dem Verleger und dem Betriebsrat eines Tendenzbetriebs zum Gegenstand haben. | ||
3) Es ist mit Art.5 Abs.1 Satz 2 GG vereinbar, § 118 Abs.1 Satz 1 BetrVG dahin auszulegen, daß diese Vorschrift bei der Kündigung eines Tendenzträgers die Pflicht zur vorherigen Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs.1 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes nicht ausschließe und dem Betriebsrat auch tendenzbedingte Kündigungsgründe mitzuteilen seien, daß der Betriebsrat jedoch Einwendungen auf soziale Gesichtspunkte beschränken müsse. | ||
§§§ |
79.027 | Mutterschutz | |
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Mit Art.6 Abs.4 GG ist es unvereinbar, den besonderen Kündigungsschutz des § 9 Abs.1 des Mutterschutzgesetzes Arbeitnehmerinnen zu entziehen, die im Zeitpunkt der Kündigung schwanger sind, ihren Arbeitgeber hierüber unverschuldet nicht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 9 Abs.1 Satz 1 des Mutterschutzgesetzes unterrichten, dies aber unverzüglich nachholen. | ||
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Beschuss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
79.028 | Hausarbeitstag | |
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Mit Art.3 Abs.2 GG ist es unvereinbar, wenn alleinstehenden Frauen mit eigenem Hausstand, nicht aber Männern in gleicher Lage ein Anspruch auf Hausarbeitstag gewährt wird. | ||
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Beschuss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
79.029 | Schulbücher | |
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LB 1) Eine Kommanditgesellschaft ist im Verfahren der Verfassungsbeschwerde parteifähig. Sie kann als solche unter ihrer Firma Verfassungsbeschwerde erheben (vgl BVerfGE_4,7 <12>). | ||
LB 2) Entsprechend Art.19 Abs.3 GG steht ihr das Grundrecht des Art.12 Abs.1 GG zu. Ihre hauptsächlich auf den Handel mit Schulbüchern gerichtete Erwerbstätigkeit kann ihrer Eigenart nach in gleicher Weise von einer personenrechtlichen Handelsgesellschaft wie von einer natürlichen Person ausgeübt werden (vgl BVerfGE_21,261 <266>). | ||
LB 3) Die Bestimmungen über die Nachlaßgestaltung bei öffentlichen Aufträgen über Schulbücher schränken die freie, Erwerbszwecken dienende Tätigkeit der Beschwerdeführer ein. Eine zulässige Regelung der Berufsausübung auf Grund eines Gesetzes gemäß Art.12 Abs.1 Satz 2 GG enthalten sie nicht, da sie mangels gesetzlicher Ermächtigung nichtig sind. | ||
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Beschuss | Entscheidungsformel: | |
§§§ |
79.030 | Mühlheim-Kärlich |
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1) Werden erstinstanzliche Beschwerdeentscheidungen über die sofortige Vollziehung atomrechtlicher Errichtungsgenehmigungen wegen Verletzung des Grundrechts aus Art.2 Abs.2 GG mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen, läßt sich die gegenwärtige und unmittelbare Betroffenheit des Grundrechtsträgers nicht deshalb verneinen, weil Gefahren für Leben und Gesundheit erst vom Betrieb eines Kernkraftwerks, aber noch nicht von vorherigen baulichen Maßnahmen ausgehen können. | |
2) Auch unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität sind derartige Verfassungsbeschwerden jedenfalls dann zulässig, wenn die Entscheidung von keiner weiteren tatsächlichen Aufklärung abhängt und wenn diejenigen Voraussetzungen vorliegen, unter denen gemäß § 90 Abs.2 BVerfGG vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung abgesehen werden kann. | |
3) Die friedliche Nutzung der Atomenergie ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Zur Grundsatzentscheidung für oder gegen diese Nutzung ist der Gesetzgeber berufen. | |
4) Der aus Art.2 Abs.2 GG folgenden Pflicht, Maßnahmen zum Schutz gegen die Gefahren der friedlichen Nutzung der Atomenergie zu treffen, ist der Staat durch den Erlaß materiellrechtlicher und verfahrensrechtlicher Vorschriften für die Genehmigung von Kernkraftwerken nachgekommen. | |
5) Zur verfassungsrechtlichen Beurteilung der materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Vorschriften für die Genehmigung von Kernkraftwerken und von wesentlichen Änderungen solcher Anlagen. | |
6) Eine Grundrechtsverletzung kommt auch dann in Betracht, wenn die Genehmigungsbehörde solche atomrechtlichen Verfahrensvorschriften außer acht läßt, die der Staat in Erfüllung seiner aus Art.2 Abs.2 GG folgenden Schutzpflicht erlassen hat. | |
LB 7) Zur abweichenden Meinung der Richter Dr Simon und Prof Dr Heußner, siehe BVerfGE_53,69 ff = www.dfr/BVerfGE, Abs.74 ff. | |
§§§ |
[ 1978 ] | RS-BVerfG - 1979 | [ 1980 ] [ ] |
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