BVerwG | 2007 (1) | 1-30 |
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07.001 Stellenausschreibungen |
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BVerwG, B, 09.01.07, - 6_P_6/06 -
(NW) PersVG_§_72, PersVG_§_73
Mitwirkung des Personalrats bei Stellenausschreibungen / künstlerisches Personal am Theater
1) Das Mitwirkungsrecht des Personalrats bei Stellenausschreibungen gilt auch für Beschäftigte an Theatern, die nach dem Bühnennormalvertrag beschäftigt werden.
2) Dieses Mitwirkungsrecht erstreckt sich auch auf die Entscheidung des Dienststellenleiters darüber, ob Stellen dienststellenintern auszuschreiben sind.
§§§
07.002 Zurückhaltungsgebot |
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BVerwG, U, 09.01.07, - 2_WD_20/05 -
WDO_§_38 Abs.1, WDO_§_91 Abs.1, WDO_§_108 Abs.3; StPO_§_327; StGB_§_2 Abs.1; GG_Art.103 Abs.2; SG_§_10 Abs.6, SG_§_12
Beschränkte Berufung / Teilrechtskraft / Ehrverletzung / Menschenwürdeverstoß / Zurückhaltungsgebot / Verfahrenseinstellung / milderes Gesetz / Regelungslücke / maßgeblicher Zeitpunkt / Höchstmaßnahme
1) Bei einer auf die Maßnahmebemessung beschränkten Berufung ist der Wehrdienstsenat an die Tat- und Schuldfeststellungen des Truppendienstgerichts sowie die von diesem vorgenommene rechtliche Würdigung des angeschuldigten Fehlverhaltens des Soldaten unabhängig davon gebunden, ob diese in jeder Hinsicht rechtsfehlerfrei sind (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung).
2) Die verfassungskonforme Pflicht jedes Offiziers nach § 10 Abs. 6 SG, innerhalb und außerhalb seines Dienstes bei seinen Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzter zu erhalten, wird unabhängig davon verletzt, ob die betreffende Äußerung im Rahmen eines inhaltlichen Meinungsstreits oder durch völlig unsachliche, ehrverletzende oder gar die Würde des Untergebenen missachtende Formulierungen ohne Bezug auf einen inhaltlichen Meinungsstreit erfolgt (Änderung der bisherigen Rechtsprechung).
3) Die Regelung des § 2 Abs. 1 StGB, wonach sich die Strafe und ihre Nebenfolgen nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt, bestimmen, ist im Wehrdisziplinarrecht entsprechend anzuwenden.
4) Ist das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung des Gerichts geändert worden, ist nach der im Wehrdisziplinarrecht ebenfalls entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 2 Abs. 3 StGB das „mildeste Gesetz“ anzuwenden. Das ist diejenige Vorschrift, die im konkreten Einzelfall die dem Täter günstigste Beurteilung zulässt.
5) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob ein Soldat durch sein Dienstvergehen bei der gebotenen objektiven Betrachtung das Vertrauen des Dienstherrn in seine persönliche Integrität und Zuverlässigkeit und damit eine zentrale Grundlage des Dienstverhältnisses in besonders grobem Maße erschüttert oder ganz zerstört hat, ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die gebotene gerichtliche Disziplinarmaßnahme.
§§§
07.003 Vorlage der Behördenakten |
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BVerwG, B, 09.01.07, - 20_F_1/06 -
VwGO_§_99; TKG_§_138 Abs.1, TKG_§_150 Abs.14;
Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7.März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie)
Richtlinie des Rates vom 28.Juni 1990 zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Einführung eines offenen Netzzugangs (Open Network Provision ONP) (90/387/EWG)
Verwaltungsrechtsstreit wegen der Genehmigung des Entgelts für Netzzugang / Vorlage der Behördenakten im / Entscheidung der obersten Aufsichtsbehörde nach § 99 Abs.1 Satz 2 VwGO / Vorgaben des Gemeinschaftsrechts / kein Ermessen der Aufsichtsbehörde für Vorlageentscheidung
1) § 99 Abs.1 Satz 2 VwGO ist in seiner Anwendung auf Rechtsstreitigkeiten gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde, von denen Nutzer oder Anbieter elektronischer Kommunikationsnetze und/oder dienste betroffen sind, aufgrund Europäischen Gemeinschaftsrechts dahin auszulegen, dass die Behörde die Vorlage der für die gerichtliche Sachverhaltsaufklärung benötigten Akten nicht wegen eines darin enthaltenen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses verweigern darf.
2) § 138 TKG sieht bei gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung ein „in camera“-Verfahren vor, das sich über den Zwischenstreit wegen der Aktenvorlage hinaus auf den Rechtsstreit in der Hauptsache selbst erstreckt.
§§§
07.004 Berufsbezeichnung im Wahlvorschlag |
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BVerwG, B, 10.01.07, - 6_PB_18/06 -
(Bl) PersVG_§_22; PersVG-WO_§_7 Abs.2
Berufsbezeichnung im Wahlvorschlag / Prüfung durch den Wahlvorstand / Wahlanfechtung
1) Die Angabe „Personalabteilung“ als Berufsbezeichnung in einem Wahlvorschlag für einen Mitarbeiter der Personalabteilung in leitender Funktion verstößt gegen § 7 Abs.2 Satz 2 WO BlnPersVG.
2) Unbeanstandet gebliebene Verstöße eines Wahlvorschlages gegen § 7 Abs. 2 Satz 2 WO BlnPersVG berechtigen zur Wahlanfechtung, wenn der Wahlvorstand sie kannte oder bei gebotener Sorgfalt leicht hätte erkennen können.
§§§
07.005 Privatschulfreiheit |
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BVerwG, B, 10.01.07, - 6_BN_3/06 -
GG_Art.7 Abs.1, GG_Art.7 Abs.4 S.1
Schule / berufsbildende Schule / Berufsfachschule / Privatschule / Ersatzschule / Übergangsregelung / Übergangsfrist / Normenkontrolle / Rechtsverordnung / Abwägungsergebnis / Abwägungsvorgang
1) Für die Gültigkeit untergesetzlicher Normen ist das Ergebnis des Rechtssetzungsaktes maßgeblich; der Abwägungsvorgang wird nur bei einer besonders ausgestalteten Bindung des Normgebers an gesetzlich formulierte Abwägungsdirektiven geprüft (wie stRspr).
2) Die Privatschulfreiheit (Art.7 Abs.4 Satz 1 GG) bewirkt keine Beschränkung der dem Staat zustehenden allgemeinen Schulorganisationsgewalt. Der Staat kann aus dem öffentlichen Schulwesen einen Ausbildungszweig auch dann ausgliedern, wenn sich ihm bisher Privatschulen gewidmet haben. Gegen mittelbare Auswirkungen, die von Eingriffen in das staatliche Schulwesen ausgehen, schützt die Privatschulfreiheit nicht (im Anschluss an BVerfGE 37,314).
§§§
07.006 Belehrung |
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BVerwG, B, 11.01.07, - 1_WB_57/02 -
WBO_§_17 Abs.6; SBG_§_23 Abs,1 S.1 Nr.1, SBG_§_23 Abs,1 S.2; SBG_§_52 Abs.1
Anhörung / Personalrat / Beteiligungsorgan / Belehrung
Der Schutzzweck des § 23 Abs.1 Satz 2 Soldatenbeteiligungsgesetz gebietet es, den von einer Personalmaßnahme im Sinne des Satzes 1 dieser Vorschrift betroffenen Soldaten über das Beteiligungsorgan zu belehren, dessen Beteiligung in seinem konkreten Einzelfall beantragt werden kann.
§§§
07.007 Bundesstraßenverlegung |
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BVerwG, B, 16.01.07, - 9_B_14/06 -
FStrG_§_1 Abs.1, FStrG_§_5 Abs.4, FStrG_§_17 Abs.6c S.1; FStrAbG_§_1 Abs.2; EKrG_§_2 Abs.1; GG_Art.2 Abs.2, GG_Art.14 Abs.1, GG_Art.14 Abs.3, GG_Art.19 Abs.4; VwVfG_§_74 Abs.2 S.2, VwVfG_§_74 Abs.2 S.3
Bundesstraße / Ortsdurchfahrt / weiträumiger Verkehr / Planrechtfertigung / gesetzliche Bedarfsfeststellung / Bedarfsplan / Kreuzung / Bahnübergang / Bahnüberführung / Drittschutz / Schutznorm / grundrechtliche Schutzpflicht / mittelbar Betroffener / Abwägung / Saldierung / Abwägungskontrolle / fremde Belange / Alternativenprüfung
1) Die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Bedarfsfeststellung für das Vorhaben, ein Teilstück einer Bundesstraße zu verlegen, wird nicht ohne Weiteres dadurch in Frage gestellt, dass der Anteil des weiträumigen Verkehrs an der Gesamtbelastung des verlegten Teilstücks gering sein wird; dies gilt insbesondere bei einer Trassenführung in innerstädtischen oder stadtnahen Lagen.
2) § 2 Abs.1 EKrG entfaltet drittschützende Wirkung zugunsten des künftigen Benutzers einer neu herzustellenden Kreuzung zwischen einer Bundesstraße und einer Bahnstrecke auch dann nicht, wenn dieser aufgrund einer engen räumlichen Beziehung in gesteigertem Maß auf die Benutzung der Kreuzung angewiesen sein wird.
3) Abwägungsfehler zu Lasten fremder (öffentlicher oder privater) Belange sind auf die Klage eines nur mittelbar Planbetroffenen bei der gerichtlichen Abwägungskontrolle auch nicht saldierend in der Weise zu berücksichtigen, dass sie das Gewicht der für die Planung streitenden Belange relativieren.
§§§
07.008 Beeidigung von Dolmetschern |
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BVerwG, U, 16.01.07, - 6_C_15/06 -
EGGVG_§_23 ff; GG_Art.12 Abs.1; GVG_§_189 Abs.2; VwVfG_§_48; ZPO_§_142 Abs.3
Allgemeine Beeidigung / allgemeine Verwaltungsvorschrift / Berufsregelung / Dolmetscher / Ermächtigung / Gesetzesvorbehalt / Justizverwaltungsakt / Übersetzer / Rücknahme
Die berufsrechtlichen Voraussetzungen für die allgemeine Beeidigung von Dolmetschern und die Ermächtigung von Übersetzern müssen durch Rechtsnorm geregelt werden; eine allgemeine Verwaltungsvorschrift genügt nicht.
§§§
07.009 Verwaltungsgemeinschaft |
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BVerwG, B, 17.01.07, - 9_B_21/06 -
GG_Art._28 Abs.2; (SA) GO_§_77 Abs.2 S.1; StrG_§_9; KAG_§_6 Abs.1 S.1
Gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie / Selbstverwaltungsaufgaben / Pflichtaufgaben des eigenen Wirkungskreises / Allzuständigkeit der Gemeinde / Bildung einer Verwaltungsgemeinschaft / zwangsweise Zuordnung / gesetzlicher Aufgabenverlust / Verwaltungsvereinbarung / freiwillige Aufgabenübertragung / Straßenbaulast; Satzungsbefugnis / Abgabenhoheit / Straßenausbaubeitrag
Die Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) wird in Abgrenzung zu einem gesetzlichen Aufgabenverlust aufgrund der zwangsweisen Zuordnung einer Gemeinde zu einer Verwaltungsgemeinschaft von vornherein nicht berührt, wenn eine Gemeinde freiwillig Selbstverwaltungsaufgaben (hier: die Straßenbaulast und die daran anknüpfende Satzungsbefugnis für Straßenausbaubeiträge) im Rahmen einer Verwaltungsvereinbarung auf eine Verwaltungsgemeinschaft zur Erfüllung im eigenen Namen überträgt (wie BVerfGE 107, 1 <17 ff.>).
§§§
07.010 Rücknahme eines bestandskräftigen rechtswidrigen VA |
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BVerwG, U, 17.01.07, - 6_C_32/06 -
VwKostG_§_21 Abs.1; VwVfG_§_48 Abs.1 S.1, VwVfG_§_51 Abs.1, VwVfG_§_51 Abs.5; Lizenzierungsrichtlinie 97/13/EG Art.11 Abs.1
Telekommunikation / Lizenzgebühren / Bestandskraft des Gebührenbescheides / Rücknahme des Gebührenbescheides / Rücknahme bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit / Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Gebührenbescheides / gemeinschaftsrechtlicher Anspruch auf Rücknahme eines gemeinschaftsrechtswidrigen Bescheides
Nach § 51 Abs.5 iVm § 48 Abs.1 Satz 1 VwVfG kann ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen rechtswidrigen Verwaltungsakts bestehen, wenn zum Zeitpunkt seines Ergehens an dem Verstoß gegen formelles oder materielles Recht vernünftigerweise kein Zweifel bestand und sich deshalb die Rechtswidrigkeit aufdrängte.
§§§
07.011 Naturschutzrechtliche Abwägung |
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BVerwG, U, 17.01.07, - 9_C_1/06 -
BNatSchG_§_11 S.1, BNatSchG_§_19 Abs.3 S.1, BNatSchG_§_19 Abs.4, BNatSchG_§_71 Abs.1; (aF) BNatSchG_§_4 S.1, BNatSchG_§_8 Abs.3; (aF) GG_Art.75; NNatG_§_11; VwVfG_§_75 Abs.1a S.2; (aF) FStrG_§_17 Abs.6c S.2; BauGB_§_214 Abs.4; (aF) BauGB_§_215a Abs.1
Straßenplanung / Planfeststellung / Planfeststellungsergänzungsbeschluss / ergänzendes Verfahren / Fehlerheilung / Planerhaltung / rahmenrechtliche Maßstabsnorm / Anpassungsfrist / rahmenrechtliches Vakuum / naturschutzrechtliche Eingriffsregelung / Folgenbewältigungssystem / Integritätsinteresse / Ausgleichsinteresse / Ausgleichsdefizit / naturschutzrechtliche Abwägung / bipolare Abwägung / fachplanerische Abwägung / planerische Gestaltungsfreiheit / Abwägungsspielraum / Einschätzungsprärogative / Gewichtung und vergleichende Bewertung / nachvollziehende Abwägung / Normtatbestand / Abwägungskontrolle / Kontrolldichte
1) Mängel der spezifisch naturschutzrechtlichen Abwägung (§ 19 Abs.3 Satz 1 BNatSchG bzw § 8 Abs.3 BNatSchG aF), die nicht die Planung als Ganzes von vornherein in Frage stellen, können in zumindest entsprechender Anwendung des § 75 Abs.1a Satz 2 VwVfG in einem ergänzenden Verfahren geheilt werden (im Anschluss an Urteil vom 27.Oktober 2000 BVerwG 4 A 18.99 BVerwGE 112,140 zu § 17 Abs.6c Satz 2 FStrG aF).
2) Wird eine Vorschrift des Bundesrahmenrechts geändert, so wirkt deren alte Fassung trotz ihres Außerkrafttretens während der Anpassungsfrist (Art.75 Abs.3 GG aF) in der Weise nach, dass das noch nicht angepasste Landesrecht an ihren Vorgaben zu messen ist.
3) Vollzieht sich die naturschutzrechtliche Abwägung im Rahmen einer durch planerische Gestaltungsfreiheit geprägten Planfeststellung, so verfügt die Zulassungsbehörde über eine fachliche Einschätzungsprärogative bei der Ermittlung der Größenordnung des Ausgleichsdefizits und über Spielräume bei der Gewichtung und vergleichenden Bewertung der abzuwägenden Belange. Die Maßstäbe der gerichtlichen Überprüfung dieser Abwägung entsprechen in ihrer Grundstruktur denen, die für die Kontrolle der fachplanerischen Abwägung gelten.
§§§
07.012 Westumfahrung Halle |
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BVerwG, U, 17.01.07, - 9_A_20/05 -
BNatSchG_§_11, BNatSchG_§_19, BNatSchG_§_34, BNatSchG_§_42 Abs.1, BNatSchG_§_43 Abs.4 S.1, BNatSchG_§_61 Abs.2 Nr.1; FStrG_§_17 Abs.1 S.2, (aF) FStrG_§_17 Abs.6c S.2; FStrAbG_§_1 Abs.2; GG_Art.20 Abs.3; EGV_Art.5 Abs.3, EGV_Art.10, EGV_174 Abs.2 S.2, EGV_Art.249 Abs.3; EUV_Art.6 Abs.1; RL 92/43/EWG (FFH-RL) Art.1, 4, 6, 7, 10, 12, 13, 16 RL 79/409/EWG (VRL) Art.5, 9; (SA) NatSchG_§_3 Abs.3 S.2 Nr.4, NatSchG_§_19 Abs.2 Nr.2, NatSchG_§_44 Abs.4 S.1, NatSchG_§_44a, NatSchG_§_45
Straßenplanung / Planfeststellung / Westumfahrung Halle / anerkannter Naturschutzverein / Verbandsklage / Fehlerheilung / ergänzendes Verfahren / Planrechtfertigung / Naturschutzbelange / europäisches Naturschutzrecht / strenges Schutzregime / FFH-Gebietsschutz / Vogelschutz / Vorprüfung / FFH-Verträglichkeitsprüfung / Fehlerquellen / erhebliche Beeinträchtigungen / günstiger Erhaltungszustand / Stabilität eines Ökosystems / Reaktions- und Belastungsschwellen / Bagatellschwellen / Standardisierung / Verweisung auf außerrechtliche Maßstäbe / Normenklarheit / Rechtsstaatsgebot / Vorsorgeprinzip / Beweisregel / Nullrisiko / beste einschlägige wissenschaftliche Erkenntnisse / Erkenntnislücken / Methodenunsicherheit / Prognoserisiken / Risikoanalyse und -bewertung / Dokumentationspflicht / Risikomanagement / Umweltbaubegleitung / Monitoring / Schutz- und Kompensationsmaßnahmen / Grünbrücke / Erhaltungsziele / Gebietsmeldung / Abweichungsentscheidung / Verhältnismäßigkeitsgrundsatz / Abweichungsgründe / Vorrang des Verkehrsbedarfs / prioritäre Lebensraumtypen / Stellungnahme der EG-Kommission / Alternativlosigkeit der Trassenwahl / Kohärenzsicherungsmaßnahmen / Artenschutz / naturschutzrechtliche Eingriffsregelung / Naturschutz in der fachplanerischen Abwägung
1) § 1 Abs.2 FStrAbG schließt es grundsätzlich aus, die gesetzliche Bedarfsplanung für den Bundesfernstraßenbau unter dem Blickwinkel fachlich zu überprüfen, ob eine andere Verkehrsprognose vorzugswürdig sein könnte.
2) Wird im nationalen Recht die Zulassungsschwelle der FFH-Verträglichkeits¬prüfung (Art.6 Abs.3 Satz 2 FFH-RL) unter Rückgriff auf die Prüfschwelle der Vorprüfung (Art.6 Abs.3 Satz 1 FFH-RL) mit dem Begriff der „erheblichen Beeinträchtigung“ definiert, ist dies gemeinschaftsrechtlich nicht zu beanstanden. Grundsätzlich ist jede Beeinträchtigung von Erhaltungszielen erheblich und muss als „Beeinträchtigung des Gebiets als solchen“ gewertet werden.
3) Mit Blick auf die Erhaltungsziele des FFH-Gebiets stellt allein der günstige Erhaltungszustand der geschützten Lebensräume und Arten ein geeignetes Bewertungskriterium dar, wenn die vorrangig naturschutzfachliche Fragestellung zu beantworten ist, ob ein Straßenbauvorhaben das Gebiet erheblich beeinträchtigt. Zu prüfen ist, ob sicher ist, dass ein günstiger Erhaltungszustand trotz Durchführung des Vorhabens stabil bleiben wird.
4) Für einen günstigen Erhaltungszustand von Lebensräumen und von Arten spielen unterschiedliche naturschutzfachliche Kriterien eine Rolle. Dementsprechend können für geschützte Arten andere Reaktions- und Belastungsschwellen als für geschützte Lebensraumtypen abgeleitet werden. Offen bleibt, ob und ggf. in welchem Umfang ein direkter Flächenverlust, den ein Straßenbauvorhaben für ein Biotop zur Folge hat, unter Berufung auf Bagatellschwellen gerechtfertigt werden kann.
5) Wenn durch Schutz- und Kompensationsmaßnahmen gewährleistet ist, dass ein günstiger Erhaltungszustand der geschützten Lebensraumtypen und Arten stabil bleibt, bewegen sich die nachteiligen Wirkungen des Vorhabens unterhalb der Erheblichkeitsschwelle. Das Schutzkonzept erlaubt dann die Zulassung des Vorhabens.
6) Notwendiger Bestandteil des Schutzkonzepts kann insbesondere bei wissenschaftlicher Unsicherheit über die Wirksamkeit von Schutz- und Kompensationsmaßnahmen die Anordnung von Beobachtungsmaßnahmen sein (sog. Monitoring). Um in diesem Fall ein wirksames Risikomanagement zu gewährleisten, müssen begleitend Korrektur- und Vorsorgemaßnahmen für den Fall angeordnet werden, dass die Beobachtung nachträglich einen Fehlschlag der positiven Prognose anzeigt. Derartige Korrektur- und Vorsorgemaßnahmen müssen geeignet sein, Risiken für die Erhaltungsziele wirksam auszuräumen.
7) Fortbestehende vernünftige Zweifel an der Wirksamkeit des Schutzkonzepts stehen einer Zulassung des Vorhabens entgegen. Die FFH-Verträg¬lichkeitsprüfung kann ebenso wenig mit einem positiven Ergebnis abgeschlossen werden, wenn ein durch das Vorhaben verursachter ökologischer Schaden durch das Schutzkonzept nur abgemildert würde. Die dann allenfalls konfliktmindernden Vorkehrungen sind nur als Kohärenzsicherungsmaßnahmen zu berücksichtigen, falls eine Abweichungsentscheidung getroffen werden soll (Art. 6 Abs. 4 FFH-RL).
8) Art.6 Abs.3 FFH-RL konkretisiert das gemeinschaftsrechtliche Vorsorgeprinzip (Art.174 Abs.2 Satz 2 EG) für den Gebietsschutz im Rahmen des Europäischen ökologischen Netzes „Natura 2000“. Das Vorsorgeprinzip verlangt nicht, die FFH-Verträglichkeitsprüfung auf ein „Nullrisiko“ auszurichten. Rein theoretische Besorgnisse scheiden als Grundlage für die Annahme erheblicher Beeinträchtigungen aus, die dem Vorhaben entgegengehalten werden können.
9) In Ansehung des Vorsorgegrundsatzes ist die objektive Wahrscheinlichkeit oder die Gefahr erheblicher Beeinträchtigungen im Grundsatz nicht anders einzustufen als die Gewissheit eines Schadens. Wenn bei einem Vorhaben aufgrund der Vorprüfung ernsthaft die Besorgnis nachteiliger Auswirkungen entstanden ist, kann dieser Verdacht nur durch eine schlüssige naturschutzfachliche Argumentation ausgeräumt werden, mit der ein Gegenbeweis geführt wird.
10) Ein Gegenbeweis im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung setzt die Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse voraus und macht die Ausschöpfung aller wissenschaftlichen Mittel und Quellen erforderlich. Dies bedeutet nicht, dass Forschungsaufträge zu vergeben sind, um Erkenntnislücken und methodische Unsicherheiten der Wissenschaft zu beheben.
11) Derzeit nicht ausräumbare wissenschaftliche Unsicherheiten über Wirkungszusammenhänge sind dann kein unüberwindbares Zulassungshindernis, wenn das Schutzkonzept ein wirksames Risikomanagement entwickelt hat. Außerdem ist es zulässig, mit Prognosewahrscheinlichkeiten und Schätzungen zu arbeiten.
12) Art.6 Abs.3 FFH-RL beinhaltet nicht nur einen materiellrechtlichen Prüfungsmaßstab, sondern ist auch eine Vorgabe für das behördliche Zulassungsverfahren. Kern des angeordneten Verfahrens ist die Einholung fachlichen Rats der Wissenschaft bei einer Risikoanalyse, prognose und bewertung.
13) Um den Beleg dafür zu liefern, dass der beste wissenschaftliche Standard erreicht worden ist, sind die im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung gewonnenen fachwissenschaftlichen Erkenntnisse grundsätzlich zu dokumentieren. Lücken oder sonstige Mängel der Dokumentation sind spätestens durch die Dokumentation entsprechender Ergänzungen und Korrekturen in der Zulassungsentscheidung zu beseitigen. Dies schließt ergänzenden Vortrag der Planfeststellungsbehörde im gerichtlichen Verfahren zur Erläuterung der getroffenen Entscheidung und ihrer Grundlagen sowie in diesem Rahmen zur Erwiderung auf Einwände nicht aus.
14) Die Erhaltungsziele sind, solange ein FFH-Gebiet nicht nach dem einschlägigen Landesnaturschutzrecht zu einem Schutzgebiet erklärt worden ist, der Gebietsmeldung zu entnehmen. Neben Festlegungen zur Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der dort vorkommenden Lebensräume und Arten nach den Anhängen I und II der FFH-RL können in der Gebietsmeldung die für einen geschützten Lebensraumtyp charakteristischen Brutvogelvorkommen als Erhaltungsziel definiert werden, und zwar auch außerhalb eines Vogelschutzgebietes (Abgrenzung zum Urteil vom 16. März 2006 BVerwG 4 A 1075.04 BVerwGE 125, 116 <309 ff.>). Lebensraumtypen und Arten, die in der Gebietsmeldung nicht genannt sind, können dagegen kein Erhaltungsziel des Gebiets darstellen.
15) Sind bei einer straßenrechtlichen Planfeststellung nicht zu sämtlichen sich konkret abzeichnenden Risiken, die das Vorhaben für Erhaltungsziele des Gebiets auslöst, die besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse abgerufen, dokumentiert und berücksichtigt worden, schlagen derartige Mängel notwendig auf eine Abweichungsentscheidung durch.
16) Art.6 Abs.4 FFH-RL ist eine Ausprägung des gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (Art.5 Abs.3 EG). Wenn sich in dem Gebiet prioritäre Lebensraumtypen oder Arten befinden, ist es nach Einholung einer Stellungnahme der EG-Kommission (Art.6 Abs.4 Unterabs.2 FFH-RL) nicht für eine Abweichungsentscheidung gesperrt, die auf andere als die in Art.6 Abs.4 Unterabs.2 FFH-RL besonders benannten Abweichungsgründe gestützt wird.
17) Um ein Vorhaben zuzulassen, das ein FFH-Gebiet einschließlich einzelner prioritärer Lebensraumtypen beeinträchtigt, müssen damit ähnlich gewichtige Gemeinwohlbelange verfolgt werden, wie sie der Richtliniengeber in Art.6 Abs.4 Unterabs.2 FFH-RL als Anwendungsbeispiele ausdrücklich benannt hat.
18) In der Abweichungsentscheidung muss das Gewicht der für das Vorhaben streitenden Gemeinwohlbelange auf der Grundlage der Gegebenheiten des Einzelfalls nachvollziehbar bewertet und mit den gegenläufigen Belangen des Habitatschutzes abgewogen worden sein (im Anschluss an das Urteil vom 27.Januar 2000 BVerwG 4 C 2.99 BVerwGE 110, 302 <314 f.>).
19) Ob die Planfeststellung einer Bundesfernstraße, die in der gesetzlichen Bedarfsplanung dem „Vordringlichen Bedarf“ zugeordnet worden ist, den für das Vorhaben streitenden Gemeinwohlbelangen ein derartiges Gewicht beimessen darf, dass sie sich gegenüber den widerstreitenden Belangen des Habitatschutzes nach der FFH-Richtlinie durchsetzen, kann ein anerkannter Naturschutzverein nach § 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG zur gerichtlichen Überprüfung stellen. Im Einzelfall kann dies eine Offenlegung von Details der Verkehrsprognose erforderlich machen.
20) Wenn für das Vorhaben zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses streiten, stellt sich nicht mehr die Frage, ob auf das Vorhaben insgesamt verzichtet werden kann (sog. Nullvariante).
21) Planungsalternativen, die sich nur mit unverhältnismäßigem Aufwand verwirklichen lassen würden, bleiben außer Betracht. Von einer zumutbaren Alternative kann ebenso dann nicht mehr die Rede sein, wenn eine Planungsvariante deswegen auf ein anderes Projekt hinausläuft, weil die vom Vorhabenträger in zulässiger Weise verfolgten Ziele nicht mehr verwirklicht werden könnten. Zumutbar ist es nur, Abstriche vom Zielerfüllungsgrad in Kauf zu nehmen (wie Urteil vom 15. Januar 2004 BVerwG 4 A 11.02 BVerwGE 120, 1 <11>).
22) Mit Blick auf das vom Gemeinschaftsrecht angestrebte strenge Schutzsystem spricht einiges dafür, in dem Erfordernis der Kohärenzsicherung (Art.6 Abs.4 Unterabs.1 FFH-RL) eine Zulassungsvoraussetzung zu sehen und nicht eine bloße Rechtsfolge der Zulassungsentscheidung.
23) Wenn der Bundesgesetzgeber das in Art.12, 13 und 16 FFH-RL sowie in Art. 5 und 9 VRL enthaltene Schutzsystem in §§ 19, 42 Abs.1 und § 43 Abs.4 Satz 1 BNatSchG nicht richtlinienkonform umgesetzt hat (vgl EuGH, Urteil vom 10. Januar 2006 C-98/03 Slg. 2006, I-53 ff.), trifft dieser Vorwurf nicht auch einen Landesgesetzgeber, soweit er in Ausübung der ihm vom Rahmenrecht eingeräumten Kompetenz (§ 11 Satz 1 BNatSchG) für seinen Zuständigkeitsbereich die Anwendung des europäischen Prüfprogramms vollständig zum Inhalt der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung gemacht hat.
§§§
07.013 Rücknahme einer Zusicherung |
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BVerwG, U, 17.01.07, - 10_C_1/06 -
FlurbG_§_37 Abs.1, FlurbG_§_44 Abs.1, FlurbG_§_44 Abs.2, FlurbG_§_44 Abs.3, FlurbG_§_57, FlurbG_§_60, FlurbG_§_64, FlurbG_§_144; VwGO_§_108 Abs.2; VwVfG_§_38 Abs.1, VwVfG_§_38 Abs.2, VwVfG_§_43, VwVfG_§_72, (RP) VwVfG_§_1
Rechtliches Gehör / Vertagungsantrag / Zusicherung / Rücknahme einer Zusicherung / rechtswidrige Zusicherung / Bekanntgabe einer Zusicherung / Drittwirkung einer Zusicherung / Abwägungsanspruch / Abwägungsgebot / Abwägungskontrolle / Planwunsch / Entwicklungstendenzen / Entwicklungsperspektiven / Flurbereinigungsplan / Abfindung / Gestaltung der Abfindung / Gebot der wertgleichen Abfindung / Alternativlösung / Planungsalternative / Planungsgewinn / Erschließungsgebot / Abfindung in möglichst großen Grundstücken
1) Zusicherungen sind im Anwendungsbereich des Flurbereinigungsgesetzes nicht ausgeschlossen. Sie sind auch im Falle ihrer Rechtswidrigkeit grundsätzlich wirksam (§ 38 Abs.2 VwVfG). Dritten kann der Inhalt von Zusicherungen aber nur entgegengehalten werden, wenn sie ihnen bekanntgegeben worden sind oder der Dritte sich ausnahmsweise auf die mangelnde Bekanntgabe nicht berufen kann.
2) Eine über die Gleichwertigkeitsprüfung nach § 44 Abs.1 Satz 1 FlurbG hinausgehende Abwägungskontrolle nach § 44 Abs.2 Halbs.1 FlurbG kommt in Betracht, wenn der Inhaber eines Sandabbauunternehmens den Planwunsch nach zusammenhängender Abfindung im Umfeld seiner bisherigen Abbaugrundstücke äußert (im Anschluss an das Urteil vom 23.August 2006 - BVerwG 10 C 4.05 - RdL 2007, 14 - zur Veröffentlichung in BVerwGE und Buchholz vorgesehen).
3) Auf den Ausgleich eines lediglich individuellen Planungsgewinns durch die Zuteilung von Abfindungsgrundstücken, dem kein entsprechender Verlust des Abgebenden gegenübersteht, hat der Abgebende keinen Anspruch.
§§§
07.014 Angabe der Volkszugehörigkeit |
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BVerwG, U, 18.01.07, - 5_C_9/06 -
BVFG_§_6 Abs.2 S.1
Die Angabe der Volkszugehörigkeit mit „deutsch“ bei Volkszählungen im Heimatstaat kann als Bekenntnis zum deutschen Volkstum iSd § 6 Abs.2 Satz 1 BVFG in seiner durch das Spätaussiedlerstatusgesetz vom 30.August 2001 (BGBl I S.2266) geänderten Fassung gewertet werden.
Die Angabe der Volkszugehörigkeit mit „deutsch“ bei Volkszählungen im Heimatstaat kann als Bekenntnis zum deutschen Volkstum iSd § 6 Abs.2 Satz 1 BVFG in seiner durch das Spätaussiedlerstatusgesetz vom 30.August 2001 (BGBl I S.2266) geänderten Fassung gewertet werden.
§§§
07.015 Diplomatischen Einrichtung |
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BVerwG, U, 25.01.07, - 4_C_1/06 -
GG_Art.2 Abs.2 S.1; BauGB_§_31 Abs.1, BauGB_§_34; BauNVO_§_8, BauNVO_§_15 Abs.1 S.2
diplomatische Einrichtung / türkisches Konsulat / terroristische Anschläge / Gebot der Rücksichtnahme / städtebaulich bedeutsame Gründe / unzumutbare Störungen / Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung
1) Die möglichen Gefahren für die Nachbarschaft einer diplomatischen Einrichtung durch terroristische Anschläge sind städtebaulich bedeutsame Auswirkungen, die bei der Beurteilung, ob ein Vorhaben das Rücksichtnahmegebot (§ 15 Abs.1 Satz 2 BauNVO) verletzt, zu berücksichtigen sind.
2) Auch wenn bei Erteilung der Baugenehmigung für eine diplomatische Einrichtung die Gefahr von Anschlägen als unwahrscheinlich einzuschätzen ist, muss sich die Baugenehmigungsbehörde vergewissern, dass bei einer geänderten Einschätzung der Sicherheitslage die dann zu erwartenden Gefahren für die Einrichtung und ihre Umgebung unter Wahrung des Rücksichtnahmegebots durch zusätzliche Maßnahmen beherrscht werden können.
§§§
07.016 Anforderung an Klageschrift |
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BVerwG, U, 25.01.07, - 2_A_3/05 -
BBG_§_55 S.2, BBG_§_73 Abs.1 S.1, BBG_§_73 Abs.1 S.2, BBG_§_77 Abs.1 S.1; BDG_§_10 Abs.1, BDG_§_10 Abs.3, BDG_§_13 Abs.1, BDG_§_13 Abs.2 S.1, BDG_§_19, BDG_§_20, BDG_§_30, BDG_§_52 Abs.1, BDG_§_60 Abs.2 S.1, BDG_§_60 Abs.2 S.2; VwGO_§_50 Abs.1 Nr.4, VwGO_§_67 Abs.1 S.1
Disziplinarklage des Bundesnachrichtendienstes / anwaltliche Vertretung im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht / behördliches Disziplinarverfahren / Inhalt der Disziplinarklageschrift / wesentlicher Mangel im Sinne von § 55 BDG / unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst / Nachweis der Dienstfähigkeit / Melde- und Nachweispflichten bei Erkrankung / Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung / Beweiswürdigung bei Verweigerung der Mitwirkung / Ausschluss des Unterhaltsbeitrags
Gemäß § 52 Abs.1 Satz 2 BDG muss die Klageschrift die Handlungen des Beamten, aus denen Dienstpflichtverletzungen hergeleitet werden, aus sich heraus verständlich darstellen. Dies erfordert grundsätzlich die Darstellung des Geschehensablaufs sowie des Ortes und der Zeit der Handlungen. Soweit eine Klageschrift diesen Anforderungen nicht genügt, leidet sie in der Regel an einem wesentlichen Mangel im Sinne von § 55 BDG.
§§§
07.017 Lebensarbeitszeit der Polizeibeamten |
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BVerwG, U, 25.01.07, - 2_C_28/05 -
GG_Art.3 Abs.1, GG_Art.20 Abs.3, GG_Art.33 Abs.5, GG_Art.103 Abs.1; BRRG_§_25 Abs.1, BRRG_§_26 Abs.1, BRRG_§_101 Abs.1; VwGO_§_43 Abs.1, VwGO_§_108 Abs.1 S.2, VwGO_§_108 Abs.2; (RP) LBG_§_54, LBG_§_208
Gesetzliche Altersgrenze für Eintritt in den Ruhestand, Heraufsetzung bei Polizeivollzugsbeamten / Gestaltungsfreiheit des Landesgesetzgebers / Vorgabe durch Rahmenrecht des Bundes / „Beamtengruppe“ / Fürsorgeprinzip / Gleichheitsgrundsatz / Vertrauensschutz
1) Die erzielten Verbesserungen der Arbeitsabläufe im Polizeidienst infolge des allgemeinen technischen Fortschritts rechtfertigen die grundsätzliche Anpassung der Lebensarbeitszeit der Polizeibeamten an die allgemeine Lebensarbeitszeit.
2) Die Anhebung der gesetzlichen Altersgrenze bei den Polizeibeamten, die nicht in den polizeilichen Tätigkeitsbereichen nach § 208 Abs.1 Satz 1 LBG RP eingesetzt sind, verstößt weder gegen das Fürsorgeprinzip noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz noch gegen Gemeinschaftsrecht.
§§§
07.018 Gebündelter Dienstposten |
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BVerwG, U, 25.01.07, - 2_A_2/06 -
BLV_§_11, BLV_§_12 Abs.2
Dienstposten / höherbewerteter / sog gebündelter / Bewährung / auf einen höherbewerteten Dienstposten / Feststellung über die auf einen höherbewerteten Dienstposten
Ein seiner Wertigkeit nach zwei Statusämtern zugeordneter Dienstposten (sog. gebündelter Dienstposten) ist für einen Beamten im niedrigeren der beiden Statusämter kein höherbewerteter Dienstposten (Bestätigung des Beschlusses vom 23.Juni 2005 BVerwG 2 B 106.04 Buchholz 240 § 46 BBesG Nr.4). Bei der Wahrnehmung eines gebündelten Dienstpostens durch einen solchen Beamten ist deshalb kein Raum für eine Feststellung, ob sich der Beamte im Sinne des § 11 BLV in einer Erprobungszeit auf einem höherbewerteten Dienstposten bewährt hat.
§§§
07.019 Erklärung zum Schutzgebiet |
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BVerwG, U, 29.01.07, - 7_B_68/06 -
BNatSchG_§_22 Abs.1, BNatSchG_§_22 Abs.2 S.1
Erklärung zum Schutzgebiet / Bestimmung des Schutzzwecks / Verhältnismäßigkeit von Verboten im Landschaftsschutzgebiet
Der Schutzzweck muss sich einer Erklärung zum Schutzgebiet (§ 22 BNatSchG) mit ausreichender Bestimmtheit entnehmen lassen.
Sind in großflächigen Landschaftsschutzgebieten Abgrabungen nur in von der überörtlichen Planung bestimmten Bereichen zulässig, ist dies grundsätzlich verhältnismäßig.
§§§
07.020 Beteiligungsrechte der Vertrauensperson |
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BVerwG, B, 31.01.07, - 1_WB_16/06 -
SBG_§_27 Abs.1, SBG_§_18 Abs.3 S.2, SBG_§_20 S.1; SBG_§_52 Abs.1, SBG_§_52 Abs.2; WDO_§_4; BPersVG_§_7
Vertrauensperson / Anhörung / Unterrichtung / Beteiligungsrecht / Soldatenvertreter / Personalrat / Disziplinarverfahren / Einleitung
1) Die Entscheidung der Einleitungsbehörde, ein gerichtliches Disziplinarverfahren nach der WDO einzuleiten, stellt eine Angelegenheit dar, die im Sinne von § 52 Abs.1 SBG nur Soldaten betrifft.
2) Bei Verfahren nach der WDO und der WBO werden die Beteiligungsrechte der Vertrauensperson nicht durch die Soldatenvertreter im örtlichen Personalrat als Gruppenangelegenheit, sondern durch den in § 52 Abs.2 SBG bestimmten Soldatenvertreter wahrgenommen.
3) Anhörungspflichtige Stelle ist in einem solchen Fall allein der Dienststellenleiter, nicht die Einleitungsbehörde.
§§§
07.021 Antrag auf gerichtliche Entscheidung |
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BVerwG, B, 31.01.07, - 1_WB_34/06 -
WBO_§_17 Abs.1, Abs.4; WDO_§_17 Abs.1
Begründungserfordernis / Beschleunigungsgebot / Rechtsschutzbedürfnis / Einleitungsverfügung
1) Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung erfüllt auch dann (noch) das gesetzliche Begründungserfordernis, wenn der Antragsschrift die vorangegangenen Beschwerdeschreiben beigefügt sind, aus denen sich ergibt, aus welchen Gründen der Antragsteller die angegriffene Maßnahme oder Unterlassung für rechtswidrig hält und was er im Wehrbeschwerdeverfahren verlangt (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung).
2) Die sich aus dem Beschleunigungsgebot für Disziplinarverfahren (§ 17 Abs. 1 WDO) ergebenden Rechte und Pflichten zählen nicht zu den im Beschwerdeverfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung (WBO) rügefähigen Rechten und Pflichten.
3) Im Rahmen eines Verfahrens nach der Wehrdisziplinarordnung (WDO) ergangene Entscheidungen können allein mit den in der WDO vorgesehenen Rechtsbehelfen angefochten werden, jedoch nicht mit einer Wehrbeschwerde nach der WBO.
§§§
07.022 Existenzminimum |
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BVerwG, B, 01.02.07, - 1_C_24/06 -
AufenthG_§_60 Abs.1; RL-2004/83/EG Art.8
Flüchtlingsanerkennung / begründete Furcht vor Verfolgung / Gruppenverfolgung / Tschetschenien / Russische Föderation / Verfolgungsdichte / Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale / innerstaatliche Fluchtalternative / Zumutbarkeit / Existenzminimum / Illegalität des Aufenthalts
Zur Frage des Existenzminimums am Ort einer inländischen Fluchtalternative (hier: für Tschetschenen in der Russischen Föderation).
§§§
07.023 Außergewöhnlichen Härte |
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BVerwG, B, 08.02.07, - 1_B_69/06 -
AufenthG_§_25 Abs.4 S.2; (90) AuslG_§_30 Abs.2
außergewöhnliche Härte / landesrechtliche Altfallregelung / Bleiberechtsregelung / Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis / humanitäre Aufenthaltserlaubnis /
1) Die von der Rechtsprechung zu § 30 Abs.2 AuslG 1990 entwickelten Anforderungen an das Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte gelten auch für den Anspruch auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs.4 Satz 2 AufenthG.
2) Die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs.4 Satz 2 AufenthG ist nicht deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil der Ausländer die Voraussetzungen einer landesrechtlichen Bleiberechtsregelung nicht mehr erfüllt (hier: wegen strafgerichtlicher Verurteilungen).
§§§
07.024 Kindergeldanspruch |
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BVerwG, B, 13.02.07, - 2_B_65/06 -
BBesG_§_40 Abs.2 S.1; EStG_§_31 S.2; FGO_§_110 Abs.1
Kinderbezogener Anteil des Familienzuschlages / Bindungswirkung rechtskräftiger Urteile der Finanzgerichte über den Kindergeldanspruch / Vorgreiflichkeit
Rechtskräftige Urteile der Finanzgerichte über den Kindergeldanspruch binden Behörden und Gerichte bei Entscheidungen über den kinderbezogenen Anteil des Familienzuschlages.
§§§
07.025 Teilnehmeranschlussleitung |
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BVerwG, U, 14.02.07, - 6_C_28/05 -
(96) TKG_§_25 Abs.1, TKG_§_29, TKG_§_35 Abs.1, TKG_§_39; (04) TKG_§_9 Abs.1, TKG_§_10, TKG_§_11, TKG_§_12 Abs.2, TKG_§_13 Abs.1, TKG_§_13 Abs.3, TKG_§_150 Abs.1; VwVfG_§_43, VwVfG_§_47, VwVfG_§_49
Teilnehmeranschlussleitung / Glasfaser / Zugang / Entgeltgenehmigung / Regulierungsverfügung / Widerruf / Erlöschen / Feststellung
Widerruft die Regulierungsbehörde aus Anlass einer erstmaligen Marktregulierung nach den Vorschriften des TKG 2004 hier: Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung frühere gesetzliche Regulierungsverpflichtungen, lässt sich dieser Widerruf unter den Voraussetzungen des § 47 VwVfG in die Feststellung umdeuten, dass die betreffenden altrechtlichen Verpflichtungen durch den Erlass der neuen Regulierungsverfügung kraft Gesetzes erloschen sind. Zu einer solchen Feststellung kann die Regulierungsbehörde aus Gründen der Rechtssicherheit und Transparenz verpflichtet sein.
§§§
07.026 Durchleitung von Trinkwasser |
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BVerwG, B, 16.02.07, - 7_B_8/07 -
GG_Art.14 Abs.1 S.2, GG_Art.14 Abs.2 S.2; (NW) LWG_§_128 Abs.1
Inhaltsbestimmung des Eigentums / Sozialpflichtigkeit des Eigentums / Duldung von Trinkwasserleitung / Duldungsverpflichtung auf Grund des Landeswassergesetzes Nordrhein-Westfalen
Eine durch Landesrecht begründete Verpflichtung, die Durchleitung von Trinkwasser zu dulden, ist eine grundsätzlich zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums.
§§§
07.027 Bundesrechnungshof-Vorlage seiner Akten |
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BVerwG, B, 21.02.07, - 20_F_9/06 -
GG_Art.97 Abs.1, GG_Art.114 Abs.2; VwGO_§_99; BRHG_§_3, BRHG_§_4, BRHG_§_8 ff, BRHG_§_20; DRiG_§_43; BVerfGG_§_30 Abs.2
Vorlage von Behördenakten im Prozess / Akten des Bundesrechnungshofs / Mitglieder des Bundesrechnungshofs / Prüfungsbeamter / richterliche Unabhängigkeit / Beratungsgeheimnis / Gegenstand der gebotenen Verschwiegenheit
Der Bundesrechnungshof kann die Vorlage seiner Akten verweigern, soweit darin Äußerungen von Mitgliedern des Bundesrechnungshofs niedergelegt sind, die den Meinungsbildungsprozess zwischen den Mitgliedern in einem Prüfungsverfahren erkennen lassen.
§§§
07.028 Bindungswirkung an ein Revisionsurteil |
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BVerwG, B, 22.02.07, - 4_B_2/07 -
VwGO_§_144 Abs.6; LuftVG_§_9 Abs.2
Revisionsurteil / Zurückverweisung / Bindung der Vorinstanz / Wegfall der Bindung / Lärmschutz gegen nächtlichen Fluglärm / Dauerschallkriterium / Bezugszeitraum
Die in § 144 Abs. 6 VwGO angeordnete Bindungswirkung an ein Revisionsurteil, das die Sache an die Vorinstanz zurückverweist, umfasst auch die vom Revisionsgericht angeführten materiell-rechtlichen Gründe dafür, dass der vom Revisionsführer verfolgte weitergehende Antrag, der auf eine Aufhebung der angegriffenen Behördenentscheidung und damit auf eine eigene Sachentscheidung des Revisionsgerichts zielt, erfolglos bleibt.
Die Bindung der Vorinstanz an ein zurückverweisendes Urteil entfällt, wenn das Bundesverwaltungsgericht in einem anderen Verfahren nachträglich eine abweichende Rechtsauffassung vertreten hat. Dies ist nur dann anzunehmen, wenn die spätere Entscheidung über den betreffenden Fall hinaus einen verallgemeinerungsfähigen Inhalt und fallübergreifende Bedeutung hat.
Ob bei der Festsetzung eines Dauerschallkriteriums zur Beschränkung des nächtlichen Flugverkehrs nach Teilzeiträumen (Nacht-Rand-Stunden, weitgehend bewegungsfreie Kernzeiten) zu differenzieren ist, hängt von der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen Lärmschutzkonzepts ab.
§§§
07.029 Unterstützen von gegen die Sicherheit des Bundes gerichteten Bestrebungen |
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BVerwG, U, 22.02.07, - 5_C_20/05 -
StAG_§_10, StAG_§_11 S.1 Nr.2, StAG_§_12a
Anspruch auf Einbürgerung, Ausschluss des -/ Einbürgerung, Anspruch auf-/ Unterstützen von gegen die Sicherheit des Bundes gerichteten Bestrebungen / Sicherheit des Bundes, gegen die - gerichtete Bestrebungen
Allein die Unterzeichnung der „Selbsterklärung: ‚Auch ich bin ein PKK’ler’“ im Jahr 2001 rechtfertigt nicht die Annahme, der Unterzeichner habe eine Bestrebung iSd § 11 Satz 1 Nr.2 StAG unterstützt.
§§§
07.030 Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder |
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BVerwG, U, 22.02.07, - 5_C_28/05 -
(93) SGB-VIII_§_93 Abs.5, SGB-VIII_§_94 Abs.2
Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, Heranziehung der Eltern zu den Kosten / auswärtige Unterbringung, Heranziehung zu den Kosten der in Höhe der ersparten Aufwendungen / Halbwaisenrente, Berücksichtigung einer vom Jugendhilfeträger in Anspruch genommenen bei der Berechnung der ersparten Aufwendungen
Bei der Berechnung der häuslichen Ersparnisse im Rahmen der Heranziehung der Eltern zu Kostenbeiträgen nach Maßgabe des § 94 Abs.2 SGB VIII F 1993 ist zu berücksichtigen, dass ein Kind seinen Lebensunterhalt durch eine Halbwaisenrente, die gemäß § 93 Abs.5 SGB VIII F 1993 neben dem Kostenbeitrag einzusetzen war, selbst bestreiten konnte und insoweit dem Kostenbeitragspflichtigen keine häusliche Ersparnis entstanden ist.
§§§
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