2007  
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07.001 Überlastetes Grundbuchamt
 
  1. BGH,     U, 11.01.07,     – III_ZR_302/05 –

  2. www.BGH.de = DFR = BGHZ_170,261 -75 = NJW_07,830 -34 = MDR_07,652 = DÖV_07,387 -89

  3. BGB_§_839, (aF) BGB_§_852; GG_Art.14 egE

  4. Amtshaftung

 

1) Der Staat hat seine Gerichte so auszustatten, dass sie die anstehenden Verfahren ohne vermeidbare Verzögerung abschließen können (hier: übermäßige Dauer der Bearbeitung von Anträgen durch das Grundbuchamt wegen Überlastung). Die Erfüllung dieser Verpflichtung kann den Justizbehörden insgesamt als drittgerichtete Amtspflicht obliegen (teilweise Abweichung von BGHZ_111,272 ).

 

2) Zum Beginn der Verjährung von Amtshaftungsansprüchen wegen pflichtwidriger Unterlassung.

 

3) Wird durch eine rechtswidrige Verzögerung der Eintragung von Auflassungsvormerkungen im Grundbuch die beabsichtigte Veräußerung von Eigentumswohnungen zeitweilig verhindert, so kann dies einen Entschädigungsanspruch des betroffenen Grundstückseigentümers aus enteignungsgleichem Eingriff begründen (Fortführung von BGHZ_134,316 und BGHZ_136,182 ).

§§§

07.002 Obliegenheitsverletzung
 
  1. BGH,     U, 11.01.07,     – III_ZR_116/06 –

  2. www.BGH.de = JURION = NJW_07,1963 -64 = BauR_07,867 -69

  3. BGB_§_839, BGB_§_254; ZPO_§_287

  4. Amtshaftung

Abs.7

Zum (hier verneinten) Mitverschulden eines Bauherrn, der es unterlassen hat, die Bauaufsichtsbehörde nach Rücknahme einer bestandskräftigen Baugenehmigung auf ihm günstige Stellungnahmen der übergeordneten Behörde hinzuweisen.

* * *

T-07-01Mitverschulden wegen Obliegenheitsverletzung

7

"1. Die Frage, ob und inwieweit im Sinne von § 254 BGB einerseits die Amtspflichtverletzung des Beklagten und andererseits das Verhalten der Klägerin den Schaden verursacht haben, ist in Anwendung des § 287 ZPO zu beurteilen ( BGHZ_121,210, 214). Die hiernach vorzunehmende Abwägung der Verantwortlich keiten von Schädiger und Geschädigtem gehört in den Bereich der tatrichterlichen Würdigung; sie ist deshalb mit der Revision nur begrenzt angreifbar. Das Revisionsgericht kann lediglich nachprüfen, ob der Tatrichter alle in Betracht kommen den Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat (BGH, Urteile vom 12. Juli 1988 - VI_ZR_283/87 = VersR_88,1238, 1239 und vom 13. Dezember 2005 - VI_ZR_68/04 = NJW_06,896, 897, jeweils m.zahlr.w.N.).

8

2. Vom rechtlichen Ansatzpunkt zutreffend zieht das Berufungsgericht hier eine Obliegenheit der Klägerin in Betracht, den Beklagten über die Schreiben der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord vom 5. September 2002 und vom 2. September 2004 zu unterrichten.

9

a) Der Senat hat bereits mit Urteil vom 28. Oktober 1963 ( III_ZR_153/62 = NJW_64,195, 196) ausgesprochen, ebenso wie der Beamte als "Helfer des Staatsbürgers" dem von ihm betreuten Personenkreis durch Belehrung und Aufklärung im Rahmen des Möglichen und Zulässigen behilflich sein solle, was er zu erreichen wünsche, zu erreichen, so sei auch der Staatsbürger im Interesse eines gedeihlichen Zusammenlebens aller gehalten, im Rahmen des Zumutbaren das Seine zur Vermeidung von Schwierigkeiten zu tun.

10

b) Eine Anspruchsminderung wegen mitwirkenden Verschuldens aufgrund der nicht rechtzeitigen Erfüllung dieser Informationsobliegenheit hätte indessen vorausgesetzt, dass die Klägerin insoweit schuldhaft gehandelt hätte und dass der Schaden bei rechtzeitiger Unterrichtung der Behörde vermieden oder gemindert worden wäre.

11

aa) Insoweit weist die Revision mit Recht darauf hin, dass der Klägerin eine ausreichende Frist eingeräumt werden musste, um Überlegungen darüber anzustellen, welche Maßnahmen zu einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung, insbesondere zur Begründung des bereits am 22. September 2004 eingelegten Widerspruchs gegen den Rücknahmebescheid vom 21. September 2004, ergriffen werden mussten. Über die Dauer einer derartigen, der Klägerin zuzubilligenden Überlegungsfrist trifft das Berufungsgericht keine Feststellungen; solche sind auch nicht mehr zu erwarten. Keinesfalls war die Klägerin, wie das Berufungsgericht anscheinend meint, verpflichtet, auf die Schreiben und deren Inhalt bereits bei Einlegung des Widerspruchs vom 22. September 2004 hinzuweisen; die Überlegungsfrist war - auch unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit der Sache angesichts des geplanten Baubeginns am 24. September 2004 - auf zumindest mehrere Tage zu bemessen. Hierbei kann insbesondere auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beklagte die Klägerin vor dem Erlass des Bescheids vom 21. September 2004 nicht einmal - wie geboten (vgl.§ 28 Abs.1 VwVfG) - angehört und sich damit selbst der Chance begeben hatte, von der Klägerin bereits im Vorfeld der zu treffenden Entscheidung über die Rechtsauffassung der übergeordneten Behörde unterrichtet zu werden.

12

bb) Deswegen ist nicht erkennbar, dass die Klägerin bei Ausschöpfung dieser Überlegungsfrist ihre Vertragspartnerin, die Firma A., von einem Rücktritt hätte abhalten können. Die vertraglichen Voraussetzungen für den Rücktritt der A. und die daraus resultierende Schadensersatzpflicht der Klägerin nach § 6 Abs.2 und 3 des Vertrags lagen vor.

13

3. Dementsprechend kommt als weiterer - vom Berufungsgericht auch so gesehener - Anknüpfungspunkt für ein Mitverschulden noch in Betracht, da ss die Klägerin nicht versucht hat, die Firma A. von dem Rücktritt vom Vertrag abzuhalten bzw. zu einer Rücknahme dieser Maßnahme zu bewegen. Aufgrund der Aussage des Geschäftsführers der Firma A. in der Beweisaufnahme vermochte das Berufungsgericht indessen nicht festzustellen, dass die Klägerin damit Erfolg gehabt hätte. Das Berufungsgericht hält es lediglich für möglich, dass die Firma A. mit dem Rücktritt noch zugewartet hätte. Diese bloße Hypothese reicht indessen für eine richterliche Überzeugungsbildung, auch unter Berücksichtigung der Beweiserleichterungen des § 287 ZPO, nicht aus.

14

4. Für ein Mitverschulden der Klägerin und dessen Ursächlichkeit bei der Entstehung des Schadens ist der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig (Senatsurteil BGHZ_91,243, 260; BGH, Urteil vom 26. Mai 1994 - IX_ZR_ 39/93 = NJW-94,3103, 3105; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, Vorbem. zu § 249 ff Rn.91; MünchKomm/Oetker, BGB 4. Aufl (2003) 254 Rn.145, jeweils m.w.N. ). Dieser Beweis ist ihm nicht gelungen. Weitere Feststellungen sind nicht zu erwarten. Die Sache ist daher im Sinne einer vollen Haftung des Beklagten entscheidungsreif, ohne dass es einer Zurückverweisung bedarf.

 

Auszug aus BGH U, 11.01.07, - III_ZR_116/06 -, www.BGH.de,  Abs.7 ff

§§§

07.003 Jewish Matrial Claims
 
  1. BGH,     U, 18.01.07,     – III_ZR_104/06 –

  2. www.BGH.de = lexetius.com = BGHZ_170,356 -69 = WM_07,748 -51 = VersR_07,1561 -64

  3. BGB_§_839; DDR-KomVerf_§_49; VermG_§_3a Abs.5

  4. Amtshaftung

 

1) Der in der Globalanmeldung "ANM-3" der Conference on Jewish Material Claims against Germany Inc. enthaltene Verzicht auf Schadensersatzansprüche steht mit den Regelungen in § 3 Abs.3 bis 5 VermG in Zusammenhang und bezieht sich nicht auf die mögliche Pflicht des Verfügungsberechtigten, der im Rahmen einer investiven Maßnahme nach § 3a VermG über den Vermögenswert verfügt hat, dem Berechtigten dessen Verkehrswert zu erstatten.

 

2) Der Verkauf eines volkseigenen Grundstücks, das nicht in das Eigentum der Gemeinde überführt worden war, unterlag nicht der Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde nach § 49 der Kommunalverfassung der DDR (Fortführung von BGHZ 141, 184; Senatsurteil vom 21. Oktober 1999 - III_ZR_130/98 - NJW_00,432 ).

 

3) Die Rechtsaufsichtsbehörde haftet der Gemeinde nicht für die kommunalaufsichtliche Genehmigung eines notariellen Kaufvertrags, wenn sie zu Unrecht von dessen Genehmigungsbedürftigkeit ausgeht oder die Erteilung der Genehmigung vor dem Hintergrund einer umstrittenen Rechtslage geprüft hat (Abgrenzung zum Senatsurteil BGHZ_153,198).

§§§

07.004 Totalschaden
 
  1. BGH,     U, 06.03.07,     – VI_ZR_120/06 –

  2. www.BGH.de = BGHZ_171,287 -93 = MDR_07,831 -32 = NJW:07,1574 -76 = VersR_07,1145 -46

  3. BGB_§_249

  4. Schadensersatz

 

Benutzt der Geschädigte im Totalschadensfall (hier: Reparaturkosten höher als 130% des Wiederbeschaffungswerts) sein unfallbeschädigtes, aber fahrtaugliches und verkehrssicheres Fahrzeug weiter, ist bei der Abrechnung nach den fiktiven Wiederbeschaffungskosten in der Regel der in einem Sachverständigengutachten für den regionalen Markt ermittelte Restwert in Abzug zu bringen (Fortführung von Senat, BGHZ_143,189 ff.).

§§§

07.005 Anbindung des Hausanschlusses
 
  1. BGH,     U, 21.06.07,     – III_ZR_177/06 –

  2. www.BGH.de = JURION = NVwZ_08,238 -40 = DÖV_07,1018 -19 = DVBl_07,1238 -40

  3. BGB_§_839; Verwaltungsrecht - Allgemeines (öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis

  4. Amtshaftung

 

1) Zu den Amtspflichten der Gemeinde bei der Anbindung des Hausanschlusses an die kommunale Abwasserkanalisation.

 

2) Die Haftung aus 839 BGB i.V.m. Art.34 GG kann ohne besondere gesetzliche Grundlage nicht durch eine gemeindliche Satzung beschränkt werden (im Anschluss an BGHZ_61,7 ).

§§§

07.006 Mittelpunktregelung
 
  1. BVerfG,     U, 04.07.07,     – 2_BvE_1/06 –

  2. www.BVerfG.de = www.dfr/BVerwGE = BVerfGE_118,277 -401 = NVwZ_07,916 -37 = DVBl_07,956 -62 = JuS_07,1044 -48

  3. GG_Art.38 Abs.1 S.2, GG_Art.48 Abs.2; AbgG_§_44a, AbgG_§_44b

  4. Verfassungsrecht

 

LB 1) Für eine allgemeine, von eigenen Rechten des Antragstellers losgelöste, abstrakte Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit einer angegriffenen Maßnahme ist im Organstreit kein Raum.

 

LB 2) Der Organstreit ist kein objektives Beanstandungsverfahren (vgl BVerfGE_104,151 <193 f>); er dient dem Schutz der Rechte der Staatsorgane im Verhältnis zueinander, nicht aber einer allgemeinen Verfassungsaufsicht (vgl BVerfGE_100,266 <268>).

 

LB 3) Soweit die Antragsteller ihr Vorbringen mit Fragen der Auslegung und Anwendung einfachen Rechts anreichern, können sie im Organstreit nicht gehört werden. Rechte, die sich lediglich auf Vorschriften einfachen Rechts - hier § 44a Abs.4 Satz 1 AbgG - stützen, reichen für die Begründung der Antragsbefugnis ebenso wenig aus wie ein Vorbringen, das allein Inhalt und Reichweite einer einfach-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage betrifft. Hierfür steht den Antragstellern der Weg zum zuständigen Fachgericht - dem Bundesverwaltungsgericht (§ 50 Abs.1 Nr.5 VwGO) - offen (vgl BVerfGE_84,290 <298>).

Abs.207

LB 4) Zum Status der Abgeordneten des Deutschen Bundestages.

Abs.208

LB 5) Zum Schutzumfang des freien Mandats.

Abs.209

LB 6) Zur Begrenzung des freien Mandats durch die Repräsentations- und die Funktionsfähigkeit des Parlaments.

* * *

T-07-10Abgeordnete - Pflichten

207

"Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen (Art.38 Abs.1 Satz 2 GG). Aus Art.48 Abs.2 GG, demzufolge niemand gehindert werden darf, das Amt eines Abgeordneten zu übernehmen und auszuüben, und eine Kündigung oder Entlassung aus diesem Grunde unzulässig ist, und ebenso aus Art.137 Abs.1 GG, der den Gesetzgeber zu Beschränkungen der Wählbarkeit von Angehörigen des öffentlichen Dienstes ermächtigt, ist - unbestritten - zu schließen, dass das Grundgesetz die Ausübung eines Berufs neben dem Abgeordnetenmandat zulässt (vgl auch BVerfGE_40,296 <318 f> ). Übt der Abgeordnete einen Beruf aus, kann das Nebeneinander von Mandat und Beruf den Abgeordneten generell oder von Fall zu Fall zu der Entscheidung nötigen, welche Aufgaben er vorrangig wahrnimmt. Die Antragsteller sind im Kern der Ansicht, der Abgeordnete unterliege insoweit von Verfassungs wegen keinerlei Beschränkungen; die Freiheit des Mandats umfasse das Recht des Abgeordneten zu freier Gestaltung von Mandat und Beruf. Die Antragsteller halten deshalb die Mittelpunktregelung für einen verfassungswidrigen Eingriff in den freiheitlichen Status des Abgeordneten. Dem kann nicht gefolgt werden.

208

1. Grundlage des freien Mandats ist Art.38 Abs.1 GG. Diese Norm schützt nicht nur den Bestand, sondern auch die tatsächliche Ausübung des Mandats (vgl BVerfGE_80,188 <218>; BVerfGE_99,19 <32> ). Der Abgeordnete ist - vom Vertrauen der Wähler berufen - Inhaber eines öffentlichen Amtes, Träger eines freien Mandats und, gemeinsam mit der Gesamtheit der Mitglieder des Parlaments (vgl BVerfGE_56,396 <405>), Vertreter des ganzen Volkes (vgl BVerfGE_112,118 <134> ). Er hat einen repräsentativen Status inne, übt sein Mandat in Unabhängigkeit, frei von jeder Bindung an Aufträge und Weisungen, aus und ist nur seinem Gewissen unterworfen (vgl BVerfGE_40,296 <314, 316>; BVerfGE_76,256 <341>).

209

Die Freiheit des Mandats ist allerdings nicht schrankenlos gewährleistet. Sie kann durch andere Rechtsgüter von Verfassungsrang begrenzt werden. Die Repräsentations- und die Funktionsfähigkeit des Parlaments sind als solche Rechtsgüter anerkannt (vgl BVerfGE_80,188 <219>; BVerfGE_84,304 <321>; BVerfGE_96,264 <279>; BVerfGE_99,19 <32>).

210

Wird das Volk bei parlamentarischen Entscheidungen nur durch das Parlament als Ganzes, das heißt die Gesamtheit seiner Mitglieder, angemessen repräsentiert, so muss die Mitwirkung aller Abgeordneten bei derartigen Entscheidungen nach Möglichkeit und im Rahmen des im demokratisch-parlamentarischen System des Grundgesetzes Vertretbaren sichergestellt sein. Es entspricht dem Prinzip der repräsentativen Demokratie und liegt im konkreten Interesse des Wählers und der Bevölkerung insgesamt, dass der Abgeordnete sein ihm anvertrautes Amt auch tatsächlich ausübt. Nur so kann das Parlament möglichst vollständig, das heißt unter aktiver Teilnahme aller Abgeordneten seine Aufgaben wahrnehmen (vgl BVerfGE_56,396 <405>; s auch BVerfGE_102,224 <237> ). Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahr 1971 festgestellt, dass auf der Ebene des Bundes die Tätigkeit des Abgeordneten zu einem Beruf geworden ist, der den vollen Einsatz der Arbeitskraft fordert (vgl BVerfGE_32,157 <164> sowie schon BVerfGE_4,144 <151> ). In der Folgezeit ist das Gericht davon ausgegangen, dass der Umfang der Inanspruchnahme durch das Mandat so stark gewachsen sei, dass der Abgeordnete in keinem Fall mehr seine Verpflichtungen mit der im Arbeitsleben sonst üblichen Regelarbeitszeit von 40 Stunden bewältigen könne (vgl BVerfGE_40,296 <312 ff> ). Seitdem haben sich die Verhältnisse nicht in einer Weise gewandelt, die eine veränderte Einschätzung erlaubt oder gar erforderlich macht. Die Arbeit des Deutschen Bundestages hat im Gegenteil in den zurückliegenden Jahren an Komplexität noch erheblich zugenommen; das ist evident und schlägt sich in der zeitlichen Inanspruchnahme der Bundestagsabgeordneten nieder (vgl Patzelt, Abgeordnete und Repräsentation, 1993, S.451 und passim, wonach Bundestagsabgeordnete ihrem Mandat das Doppelte der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit widmen).

211

Mit dem repräsentativen Status des Abgeordneten gemäß Art.38 Abs.1 GG selbst sind folglich nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten verbunden, deren Reichweite durch das Gebot, die Repräsentations- und Funktionsfähigkeit des Parlaments zu wahren, bestimmt und begrenzt wird (vgl BVerfGE_76,256 <341 f> ). In Übereinstimmung damit verpflichtet § 13 Abs.2 Satz 1 GO-BT die Mitglieder des Deutschen Bundestages, an dessen Arbeiten teilzunehmen. Das Mandat aus eigenem Entschluss nicht wahrzunehmen, ist mit dem Repräsentationsprinzip unvereinbar (vgl BVerfGE_56,396 <405> ). Die Pflichtenstellung umfasst auch, dass jeder einzelne Abgeordnete in einer Weise und einem Umfang an den parlamentarischen Aufgaben teilnimmt, die deren Erfüllung gewährleistet. Nur der Umstand, dass die Abgeordneten bei pflichtgemäßer Wahrnehmung ihres Mandats auch zeitlich in einem Umfang in Anspruch genommen sind, der es in der Regel unmöglich macht, daneben den Lebensunterhalt anderweitig zu bestreiten, rechtfertigt den Anspruch, dass ihnen ein voller Lebensunterhalt aus Steuermitteln, die die Bürger aufbringen, finanziert wird (vgl BVerfGE_32,157 <164>).

212

Entgegen der Ansicht der Antragsteller steht die Annahme einer verfassungsrechtlichen Pflichtenstellung des Abgeordneten nicht in Widerspruch zur verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung; auch nähert sie den Abgeordnetenstatus nicht in bedenklicher Weise demjenigen der Beamten an. Der Abgeordnete "schuldet", wie das Bundesverfassungsgericht in Abgrenzung zum Beamten betont hat, rechtlich keine Dienste, sondern nimmt in Freiheit sein Mandat wahr (BVerfGE_76,256 <341>). Er entscheidet in freier Eigenverantwortlichkeit über die Form der Wahrnehmung seines Mandats. Auch wenn der Abgeordnete, wie es in BVerfGE_40,296 (312) heißt, theoretisch die Freiheit hat, seine Aktivitäten im Plenum, in Fraktion und Ausschüssen sowie im Wahlkreis "bis über die Grenze der Vernachlässigung seiner Aufgabe hinaus einzuschränken", er sich dies doch "aus den verschiedensten Gründen in der Praxis nicht leisten" kann, so steht er doch unter dem Gebot, dass die parlamentarische Demokratie einer höchst komplizierten Wirtschafts- und Industriegesellschaft vom Abgeordneten mehr als nur eine ehrenamtliche Nebentätigkeit, vielmehr den ganzen Menschen verlangt, der allenfalls unter günstigen Umständen neben seiner Abgeordnetentätigkeit noch versuchen kann, seinem Beruf nachzugehen (vgl BVerfGE_40,296 <313> ). Die Freiheit des Abgeordneten gewährleistet nicht eine Freiheit von Pflichten, sondern lediglich die Freiheit in der inhaltlichen Wahrnehmung dieser Pflichten. Nicht das "Ob", sondern nur das "Wie" der Repräsentation steht im freien Ermessen des Abgeordneten (so zutreffend H H Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art.48 Rn.34).

213

Bereits darin liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Status des Abgeordneten und dem eines Beamten oder Arbeitnehmers - die Erfüllung der Pflichten des Abgeordneten entzieht sich einer Durchsetzung nach arbeits- oder beamtenrechtlichem Muster. Dass die Pflichten des Mandats heute die Abgeordneten zeitlich in einem Umfang in Anspruch nehmen, der bei vielen von ihnen die Regelarbeitszeit im öffentlichen Dienst erheblich übersteigt, unterstreicht die Verschiedenheit der Rechtsstellung von Abgeordneten und Beamten (vgl BVerfGE_76,256 <342>).

214

2. Die Antragsteller setzen dem ein Leitbild eines Abgeordneten entgegen, der, wie sie selbst, im wirklichen Leben stehend seine mandatsexternen Tätigkeiten frei gestalten und so effektiv wahrnehmen kann, dass er mit ihnen nachhaltig Einkünfte zu erzielen vermag und auf diese Weise Unabhängigkeit schöpft, nämlich Unabhängigkeit davon, dass er in Zukunft weiter Diäten beziehen wird, und damit Unabhängigkeit von Partei und Fraktion. Nach Ansicht der Antragsteller folgt dieses Leitbild nicht nur aus der freiheitlichen Verfassung des Grundgesetzes, sondern auch aus den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen funktionstüchtigen Bundestag. Sie sehen in der Bestimmung des § 44a Abs.1 Satz 1 AbgG, nach der die Ausübung des Mandats im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Deutschen Bundestages steht, einen mit diesem Leitbild unvereinbaren Eingriff in die Freiheit des Mandats, der über ihre eigene Betroffenheit hinaus zu einer dem Parlamentarismus abträglichen Verdrängung dieses Abgeordnetentypus aus dem Deutschen Bundestag führt. Die Argumentation der Antragsteller geht fehl. 215

215

a) Die Annahme, ein freiberuflich oder unternehmerisch tätiger Abgeordneter entspreche in besonderer, geradezu prägender Weise dem verfassungsrechtlichen Leitbild des unabhängigen, nur seinem Gewissen unterworfenen Abgeordneten (Art.38 Abs.1 Satz 2 GG), ist ohne tragfähige Grundlage.

216

aa) Die Grundrechte können keine Handhabe bieten, den Honoratioren-Abgeordneten (vgl BVerfGE_40,296 <312>) als verfassungsrechtliches Leitbild wieder aufleben zu lassen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich Erwägungen, die Rechte- und Pflichtenstellung des Abgeordneten nicht nur aus Art.38 Abs.1 Satz 2 GG zu bestimmen, sondern dafür auch auf Grundrechte zurückzugreifen, zu Recht nicht geöffnet (vgl BVerfGE_94,351 <365>; BVerfGE_99,19 <29> ). Dies hat seinen Grund nicht allein darin, dass die Fragen parlamentarischer Repräsentation und des Abgeordnetenstatus in den Art. 38 und Art. 48 GG eine staatsorganisatorische Regelung erfahren haben und sich der Beantwortung anhand grundrechtlicher Argumentationsfiguren entziehen (allenfalls für Eingriffe in die grundrechtlich geschützte Privatsphäre hat der Senat daher eine Beachtung von Grundrechten neben dem Abgeordnetenrecht für möglich gehalten; vgl BVerfGE_99,19 <29> ). Dahinter steht vielmehr auch die Einsicht in den - der Notwendigkeit eines funktions- und repräsentationsfähigen Parlaments folgenden - prinzipiellen Vorrang parlamentsrechtlich-funktioneller vor individualrechtlichen Gesichtspunkten bei der Bestimmung der verfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten des Abgeordneten. Die Rechte des Abgeordneten richten sich nach den Erfordernissen demokratischer Repräsentation und stehen im Dienst der Erfüllung des Gemeinwohlauftrags des Deutschen Bundestages, nicht umgekehrt. Das freie Mandat ist ein zwar in der Gesellschaft verwurzeltes, aber innerhalb der Staatsorganisation wahrgenommenes Amt (vgl BVerfGE_112,118 <134>).

217

bb) Die Sicht der Antragsteller ist bereits mit Art.48 Abs.3 Satz 1 GG schwer zu vereinbaren. Nach dieser Vorschrift haben die Abgeordneten Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. Die der Bedeutung des Amtes angemessene Entschädigung soll dem Abgeordneten ermöglichen, als Vertreter des ganzen Volkes frei von wirtschaftlichen Zwängen zu wirken ("Vollalimentation"; vgl BVerfGE_40,296 <315 f>; BVerfGE_102,224 <239> ). Das Grundgesetz geht also davon aus, dass die Unabhängigkeit der Abgeordneten durch die ihnen zustehende Entschädigung ausreichend gesichert wird. Aus welchem Grund das verfassungsrechtliche Leitbild des Abgeordneten in Art.38 Abs.1 Satz 2 GG gleichwohl auf eine darüber hinaus gehende Sicherung der Unabhängigkeit durch Gewährung besonderer Freiräume an bestimmte Berufsgruppen angelegt sein soll, erschließt sich nicht.

218

cc) Soweit die Antragsteller die Unabhängigkeit der Abgeordneten von den politischen Parteien ins Feld führen, ist daran zu erinnern, dass die politische Einbindung des Abgeordneten in Partei und Fraktion verfassungsrechtlich erlaubt und gewollt ist. Das Grundgesetz weist den Parteien eine besondere Rolle im Prozess der politischen Willensbildung zu (Art. 21 Abs. 1 GG), weil ohne die Formung des politischen Prozesses durch geeignete freie Organisationen eine stabile Demokratie in großen Gemeinschaften nicht gelingen kann (vgl BVerfGE_102,224 <239>; BVerfGE_112,118 <135> ). Das besondere Spannungsverhältnis, das in der Doppelstellung des Abgeordneten als Vertreter des gesamten Volkes und zugleich als Exponenten einer konkreten Parteiorganisation liegt und in Art.21 und Art.38 GG erkennbar wird (vgl BVerfGE_2,1 <72 f> ), darf bei der Bestimmung des verfassungsrechtlichen Leitbildes des Abgeordneten nicht unberücksichtigt bleiben. Die Fraktionen nehmen im parlamentarischen Raum unabdingbare Koordinierungsaufgaben wahr, bündeln die Vielfalt der Meinungen zur politischen Stimme und spitzen Themen auf politische Entscheidbarkeit hin zu. Wenn der einzelne Abgeordnete im Parlament politischen Einfluss von Gewicht ausüben, wenn er gestalten will, bedarf er der abgestimmten Unterstützung (vgl BVerfGE_102,224 <239 f>; BVerfGE_112,118 <135>; BVerfGE_114,121 <150> ). Eine gewisse Bindekraft der t Fraktionen im Verhältnis zum einzelnen Abgeordneten is daher in einer repräsentativen Demokratie nicht nu zulässig, sondern notwendig (vgl BVerfGE_10,4 <14> ). Andererseits erfordert die Freiheit des Mandats, dass der Abgeordnete seine Gewissensentscheidung im Konfliktfall auch gegen seine Fraktion behaupten kann und diese so genötigt wird, in ihrem internen Willensbildungsprozess seinen Standpunkt ernst zu nehmen. Daher haben Regelungen vor Art.38 Abs.1 GG keinen Bestand, die die Abhängigkeit des Abgeordneten von der politischen Gruppe, der er angehört, übermäßig verstärken. Hierher gehört etwa die systematische Ausdehnung von Funktionszulagen (vgl BVerfGE_102,224 <240 f>).

219

Zwar mindert jede vom Bundestagsmandat unabhängige Quelle gesicherter Einkünfte - sei es aus Beruf oder Vermögen - die Abhängigkeit des Abgeordneten von seiner Partei und Fraktion insofern, als sie ihn unabhängiger macht von der Aussicht, über die laufende Wahlperiode hinaus Abgeordnetendiäten zu beziehen, und damit auch von der Bereitschaft seiner Partei, ihm dazu zu verhelfen. Eine Verpflichtung, die rechtlichen oder tatsächlichen Rahmenbedingungen der Parlamentsarbeit vorrangig auf größtmögliche tatsächliche Unabhängigkeit der Abgeordneten von Partei und Fraktion auszurichten, besteht jedoch von Verfassungs wegen weder generell noch insoweit, als etwa eine möglichst geringe Angewiesenheit der Abgeordneten auf den Bezug von Diäten angestrebt werden müsste.

220

dd) Die Komplexität der parlamentarischen und politischen Arbeitsbedingungen (vgl auch BVerfGE_114,121 <157>) und Beziehungsgeflechte (vgl Meessen, Beraterverträge und freies Mandat, in: Festschrift für Ulrich Scheuner zum 70.Geburtstag, 1973, S.431 <444 f>; Trute, in: von Münch/Kunig, GG, Bd.2, 5.Aufl. 2001, Art.38 Rn.74) lässt es im Übrigen nicht zu, die Unabhängigkeit des einzelnen Abgeordneten in eine bestimmbare Relation zu seiner wirtschaftlichen Absicherung durch außerparlamentarische Verdienstmöglichkeiten zu setzen.

221

Dies gilt zunächst insofern, als die für die Unabhängigkeit des Abgeordneten sicherlich in gewissem Umfang bedeutsame "Berufsfähigkeit", also die Fähigkeit, auch ohne politisches Mandat seinen Lebensunterhalt zu bestreiten (vgl Röttgen, Plenarprotokoll 15/184, S.17399 B), nicht gleichgesetzt werden darf mit der Erwartung, Tätigkeiten in exakt gleicher Weise wie vor dem Eintritt in den Deutschen Bundestag fortführen oder nach dem Ausscheiden wiederaufnehmen zu können.

222

Vor allem aber zielt die Verfassungsnorm des Art.38 Abs.1 Satz 2 GG, indem sie den Abgeordneten zum Vertreter des ganzen Volkes bestimmt und ihn in dieser Eigenschaft für weisungsfrei und nur seinem Gewissen unterworfen erklärt, auch auf Unabhängigkeit von Interessengruppen (vgl. aus der Diskussion im Parlamentarischen Rat, in der sich die Bestimmung, nach der die Abgeordneten Vertreter des ganzen Volkes sind, gerade aus diesem Grund gegen Streichungsvorschläge durchgesetzt hat, Protokoll der Zweiten Sitzung des Kombinierten Ausschusses vom 16. September 1948, in: Der Parlamentarische Rat 1948-1949, Akten und Protokolle, Bd.13, Tb.I, 2002, S.21 ff). Dabei geht es nicht zuletzt um Unabhängigkeit von Interessenten, die ihre Sonderinteressen im Parlament mit Anreizen durchzusetzen suchen, die sich an das finanzielle Eigeninteresse von Abgeordneten wenden. Die Wahrung der Unabhängigkeit der Abgeordneten nach dieser Seite hin hat besonders hohes Gewicht; denn hier geht es um die Unabhängigkeit gegenüber Einwirkungen, die - anders als der Einfluss der Parteien und Fraktionen im Prozess der politischen Willensbildung - nicht durch Entscheidungen des Wählers vermittelt sind.

223

Es spricht nichts dafür, dass insoweit - gegenüber Dritten - die Unabhängigkeit beruflich selbstständig tätiger Abgeordneter grundsätzlich höher eingeschätzt werden müsste als die Unabhängigkeit von nebenher unselbstständig oder überhaupt nicht mehr beruflich tätigen Abgeordneten. Namentlich freiberufliche Tätigkeiten zeichnen sich nicht dadurch aus, dass sie besondere Unabhängigkeit nach dieser Richtung hin gewährleisteten. Ein großer Teil derer, die umgangssprachlich oft den freien Berufen zugeordnet werden, insbesondere ein großer Teil der Rechtsanwälte, übt die Tätigkeit nicht selbstständig, sondern als Angestellte von Sozietäten aus. Freiberuflich Tätige sind ferner nicht selten von einem oder einigen wenigen Auftraggebern oder einer Gruppe von Auftraggebern mit gemeinsamen Interessen wirtschaftlich abhängig.

224

Sowohl Angestelltenverhältnisse im Bereich der freien Berufe als auch die freien Berufe selbst bieten vielfältige Möglichkeiten, politischen Einfluss durch ein Bundestagsmandat für die außerhalb des Mandats ausgeübte Berufstätigkeit gewinnbringend zu nutzen, und gerade von dieser Möglichkeit gehen besondere Gefahren für die Unabhängigkeit der Mandatsausübung und die Bereitschaft, das Mandat in den Mittelpunkt der Tätigkeit zu stellen, aus...."

231

3. Art.48 Abs.2 Satz 1 GG, wonach niemand gehindert werden darf, das Amt eines Abgeordneten zu übernehmen und auszuüben, steht Regelungen nicht entgegen, mit denen der Gesetzgeber auf der Grundlage des Art.38 Abs.3 GG die verfassungsrechtliche Stellung des Abgeordneten in Übereinstimmung mit Art.38 Abs.1 Satz 2 GG konkretisiert. Art.48 GG enthält ergänzende Vorschriften zur Sicherung des passiven Wahlrechts und des freien Mandats, aber keine normativen Aussagen zu diesem selbst. Nach Art.38 Abs.1 Satz 2 GG zulässige Regelungen der Pflichtenstellung des Abgeordneten sind keine nach Art.48 Abs.2 GG unzulässigen Behinderungen (vgl BVerfGE_42,312 <326 f>; zum Ganzen H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art.48 Rn.22, 33). Die von den Antragstellern verfochtene Auslegung dieser Vorschrift als Benachteiligungsverbot in dem Sinne, dass der Deutsche Bundestag die Rechte und Pflichten der Abgeordneten nicht in einer Weise regeln darf, die im Hinblick auf eine Berufsausübung neben dem Mandat belastende Auswirkungen haben und damit das Interesse an der Übernahme eines Mandats vermindern könnten, kehrt die Rangfolge der Regelungsgehalte von Art.38 und Art.48 GG um und macht die Gestaltung des Parlamentsrechts abhängig von außerparlamentarischen Umständen.

232

4. Die von den Antragstellern angegriffene Bestimmung des § 44a Abs.1 AbgG ist mit Art.38 Abs.1 Satz 2 GG vereinbar. Der Gesetzgeber durfte in Wahrnehmung seiner Kompetenz gemäß Art.38 Abs.3 GG das verfassungsrechtliche Leitbild des Abgeordneten in dem Sinne nachzeichnen, dass die Ausübung des Mandats im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Deutschen Bundestages steht (§ 44a Abs.1 Satz 1 AbgG) und unbeschadet dieser Verpflichtung Tätigkeiten beruflicher oder anderer Art neben dem Mandat zulässig bleiben (44a Abs.1 Satz 2 AbgG).

 

Auszug aus BVerfG U, 04.07.07, - 2_BvE_1/06 -, www.BVerfG.de,  Abs.207

§§§

07.007 Anschlusspfändung
 
  1. BGH,     U, 05.07.07,     – III_ZR_143/06 –

  2. www.BGH.de = JURION = NJW-RR_08,338 -40 = MDR_07,1274 -76

  3. BGB_§_839; ZPO_§_826 Abs.3; GVGA_§_136 Nr.2 + 3

  4. Amtshaftung

 

Hat ein Dritter nach einer Erstpfändung beim Schuldner gegenüber dem Gerichtsvollzieher an einem Gegenstand ein die Veräußerung hinderndes Recht geltend gemacht, muss ihn der Gerichtsvollzieher über eine Anschlusspfändung desselben Gegenstands unterrichten, damit er Gelegenheit erhält, von dem Gläubiger eine Freigabe zu erwirken oder gegen ihn nach § 771 ZPO vorzugehen.

§§§

07.008 Leasing-Kfz-Unfall
 
  1. BGH,     U, 10.07.07,     – VI_ZR_199/06 –

  2. www.BGH.de = JURION = BGHZ_173,182 -88 = NJW_07,3120 -22 = MDR_007,1307 -08

  3. BGB_§_254, BGB_§_823; StVG_§_9, StVG_§_17

  4. Amtshaftung

 

Ein Leasinggeber, der Eigentümer aber nicht Halter des Leasing-Kraftfahrzeugs ist, muss sich im Rahmen der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach § 823 BGB wegen Verletzung seines Eigentums am Leasingfahrzeug bei einem Verkehrsunfall weder ein Mitverschulden des Leasingnehmers oder des Fahrers des Leasingfahrzeugs noch dessen Betriebsgefahr anspruchsmindernd zurechnen lassen.

§§§

07.009 Steuerrechtliche Folgen
 
  1. BGH,     U, 20.09.07,     – III_ZR_33/07 –

  2. www.BGH.de = JURION = NJW_08,1085 -86 = MDR_08,52 -53

  3. BNotO_§_19 Abs.1 S.1, BNotO_§_14 Abs.1 S.2; BeurkG_§_17 Abs.1; AO_§_75 Abs.1; HGB_§_25 Abs.1 + 2;

  4. Amtshaftung / Notarhaftung

 

1) Der Notar ist regelmäßig nicht nach § 17 Abs.1 Satz 1 BeurkG aufgrund seiner Pflicht zur Rechtsbelehrung oder seiner allgemeinen Betreuungspflicht aus § 14 Abs.1 Satz 2 BNotO gehalten, auf steuerrechtliche Folgen des beurkundeten Geschäfts hinzuweisen. Ihn trifft hinsichtlich des Entstehens einer Umsatzsteuerpflicht keine allgemeine Belehrungspflicht.

 

2) Korrigiert ein Notar einen Teilaspekt einer ihm von den Urkundsbeteiligten vorgegebenen steuerlichen Gestaltung des Geschäfts, so beschränkt sich seine Prüfungs- und Belehrungspflicht regelmäßig auf diesen Teilaspekt.

 

3) Den Notar trifft keine allgemeine Belehrungspflicht, wer eine in Folge des beurkundeten Rechtsgeschäfts anfallende Umsatzsteuerpflicht zu tragen hat oder dafür haftet, soweit nicht besondere Umstände eine Belehrung erfordern. Ein Hinweis auf die Haftung nach § 75 AO ist jedoch erforderlich, wenn in einem Unternehmenskaufvertrag die Haftung nach § 25 Abs.1 HGB gemäß 25 Abs.2 HGB ausgeschlossen wird.

§§§

07.010 Rettungsleitstelle
 
  1. BGH,     U, 25.09.07,     – KZR_48/05 –

  2. www.BGH.de = JURION = NVwZ-RR_08,79 -80

  3. (BW) RDG_§_6 Abs.1

  4. Amtshaftung

 

In Baden-Württemberg handelt die Rettungsleitstelle bei der Lenkung der Einsätze des Rettungsdienstes öffentlich-rechtlich.

§§§

07.011 Negativbescheinigung
 
  1. BGH,     U, 11.10.07,     – III_ZR_301/06 –

  2. www.BGH.de = JURION = MDR_08,22 -24

  3. BGB_§_839; VermG_§_3 Abs.5

  4. Amtshaftung

 

Erteilt das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen eine fehlerhafte Negativbescheinigung gemäß § 3 Abs.5 VermG, so ist auch die Treuhandanstalt (Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben) als Verfügungsberechtigte geschützte Dritte.

§§§

07.012 Versagung-Baugenehmigung
 
  1. BGH,     U, 25.10.07,     – III_ZR_62/07 –

  2. www.BGH.de = JURION = BauR_08,494 ,96 = MDR_08,82 -83

  3. BGB_§_839; DDR-StHG_§_1; GG_Art.14

  4. Amtshaftung

 

Zur Schadenszurechnung bei einem Amts- und Staatshaftungsanspruch wegen rechtswidriger Versagung einer Baugenehmigung.

 

LB 2) Inhaltlich ist der Schadensersatzanspruch wegen pflichtwidriger Verweigerung oder Verzögerung einer beantragten Baugenehmigung grundsätzlich auf den Ausgleich aller Nachteile gerichtet, die bei pflichtgemäßem Handeln der Behörde vermieden worden wären. Der Geschädigte ist also so zu stellen, wie wenn sein Gesuch rechtzeitig und zutreffend beschieden worden wäre.

 

LB 3) Solange eine Amtspflichtverletzung nicht begangen ist, kann insoweit kein "Rechtsmittel" eingelegt werden.

 

LB 3) Eine Unterlassung kann somit allenfalls nach § 254 BGB beurteilt werden; nimmt der Bauherr indessen im Vertrauen auf die tatsächlich bestehende Rechtslage von einer Bauvoranfrage Abstand, so begründet dies allein noch keinen Mitverschuldensvorwurf.

§§§

07.013 Überschuldung
 
  1. BGH,     B, 05.11.07,     – II_ZR_262/06 –

  2. www.BGH.de = JURION = NJW-RR_08,495 -96 = BB_08,189

  3. GmbHG_§_64 Abs.2; ZPO_§_138

  4. GmbH-Recht

 

Der Insolvenzverwalter genügt seiner Darlegungslast zum Merkmal der Überschuldung, wenn er eine Handelsbilanz mit dem Ausweis eines nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages vorlegt und erläutert, ob und gegebenenfalls welche Abweichungen nach Insolvenzrecht bestehen und dass danach eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne gegeben ist. Dabei hat er auf den Gegenvortrag des beklagten Geschäftsführers ein-zugehen.

 

b) Zahlungen des Geschäftsführers nach Insolvenzreife sind dann mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar i.S. des § 64 Abs.2 Satz 2 GmbHG, wenn durch sie größere Nachteile für die Insolvenzmasse abgewendet werden sollen (vgl. BGHZ_146,264, 274 f. m. Nachw.).

§§§

07.014 Entwässerungseinrichtungen
 
  1. BGH,     U, 22.11.07,     – III_ZR_280/06 –

  2. www.BGH.de = JURION = NVwZ-RR_08,169 -70 = MDR_08.207 -08

  3. BGB_§_839; ZPO_§_286

  4. Amtshaftung

 

Zu den Pflichten eines Entwässerungsverbands, bei einem absehbaren längerfristigen Ausfall von Entwässerungseinrichtungen Ersatz- und Vorsorgemaßnahmen zu treffen.

 

b) Es besteht kein Anscheinsbeweis dahin, dass die Überschwemmung des Grundstücks eines Verbandsmitglieds auf das Abschalten eines Schöpfwerks zurückzuführen ist, wenn Vorkehrungen für eine anderweitige Ableitung des Niederschlagswassers getroffen waren.

§§§

07.015 Streitverkündung
 
  1. BGH,     U, 06.12.07,     – IX_ZR_143/06 –

  2. www.BGH.de = JURION = BGHZ_175,1 -12 = NJW_08,519 -22 = BauR_08,711 -16 = MDR_08,281 -82

  3. BGB_§_204 Abs.1 Nr.6; ZPO_§_72 Abs.1, ZPO_§_73

  4. Prozessrecht

 

1) Die Verjährung wird nur durch eine zulässige Streitverkündung gehemmt.

 

2) Im Prozess gegen den subsidiär haftenden Notar ist die Streitverkündung gegen einen vorrangig haftenden Schädiger unzulässig.

§§§

  Amtshaftung - 2007 [  ›  ]

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