1999  
 [ 1998 ]       [ 2000 ][  ‹  ]
99.001 Beförderungsdienstposten
 
  1. OVG-RP,     U, 15.01.99,     – 2_A_12143/98 –

  2. JURION = RiA_99,153 -57 = DVBl_99,941 (L)

  3. GG_Art.33 Abs.2; (RP) LBG_§_10 Abs.1

  4. Bewerberauswahl

 

1) Verstößt der Dienstherr bei einer beamtenrechtlichen Auswahlentscheidung schuldhaft gegen die in § 10 Abs.1 LBG festgelegten Auslesekriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung, kann ihn der übergangene Bewerber auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn der Fehler adäquat-kausal zu einem Schaden des Beamten geführt hat (im Anschluß an BVerwGE_80,123)

 

2) Die Auslesekriterien des § 10 Abs.1 LBG gelten nicht nur für statusrechtliche Entscheidungen, insbesondere Beförderungen, sondern auch für die Übertragung sogenannter Beförderungsdienstposten.

 

3) Auf die Schwerbehinderung eines Bewerbers darf die Auswahlentscheidung nur gestützt werden, wenn für eine Auslese nach leistungsbezogenen Kriterien - auf der Grundlage eines schlüssigen Konzepts des Dienstherrn - kein Raum ist.

 

4) Zur sogenannten Kollegialgerichtsregel, wonach einen Beamten idR kein Verschulden trifft, wenn ein Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat.

§§§

99.002 Erfüllungsanspruch
 
  1. BGH,     U, 25.02.99,     – IX_ZR_240/98 –

  2. lexetius.com = JURION = NJW_99,2038 -41 = VersR_00.1023 -26 = WM_99,978 -80

  3. DDR-NotVO_§_18; BNotO_§_19 Abs.1 S.2; BGB_§_254

  4. Amtshaftung / Notarhaftung

 

a) Auch Erfüllungsansprüche gegen den Vertragspartner kommen als anderweitige Ersatzmöglichkeit in Betracht, wenn durch eine Amtspflichtverletzung eines Notars bereits ein Schaden entstanden ist.

 

b) Das Verweisungsprivileg aus § 19 Abs.1 Satz 2 BNotO greift auch dann ein, wenn der Geschädigte eine früher vorhandene anderweitige Ersatzmöglichkeit schuldhaft versäumt hat; eine Abwägung des beiderseitigen Verschuldens findet nicht statt.

§§§

99.003 Denkmalschutz
 
  1. BVerfG,     B, 02.03.99,     – 1_BvL_7/91 –

  2. www.BVerfG.de = www.dfr/BVerfGE = BVerfGE_100,226 = = NJW_99,2877 -80

  3. GG_Art.14; (RP) DSchPflG_§_13 Abs.1 S.2, DSchPflG_§_31 Abs.1 S.2

  4. Amtshaftung

T-99-04

1) Denkmalschutzrechtliche Regelungen, die Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmen, sind mit Art.14 Abs.1 GG unvereinbar, wenn sie unverhältnismäßige Belastungen des Eigentümers nicht ausschließen und keinerlei Vorkehrungen zur Vermeidung derartiger Eigentumsbeschränkungen enthalten.

Abs.94

2) Ausgleichsregelungen, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in besonderen Härtefällen wahren sollen, sind unzulänglich, wenn sie sich darauf beschränken, dem Betroffenen einen Entschädigungsanspruch in Geld zuzubilligen. Die Bestandsgarantie des Art.14 I 1 GG verlangt, daß in erster Linie Vorkehrungen getroffen werden, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real vermeiden und die Privatnützigkeit des Eigentums so weit wie möglich erhalten. ]c> Abs.99 ]c[ 3) Wie der Gesetzgeber auf normativer Ebene mit der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums auch Voraussetzungen, Art und Umfang des Ausgleichs sonst unverhältnismäßiger Belastungen zu regeln hat, muß die Verwaltung bei der Aktualisierung der Eigentumsbeschränkung zugleich über den gegebenenfalls erforderlichen Ausgleich zumindest dem Grunde nach entscheiden. Die Voraussetzungen dafür muß der Gesetzgeber schaffen.

Abs.99

3) Wie der Gesetzgeber auf normativer Ebene mit der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums auch Voraussetzungen, Art und Umfang des Ausgleichs sonst unverhältnismäßiger Belastungen zu regeln hat, muß die Verwaltung bei der Aktualisierung der Eigentumsbeschränkung zugleich über den gegebenenfalls erforderlichen Ausgleich zumindest dem Grunde nach entscheiden. Die Voraussetzungen dafür muß der Gesetzgeber schaffen.

Abs.106

4) § 13 I 2 RhPfDenkmSchPflG ist mit der Eigentumsgarantie des Art.14 I GG unvereinbar.

* * *

T-99-04Verwaltungsakt: eigentumsbeschränkender

86

"Nach diesen Grundsätzen steht § 13 Abs.1 Satz 2 DSchPflG mit Art.14 Abs.1 GG nicht im Einklang.

87

1. Die Regelung, die eine Berücksichtigung von Eigentümerbelangen - anders als andere Landesdenkmalschutzgesetze - nicht vorsieht, schränkt die Rechte der von ihr betroffenen Eigentümer in bestimmten Fallgestaltungen unverhältnismäßig stark ein.

88

a) Der Schutz von Kulturdenkmälern ist ein legitimes gesetzgeberisches Anliegen, Denkmalpflege eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang, die einschränkende Regelungen im Sinne von Art.14 Abs.1 Satz 2 GG rechtfertigt. Die Verfassung für Rheinland-Pfalz vom 18.Mai 1947 (VOBl S.209, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Oktober 1995 ) verpflichtet zudem in Art.40 Abs.3 das Land, die Denkmäler der Kunst und der Geschichte in seine Obhut und Pflege zu nehmen.

89

b) Der Genehmigungstatbestand des § 13 Abs.1 Satz 2 DSchPflG ist geeignet und erforderlich, den Zweck des Gesetzes zu erfüllen. Da die Beseitigung eines Kulturdenkmals nur genehmigt werden darf, wenn andere Erfordernisse des Gemeinwohls die Belange des Denkmalschutzes überwiegen, und zu prüfen ist, ob den überwiegenden Erfordernissen des Gemeinwohls nicht auf andere Weise Rechnung getragen werden kann, ist die Bewahrung geschützter Kulturdenkmäler in allen sonstigen Fällen gesichert. Ein anderes, gleich wirksames, aber das Eigentum weniger beeinträchtigendes Mittel ist nicht erkennbar.

90

c) Die Anwendung der Norm führt im Regelfall auch nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Eigentümers im engeren Sinn. Dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung eines geschützten Denkmals kann nur durch Inpflichtnahme des Eigentümers des Grundstücks und Gebäudes Rechnung getragen werden, dessen Eigentum daher einer gesteigerten Sozialbindung unterliegt. Sie ergibt sich aus der Situationsgebundenheit, hier der Lage und Beschaffenheit des Grundstücks (vgl BVerwGE_94,1 <4>; BGHZ_105,15 <18> jeweils mwN; BayObLG, BayVBl 1999, S.251 <252>).

91

Durch das Beseitigungsverbot wird die bestehende Nutzung eines Baudenkmals nicht eingeschränkt. Angesichts des hohen Ranges des Denkmalschutzes und im Blick auf Art.14 Abs.2 Satz 2 GG muß der Eigentümer es grundsätzlich hinnehmen, daß ihm möglicherweise eine rentablere Nutzung des Grundstücks verwehrt wird. Art.14 Abs.1 GG schützt nicht die einträglichste Nutzung des Eigentums (vgl BVerfGE_91,294 <310>).

87

d) Anders liegt es aber, wenn für ein geschütztes Baudenkmal keinerlei sinnvolle Nutzungsmöglichkeit mehr besteht. Dazu kann es kommen, wenn die ursprüngliche Nutzung infolge geänderter Verhältnisse hinfällig wird und eine andere Verwendung, auf die der Eigentümer in zumutbarer Weise verwiesen werden könnte, sich nicht verwirklichen läßt. Wenn selbst ein dem Denkmalschutz aufgeschlossener Eigentümer von einem Baudenkmal keinen vernünftigen Gebrauch machen und es praktisch auch nicht veräußern kann, wird dessen Privatnützigkeit nahezu vollständig beseitigt. Nimmt man die gesetzliche Erhaltungspflicht hinzu, so wird aus dem Recht eine Last, die der Eigentümer allein im öffentlichen Interesse zu tragen hat, ohne dafür die Vorteile einer privaten Nutzung genießen zu können. Die Rechtsposition des Betroffenen nähert sich damit einer Lage, in der sie den Namen "Eigentum" nicht mehr verdient. Die Versagung einer Beseitigungsgenehmigung ist dann nicht mehr zumutbar. Erfordert das Allgemeinwohl nach Auffassung des Gesetzgebers dennoch die Erhaltung des geschützten Kulturdenkmals, wie es bei Bauwerken hoher kulturhistorischer Bedeutung denkbar ist, kann dies nur auf dem Wege der Enteignung (§ 30 Abs.1 Nr.1 DSchPflG) erreicht werden.

93

Wo die Grenze der Zumutbarkeit im einzelnen verläuft und in welchem Umfang Eigentümer von der zur Prüfung gestellten Norm in unzumutbarer Weise getroffen werden, kann offen bleiben. Die Verfassungswidrigkeit von § 13 Abs. 1 Satz 2 DSchPflG folgt bereits daraus, daß die Norm unverhältnismäßige Belastungen des Eigentümers nicht ausschließt und keinerlei Vorkehrungen zur Vermeidung derartiger Eigentumsbeschränkungen enthält.

94

2. An der Unverhältnismäßigkeit des Beseitigungsverbots in bestimmten Fallgruppen ändert sich durch § 31 Abs.1 Satz 2 DSchPflG nichts. Nach dieser sogenannten salvatorischen Klausel hat das Land eine angemessene Entschädigung zu leisten, wenn eine auf das Denkmalschutzgesetz gestützte Maßnahme zwar die bisherige Nutzung unberührt läßt (Satz 1), aber dennoch ("in sonstiger Weise") enteignend wirkt. Zwar kann der Gesetzgeber unzumutbare Auswirkungen einer den Inhalt des Eigentums bestimmenden Regelung grundsätzlich - wenngleich nicht uneingeschränkt - durch Ausgleichsmaßnahmen verhindern (a). § 31 Abs.1 Satz 2 DSchPflG kann diese Funktion aber nicht erfüllen, weil die Vorschrift den Anforderungen, die an eine Ausgleichsregelung zu stellen sind (b), nicht genügt (c).

95

a) Inhalts- und Schrankenbestimmungen, die für sich genommen unzumutbar wären, aber vom Gesetzgeber mit Ausgleichsmaßnahmen verbunden sind, können ausnahmsweise mit Art.14 Abs.1 GG im Einklang stehen.

96

aa) Es ist dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, eigentumsbeschränkende Maßnahmen, die er im öffentlichen Interesse für geboten hält, auch in Härtefällen durchzusetzen, wenn er durch kompensatorische Vorkehrungen unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Belastungen des Eigentümers vermeidet und schutzwürdigem Vertrauen angemessen Rechnung trägt (vgl BVerfGE_58,137 <149 f>; BVerfGE_79,174 <192>; BVerfGE_83,201 <212 f> ). Durch einen solchen Ausgleich kann in bestimmten Fallgruppen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer sonst unverhältnismäßigen oder gleichheitswidrigen Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art.14 Abs.1 Satz 2 GG herbeigeführt werden.

97

bb) Ausgleichsregelungen sind freilich nicht generell ein verfassungsrechtlich zulässiges Mittel, unverhältnismäßige Eigentumsbeschränkungen mit Art.14 Abs.1 GG in Einklang zu bringen. Normen, die Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmen, müssen grundsätzlich auch ohne Ausgleichsregelungen die Substanz des Eigentums wahren und dem Gleichheitsgebot entsprechen (vgl BVerfGE_79,174 <198> mwN). Wo ausnahmsweise die Anwendung des Gesetzes zu einer unzumutbaren Belastung des Eigentümers führt, können Ausgleichsregelungen aber zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit und zum Ausgleich gleichheitswidriger Sonderopfer in Betracht kommen.

98

cc) Kompensatorische Maßnahmen helfen schließlich in den Fällen nicht weiter, in denen weder mit technischen oder administrativen noch mit finanziellen Mitteln ein Ausgleich gefunden werden kann, der dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht und damit vor Art.14 Abs.1 GG standhält. Eine solche Lage kann im hier einschlägigen Bereich etwa dann vorliegen, wenn der Erhaltung eines Denkmals in der gegebenen Situation verhältnismäßig geringes Gewicht zukommt, die Belange des Eigentümers aber besonders schutzwürdig und nicht rein finanzieller Natur sind. Für solche Härtefälle muß das Gesetz eine Beseitigung des Baudenkmals im Rahmen einer Dispensvorschrift zulassen, um uneingeschränkt mit der Eigentumsgarantie im Einklang zu stehen.

99

b) Ausgleichsregelungen im Anwendungsbereich des Art.14 Abs.1 Satz 2 GG müssen den folgenden Anforderungen entsprechen:

101

bb) Ausgleichsregelungen, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in besonderen Härtefällen wahren sollen, sind unzulänglich, wenn sie sich darauf beschränken, dem Betroffenen einen Entschädigungsanspruch in Geld zuzubilligen. Die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verlangt, daß in erster Linie Vorkehrungen getroffen werden, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real vermeiden und die Privatnützigkeit des Eigentums so weit wie möglich erhalten. Als Instrumente stehen dem Gesetzgeber hierfür Übergangsregelungen, Ausnahme- und Befreiungsvorschriften sowie der Einsatz sonstiger administrativer und technischer Vorkehrungen zur Verfügung. Ist ein solcher Ausgleich im Einzelfall nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich, kann für diesen Fall ein finanzieller Ausgleich in Betracht kommen, oder es kann geboten sein, dem Eigentümer einen Anspruch auf Übernahme durch die öffentliche Hand zum Verkehrswert einzuräumen.

102

cc) Wie der Gesetzgeber auf normativer Ebene mit der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums auch Voraussetzungen, Art und Umfang des Ausgleichs sonst unverhältnismäßiger Belastungen zu regeln hat, muß die Verwaltung bei der Aktualisierung der Eigentumsbeschränkung zugleich über den gegebenenfalls erforderlichen Ausgleich zumindest dem Grunde nach entscheiden (ebenso Hermes, NVwZ 1990, S.733 f).

103

Ein Eigentümer, der einen ihn in seinem Grundrecht aus Art.14 Abs.1 S.1 GG beeinträchtigenden Verwaltungsakt für unverhältnismäßig hält, muß ihn im Verwaltungsrechtsweg anfechten. Läßt er ihn bestandskräftig werden, so kann er eine Entschädigung auch als Ausgleich im Rahmen von Art.14 I 2 GG nicht mehr einfordern (vgl BVerfGE_58,300 (324) = NJW_82,745). Der Betroffene muß sich daher entscheiden, ob er den die Eigentumsbeschränkung aktualisierenden Eingriffsakt hinnehmen oder anfechten will. Diese Entscheidung kann er sinnvoll nur treffen, wenn er weiß, ob ihm ein Ausgleich zusteht. Es ist dem Betroffenen nicht zuzumuten, einen Verwaltungsakt, den er für unvereinbar mit der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes hält, in der unsicheren Erwartung eines nachträglich in einem anderen Verfahren zu bewilligenden Ausgleichs bestandskräftig werden zu lassen. Auch die Verwaltungsgerichte müssen, um die Rechtsmäßigkeit eines in Eigentumspositionen eingreifenden Verwaltungsaktes abschließend beurteilen zu können, wissen, ob und in welcher Weise eine anderenfalls unzumutbare Belastung ausgeglichen wird.

104

Der Gesetzgeber hat seine materiellrechtlichen Ausgleichsregelungen deshalb durch verwaltungsverfahrensrechtliche Vorschriften zu ergänzen, die sicherstellen, daß mit einem die Eigentumsbeschränkung aktualisierender Verwaltungsakt zugleich über einen dem belasteten Eigentümer gegebenenfalls zu gewährenden Ausgleich entschieden wird; bei finanzieller Kompensation ist zumindest dem Grunde nach über das Bestehen des Anspruchs zu entscheiden.

105

c) Die salvatorische Klausel des § 31 Abs.1 Satz 2 DSchPflG genügt diesen Anforderungen nicht. Weder sieht sie vor, daß eine verfassungswidrige Inanspruchname des Eigentums in erster Linie durch Ausnahme- und Befreiungsregelungen sowie sonstige administrative und technische Vorkehrungen vermieden werden soll, noch regelt sie das Verwaltungsverfahren so, daß dem Rechtsschutz des Betroffenen in der dargelegten Weise Rechnung getragen wird. Schon deshalb bietet sie keine verfassungsrechtlich ausreichende Grundlage, unverhältnismäßige Eingriffe aufgrund von § 13 Abs.1 Satz 2 DSchPflG auszugleichen. Ob für die Vorschrift, die weder als Grundlage einer Enteigungsentschädigung im Sinne von Art.14 Abs.3 Satz 2 und 3 GG noch als Ausgleichsregelung im Rahmen der gesetzlichen Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art.14 Abs.1 Satz 2 GG in Betracht kommt, angesichts ihres Wortlauts, der Gesetzessystematik und des Willens des Gesetzgebers überhaupt noch ein Anwendungsbereich verbleibt, ist von den zuständigen Gerichten zu entscheiden.

106

Die Unvereinbarkeit des § 13 Abs.1 Satz 2 DSchPflG mit Art.14 Abs.1 GG führt nicht zur Nichtigkeit der Vorschrift. Das Bundesverfassungsgericht kann von dem Ausspruch dieser Rechtsfolge absehen, wenn der Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten hat, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen. 107

107

So liegt es hier. Die Nichtigkeit des § 13 Abs.1 Satz 2 DSchPflG hätte nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auffassung des vorlegenden Gerichts zur Folge, daß die Beseitigung eines geschützten Kulturdenkmals weiterhin genehmigungsbedürftig bliebe, die Denkmalschutzbehörde über einen entsprechenden Antrag aber nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden und dabei auch die Belange des Eigentümers zu berücksichtigen hätte. In Fällen, in denen dem Eigentümer die Erhaltung des Denkmals nicht zumutbar ist, müßte das Ermessen verfassungskonform dahin ausgeübt werden, daß die Genehmigung zum Abbruch des Denkmals erteilt wird. Damit wäre aber die Absicht des Gesetzgebers durchkreuzt, eine Beseitigung von Kulturdenkmälern nur im übergeordneten öffentlichen Interesse hinzunehmen, obwohl er seine Absicht - wie dargelegt - in verfassungskonformer Weise verwirklichen kann. Diese Alternative würde jedenfalls zeitweise versperrt, wenn § 13 Abs.1 Satz 2 DSchPflG für nichtig erklärt würde.

108

Dem Gesetzgeber wird eine Frist bis zum 30.Juni 2001 gesetzt, innerhalb derer er sich entscheiden muß, ob er den Denkmalschutz mit Hilfe von Befreiungs- und Ausgleichsregelungen soweit verfassungsrechtlich möglich aufrechterhalten oder ob er die vom Oberverwaltungsgericht für den Fall der Nichtigkeit des § 13 Abs.1 Satz 2 DSchPflG angenommene Rechtsfolge eintreten lassen und damit eine Beseitigung von Kulturdenkmälern hinnehmen will, wenn ihre Erhaltung dem Eigentümer nicht zugemutet werden kann.

109

Bis der Gesetzgeber eine Neuregelung getroffen hat - längstens bis zum Ablauf der Frist -, kann über Anträge auf Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Beseitigungsgenehmigung nicht abschließend entschieden werden, wenn die Beseitigung nicht im öffentlichen Interesse erlaubt werden soll. Sofern § 13 Abs.1 Satz 2 DSchPflG einer Beseitigung nicht im Wege steht, sind Positionen, die durch Art.14 Abs.1 GG geschützt werden, nicht beeinträchtigt. Das Grundgesetz steht daher einer weiteren Anwendung der Norm in diesem Umfang nicht entgegen. Beseitigungsgenehmigungen aus Rücksichtnahme auf die privaten Belange des Denkmaleigentümers können hingegen nicht erteilt werden, ohne den erkennbaren Zweck des Gesetzes zu vereiteln. Anhängige Genehmigungsverfahren und Verwaltungsrechtsstreitigkeiten sind längstens bis zum 30. Juni 2001 auszusetzen, wenn nicht vorher eine Neuregelung getroffen ist."

 

Auszug aus BVerfG B, 02.03.99, - 1_BvL_7/91 -, NJW_99,2877,  86 ff

§§§

99.004 Tagesbrüche wegen Bergschäden
 
  1. BGH,     U, 29.07.99,     – III_ZR_234/97 –

  2. JURION = lexetius.com = BGHZ_142,259 -78 = ZfS_99,509 -14 = DVBl_99,1507 -13 = NJW_00,427 -32

  3. BGB_§_839; BauGB_§_1, BauGB_§_246 Abs.1 Nr.6; (DDR) BauZVO_§_55

  4. Amtspflicht

 

1) Die Amtsträger einer Gemeinde haben die Amtspflicht, bei der Aufstellung von Bebauungsplänen Gefahren für die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung (hier: aus Tagesbrüchen wegen Bergschäden) zu vermeiden (im Anschluß an die sogenannte Altlasten-Rechtsprechung des Senats, BGHZ_106,323; BGHZ_123,363 ).

 

2) In den Schutzbereich dieser Amtspflicht fallen bei vom Bauherrn nicht beherrschbaren Berggefahren auch solche Schäden, die auf mangelnder Standsicherheit des Gebäudes infolge von Baugrundrisiken beruhen (Abgrenzung zu BGHZ_39,358; BGHZ_123,363 (367)). Entsprechendes gilt für eine wegen Berggefahren rechtswidrig erteilte Baugenehmigung.

 

3) Ein schutzwürdiges Vertrauen in die Festsetzungen des Bebauungsplanes oder eines von der Gemeinde nach § 256a Abs.1 Nr.6 BauGB (aF), § 55 BauZVO gebilligten Vorhabens- und Erschließungsplanes kann grundsätzlich erst mit der Bekanntmachung der genehmigten Satzung entstehen.

 

4) Die Erteilung einer wegen drohender Bergschäden rechtswidrigen Baugenehmigung begründet nur dann eine Haftung nach § 1 StHG, wenn der Genehmigungsbehörde bei Anlegung eines objektiven Sorgfaltsmaßstabes Gefahren für die Standsicherheit des Bauwerks erkennbar waren.

§§§

99.005 Caroline von Monaco II
 
  1. BVerfG,     U, 15.12.99,     – 1_BvR_653/96 –

  2. www.BVerfG.de = www.dfr/BVerfGE = BVerfGE_101,361 = = NJW_00,1021 = JuS_01,912 -14 = DVBl_00,353 -56

  3. GG_Art.1 Abs.1, GG_Art.2 Abs.1; GG_Art.5 Abs.1 S.2, GG_Art.6 Abs.1, GG_Art.6 Abs.2; KUG_§_22, KUG_§_23

  4. Verfassimgsrecjt

Abs.66

1) Die von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG geschützte Privatsphäre ist nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt. Der Einzelne muß grundsätzlich die Möglichkeit haben, sich auch an anderen, erkennbar abgeschiedenen Orten von Bildberichterstattung unbehelligt zu bewegen.

Abs.82

2) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der eigenen Person gewährleistet. Der Schutz der Privatsphäre vor Abbildungen tritt zurück, soweit sich jemand selbst damit einverstanden zeigt, daß bestimmte, gewöhnlich als privat angesehene Angelegenheiten öffentlich gemacht werden. ]c> Abs.84 ]c[ 3) Der Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Eltern oder Elternteilen erfährt eine Verstärkung durch Art.6 Abs.1 und 2 GG, soweit es um die Veröffentlichung von Abbildungen geht, die die spezifisch elterliche Hinwendung zu den Kindern zum Gegenstand haben.

Abs.84

3) Der Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Eltern oder Elternteilen erfährt eine Verstärkung durch Art.6 Abs.1 und 2 GG, soweit es um die Veröffentlichung von Abbildungen geht, die die spezifisch elterliche Hinwendung zu den Kindern zum Gegenstand haben.

Abs.98

4) Die in Art.5 Abs.1 Satz 2 GG enthaltene Gewährleistung der Pressefreiheit umfaßt auch unterhaltende Publikationen und Beiträge sowie deren Bebilderung. Das gilt grundsätzlich auch für die Veröffentlichung von Bildern, die Personen des öffentlichen Lebens in alltäglichen oder privaten Zusammenhängen zeigen.

* * *

Urteil

Entscheidungsformel:

Die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 19.Dezember 1995 - VI ZR 15/95 -, des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 8.Dezember 1994 - 3 U 64/94 - und des Landgerichts Hamburg vom 4.Februar 1994 - 324 O 537/93 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit ihr Begehren auch bezüglich dreier in der Illustrierten "Bunte" Nr.32 vom 5.August 1993 und Nr.34 vom 19.August 1993 veröffentlichter Bilder abgelehnt worden ist, die die Beschwerdeführerin mit ihren Kindern zeigen. In diesem Umfang und hinsichtlich der Kostenentscheidung wird das Urteil des Bundesgerichtshofs aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin ein Drittel der notwendigen Auslagen zu erstatten.

* * *

T-99-17Allg-Persönlichkeitsrecht + Privatsphäre

66

"Die angegriffenen Urteile berühren das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin aus Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG.

67

1. Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erstreckt sich auch auf Abbildungen einer Person durch Dritte.

68

a) Dem Grundrecht kommt die Aufgabe zu, Elemente der Persönlichkeit zu gewährleisten, die nicht Gegenstand der besonderen Freiheitsgarantien des Grundgesetzes sind, diesen aber in ihrer konstituierenden Bedeutung für die Persönlichkeit nicht nachstehen (vgl BVerfGE_54,148 <153>; BVerfGE_99,185 <193>). Die Notwendigkeit einer solchen lückenschließenden Gewährleistung besteht insbesondere im Blick auf neuartige Gefährdungen der Persönlichkeitsentfaltung, die meist in Begleitung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts auftreten (vgl BVerfGE_54,148 <153>; BVerfGE_65,1 <41>). Die Zuordnung eines konkreten Rechtsschutzbegehrens zu den verschiedenen Aspekten des Persönlichkeitsrechts muß daher vor allem im Blick auf die Persönlichkeitsgefährdung erfolgen, die den konkreten Umständen des Anlaßfalls zu entnehmen ist.

69

b) Die Befugnis zur Veröffentlichung von Fotografien, die Personen in privaten oder alltäglichen Zusammenhängen abbilden, bemißt sich nach dem Recht am eigenen Bild und der Garantie der Privatsphäre, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht konkretisieren.

70

aa) Ein allgemeines und umfassendes Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person enthält Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht. Soweit sie ein derartiges Recht aus früheren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts entnehmen möchte (vgl BVerfGE_35,202 <220>; BVerfGE_54,148 <155 f>; BVerfGE_63,131 <142>), liegt darin eine unzutreffende Verallgemeinerung des in Ansehung der konkreten Fälle formulierten Schutzgehalts der grundrechtlichen Gewährleistung. Wie das Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach betont hat, gibt das allgemeine Persönlichkeitsrecht dem Einzelnen nicht den Anspruch, nur so von anderen dargestellt zu werden, wie er sich selber sieht oder gesehen werden möchte (vgl BVerfGE_82,236 <269>; BVerfGE_97,125 <149>; BVerfGE_97,391 <403>; BVerfGE_99,185 <194>). Ein derart weiter Schutz würde nicht nur das Schutzziel, Gefährdungen der Persönlichkeitsentfaltung zu vermeiden, übersteigen, sondern auch weit in die Freiheitssphäre Dritter hineinreichen.

71

Die Beschwerdeführerin bemängelt auch gar nicht die Darstellungsweise ihrer Person auf den umstrittenen Fotos, die die Zivilgerichte durchweg als vorteilhaft angesehen haben. Ihr geht es vielmehr um die Frage, ob überhaupt Bilder von ihr gemacht und veröffentlicht werden dürfen, wenn sie sich nicht in offizieller Funktion, sondern in privater Eigenschaft oder alltäglichen Zusammenhängen in der Öffentlichkeit bewegt. Die Antwort auf diese Frage ist denjenigen Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu entnehmen, die das Recht am eigenen Bild und die Privatsphäre schützen.

72

bb) Das Recht am eigenen Bild (vgl BVerfGE_34,238 <246>; BVerfGE_35,202 <220>; BVerfGE_87,334 <340>; BVerfGE_97,228 <268 f>) gewährleistet dem Einzelnen Einfluß- und Entscheidungsmöglichkeiten, soweit es um die Anfertigung und Verwendung von Fotografien oder Aufzeichnungen seiner Person durch andere geht. Ob diese den Einzelnen in privaten oder öffentlichen Zusammenhängen zeigen, spielt dabei grundsätzlich keine Rolle. Das Schutzbedürfnis ergibt sich vielmehr - ähnlich wie beim Recht am eigenen Wort, in dessen Gefolge das Recht am eigenen Bild Eingang in die Verfassungsrechtsprechung gefunden hat (vgl BVerfGE_34,238 <246>) - vor allem aus der Möglichkeit, das Erscheinungsbild eines Menschen in einer bestimmten Situation von diesem abzulösen, datenmäßig zu fixieren und jederzeit vor einem unüberschaubaren Personenkreis zu reproduzieren. Diese Möglichkeit ist durch den Fortschritt der Aufnahmetechnik, der Abbildungen auch aus weiter Entfernung, jüngst sogar aus Satellitendistanz, und unter schlechten Lichtverhältnissen erlaubt, noch weiter gewachsen.

73

Mit Hilfe der Reproduktionstechnik lassen sich die Formen der Öffentlichkeit ändern, in denen der Einzelne erscheint. Insbesondere kann die überschaubare Öffentlichkeit, in der man sich bei normalem Auftreten bewegt, durch die Medienöffentlichkeit ersetzt werden. So unterscheidet sich etwa die Gerichtsöffentlichkeit durch das im Saal anwesende Publikum von der durch das Fernsehen hergestellten Medienöffentlichkeit, weil das Publikum selbst die Geschehnisse erlebt und seinerseits von den Verfahrensbeteiligten wahrgenommen und eingeschätzt werden kann (vgl BVerfG, 3.Kammer des Ersten Senats, NJW 1996, S.581 <583>). Überdies kann sich mit dem Wechsel des Kontextes, in dem eine Abbildung reproduziert wird, auch der Sinngehalt der Bildaussagen ändern oder sogar absichtlich ändern lassen.

74

Unter den verschiedenen Schutzaspekten des Rechts am eigenen Bild erlangt hier allerdings nur derjenige Bedeutung, der die Herstellung bestimmter Fotos und ihre Überführung in eine größere Öffentlichkeit betrifft. Um manipulierte Fotos oder Verfälschungen durch eine Kontextveränderung, auf die der Schutz vor allem zielt, geht es nicht. Die Beschwerdeführerin legt im Gegenteil zugrunde, daß die streitgegenständlichen Fotos und der für ihren Aussagegehalt ebenfalls relevante Begleitartikel in zutreffender Weise Situationen aus ihrem Leben wiedergeben, und zwar so, wie sie auch anwesende Beobachter hätten wahrnehmen können. Sie möchte nur nicht, daß diese Situationen im Bild festgehalten und einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden, weil sie ihrer Meinung nach zu ihrer Privatsphäre gehören.

75

cc) Im Unterschied zum Recht am eigenen Bild bezieht sich der Schutz der Privatsphäre, der ebenfalls im allgemeinen Persönlichkeitsrecht wurzelt, nicht speziell auf Abbildungen, sondern ist thematisch und räumlich bestimmt. Er umfaßt zum einen Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als "privat" eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es etwa bei Auseinandersetzungen mit sich selbst in Tagebüchern ( BVerfGE_80,367 ), bei vertraulicher Kommunikation unter Eheleuten ( BVerfGE_27,344 ), im Bereich der Sexualität ( BVerfGE_47,46; BVerfGE_49,286 ), bei sozial abweichendem Verhalten ( BVerfGE_44,353 ) oder bei Krankheiten ( BVerfGE_32,373 ) der Fall ist. Fehlte es hier an einem Schutz vor der Kenntniserlangung anderer, wären die Auseinandersetzung mit sich selbst, die unbefangene Kommunikation unter Nahestehenden, die sexuelle Entfaltung oder die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe beeinträchtigt oder e unmöglich, obwohl es sich um grundrechtlich geschützt Verhaltensweisen handelt. 7 Zum anderen erstreckt sich der Schutz auf einen räumlichen Bereich, in dem der Einzelne zu sich kommen, sich entspannen oder auch gehen lassen kann (vgl BVerfGE_27,1 <6>). Zwar bietet auch dieser Bereich Gelegenheit, sich in einer Weise zu verhalten, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist und deren Beobachtung oder Darstellung durch Außenstehende für den Betroffenen peinlich oder nachteilig wäre. Im Kern geht es aber um einen Raum, in dem er die Möglichkeit hat, frei von öffentlicher Beobachtung und damit der von ihr erzwungenen Selbstkontrolle zu sein, auch ohne daß er sich dort notwendig anders verhielte als in der Öffentlichkeit. Bestünden solche Rückzugsbereiche nicht mehr, könnte der Einzelne psychisch überfordert sein, weil er unausgesetzt darauf achten müßte, wie er auf andere wirkt und ob er sich richtig verhält. Ihm fehlten die Phasen des Alleinseins und Ausgleichs, die für die Persönlichkeitsentfaltung notwendig sind und ohne die sie nachhaltig beeinträchtigt würde.

77

Ein derartiges Schutzbedürfnis besteht auch bei Personen, die aufgrund ihres Ranges oder Ansehens, ihres Amtes oder Einflusses, ihrer Fähigkeiten oder Taten besondere öffentliche Beachtung finden. Wer, ob gewollt oder ungewollt, zur Person des öffentlichen Lebens geworden ist, verliert damit nicht sein Anrecht auf eine Privatsphäre, die den Blicken der Öffentlichkeit entzogen bleibt. Das gilt auch für demokratisch gewählte Amtsträger, die zwar für ihre Amtsführung öffentlich rechenschaftspflichtig sind und sich in diesem Umfang öffentliche Aufmerksamkeit gefallen lassen müssen, nicht aber für ihr Privatleben, sofern dieses die Amtsführung nicht berührt.

78

Der häusliche Bereich stellt anerkanntermaßen eine solche geschützte Sphäre dar. Wegen des Bezugs auf die Entfaltung der Persönlichkeit darf der Rückzugsbereich jedoch nicht von vornherein auf ihn begrenzt werden. Das gilt schon deshalb, weil die Funktionen, denen er dient, nur erfüllt werden, wenn er nicht an den Hausmauern oder Grundstücksgrenzen endet. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit wäre erheblich behindert, wenn der Einzelne nur im eigenen Haus der öffentlichen Neugier entgehen könnte. Die notwendige Erholung von einer durch Funktionszwänge und Medienpräsenz geprägten Öffentlichkeit ist vielfach nur in der Abgeschiedenheit einer natürlichen Umgebung, etwa an einem Ferienort, zu gewinnen. Deswegen muß der Einzelne grundsätzlich die Möglichkeit haben, sich auch in der freien, gleichwohl abgeschiedenen Natur oder an Örtlichkeiten, die von der breiten Öffentlichkeit deutlich abgeschieden sind, in einer von öffentlicher Beobachtung freien Weise zu bewegen. Das gilt gerade gegenüber solchen Aufnahmetechniken, die die räumliche Abgeschiedenheit überwinden, ohne daß der Betroffene dies bemerken kann.

79

Wo die Grenzen der geschützten Privatsphäre außerhalb des Hauses verlaufen, läßt sich nicht generell und abstrakt festlegen. Sie können vielmehr nur aufgrund der jeweiligen Beschaffenheit des Ortes bestimmt werden, den der Betroffene aufsucht. Ausschlaggebend ist, ob der Einzelne eine Situation vorfindet oder schafft, in der er begründetermaßen und somit auch für Dritte erkennbar davon ausgehen darf, den Blicken der Öffentlichkeit nicht ausgesetzt zu sein.

80

Ob die Voraussetzungen der Abgeschiedenheit erfüllt sind, läßt sich nur situativ beurteilen. Der Einzelne kann sich an ein und demselben Ort zu Zeiten mit gutem Grund unbeobachtet fühlen, zu anderen Zeiten nicht. Auch ist der Aufenthalt in umschlossenen Räumen keineswegs immer mit Abgeschiedenheit gleichzusetzen. Da es um die Frage geht, ob der Einzelne begründetermaßen erwarten darf, unbeobachtet zu sein, oder aber Plätze aufgesucht hat, wo er sich unter den Augen der Öffentlichkeit bewegt, kann es auch in umschlossenen Räumen an der Abgeschiedenheit fehlen, die Voraussetzung für den Privatsphärenschutz außerhalb der eigenen Häuslichkeit ist.

81

Plätzen, an denen sich der Einzelne unter vielen Menschen befindet, fehlt es von vornherein an den Voraussetzungen des Privatsphärenschutzes im Sinn von Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG. Sie können das Rückzugsbedürfnis nicht erfüllen und rechtfertigen deswegen auch nicht den grundrechtlichen Schutz, den dieses Bedürfnis aus Gründen der Persönlichkeitsentfaltung verdient. Der Einzelne kann solche Orte auch nicht etwa durch ein Verhalten, das typischerweise nicht öffentlich zur Schau gestellt würde, in seine Privatsphäre umdefinieren. Nicht sein Verhalten, ob allein oder mit anderen, konstituiert die Privatsphäre, sondern die objektive Gegebenheit der Örtlichkeit zur fraglichen Zeit. Verhält er sich daher an Orten, die nicht die Merkmale der Abgeschiedenheit aufweisen, so, als stünde er nicht unter Beobachtung, hebt er das Schutzbedürfnis für Verhaltensweisen, die an sich die Öffentlichkeit nichts angehen, selbst auf.

82

Der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme entfällt ferner, wenn sich jemand selbst damit einverstanden zeigt, daß bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden, etwa indem er Exklusivverträge über die Berichterstattung aus seiner Privatsphäre abschließt. Der verfassungsrechtliche Privatsphärenschutz aus Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG ist nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der eigenen Person gewährleistet. Zwar ist niemand an einer solchen Öffnung privater Bereiche gehindert. Er kann sich dann aber nicht gleichzeitig auf den öffentlichkeitsabgewandten Privatsphärenschutz berufen. Die Erwartung, daß die Umwelt die Angelegenheiten oder Verhaltensweisen in einem Bereich mit Rückzugsfunktion nur begrenzt oder nicht zur Kenntnis nimmt, muß daher situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht werden. Das gilt auch für den Fall, daß der Entschluß, die Berichterstattung über bestimmte Vorgänge der eigenen Privatsphäre zu gestatten oder hinzunehmen, rückgängig gemacht wird.

83

dd) Was der Privatsphärenschutz für den familiären Umgang zwischen Eltern und Kindern bedeutet, hat das Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden. Es ist aber anerkannt, daß Kinder eines besonderen Schutzes bedürfen, weil sie sich zu eigenverantwortlichen Personen erst entwickeln müssen (vgl BVerfGE_24,119 <144>; BVerfGE_57,361 <383> ). Dieses Schutzbedürfnis besteht auch hinsichtlich der Gefahren, die von dem Interesse der Medien und ihrer Nutzer an Abbildungen von Kindern ausgehen. Deren Persönlichkeitsentfaltung kann dadurch empfindlicher gestört werden als diejenige von Erwachsenen. Der Bereich, in dem Kinder sich frei von öffentlicher Beobachtung fühlen und entfalten dürfen, muß deswegen umfassender geschützt sein als derjenige erwachsener Personen.

84

Für die kindliche Persönlichkeitsentwicklung sind in erster Linie die Eltern verantwortlich. Soweit die Erziehung von ungestörten Beziehungen zu den Kindern abhängt, wirkt sich der besondere Grundrechtsschutz der Kinder nicht lediglich reflexartig zugunsten des Vaters und der Mutter aus (vgl auch BVerfGE_76,1 <44 ff>; BVerfGE_80,81 <91 f>). Vielmehr fällt auch die spezifisch elterliche Hinwendung zu den Kindern grundsätzlich in den Schutzbereich von Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG. Der Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfährt dann eine Verstärkung durch Art.6 Abs.1 und 2 GG, der den Staat verpflichtet, die Lebensbedingungen des Kindes zu sichern, die für sein gesundes Aufwachsen erforderlich sind und zu denen insbesondere die elterliche Fürsorge gehört (vgl BVerfGE_56,363 <384>; BVerfGE_57,361 <382 f>; BVerfGE_80,81 <90 ff>).

85

Wie sich die Verstärkung des Persönlichkeitsschutzes durch Art.6 GG im einzelnen auswirkt, läßt sich nicht generell und abstrakt bestimmen. Zwar wird es regelmäßig an einem Schutzbedürfnis fehlen, wenn sich Eltern mit ihren Kindern bewußt der Öffentlichkeit zuwenden, etwa gemeinsam an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen oder gar in deren Mittelpunkt stehen. Insoweit liefern sie sich den Bedingungen öffentlicher Auftritte aus. Im übrigen kann der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugunsten spezifischer Eltern-Kind-Beziehungen grundsätzlich aber auch dort eingreifen, wo es an den Voraussetzungen der örtlichen Abgeschiedenheit fehlt.

86

2. Die Beschwerdeführerin wird durch die angegriffenen Entscheidungen in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt. Da die Abbildungen den Schutz dieses Grundrechts genießen, beschneidet die gerichtliche Feststellung, daß sie gegen ihren Willen veröffentlicht werden dürfen, den Schutz, auf dessen Beachtung durch die Gerichte sie auch in privatrechtlichen Streitigkeiten Anspruch hat (vgl BVerfGE_7,198 <207>). II.

87

Die angegriffenen Urteile werden den Anforderungen von Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG nicht in vollem Umfang gerecht.

88

1. Die Vorschriften der §§ 22 und 23 KUG, auf die die Zivilgerichte ihre Entscheidungen gestützt haben, sind allerdings mit dem Grundgesetz vereinbar.

89

Gemäß Art.2 Abs.1 GG ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet. Dazu zählen auch die Vorschriften über die Veröffentlichung fotografischer Abbildungen von Personen in §§ 22 und 23 KUG. Die Regelung geht auf einen anstoßerregenden Vorfall (Aufnahmen Bismarcks auf dem Totenbett, vgl RGZ_45,170) und die daran anschließende rechtspolitische Diskussion (vgl. Verhandlungen des 27. DJT, 1904, 4.Band, S.27 ff) zurück und sucht einen angemessenen Ausgleich zwischen der Achtung der Persönlichkeit und den Informationsinteressen der Allgemeinheit herzustellen (vgl. Verhandlungen des Reichstages, 11.Legislaturperiode, II.Session, 1.Sessionsabschnitt 1905/1906, Nr.30, S.1526 <1540 f>).

90

Nach § 22 Satz 1 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Von diesem Grundsatz nimmt § 23 Abs.1 KUG unter anderem Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte aus (Nr.1). Dies gilt gemäß § 23 Abs.2 KUG jedoch nicht für eine Verbreitung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Mit diesem abgestuften Schutzkonzept trägt die Regelung sowohl dem Schutzbedürfnis der abgebildeten Person als auch den Informationswünschen der Öffentlichkeit und den Interessen der Medien, die diese Wünsche befriedigen, ausreichend Rechnung. Das hat das Bundesverfassungsgericht bereits früher festgestellt (vgl BVerfGE_35,202 <224 f>).

91

Die Auffassung der Beklagten, die Regelung verstoße gegen die Pressefreiheit, weil sie auf ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt hinauslaufe, gibt keinen Anlaß zu einer abweichenden Beurteilung. An einem solchen Verbot fehlt es schon deswegen, weil die Normen lediglich unterschiedliche rechtlich geschützte Interessen Privater ausgleichen. Dabei bevorzugt die Regelung den Persönlichkeitsschutz auch nicht einseitig. Zwar trägt sie auf der ersten und der dritten Stufe (§ 22 Satz 1 und § 23 Abs.2 KUG) vor allem dem Schutzbedürfnis der abgebildeten Person Rechnung. Doch kommen auf der zweiten Stufe (§ 23 Abs.1 KUG) die Belange der Pressefreiheit und der hinter dieser stehenden Meinungsbildungsfreiheit ausreichend zur Geltung. Desgleichen bietet sie mit ihren offenen Formulierungen für eine grundrechtskonforme Auslegung und Anwendung ausreichend Raum.

92

2. Auslegung und Anwendung der Vorschriften genügen dagegen nicht durchweg den grundrechtlichen Anforderungen.

93

a) Die Auslegung und Anwendung verfassungsmäßiger Vorschriften des Zivilrechts ist Sache der Zivilgerichte. Sie müssen dabei aber Bedeutung und Tragweite der von ihren Entscheidungen berührten Grundrechte beachten, damit deren wertsetzende Bedeutung auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl BVerfGE_7,198 <205 ff>; stRspr). Dazu bedarf es einer Abwägung zwischen den widerstreitenden grundrechtlichen Schutzgütern, die im Rahmen der auslegungsfähigen Tatbestandsmerkmale der zivilrechtlichen Vorschriften vorzunehmen ist und die besonderen Umstände des Falles zu berücksichtigen hat (vgl BVerfGE_99,185 <196>; stRspr). Da der Rechtsstreit aber ungeachtet des grundrechtlichen Einflusses ein privatrechtlicher bleibt und seine Lösung in dem - grundrechtsgeleitet interpretierten - Privatrecht findet, ist das Bundesverfassungsgericht darauf beschränkt nachzuprüfen, ob die Zivilgerichte den Grundrechtseinfluß ausreichend beachtet haben (vgl BVerfGE_18,85 <92 f>). Dagegen ist es nicht seine Sache, den Zivilgerichten vorzugeben, wie sie den Streitfall im Ergebnis zu entscheiden haben (vgl BVerfGE_94,1 <9 f>).

94

Ein Grundrechtsverstoß, der zur Beanstandung der angegriffenen Entscheidungen führt, liegt nur dann vor, wenn übersehen worden ist, daß bei Auslegung und Anwendung der verfassungsmäßigen Vorschriften des Privatrechts Grundrechte zu beachten waren; wenn der Schutzbereich der zu beachtenden Grundrechte unrichtig oder unvollkommen bestimmt oder ihr Gewicht unrichtig eingeschätzt worden ist, so daß darunter die Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen im Rahmen der privatrechtlichen Regelung leidet (vgl BVerfGE_95,28 <37>; BVerfGE_97,391 <401>), und die Entscheidung auf diesem Fehler beruht.

95

b) Im vorliegenden Fall ist bei der Auslegung und Anwendung von §§ 22, 23 KUG nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht, sondern auch die in Art.5 Abs.1 Satz 2 GG garantierte Pressefreiheit zu berücksichtigen, die ebenfalls von diesen Vorschriften berührt wird.

96

Im Zentrum der grundrechtlichen Gewährleistung der Pressefreiheit steht das Recht, Art und Ausrichtung, Inhalt und Form eines Publikationsorgans frei zu bestimmen (vgl BVerfGE_20,162 <174 ff>; BVerfGE_52,283 <296>; BVerfGE_66,116 <133>; BVerfGE_80,124 <133 f>; BVerfGE_95,28 <35>). Dazu zählt auch die Entscheidung, ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird. Auf bestimmte Illustrationsgegenstände beschränkt sich der Schutz nicht. Er umfaßt auch die Abbildung von Personen. Von der Eigenart oder dem Niveau des Presseerzeugnisses oder der Berichterstattung im einzelnen hängt der Schutz nicht ab (vgl BVerfGE_34,269 <283>; BVerfGE_50,234 <240>). Jede Unterscheidung dieser Art liefe am Ende auf eine Bewertung und Lenkung durch staatliche Stellen hinaus, die dem Wesen dieses Grundrechts gerade widersprechen würde (BVerfGE_35,202 <222>).

97

Die Pressefreiheit dient der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung (vgl BVerfGE_57,295 <319>). Diese kann nur unter den Bedingungen einer freien Berichterstattung gelingen, der bestimmte Gegenstände oder Darbietungsweisen weder vorgegeben noch entzogen sind. Insbesondere ist die Meinungsbildung nicht auf den politischen Bereich beschränkt. Zwar kommt ihr dort im Interesse einer funktionierenden Demokratie besondere Bedeutung zu. Doch ist die politische Meinungsbildung in einen umfassenden, vielfach verflochtenen Kommunikationsprozeß eingebettet, der weder unter dem Gesichtspunkt der persönlichen Entfaltung noch dem der demokratischen Herrschaft in relevante und irrelevante Zonen aufgespalten werden kann (vgl BVerfGE_97,228 <257>). Die Presse muß nach publizistischen Kriterien entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält und was nicht.

98

Daß die Presse eine meinungsbildende Funktion zu erfüllen hat, schließt die Unterhaltung nicht aus der verfassungsrechtlichen Funktionsgewährleistung aus. Meinungsbildung und Unterhaltung sind keine Gegensätze. Auch in unterhaltenden Beiträgen findet Meinungsbildung statt. Sie können die Meinungsbildung unter Umständen sogar nachhaltiger anregen oder beeinflussen als ausschließlich sachbezogene Informationen. Zudem läßt sich im Medienwesen eine wachsende Tendenz beobachten, die Trennung von Information und Unterhaltung sowohl hinsichtlich eines Presseerzeugnisses insgesamt als auch in den einzelnen Beiträgen aufzuheben und Information in unterhaltender Form zu verbreiten oder mit Unterhaltung zu vermengen ("Infotainment"). Viele Leser beziehen folglich die ihnen wichtig oder interessant erscheinenden Informationen gerade aus unterhaltenden Beiträgen (vgl Berg/Kiefer , Massenkommunikation, Band V, 1996).

99

Aber auch der bloßen Unterhaltung kann der Bezug zur Meinungsbildung nicht von vornherein abgesprochen werden. Es wäre einseitig anzunehmen, Unterhaltung befriedige lediglich Wünsche nach Zerstreuung und Entspannung, nach Wirklichkeitsflucht und Ablenkung. Sie kann auch Realitätsbilder vermitteln und stellt Gesprächsgegenstände zur Verfügung, an die sich Diskussionsprozesse und Integrationsvorgänge anschließen können, die sich auf Lebenseinstellungen, Werthaltungen und Verhaltensmuster beziehen, und erfüllt insofern wichtige gesellschaftliche Funktionen (vgl BVerfGE_97,228 <257> , ferner Pürer/Raabe, Medien in Deutschland, Band 1, 2.Aufl 1996, S.309 f). Unterhaltung in der Presse ist aus diesem Grund, gemessen an dem Schutzziel der Pressefreiheit, nicht unbeachtlich oder gar wertlos und deswegen ebenfalls in den Grundrechtsschutz einbezogen (vgl BVerfGE_35,202 <222>).

100

Das gilt auch für die Berichterstattung über Personen. Personalisierung bildet ein wichtiges publizistisches Mittel zur Erregung von Aufmerksamkeit. Sie weckt vielfach erst das Interesse an Problemen und begründet den Wunsch nach Sachinformationen. Auch Anteilnahme an Ereignissen und Zuständen wird meist durch Personalisierung vermittelt. Prominente Personen stehen überdies für bestimmte Wertvorstellungen und Lebenshaltungen. Vielen bieten sie deshalb Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen. Sie werden zu Kristallisationspunkten für Zustimmung oder Ablehnung und erfüllen Leitbild- oder Kontrastfunktionen. Darin hat das öffentliche Interesse an den verschiedensten Lebensbezügen solcher Personen seinen Grund.

101

Für Personen des politischen Lebens ist ein derartiges Interesse des Publikums unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle stets als legitim anerkannt worden. Es läßt sich aber auch für andere Personen des öffentlichen Lebens nicht grundsätzlich bestreiten. Insofern entspricht die nicht auf bestimmte Funktionen oder Ereignisse begrenzte Darstellung von Personen den Aufgaben der Presse und fällt daher ebenfalls in den Schutzbereich der Pressefreiheit. Erst bei der Abwägung mit kollidierenden Persönlichkeitsrechten kann es darauf ankommen, ob Fragen, die die Öffentlichkeit wesentlich angehen, ernsthaft und sachbezogen erörtert oder lediglich private Angelegenheiten, die nur die Neugier befriedigen, ausgebreitet werden (vgl BVerfGE_34,269 <283>).

102

c) Das Urteil des Bundesgerichtshofs hält der verfassungsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis überwiegend stand.

103

aa) Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, daß der Bundesgerichtshof die Tatbestandsvoraussetzungen des § 23 Abs.1 Nr.1 KUG nach dem Maßstab des Informationsinteresses der Allgemeinheit bestimmt und aufgrund dessen Veröffentlichungen von Abbildungen der Beschwerdeführerin auch außerhalb ihrer repräsentativen Funktion im Fürstentum Monaco als zulässig angesehen hat.

104

§ 23 Abs.1 Nr.1 KUG stellt die Veröffentlichung von Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte von dem Einwilligungserfordernis des § 22 KUG frei. Die Vorschrift nimmt nach der gesetzgeberischen Intention (vgl Verhandlungen des Reichstages, aaO, S.1540 f.) und nach Sinn und Zweck der Regelung auf das Informationsinteresse der Allgemeinheit und auf die Pressefreiheit Rücksicht. Die Belange der Öffentlichkeit sind daher gerade bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals zu beachten. Denn Abbildungen von Personen, denen die zeitgeschichtliche Bedeutung abgesprochen wird, dürfen der Öffentlichkeit nicht frei, sondern nur mit Einwilligung der Betroffenen zugänglich gemacht werden. Das weitere dem Grundrechtseinfluß offen stehende Tatbestandsmerkmal des "berechtigten Interesses" in § 23 Abs.2 KUG bezieht sich von vornherein nur auf Personen von zeitgeschichtlicher Bedeutung und kann folglich die Belange der Pressefreiheit nicht mehr ausreichend aufnehmen, wenn diese zuvor bei der Abgrenzung des Personenkreises außer acht gelassen worden sind.

105

Es trägt der Bedeutung und Tragweite der Pressefreiheit Rechnung, ohne den Persönlichkeitsschutz unverhältnismäßig zu beschneiden, daß der Begriff der Zeitgeschichte in § 23 Abs.1 Nr.1 KUG nicht nach Maßgabe einer richterlichen Inhaltsbestimmung etwa allein Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung erfaßt, sondern vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her bestimmt wird (vgl bereits RGZ_125,80 <82>). Zum Kern der Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit gehört es, daß die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht, und daß sich im Meinungsbildungsprozeß herausstellt, was eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist. Unterhaltende Beiträge sind davon, wie dargelegt, nicht ausgenommen.

106

Nicht zu beanstanden ist ferner, daß der Bundesgerichtshof dem "Bereich der Zeitgeschichte" gemäß § 23 Abs.1 Nr.1 KUG auch Bildnisse von Personen zuordnet, die das öffentliche Interesse nicht punktuell durch ein bestimmtes zeitgeschichtliches Ereignis auf sich gezogen haben, sondern unabhängig von einzelnen Ereignissen aufgrund ihres Status und ihrer Bedeutung allgemeine öffentliche Aufmerksamkeit finden. Dabei fällt auch die gesteigerte Bedeutung ins Gewicht, die der Bildberichterstattung im Vergleich zur Entstehungszeit des Kunsturhebergesetzes heute zukommt. Der in diesem Zusammenhang in Judikatur und Literatur regelmäßig verwandte Begriff einer "absoluten Person der Zeitgeschichte" ergibt sich zwar weder zwingend aus dem Gesetz noch aus der Verfassung. Mit dem Oberlandesgericht und dem Bundesgerichtshof als abgekürzte Ausdrucksweise für Personen verstanden, deren Bild die Öffentlichkeit um der dargestellten Person willen der Beachtung wert findet, ist er aber verfassungsrechtlich unbedenklich, solange die einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den berechtigten Interessen des Abgebildeten nicht unterbleibt.

107

Eine Beschränkung der einwilligungsfreien Veröffentlichung auf Bilder, die Personen von zeitgeschichtlicher Bedeutung bei der Ausübung der Funktion zeigen, die sie in der Gesellschaft wahrnehmen, verlangt das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht. Es kennzeichnet häufig gerade das öffentliche Interesse, welches solche Personen beanspruchen, daß es nicht nur der Funktionsausübung im engeren Sinn gilt. Vielmehr kann es sich wegen der herausgehobenen Funktion und der damit verbundenen Wirkung auch auf Informationen darüber erstrecken, wie sich diese Personen generell, also außerhalb ihrer jeweiligen Funktion, in der Öffentlichkeit bewegen. Diese hat ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, ob solche Personen, die oft als Idol oder Vorbild gelten, funktionales und persönliches Verhalten überzeugend in Übereinstimmung bringen.

108

Eine Begrenzung der Bildveröffentlichungen auf die Funktion einer Person von zeitgeschichtlicher Bedeutung würde demgegenüber das öffentliche Interesse, welches solche Personen berechtigterweise wecken, unzureichend berücksichtigen und zudem eine selektive Darstellung begünstigen, die dem Publikum Beurteilungsmöglichkeiten vorenthielte, die es für Personen des gesellschaftlich-politischen Lebens wegen ihrer Leitbildfunktion und ihres Einflusses benötigt. Ein schrankenloser Zugriff auf Bilder von Personen der Zeitgeschichte wird der Presse dadurch nicht eröffnet. Vielmehr gibt § 23 Abs.2 KUG den Gerichten ausreichend Möglichkeit, die Schutzanforderungen von Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG zur Geltung zu bringen (vgl BVerfGE_35,202 <225>).

 

Auszug aus BVerfG U, 15.12.99, - 1_BvR_653/96 -, www.BVerfG.de,  Abs.66 ff

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