zu Art.14 Abs.2 S.2   GG   (3)  
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Sozialbindung des Eigentums (Absatz 2 Satz 2)

  1. In Ausübung der durch Art.14 Abs.1 Satz 2 GG erteilten Ermächtigung, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, muß der Gesetzgeber sowohl die Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten des Privateigentums beachten als auch alle übrigen Verfassungsnormen, insbesondere den Gleichheitssatz, das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit und das Prinzip der Rechts- und Sozialstaatlichkeit. (vgl BVerfG, U, 07.08.62, - 1_BvL_16/60 - Feldmühle-Urteil - BVerfGE_14,263 = www.DFR/BVerfGE

  2. Normen des Aktienrechts widersprechen wegen ihres ambivalenten Charakters dem Grundgesetz nicht schon deshalb, weil sie einen Mißbrauch nicht ausschließen, sofern wirksame Möglichkeiten zu seiner Abwehr zur Verfügung stehen. Diese Möglichkeit besteht bei der Mehrheitsumwandlung, weil sie nicht dadurch, daß sie den formalen Voraussetzungen entspricht, von der Anwendung wegen Mißbrauchs freigestellt ist. (vgl BVerfG, U, 07.08.62, - 1_BvL_16/60 - Feldmühle-Urteil - BVerfGE_14,263 = www.DFR/BVerfGE

  3. Bei baulichen Anlagen ist der soziale Bezug des Eigentums besonders ausgeprägt; deswegen ist eine weitergehende und detaillierte Bestimmung des Inhalts und der Schranken des Eigentums gerechtfertigt. Regelungen, die Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder Verunstaltungen der Umgebung durch baulichen Anlagen abwehren sollen, sind mit der Institutsgarantie des Eigentums vereinbar. Für den ordnungsgemäßen Zustand eines Gebäudes ist der Eigentümer grundsätzlich ohne Rücksicht auf seine wirtschaftlich Leistungsfähigkeit verantwortlich. (vgl. BVerwG, B 14.04.89 - 4 B 65/89 - Fassadenreparatur, UPR 89,349 -350)

  4. Eine ausschließlich auf das Eigentum gegründete Zustandshaftung trifft den jeweiligen Eigentümer im bürgerlich-rechtlichen Sinn und kann (vom Sonderfall der Dereliktion abgesehen) nicht gegenüber früheren Eigentümern geltend gemacht werden. (vgl. BayVGH, B 13.05.86 - 20 CS 86/00338 - Altlast-Fogenbeseitigung, NVwZ 86,942 -46)

  5. Die Tatsache, daß die Haltestelle anfahrende Busse die Grundstückszufahrt eines Anliegers kurzfristig zum Fahrgastwechsel blockieren, ist im Rahmen dieser Ermessensbetätigung zwar abwägungserheblich, ihr kommt jedoch regelmäßig kein durchschlagendes Gewicht zu. (vgl. OVG Saarl, E 21.06.95 - 9 R 14/95 - Bußhaltestelle, Juris)

  6. Ein schwerer Eingriff ist nur dann nicht unerträglich, wenn er sich ungeachtet seiner Schwere im Rahmen der Sozialgebundenheit des Eigentums hält. (vgl. BVerwG, U 05.07.74 - 4 C 50/72 - Flachglasfall, DÖV 75,92 -99 = BauR 74,311 -323)

  7. Das Neuregelung des Renteneintrittsalters für Frauen im Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG) vom 25.September 1996 (BGBl.I S.1461) sowie die gänzliche Abschaffung des besonderen Zugangs von Frauen zur Altersrente durch das Rentenreformgesetz 1999 (RGG 1999) vom 16.Dezember 1997 (BGBl.I S.2998) sind als Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art.14 Abs.1 S.2 von wichtigen öffentlichen Interessen getragen und genügen verfassungsrechtlichen Anforderungen. (vgl BVerfG, B, 03.02.04, - 1_BvR_2491/03 - Renteneintrittsalter-Frau - = www.bverfg.de)

  8. LB 2) Beseitigt der Gesetzgeber eine Übergangsregelung, die er aus Vertrauensschutzgründen erlassen hat, vor Ablauf der für den Übergang vorgesehenen Zeit zu Lasten des Berechtigten, so muss seine Regelung im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz besonders strengen Anforderungen genügen (vgl BVerfGE_102,68 <97>). (vgl BVerfG, B, 03.02.04, - 1_BvR_2491/03 - Renteneintrittsalter-Frau - = www.bverfg.de)

  9. LB 3) Übergangsregelungen setzt der Gesetzgeber einen besonderen Vertrauenstatbestand. Der Bürger darf davon ausgehen, dass der Gesetzgeber sein Konzept für den Übergangszeitraum durchdacht hat und insbesondere künftige Entwicklungen, soweit sie vorhersehbar sind, berücksichtigt. (vgl BVerfG, B, 03.02.04, - 1_BvR_2491/03 - Renteneintrittsalter-Frau - = www.bverfg.de)

  10. LB 4) Deshalb darf der Gesetzgeber sein Konzept nur ändern, wenn sich die für die Ausgestaltung der Übergangsregelung ursprünglich maßgebenden Umstände nachträglich geändert haben und wenn darüber hinaus - vorausgesetzt, das Interesse der Betroffenen auf einen Fortbestand der Regelung ist schutzwürdig und hat hinreichendes Gewicht - schwere Nachteile für wichtige Gemeinschaftsgüter zu erwarten sind, falls die geltende Übergangsregelung bestehen bleibt. (vgl BVerfG, B, 03.02.04, - 1_BvR_2491/03 - Renteneintrittsalter-Frau - = www.bverfg.de)

  11. LB 5) Diese Grundsätze gelten auch für befristete Übergangsregelungen, die noch nicht zur Anwendung gekommen sind. In diesen Fällen wiegt jedoch der gesetzgeberische Eingriff weniger schwer. (vgl BVerfG, B, 03.02.04, - 1_BvR_2491/03 - Renteneintrittsalter-Frau - = www.bverfg.de)

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