Begründung FormvorschriftenanpassungsG BT-Dr 14/4987
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Begründung

A.   Allgemeines

I.   Ziel und Gegenstand des Gesetzentwurfs

1.   Der vorliegende Gesetzentwurf verfolgt das Ziel, das deutsche Privatrecht den Entwicklungen des modernen Rechtsverkehrs anzupassen. Seit 100 Jahren gilt im BGB der Grundsatz der Formfreiheit, durchbrochen von einzelnen zwingenden Formtatbeständen, für die drei verschiedene Formen vorgesehen sind: die Schriftform, die notarielle Beurkundung und die öffentliche Beglaubigung.

Diese Formvorschriften tragen den Entwicklungen des modernen Rechtsverkehrs nicht mehr ausreichend Rechnung. In der Gesellschaft hat sich eine Mobilität des Handels herausgebildet, in der eine Viel-zahl von Erklärungen über Hunderte von Kilometern hinweg abgegeben werden. Es wird nicht mehr jeder Vertrag zwischen zwei einander bekannten Parteien abgeschlossen. Massenvorgänge haben im modernen Rechtsverkehr erheblich an Bedeutung gewonnen. Unter diesen Bedingungen behindert die Schriftform, die unter den vorgesehenen Formen die verbreitetste und "verkehrs fähigste" ist, häufig ein zügiges Handeln und den rationellen Einsatz moderner Technik. So können geschäftliche Erklärungen, die dem gesetzlichen oder vereinbarten Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift unterliegen, zwar auf dem Computer erstellt, aber nicht direkt auf telekommunikativem Wege übermittelt werden. Jeder formbedürftige Vorgang muss ausgedruckt und eigens unterschrieben werden.

Dies gilt auch für bestimmte Geschäfte, die wegen der erforderlichen eigenhändigen Unterschrift nicht rationell, schnell und kostengünstig abgewickelt werden können, weil jede einzelne Erklärung unterschrieben werden muss, obwohl es im Einzelfall gar nicht auf die mit der eigenhändigen Unterschrift verbundenen Funktionen dieser Form ankommt. Die über zwanzig bislang vom Gesetzgeber geschaffenen Ausnahmeregelungen, wie etwa der Verzicht der eigenhändigen Unterschrift bei bestimmten automatisch erstellten Erklärungen (§ 8 MHG und § 4 Abs.1 S.3 VerbrKrG) oder die vervielfältigte Unterschrift zur Unterzeichnung von Aktien (§ 13 AktG), zeigen - wenn auch unter-schiedlich in Detail und Diktion -, dass für diese Fallgruppen schon vor Jahren ein Bedürfnis für den Verzicht auf die eigenhändige Unterschrift gesehen wurde. Diese Aus nahmeregelungen sind derzeit noch punktuell und nicht einheitlich formuliert, nehmen aber, zB im Verbraucherschutzrecht und Handelsrecht, stetig zu. Um eine unübersichtliche und dogmatisch bedenkliche Zersplitterung der Formvorschriften durch eine Vielzahl verschiedener Ausnahmeregelungen ohne zugrunde liegende generelle Formvorschrift zu vermeiden, erscheint die Schaffung allgemeiner Regelungen mit diesem Gesetz daher ebenso erforderlich wie zur Erleichterung des Rechtsverkehrs.

Zu den beschriebenen Veränderungen im Rechtsverkehr hat in jüngster Zeit insbesondere die Entwicklung im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie beigetragen. Inhalte jeder Art, insbesondere auch Willenserklärungen, können heute weltweit, schnell und grundsätzlich ohne Qualitätsverlust übermittelt werden. Die neuen Technologien eröffnen somit ein Potential zur Kostensenkung und Produktivitätssteigerung. Die sinnvolle und möglichst weitgehende Nutzung dieser Möglichkeiten im Rechtsverkehr setzt voraus, dass einerseits Hindernisse für die elektronische Übermittlung von Willenserklärungen und den elektronischen Vertragsschluss so weit wie möglich beseitigt werden und andererseits Rechtssicherheit im elektronischen Rechtsverkehr durch einen verlässlichen gesetzlichen Rahmen gestärkt wird.

Der Gesetzentwurf führt deshalb als Option zur Schriftform eine speziell auf die elektronischen Medien ausgerichtete Form (elektronische Form) in das Bürgerliche Gesetzbuch ein. Die elektronische Form soll vor allem auch als gesetzlich bereitgestellte Handlungsalternative dienen, wenn sich die Geschäftspartner auf den elektronischen Vertragsabschluss in einer bestimmten Form einigen wollen. Daneben sieht der Gesetzentwurf eine gegenüber der Schriftform erleichterte Form (Textform) vor, die in geeigneten Fällen - auf die schon seit Jahren bestehenden entsprechenden Ausnahmeregelungen ist vorstehend hingewiesen - die eigenhändige Unterschrift entbehrlich macht und deshalb sowohl für ein herkömmliches Papierdokument als auch für ein elektronisches Dokument geeignet ist.

Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf einige Änderungen im Recht der Willenserklärungen, um den Möglichkeiten des elektronischen Geschäftsverkehrs zu entsprechen. Außerdem werden prozessrechtliche Bestimmungen angepasst.

Da elektronische Nachrichten auf ihrem Transport durch offene Netze für den Adressaten unerkennbar gefälscht oder verändert werden können, bedarf es gleichzeitig eines sicheren Rahmens zur elektronischen Authentifizierung des Kommunikationspartners und Überprüfung der Integrität der übermittelten Daten. Die hierfür notwendigen Bedingungen bestimmt das Signaturgesetz vom 22.Juli 1997 (Artikel 3 des Gesetzes zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste - Informations- und Kommunikationsdienstegesetz [BGBl.I 1997, S.1870, 1872]); dies gilt unverändert auch für die bevorstehende Novellierung des Signaturgesetzes (Entwurf eines Gesetzes über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen und zur Änderung weiterer Vorschriften in der Fassung des Kabinettsbeschlusses vom 16.August 2000). Wo dies erforderlich ist, knüpfen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs im vorliegenden Gesetzentwurf an die Regelungen des Signaturgesetzes an.

Der Gesetzentwurf ist grundsätzlich kompatibel mit den Anforderungen, die sich für den elektronischen Rechtsverkehr aus der Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.Dezember 1999 über gemeinschaftliche Rah-menbedingungen für elektronische Signaturen (ABl. EG 2000 Nr. L 13 S. 12) ergeben, und berücksichtigt auch die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Ge schäftsverkehr"), (ABl.EG Nr.L 178 S.1). Änderungen des deutschen Rechts, die durch die Richtlinie über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen veranlasst werden, betreffen zunächst das Signaturgesetz und können daher durch die Bezugnahme dieses Gesetzentwurfs auf das Signaturgesetz berücksichtigt werden. Der Gesetzentwurf setzt bereits weitgehend um, dass nach Artikel 9 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass ihr Rechtssystem den Abschluss von Verträgen auf elektronischem Wege ermöglicht (hierzu auch Begründung zu Artikel 1 Nr.2).

2.   Der Entwurf verzichtet auf besondere Regelungen über Anfechtung, Zugang und Widerruf elektronischer bzw. elektronisch übermittelter Willenserklärungen. Die allgemeinen Vorschriften des Rechts der Willenserklärungen im Bürgerlichen Gesetzbuch, ergänzt durch die von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Auslegungskriterien und Wertungen bieten eine hinreichende Grundlage dafür, auch im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs zu angemessenen und sich in das Gesamtsystem einfügenden Lösungen zu gelangen. Die Anwendung des Rechts und ihre Auslegung im Einzelfall muss ohnehin der Rechtsprechung überlassen bleiben, die allein die Besonderheiten des Falles angemessen berücksichtigen kann.

Wird eine Willenserklärung auf elektronischem Wege abgegeben und online übermittelt, handelt es sich regelmäßig um eine Erklärung unter Abwesenden, auf die § 130 BGB Anwendung findet. Eine solche Erklärung wird wirksam, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass bei Annahme gewöhnlicher Umstände der Empfänger die Möglichkeit ihrer Kenntnisnahme hat (BGHZ 67,271, 275), wobei sie tatsächlich nur dann in seinem Machtbereich oder in seiner Verfügungsgewalt ist, wenn ihm eine Speicherung (Konservierung) durch Briefablage, elektronische Speicherung auf einen Datenträger oÄ möglich ist (vgl. John, AcP 184 [1984], 385, 403 ff). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Erklärung eine Vorrichtung erreicht, die typischerweise für den Empfang von Willenser klärungen vorgesehen ist (sog Empfangsvorrichtung). Bei der Nutzung von E-Mail durch eine Privatperson dürfte ein elektronischer Briefkasten nur dann eine solche Empfangsvorrichtung darstellen, wenn der Inhaber im Geschäfts- und Rechtsverkehr mit seiner E-Mail-Adresse auftritt, dh, wenn er den elektronischen Briefkasten für den Empfang rechtsgeschäftlicher Erklärungen widmet. Unerheblich ist, wie er sich Informationen aus seinem elektronischen Briefkasten holt, so typischerweise durch unmittelbaren Zugriff auf sein Postfach und Speicherung der Post auf einen Datenträger, aber auch durch Inanspruchnahme eines Mail-Call-Dienstes, der die im Postkasten liegende Nachricht vorliest. Die Abgrenzung zwischen dem Machtbereich des Empfängers und allgemeinen Datennetzen hängt von der verwendeten Technik im Einzelfall ab und ist aus diesem Grund der Rechtsprechung zu überlassen. Auf eine elektronische Willenserklärung, die auf einem Datenträger (zB einer Diskette) gespeichert und auf dem herkömmlichen Postwege versandt worden ist, kommt § 130 BGB gleichermaßen zur Anwendung. Lediglich in den Fällen, in denen die verwendete Kommunikationstechnologie eine Situation schafft, in der die Parteien unmittelbar "von Person zu Person" kommunizieren, finden die Regelungen über Willenserklärungen unter Anwesenden Anwendung.

Elektronisch abgegebene und übermittelte Willenserklärungen können gemäß § 119 Abs.1 BGB wegen eines Inhalts- oder Erklärungsirrtums angefochten werden. Vertippt sich zB der Erklärende bei Abgabe der Erklärung, so liegt - vergleichbar dem Verschreiben - ein Erklärungsirrtum vor. Auch auf sog Computererklärungen, die mit Hilfe eines Computerprogramms automatisiert erzeugt und elektronisch übermittelt werden, sind die §§ 119 ff BGB anwendbar. Nach ganz überwiegender Meinung handelt es sich um Willenserklärungen, da der Einsatz des Computerprogramms letztendlich auf eine willentliche Entscheidung eines Menschen zurückgeht. Der Anlagebetreiber muss sich daher die Ergebnisse des Programms als eigene Willenserklärung zurechnen lassen.

Die Abgabe einer Erklärung liegt nur vor, "wenn der Erklärende alles getan hat, was seinerseits erforderlich war, um die Wirksamkeit der Erklärung herbeizuführen". Diese Voraussetzung ist stets erfüllt, wenn er "die Erklärung nicht nur abgefasst hat, sondern sie auch an den Empfangsberechtig ten abgesandt hat; es genügt aber auch, wenn er die Erklärung in anderer Weise derart in den Rechtsverkehr gebracht hat, dass er mit ihrem Zugehen beim Empfangsberechtigten rechnen konnte" (RG, Urteil vom 8.Februar 1943, RGZ 170,382). Dieser Grundsatz ist auch auf elektronische Willenserklärungen anwendbar. Bei elektronischen Dokumenten, die telekommunikativ übermittelt werden, zB als E-Mail, ist die Erklärung abgegeben, wenn der Erklärende den letzten von ihm auszuführenden Schritt vollzogen hat, um die Erklärung auf den elektronischen Weg zu bringen. Das wird gewöhnlich dadurch geschehen, dass der Erklärende den Befehl "Senden" im verwendeten E-Mail-Programm auslöst. Will der Erklärende die bereits fertiggestellte, zB im PC gespeicherte und möglicherweise schon elektronisch signierte Erklärung jedoch nicht weiterleiten und geht sie dem Erklärungsempfänger trotzdem zu, weil ohne Willen des Erklärenden ein anderer den vorgenannten "Senden"-Befehl aktiviert hat, so gilt die Erklärung als nicht abgegeben. In diesem Fall hat er aber dem Empfänger in analoger Anwendung von § 122 den Vertrauensschaden zu ersetzen, wenn dieser auf die Wirksamkeit der ihm zugegangenen, aber nicht abgegebenen Erklärung vertraut (vgl MünchKomm, BGB, Rn.6 zu § 130; auch BGHZ 65,15). Dem kann am PC technisch - besser als bei einem fertiggestellten, aber noch nicht zur Absendung bestimmten Brief - durch geeignete Vorkehrungen begegnet werden, indem in auf Rechnern installierten Betriebssystemen und Textverarbeitungsprogrammen eingebaute Zugangssperren aktiviert werden oder bzw. zusätzlich, wenn die elektronische Signierung genutzt wird, die dafür erforderliche Chipkarte und die PIN sorgfältig aufbewahrt und unbefugter fremder Nutzung entzogen werden.

Aufgrund der hohen Übertragungsgeschwindigkeit können auf elektronischem Wege übermittelte Willenserklärungen vor oder gleichzeitig mit Zugang iSv § 130 Abs.1 Satz 2 BGB praktisch kaum noch widerrufen werden. Ein besonderes verbraucherschützendes Widerrufsrecht ist hier aber entbehrlich. Die aus der Sicht des Verbraucherschutzes bedeutsamen Konstellationen sind bereits vom Widerrufsrecht für Fernabsatzverträge erfasst, das in Umsetzung der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl.EG Nr.L 144 S.19) in § 3 des Fernabsatzgesetzes (Artikel 1 des Gesetzes über Fernabsatzverträge) und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27.Juni 2000 (BGBl.I S.897) bestimmt ist.



II. Die wesentlichen Änderungen im Überblick

Willenserklärungen, für die das Gesetz die schriftliche Form vorsieht, bedürfen in jedem Fall der eigenhändigen Unterschrift. Diese im Einzelfall von jedermann ohne besondere Umstände herzustellende Form verhindert jedoch in bestimmten Fällen die Möglichkeit eines modernen sowie rationellen Geschäftsverkehrs. Insbesondere können derzeit schriftformbedürftige Willenserklärungen elektronisch zwar erstellt, aber nicht wirksam abgegeben werden, also auch nicht, wenn die Unterschrift durch ein Telefax, einen Stempelaufdruck oder andere mechanische Vervielfältigung nachgebildet wird. Zudem besteht in bestimmten Fällen das Erschwernis schon darin, dass Schriftform vorgeschrieben ist, es tatsächlich aber nicht auf eine Schriftform mit eigen- händiger Unterschrift im Sinne des § 126 BGB, sondern al- lein auf die Schriftlichkeit der Erklärung ankommt. Der Entwurf beseitigt diese rechtlichen Hindernisse für den mo- dernen Geschäftsverkehr, indem er bestehende gesetzliche Schriftformerfordernisse entsprechend ändert und umgestaltet.

Dies kann auf zwei Wegen erfolgen: Erstens kommt in Be- tracht, bestehende Formerfordernisse zu beseitigen bzw. herabzustufen oder zweitens - soweit eine solche Erleichterung wegen des Schutzzwecks des entsprechenden Formerfordernisses im Einzelfall ausgeschlossen ist - einen äquivalenten Ersatz für das Schriftformerfordernis bei elek- tronischen Dokumenten zu schaffen.

Den ersten Weg beschreitet der Entwurf mit der Einführung der T e x t f o r m , die auf bestimmte Einzelvorschriften erstreckt wird, die bisher dem gesetzlichen Schriftformerfordernis unterlagen. Sie wird als eine verkehrsfähige Form in den Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingestellt. Die gegenüber der Schriftform erleichterte Textform verlangt nur noch eine in lesbaren Schriftzeichen fixierte Erklärung oder Mitteilung und verzichtet auf die eigenhän- dige Unterschrift. Sie fasst schon teilweise jahrelang geltende spezialgesetliche Formtatbestände, nach denen die eigenhändige Unterschrift entbehrlich ist, als allgemeine Formvorschrift zusammen. Diese unterschriftslose Form hat sich als Vereinfachung des Rechtsverkehrs bewährt. Durch die Zusammenfassung in einer allgemeinen Formvorschrift im Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs sollen die einzelnen Anwendungsfälle vereinheitlicht und überschaubarer gestaltet werden. Die allgemeine Vorschrift einer Textform vermeidet zudem Wildwuchs und Unübersichtlichkeit von Spezialformregelungen für weitere Sachverhalte, in denen die eigenhändige Unterschrift entbehrlich ist. Stattdessen muss sich der Rechtsverkehr an wenige und klare Grundtypen der Formgebote halten können, um so auch mögliche Fehlerquellen durch die Formgebote niedrig zu halten. Die Textform löst die strenge Schriftform insbesondere in den Bereichen ab, in denen es sich um Erklärungen ohne erhebliche Beweiswirkung sowie mit nicht erheblichen oder leicht wieder rückgängig zu machenden Rechtsfolgen handelt und es keines dem schriftlichen Formgebot immanenten Schutzes des Erklärenden mittels der Warnfunktion bedarf. In diesen für die Formerleichterung in Betracht kommenden Fällen geht es hauptsächlich um Informations- und Dokumentationsanforderungen, die durch mündliche Erklärung nicht angemessen erfüllt werden könnten. Solche Anwendungen betreffen beispielsweise Massenvorgänge mit sich wiederholenden, meist gleichlautenden Erklärungen. In einzelnen Fällen dient die Textform der begrifflichen Klarstellung, wenn es nur um die verkörperte Darstellung geht und dafür in Ermangelung anderer Begrifflichkeit bislang ein Schriftlichkeitserfordernis bestimmt ist. Die Textform ist, da die eigenhändige Unterschrift und das Urkundenerfordernis entbehrlich sind, nicht wie die Schriftform üblicherweise an das Papier gebunden, sondern kann daneben auch in einem elektronischen Dokument erfüllt werden. Dadurch sind Erklärungen in Textform jeder Übermittlungsart - ausgenommen natürlich der mündlichen - zugänglich. Sie können sowohl auf Papier als auch auf einem Datenträger zur Verfügung gestellt werden.

Zum Zweiten wird eine neue e l e k t r o n i s c h e   Form als Option zur Schriftform eingeführt. Die elektronische Form erfordert eine elektronische Signierung des Dokuments unter Anwendung eines Verfahrens, das die Voraussetzungen des Gesetzes über die elektronische Signatur erfüllt. Diese elektronische Signierung ist Substitut für die eigenhändige Unterschrift. Die Einheitlichkeit des signierten Dokuments kann durch die Technik der elektronischen Signatur gewährleistet werden, da die Signatur mit dem gesamten zu signierenden Datensatz über das mit der sog. Hashfunktion technisch erzeugte eindeutige Dokumentenkomprimat logisch verknüpft ist. Die neu eingeführte elektronische Form ändert nichts an der Konstellation, dass allein die Schriftform gesetzlich angeordnet ist; der Gesetzgeber bietet zur Wahrung dieses Formgebotes alternativ die Verwendung der elektronischen Form statt der Schriftform an, wenn das die Beteiligten wollen.

Beim Papier muss es zunächst für solche Erklärungen bleiben, für die das einschlägige Verfahrensrecht bewusst die Anbringung eines Eintragungsantrags oder -ersuchens in einem Schriftstück vorsieht, wie dies zB im Grundbuch- oder Schiffsregisterverfahren der Fall ist. Die elektronische Form ist in diesen Fällen ausgeschlossen. Dies ist notwendig, damit der genaue Zeitpunkt des Eingangs des Antrags oder Ersuchens beim Grundbuchamt oder Registergericht auf dem Schriftstück von der hierzu ermächtigten Person bescheinigt werden kann, um so die korrekte zeitliche Erledigung der Anträge in der Reihenfolge ihres Eingangs und damit das Rangverhältnis zu gewährleisten. Dabei soll allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass auch eine solche Dokumentation künftig ebenfalls elektronisch erfolgen kann, wenn die technischen und rechtlichen Voraussetzungen hierfür sowie für die elektronische Führung der Grund- oder Registerakte geschaffen sein werden.

Um die Rechtssicherheit und Verkehrsfähigkeit der elektronischen Signatur zu gewährleisten und das Vertrauen in den elektronischen Rechtsverkehr zu stärken, wird der Empfänger einer Willenserklärung in elektronischer Form bei Willensmängeln des Erklärenden in zweifacher Hinsicht geschützt.

Zum einen hat der SignaturschlüsselInhaber bei Willensmängeln dem Empfänger der signierten Erklärung den Schaden zu ersetzen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut. Die von der Rechtsprechung und in der Literatur für schriftliche Willenserklärungen entwickelten Grundsätze zur Anfechtung sowie zum Ersatz des Vertrauensschadens gelten für elektronisch signierte Willenserklärungen entsprechend (insbesondere zu §§ 119, 120, 122 sowie 276 BGB). Zum anderen wird dem Erklärungsempfänger einer in der elektronischen Form (§ 126a BGB) abgegebenen Willenserklärung durch eine gesetzliche Regelung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Beweis des ersten Anscheins (§ 292a ZPO in der Fassung des Artikels 2 Nr.4 des Entwurfs) die Beweisführung erleichtert. Hierdurch wird seine Rechtsstellung im Prozess wesentlich gestärkt und im Hinblick darauf das Vertrauen in die Rechtssicherheit und die Ver-kehrsfähigkeit der elektronischen Form in besonderem Maße gewährleistet. Der Nachweis der Echtheit der in dieser Form abgegebenen Willenserklärung wird danach grundsätzlich schon durch die Prüfung nach dem Signaturgesetz erbracht, die die Signierung mit dem auf der Signaturchipkarte gespeicherten geheimen Schlüssel des Inhabers und dessen Identität bestätigt. Der Inhaber des Schlüssels kann diesen Nachweis nur erschüttern, wenn er schlüssig Tatsachen vorträgt und beweist, die einen abweichenden Geschehensablauf ernsthaft als möglich erscheinen lassen. Damit wird ein weitergehender Schutz des Erklärungsempfängers erreicht, als es die Vorschriften der Zivilprozessordnung über den Beweis durch Schrifturkunden vermögen, da nach diesen eine entsprechende Beweiserleichterung nicht eintritt, sondern der Erklärungsempfänger den vollen Beweis der Echtheit einer von dem Beweisgegner nicht anerkannten Namensunterschrift erbringen muss (§ 439 Abs.1 und 2, § 440 Abs.1 ZPO).

Im Hinblick auf den aus diesem Grunde schwächeren Beweiswert der Schrifturkunde und das dem elektronischen Dokument fehlende Wesensmerkmal der Verkörperung auf einem unmittelbar lesbaren Schriftträger ist der Entwurf nicht dem von verschiedener Seite geäußerten Wunsch gefolgt, das elektronische Dokument beweisrechtlich der privaten Schrifturkunde gleichzustellen. Im Unterschied zum Recht anderer Staaten kennt das deutsche Prozessrecht keine Einschränkungen, die eine Beweisführung mit Hilfe elektronischer Dokumente in irgendeiner Weise behindern. Vielmehr unterfällt eine solche den Vorschriften über den Beweis durch Augenschein, der als besonders zuverlässiges Beweismittel bewertet und empfohlen wird (Stein-Jonas/Schumann, Zivilprozessordnung, 20.Aufl, vor § 371 Rn 1). Damit entspricht das deutsche Prozessrecht in vollem Umfang dem Artikel 5 der Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen (ABl.EG 2000 Nr.L 13 S.12), so dass es zu dessen Umsetzung einer Rechtsänderung nicht bedarf. Der Entwurf hat sich deshalb für das elektronische Dokument in Artikel 2 Nr.6 zur Klarstellung auf eine in § 371 ZPO aufzunehmende Vorschrift beschränken können, die den Beweisantritt und die Editionspflicht in Anlehnung an den Urkundenbeweis regelt.

Darüber hinaus schafft der Entwurf in den Fällen, in denen die Zivilprozessordnung die prozessuale Schriftform vorsieht, die Möglichkeit, dass die Parteien, aber auch die am Verfahren beteiligten Dritten (zB Zeugen oder Sachverständige) ihre Schriftsätze und Erklärungen als elektronisches Dokument einreichen können. Der Entwurf will eine Alternative zur prozessualen Schriftform schaf-fen und lässt die zu dieser bestehende Rechtslage unberührt. Anstelle des bei elektronischen Dokumenten ausgeschlossenen Unterschriftserfordernisses (§ 130 Nr.6 ZPO) sieht der Entwurf das Erfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz vor, das in Anlehnung an § 130 Nr.6 ZPO als Ordnungsvorschrift ausgestaltet ist.



III.   Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Abs.1 Nr.1 des Grundgesetzes (Bürgerliches Recht). Die vorgesehenen Regelungen sind gemäß Artikel 72 Abs.2 des Grundgesetzes zur Herstellung gleicher Lebensverhältnisse im Bundesgebiet und zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse notwendig.



IV.   Finanzielle Auswirkungen

Durch das Gesetz werden die Voraussetzungen für eine Effizienzsteigerung des Geschäftsverkehrs in Verwaltung und Wirtschaft geschaffen. Den Investitionskosten steht ein Rationalisierungspotential gegenüber. Die Regelungen dürften in der Gesamtbetrachtung zu einer Entlastung führen, so dass positive Auswirkungen auf Einzelpreise möglich sind. Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind jedoch nicht zu erwarten.

Auf die öffentlichen Haushalte wirkt sich das Gesetz nicht kostenbelastend aus. Die Vorschriften zur prozessualen Schriftform (Artikel 2 Nr. 1 bis 3 des Entwurfs) und zur Speicherung erledigter Prozessakten auf elektronischen Datenträgern (Artikel 2 Nr.5, Artikel 7 bis 9 des Entwurfs) unterstützen im Rahmen der in den Justizhaushalten für Innovationen zur Verfügung zu stellenden Mittel die langfristige Modernisierung in der technologischen Ausstattung der Gerichte. Die damit zu erreichende Rationalisierung lässt eine wirtschaftlichere Bearbeitung der anfallenden Verfahren und damit im Ergebnis Einsparungen erwarten, auch wenn sich diese bei einem künftig zunehmenden Geschäftsanfall lediglich dahin auswirken sollte, dass eine Zunahme der Ausgaben vermieden werden kann.



Daneben werden die Artikel 10, 11 und 18 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (ABl.EG Nr.L 178 S.1 – im Folgenden E-Commerce-Richtlinie) umgesetzt, die für Verträge, welche unter Nutzung von Diensten der Informationsgesellschaft geschlossen werden, besondere vorvertragliche Informationspflichten bestimmen sowie eine Ausdehnung der Unterlassungsklagenrichtlinie (Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen, ABl.EG Nr.L 166 S.51) vorsehen. Diese Verpflichtung ist bis zum 17.Januar 2002 zu erfüllen.

Die durch diese Richtlinien notwendig werdenden gesetzgeberischen Maßnahmen können sich nicht auf eine reine Richtlinienumsetzung beschränken. Denn die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie greift einen beträchtlichen Teil der Vorschläge auf, die die vom Bundesministerium der Justiz eingesetzte Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts in ihrem Abschlussbericht aus dem Jahre 1991 unterbreitet hat. Mit der Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie gelangt daher auch die Frage einer Modernisierung des Schuldrechts entsprechend diesen Vorschlägen zwingend auf die Tagesordnung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die durch die Richtlinie geforderten Umsetzungsmaßnahmen eng mit weiteren, von ihr nicht unmittelbar erfassten Berei- chen des Schuld- und Verjährungsrechts verwoben sind: Insbesondere die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie gibt daher Veranlassung, das deutsche Schuld- und Verjährungsrecht umfassend zu modernisieren. Die Vorschläge der Schuld- rechtskommission bilden hierfür eine verlässliche Grundlage. Sie waren Gegenstand des 60. Deutschen Juristentages 1994 in Münster, bei dem sie mit eindrucksvollen Mehrhei- ten bestätigt worden sind. Sie waren seitdem und insbesondere mit dem zügigen Fortgang der 1996 aufgenommenen Arbeiten an der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie Gegenstand einer intensiven Diskussion in Wissenschaft und Praxis, die zu bisher vier wissenschaftlichen Kolloquien und Tagungen in Halle, Regensburg, Münster und Berlin geführt haben. Daraus resultieren eine tiefe Durchdringung des Stoffs und weiterführende Vorschläge, die jetzt eine Entscheidung des Gesetzgebers erlauben. Die Diskussion hat ergeben, dass die weiterentwickelten Vorschläge der Schuldrechtskom- mission zur Modernisierung des deutschen Schuldrechts führen und eine zukunftsweisende integrative Umsetzung der Richtlinie erlauben.

Die Diskussion hat auch gezeigt, dass es – wie 1998 im Eherecht und 2001 im Mietrecht – auch im Schuldrecht an der Zeit ist, die das Bürgerliche Gesetzbuch immer mehr überwuchernden (schuldrechtlichen) Sondergesetze zu sichten und ihren dauerhaften Bestand in das Bürgerliche Gesetzbuch zu integrieren. Dies führt wie auch in den anderen Bereichen zu einer übersichtlicheren Schuldrechtsordnung. Die Zurückführung der schuldrechtlichen Sondergesetze stärkt nicht nur das Bürgerliche Gesetzbuch als zentrale Zivilrechtskodifikation. Sie nutzt die integrative Kraft des Bürgerlichen Gesetzbuchs, um die Einheit des Schuldrechts zu gewährleisten und zu stärken. Sie droht verloren zu gehen, weil sich die einzelnen Sondermaterien immer mehr verselbständigen und weil das Schuldvertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs für die Massengeschäfte des täglichen Lebens immer mehr durch Sondergesetze verdrängt wird (Medicus in: Grundmann/Medicus/Rolland S.219 und in: Ernst/Zimmermann S.607 ff, 609 – spricht von der Erosion des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Speziell das AGB-Gesetz hat sich seit seinem Inkrafttreten zu einer zentralen Materie des Schuldrechts entwickelt und überlagert und ergänzt inzwischen die einschlägigen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs in erheblichen Teilen. Es ist damit inhaltlich zu einem eigenen Abschnitt im Bürgerlichen Gesetzbuch geworden und sollte deshalb auch dort im Gesetzestext erscheinen. Die Integration der schuldrechtlichen Sondergesetze weist schließlich diesen Gesetzen auch den Platz zu, der ihnen wegen ihrer zentralen Bedeutung für den Rechtsverkehr gebührt.



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