RsprS vor §§ 6 + 7 LBO
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I. Allgemeines

  1. Die Pflicht zur Freihaltung von Abstandsflächen besteht nicht nur bei der erstmaligen Bebauung eines Grundstücks, sondern auch bei Gebäudeerweiterungen in Länge und/oder Höhe. (vgl OVG Saarl, U, 30.03.93, - 2_R_17/92- SKZ_93,274/17 (L) = Juris = SörS-Nr.93.053)

    Nachbar

  1. Der Eigentümer eines Grundstückes, das nur in einem Eckpunkt an das Baugrundstück stößt, ist nicht "Nachbar" im Sinne der Bauwichbestimmungen und kann daher nicht die Einhaltung eines Grenzabstandes fordern. (vgl. OVG Saarland U 28.11.80 - 2 R 159/79 - Amateurfunkanlage, SKZ 81,277/8 (L)).


  2. Eine Verletzung der Grenzabstandsvorschriften kann grundsätzlich nur der unmittelbare Nachbar des Baugrundstücks, nicht aber der Eigentümer des diesem an einer Straße gegenüberliegenden Anwesens rügen. (vgl. OVG Saarland, B 14.09.83; - 2 W 1712/83 - Stellplätze, AS 18,241 -248 = SKZ 84,179 -181 = SKZ 84,103/19 (L) = Juris). 


  3. Ein Nachbar, der seinerseits sein Wohnhaus an der Grenze errichtet hat, muß einen hinter den Abmessungen seiner eigenen Grenzbebauung zurückbleibenden "Anbau" mit einer unterkellerten Doppelgarage, die einer auf dem Baugrundstück geplanten Wohnnutzung dienen soll, hinnehmen. (vgl OVG Saarl, B, 30.10.1998, - 2_V_22/98- SKZ_99,122-59 = SörS-Nr. 98.187)


  4. Stellt die Bauaufsichtsbehörde beim Erlaß einer Beseitigungsanordnung für ein ohne ausreichenden Grenzabstand ausgeführtes Gebäude den objektiven Rechtsverstoß in den Vordergrund, so kommt es für die Rechtmäßigkeit der Verfügung auch unter Ermessensgesichtspunkten nicht darauf an, ob der von der Grenzbebauung betroffene Nachbar berechtigt ist, subjektiv-öffentliche Abwehransprüche aus § 6 LBO 1996 gegen die Anlage geltend zu machen. (vgl OVG Saarl, B, 17.05.1999, - 2_Q_9/99- SKZ_99,280/44 (L) = SörS-Nr. 99.094)


  5. Ein Nachbar ist gehalten, ihm zustehende Abwehrrechte ernsthaft und mit Nachdruck zu verfolgen, um zu verhindern, daß sein Untätigbleiben die Grundlage für Vertrauen des Bauherrn auf die endgültige Hinnahme des rechtswidrigen Bauzustandes schafft. Anfängliche nachbarliche Proteste oder Unmutsäußerungen oder auch Erkundigungen bei der Bauaufsichtsbehörde können nur über eine begrenzte Zeitspanne das Entstehen von Vertrauen verhindern. Die Vertrauen vereitelnde Wirkung solcher Aktivitäten entfällt jedenfalls dann, wenn sich hieran eine längere Zeitspanne der Untätigkeit anschließt (hier: 2 Jahre). (vgl OVG Saarl, B, 16.04.1998, - 2_Q_2/98- SKZ_98,249 (L) = SörS-Nr. 98.058)


  6. Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, daß ein eigener Grenzbau beziehungsweise ein die erforderlichen Abstandsflächen unterschreitendes Bauvorhaben den Nachbarn, nicht verpflichtet, eine Grenzbebauung oder Abstandsunterschreitung an anderer Stelle der gemeinsamen Grenze hinzunehmen. (vgl OVG Saarl, B, 11.11.1998, - 2_Q_20/98- SKZ_99,122-60 = SörS-Nr. 98.193)


  7. Erlaubt die Bauaufsichtsbehörde durch Grüneintragung in den genehmigten Planvorlagen die Errichtung eines Gebäudes mit einem Grenzabstand, der zur Aufnahme der in diese Richtung vor der Gebäudeaußenwand freizuhaltenden Abstandsfläche nicht ausreicht, so kann der betroffene Nachbar die Verletzung der Abstandsflächenbestimmungen durch diesen Genehmigungsinhalt auch dann erfolgreich geltend machen, wenn das Gebäude nach der Darstellung in den Plänen in einen Grenzabstand ausgeführt werden soll, der die Aufnahme der Abstandsflächen auf dem Baugrundstück ermöglicht. (vgl. OVG Saarland, U 09.08.94, - 2 W 33/94 - Grüneintrag, SKZ 95,114/22 (L)) 

§§§


    Baugrundstück


  1. Unter Baugrundstück im abstandsflächenrechtlichen Sinne ist stets das Baugrundstück zu verstehen, da nur so die Freihaltung der Abstandsflächen gesichert ist. (vgl. OVG Saarland, B, 24.08.93 - 2 W 25/93 - Baugrundstück, SKZ 94,109/20 (L)). 

§§§


    Sinn und Zweck der Abstandsflächenbestimmungen


  1. Die Abstandsflächenbestimmungen bestehen, obwohl drittschützend, auch und vor allem im öffentlichen Interesse und stehen nicht zur Disposition der betroffenen Nachbarn. (vgl OVG Saarl, B, 02.06.1999, - 2_Q_25/99- SKZ_99,281/47 (L) = SörS-Nr. 99.119)


  2. In den an mathematisch exakt ermittelbare Größen anknüpfenden Grenzabstandvorschriften kommt die Bewertung des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass die Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Abstandsflächen abstrakt und generell geignet ist, das mit den betreffenden den Vorschriften unter anderem verfolgte Interesse an einer ausreichenden Belichtung und Belüftung benachbarter Gebäude und der Schaffung eines Freiraumes zwischen den Häusern zu beeinträchtigen. Dem würde es widersprechen, wenn man die Würdigung eines Vorhabens als mit den Vorschriften unvereinbar und damit auch die Anerkennung nachbarlicher Abwehransprüche grundsätzlich von der naturgemäß Wertungsspielräume einschließenden Feststellung abhängig machen wollte, dass die betreffende Anlage im konkreten Einzelfall tatsächliche Beeinträchtigungen des Nachbarn hervorruft. (vgl OVG Saarl, U, 14.12.1999, - 2_R_4/99- SKZ_00,103/57 (L) = SörS-Nr. 99.277)


  3. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Unterschreitung von nach Maßgabe der §§ 6 und 7 LBO 1996 exakt ermittelbaren Abstandsflächentiefen abstrakt und generell geeignet, das mit den betreffenden Vorschriften unter anderem verfolgte Interesse an der ausreichenden Belichtung, Besonnung und Belüftung benachbarter Gebäude sowie an der Schaffung eines Freiraumes zwischen den Häusern zu beeinträchtigen. Dem widerspräche es - vorbehaltlich der durch das Schikaneverbot gezogenen Grenzen -, die Würdigung eines Vorhabens als mit den §§ 6 und 7 LBO 1996 unvereinbar und daraus resultieren die Befugnis zu einem Vorgehen gegen einen solchen Rechtsverstoß davon abhängig zu machen, daß im konkreten Einzelfall tatsächliche Beeinträchtigungen der Abstandsflächenfunktionen nachweisbar sind. (vgl OVG Saarl, B, 18.03.1999, - 2_Q_22/98- SKZ_99,282/54 (L) = SörS-Nr. 99.055)


  4. Die an die Stelle der Bauwichgarage getretenen Vorschriften über die Abstandsflächen dienen - wie jene - neben der Schaffung heller und gesunder Wohnbereiche, der Verhinderung der Brandausbreitung und der Sicherstellung der Zufahrt für die Feuerwehr auch der Wahrung des Nachbarfriedens und damit dem Nachbarschutz. (vgl OVG Saarland, B 07.08.91 - 2 W 10/91 - Grenzgarage, SKZ 92,130 -131 = DÖV 92,412 -413 = AS 23,272 -275 = NVwZ-RR 92,404 -405). 


  5. Die Anerkennung nachbarlicher Abwehrrechte bei einer Unterschreitung vorgeschriebenen Abstandsflächen setzt regelmäßig nicht voraus, daß die betreffende Anlage im konkreten Einzelfall tatsächliche Beeinträchtigungen des Grenznachbarn hervorruft (ständige Rechtsprechung des 2.Senats). Ausnahmen können sich unter dem Gesichtspunkt des sogenannten Schikaneverbotes ergeben. (vgl OVG Saarl, U, 30.03.93, - 2_R_17/92- SKZ_93,274/17 (L) = Juris = SörS-Nr.93.053 )


§§§

    Dispens


  1. Eine zur Erteilung eines Dispenses von zwingenden Baurechtsvorschriften berechtigende "nicht beabsichtigte Härte" liegt nicht in allgemeinen, persönlichen oder sozialen Nachteilen, sondern nur dann vor, wenn die bauliche Nutzung eines Grundstücks wegen ihm anhaftender Besonderheiten erheblich eingeschränkt ist, obwohl der Zweck der betreffenden Vorschrift dies nicht erfordert. (vgl. OVG Saarland U 22.07.77 - 2 R 56/77 - Balkone + Ercker, SKZ 78,50/12 (L)) 


  2. Das Tatbestandsmerkmal der "nicht beabsichtigten Härte" ist im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung (§ 75 Abs.3 LBO 1996) von den Grenzabstandserfordernissen unabhängig von sozialen oder wirtschaftlichen Aspekten oder dem Verantwortungsbereich Dritter bei der Bauausführung zuzuordnender Verhaltensweisen (hier angeblicher Fehler des Architekten) allein grundstücksbez ogen zu beurteilen. Dabei kann eine solche "Härte" insbesondere nicht in einer für die Realisierung des Vorhabens am Maßst ab der individuellen Bebauungswünsche zu geringen Größe des Baugrundstücks gesehen werden. (vgl OVG Saarl, B, 17.05.1999, - 2_Q_9/99- SKZ_99,280/44 (L) = SörS-Nr. 99.094)


  3. Besondere städtebauliche Gegebenheiten im Verständnis des § 75 Abs.3 Nr.4 LBO 1996, die ein Abweichen von den Abstandsflächenbestimmungen rechtfertigen, liegen nicht vor, wenn sich in der Umgebung des umstrittenen Vorhabens überwiegend freistehende, unter Wahrung von Grenzabständen errichtete Wohnhäuser befinden und die Grundstückszuschnitte eine Bebauung unter Beachtung der Abstandsflächenbestimmungen ohne weiteres ermöglichen. (vgl OVG Saarl, B, 02.06.1999, - 2_Q_25/99- SKZ_99,281/47 (L) = SörS-Nr. 99.119)


  4. Das Abstandsflächenrecht in § 8 RhPfBauO 1986 stellt eine Regelung iS des Art.14 Abs.1 S.2 GG dar. Die bauordnungsrechtliche Befreiungsvorschrift des § 67 Abs.3 Nr.2 RhPfBauO 1986 (Härteklausel) ist vor dem Hintergrund der eigentumsrechtlichen Gewährleistung einerseits und der Sozialpflichtigkeit des Eigentums andererseits auszulegen. Sie ermöglicht es, die gemäß Art.14 Abs.1 S.1 GG zu beachtenden Belange des Grundeigentümers, die öffentlichen Interessen an einer sozialgerechten Ordnung und die Belange Dritter im Einzelfall in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Es kann eine "unbeabsichtigte Härte" im Sinne einer bauordnungsrechtlichen Befreiungsvorschrift darstellen, wenn geändertes (neues) Abstandsflächenrecht eine Nutzungsänderung eines in früherer Zeit legal errichteten Gebäudes verhindert. Eine Auslegung, nach der eine bauordnungsrechtliche Befreiungsvorschrift nur bodenrechtliche, dh grundstücksbezogene Interessen des Grundeigentümers erfaßt, steht mit Art.14 Abs.1 GG im Einklang. Ein Bestandsschutz, soweit damit eine eigenständige Anspruchsgrundlage gemeint sein soll, besteht nicht, wenn eine gesetzliche Regelung iS des Art.14 Abs.1 S.2 vorhanden ist. (vgl BVerwG, U, 16.05.91 - 4 C 17/90 - Abstandsflächenregelung, BVerwGE 88,191 = JuS 92,440 -41 = NVwZ 92,165 (L)) 


  5. Eine Dacherneuerung eines Grenzgebäudes, die "ohne Not" zu einer zusätzlichen Gebäudehöhe von ca 40 cm an der Grenze führt, rechtfertigt nicht die Befreiung von entgegenstehenden Abstandsflächenvorschriften. (vgl OVG Saarl, U, 30.03.93, - 2_R_17/92- SKZ_93,274/17 (L) = Juris = SörS-Nr.93.053 )


§§§


    Schikaneverbot


  1. Anwendungsfälle des Schikaneverbotes sind Abweichungen im Bereich einiger weniger Zentimeter, wie sie zum Beispiel häufig durch Maßungenauigkeiten und Fertigungstoleranzen bei der Bauausführung entstehen. (vgl OVG Saarl, B, 18.03.1999, - 2_Q_22/98- SKZ_99,282/54 (L) = SörS-Nr. 99.055)


  2. Zu den (strengen) Anforderungen des nachbarliche Abwehransprüche aus § 6 LBO 1996 möglicherweise begrenzenden Schikaneverbots (§ 226 BGB entspr). (vgl OVG Saarl, U, 14.12.1999, - 2_R_4/99- SKZ_00,103/57 (L) = SörS-Nr. 99.277)

§§§


Verwirkung

  1. Da das durch die zeitliche Komponente der Verwirkung begründete Vertrauen des Bauherrn gerade dahin geht, der Nachbar werde das ihm zustehende Abwehrrecht nicht mehr ausüben, wird es zumindest im Regelfall in der Person des Bauherrn durch die Vorstellung bestimmt, daß ein solches Abwehrrecht besteht oder bestehen könnte, mithin sein Bauvorhaben rechtswidrig ist. (vgl OVG Saarl, B, 16.04.1998, - 2_Q_2/98- SKZ_98,249 (L) = SörS-Nr. 98.058)


  2. Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, daß ein Nachbar nach dem die gesamte Rechtsordnung und auch das nachbarliche Gegenseitigkeits- und Gemeinschaftsverhältnis beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt des Verbots widersprüchlichen Verhaltens gehindert sein kann, öffentlich-rechtliche Abwehrrechte gegen ein Bauvorhaben geltend zu machen, das er aufgrund einer ihn bindenden zivilrechtlichen Vereinbarung mit dem Bauherrn hinnehmen muß. (vgl OVG Saarl, B, 30.09.1998, - 2_W_8/98- SKZ_99,121-56 = SKZ_00,61 -64 = SörS-Nr. 98.165)


  3. Die Praxis von Bauaufsichtsbehörden, eine Befreiung von der Beachtung der Abstandflächenbestimmungen ohne weiteres schon dann zu erteilen, wenn der von der Abweichung betroffene Grenznachbar zustimmt, entspricht nicht dem geltenden Recht. (vgl OVG Saarl, B, 30.09.1998, - 2_W_8/98- SKZ_99,121-56 = SKZ_00,61 -64 = SörS-Nr. 98.165)

§§§


Zivilrechtliche Vereinbarungen

  1. Eine zivilrechtliche Vereinbarung zwischen dem Nachbarn und dem Bauherrn über eine wechselseitige Befugnis zur Grenzbebauung, aus der der Nachbar die Verpflichtung ableitet, keine Garagen an der Grenze zu errichten, vermittelt ihm gegenüber der Behörde keinen Anspruch auf Aufhebung einer Baugenehmigung für eine Grenzgarage. (vgl OVG Saarl, B, 30.10.1998, - 2_V_22/98- SKZ_99,122-59 = SörS-Nr. 98.187)


  2. Ein im Wege einer Grunddienstbarkeit eingeräumtes Grenzbebauungsrecht ist jedenfalls dann hinreichend bestimmt, wenn der Umfang der Duldungspflicht aufgrund eines rechtskräftigen zivilrechtichen Urteils konkretisiert ist. (vgl OVG Saarl, B, 30.09.1998, - 2_W_8/98- SKZ_99,121-56 = SKZ_00,61 -64 = SörS-Nr. 98.165)

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