zu Art.5 Abs.3 S.1 GG (7) | ||
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Art.5 Abs.3 Satz 1 GG ist eine das Verhältnis des Bereiches Kunst zum Staat regelnde wertentscheidende Grundsatznorm. Sie gewährt zugleich ein individuelles Freiheitsrecht. (vgl BVerfG, B, 24.02.71, - 1_BvR_435/68 - Mephisto - BVerfGE_30,173 = RS-BVerfG Nr.71.003 = www.DFR/BVerfGE)
Die Kunstfreiheitsgarantie betrifft nicht nur die künstlerische Betätigung, sondern auch die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks. (vgl BVerfG, B, 24.02.71, - 1_BvR_435/68 - Mephisto - BVerfGE_30,173 = RS-BVerfG Nr.71.003 = www.DFR/BVerfGE)
Auf das Recht der Kunstfreiheit kann sich auch ein Buchverleger berufen. (vgl BVerfG, B, 24.02.71, - 1_BvR_435/68 - Mephisto - BVerfGE_30,173 = RS-BVerfG Nr.71.003 = www.DFR/BVerfGE)
Für die Kunstfreiheit gelten weder die Schranken des Art.5 Abs.2 GG noch die des Art.2 Abs.1 Halbsatz 2 GG. (vgl BVerfG, B, 24.02.71, - 1_BvR_435/68 - Mephisto - BVerfGE_30,173 = RS-BVerfG Nr.71.003 = www.DFR/BVerfGE)
Ein Konflikt zwischen der Kunstfreiheitsgarantie und dem verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsbereich ist nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung zu lösen; hierbei ist insbesondere die in GG Art 1 Abs.1 garantierte Würde des Menschen zu beachten. (vgl BVerfG, B, 24.02.71, - 1_BvR_435/68 - Mephisto - BVerfGE_30,173 = RS-BVerfG Nr.71.003 = www.DFR/BVerfGE)
Das Lied "Deutschland muß sterben" der Hamburger Punkrock-Gruppe Slime ist Kunst im Sinne Art.5 Abs.3 GG. (vgl BVerfG, B, 03.11.00, - 1_BvR_581/00 - Deutschland muß sterben - DVBl_01,278 -80 = www.bverfg.de)
Die Kunstfreiheit schützt auch die Verbreitung des Liedes, also den Wirkbereich des Kunstwerks. (vgl BVerfG, B, 03.11.00, - 1_BvR_581/00 - Deutschland muß sterben - DVBl_01,278 -80 = www.bverfg.de)
Eine Gefährdung des Bestandes der rechtsstaatlichen verfassten Demokratie in der BRD kann zwar, da es sich um ein verfassungsrechtlich geschütztes Rechtsgut handelt grundsätzlich eine Einschränkung der Kunstfreiheit rechtfertigen. Ob aber das einmalige Abspielen eines dreiminütigen Liedes vor 50 Versammlungsteilnehmern, die öffentlichtlich durchweg das Lied bereits kannten und mitsangen, die gebührende Achtung der Bürger vor dem Staat ausgehölt und untergraben werden kann, erscheint zumindest zweifelhaft. (vgl BVerfG, B, 03.11.00, - 1_BvR_581/00 - Deutschland muß sterben - DVBl_01,278 -80 = www.bverfg.de)
Ein pornographischer Roman kann Kunst im Sinne von Art.5 Abs.3 Satz 1 GG sein. (vgl BVerfG, B, 27.11.90, - 1_BvR_402/87 - Josephine Mutzenbacher - BVerfGE_83,130 = www.DFR/BVerfGE)
Die Indizierung einer als Kunstwerk anzusehenden Schrift, setzt auch dann eine Abwägung mit der Kunstfreiheit voraus, wenn die Schrift offensichtlich geeignet ist, Kinder oder Jugendliche sittlich schwer zu gefährden (§ 6 Nr.3 des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften - GjS -). (vgl BVerfG, B, 27.11.90, - 1_BvR_402/87 - Josephine Mutzenbacher - BVerfGE_83,130 = www.DFR/BVerfGE)
Die Vorschrift des § 9 Abs.2 GjS ist verfassungsrechtlich unzulänglich, weil die Auswahl der Beisitzer für die Bundesprüfstelle nicht ausreichend geregelt ist. (vgl BVerfG, B, 27.11.90, - 1_BvR_402/87 - Josephine Mutzenbacher - BVerfGE_83,130 = www.DFR/BVerfGE)
Die Freiheit der Kunst findet ihre Grenzen nicht nur in den Grundrechten Dritter. Sie kann auch mit anderen verfassungsrechtlich geschützten Gütern in Widerstreit treten. (vgl BVerfG, B, 07.03.90, - 1_BvR_266/86 - Bundesflagge - BVerfGE_81,278 = www.DFR/BVerfGE)
Art.5 Abs.3 Satz 1 GG schließt eine Bestrafung nach § 90a Abs.1 Nr.2 StGB wegen Verunglimpfung der Bundesflagge durch eine künstlerische Darstellung nicht generell aus. (vgl BVerfG, B, 07.03.90, - 1_BvR_266/86 - Bundesflagge - BVerfGE_81,278 = www.DFR/BVerfGE)
Zur Abgrenzung zwischen Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit (vgl BVerfG, B, 10.07.02, - 1_BvR_354/98 - Bonnbons - = RS-BVerfG Nr.02.022 = www.bverfg.de)
Die die Beamten betreffenden Regelungen des G 131 verletzen nicht die Art.5 Abs.3 Satz 1, Art.101 Abs.1 Satz 2, Art.103 Abs.2 und 3 und Art.139 GG. (vgl BVerfG, U, 17.12.53, - 1_BvR_147/52 - Beamtenverhältnisse - BVerfGE_3,58 = www.DFR/BVerfGE)
Die Freiheit der Kunst (Art.5 Abs.3 S.1 GG) hindert nicht grundsätzlich daran, eine baurechtliche Genehmigung für die Aufstellung von Monumentalfiguren der Baukunst im Außenbereich wegen Widerspruchs zu Darstellungen des Flächennutzungsplans, wegen einer Verunstaltung des Landschaftsbildes oder wegen einer Beeinträchtigung der natürlichen Eigenschaft der Landschaft gemäß § 35 Abs.2 und 3 BauGB zu versagen. (vgl. BVerwG, B 13.04.95 - 4 B 70/95 - Aartemis und Aurora, NJW 95,2648 -50 = DVBl 95,1008 = NuR 95,253 = JuS 95,1131)
Z-233 Kunstfreiheit: Schutzbereich
"... Der Schutzbereich des Art.5 Abs, 3 S.1 GG umfaßt nicht nur die eigentliche künstlerische Tätigkeit, den sog. " Werkbereich ", sondern auch die Vermittlung des Kunstwerks an Dritte, den sog. " Wirkbereich". In dieser Ausprägung verbirgt die Kunstfreiheit das Recht, Kunstwerke darzubieten und zu verbreiten (BVerfGE 30, 173; 67, 213). Dies schließt die Möglichkeit ein, Werke der Baukunst an einem bestimmten Ort aufzustellen. Ob es sich hierbei um eigene oder fremde Kunstschöpftungen handelt, spielt keine Rolle. ... (vgl. BVerwG, B 13.04.95 - 4 B 70/95 - Aartemis und Aurora, NJW 95,2648 -50 = DVBl 95,1008 = NuR 95,253 = JuS 95,1131, S.)
Z-234 Kunstfreiheit: Schranken
"... Die Kunstfreiheit ist in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG vorbehaltlos gewährleistet. Das bedeutet nicht, daß von ihr schrankenlos Gebrauch gemacht werden kann. Als Schranken kommen allerdings nur andere Verfassungsbestimmungen in Betracht. Hierzu gehören vor allem die Grundrechte Dritter. Die Kunstfreiheit erstreckt sich von vornherein nicht auf die eigenmächtige Inanspruchnahme fremden Eigentums oder die Beeinträchtigung sonstiger grundrechtlich geschützter Positionen (BVerfG NJW 84,1293). Sie findet ihre Schranken aber auch in anderen Rechtsgütern, sofern es sich um solche handelt, die ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestattet sind (BVerfGE 77,240; BVerfGE 81,278). Der Senat hat im Beschluß vom 27.06.91 (Buchholz 406.41 Baugestaltungs Nr.4) unter Hinweis darauf, daß es ausweislich des Art.2 Abs.2 GG zu den staatlichen Aufgaben gehört, einen Beitrag um allseitigen psychischen Wohlbefinden der Bürger sowie zum sozialen Frieden in der Gemeinschaft zu leisten, dargelegt, daß der Staat es sich von Verfassungs wegen angelegen lassen sein darf, den Wirkbereich vorhandener baulicher Anlagen mit besonders erhaltenswerter äußerer Gestalt von störenden Einwirkungen erhaltenswerter baulicher Anlagen zu schützen und Unlustgefühle hervorrufende krasse Gegensätzlichkeiten und Widersprüche im Erscheinungsbild bebauter Gebiete abzuwehren. Er hat zum Ausdruck gebracht, daß er in den Regelungen des Bauordnungsrechts, die darauf abzielen, Verunstaltungen der Umgebung durch bauliche Anlagen zu verhindern, ein zur Erreichung dieses Schutzzwecks zulässiges Mittel sieht. Für das in der bauplanungsrechtlichen Vorschrift des § 35 Abs.3 BauGB enthaltene Verunstaltungsverbot gilt im Prinzip nichts anderes. Eine Grundlage dafür, die Grundrechtsgewährleistung des Art.5 Abs.3 S.1 GG im Bereich des Bauplanungsrechts einzugrenzen, bietet überdies Art.20a GG. Die Verpflichtung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ist als Staatsziel ausgestattet. Sie beansprucht als objektiv rechtlicher Verfassungssatz unmittelbare Geltung, auch wenn sie keine subjektiven Rechte begründet. Art.20a GG wendet sich in erster Linie an den Gesetzgeber, den die Verpflichtung trifft, den in dieser Norm enthaltenen Gestaltungsauftrag umzusetzen. Durch die ausdrückliche Einordnung der Staatszielbestimmung in die verfassungsmäßige Ordnung wird klargestellt, daß der Umweltschutz keinen absoluten Vorrang genießt, sondern in Ausgleich mit anderen Verfassungsprinzipien und Rechtsgütern zu bringen ist. Dies trifft auch für den Fall der Kollision mit Grundrechtsverbürgerungen, die, wie Art.5 Abs.3 S.1 GG, keinem Vorbehalt unterliegen. Seinem sachlichen Gehalt nach enthält Art.20a GG nicht zuletzt die Verpflichtung, auf die Erhaltung der natürlichen Umwelt hinzuwirken. Zur Erreichung des Ziels der Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen gibt er dem Gesetzgeber mit Rücksicht auf die Begrenztheit der Ressourcen Natur und Boden das Mittel in die Hand, Maßnahmen zum Schutz von Natur und Landschaft zu ergreifen und substantiellen Einbußen in diesem Bereich vorzubeugen. In diesem Zusammenhang ist auch dem Städtebaurecht eine maßgebliche Rolle zuzuerkennen, da ihm die verbindliche Regelung der Bodennutzung im Rahmen der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung vorbehalten ist. Die Bauleitplanung ist zwar kein Umweltrecht im engeren Sinne, ihre Umweltrelevanz ist jedoch unverkennbar. Dies findet seinen Niederschlag darin, daß Bauleitpläne nach § 1 Abs.5 S.1 BauGB dazu beitragen sollen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln. Auch außerhalb der Bauleitplanung schafft der Gesetzgeber die Voraussetzungen dafür. Beleg hierfür ist § 35 BauGB, der - auch - im Interesse der Erhaltung von Natur und Landschaft Vorsorge dafür trifft, daß der Außenbereich für die Abwehr von Verunstaltungen durch Bauwerke hinaus vor enem Eindringen in wesensfremder Bebauung bewahrt bleiben.
Das bedeutet nicht, daß Art.5 Abs.3 GG über die Staatszielbestimmung des Art.20a GG einem Gesetzesvorbehalt unterworfen wird. Die dem Schutz des Außenbereichs dienenden einfachgesetzlichen Vorschriften des BauGB, mit denen der Gesetzgeber den ihm erteilten verfassungsrechtlichen Gestaltungsauftrag nachgekommen ist, müssen ihrerseits im Lichte des Art.5 Abs.3 S.1 GG ausgelegt werden, damit ein den Wertvorstellungen des GG entsprechender Ausgleich der widerstreitenden, verfassungsrechtlich geschützten Interessen gefunden werden kann. Dabei darf freilich dem Umstand angemessen Rechnung getragen werden ,daß die Baukunst in weit stärkerem Maße als sonstige Kunstformen durch einen Gemeinschaftsbezug gekennzeichnet ist. Ihre Ausübung setzt Grundeigentum voraus, dessen Nutzung an strengere rechtliche Vorgaben geknüpft ist als das bewegliche Eigentum. Sie üben eine erhebliche Wirkung auf die Umwelt aus, weil sich ihrem Eindruck keiner, der mit ihnen konfrontiert wird, entziehen kann. ..."(vgl. BVerwG, B 13.04.95 - 4 B 70/95 - Aartemis und Aurora, NJW 95,2648 -50 = DVBl 95,1008 = NuR 95,253 = JuS 95,1131,)
Z-235 Verunstaltungsverbot
"... Auch ein Verstoß gegen § 5 Abs.2 RhPfBauO rechtfertigt die angefochtene Verfügung nicht. Diese Bestimmung, nach der bauliche Anlagen mit iherer Umgebung so in Einklang zu bringen sind, daß ie benachbarte bauliche Anlagen sowie das Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild nicht verunstalten, ist zwar eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums iS von Art. 14 Abs.1 S.2 GG (BVerwG, NVwZ 91,938). Damit dient die Vorschrift neben der Ortsgestaltung auch dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke sowie dem allseitigen psychischen Wohlbefinden der Bürger und dem sozialen Frieden in der Gemeinschaft (BVerwG, NVwZ 91,938). Damit ist jedoch noch nicht gesagt, daß jeder Verstoß gegen Art.5 Abs.2 RhPfBau= auch eine Beschränkung des Grundrechts aus Art.5 Abs.3 S.1 GG rechtfertigt. Vielmehr bedarf es dazu einer sorgfältigen Abwägung zwischen der Kunstfreiheit und den durch § 5 Abs.2 RhPfBauO geschützten Rechten Dritter. Nur wenn deren Beeinträchtigung derart schwerwiegend ist, daß die Freiheit der Kunst zurückzutreten hat, kann der Verstoß gegen § 5 Abs.2 RhPfBauO die angefochtene Verfügung stützen (vgl BVerfGE 30,173 (195) = NJW 71,1645; BVerfGE 67,213 (228) = NJW 85,261; siehe auch OVG Koblenz, NVwZ 97,1147 ). Daher hätte das VG seine Prüfung nicht darauf beschränken dürfen, ob er Tatbestand des § 5 Abs.2 RhPfBauO erfüllt ist, sondern das Grundrecht des Klägers aus Art.5 Abs.3 S.1 GG dem möglicherweise durch die Fassadengestaltung beeinträchtigten Rechtsgütern gegenüberstellen müssen. ..." (vgl. OVG Kobl, U 24.07.97 - 8 A 12820/96 - Fassadenbemalung, NJW 98,1422 -23, 1422)
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