D-Bundestag 14.Wahlperiode |
ZustRefG (1) | Drucksache 14/4554 09.11.00 |
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Das Zustellungsreformgesetz soll das Verfahren bei förmlicher Zustellung im gerichtlichen Verfahren vereinfachen und den gewandelten Lebensverhältnis- sen anpassen.
Der Entwurf erweitert die Möglichkeiten, zwischen mehreren Zustellungsfor- men auswählen zu können. Er vereinfacht die Ersatzzustellung, reduziert die kosten- und zeitaufwendige Beurkundung der Zustellung und lässt an Behörden und Personen, denen gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden kann, die Zustellung auf dem Wege der Fernkopie (Telefax) oder als elektronisches Dokument (E-Mail) zu.
Keine.
1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Keine. Durch die Vereinfachung der Zustellung wird eine gewisse – nicht quan- tifizierbare – Entlastung im gerichtlichen Geschäftsbetrieb eintreten.
2. Vollzugsaufwand
Keiner
Keine
Die Zustellung bildet die Grundlage für die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens, seinen Fortgang und die Bestandskraft der verfahrensbeendenden Entscheidung. Ihre Ausgestaltung ist daher nicht nur bedeutsam für die Verwirklichung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Artikel 103 Abs.1 GG), sondern gleichermaßen von Bedeutung für den im Justizgewährungsanspruch begründeten Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz in angemessener Zeit (Artikel 19 Abs.4 GG) und für die Rechtssicherheit als wesentliches Element des Rechtsstaatsprinzips (Artikel 20 Abs.3 GG).
Das Verfahren bei Zustellungen gemäß §§ 166 bis 213a Zivilprozessordnung ist in seinen Grundzügen und seiner Systematik seit Inkrafttreten der Zivilprozessordnung (ZPO) nahezu unverändert geblieben. Die Vorschriften entsprechen in großem Umfang nicht mehr den gewandelten Lebensverhältnissen und berücksichtigen nicht ausreichend die technische Entwicklung. Sie bereiten insbesondere bei der Ersatzzustellung in der Wohnung und in Geschäftsräumen teilweise erhebliche Schwierigkeiten.
Überlegungen, die Vorschriften über das Verfahren bei Zustellung zu ändern, wurden in der Reformgeschichte der ZPO wiederholt angestellt, Änderungen jedoch häufig mit dem Hinweis darauf verschoben, dass sie einer umfassenden Überarbeitung des Zustellungsrechts vorbehalten bleiben müssen. Bei der Arbeit am Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts vom 12.November 1950 (BGBl.S.455) wurde ein Handlungsbedarf für eine Überarbeitung der Zustellungsvorschriften gesehen. Letztlich wurde aber davon Abstand genommen, weil dieses Gesetz die Bereinigung des Rechts der Kriegs- und Nachkriegszeit zum Gegenstand hatte und Änderungen der Systematik des Gesetzes einer späteren Reform vorbehalten bleiben sollten (Bülow, Süddeutsche Juristenzeitung 1950, S.718).
Aktueller Handlungsbedarf für eine Reform des Zustellungsrechts der ZPO ergibt sich aus der überalterten Struktur, aus Forderungen der Länder und aus zahlreichen Eingaben an die Bundesregierung; sie wird auch in der Fachliteratur gefordert (Stein-Jonas/Roth, 21.Aufl, vor § 166 Rn.11). Petitionen, die der Bundesregierung vom Deutschen Bundestag als Material zugeleitet wurden, wiesen wiederholt auf Schwierigkeiten bei der praktischen Anwendung einzelner Zustellungsvorschriften, insbesondere bei der Ersatzzustellung, hin.
Die Reform des Zustellungsrechts berücksichtigt die Auswirkungen der Poststrukturreform. Gerichtliche Zustellungen sind ein Massengeschäft, das ganz überwiegend von der Post ausgeführt wird (§ 211 iVm §§ 193, 195 ZPO). Jährlich werden etwa 40 Millionen förmliche Zustellungen durch die Post als gesetzliches Zustellungsorgan ausgeführt, davon etwa 20 Millionen für die Gerichte. Daran hat sich auch nach der Privatisierung der ehemaligen Deutschen Bundespost nichts geändert. Die Beibehaltung des gegenwärtigen Leistungsstandards der Post bei der förmlichen Zustellung ist für die Gewährleistung der eingangs genannten Verfassungsgrundsätze unabdingbar. Die Reform des Zustellungsrechts setzt daher voraus, dass die Deutsche Post AG und weitere Unternehmen, die Postzustelldienstleistungen erbringen, mit dem Recht beliehen sind, förmliche Zustellungen nach den Vorschriften der Prozessordnungen vornehmen zu können (§ 33 Abs.1 Postgesetz vom 22.Dezember 1997, BGBl.I S.3294).
Das Gesetz soll das Zustellungsrecht vereinfachen und die Möglichkeiten der Geschäftsstelle erweitern, zwischen mehreren Zustellungsformen auswählen zu können, insbesondere soll die kostenaufwendige und für den Zustellungsadressaten oftmals umständliche beurkundete Zustellung durch Niederlegung soweit wie vertretbar vermieden und der zunehmende Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel berücksichtigt werden.
Ergänzend zu den bereits bestehenden Möglichkeiten der Zustellung an den gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter des Zustellungsadressaten, kann künftig die Zustellung auch durch Übergabe an eine zur Entgegennahme zuzustellender Schriftstücke bevollmächtigte Person bewirkt werden (materielle, dem bürgerlichen Vertretungsrecht folgende Lösung). Der Vertreter muss demjenigen, der die Zustellung ausführt, eine schriftliche Vollmacht vorlegen.
aa) Erweiterung des Kreises der Personen, an die gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden kann
Die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis wird erweitert. Diese Form der Zustellung ist bei allen Personen möglich, bei denen aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann.
bb) Zustellung durch elektronische Kommunikationsmittel
An den Personenkreis, dem gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden kann, und an Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts darf auch eine Telekopie oder ein elektronisches Dokument zugestellt werden. Damit wird der Einsatz von Telefax und E-Mail für die förmliche Zustellung auf eine gesetzliche Grundlage gestellt.
cc) Einschreiben mit Rückschein
Bei der Zustellung durch die Post oder den Justizbediensteten wird mit der Beurkundung ein aufwendiges und kostspieliges Verfahren betrieben. Die Geschäftsstelle soll deshalb künftig entscheiden können, ob die Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein ausreicht.
dd) Zustellung durch Gerichtsvollzieher und andere Behörden
Das Gericht kann den Gerichtsvollzieher oder eine andere Behörde mit der Ausführung einer Zustellung von Amts wegen beauftragen, wenn eine Zustellung durch die Post oder einen Justizbediensteten im Einzelfall keinen Erfolg verspricht. Der Gerichtsvollzieher oder die beauftragte Behörde werden als gesetzliches Zustellungsorgan tätig.
Wesentliche Änderungen finden sich bei der Ersatzzustellung. Sie ist nur in den im Gesetz genannten Fällen und auch nur dann zulässig, wenn der Zustellungsadressat in seiner Wohnung oder in einem Geschäftsraum nicht angetroffen wird. Hervorzuheben sind folgende Änderungen:
In der Wohnung des Zustellungsadressaten ist die Ersatzzustellung nicht nur an einen erwachsenen Familienangehörigen und eine in der Familie beschäftigte Person, sondern auch an einen erwachsenen Mitbewohner zulässig.
Die Ersatzzustellung an den Hauswirt oder Vermieter (§ 181 Abs.2 ZPO) entfällt; dafür kann in einer Gemeinschaftseinrichtung dem Leiter oder einer in der Einrichtung dafür bestellten Person zugestellt werden.
Die Ersatzzustellung in einem Geschäftslokal (§§ 183, 184 ZPO) wird vereinheitlicht. Juristische Personen und Gewerbetreibende, die ihre Geschäfte über besondere Geschäftslokale abwickeln, sind zustellungsrechtlich natürlichen Personen gleichgestellt.
Wenn eine Ersatzzustellung in der Wohnung oder in Geschäftsräumen nicht ausführbar ist, ist die Ersatzzustellung durch Einlegen des Schriftstücks in einen zu der Wohnung oder zu dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung, beispielsweise der Einwurfschlitz in einer Eingangstür, zulässig.
Erst wenn die Ersatzzustellung durch Einlegen des Schriftstücks in den Briefkasten nicht möglich ist, kann durch Niederlegung bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung gelegen ist, bei der Polizei oder bei einer von der Post dafür bestimmten Stelle an diesem Ort zugestellt werden.
Die Zustellung im Ausland soll nach dem Vorbild des § 37 Abs.2 der Strafprozessordnung (StPO) auch im Zivilverfahren durch Einschreiben mit Rückschein bewirkt werden können, soweit aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen Schriftstücke unmittelbar durch die Post übersandt werden dürfen. Hierdurch wird dem Europäischen Übereinkommen über die Zustellung von gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Rechnung getragen.
Bei der öffentlichen Zustellung wird nur noch der für die Information des Betroffenen unerlässliche Teil an Daten veröffentlicht. Das Prozessgericht kann anordnen, ob und wo die Benachrichtigung zu veröffentlichen ist. Eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger ist nicht mehr zwingend vorgeschrieben.
Zustellungsmängel sollen, sofern überhaupt eine Zustellungsabsicht vorliegt, unbeachtlich bleiben, wenn der Zustellungszweck erreicht ist. Zustellungszweck ist es, dem Adressaten angemessene Gelegenheit zur Kenntnisnahme eines Schriftstückes zu verschaffen und den Zeitpunkt dieser Bekanntgabe zu dokumentieren. Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Schriftstückes nicht nachweisen oder sind zwingende Zustellungsvorschriften verletzt worden, gilt ein Schriftstück in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der Adressat oder ein Empfangsberechtigter erhalten hat. Das Gericht prüft in diesen Fällen in freier Beweiswürdigung des Sachverhalts, ob der Zustellungszweck erreicht ist und wann das geschehen ist. Das gilt auch dann, wenn die Zustellung eine Notfrist in Gang setzt.
Die Vorschriften über die Zustellung von Amts wegen werden als Regelfall den Vorschriften über die Zustellung auf Betreiben der Parteien vorangestellt.
Für das Verfahren der ordentlichen Gerichte und das Verfahren der Arbeits-, Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit wird ein einheitliches Zustellungsrecht geschaffen. Die Regelungen erfolgen in der ZPO; gerichtszweigspezifische Ausnahmen verbleiben in der jeweiligen Verfahrensordnung. Für das jeweilige Vorverfahren der Behörde bleibt es bei der Zustellung nach dem Verwaltungszustellungsgesetz.
Es verbleibt dabei, dass die ZPO im 1.Buch, 3.Abschnitt, 2.Titel, nur das Verfahren bei der Zustellung regelt. Welches Schriftstück zuzustellen ist, soll weiterhin in der jeweiligen Verfahrensvorschrift geregelt werden. Soweit das 2 und 3.Buch der ZPO aber Bestimmungen enthalten, die das Verfahren bei Zustellung betreffen, oder solche an anderer Stelle vorhanden sind, werden sie bei den Zustellungsvorschriften eingestellt (zB § 270 Abs.1 ZPO) oder, um wiederholende Regelungen zu vermeiden, aufgehoben oder geändert. Es bleibt auch dabei, dass das Gericht in Fällen, in denen die Zustellung nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, im Rahmen seines Ermessens eine Zustellung anordnen kann.
Für die Zustellungspraxis bedeutungslose Bestimmungen werden aufgehoben, wie
§ 177 ZPO (Unbekannter Aufenthalt des Prozessbevollmächtigten),
§ 188 ZPO (Zustellung zur Nachtzeit und an Sonn- und Feiertagen),
§ 195a ZPO (Verfahren bei Orten ohne Postbestelldienst),
§ 197 ZPO (Mehrkosten durch Gerichtsvollzieher),
§ 207 Abs.2 ZPO (Rückwirkung der Zustellung im Parteibetrieb, soweit eine Notfrist gewahrt werden soll).
Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes folgt aus Artikel 74 Abs.1 Nr.1 GG in Verbindung mit Artikel 72 GG. Eine bundesgesetzliche Regelung ist nach Artikel 72 Abs.2 GG erforderlich, da die gerichtliche Zustellung zu dem gerichtlichen Verfahren im Sinne von Artikel 74 Abs.1 Nr.1 GG zählt und eine Regelung durch die Länder insbesondere in den Fällen der länderübergreifenden Zustellung und der Zustellung mit Auslandsbeteiligung zu Unzuträglichkeiten führen würde.
Die Haushalte des Bundes und der Länder werden durch das Gesetz möglicherweise geringfügig entlastet. Da Zustellungen ohne förmliche Beurkundung verstärkt eingesetzt werden können, dürften die Auslagen für die Zustellungen sinken. Die Erleichterungen bei der beurkundeten Zustellung können möglicherweise zu einem Sinken der entsprechenden Preise der Postdienstleistungsunternehmen führen. Für die Gemeinden und Gemeindeverbände ist das Gesetz weitestgehend kostenneutral, da sie nur in ihrer Eigenschaft als Prozessparteien von den Auswirkungen des Gesetzes betroffen sind.
Auswirkungen auf die Kosten, die etwa bei Wirtschaftsunternehmen entstehen können, sind nicht zu erwarten.
Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
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