Begr (2) | SchuldrechtsmodernisierungsG | BT-Dr 14/6040 |
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Das Leistungsstörungsrecht betrifft Fragen, die zu den wichtigsten des Schuldrechts gehören. Ob es um Kauf- oder Werkverträge, um Reiseverträge oder Leasingverträge, um Verlagsverträge, Gesellschaftsverträge oder Kreditsicherungsvereinbarungen geht – überall muss das Schuldrecht eine Antwort auf die Frage geben, welche Ansprüche einer Vertragspartei zustehen, wenn der andere Teil den Vertrag gar nicht, nicht vollständig, nicht richtig, nicht rechtzeitig, nicht am rechten Ort oder auf sonstige Weise fehlerhaft erfüllt hat. Um so ernster ist es zu nehmen, dass nach allgemeiner Ansicht die Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs über das Leistungsstörungsrecht in wichtigen Teilen nicht als gelungen bezeichnet werden können. Im Folgenden soll gezeigt werden, worin die wesentlichen Mängel des Leistungsstörungsrechts bestehen und dass auch die Rechtsprechung mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln diese Mängel nicht auf überzeugende Weise hat beseitigen können. Ferner soll ein Blick auf das für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getretene Recht der internationalen Warenkaufverträge zeigen, dass dort ein Regelungsmodell verwirklicht worden ist, das auch für eine Neuregelung des Leistungsstörungsrechts im innerstaatlichen Bereich nutzbar gemacht werden kann.
Unmöglichkeit der Leistung als zentrales Merkmal des geltenden Leistungsstörungsrechts
Im Mittelpunkt des geltenden Leistungsstörungsrechts steht der Begriff der „Unmöglichkeit der Leistung“. Damit wird ein Fall zum Ausgangspunkt der gesetzlichen Regelung gewählt, der nicht nur selten auftritt, sondern überhaupt nur bei ganz bestimmten Schuldverhältnissen auftreten kann, so etwa beim Spezieskauf, wenn das verkaufte Einzelstück zerstört wird oder bei Dienst- und Werkverträgen, wenn die Erbringung der geschuldeten Dienst- oder Werkleistung „unmöglich“ wird, etwa weil der Schuldner erkrankt oder sein Betrieb behördlich geschlossen oder durch ein Feuer vernichtet wird. Dadurch, dass § 306 BGB einen Vertrag als nichtig bezeichnet, der auf eine von An- fang an „objektiv“ unmögliche Leistung gerichtet ist, wird es weiterhin erforderlich, zwischen anfänglicher und nachträglicher und ferner zwischen objektiver Unmöglichkeit und „subjektivem“ Unvermögen zu differenzieren; hinzu kommt noch die Unterscheidung zwischen vollständiger und teilweiser und zwischen endgültiger und vorübergehender Unmöglichkeit und schließlich in allen genannten Fällen die weitere Unterscheidung danach, ob die Unmöglichkeit oder das Unvermögen nur vom Schuldner, nur vom Gläubiger, von beiden Vertragsparteien oder von keiner von ihnen zu vertreten ist.
Einig ist man sich heute darüber, dass die Regelung des § 306 BGB missglückt ist. In den Fällen, in denen die in dieser Vorschrift angeordnete Nichtigkeitsfolge und die Beschränkung der Haftung des Schuldners auf das negative Interesse (§ 307 BGB) als unangemessen erscheinen und auch nicht der Sonderfall des Verkaufs einer nichtexistenten Forderung vorliegt (§ 437 BGB), liest die Rechtsprechung aus den Umständen des Falles heraus, dass der Schuldner eine Garantie für die Erbringbarkeit der von ihm versprochenen Leistung übernommen hat. Hinzu kommt, dass eine Regelung des anfänglichen „subjektiven“ Unvermögens überhaupt fehlt und die inzwischen von der Rechtsprechung nachgeschobene Lösung dieses Falltyps auch heute noch im Schrifttum lebhaft umstritten ist. Auffällig ist ferner, dass die „vorübergehende“ Unmöglichkeit nur insoweit geregelt ist, als es sich um eine anfängliche und objektive Unmöglichkeit handelt (§ 308 BGB), nicht hingegen insoweit, als die Unmöglichkeit erst nachträglich eintritt oder zwar von Anfang an vorliegt, aber nur für den konkreten Schuldner, nicht für andere Schuldner in gleicher Lage gegeben ist. Die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Arten der Unmöglichkeit und des Unvermögens – beide Begriffe werden nirgends definiert und sind wohl auch gar nicht definierbar – bildet eine ständige Quelle von Abgrenzungsstreitigkeiten, deren befriedigende Lösung daran scheitert, dass eine plausible rechtspolitische Rechtfertigung der unterschiedlichen Rechtsfolgen, die je nach der getroffenen Wahl eintreten, nicht erkennbar ist (vgl dazu auch Huber, Gutachten S.757 f.).
Ergänzung des geltenden Rechts durch Richterrecht
Die Rechtsinstitute der positiven Forderungsverletzung, des Verschuldens bei Vertragsanbahnung und des Wegfalls der Geschäftsgrundlage sind jedem Juristen geläufige Beispiele dafür, dass die Rechtsprechung das geschriebene Leistungsstörungsrecht auf breiter Front ergänzt und weiterentwickelt hat. Hierher gehört auch die Kündigung aus wichtigem Grund, die in den §§ 554a, 626, 723 BGB für einzelne Vertragstypen geregelt ist, von der Rechtsprechung aber auch sonst zugelassen wird, sofern das Vertragsverhältnis der Parteien sich als ein Dauerschuldverhältnis darstellt. Zwar kann es nicht die Aufgabe des Gesetzgebers sein, jede von der Rechtsprechung entwickelte Regel in Gesetzesform zu gießen. Wohl aber stellt sich die Frage, ob dies nicht jedenfalls dort geboten ist, wo das in Rede stehende Richterrecht für die Entscheidung praktischer Fragen in der täglichen Rechtsanwendung von grundlegender Bedeutung ist und eine befriedigende gesetzliche Regelung möglich erscheint.
Das Rechtsinstitut der positiven Forderungsverletzung belegt besonders deutlich, dass das kodifizierte Leistungsstörungsrecht in sehr wichtigen Bereichen der praktischen Rechtsanwendung unvollkommen ist. Rechtsprechung und Schrifttum weisen diesem Rechtsinstitut zwei Aufgaben zu, die durchaus unterschiedliche Regelungsprogramme betreffen. Zum einen wird die positive Forderungsverletzung auf Fälle angewandt, in denen zwar weder Unmöglichkeit der Leistung noch Leistungsverzug vorliegen, der Schuldner aber die ihm obliegende Leistung „schlecht“, also in anderer als der vertragsmäßig geschuldeten Weise erbracht oder sonstige vertragliche Pflichten verletzt und dadurch dem Gläubiger einen Schaden zugefügt hat. Zum anderen ermöglicht dieses Rechtsinstitut, dass der vertragstreue Teil bei einer wesentlichen Vertragsverletzung Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Vertrags verlangen oder vom Vertrage zurücktreten kann. So liegt es zB, wenn der Schuldner die Erfüllung des Vertrags ernsthaft oder endgültig verweigert oder wenn er sich in anderer Weise vertragswidrig verhalten hat und dadurch die (weitere) ordnungsmäßige Erfüllung des Vertrags ernstlich gefährdet erscheint. Hier erweitert die positive Forderungsverletzung die Voraussetzungen, unter denen gemäß §§ 325, 326 BGB ein Gläubiger vom Vertrag Abstand nehmen oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann.
Das Nebeneinander von gesetzlich geregelten und ungeschriebenen, von der Rechtsprechung entwickelten Ansprüchen wegen Leistungsstörung könnte vielleicht hingenommen werden, wenn diese Ansprüche gegeneinander klar abgegrenzt werden könnten und die unterschiedlichen Rechtsfolgen, zu denen sie führen, eine einleuchtende rechtspolitische Grundlage hätten. So verhält es sich indessen keineswegs. Insbesondere ist es die Konkurrenz zwischen den (geschriebenen) Gewährleistungsansprüchen und den (ungeschriebenen) Ansprüchen aus positiver Forderungsverletzung, die in der gerichtlichen Praxis zu mancherlei Unklarheiten und Ungereimtheiten geführt hat. Sie haben ihren Grund im Wesentlichen darin, dass für Schadensersatzansprüche, die gemäß §§ 463, 635 BGB wegen der Lieferung fehlerhafter Waren oder der Erbringung einer fehlerhaften Werkleistung geltend gemacht werden, eine relativ klare, wenn auch für Kauf- und Werkverträge durchaus unterschiedliche gesetzliche Regelung gegeben ist.
An einer solchen Regelung fehlt es, soweit es um Ansprü- che aus positiver Forderungsverletzung geht. Zweifelhaft kann deshalb nicht nur sein, ob überhaupt neben den Ansprüchen aus §§ 463, 635 BGB ein Anspruch aus positiver Forderungsverletzung zulässig ist. Zweifelhaft kann auch sein, ob und wie man Ansprüche aus positiver Forderungsverletzung – ihre Zulässigkeit unterstellt – nach ihren Voraussetzungen, nach dem Umfang des zu ersetzenden Schadens und nach den für sie geltenden Verjährungsfristen „modifizieren“ muss, um allzu offensichtliche Widersprüche zu den gesetzlich geregelten Ansprüchen zu vermeiden.
So haftet ein Verkäufer gemäß § 463 BGB auf Schadensersatz nur dann, wenn der verkauften Ware eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder er den Käufer über die Beschaffenheit der Ware arglistig getäuscht hat. Aus einer positiven Forderungsverletzung lassen sich Schadensersatzansprüche des Käufers hingegen schon dann herleiten, wenn der Fehler der Ware auf bloßer Fahrlässigkeit des Verkäufers beruht. Hier kann man schon gute Gründe dafür finden, dass neben den Schadensersatzansprüchen aus § 463 BGB kein Platz für Ansprüche aus positiver Forderungsverletzung bleibt. Die Rechtsprechung entscheidet zwar seit langer Zeit anders. Den Wertungswidersprüchen, die sich daraus ergeben, hat sie jedoch dadurch Rechnung zu tragen versucht, dass sie einerseits den Begriff des „Mangelfolgeschadens“ entwickelt hat und den Verkäufer aus positiver Forderungsver- letzung nicht auf Ersatz des „eigentlichen Mangelschadens“, sondern nur auf Ersatz der „Mangelfolgeschäden“ haften lässt und dass sie andererseits die Verjährungsfrist des § 477 BGB auf Ansprüche aus positiver Forderungsverletzung überträgt.
Beide Einschränkungen sollen freilich nur dann gelten, wenn sich das Verschulden des Verkäufers, auf das es für seine Haftung aus positiver Forderungsverletzung ankommt, auf eine Eigenschaft der Kaufsache bezieht. Hat also der Verkäufer eine Betonbereitungsanlage geliefert, deren Mischdüse fehlerhaft ist, so haftet er, wenn er diesen Mangel bei der gebotenen Ablieferungsinspektion schuldhaft nicht entdeckt hat, auf Ersatz des dem Käufer dadurch entstehenden „Mangelfolgeschadens“, sofern nicht die Verjährungsfrist des § 477 BGB abgelaufen ist und der Verkäufer sich auf Verjährung berufen hat. Hat der Verkäufer es hingegen schuldhaft unterlassen, in seiner Betriebsanleitung einen Hinweis auf die richtige Wartung der Mischdüse zu geben, so kann der Käufer nicht nur den gesamten, ihm dadurch entstandenen Schaden ersetzt verlangen, sondern mit der Geltendmachung dieses Anspruchs auch noch dreißig Jahre warten, weil statt des § 477 BGB in diesem Falle die Regelung des § 195 BGB anzuwenden ist. Eine innere Rechtfertigung für diesen Unterschied ist nicht ersichtlich. Noch anders zieht die Rechtsprechung die Grenzlinie zwischen der Haftung des Werkunternehmers aus §§ 635, 638 BGB einerseits und aus positiver Forderungsverletzung andererseits. Auch diese Grenzziehung ist mit vielen Unsicherheiten belastet.
Ähnliche, wenn auch weniger schwerwiegende Fragen ergeben sich bei der Haftung aus Verschulden bei Vertragsanbahnung. Mit ihr wird heute ein ganzes Bündel durchaus unterschiedlicher Fallgruppen gelöst. Sie reichen von der Verletzung vorvertraglicher Informations- und Hinweispflichten über die Haftung für die Folgen eines Unfalls, den jemand während der Führung von Vertragsverhandlungen durch eine Sorgfaltspflichtverletzung seines Vertragspartners erleidet, bis hin zur Prospekthaftung der Gründer und Initiatoren von Anlagegesellschaften. Auch hier kann es zu Abgrenzungsfragen kommen, so etwa dann, wenn der Verkäufer bei den Vertragsverhandlungen die gebotene Aufklärung über die Eigenschaften der Kaufsache schuldhaft unterlassen hat (vgl. BGHZ 60, 319) oder wenn er beim Verkauf eines Unternehmens unrichtige Angaben über dessen Reinertrag gemacht hat und die Rechtsprechung dem Käufer zwar Gewährleistungsansprüche versagt, ihm aber mit einem Anspruch aus Verschulden bei Vertragsanbahnung mit weit längerer Verjährungsfrist hilft (vgl BGH, NJW 1977, 1538).
Gesetzlicher Rücktritt vom Vertrag
Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den gesetzlichen Rücktritt vom Vertrag genügen in verschiedener Hinsicht nicht den praktischen Anforderungen.
Unbefriedigend ist zunächst der Grundsatz, dass Rücktritt und Schadensersatz einander ausschließen. Das bedeutet insbesondere, dass der Gläubiger, der gemäß §§ 325, 326 BGB den Rücktritt vom Vertrag wirksam erklärt hat, nicht mehr Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Vertrags verlangen kann. Da diese Lösung nicht den praktischen Bedürfnissen entspricht, hat sie der BGH zB durch die Annahme korrigiert, dass die Erklärung des Rücktritts, selbst wenn sie von einem Rechtsanwalt abgegeben ist, unklar und auslegungsbedürftig sei, sofern in ihr irgendwie erkennbar werde, dass Schadensersatzansprüche vorbehalten seien; in diesem Falle sei Rücktritt zwar erklärt, aber nicht wirklich gewollt (vgl BGH, NJW 1982, 1279, 1280). Hat der Gläubiger umgekehrt Schadensersatz verlangt, so kann er diesen Anspruch mit den Folgen eines Rücktritts kombinieren, indem er den Ersatzanspruch nach der Differenzmethode berechnet (vgl dazu im Einzelnen Huber, Gutachten S.713 ff.).
Schwierigkeiten bereitet auch der in § 325 BGB und in §§ 326, 285 BGB festgeschriebene Grundsatz, dass ein Gläubiger vom Vertrag nur dann zurücktreten kann, wenn der Schuldner die Nichterfüllung zu vertreten hat. Dieses Erfordernis ist sinnvoll für einen Anspruch des Gläubigers auf Schadensersatz. Sein Recht zum Rücktritt vom Vertrag sollte hingegen allein davon abhängen, ob ihm nach den Umständen noch zugemutet werden kann, trotz des Ausbleibens der ihm gebührenden Leistung am Vertrag weiterhin festgehalten zu werden und die eigene Leistung weiterhin bereitzuhalten. Ist das nicht der Fall, so muss er auch dann zurücktreten können, wenn dem Schuldner aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, die Erbringung der geschuldeten Leistung zurzeit unmöglich ist. In manchen Fällen gestattet das geltende Recht dem Gläubiger zwar einen Rücktritt unabhängig davon, ob der Schuldner die Nichterfüllung zu vertreten hat. So verhält es sich zB beim Fixgeschäft (§ 361 BGB) und bei einem Rücktritt (= Wandelung), der gemäß § 462 BGB auf einen Fehler der Kaufsache oder gemäß § 636 BGB auf die nicht rechtzeitige Herstellung des Werks gestützt wird. In den übrigen Fällen muss aber die Rechtsprechung immer wieder auf Hilfskonstruktionen zu- rückgreifen, um ein vernünftiges Ergebnis zu erzielen (vgl auch dazu Huber, Gutachten S.702 f.).
Auch die Rechtsfolgen, zu denen die Erklärung des Rücktritts oder der Wandelung führt, haben in der Praxis viele Probleme aufgeworfen. Allgemein anerkannt ist, dass die Haftung nach § 347 BGB für denjenigen zu streng ist, der von einem gesetzlichen Rücktritts- oder Wandelungsrecht Gebrauch gemacht hat. Während beim vertraglichen Rücktrittsrecht stets mit der Möglichkeit des Rücktritts gerechnet werden muss, kann der Berechtigte beim gesetzlichen Rücktritts- oder Wandelungsrecht von der Endgültigkeit seines Erwerbs ausgehen, solange er nicht weiß, dass die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rücktritts- oder Wandelungsrechts gegeben sind. Vor Erlangung dieser Kenntnis ist die strenge Haftung aus § 347 BGB nicht angebracht. Nicht überzeugend ist auch, dass nach der Regelung des § 350 BGB die mit Übergabe der Sache auf den Käufer übergegangene Gefahr des zufälligen Untergangs im Fall des Rücktritts auf den Verkäufer zurückspringt.
Das Regelungsmodell des UN-Kaufrechts
Das Leistungsstörungsrecht des UN-Kaufrechts ist für den Bereich des internationalen Kaufs beweglicher Sachen seit dem 1.Januar 1991 geltendes innerstaatliches Recht. Seine Regeln vermeiden viele Mängel, die – wie dargestellt – dem Leistungsstörungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs anhaften:
Es kommt ohne Vorschriften aus, die an die Unmöglichkeit der Leistung anknüpfen. Verträge über Leistungen, die bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses objektiv unmöglich waren, sind abweichend von der Regel des § 306 BGB wirksam. Die Unmöglichkeit der Leistung – handele es sich um anfängliche oder nachträgliche, objektive oder subjektive, zu vertretende oder nicht zu vertretende Unmöglichkeit – wird vom UN-Kaufrecht als einer der möglichen Fälle der Nichterfüllung des Vertrags von den dafür geltenden allgemeinen Vorschriften miterfasst (vgl. Artikel 45 ff, 61 ff UN-Kaufrecht).
Der Vorrang der Erfüllung ist nach dem UN-Kaufrecht dadurch sichergestellt, dass der Käufer zur Auflösung des Vertrags nur dann berechtigt ist, wenn entweder das vertragswidrige Verhalten des Verkäufers eine „wesentliche Vertragsverletzung“ darstellt oder im Falle der Nichtleistung der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Nachfrist zur Erfüllung seiner Pflichten gesetzt hat (vgl. Artikel 47 Abs.1, 49 Abs.1 UN-Kaufrecht).
Der Käufer verliert das Recht, Schadensersatz zu verlangen, nicht dadurch, dass er andere Rechtsbehelfe ausübt, insbesondere die Aufhebung des Vertrags erklärt (vgl. Artikel 45 Abs.2 UN-Kaufrecht).
Das Recht des Käufers zur Aufhebung des Vertrags setzt nicht voraus, dass der Verkäufer die Nichterfüllung seiner Pflichten zu vertreten hat oder dass sie ihm aus besonderen Gründen zuzurechnen ist. Anders liegt es nur in dem Ausnahmefall, in dem es der Käufer selbst ist, der durch sein Verhalten die Nichterfüllbarkeit der Verkäuferpflichten verursacht hat (vgl Artikel 49 Abs.1, 79 Abs.1, 80 UN-Kaufrecht).
Richtig ist, dass das Leistungsstörungsrecht des UN-Kaufrechts überwiegend zu den gleichen Ergebnissen führt, wie sie nach geltendem deutschen Recht im Zusammenwirken von gesetzlicher Regelung, Rechtsprechung und Vertragspraxis erzielt werden. Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass das UN-Kaufrecht die Grundprinzipien, von denen sein Leistungsstörungsrecht geleitet ist, in klaren, verständlichen, widerspruchsfreien und rechtspolitisch einleuchtenden Regeln niedergelegt hat und dadurch der Praxis – insbesondere der Rechtsprechung – die Aufgabe wesentlich erleichtert wird, zu erkennen, ob der konkrete zur Beurteilung stehende Fall von dieser oder jener Regelung erfasst wird oder nicht. Zugleich werden die nicht einleuchtenden Ergebnisse vermieden, die sich im Rahmen des Bürgerlichen Gesetzbuchs für einige Teilbereiche ergeben haben. Das Konzept des UN-Kaufrechts sollte deshalb bei der Reform des Leistungsstörungsrechts Beachtung finden und kann in vielen Regelungsbereichen als Vorbild dienen. Auch wäre es auf die Dauer misslich, wenn im geltenden deutschen Recht die Voraussetzungen und Folgen von Leistungsstörungen durch zwei ganz unterschiedliche Normensysteme geregelt würden.
§§§
Im Kauf- und Werkvertragsrecht sind es in erster Linie die Vorschriften über die Gewährleistungsansprüche, die einer Überarbeitung bedürfen. Sie erscheint zum einen deshalb dringend erforderlich, weil das Verhältnis zwischen diesen Ansprüchen und den Ansprüchen, die dem Käufer oder Besteller nach allgemeinem Leistungsstörungsrecht zustehen, weithin ungeklärt ist und in der Praxis zu einer Fülle von Zweifelsfragen und nicht überzeugenden Ergebnissen geführt hat. Überarbeitungsbedürftig sind die Vorschriften – insbesondere über die Verkäuferhaftung – aber auch deshalb, weil sich die Produktionstechniken, Vertriebsformen und Absatzmodalitäten seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs wesentlich verändert haben. Neben Kaufverträgen über Einzelstücke und Gattungssachen von verhältnismäßig einfacher Beschaffenheit und geringem Schadenspotential, mit denen die Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorwiegend gerechnet haben, ist heute der Kauf von Waren getreten, die technisch kompliziert und deren Mängel bei Ablieferung daher nur schwer feststellbar sind, spät hervortreten und zu erheblichen Folgeschäden führen können. Dadurch ist das Bedürfnis entstanden, das Wande- lungs- und Minderungsrecht des Käufers durch ein Nachbesserungsrecht des Käufers und ein Recht des Verkäufers zur „zweiten Andienung“ zu ergänzen. Schließlich erscheint eine Überarbeitung der Vorschriften über die Gewährleistungsansprüche des Käufers auch deshalb angezeigt, weil diese Vorschriften sich erheblich von den funktionsgleichen Regeln des UN-Kaufrechts unterscheiden.
Das Gewährleistungsrecht als Gegenstand einer selbständigen Regelung
Die Gewährleistungsansprüche werden vom geltenden Recht nur insoweit mit dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht verzahnt, als es um die Haftung des Verkäufers und Werkunternehmers für Rechtsmängel geht (vgl §§ 440 Abs.1, 651 Abs.1 BGB). Soweit es hingegen um Sachmängel geht, hat das Bürgerliche Gesetzbuch an eine aus dem römischen Recht stammende Tradition angeknüpft und in §§ 459 ff, 633 ff BGB eine eigenständige Regelung getrof-.Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 87 – Drucksache 14/6040 fen, die – besonders im Kaufrecht – unverbunden neben dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht steht. Die fehlende Abstimmung zwischen diesen beiden Regelungskom- plexen bildet seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs eine unerschöpfliche Quelle von Streitigkeiten. Die Rechtsprechung, die sich in zahlreichen Entscheidungen mit den dadurch aufgeworfenen Fragen hat beschäftigen müssen, ist heute nur für einen Spezialisten – und manchmal auch für ihn nicht mehr – übersehbar. Dies hat zu großer Rechtsunsicherheit, manchmal auch zu unverständlichen Entscheidungen geführt und jedenfalls einen Zustand geschaffen, der nicht nur im Schrifttum lebhaft kritisiert, sondern auch von manchen der Wirtschaft nahestehenden Verbänden nachdrücklich beanstandet worden ist und sogar den BGH in einzelnen Fällen nach der ordnenden Hand des Gesetzgebers hat rufen lassen (vgl zB BGHZ 77, 215, 223, wo unter Hinweis auf Artikel 39, 49 EKG eine Änderung des § 477 BGB empfohlen wird).
Stellvertretend mag dies am Beispiel einer einzigen Streitfrage verdeutlicht werden, die seit Jahrzehnten diskutiert wird und einer allseits überzeugenden Lösung vermutlich gar nicht zugänglich ist: Es ist dies die Frage nach der richtigen Abgrenzung zwischen der Lieferung einer anderen als der verkauften Ware (Aliud-Lieferung) und der Lieferung einer fehlerhaften Ware. Im ersteren Fall steht dem Käufer von Gattungssachen der allgemeine Erfüllungsanspruch zu; auch kann er, sofern die Lieferung der richtigen Ware unmöglich geworden oder trotz Nachfristsetzung unterblieben ist, die Rechte aus §§ 325 f BGB gegen den Verkäufer geltend machen. Auch im zweiten Fall kann der Käufer Nachlieferung verlangen, dies allerdings nur in der Frist des § 477 BGB; hat er die Waren angenommen, so stehen ihm in diesem Falle lediglich die Gewährleistungsansprüche aus §§ 480, 459 ff BGB zu, die ebenfalls in der kurzen Frist des § 477 BGB verjähren. Dieser Unterschied hat dazu geführt, dass die Frage gestellt werden musste, ob für die Herstellung von Tornistern geliefertes Ziegenfell als „fehlerhaftes“ Kalbfell (RG, JW 1917, 710), ob Winterweizen als „fehlerhafter“ Sommerweizen (BGH, NJW 1968, 640), ob Inlandsschrott als „fehlerhafter“ Importschrott (BGH, NJW 1969, 787) oder ob – so noch in jüngster Zeit BGH NJW 1989, 218 – mit Glykol versetzter und nur dadurch zur „Auslese“ umgepanschter Wein als „fehlerhafter“ Wein angesehen werden kann oder ob in allen diesen Fällen die gelieferte Ware im Vergleich zu der vertraglich kontrahierten ein „aliud“ darstellt. Dass es auf diese Abgrenzung in entscheidender Weise ankommt, kann nur als Folge eines „Systemfehlers“ angesehen, nicht hingegen als sinnvolle Konsequenz einer unterschiedlichen Interessenlage gerechtfertigt werden, weil in allen genannten Fällen der Verkäufer den Vertrag nicht richtig erfüllt hat, er also in allen Fällen auch den gleichen Ansprüchen des Käufers – wie immer sie geregelt sind – ausgesetzt sein sollte.
Ähnlich verhält es sich mit der Abgrenzung zwischen Rechtsmängeln und Sachmängeln. Liegt ein Rechtsmangel vor, so kann der Käufer die Beseitigung des Mangels verlangen und gemäß § 440 Abs.1 BGB dreißig Jahre lang die allgemeinen Ansprüche wegen Leistungsstörung geltend machen. Bei Sachmängeln gelten dagegen die Vorschriften der §§ 459 ff BGB und insbesondere die Verjährungsregelung des § 477 BGB. Dass Rechtsmängel und Sachmängel zu so unterschiedlichen Rechtsfolgen führen, mag nicht einleuchten, könnte aber vielleicht hingenommen werden, wenn die Abgrenzung zwischen den beiden Mangeltypen wenigstens klar wäre. So verhält es sich indessen nicht. Ist etwa das verkaufte Grundstück vertragswidrig mit einer Grunddienstbarkeit belastet, so liegt sicherlich ein Rechtsmangel vor. Um einen Sachmangel soll es sich aber handeln, wenn es mit einer öffentlich-rechtlichen Baubeschränkung belastet ist (BGH, NJW 1979, 2200). Kann der Staat vom jeweiligen Grundstückseigentümer auf Grund öffentlichen Rechts die Übereignung an sich verlangen, so soll ein Rechtsmangel (BGH, NJW 1983, 275), hingegen aber ein Sachmangel vorliegen, wenn das Grundstück auf Grund öffentlichen Rechts nicht an jedermann vermietet werden kann (BGH, WM 1970, 162).
Schadensersatzansprüche bei mangelhafter Leistung
Vollends verworren erscheint das Bild der Schadensersatzhaftung des Verkäufers und Werkunternehmers.
Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt eine Haftung des Verkäufers auf Schadensersatz nur im Rahmen des § 463 BGB, also nur dann, wenn der Verkäufer einen Fehler arglistig verschwiegen hat oder der Kaufsache eine Eigenschaft fehlt, deren Vorhandensein vom Verkäufer zugesichert war. Nach ständiger Rechtsprechung kann aber der Käufer, dem eine fehlerhafte Sache geliefert wurde, Schadensersatz vom Verkäufer auch dann verlangen, wenn zwar nicht die Voraussetzungen des § 463 BGB, wohl aber die Voraussetzungen einer positiven Forderungsverletzung gegeben sind, also der Verkäufer schuldhaft eine fehlerhafte Kaufsache geliefert oder über ihre Eigenschaften schuldhaft unrichtige Angaben gemacht oder richtige Angaben schuldhaft unterlassen hat. Ebenso entscheidet die Rechtsprechung im Werkvertragsrecht: Neben den Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 635 BGB tritt auch dort der Schadensersatzanspruch aus positiver Forderungsverletzung.
Damit ergeben sich höchst verwirrende und bis heute nicht befriedigend gelöste Abgrenzungsprobleme. Was das Kaufrecht anbelangt, so soll aus positiver Forderungsverletzung nur derjenige Schaden ersetzt verlangt werden können, der nicht schon in der Fehlerhaftigkeit der Sache selbst liegt, sondern sich als „Mangelfolgeschaden“ erst aus ihr ergibt. Hat also der Käufer die fehlerhafte Sache ausbessern lassen oder hat er sie so, wie sie ist, zu einem niedrigeren Preis weiterverkauft, so kann er den daraus sich ergebenden Nachteil als „eigentlichen Mangelschaden“ nur ersetzt verlangen, wenn die Voraussetzungen des § 463 BGB erfüllt sind. Hat er dagegen die fehlerhafte Ware in seinem Gewerbebetrieb verwendet und muss er deshalb seinen Kunden Schadensersatz leisten oder auf ihr Verlangen seine Arbeit nachbessern, so stellt der Nachteil, der darin liegt, einen „Mangelfolgeschaden“ dar, dessen Ersatz er vom Verkäufer – sofern die dafür geforderten Voraussetzungen vorliegen – aus positiver Forderungsverletzung verlangen kann. Dass sich dieser Unterschied aus einer unterschiedlichen Interessenlage heraus plausibel begründen lässt, wird man schwerlich sagen können.
Weitere Schwierigkeiten ergeben sich aus dem Umstand, dass der Anspruch aus positiver Forderungsverletzung, da im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht geregelt, grundsätzlich in der Dreißigjahresfrist des § 195 BGB verjährt. Zwar nimmt die Rechtsprechung an, dass auf Ansprüche aus positiver Forderungsverletzung die Vorschrift des § 477 BGB analog anzuwenden sei. Damit ergibt sich aber ein Abgrenzungsproblem in anderer Richtung: Die kurze Verjährungsfrist des § 477 BGB kann nur auf solche Ansprüche aus positiver Forderungsverletzung übertragen werden, die mit den gesetzlich geregelten Gewährleistungsansprüchen funktionsverwandt sind, also auf ein Verschulden des Verkäufers gestützt werden, das sich auf Eigenschaften der gelieferten Ware bezieht. Hat also der Verkäufer statt Superbenzin schuldhaft Benzin minderer Qualität geliefert, so verjährt der Anspruch des Käufers auf Ersatz des an seinen Fahrzeugmotoren entstehenden „Mangelfolgeschadens“ gemäß § 477 BGB in sechs Monaten nach Ablieferung. Hat der Verkäufer hingegen Normalbenzin verkauft und geliefert, es jedoch schuldhaft in einen Tank gefüllt, dessen Inhalt als „Superbenzin“ gekennzeichnet war, so kann der Käufer mit der Geltendmachung des gleichen Schadens an den Fahrzeugmotoren 30 Jahre warten. Denn hier hat der Verkäufer nicht schuldhaft fehlerhaftes Benzin geliefert, sondern schuldhaft richtiges Benzin in den falschen Tank abgefüllt, mithin eine sonstige vertragliche Sorgfaltspflicht verletzt und daher nach den allgemeinen Regeln Schadensersatz zu leisten (so BGHZ 107, 249).
Noch anders und kaum befriedigender wird die Grenzlinie zwischen Schadensersatzansprüchen aus § 635 BGB und positiver Forderungsverletzung gezogen. Zwar unterscheiden sich die beiden Ansprüche nicht nach ihren Voraussetzungen, da auch § 635 BGB verlangt, dass der Unternehmer den Mangel seines Werkes zu vertreten habe. Indessen ist die Rechtsprechung hier der Auffassung, dass – anders als im Kaufrecht – Schadensersatzansprüche wegen eines Werkmangels auch dann auf § 635 BGB gestützt werden müssten, wenn Mangelfolgeschäden ersetzt verlangt würden, die mit dem Werkmangel „eng zusammenhängen“. Für Ansprüche aus positiver Forderungsverletzung sei erst dann Raum, wenn es um „entfernte“ Mangelfolgeschäden gehe; in diesem Falle beurteile sich die Verjährungsfrist nicht nach § 638 BGB, sondern nach § 195 BGB.
Hat also ein Architekt im Auftrag eines Bauherrn fehlerhafte Planungsunterlagen angefertigt, die zu Mängeln des danach errichteten Bauwerks geführt haben, so beurteilt sich der Ersatzanspruch des Bauherrn nach § 635 BGB und, soweit es um die Verjährung geht, nach § 638 BGB. Hat jedoch der gleiche Architekt im Auftrag einer Bank ein fehlerhaftes Gutachten über den Wert eines zu beleihenden Grundstücks erstattet, so kann die Bank den Schaden, den sie durch den Ausfall des nicht ausreichend gesicherten Kredits erleidet, nach den Regeln über die positive Forderungsverletzung ersetzt verlangen; für diesen Anspruch gilt die Verjährungsfrist des § 195 BGB (BGHZ 67,1). Da somit die rechtliche Qualifikation des vom Besteller geltend gemachten Schadensersatzanspruchs über die Dauer der Verjährungsfrist entscheidet, bildet die Abgrenzung zwischen Mangelfolgeschäden, die mit dem Werkmangel „eng zusammenhängen“, und solchen, die mit ihm nur „entfernt“ etwas zu tun haben, ein Dauerthema der Rechtsprechung, zu dem Ströme wissenschaftlicher Tinte geflossen sind, ohne dass eine klare, plausible und vor allem praktikable Lösung in Sicht wäre.
Gewährleistungsfristen
Übereinstimmung besteht darin, dass die Gewährleistungsfristen des § 477 BGB zu kurz sind. Nicht selten ist die Sechsmonatsfrist des § 477 Abs.1 BGB bereits abgelaufen, bevor der Käufer von dem Mangel der ihm gelieferten beweglichen Sache überhaupt Kenntnis erlangen konnte. Wer seine im Frühsommer preisgünstig gekauften Ski in den Weihnachtsferien erstmalig benutzt und dann einen Mangel der Sicherheitsbindung feststellt, kann daher seine Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer wegen Fristablaufs nicht mehr durchsetzen. Auch dann, wenn der Käufer die fehlerhafte Ware sofort nach Lieferung verwendet, tritt der Mangel häufig erst nach Ablauf der Frist des § 477 Abs.1 BGB zutage, so etwa dann, wenn die vom Verkäufer gelieferten Spanplatten vom Käufer zwar sofort in einer Turnhalle verlegt werden, ihre mangelnde Biege- und Querzugsfähigkeit zu offenkundigen Schäden des Hallenbodens aber erst geführt hat, nachdem die Turnhalle mehrere Monate lang in Gebrauch war (vgl. BGHZ 77, 215). Zur Lösung der sich daraus ergebenden Schwierigkeiten hat man vorgeschlagen, bei verborgenen Mängeln den Lauf der Verjährungsfrist nicht schon mit der Ablieferung der Kaufsache, sondern erst in dem Zeitpunkt beginnen zu lassen, in dem der Fehler vom Käufer entdeckt worden ist oder entdeckt werden konnte. Angesichts des in der Tat eindeutigen Wortlauts des § 477 BGB hat die Rechtsprechung sich jedoch gegen diese Lösung entschieden (vgl BGHZ 77, 215, 221 f). Sie hat stattdessen, um dem Käufer zu helfen, andere Wege beschritten. So haben die Tatsachengerichte gelegentlich aus den Umständen des Falles eine konkludente Parteiver- einbarung über die Hinausschiebung des Beginns der Verjährung herausgelesen. Auch haben die Gerichte bei der Frage, ob eine fehlerhafte Sache oder ein aliud geliefert worden sei oder ob ein Sachmangel oder ein Rechtsmangel vorliege, sich manchmal deshalb für Aliud-Lieferung oder einen Rechtsmangel entschieden, weil sich auf diese Weise die Anwendung der §§ 459 ff BGB – und damit auch die Anwendung des § 477 BGB – vermeiden ließ. Solche Überlegungen dürften vielfach auch Pate gestanden haben, wenn die Rechtsprechung den Verkäufer eines Unternehmens, der falsche Angaben über seinen Umsatz oder Gewinn gemacht hat, nicht aus dem Gesichtspunkt der Sachmängelhaftung, sondern aus Verschulden bei Vertragsanbahnung hat haften lassen. Ähnlich liegt es dort, wo die Rechtsprechung die fehlerhafte Beratung des Käufers über die Verwendungsmöglichkeiten der Kaufsache nicht als ein auf Sachmängel, sondern als ein auf sonstige Pflichtverletzungen bezogenes Verschulden des Verkäufers angesehen und auf diese Weise erreicht hat, dass die Ansprüche des Käufers nicht nach § 477 BGB, sondern nach § 195 BGB verjähren. Schließlich hat der BGH in manchen Fällen einem Käufer, dessen Gewährleistungsansprüche verjährt waren, dadurch geholfen, dass er ihm Ansprüche gegen den Verkäufer aus unerlaubter Handlung eröffnete, die gemäß § 852 BGB erst in drei Jahren nach Kenntnis verjähren. So soll der Käufer die Kosten, die ihm durch die Reparatur oder Wiederherstellung der fehlerhaft gelieferten Kaufsache entstehen, gemäß §§ 823 Abs.1, 852 BGB vom Verkäufer ersetzt verlangen können, sofern der Kaufsache nur ein „funktionell begrenzter“ Mangel angehaftet und sich erst nach Belieferung des Käufers in die „im Übrigen mangelfreien Teile“ der Kaufsache „weitergefressen“ habe (BGHZ 67, 3 bis 9). Im Schrifttum ist kritisiert worden, dass durch die Zulassung deliktischer Ansprüche die wohlerwogene Risikoverteilung des Kaufrechts aus den Angeln gehoben werde. Der BGH hat jedoch an seiner Rechtsprechung festgehalten und auf die Kritik dadurch reagiert, dass er zur Umschreibung der Schäden, die mit Hilfe des § 823 Abs.1 BGB liquidiert werden können, andere Kriterien entwickelt hat, die freilich ihrerseits nur wieder andere Abgrenzungsprobleme aufwerfen (vgl zB BGH, NJW 1985, 2420).
Kein Nacherfüllungsrecht des Käufers, kein Recht des Verkäufers zur „zweiten Andienung“
Die Gewährleistungsvorschriften des geltenden Rechts beruhen auf dem historischen Vorbild der Regeln, mit denen im römischen Recht dem Käufer ein Anspruch auf sofortige Rückzahlung oder Minderung des Kaufpreises eingeräumt wurde, wenn er auf offenem Markt Zugvieh oder Sklaven mit „unbehebbaren Mängeln“ erworben hatte. Daher kennt das geltende Gewährleistungsrecht – mit einer Ausnahme beim Gattungskauf – weder ein Recht des Käufers auf Nacherfüllung noch eine Befugnis des Verkäufers, durch Nacherfüllung – ein Recht zur „zweiten Andienung“ – die weiteren Rechtsbehelfe des Käufers abzuwenden.
Dies stimmt nicht mit dem allgemeinen Rechtsbewusstsein überein und widerspricht den Bedürfnissen des heutigen Handels mit industriellen Massengütern. Der Käufer, der eine mangelhafte Sache erhalten hat, hat nicht primär ein Interesse an der Rückgängigmachung des Kaufs oder an der Herabsetzung des Kaufpreises. Ihm geht es vor allem darum, eine mangelfreie Sache zu erhalten. Dieses Interesse kann in den meisten Fällen – auch beim Stückkauf – durch Nachbesserung oder Lieferung einer anderen gleichartigen Sache befriedigt werden. Beim Gattungskauf entspricht auch die Neulieferung häufig nicht den Interessen des Käufers, weil er die Sache behalten will und Reparatur wünscht. Dem Käufer einer bereits fest installierten Maschine ist in der Regel mit Wandelung oder Minderung nicht gedient, sondern nur mit einer Reparatur an Ort und Stelle. Wenn der Käufer sofort zur Wandelung oder Minderung berechtigt ist, ohne dass der Verkäufer dies durch Nachbesserung oder Neulieferung abwenden kann, so entspricht das nicht den berechtigten Verkäuferinteressen und ist auch volkswirtschaftlich nicht sinnvoll.
Gleichwohl kennt das geltende Kaufvertragsrecht weder einen Anspruch des Käufers auf Nacherfüllung noch ein Recht des Verkäufers, die Gewährleistungsansprüche des Käufers durch Nacherfüllung abzuwenden. Die Rechtsprechung hat diese Lücke nur in seltenen Fällen schließen können, so etwa dann, wenn sie den Käufer unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verpflichtet hat, eine vom Verkäufer angebotene Nachbesserung anzunehmen (BGH WM 1971, 1382) oder wenn sie dem Käufer eines vom Verkäufer zu errichtenden Hauses im Falle von Baumängeln einen Anspruch auf Nachbesserung nach den Vorschriften des Werkvertragsrechts (§ 633 Abs. 2 BGB) gewährt hat. Im Übrigen ist die geschilderte Gesetzeslücke von der Vertragspraxis geschlossen worden. Diese hat auf breiter Front Allgemeine Geschäftsbedingungen entwickelt, die das Recht des Käufers zur Rückgängigmachung des Kaufs oder Minderung des Kaufpreises durch ein Recht auf Nachbesserung oder Ersatzlieferung ersetzt haben. Dass dieser Vertragspraxis ein vernünftiges wirtschaftliches Bedürfnis beider Vertragsparteien zugrunde liegt, hat auch der Gesetzgeber anerkannt. In § 11 Nr. 10 Buchstabe b AGBG hat er solche Klauseln gebilligt, sofern dem Käufer für den Fall des Fehlschlagens der Nachbesserung oder Ersatzlieferung ausdrücklich ein Recht zur Rückgängigmachung des Kaufvertrags oder Herabsetzung des Kaufpreises zugestanden wird. Auch bestimmt § 476a BGB, dass in Fällen einer solchen Vereinbarung der zur Nachbesserung verpflichtete Verkäufer die dafür erforderlichen Aufwendungen selbst zu tragen hat; nach § 11 Nr. 10 Buchstabe c AGBG kann sich der Verkäufer von dieser Verpflichtung durch AGB-Klauseln nicht freizeichnen. Da ein Recht des Käufers auf Nacherfüllung auch dann sinnvoll ist, wenn es – wie zB bei Bargeschäften des täglichen Lebens – zur Errichtung von Vertragsurkunden und damit zur Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag nicht kommt, empfiehlt es sich, eine entsprechende Regelung in das Kaufvertragsrecht aufzunehmen.
Das Regelungsmodell des UN-Kaufrechts
Die dargestellten Mängel des geltenden deutschen Kaufrechts werden durch die Regeln des UN-Kaufrechts vermieden:
Dies wird in erster Linie dadurch erreicht, dass das UN-Kaufrecht kein eigenständiges Gewährleistungsrecht kennt. Vielmehr geht es von einem allgemeinen Begriff der Nichterfüllung des Vertrags aus und unterscheidet für die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen grundsätzlich nicht danach, ob die Nichterfüllung in der Lieferung einer fehlerhaften Sache, in einem Rechtsmangel, in der Lieferung eines aliud oder in einer sonstigen Pflichtverletzung des Verkäufers liegt (vgl Artikel 35, 45 ff UN-Kaufrecht).
Artikel 46 Abs.3 UN-Kaufrecht gewährt dem Käufer einen Nachbesserungsanspruch, sofern dies dem Verkäufer unter Berücksichtigung aller Umstände zumutbar ist.
Ein Nachbesserungs- oder Nachlieferungsrecht des Verkäufers ergibt sich nach dem UN-Kaufrecht aus dem Prinzip des Vorrangs der Erfüllung. Hat der Käufer eine Frist gesetzt, ist er verpflichtet, dem Verkäufer Gelegenheit zur Nacherfüllung seiner Pflichten und damit auch zur Nachbesserung einer mangelhaften Sache oder der Ersatzlieferung fehlerfreier Sachen zu geben (vgl Artikel 47 Abs.1, 49 Abs.1 Buchstabe b UN-Kaufrecht).
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Die Erfahrungen der Praxis haben gezeigt, dass die Verjährungsregeln des geltenden Rechts in vielen Punkten nicht den Bedürfnissen des heutigen Wirtschaftsverkehrs entsprechen. Die Systematik des geltenden Verjährungsrechts, die Ausgestaltung des Beginns, der Dauer und des Ablaufs der Verjährungsfristen sowie die Tatbestandsmerkmale einiger Verjährungsbestimmungen gelten nach einer weit verbreiteten Ansicht in Rechtsprechung und Literatur als überarbeitungsbedürftig. Dies gilt vor allem für die Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch, aber auch für die seiner Nebengesetze und zahlreicher anderer Rechtsvorschriften. Erhebliche praktische Schwierigkeiten ergeben sich vor allem daraus, dass die Vorschriften über die Verjährung kein in sich geschlossenes System darstellen und dass einzelne Vorschriften veraltet sind oder zu kurze oder zu lange Verjährungsfristen vorsehen.
Mängel im System des Verjährungsrechts
Das geltende Verjährungsrecht zeichnet sich durch eine außerordentliche Vielzahl unterschiedlicher Verjährungsfristen für gleiche oder ähnliche Tatbestände aus. Allein das Bürgerliche Gesetzbuch kennt Verjährungsfristen von sechs Wochen, sechs Monaten, einem, zwei, drei, vier, fünf und dreißig Jahren. Diese Vielfalt wäre hinnehmbar, wenn die Voraussetzungen, unter denen die eine oder andere Frist maßgeblich ist, klar und einleuchtend voneinander abgegrenzt wären. Das ist jedoch aus folgenden Gründen häufig nicht der Fall:
Die Mehrzahl der Verjährungsfristen knüpft an die Rechtsnatur des Anspruchs an. Das bedeutet, dass die für den geltend gemachten Anspruch maßgebliche Verjährungsfrist dadurch gefunden werden muss, dass der Anspruch rechtlich qualifiziert, also ermittelt wird, ob es sich um einen Anspruch aus Kaufvertrag oder Werkvertrag, aus Werkvertrag oder Dienstvertrag handelt und ob der Anspruch auf eine Nichterfüllung des Vertrags, auf die Lieferung einer mangelhaften Sache oder auf die Verletzung einer Nebenpflicht gestützt wird. Oft kann es aber – wie schon oben dargelegt – zweifelhaft sein, ob ein Kaufvertrag oder ein Werkvertrag vorliegt oder ob der Verkäufer schuldhaft eine fehlerhafte Sache geliefert oder zwar eine fehlerfreie Sache geliefert, den Käufer aber über ihre Verwendungsmöglichkeiten oder ihre richtige Nutzung oder Wartung schuldhaft schlecht beraten hat.
Erst recht kommt es dort zu Schwierigkeiten, wo der von den Parteien geschlossene Vertrag gesetzlich nicht geregelt, sondern als atypischer, typenkombinierter oder typenverschmolzener Vertrag anzusehen ist. So kann zB die schwierige und umstrittene Einordnung eines Automatenaufstellungsvertrags als Mietvertrag, partiarisches Rechtsverhältnis oder als Gesellschaftsvertrag erhebliche Konsequenzen für die maßgebliche Verjährungsfrist haben. Alles dies führt nicht nur zu schwierigen Abgrenzungsproblemen, sondern auch dazu, dass sich aus geringfügigen Unterschieden in der Gestaltung des Sachverhalts ganz verschiedene Verjährungsfristen ergeben, ohne dass dafür ein einleuchtender Grund angegeben werden könnte. Nicht selten drängt sich der Eindruck auf, dass der Richter zunächst diejenige Verjährungsfrist auswählt, die den zur Entscheidung stehenden Fall angemessen löst, und dann erst bei der rechtlichen Qualifizie- rung des geltend gemachten Anspruchs so zu Werke geht, dass das gewünschte Ergebnis erreicht werden kann.
Abgrenzungsschwierigkeiten gibt es auch bei den gewohnheitsrechtlich entwickelten Ansprüchen aus Verschulden bei Vertragsanbahnung, aus positiver Forderungsverletzung und wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage. In Ermangelung einer besonderen Verjährungsvorschrift greift hier grundsätzlich die regelmäßige Verjährungsfrist von dreißig Jahren ein (§ 195 BGB). Da diese Frist allgemein als für die genannten Ansprüche zu lang angesehen wird, hat sich die Rechtsprechung darum bemüht, den Anwendungsbereich des § 195 BGB einzuschränken und die Verjährungsregeln, die an sich für andere Fälle gedacht sind, auf die genannten Ansprüche entsprechend anzuwenden. So sind nach Auffassung des BGH die kurzen Fristen der §§ 196, 197 BGB für alle Ansprüche maßgeblich, die „wirtschaftlich die Stelle der in jenen Vorschriften aufgeführten Vergütungsansprüche einnehmen“ (BGHZ 73, 266, 269). Daher verjähren alle Ansprüche – vertragliche und gesetzliche, ausdrücklich geregelte und gewohnheitsrechtlich entwickelte – nach § 196 BGB, sofern sie auf den „Ersatzwert des ursprünglich Bedungenen“ abzielen, und ebenso soll die Verjährungsfrist des § 197 BGB auch dann maßgeblich sein, wenn die auf Grund eines sittenwidrigen Ratenkreditvertrags gezahlten Zinsen aus ungerechtfertigter Bereicherung zurückverlangt werden (BGHZ 98,174) oder der Vermieter Ersatzansprüche wegen verspäteter Rückgabe der Mietsache geltend macht, sei es, dass er sie auf § 557 BGB, sei es, dass er sie auf Verzug oder auf § 812 BGB stützt (BGHZ 68,307, 310).
Auf die verjährungsrechtlichen Probleme, die sich im Kauf- und Werkvertragsrecht aus dem Nebeneinander von Gewährleistungsansprüchen und Ansprüchen aus positiver Forderungsverletzung und aus Verschulden bei Vertragsanbahnung ergeben, ist bereits hingewiesen worden.
Steht die Rechtsnatur der geltend gemachten Ansprüche und damit die für sie maßgebliche Verjährungsfrist fest, so ergeben sich oft weitere Schwierigkeiten daraus, dass zweifelhaft sein kann, ob jeder der nebeneinander bestehenden Ansprüche nach der für ihn geltenden Frist verjährt. Dies ist zwar die allgemeine Grundregel. Sie wird aber durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochen, diese Ausnahmen wiederum durch Gegenausnahmen. Verlangt etwa der Vermieter Schadensersatz vom Mieter wegen einer Beschädigung der vermieteten Sache, so gilt die Verjährungsfrist des § 558 BGB auch insoweit, als der Anspruch des Vermieters auf § 823 BGB gestützt werden kann. Hat hingegen der Unternehmer bestellereigenes Material beschädigt oder der Verkäufer durch Lieferung fehlerhafter Ware eine Eigentumsoder Gesundheitsverletzung des Käufers herbeigeführt, so verjähren die Schadensersatzansprüche des Bestellers oder Käufers, soweit sie aus unerlaubter Handlung hergeleitet werden können, „selbständig“ nach § 852 BGB. Eine innere Rechtfertigung für diese Unterschiede ist kaum ersichtlich.
Mängel einzelner Vorschriften
Unabhängig von systematischen Bedenken am geltenden Verjährungsrecht sind einzelne Verjährungsfristen überarbeitungsbedürftig.
Die Tatbestandsmerkmale einiger Verjährungsvorschriften machen das Bedürfnis nach einer zeitgemäßen Gestaltung des Verjährungsrechts ganz offenkundig. Dies zeigt sich insbesondere bei dem geltenden § 196 BGB. Die in § 196 Abs.1 Nr.3, 9 und 10 BGB bezeichneten Berufstypen der Lohnkutscher, Tagelöhner und Lehrmeister kommen in der Praxis nicht mehr vor. Die auf berufliche Leistungen abstellenden Regelungen in § 196 Abs.1 Nr.10, 12 und 13 BGB sind inzwischen bedeutungslos, wenn nicht gar – wie bei den nunmehr unzulässigen Lehrgeldvereinbarungen – gegenstandslos geworden. Auch soweit § 196 BGB noch eine praktische Bedeutung hat, erscheint die Regelung nicht immer verständlich. So erhellt der Wortlaut der Regelung kaum, dass § 196 Abs.1 Nr.9 BGB die Lohnansprüche der Arbeiter, § 196 Abs.1 Nr.8 BGB dagegen die Gehaltsansprüche der Angestellten betrifft. Darüber hinaus ist die Regelung des § 196 BGB im Ganzen nicht überzeugend, weil von ihr weder die Rechtsgeschäfte unter Privaten noch Ansprüche auf Sachleistungen erfasst werden.
Manche besonders kurze und besonders lange Verjährungsfristen des geltenden Rechts werden den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs nicht gerecht:
– Zu kurze Fristen
Schon oben ist dargestellt worden, warum die Fristen für die Verjährung der kauf- und werkvertraglichen Gewährleistungsansprüche zu kurz sind. Sie bergen die Gefahr in sich, dass der Käufer oder der Besteller nicht selten einen berechtigten Anspruch einbüßt, ehe er von ihm Kenntnis erlangt hat. Dies tritt besonders häufig dort auf, wo ein zusammengesetztes oder weiterverarbeitetes Produkt geliefert wird, dessen Mängel typischerweise erst nach langer Zeit offen zutage treten. Aus diesen Gründen empfiehlt sich eine angemessene Verlängerung der Gewährleistungsfristen. Dabei muss auch den Belangen des Verkäufers und des Unternehmers Rechnung getragen werden, die beide ein schutzwürdiges Interesse daran haben, das Risiko künftiger Gewährleistungsansprüche abzuschätzen, es versicherungsmäßig abzudecken und sich gegen die Berechtigung solcher Ansprüche wirksam verteidigen zu können.
– Zu lange Fristen
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt dreißig Jahre. Sie erweist sich in vielen Fällen als zu lang. Zwar müssen Verjährungsfristen so bemessen sein, dass dem Berechtigten ein hinreichender zeitlicher Spielraum für die Geltendmachung seines Rechts verschafft wird. Eines Zeitraums von dreißig Jahren bedarf es dazu jedoch nur in Ausnahmefällen. In den Regelfällen müssen kürzere Fristen genügen, zumal nur sie den Verpflichteten davor schützen, dass er für unzumutbar lange Zeiträume vorsorglich Beweismittel aufbewahren und andere Maßnahmen zur Abwehr unbegründeter Ansprüche treffen muss. Auch zeigt ein Vergleich mit den Verjährungsregeln ausländischer Rechtsordnungen, dass sie, soweit solche Regeln in neueren Zivilgesetzbüchern oder in modernen Verjährungsgesetzen enthalten sind, mit wesentlich kürzeren Fristen auskommen.
Überarbeitungsbedarf bei den Unterbrechungs- und Hemmungstatbeständen
Unstimmigkeiten weisen auch die Regelungen über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung auf:
Die Unterbrechungstatbestände des geltenden Verjährungsrechts enthalten nicht zu rechtfertigende Differenzierungen. Auch sieht das geltende Recht zahlreiche Fälle vor, in denen eine bestimmte Maßnahme die Verjährung unterbricht, ohne dass die daraus sich ergebende Folge – nämlich die Ingangsetzung einer neuen Verjährungsfrist – immer sachlich gerechtfertigt erscheint.
Die geltenden Unterbrechungsgründe mit Ausnahme des Anerkenntnisses und der Vollstreckungshandlung können als Hemmungstatbestände ausgestaltet werden. Dabei bietet sich die Gelegenheit, die bisher lückenhafte Regelung zu ergänzen und zu verallgemeinern.
Zunächst haben im geltenden Recht nicht alle prozessualen Maßnahmen, die die Verfolgung des Anspruchs zum Ziel haben, auf seine Verjährung Einfluss. Das gilt insbesondere für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, die nicht der Sicherung, sondern der Befriedigung des Anspruchs dient. Auch ein solcher Antrag sollte Hemmungswirkung erhalten.
Manche Hemmungsgründe können auf Rechtsgedanken zurückgeführt werden, die nicht nur für den jeweils geregelten Fall, sondern allgemeine Geltung erlangen sollten. So ist nicht einzusehen, dass nur im Anwendungsbereich der §§ 639 Abs.2, 651g Abs.2 Satz 3 BGB und des § 852 Abs.2 BGB Verhandlungen – zB über die Berechtigung von Gewährleistungs- oder Schadensersatzansprüchen – die Verjährung hemmen sollen.
Auch enthält der geltende § 477 Abs. 3 BGB den verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken, dass die Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung eines Anspruchs sich auch auf die Verjährung konkurrierender Ansprüche erstrecken sollte.
Gefahr einer weiteren Rechtszersplitterung
Der Umstand, dass die Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs – wie dargelegt – unzulänglich sind, hat dazu geführt, dass der Gesetzgeber beim Erlass neuer zivilrechtlicher Gesetze zur Regelung der sich dort stellenden Verjährungsfragen nicht einfach auf das Bürgerliche Gesetzbuch verweisen konnte, sondern sich veranlasst glaubte, eigenständige Verjährungsregeln zu schaffen. In über 80 Gesetzen finden sich daher mehr als 130 Verjährungsvorschriften, die nicht aufeinander abgestimmt sind und zu einem unübersichtlichen Neben- und Durcheinander verjährungsrechtlicher Vorschriften geführt haben. Eine grundlegende Umgestaltung der Verjährungsregeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs erscheint auch deshalb als dringend erforderlich, weil nur so eine Aussicht besteht, die geschilderte Entwicklung zu stoppen.
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Durch die fortschreitende Europäisierung des Rechts durch EG-Richtlinien sind zahlreiche Sondergesetze entstanden, die außerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuchs quasi ein Sonderrecht für Verbraucher schaffen. Dies führt für den Rechtsanwender und im Geschäftsverkehr zu erheblicher Intransparenz. Das in den Verbraucherschutzgesetzen neben dem Bürgerlichen Gesetzbuch geregelte Verbraucherrecht stellt zudem kein Sonderprivatrecht, das für bestimmte Berufsgruppen oder Sachgebiete spezielle Regelungen enthält (wie HGB, AktG, GmbHG, GenG, UWG und GWB), dar, sondern ist Teil des allgemeinen Privatrechts (Palandt/Heinrichs, Einl BGB Rdnr.1). Als solches sollte es im Bürgerlichen Gesetzbuch, welches die für alle Bürger geltenden privatrechtlichen Regelungen umfasst, geregelt sein. Die Zuordnung des Verbraucherrechts zum allgemeinen Privatrecht ergibt sich bereits daraus, dass jeder Bürger zugleich Verbraucher und jeder Verbraucher zugleich Bürger ist (vgl Larenz/Wolf, § 1 Rdnr.61 ff; Palandt/Heinrichs, Einl BGB Rdnr.1). Der Verbrauchervertrag, das heißt der Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, ist die typische Erscheinungsform des schuldrechtlichen Vertrags, und der Verbraucherschutz ist ein schuldrechtsimmanenter allgemeiner Schutzgedanke, der – mitgeprägt durch das Gemeinschaftsrecht – bereits seit längerem Eingang in das Bürgerliche Gesetzbuch gefunden hat. Das Bürgerliche Gesetzbuch enthält etwa in §§ 138, 123, 242 BGB ein breites Anwendungsfeld für Verbraucherschutz. Die von der Rechtsprechung zur Haftung aus culpa in contrahendo entwickelten Informationspflichten gehen ebenfalls auf den Gedanken des Verbraucherschutzes zurück.
Diese im allgemeinen Vertragsrecht des Bürgerlichen Rechts bereits angelegten Beschränkungen der Privatautonomie bauen die zur Umsetzung von EG-Richtlinien erlassenen schuldrechtlichen Sondergesetze wie das Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften, das Verbraucherkreditgesetz, das Teilzeit-Wohnrechtegesetz und das Fernabsatzgesetz lediglich aus und akzentuieren diese, indem sie zum Beispiel den Grundsatz der Verbindlichkeit von Verträgen für die Dauer der Widerrufsfrist aufheben, vorvertragliche Informationspflichten für bestimmte Vertriebsformen und Vertragsarten, bei denen der Verbraucher eines besonderen Schutzes bedarf, regeln oder teilweise den Grundsatz der Formfreiheit einschränken, indem sie nicht nur einen Schriftformzwang einführen, sondern auch unterschiedliche Anforderungen an den Inhalt der Verträge stellen. Bis zum Ablauf des 29.Juni 2000 definierten die vorgenannten Gesetze ihre Schlüsselbegriffe immer wieder neu. Auch waren die Fristen und Modalitäten der Ausübung des Widerrufsrechts und dessen Konstruktion sehr unterschiedlich geregelt. Mit dem Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27.Juni 2000 (BGBl.I S.897) ist diese Unübersichtlichkeit im Hinblick auf Konstruktion und Einzelheiten des Widerrufs- und des Rückgaberechts bereits zum Teil – durch die Definition des Verbrauchers in § 13 BGB, des Unternehmers in § 14 BGB und die Auf- nahme von Vorschriften, die ausdrücklich auf den Schutz des Verbrauchers abstellen wie §§ 361a, 361b BGB und auf die die Regelungen in den Verbraucherschutzgesetzen nun- mehr verweisen können – abgemildert worden. Die Vereinheitlichung ist indessen fortzuschreiben. Insbesondere gibt es nach wie vor eine Vielzahl von Sondergesetzen. Daraus resultiert ein erheblicher Ordnungs- und Transparenzverlust in der Rechtsordnung. Zu diesen Sondergesetzen gehört gerade auch das AGB-Gesetz. Die darin geregelten Fragen, wie weit die grundsätzliche Nachgiebigkeit des Schuldrechts reicht und wann Abweichungen hiervon unzulässig sind, sind unmittelbar mit den Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch verbunden, überlagern und ergänzen diese. Diese Verknüpfung ist indessen durch die Kodifikation in zwei unterschiedlichen Gesetzen nicht erkennbar. Zudem besteht durch die Zweiteilung des in der Sache einheitlichen Regelungsstoffs die Gefahr, dass sich unterschiedliche Auslegungsgrundsätze, Begrifflichkeiten und Wertungsmaßstäbe entwickeln, was angesichts der engen Verschränkung der Materien des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des AGB-Gesetzes nicht richtig sein kann. Moderne zivilrechtliche Kodifikationen wie etwa das am 1.Januar 1992 in Kraft getretene niederländische Zivilgesetzbuch haben daher die Regelungen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in eine zivilrechtliche Gesamtkodifikation einbezogen. Auch die „Principles of European Contract Law“ streiten für die Zugehörigkeit des AGB-Gesetzes zum allgemeinen Bürgerlichen Recht. Deren Artikel 4:110 sieht als Teil des Rechts der Willensmängel eine erkennbar eng an Artikel 3 Abs.1 der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen angelehnte Vorschrift über die Anfechtbarkeit vorformulierter Vertragsklauseln im Falle ihrer Unvereinbarkeit mit Treu und Glauben vor. Dieser Befund unterstreicht die schon aus dem Inhalt des AGB-Gesetzes folgende Zugehörigkeit seines Regelungsgegenstandes zum Bürgerlichen Recht und den Bedarf nach einer Integration in eine zivilrechtliche Gesamtkodifikation.
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