D-Bundestag
15.Wahlperiode
(6) Drucksache 15/1971
11.11.03
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BT-Drucks.15/1971 S.144-151

III. Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG)

Die Struktur der seit fast fünfzig Jahren nur wenig veränderten Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte beruht auf der Prämisse, dass Anwälte in erster Linie als Prozessvertreter tätig sind. Die Regelungen über die Gebühren für gerichtliche Tätigkeiten stehen im Mittelpunkt. Das Bild des Anwalts hat sich in den vergangenen Jahren jedoch erheblich gewandelt. Nach verlässlichen Untersuchungen werden heute mehr als 70 % aller Fälle, die an Anwälte herangetragen werden, von diesen außergerichtlich erledigt. Der so genannten vorsorgenden Rechtspflege – beispielsweise der Vertragsgestaltung – kommt immer mehr Bedeutung zu. Der Anwendungsbereich, der bisher von § 118 BRAGO abgedeckt wird, die außergerichtliche und die rechtsbesorgende Tätigkeit des Rechtsanwalts, bildet den Schwerpunkt seiner Tätigkeit.

In dem vorgeschlagenen Rechtsanwaltsvergütungsgesetz sollen daher die Gebührenregelungen für die außergerichtliche Tätigkeit an den Anfang gestellt werden.

Der Entwurf führt auch zu einer Anpassung der Gebühren an die wirtschaftliche Entwicklung. Die letzte Anpassung ist mit dem Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 zum 1. Juli 1994 erfolgt. Seit dieser Zeit sind die Kosten der Anwaltsbüros in nicht unerheblichem Maße gestiegen (Schmucker, STAR: Umsatz- und Einkommensentwicklung der Rechtsanwälte 1993 bis 1999, BRAK-Mitt.2002, 18 ff). Eine Darstellung der Kostenstruktur findet sich in NJW 2002, Heft 19, XIV (Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer). Mit den vorgeschlagenen strukturellen Änderungen soll das Einkommen der Rechtsanwälte vergleichbar der Einkommensentwicklung in anderen Berufen erhöht werden.

1. Vereinfachung, Transparenz und Angleichung an den Aufbau der übrigen Kostengesetze

Das Gesetz soll durch seinen äußeren Aufbau transparenter und damit, insbesondere für den rechtsuchenden Bürger, anwenderfreundlicher gestaltet werden. Dies soll insbesondere dadurch erreicht werden, dass sämtliche Gebührentatbestände nicht mehr in dem Gesetz selbst, verteilt auf verschiedene Paragrafen, sondern in einer Anlage, dem Vergütungsverzeichnis, abschließend geregelt werden. Dabei soll auf Verweisungen zwischen den Gebührentatbeständen, soweit dies möglich und sinnvoll ist, verzichtet werden, auch wenn hierdurch der Gesamttext länger wird. Diese Regelungstechnik entspricht der Regelung im GKG, im GvKostG und in der JVKostO. Nach den Vorschlägen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll später auch die Kostenordnung entsprechend gestaltet werden. Die Regelung der Gebührentatbestände in einem Kostenverzeichnis hat sich im GKG seit Jahren bewährt. Die Streitfragen sind deutlich zurückgegangen. Die Standardkommentare zum GKG sind in den letzten Jahren im Umfang erheblich reduziert worden.

Eine Vereinfachung gegenüber dem geltenden Recht soll auch durch Änderungen der Gebührenstruktur erreicht werden.

Als eine wesentliche Änderung gegenüber dem geltenden Recht ist der Wegfall der Beweisgebühr hervorzuheben. In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten und in ähnlichen Verfahren – geregelt in Teil 3 VV RVG-E – sind lediglich noch zwei Gebührentypen vorgesehen: eine Verfahrensgebühr, die im Regelfall einen Gebührensatz von 1,3 erhalten soll, und eine Terminsgebühr mit einem Gebührensatz von in der Regel 1,2. Damit verdient der Rechtsanwalt in einem Verfahren, das bis zur mündlichen Verhandlung fortgeführt wird, künftig anstelle von bisher bis zu drei Gebühren (Prozessgebühr, Verhandlungsoder Erörterungsgebühr und Beweisgebühr) 2,5 Gebühren, die jedoch regelmäßig anfallen, während nach geltendem Recht die Beweisgebühr nur anfällt, wenn Beweis erhoben wurde. Die Abschaffung der Beweisgebühr führt zu einer wesentlichen Vereinfachung des anwaltlichen Gebührenrechts, weil diese Gebühr die Gerichte in hohem Maß beschäftigt. Auch in den einschlägigen Kommentaren zur BRAGO schlagen sich die Schwierigkeiten mit der Beweisgebühr in Form umfangreicher Kommentierungen nieder. Wird die Beweisgebühr abgeschafft, kann jedenfalls dem Anwalt nicht vorgeworfen werden, er würde im Hinblick auf eine Beweisgebühr auf den Beginn einer Beweisaufnahme hinwirken. Sollte sich die Zahl der Beweisaufnahmen verringern, würden sich auch die Verfahrenskosten und der Zeitaufwand der Beteiligten reduzieren.

Der Vereinfachung dient auch die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift für das gerichtliche Verfahren zur Festsetzung der Vergütung (§ 19 BRAGO, § 11 des Entwurfs). So sollen künftig neben der gesetzlichen Vergütung auch die zu ersetzenden Aufwendungen, die zu den Kosten des gerichtlichen Verfahrens gehören, festgesetzt werden können. Hierzu gehören insbesondere die verauslagten Gerichtskosten. Nach geltendem Recht waren lediglich die Auslagen, die in der BRAGO geregelt waren, festsetzbar. Der nach geltendem Recht bestehende Ausschluss des Festsetzungsverfahrens für Rahmengebühren soll entsprechend der bereits bestehenden Praxis einiger Gerichte dahin gehend eingeschränkt werden, dass die Festsetzung auch bei Rahmengebühren zulässig sein soll, wenn lediglich die Mindestgebühren geltend gemacht werden. Ferner soll die Erweiterung des Festsetzungsverfahrens auf den Fall, dass der Auftraggeber bei Rahmengebühren der konkreten Höhe der Gebühren ausdrücklich zugestimmt hat, die Möglichkeit eröffnen, einvernehmlich einen kostengünstigen Titel für den Anwalt zu schaffen. Die vorgeschlagenen Änderungen führen zu einer Entlastung der Gerichte von Honorarklagen.

Der Erleichterung der Rechtsanwendung soll die Zusammenfassung aller Vorschriften dienen, die die Abgrenzung der Angelegenheiten regeln. Diese Vorschriften sind bisher über zahlreiche Vorschriften der BRAGO verteilt (zB §§ 13 bis 15, 37, 39 bis 41, § 46 Abs.3, § 47 Abs.3, § 58 Abs.2, § 67 Abs.3, § 74 Abs.2 und § 119 Abs.1 und 3 BRAGO). Darüber hinaus gelten einige dieser Abgrenzungsregelungen aufgrund von Verweisungen auch für weitere Verfahren.

Künftig soll die Grundregelung in § 15 des Entwurfs (bisher: § 13 BRAGO) eingestellt werden. Danach entgelten die Gebühren die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit. Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal, in gerichtlichen Verfahren in jedem Rechtszug fordern. § 16 des Entwurfs listet diejenigen Tätigkeiten auf, die einer Angelegenheit zugeordnet werden und bei denen es ohne diese Vorschrift zumindest zweifelhaft wäre, ob sie eine gemeinsame Angelegenheit sind oder nicht. Das Gegenstück zu dieser Vorschrift soll § 17 des Entwurfs bilden. In dieser Vorschrift sollen die Fälle abschließend aufgeführt werden, bei denen es ohne diese Vorschrift zumindest zweifelhaft wäre, ob sie verschiedene Angelegenheiten darstellen. Schließlich sollen in § 18 solche Tätigkeiten aufgelistet werden, die grundsätzlich besondere Angelegenheiten sein sollen, gleichgültig mit welchen anderen Tätigkeiten sie zusammentreffen. In § 19 sollen Vorbereitungs-, Neben- und Abwicklungstätigkeiten und solche Verfahren, die mit dem Rechtszug oder Verfahren zusammenhängen, dem jeweiligen Rechtszug oder Verfahren zugeordnet werden. Die Vorschrift soll beispielhaft die entsprechenden Tätigkeiten und Verfahren nennen.

Ein weiterer Schritt zur Vereinfachung ist die Zusammenfassung der Gebührentatbestände für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanzgerichtsbarkeit, der Sozialgerichtsbarkeit und für ähnliche Verfahren in Teil 3 VV RVG-E.

In den Teilen 4 und 5 VV RVG-E sollen die Gebühren des gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalts in einer gesonderten Spalte als fester Betrag ausgewiesen werden. Dies erleichtert die Anwendung gegenüber dem geltendem Recht. Nach § 97 BRAGO erhält der gerichtlich bestellte Rechtsanwalt derzeit anstelle der gesetzlichen Betragsrahmengebühren das Vierfache der Mindestbeträge aus der Staatskasse, jedoch nicht mehr als die Hälfte des Höchstbetrages. Befindet sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß, erhält der Rechtsanwalt in bestimmten Fällen anstelle des Vierfachen das Fünffache der Mindestgebühr. Die konkrete Höhe muss für jede einzelne Gebühr erst errechnet werden.

Die Vielzahl unterschiedlicher Gebühren in Rechtsmittelund Rechtsbehelfsverfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanzgerichtsbarkeit, der Sozialgerichtsbarkeit und in ähnlichen Verfahren soll bereinigt werden. Für die Berufung, die Revision und für Beschwerden gegen den Rechtszug beendende Entscheidungen sollen die Gebühren einheitlich nach Teil 3 Abschnitt 2 VV RVG-E berechnet werden. Die Gebührentatbestände für die übrigen Beschwerdeverfahren und für Erinnerungsverfahren sollen in Teil 3 Abschnitt 5 VV RVG-E zusammengefasst werden.



2. Erfassung bisher nicht geregelter anwaltlicher Tätigkeiten

a) In § 34 RVG-E findet erstmals die Tätigkeit als Mediator ausdrückliche Erwähnung im anwaltlichen Vergütungsrecht. Danach soll der Rechtsanwalt für diese Tätigkeit auf eine Gebührenvereinbarung hinwirken. Wird keine Vereinbarung getroffen, soll sich die Vergütung für die Mediation nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts bestimmen.

b) Das geltende Recht enthält derzeit keine ausdrückliche Regelung über die Gebühren für die Hilfeleistungen in Steuersachen. Die Gebühren sind nach § 118 BRAGO zu bestimmen. Diese Vorschrift eignet sich weder für die Gebührenberechnung im Falle der Hilfeleistung bei der Erfüllung allgemeiner Steuerpflichten, wie z. B. bei der Erstellung von Steuererklärungen oder der Ermittlung des Überschusses der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, noch für die Gebührenberechnung im Falle der Hilfeleistung bei der Erfüllung steuerlicher Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten. Aus diesem Grund sieht der Entwurf in § 35 vor, für diese Tätigkeiten auf die entsprechenden Vorschriften der Steuerberatergebührenverordnung (StBGebV) zu verweisen. Die §§ 23 bis 39 StBGebV, auf die verwiesen werden soll, regeln die für die Hilfeleistung in Steuersachen in Betracht kommenden Tatbestände umfassend.

c) Erstmalig soll in dem Entwurf die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen ausdrücklich geregelt werden. Praktisch geschieht dies durch eine entsprechende Regelung jeweils in den Vorbemerkungen zu den einzelnen Teilen des Vergü- Drucksache 15/1971 – 146 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode tungsverzeichnisses. Danach soll der Rechtsanwalt für diese Tätigkeit die gleichen Gebühren wie ein Verfahrensbevollmächtigter in dem entsprechenden Verfahren erhalten. Die Gleichstellung hinsichtlich des Gebührensatzes ist gerechtfertigt. Soweit sich die Höhe der Gebühren nach dem Gegenstandswert richtet, ist nicht der Gegenstandswert des Verfahrens maßgebend, in dem der Zeuge aussagt oder in dem der Sachverständige herangezogen wird, denn der Gegenstand dieses Verfahrens ist nicht Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit. Der häufig niedrigere Wert würde sich vielmehr nach § 23 Abs. 3 des Entwurfs richten. Danach ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen. In Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nicht vermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 4 000 Euro anzunehmen. Soweit der Rechtsanwalt Rahmengebühren erhält, bietet der Rahmen ausreichend Spielraum, um z. B. dem im Verhältnis zum Verteidiger unterschiedlichen Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts Rechnung zu tragen.

Nach Absatz 2 Satz 2 der Vorbemerkung 2 (zu Teil 2) VV RVG-E sollen sich die Gebühren für die Tätigkeit als Beistand eines Zeugen oder Sachverständigen vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss nach Teil 4 VV RVG-E bestimmen, das heißt, der Rechtsanwalt soll die gleichen Gebühren wie ein Verteidiger erhalten.



3. Leistungsorientiertere Vergütungsregelungen

Unter dieses Stichwort fallen in erster Linie Verbesserungen der anwaltlichen Vergütung durch strukturelle Änderungen. In Einzelfällen, insbesondere für Bußgeldverfahren im Bagatellbereich, werden aber auch Gebührenreduzierungen vorgeschlagen.

Erhebliche Veränderungen der Gebührenstruktur gegenüber dem geltenden Recht sieht der Entwurf im Bereich des Strafverfahrens vor. Dabei stehen die Verbesserung der Honorierung der Verteidigertätigkeit im Ermittlungsverfahren und der Vergütung des Pflichtverteidigers im Vordergrund. Die vorgeschlagene Gebührenstruktur ist so gestaltet worden, dass es dem Anwalt auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten bereits im Stadium des Ermittlungsverfahrens möglich sein sollte, einem Strafverfahren durch entsprechendes Engagement zu einem zügigen Abschluss zu verhelfen. Das geltende Recht sieht für diesen Verfahrensbereich lediglich eine Rahmengebühr vor, die nach der Zuständigkeit des Gerichts gestaffelt ist. Die Höhe der geltenden Gebühren ergibt sich aus der nachfolgenden Übersicht:

Gericht, vor dem das
spätere Strafverfahren
stattfindet
   

mit vollem Haftzuschlag

von

bis

Mittelgeb

bis

Mittelgeb

Schöffengericht, Jugend-
schöffengericht,Straf-
richter, Jugendrichter

25,00 €

330,00 €

177,50 €

412,50 €

218,75 €

Große Strafkammer,Jugend-
kammer (ohne Schwurgerichts-
zuständigkeit)

30,00 €

390,00 €

210,00 €

487,50

258,75 €

Schwurgericht, Jugendkammer
(soweit Schwurgerichts-
zuständigkeit),Oberlandesgericht

45,00 €

650,00 €

347,50 €

812,50

428,75 €

Künftig soll der Rechtsanwalt bereits im Ermittlungsverfahren bis zu drei verschiedene Gebühren erhalten können. In jedem Fall soll die Grundgebühr (Nummer 4100 VV RVG-E) in Höhe von 30,00 bis 300,00 Euro für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall anfallen. Daneben soll der Rechtsanwalt nach Nummer 4104 VV RVG-E eine Verfahrensgebühr in Höhe von 30,00 bis 250,00 Euro erhalten. Neu gegenüber dem geltenden Recht ist auch, dass Terminsgebühren in der Nummer 4102 VV RVG-E vorgesehen sind. Eine Terminsgebühr soll der Rechtsanwalt für jeweils drei Termine, in denen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung verhandelt wird, ferner für polizeiliche, staatsanwaltschaftliche oder richterliche Vernehmungstermine, für Verhandlungen im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs und für einen Sühnetermin nach § 380 der Strafprozessordnung (StPO) erhalten. Die Situation der Pflichtverteidiger wird schon dadurch verbessert, dass jede vorgeschlagene Gebühr als Festgebühr auch für den Pflichtverteidiger anfallen soll.

Im gerichtlichen Verfahren soll die Verfahrensgebühr von der Terminsgebühr getrennt werden. Nach geltendem Recht erhält der Rechtsanwalt eine Gebühr als Verfahrensgebühr, die gleichzeitig den ersten Hauptverhandlungstag einschließt (§ 83 Abs. 1 BRAGO). Da die neue Verfahrensgebühr allein das Betreiben des Geschäfts entgelten soll, soll sie entsprechend niedriger angesetzt werden. Sie soll aber auch deshalb niedriger angesetzt werden, weil der Rechtsanwalt, der erstmals im gerichtlichen Verfahren beauftragt wird, ebenfalls die zuvor erwähnte Grundgebühr für die Information besonders erhalten soll. Die Aufteilung der Gebühren auf die verschiedenen Tätigkeiten lässt eine aufwandsangemessene und für den Auftraggeber transparente Abrechnung der Anwaltsvergütung zu.

Einen wesentlichen Schwachpunkt bildet im geltenden Recht die Regelung der Gebühren für das Wiederaufnahmeverfahren. Nach § 90 BRAGO erhält der Rechtsanwalt für das gesamte Wiederaufnahmeverfahren nur eine Gebühr in Höhe der Gebühr für den ersten Hauptverhand- lungstag im ersten Rechtszug. Deshalb sieht der Entwurf eine deutliche Verbesserung durch gesonderte Gebühren für die jeweiligen Abschnitte des Wiederaufnahmeverfahrens vor (Nummer 4136 bis 4140 VV RVG-E). Ferner soll das Beschwerdeverfahren ebenfalls die Gebühren gesondert auslösen.

Die neue Gebührenstruktur führt zu Mehreinnahmen für die Verteidiger in einer Größenordnung von 30 % (vgl. Begründung zu Artikel 3 – Teil 4 VV RVG-E).

Wegen der Gebühren in Bußgeldsachen wird nach geltendem Recht auf die Vorschriften für Strafsachen verwiesen (§ 105 Abs. 1 BRAGO). Künftig sollen die Bußgeldsachen von den Strafsachen abgekoppelt werden, wenngleich die Regelungen eine vergleichbare Struktur erhalten sollen. Bisher erhält der Rechtsanwalt in Bußgeldsachen die gleichen Gebühren wie in Strafsachen vor dem Schöffengericht, dem Jugendschöffengericht, dem Strafrichter oder dem Jugendrichter. Dies führt insbesondere bei der Festsetzung von niedrigen Geldbußen zu Gebühren, die häufig als zu hoch angesehen werden. Aus diesem Grunde wird für Bußgeldsachen – wie in Strafsachen – eine Dreiteilung der Gebühren nach der Bedeutung der Verfahren vorgeschlagen. Bußgeldverfahren sollen bei einer Geldbuße von weniger als 40,00 Euro (Punktegrenze für Eintragungen in das Verkehrszentralregister) niedriger als nach geltendem Recht entgolten werden. Für Bußgeldverfahren mit darüber liegenden Geldbußen soll in etwa das derzeitige Niveau beibehalten werden. Bußgeldverfahren mit hohen Geldbußen und damit entsprechend hoher Bedeutung für den Betroffenen und in der Regel hohem anwaltlichen Aufwand sollen dagegen besser vergütet werden. Die Regelung entzieht der These, Anwälte würden ihren Mandanten bei Bagatellbußgeldsachen zu einem Einspruch raten, die Grundlage. Die neue Gebührenstruktur wirkt sich auf den Umsatz der Anwälte nur sehr geringfügig aus.

Neu gegenüber dem geltenden Recht ist eine gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren nur noch um 0,2 erhöhte Verfahrensgebühr sowie eine um nur noch 0,1 erhöhte Terminsgebühr. Zu den Leitlinien der ZPO-Reform gehörte die Stärkung der ersten Instanz, die mit einer Umgestaltung der zweiten Instanz einherging. Die Berufungsinstanz soll sich in aller Regel auf den vom Eingangsgericht festgestellten Sachverhalt stützen und auf ihre genuine Aufgabe der Fehlerkontrolle und -beseitigung bei Tatbestand und rechtlicher Bewertung konzentrieren. In die Berufungsinstanz gelangt der Prozess aufgrund des vorangegangenen erstinstanzlichen Verfahrens und des Urteils des ersten Rechtszuges in der Regel schon mit einer gesicherten tatsächlichen Grundlage. Diese Verlagerung des Schwerpunktes auf die erste Instanz wird vergütungsrechtlich nachvollzogen.



4. Entschlackung der BRAGO

Wie bereits eingangs dargestellt, sollen die Vorschriften des Teils 3 VV RVG-E für alle gerichtlichen Verfahren aller Gerichtsbarkeiten mit Ausnahme der Strafsachen, der Bußgeldsachen und einiger besonderer Verfahren gelten. Dabei sollen grundsätzlich immer nur zwei Gebührentypen in Betracht kommen: die Verfahrensgebühr (außergerichtlich soll sie Geschäftsgebühr genannt werden) und die Terminsgebühr. Die unterschiedliche Gewichtung der verschiedenen Verfahren und der unterschiedliche Aufwand, der in den verschiedenen Verfahren vom Anwalt zu erbringen ist, erfordern allerdings nach wie vor, dass diese Gebührentypen für einige Verfahren in unterschiedlicher Höhe entstehen.

In Teil 3 Abschnitt 1 VV RVG-E soll zunächst der Standardfall geregelt werden. Danach soll der Rechtsanwalt eine Verfahrensgebühr von 1,3 und eine Terminsgebühr von 1,2 erhalten. Ausnahmen werden auf das Notwendigste reduziert. Abschnitt 2 enthält die gleiche Gebührenstruktur für die Rechtsmittelverfahren, allerdings mit erhöhten Verfahrensgebühren. Damit soll § 11 Abs. 1 Satz 4 bis 6 BRAGO in modifizierter Form übernommen werden. In den Abschnitten 3 und 4 werden besondere Gebührensätze für bestimmte Verfahren vorgesehen, für die die standardmäßige Gebührenhöhe nicht sachgerecht wäre.

Für alle Beratungstätigkeiten sollen zum 1. Juli 2006 (vgl. Artikel 5) die Gebührenvorschriften entfallen. In diesen Fällen soll der Rechtsanwalt dann auf eine Gebührenvereinbarung hinwirken. Wenn keine Gebührenvereinbarung getroffen worden ist, soll die Gebühr höchstens 250 Euro betragen. Die Erstberatungsgebühr soll im Grundsatz beibehalten werden.

Diesem Vorschlag liegen folgende Überlegungen zugrunde:

Die Vereinbarung der Gebühren ist dazu geeignet, späteren Streit über deren Höhe zu vermeiden und wirkt deshalb justizentlastend. Sie ermöglicht eine auf den Einzelfall zugeschnittene Gestaltung der Gebühren. Die Regelung ist ein Appell an den Anwalt, der dazu führen soll, dass Gebührenvereinbarungen in diesem Bereich zur Regel werden. Für den Anwalt soll die Regelung den Einstieg zu einem Gespräch über die Gebührenvereinbarung erleichtern.



5. Förderung der außergerichtlichen Erledigung

In diesem Zusammenhang ist zunächst die Einigungsgebühr in Nummer 1000 VV RVG-E zu nennen. Diese Gebühr soll ihrer Bedeutung entsprechend als erste Nummer in das Vergütungsverzeichnis eingestellt werden. Die Einigungsgebühr soll die geltende Vergleichsgebühr ersetzen und diese gleichzeitig inhaltlich erweitern. Während die Vergleichsgebühr (§ 23 BRAGO) durch Verweisung auf § 779 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ein gegenseitiges Nachgeben voraussetzt, soll die Einigungsgebühr jegliche vertragliche Beilegung eines Streits honorieren. Einzige Ausnahme soll sein, dass in dem Vertrag ein Anspruch vollständig anerkannt oder auf einen Anspruch vollständig verzichtet wird. Diese Einschränkung soll einem Missbrauch entgegenwirken. Durch den Wegfall der Voraussetzung des gegenseitigen Nachgebens soll der Streit darüber vermieden werden, welche Abreden als Nachgeben zu bewerten sind.

Die außergerichtliche Streiterledigung soll ferner dadurch gefördert werden, dass die Terminsgebühr auch dann anfallen soll, wenn der Rechtsanwalt nach Erteilung eines Klageauftrags an einer auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung mitwirkt. Die Bedeutung aller auf eine außergerichtliche Erledigung gerichteten Tätigkeiten des Anwalts soll schließlich dadurch unterstrichen werden, dass in § 34 des Entwurfs die Tätigkeit als Mediator ausdrücklich genannt wird. Der Vermeidung gerichtlicher Verfahren oder ihrer Vereinfachung dient auch die bereits unter Nummer 3 dargestellte Verbesserung der Verteidigergebühren für das Ermittlungsverfahren.



6. Gebühren in Familiensachen

Die Gebühren in Scheidungssachen sind in derVergangenheit immer wieder als zu hoch kritisiert worden. Der Bundesrat hat diese Auffassung bereits in seiner Stellungnahme zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Kostengesetzen im Jahre 1986 zum Ausdruck gebracht (Bundestagsdrucksache 10/5113, S. 44). Nach dem eingangs erwähnten Forschungsbericht „Das Zeitbudget der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Scheidungs- und Folgesachen“ von Prof. Dr. Hommerich hat der durchschnittliche Zeitaufwand für die Scheidung ohne die Folgesachen 129 Minuten betragen. Da die Justizstatistik die Scheidungssachen nur mit dem Versorgungsausgleich gemeinsam erfasst, muss für eine Überprüfung der Gebührenhöhe der für den Versorgungsausgleich erbrachte durchschnittliche Zeitaufwand von 51 Minuten hinzugerechnet werden. Hierbei muss noch der Zeitaufwand für die Vorfeldberatung eingerechnet werden, die nach dem Forschungsbericht 146 Minuten betragen hat. In dem für dieVorfeldberatung ermittelten Zeitaufwand sind jedoch auch die sonstigen Folgesachen enthalten, die wohl einen nicht unerheblichen Teil des insoweit angefallenen Zeitaufwands beanspruchen. Im Ergebnis lässt sich jedoch feststellen, dass der durchschnittliche Zeitaufwand für die Scheidung einschließlich Versorgungsausgleich und dazugehörender Vorfeldberatung in einer Größenordnung von etwa 4 Stunden liegen dürfte. Will man die nach geltendem Recht anfallenden Gebühren in diesem Bereich in eine Relation zu dem Zeitaufwand setzen, kommt ein Vergleich mit den Gebühren in Betracht, die aus dem nach der Justizstatistik von 1998 ermittelten durchschnittlichen Streitwert in Höhe von rund 7 700 Euro anfallen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass dieser Wert ausschließlich aus solchen Verfahren ermittelt worden ist, in denen keine weiteren Folgesachen anhängig waren. Aus dem genannten Streitwert entstehen nach geltendem Recht drei Gebühren (Prozess-, Verhandlungs-/Erörterungs- und Beweisgebühr) in Höhe von jeweils 412 Euro (= 1 236 Euro). Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass bei Prozesskostenhilfe (immerhin ca. 39 % der Fälle) Gebühren nur in einer Höhe von insgesamt 702 Euro entstehen, was einem Stundenbetrag von ca. 175,50 Euro entspricht. Betrachtet man entsprechend die Scheidungssachen, mit denen weitere Folgesachen verbunden waren, liegt der Zeitaufwand des Anwalts bereits bei mehr als 7 Stunden. Der durchschnittliche Streitwert in diesen Verfahren beträgt rund 10 800 Euro. Drei Gebühren aus diesemWert betragen 1 578 Euro, bei Prozesskostenhilfe 738 Euro. Dies entspricht für jede Stunde einer Gebühr von 225 Euro bzw. 105,42 Euro (PKH). Da nicht in allen Folgesachen eine Beweisgebühr anfällt, dürfte das tatsächliche Entgelt für eine Stunde noch etwas niedriger liegen.

Bei den aus dem Untersuchungsergebnis zu ziehenden Konsequenzen muss mit Bedacht vorgegangen werden, weil zahlreiche Kanzleien ihr Schwergewicht auf Familiensachen gelegt haben. Die mit dem Entwurf des RVG vorgeschlagene neue Gebührenstruktur (Verfahrensgebühr von 1,3 und Terminsgebühr von 1,2) führt in diesem Bereich zu einer Gebührenreduzierung. Für die betroffenen Anwälte wird eine weitgehende Kompensierung der hierdurch bedingten Einnahmeausfälle im Wesentlichen durch zwei Änderungen erreicht:

a) Änderung der Anrechnungsvorschriften bei Übergang von der vorgerichtlichen Vertretung zum gerichtlichen Verfahren und

b) Erhöhung im Bereich der isolierten Verfahren.

Die Zusammenfassung der derzeitigen Geschäftsgebühr und der Besprechungsgebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BRAGO) für die vorgerichtliche Vertretung zu einer Gebühr mit einem Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5 macht eine Änderung der Anrechnungsvorschriften erforderlich. Während nach geltendem Recht die Geschäftsgebühr vollständig auf die Prozessgebühr anzurechnen ist (§ 118 Abs. 2 Satz 1 BRAGO), soll sie künftig nur noch zur Hälfte, höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr angerechnet werden (vgl. Teil 3 Vorbemerkung 3 VV RVG-E). Dies hat für den Rechtsanwalt um so günstigere Auswirkungen, je aufwändiger seine vorgerichtliche Tätigkeit ist. Da in Familiensachen der Zeitaufwand im vorgerichtlichen Bereich häufig sehr hoch ist, wird es in diesen Fällen zu einer spürbaren Verbesserung der Vergütung für die außergerichtliche Tätigkeit kommen.

Bei der Überprüfung der Gebühren musste auch das Verhältnis des Zeitaufwands für Folgesachen zu dem Zeitaufwand für isolierte Verfahren berücksichtigt werden. Der in der Untersuchung ermittelte durchschnittliche Zeitaufwand stellt sich wie folgt dar:

 

Scheidung mit
Folgesachen

Isolierte
Familiensachen

Scheidung

129 min

 

Versorgungsausgleich
Unterhalt
Sorge-+Umgangsrecht
Güterrecht
Ehewohnung+Hausrat

 51 min
120 min
 93 min
157 min
 64 min

 
231 min
195 min
182 min
 94 min

Folgesachen insgesamt

159 min

 

Vorfeldberatung

146 min

Gesamtaufwand

434 min

 

Die Übersicht zeigt, dass der Zeitaufwand bei den isolierten Familiensachen deutlich über dem Zeitaufwand der entsprechenden Folgesache liegt. Zum Teil erfordern die isolierten Familiensachen sogar den doppelten Zeitaufwand. Bei den isolierten Familiensachen, in denen sich das Verfahren nach der ZPO richtet (Unterhalt, Güterrecht) wird schon nach geltendem Recht eine angemessene Honorierung dadurch erreicht, dass durch den Wegfall der bei Folgesachen vorzunehmenden Wertaddition und damit der Degressionswirkung der Gebührentabelle höhere Gebühren anfallen. Der Wegfall der Degressionswirkung macht sich bei den sonstigen Familiensachen zwar auch bemerkbar, allerdings fallen in den Verfahren nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) Gebühren mit niedrigeren Gebührensätzen an, denen jedoch zum Teil ein höherer Wert zugrunde zu legen ist. In isolierten Verfahren zum Sorge- und Umgangsrecht erhält der Rechtsanwalt die Gebühren nach § 118 BRAGO. Danach entsteht jeweils eine Gebühr von 5/10 bis 10/10 als Geschäfts-, Verhandlungs- und – sofern Beweis erhoben wird – als Beweisgebühr. Im Regelfall wird in der Praxis die Mittelgebühr von 7,5/10 zugrunde gelegt. Der Gegenstandswert beträgt in der Regel 3 000 Euro (§ 30 KostO). Unter Berücksichtigung von drei 7,5/10-Gebühren erhält der Rechtsanwalt in einem solchen Verfahren 425,25 Euro. Bei dem erforderlichen Zeitaufwand von durchschnittlich mehr als drei Stunden beträgt das Entgelt für jede Stunde rund 130 Euro, mithin deutlich weniger als im Scheidungsverfahren. In Verfahren nach der Verordnung über die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrats vom 21.Oktober 1944 (RGBl.I S.256) erhält der Rechtsanwalt die Gebühren nach den gleichen Grundsätzen wie in ZPO-Verfahren, allerdings nur zur Hälfte (§ 63 Abs.3 BRAGO).

Nach der vorgeschlagenen neuen Gebührenstruktur soll der Rechtsanwalt auch in diesen Verfahren die allgemein üblichen Gebühren (Verfahrensgebühr 1,3 und Terminsgebühr 1,2) erhalten. Dies führt in Sorge- und Umgangsrechtsverfahren zu Einnahmeverbesserungen von fast 90 %. In Hausratssachen erhöhen sich die Gebühren von 15/10 (einschließlich Beweisgebühr) auf 2,5.

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass es gerechtfertigt ist, wenn für einstweilige Anordnungen besondere Gebühren anfallen. Der durchschnittliche Zeitaufwand ist zum Teil beträchtlich:

Unterhalt

125 min

Sorge- und Umgangsrecht

177 min

Wohnung und Hausrat

88 min

Für die Justizhaushalte der Länder führen die in Familiensachen vorgeschlagenen Änderungen zu Einsparungen, weil die Gebühren in Ehesachen durch den Wegfall der Anhörungsgebühr reduziert werden. Diese Einsparungen werden durch die Verbesserung der Vergütung in selbstständigen Familiensachen nur zum Teil aufgezehrt. Die Änderung der Vorschriften über die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr hat auf die Justizhaushalte der Länder keine Auswirkung.



7. Anpassung der Gebührenhöhe an die wirtschaftliche Entwicklung

Der Bemessung der Gebühren sind folgende Überlegungen zugrunde gelegt worden:

Die vorgeschlagenen strukturellen Änderungen sollen zu einer angemessenen Verbesserung der Einnahmen der Anwaltschaft führen.

Neben den vorstehend unter Nummer 3 dargestellten Auswirkungen in Straf- und Bußgeldsachen und den unter Nummer 6 dargestellten Auswirkungen in Familiensachen wirken sich die Änderungen in den für den Umsatz der Anwaltschaft bedeutsamsten Bereichen wie folgt aus:



a) Zivilrechtsfälle

Außergerichtliche Vertretung und Erledigung mit
Güteverfahren nach § 15a EGZPO

derzeit

künftig

Besprechung in
50 %
Anrechnung
Geschäftsgebühr

1,125
 
– 0,75

voraussichtlich
 
Anrechnung
Geschäftsgebühr
zu 1/2

1,3
 
– 0,65

Zwischensumme
Gebühr § 65
BRAGO

0,375
1,00

Zwischensumme
Nummer 2403

0,65
1,50

Summe

1,375
1,00

Summe
Nummer 2403

2,15

  Veränderung56 %

Die Erhöhung in der ersten Zeile ist bedingt durch den erweiterten Rahmen für umfangreiche oder schwierige Tätigkeiten.

Außergerichtliche Vertretung und Erledigung ohne
Güteverfahren nach § 15a EGZPO

derzeit

künftig

Besprechung und/oder
umfangreichere
Tätigkeit in 50 % der Fälle

1,125

voraussichtlich
+15,5 %

1,3

Konkrete Erkenntnisse über den Anteil der Fälle mit Besprechung und/oder einer umfangreicheren Tätigkeit liegen nicht vor. Es wird angenommen, dass dieser Anteil bei 50 % liegt. Der vergrößerte Rahmen nach neuem Recht dürfte demnach zu einer Verteuerung von 15,5 % führen.

Mahnverfahren

In diesem Bereich ergeben sich keine Veränderungen gegenüber dem geltenden Recht.

Sonstige gerichtliche Erledigung

Durch die Änderung der Anrechnungsvorschriften verbleibt dem Rechtsanwalt beim Übergang in das gericht- liche Verfahren im Schnitt 0,275 einer Gebühr mehr als nach geltendem Recht. Es wird angenommen, dass in etwa 50 % der zivilgerichtlichen Verfahren eine außergerichtliche Tätigkeit und/oder ein selbstständiges Beweisverfahren vorausgehen. Für die Berechnung der Auswirkungen der neuen Gebührenstruktur wurde daher in allen erstinstanzlichen Verfahren die Verfahrensgebühr um einen Gebührensatz von 0,13 erhöht. Mit Hilfe des statistischen Informationssystems JUSTIS wurden die Fälle anwaltlicher Vertretung in sämtlichen zivilgerichtlichen Verfahren des Jahres 1998 (die aktuelleren Daten sind aus technischen Gründen derzeit nicht auswertbar) – jeweils getrennt nach Streitwertstufen – den Fallkonstellationen zugeordnet, die nach geltendem Recht zu einem anderen Gebührenaufkommen führen. Das durch Addition der Gebühren aller Einzelfälle ermittelte Gesamtgebührenaufkommen wurde mit dem Gebührenaufkommen verglichen, das in denselben Fällen bei Anwendung des vorgeschlagenen Gebührenrechts angefallen wäre. Danach sind für den Bereich des zivilgerichtlichen Verfahrens Mehreinnahmen in Höhe von 17 % zu erwarten.



b) Arbeitsrechtsfälle

Außergerichtliche Vertretung und Erledigung

Da Besprechungen mit dem Gegner nicht so häufig anfallen dürften, erhält der Rechtsanwalt nach der BRAGO maximal eine 10/10-Gebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO); nach Nummer 2400 VV RVG-E wird er in der Regel eine Gebühr von 1,3 ansetzen können.



Gerichtliche Erledigung

Mangels anderer Erkenntnisse wird unterstellt, dass sich die neue Gebührenstruktur etwa wie in Zivilsachen auswirken wird (+17 %).

c) Verwaltungsrechtsfälle (ohne Sozialrechtsfälle mit Rahmengebühren)

Verwaltungsverfahren

Es wird davon ausgegangen, dass die Auswirkungen mit denen bei der außergerichtlichen Vertretung und Erledigung ohne Güteverfahren nach § 15a EGZPO in Zivilsachen vergleichbar sind (+15,5 %).

Vorverfahren

Ist der Rechtsanwalt nur im Vorverfahren tätig, dürften sich die Gebühren ebenfalls in einer Größenordnung von 15,5 % erhöhen. War der Anwalt aber bereits im Verwaltungsverfahren tätig, ergibt sich folgende Berechnung:

derzeit

künftig

Verwaltungsverfahren
 
Gebühr erhöht sich um

1,125
 
0,375

geschätzt wie
vor
Nummer 2401

 
1,3
0,7

Summe

1,50

Summe

2,0

  Veränderung

33 %

Unterstellt, der Anwalt war in der Hälfte der Fälle sowohl im Verwaltungs- als auch im Vorverfahren tätig, ergibt sich eine durchschnittliche Erhöhung in einer Größenordnung von 25 %.

Gerichtliche Verfahren

Mangels anderer Erkenntnisse wird unterstellt, dass sich die neue Gebührenstruktur etwa wie in Zivilsachen auswirken wird (+17 %).

IV. Wegfall des auf die Gebühren und Entschädigungssätze zu gewährenden Abschlags in den neuen Ländern

Nach den Bestimmungen des Einigungsvertrages sind die Kostengesetze in den neuen Ländern und im Ostteil Berlins mit der Maßgabe in Kraft getreten, dass die Gebühren und Entschädigungssätze unter bestimmten Voraussetzungen um 20 % zu ermäßigen sind. Mit der Ermäßigungssatz-Anpassungsverordnung vom 15. April 1996 (BGBl. I S. 604) wurde der Ermäßigungssatz zum 1. Juli 1996 auf 10 % herabgesetzt. Durch das Ermäßigungssatz-Aufhebungsgesetz Berlin vom 22. Februar 2002 (BGBl. I S. 981) wurde der Abschlag für den Teil des Landes Berlin, in dem das Grundgesetz vor dem 3. Oktober 1990 nicht galt, aufgehoben.

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens in der letzten Wahlperiode über das Ermäßigungssatz-Aufhebungsgesetz Berlin hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages die Bundesregierung gebeten, gemeinsam mit den betroffenen Ländern zu prüfen, „ob im Zuge der Strukturreform der Rechtsanwaltsgebühren eine (stufenweise) Aufhebung der im Einigungsvertrag für die Justizkosten und Rechtsanwaltsgebühren vorgesehenen Ermäßigungssätze erfolgen kann“. Die Konferenz der Justizministerinnen und -minister hat im November 2002 gefordert, den Abschlag im Zusammenhang mit dem Kostenrechtsmodernisierungsgesetz wegfallen zu lassen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 28. Januar 2003 (NJW 2003, 737-739) zur Anwendung der Abschlagsregelung auf die Rechtsanwaltsgebühren festgestellt, dass Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr.26 Buchstabe a Satz 1 des Einigungsvertrages in Verbindung mit § 1 der Ermäßigungssatz- Anpassungsverordnung mit Artikel 3 Abs.1 des Grundgesetzes unvereinbar ist und nur noch bis zum 31.Dezember 2003 angewendet werden darf. Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erfordert eine Entscheidung des Gesetzgebers über das weitere Schicksal der Abschlagsregelung.

Da eine Korrektur beschränkt auf das anwaltliche Vergütungsrecht nicht sachgerecht erscheint, wird nunmehr vorgeschlagen, die in den Artikeln 1 bis 3 enthaltenen Gesetze (Gerichtskostengesetz, Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz und Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) nunmehr ohne eine Übernahme der derzeitigen Abschlagsregelungen in Kraft treten zu lassen. Ferner soll durch Artikel 4 Abs. 29 Nr. 19 angeordnet werden, dass die entsprechende Maßgabe für die Kostenordnung nicht mehr angewendet werden soll. Durch die in Artikel 4 Abs. 30 Nr. 1 vorgesehene Aufhebung des § 20 GvKostG soll erreicht werden, dass die darin enthaltene Abschlagsregelung für das Gerichtsvollzieherkostengesetz wegfällt. Die für das Gerichtskostengesetz geltende Maßgabe in Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 19 Buchstabe b des Einigungsvertrages, nach der in den neuen Ländern in bestimmten Fällen ein geringerer Streitwert festgesetzt werden kann, besitzt in der gerichtlichen Praxis nur eine äußerst geringe Bedeutung.

Sie soll daher ebenfalls nicht für das neue Gerichtskostengesetz übernommen werden.



V. Kosten

Das Gerichtskostengesetz, das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz und das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz wirken sich auf die Haushalte der Länder jährlich voraussichtlich wie folgt aus:

A

Mehreinnahmen

 
  • Gerichtskostengesetz

ca 111 Mio Euro

B

Mehrausgaben

 
  • Justizvergütungs- + -entschädigungsgesetz

ca 77  Mio Euro

  • Rechtsanwaltsvergütungsgesetz

      - Mehrausgaben für Beratungshilfe

      - Minderausgaben für Prozesskostenhilfe

      - Mehrausgaben für Pflichtverteidiger
      und in Strafverfahren beigeordnete
      Rechtsanwälte

      - Mehrausgaben nach Freispruch und Einstellung
      des Verfahrens

    • Mehrausgaben für Vormünder und Betreuer
      (§§ 1835 ff, 1908i BGB)

    Mehrausgaben insgesamt

ca 7 Mio Euro

ca –8 Mio Euro

 
 
ca 24 Mio Euro
 

ca 6 Mio Euro
 

ca 1 Mio Euro

ca 107 Mio Euro

C

Insgesamt entstehen für die Haushalte der Länder folgende Mehreinnahmen:

  • Mehreinnahmen

  • Mehrausgaben

  • Mehreinnahmen der
    Länderhaushalte

ca  111 Mio Euro

ca -107 Mio Euro

ca   4 Mio Euro
 
 

D

Mehreinnahmen der neuen Länder

(neben den vorgenannten Mehreinnahmen)
durch Wegfall des Abschlags nach dem
Einigungsvertrag nach Abzug der Mehrausgaben
für Rechtsanwaltsgebühren,
Aufwendungen nach dem Gesetz über die
Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen,
dem Gesetz über die Entschädigung
der ehrenamtlichen Richter
und Aufwendungen im Rahmen der
Betreuungen ca

ca 24 Mio Euro

Für den Bund führen die Änderungen des Gerichtskostengesetzes zu Mehreinnahmen in Höhe von 2 Mio. Euro. Dem stehen unmittelbare Mehrbelastungen von gut 1 Mio. Euro gegenüber. Für den Bund, die Länder, die Gemeinden und die Sozialversicherungsträger steigen die Kosten für die Inanspruchnahme von anwaltlichen Dienstleistungen je nach Art und Umfang der Inanspruchnahme.

Der Entwurf wirkt sich auf die Kosten der Wirtschaft und für soziale Sicherungssysteme entsprechend dem Umfang der Inanspruchnahme von Gerichten und anwaltlichen Dienstleistungen aus. Im Bereich der nichtforensischen Tätigkeit von Rechtsanwälten hängt die Auswirkung auch davon ab, in welchem Ausmaß von der Möglichkeit der Gebührenvereinbarung Gebrauch gemacht wird. In einigen Bereichen tritt keine Verteuerung ein oder es ist mit einem Sinken der Preise zu rechnen. Die Verteuerung der Leistungen von Sachverständigen, Dolmetschern und Übersetzern wirkt sich ebenfalls nur in dem Umfang aus, in dem solche Personen in gerichtlichen Verfahren herangezogen werden. Tendenziell sind Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, zu erwarten, vor allem im Bereich der Rechtsschutz- und Haftpflichtversicherer; die Auswirkungen können aber nicht quantifiziert werden. Die Änderungen der Gebühren, Vergütungen und Entschädigungen wirken sich bei den Versicherern nur zum Teil aus, weil diese nur in einem Teil der von den Änderungen betroffenen Fälle Leistungen erbringen. Ferner ist die Anzahl der Versicherungsfälle je nach Art der Verfahren sehr unterschiedlich.

Eine Prüfung, ob die dargestellten Auswirkungen tatsächlich eingetreten sind, ist nur sehr eingeschränkt möglich, weil die den Berechnungen zugrunde liegenden Zahlen zum Teil auf Schätzungen basieren. Gleichwohl soll zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Neuregelungen durch eine Umfrage bei den Ländern ermittelt werden, ob die vorausberechneten Auswirkungen des Entwurfs eingetreten sind. Ferner soll durch einen Erfahrungsaustausch festgestellt werden, ob die Neuregelungen zu Schwierigkeiten in der Praxis geführt haben werden. Die Gesamtauswirkung auf die betroffenen Berufsgruppen ist nicht überprüfbar, da entsprechendes Material nicht zur Verfügung steht.

§§§



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