D-Bundestag 15.Wahlperiode |
(5) | Drucksache 15/1971 11.11.03 |
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BT-Drucks.15/1971 S.142-144
Mit dem Entwurf für ein neues Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz wird zunächst das Ziel verfolgt, an die Stelle des ZuSEG und des EhrRiEG ein einziges Gesetz treten zu lassen. Mit dieser Zusammenfassung wird nicht nur eine Vereinfachung der Rechtsanwendung bezweckt. Sie hat vielmehr auch zum Ziel, die Regelungen, die bereits heute zum Teil gleich oder ähnlich gestaltet sind, dort zu vereinheitlichen, wo für eine fortdauernde Differenzierung keine hinreichenden sachlichen Gründe mehr anzuerkennen sind.
Der Geltungsbereich des neuen Gesetzes soll zugleich insoweit gegenüber dem ZuSEG erweitert werden: Die Heranziehung von Sachverständigen, Dolmetschern, Übersetzern und Zeugen durch den Gerichtsvollzieher soll künftig erfasst werden. Bislang fehlt eine gesetzliche Regelung über die Entschädigung in diesem Bereich, da das ZuSEG auf diese Fälle nicht unmittelbar anwendbar ist. Da der Gerichtsvollzieher ebenso wie das Vollstreckungsgericht ein Vollstreckungsorgan ist, erscheint es jedoch geboten, die Vergütung bzw. Entschädigung der von ihm herangezogenen Personen den gleichen Regelungen zu unterwerfen.
Vor allem wird jedoch die Absicht verfolgt, das den heutigen Verhältnissen nicht mehr entsprechende Entschädigungsprinzip durch ein neues leistungsgerechtes Vergütungsmodell abzulösen, soweit Sachverständige, Dolmetscher und Übersetzer von den Rechtspflegeorganen in Anspruch genommen werden. Das – in seiner ursprünglichen Form bereits im Jahr 1957 verabschiedete – ZuSEG sieht den Sachverständigen, Dolmetscher und Übersetzer auch heute noch in der historisch überkommenen Rolle einer der Entscheidungsfindung dienenden „Hilfsperson“ des Richters oder Staatsanwalts, die neben ihrer eigentlichen beruflichen Tätigkeit „gelegentlich“ ihren Sachverstand oder ihre Sprachkenntnisse der Rechtspflege „zur Verfügung stellt“ und für diese in aller Regel nur nebenberuflich ausgeübten Tätigkeiten zu „entschädigen“ ist. Der vorliegende Entwurf orientiert sich dagegen an dem Bild des selbstständig und hauptberuflich in dieser Funktion tätigen Sachverständigen, Dolmetschers und Übersetzers, der nicht mehr nur für eine im allgemeinen Interesse zu erbringende Leistung ähnlich wie ein Zeuge für im Einzelfall eintretende Vermögensnachteile zu „entschädigen“ ist. Es entspricht vielmehr den heutigen Verhältnissen – und den darauf seit längerer Zeit zu Recht gründenden Forderungen der Betroffenen –, Sachverständige, Dolmetscher und Übersetzer zukünftig für ihre Dienste leistungsgerecht zu „vergüten“.
Konsequenz dieser neuen Sichtweise soll es aber nicht nur sein, an die Stelle des nicht mehr zeitgemäßen Entschädigungsprinzips ein modernes Vergütungsmodell treten zu lassen, das eine leistungsgerechte Honorierung der Tätigkeiten von Sachverständigen, Dolmetschern und Übersetzern gewährleistet. Die damit verbundene Umstrukturierung muss zugleich dazu genutzt werden, das heute leider allzu oft vorherrschende Bild einer von vielen Unsicherheiten und Streitigkeiten geprägten Rechtslage durch ein verhältnismäßig einfach zu handhabendes, damit aber zugleich transparentes, berechenbares und vor allem gerechtes Vergütungssystem abzulösen, das schließlich auch zu einer erheblichen Entlastung der Justizorgane beiträgt.
Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung sieht § 9 Abs. 1 JVEG-E in Verbindung mit der Anlage 1 als Kernstück der Reform die Zuordnung der Leistungen, die von Sachverständigen erbracht werden, zu verschiedenen Honorargruppen mit festen Stundensätzen vor. Dieses Honorargruppensystem soll an die Stelle des bislang in § 3 ZuSEG festgeschriebenen Systems einer Rahmenentschädigung mit Zuschlagsmöglichkeiten treten, das den heutigen Anforderungen nicht mehr genügt und Anlass für die allseits beklagten Unwägbarkeiten und Streitigkeiten im Bereich der Entschädigung von Sachverständigen und Dolmetschern ist. § 9 JVEG-E ordnet die am häufigsten nachgefragten Sachgebiete der Tätigkeit von Sachverständigen den einzelnen Honorargruppen zu und schlägt zugleich für die Vergütung von Dolmetschern – aus Gründen der besseren Anwendbarkeit ohne Differenzierung nach Sprachen oder dem Schwierigkeitsgrad der Sprachmittlung im konkreten Einzelfall – einen zukünftig maßgeblichen Stundensatz von 55 Euro vor. Die Zuordnung der Sachgebiete zu den Honorargruppen und die Vorschläge zur Höhe der festen Stundensätze erfolgen in Anknüpfung an durch die Landesjustizverwaltungen durchgeführte Erhebungen zum Umfang der Entschädigung bzw. Vergütung für gerichtlich und außergerichtlich erbrachte Leistungen von Sachverständigen, Dolmetschern und Übersetzern. Maßgeblich stützt sich die Zuordnung der Sachverständigen zu den einzelnen Honorargruppen auf eine Sachverständigenbefragung, die vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag, der Bundesarchitektenkammer, der Bundesingenieurkammer und dem Zentralverband des Deutschen Handwerks durchgeführt wurde. Da sich das Gesetz schon im Hinblick auf die Vielzahl der Sachgebiete, auf denen Sachverständige von den Organen der Rechtspflege in Anspruch genommen werden, auf die Berücksichtigung der wichtigsten Sachgebiete beschränken muss, bleibt die Zuordnung der weniger häufig nachgefragten Sachgebiete der Praxis vorbehalten.
Die Einführung des Gruppenmodells mit festen Stundensätzen soll nicht nur die nach bisherigem Recht komplexe Ermittlung des Stundensatzes innerhalb des Entschädigungsrahmens nach § 3 Abs. 2 ZuSEG ersetzen, dessen Höhe nach den häufig für den Kostenbeamten, aber auch für den Richter im Festsetzungsverfahren nur sehr schwierig zu beurteilenden Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu bemessen ist. Als weitere wesentliche strukturelle Änderung soll sie vielmehr auch den Wegfall der gesonderten Zuschläge mit sich bringen, die das geltende Recht für eine im Einzelfall erforderliche eingehende Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Lehre (§ 3 Abs. 3 Satz 1 Buchstabe a ZuSEG) oder im Fall einer zeitintensiven oder häufigen Heranziehung mit nicht zumutbaren Erwerbsverlusten (§ 3 Abs. 3 Satz 1 Buchstabe b erste Alternative ZuSEG) oder im Fall der Erzielung von mindestens 70 % der Berufseinkünfte aus der Tätigkeit als gerichtlicher oder außergerichtlicher Sachverständiger oder Dolmetscher (§ 3 Abs.3 Satz 1 Buchstabe b zweite Alternative ZuSEG) vorsieht. Die Auslegung dieser unscharfen Tatbestandsvoraussetzungen, der Nachweis der für ihre Annahme maßgeblichen Umstände sowie die Bandbreite des Zuschlags (bis zu 50 %) haben in der Vergangenheit häufig zu Auseinandersetzungen zwischen den Sachverständigen und Dolmetschern einerseits und den Festsetzungsstellen andererseits sowie zu einer in vielen bedeutsamen Einzelfragen sehr unterschiedlichen Festsetzungspraxis der Gerichte, damit zu Rechtszersplitterung, Rechtsunsicherheit und individuell empfundenen Ungerechtigkeiten geführt.
Das Honorar der Übersetzer soll in der Weise neu geregelt werden, dass an die Stelle der Zeilenentschädigung nach § 17 Abs.3 und 4 ZuSEG in erster Linie eine nach der Anzahl der übersetzten Anschläge bemessene Vergütung treten soll, wobei die im Übersetzungswesen weitverbreitete so genannte Standardzeile – bestehend aus 55 Anschlägen einschließlich der Leerzeichen – als Maßeinheit herangezogen werden soll. Die moderne Computertechnik ermöglicht heute problemlos die Angabe der genauen Anzahl der Anschläge und macht damit die Zeilenzählung als Methode zur ungefähren Zählung der Anschläge entbehrlich. Da allerdings noch nicht alle Kostenbeamten – naheliegend aber auch noch nicht alle Übersetzer – an ihrem Arbeitsplatz über moderne Datenverarbeitung verfügen, soll vorläufig die Zeilenzählung dort möglich bleiben, wo die genaue Zählung der Anschläge nach wie vor wegen unzureichender technischer Ausstattung einen unzumutbaren Arbeitsaufwand mit sich bringen würde. Zur Neuordnung des Vergütungssystems wird für durchschnittlich schwierige Übersetzungsleistungen ein Festhonorar von 1,25 Euro je Standardzeile vorgeschlagen, während bei erheblich erschwerten Übersetzungen ein Festhonorar von 1,85 Euro und bei außerordentlich erschwerten Übersetzungen ein Festhonorar von 4 Euro soll beansprucht werden können. Die Umstellung von den bisher in § 17 Abs.3 ZuSEG bestimmten Rahmenentschädigungen auf Vergütungsfestbeträge soll der vereinfachten Anwendung des Gesetzes dienen.
Für den Bereich der Erstattung von Fahrtkosten und sonstigen Aufwendungen sowie der Entschädigung für Aufwand werden folgende Regelungen vorgeschlagen:
Die Regelungen zur Erstattung der Fahrtkosten sollen erstmals so vereinheitlicht werden, dass zukünftig für alle Berechtigten die gleichen Bestimmungen gelten. Dies würde bedeuten, dass sich die Fahrtkostenerstattung bei Benutzung öffentlicher, regelmäßig verkehrender Verkehrsmittel durch Sachverständige, Dolmetscher, Übersetzer oder Zeugen nicht mehr wie bisher auch an deren persönlichen Verhältnissen sondern – wie heute schon im Bereich der Entschädigung ehrenamtlicher Richter – nur noch an der Höhe der mit der Benutzung des Verkehrsmittels verbundenen tatsächlichen Kosten orientieren würde. Persönliche Umstände wie Alter, Beruf oder Gesundheitszustand des Erstattungsberechtigten sollen also künftig für den Umfang der Erstattung ohne Belang sein. Damit soll ein Beitrag zu einem einfach zu handhabenden und sozial gerechteren Entschädigungssystem geleistet werden.
Die Erstattungsfähigkeit der Kosten, die mit der Nutzung des eigenen oder eines unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs verbunden sind, soll – anders als derzeit – zukünftig bei Strecken über 200 Kilometer keine Vergleichsberechnung mehr erfordern. Bislang werden die durch die Benutzung eines solchen Kraftfahrzeugs verursachten Fahrtkosten bei Strecken über 200 Kilometer in dem Umfang, in dem sie die Kosten für die Benutzung des preisgünstigsten öffentlichen Beförderungsmittels übertreffen, nur ersetzt, soweit wegen der Benutzung des Kraftfahrzeugs die Entschädigung insgesamt – zum Beispiel wegen ersparter Übernachtungskosten – nicht höher wird oder höhere Fahrtkosten wegen besonderer Umstände notwendig sind. Die vorgeschlagene Regelung kann zwar zu Mehrkosten führen. Es erscheint jedoch im Hinblick auf die angestrebte Vereinfachung des Kostenrechts geboten, die nach der derzeitigen Rechtslage unumgängliche und für alle Beteiligten mühsame und zeitintensive Vergleichsberechnung zukünftig entfallen zu lassen.
Zugleich wird vorgeschlagen, die Kilometerpauschale bei Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs für alle Berechtigten auf einheitlich 0,30 Euro für jeden gefahrenen Kilometer zu erhöhen. Auch der Zeuge soll nunmehr aus Gründen der Gleichbehandlung diese Entschädigung und nicht wie bisher für jeden gefahrenen Kilometer nur 0,21 Euro erhalten. Sachverständige, Dolmetscher, Übersetzer und ehrenamtliche Richter erhalten derzeit 0,27 Euro, so dass sich auch hier eine Erhöhung ergeben und zukünftig die gleiche Kilometerpauschale gelten würde, die in Nummer 7003 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG-E (Artikel 3) für die den Rechtsanwälten zu gewährende Fahrtkostenerstattung vorgeschlagen wird.
Für den Bereich der Aufwandsentschädigung, die alle Berechtigten betrifft, werden folgende Regelungen vorgeschlagen:
Bei Terminen am Aufenthaltsort der herangezogenen Person sowie bei einer Abwesenheit des Berechtigten von seinem Aufenthaltsort bis zu acht Stunden Dauer soll zukünftig – anders als nach geltendem Recht – keine Aufwandsentschädigung mehr gezahlt werden. Der in diesen Fällen bisher gezahlte Kleinbetrag von in der Regel maximal 3 Euro wird durch die erhöhte Entschädigung für Zeitversäumnis (vgl. die §§ 16 und 20 des Entwurfs) bzw. durch die erhöhten Honorare für Sachverständige, Dolmetscher und Übersetzer (vgl. die §§ 9 bis 11 des Entwurfs) ausgeglichen. Die Aufwandsentschädigung soll dadurch transparenter und sozial gerechter gestaltet werden, dass – anders als derzeit im Bereich des ZuSEG – für ihre Bemessung nicht mehr auf die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten abgestellt werden soll. Es wird vorgeschlagen, zukünftig die Tagesgeldsätze nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in allen Fällen und nicht mehr nur als Höchstsätze zu gewähren. Übernachtungskosten sollen zukünftig nach den bewährten Regelungen des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) zu erstatten sein, die klar bestimmen, in welchem Umfang Bundesbeamte und Richter im Bundesdienst, Soldaten und in den Bundesdienst abgeordnete andere Beamte und Richter bei Dienstreisen angefallene Übernachtungskosten erstattet verlangen können. Auch insoweit würde eine erhöhte Transparenz erreicht, weil die derzeitige Rechtslage nach dem ZuSEG die Erstattungsfähigkeit von der „Angemessenheit“ der Übernachtungskosten im Einzelfall abhängig macht und so zu Auslegungsschwierigkeiten führen kann.
Für die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter und der ihnen entschädigungsrechtlich gleichgestellten Vertrauenspersonen in den Ausschüssen zur Wahl der Schöffen und Vertrauensleute in den Ausschüssen zur Wahl der ehrenamtlichen Richter bei den Gerichten der Verwaltungs- und der Finanzgerichtsbarkeit soll in Zukunft im Übrigen Folgendes gelten:
Die Entschädigung für Zeitversäumnis soll 5 statt wie bisher 4 Euro je Stunde betragen.
Soweit der Berechtigte für Nachteile bei der Haushaltsführung zu entschädigen ist, soll die Entschädigung 12 statt wie bisher 10 Euro je Stunde betragen und zusätzlich die zeitliche Höchstgrenze für diese Form der Entschädigung von acht auf zehn Stunden je Tag erweitert werden.
Schließlich wird vorgeschlagen, im Rahmen der Entschädigung für Verdienstausfall die Stundenhöchstsätze – je nach zeitlichem Umfang der Dienstleistung – von derzeit 16, 31 und 41 Euro deutlich auf zukünftig 20, 39 und 51 Euro zu erhöhen.
Für die Entschädigung der Zeugen soll in Zukunft im Übrigen Folgendes gelten:
Die Entschädigung für Zeitversäumnis soll 3 statt wie bisher 2 Euro je Stunde betragen.
Soweit der Zeuge für Nachteile bei der Haushaltsführung zu entschädigen ist, soll die Entschädigung 12 statt wie bisher 10 Euro je Stunde betragen und zusätzlich die zeitliche Höchstgrenze für diese Form der Entschädigung von acht auf zehn Stunden je Tag erweitert werden.
Schließlich wird vorgeschlagen, den Stundenhöchstsatz der Verdienstausfallentschädigung von derzeit 13 Euro deutlich auf zukünftig 17 Euro zu erhöhen.
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