Motive | vor § 305 Neufassung | BGB |
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Begründung des Entwurfs SchuldR-ModG (14/6040) |
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Der bisherige Abschnitt 2 des zweiten Buches enthält allgemeine Regelungen für Schuldverhältnisse aus Verträgen. Vor diesen Abschnitt wird der materiell-rechtliche Teil des AGB-Gesetzes in das Bürgerliche Gesetzbuch als neuer Abschnitt 2 eingefügt. Hiermit soll zunächst erreicht werden, dass das Schuldrecht übersichtlicher wird. Dessen Übersichtlichkeit leidet unter der zunehmenden Zahl von Sondergesetzen, die mit diesem Gesetz sämtlich in das Bürgerliche Gesetzbuch integriert werden sollen. Die damit angestrebte Vereinfachung lässt sich nur erreichen, wenn nicht nur einige, sondern alle Sondergesetze neben dem Bürgerlichen Gesetzbuch in dieses integriert werden. Speziell beim AGB-Gesetz liegt eine solche Integration auch inhaltlich besonders nahe. Das AGB-Gesetz ist eng verwoben mit den Bestimmungen des Schuldrechts des BGB. Seine Aufgabe ist es nämlich sicherzustellen, dass die Parteien ihre grundsätzliche Freiheit, von den Vorschriften des Schuldrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch abzuweichen, nicht missbrauchen. Deshalb schreibt das AGB-Gesetz auch vor, dass allgemeine Geschäftsbedingungen am Leitbild des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu messen sind. Die in der Praxis besonders häufig vorkommenden Abweichungen von Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs werden vor allem in den §§ 10 und 11 AGBG besonders hervorgehoben. Im Grunde ergibt sich erst aus dem AGB-Gesetz, inwieweit wirklich von den Vorschriften des Schuldrechts des Bürgerlichen Gesetzbuchs abgewichen werden kann. Derartige Vorschriften finden in einem neuen Abschnitt 2 einen inhaltlich adäquaten und auch sehr prominenten Standort.
Dieser – prominente – Standort im Allgemeinen Teil des Schuldrechts trägt dem Umstand Rechnung, dass das AGB-Gesetz seinen Ursprung eben dort hat: Da das gesetzliche Schuldrecht weitgehend dispositives Recht darstellt, sah sich der Gesetzgeber aus sozialstaatlichen und wirtschaftspolitischen Gründen gezwungen, der Vertragsgestaltungsfreiheit jedenfalls in den Fällen Grenzen zu setzen und ein ausreichendes Maß an Vertragsgerechtigkeit sicherzustellen, in denen die Dispositionsfreiheit einseitig zu Gunsten der einen Vertragspartei („Verwender“) ausgenutzt wird und zu einer unangemessenen Benachteiligung des anderen Vertragsteils führt. Das AGB-Gesetz ist daher von seinem Schutzzweck und Zuschnitt auf die Kontrolle schuldrechtlicher Verträge ausgerichtet. Dort findet es auch in der Praxis seinen ganz überwiegenden Anwendungsbereich, so dass es folgerichtig ist, die Vorschriften über das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in das Allgemeine Schuldrecht einzustellen. Durch diesen Standort soll freilich nicht eine Einschränkung des Anwendungsbereichs allein auf Schuldverträge bewirkt, sondern lediglich der Schwerpunkt des Anwendungsbereichs betont werden. Dies steht einer Anwendung der Vorschriften z. B. auf Verträge aus dem Gebiet des Sachenrechts (wie Sicherungsgeschäfte) oder auf einseitige Rechtsgeschäfte, die mit einer vertraglichen Beziehung im Zusammenhang stehen, nicht entgegen.
Gelegentlich wird gegen die Integration des AGB-Gesetzes eingewandt, dass diese dessen Eigenständigkeit nicht gerecht würde (Ulmer in: Schulze/Schulte-Nölke, a. a. O. S. 239). Dieses Argument vermag nicht zu überzeugen. Das AGB-Gesetz kann seine Funktion gar nicht erfüllen, wenn es nicht den gleichen Prinzipien folgen würde wie das Bürgerliche Gesetzbuch selbst. Die Gestaltung ganzer Rechtsgebiete durch Allgemeine Geschäftsbedingungen, auf die Ulmer (wie vor) hingewiesen hat, ist keine Ausprägung einer Eigenart des AGB-Gesetzes, sondern typisch für das Bürgerliche Gesetzbuch, das sich im besonderen Teil des Schuldrechts auf die wichtigsten Vertragstypen beschränkt und in § 305 (jetzt: § 311 Abs. 1 RE) ganz bewusst der Gestaltungsfreiheit insbesondere auch der Wirtschaft breiten Raum gibt. Dass diese Freiheit nicht grenzenlos sein kann, ist ebenfalls kein Spezifikum des AGB-Gesetzes, sondern des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Dieses ist von Anfang an auf den Schutz des Schwächeren, damals noch als Schuldnerschutz bezeichnet, ausgerichtet gewesen. Diese Eigenart hat sich in den letzten Jahrzehnten weit ausgeprägt. Und das AGB-Gesetz hat insoweit das Bürgerliche Gesetzbuch verändert. Das alles belegt aber, dass das AGB-Gesetz und das Bürgerliche Gesetzbuch inhaltlich so eng verwoben sind, dass man sie nicht mehr trennen kann. Dies müsste im Gegenteil sogar verhindert werden, wenn man die Einheit des Zivilrechts erhalten will. Die sich jetzt bietende Möglichkeit, zusammenzuführen, was zusammen gehört, will der Entwurf nutzen.
Die Zusammenfassung des materiell-rechtlichen Teils des AGB-Gesetzes in einem eigenen Abschnitt soll zum einen dessen Bedeutung hervorheben und zum anderen das im AGB-Gesetz enthaltene (geschlossene) System aufrechterhalten. Die „en-bloc“-Übernahme und die Regelung in einem eigenen Abschnitt macht es zugleich für die Rechtspraxis leichter, die Vorschriften aufzufinden und anzuwenden. Der Rechtsanwender des AGB-Gesetzes ist an dessen Systematik, die sich bewährt hat, gewöhnt. Demgegenüber würde eine Zergliederung der materiell-rechtlichen Vorschriften des AGB-Gesetzes und Verteilung auf unterschiedliche Bereiche der ersten zwei Bücher des Bürgerlichen Gesetzbuchs – wie zum Teil von Seiten der Wissenschaft vorgeschlagen (z. B. Pfeiffer in: Ernst/Zimmermann, S. 481 ff., 502 ff.; Dörner in: Schulze/Schulte-Nölke, S. 187, 190) – zur Unübersichtlichkeit führen und der jetzigen Transparenz und Regelungsdogmatik des AGB-Gesetzes zuwiderlaufen (dagegen auch Ulmer in: Schulze/Schulte-Nölke, S. 229 ff., 235 f.). Zwar könnten einzelne Teilbereiche des AGB-Gesetzes, etwa die Definition der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die Regelungen über die Einbeziehungskontrolle oder auch die Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit herausgelöst und in den Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingestellt werden. Bereits bei der Frage nach dem „richtigen“ Standort für die Generalklausel des bisherigen § 9 AGBG entstünden indessen Zweifel. Insoweit käme eine Zuordnung zu § 138, § 157 oder auch § 242 BGB in Betracht. Auch die Auflösung der Klauseltatbestände der bisherigen §§ 10, 11 AGBG würde erhebliche Schwierigkeiten bereiten und zu Unebenheiten führen, wenn man sie den diversen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs zuordnen wollte. Denn zahlreiche Klauselverbote berühren – für sich genommen – ganz unterschiedliche Bereiche des Bürgerlichen Gesetzbuchs, so dass die Platzierung an einer bestimmten Stelle nicht überzeugen könnte. Daher ist – nach dem Vorbild des niederländischen Rechts – von einer Zergliederung des AGB-Gesetzes abgesehen und die en-bloc-Übernahme vorgezogen worden.
Inhaltlich sind mit der Integration des AGB-Gesetzes lediglich geringe Änderungen der jetzigen Vorschriften verbunden. Diese Änderungen beruhen zum einen darauf, dass die AGB-Vorschriften notwendigerweise an die mit diesem Gesetzesentwurf vorgeschlagenen Änderungen im Schuldrecht anzupassen sind. Zum anderen besteht an einigen Stellen des heutigen AGB-Gesetzes anerkanntermaßen Fortschreibungsbedarf. Dies betrifft insbesondere Fragen zur Umsetzung der sog. Klauselrichtlinie 93/13/EWG sowie derzeit bestehende Ausnahmen vom Anwendungsbereich des AGB-Gesetzes, die sich auf Grund zunehmender Privatisierung etwa im Bereich der Telekommunikationsbranche heute nicht mehr rechtfertigen lassen, sowie einige wenige Bereiche, in denen Rechtsprechung und Lehre bei der Anwendung des AGB-Gesetzes Klarstellungsbedarf gesehen haben. Der Entwurf greift diese Fragen auf und schreibt insoweit das AGB-Gesetz durch Ergänzungen und teilweise Neuformulierungen fort, die aber im Ergebnis Rechtsprechung und Lehre zur Anwendung des AGB-Gesetzes entsprechen. Im Übrigen werden die materiellen Vorschriften des bisherigen AGB-Gesetzes weitestgehend wörtlich übernommen, lediglich zum Teil zusammengefasst. Auch die Reihenfolge der Vorschriften bleibt – soweit möglich – unverändert.
(Siehe BGB-E, BT-Drucksache Nr.14/6040, S.149 f)
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