Motive | vor §§ 195-197 | BGB |
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Begründung des Entwurfs SchuldR-ModG (14/6040) |
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Die Verjährung dient insbesondere bei vertraglichen Ansprüchen der Sicherheit des Rechtsverkehrs und dem Rechtsfrieden (BGHZ 59,72, 74). Nach einer bestimmten Zeit soll die Ungewissheit über das Bestehen und die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs beendet sein. Danach kann die Durchsetzung von Ansprüchen, gleich welcher rechtlichen Natur sie sind, verhindert werden. Dabei kommt die tatsächliche Auswirkung der Verjährung in ihrer rechtlichen Ausgestaltung als rechtshemmende Einrede nicht voll zum Ausdruck: Sie führt de facto zu einem Forderungsverlust und steht so in ihrer Einwirkung auf die Forderung der Erfüllung oder dem Erlass gleich.
Angesichts dieser gravierenden Wirkungen hat die Festlegung der Dauer der Verjährungsfristen besonderes Gewicht. Eng verbunden mit der Frage der Länge der Verjährungsfristen sind Probleme des Beginns, der Unterbrechung und der Hemmung der Verjährungsfristen. Trotz dieses Zusammenhangs bleibt in rechtssystematischer Hinsicht die Dauer der Verjährung eine Einzelfrage, auf die zunächst und für sich genommen eine Antwort gefunden werden muss.
Es müssen dabei verschiedene Gesichtspunkte und Ziele, die miteinander durchaus in Konflikt geraten können, berücksichtigt werden. Neben der grundsätzlichen Entscheidung über die Dauer der Verjährungsfrist ist besonderes Gewicht darauf zu legen, dass die Regelung von Verjährungsfristen möglichst einheitlich und dementsprechend klar ist. Größtes Gewicht kommt der Bemühung um Einheitlichkeit und Klarheit bei der Dauer der Verjährungsfristen zu. Besteht zwischen zwei Parteien eine schuldrechtliche Sonderbeziehung, ist es erwünscht, dass der Eintritt der Verjährung zeitlich klar bestimmbar ist. Die Parteien sollen von vornherein wissen, wie lange sie gegeneinander Ansprüche geltend machen können. Eine Neubestimmung der Länge der Verjährungsfristen muss daher insbesondere, aber nicht nur bei vertraglichen Ansprüchen von dem Bestreben geleitet sein, die Dauer der Fristen möglichst einheitlich festzulegen. Eine schematisierende Gleichbehandlung aller Ansprüche kann aber zu Wertungswidersprüchen und ungerechtfertigten Gleichstellungen verschiedenster Ansprüche führen. Die Dauer der Fristen hat deshalb neben Einheitlichkeit und Klarheit die verschiedenen Interessenlagen zu berücksichtigen. Sie muss sich am Zweck der Verjährung orientieren. Schutzwürdige Interessen des Schuldners, insbesondere drohende Beweisnot durch Zeitablauf, Verlust zunächst bestehender Regressmöglichkeiten gegen Dritte, sprechen für kurze Verjährungsfristen; Verjährungsrecht ist zunächst ein Anwendungsfall des Schuldnerschutzes. Auf der anderen Seite bedrohen zu kurze Verjährungsfristen das Recht des Gläubigers (vgl zur sechsmonatigen Frist des derzeit geltenden § 477 insbesondere BGHZ 77,215, 223). Zu kurze Fristen können verstrichen sein, bevor der Gläubiger von seinem Anspruch wusste oder hätte wissen können. Der Gläubiger muss ausreichend Zeit haben, um Ansprüche wirksam und rechtzeitig geltend machen zu können. Schließlich muss bei der Festlegung der Dauer einer Frist auch berücksichtigt werden, dass die Parteien eines Vertrags zunächst versuchen sollen, sich über die Berechtigung der Ansprüche zu einigen, ohne dass der Gläubiger durch eine zu kurze Verjährungsfrist unter Zeitdruck gerät, was ihn zwingt, seinen Anspruch gerichtlich geltend zu machen.
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Das geltende Recht bestimmt in dem bisherigen § 195 eine Verjährungsfrist von 30 Jahren. Wenn auch diese Frist vom Gesetz als „regelmäßig“ bezeichnet wird, so lassen schon die in zahlreichen gesetzlichen Vorschriften vorgesehenen kürzeren Verjährungsfristen diese lange Verjährungsfrist zur Ausnahme werden, so dass der bisherige § 195 praktisch einen Auffangtatbestand bildet, der immer dann zur Anwendung kommt, wenn keine kürzere Verjährungsfrist einschlägig ist. So enthält der bisherige § 196 derzeit einen umfangreichen Katalog von Ansprüchen aus – nach der Vorstellung des Gesetzgebers – Geschäften des täglichen Lebens, die entweder in zwei oder in vier Jahren (bisheriger § 196 Abs.2) verjähren. Ergänzend sieht der bisherige § 197 eine vierjährige Verjährungsfrist für Ansprüche auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen vor. Über den Wortlaut hinaus hat die Rechtsprechung diese kürzeren Verjährungsfristen nicht nur auf die vertraglichen Erfüllungsansprüche, sondern auch auf alle Ansprüche angewandt, soweit diese wirtschaftlich an die Stelle der entsprechenden Erfüllungsansprüche getreten sind. Da für derartige Ansprüche entscheidend ist, dass sie einen „Ersatzwert des ursprünglich Bedungenen“ (so schon RGZ 61, 390) zum Inhalt haben, also einen Ausgleich dafür bieten, „dass der Vertrag gescheitert ist“ (BGHZ 57,191, 195 ff.), können sie auch gesetzlicher Natur sein. Fallen somit hierunter auch Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag sowie aus ungerechtfertigter Bereicherung (BGHZ 32,13, 15; 48,125, 127), so wird daran deutlich, wie weit die Verkürzung der Verjährungsfristen auf zwei oder vier Jahre zu Lasten der Regelfrist von 30 Jahren heute geltendes Recht ist.
Das Bürgerliche Gesetzbuch behandelt derzeit im Grundsatz sowohl hinsichtlich der Verjährungsfrist als auch des Verjährungsbeginns vertragliche und gesetzliche Ansprüche gleich (vgl die bisherigen §§ 195, 198), macht davon dann aber jeweils eine Fülle von Ausnahmen. Danach beträgt die Verjährungsfrist für gesetzliche Ansprüche im Prinzip dreißig Jahre; sie beginnt mit der Entstehung des Anspruchs. Aber die Verjährungsfristen werden für einzelne gesetzliche Ansprüche erheblich verkürzt: deliktische Ansprüche ggf auf drei Jahre (bisheriger § 852 Abs. 1), Bereicherungsansprüche wegen Leistungen, die unter die bisherigen §§ 196, 197 fallen, auf zwei bzw vier Jahre (vgl Palandt/Thomas, Rdnr 24 vor § 812). Nicht weniger drastisch als bei der Verjährungsfrist rückt das Gesetz bisweilen von der Entstehung des Anspruchs als Zeitpunkt des Verjährungsbeginns ab. Im Deliktsrecht etwa wird für die Verkürzung der Verjährungsfrist Kenntnis des Verletzten von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen vorausgesetzt. Außerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden sich auch ganz andere Anknüpfungen für den Verjährungsbeginn (vgl beispielsweise § 9 Abs.2 GmbHG; § 62 Abs.6 Satz 2 GenG).
Kennzeichnend für die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen ist die Abkürzung der Frist auf sechs Monate im Kauf- und Werkvertragsrecht, sofern der Mangel vom Verkäufer bzw Hersteller nicht arglistig verschwiegen worden ist. Da Ansprüche aus positiver Forderungsverletzung und aus Verschulden bei Vertragsanbahnung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung entwickelt wurden, gilt für sie grundsätzlich die bisherige regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren. Rechtsprechung und Lehre sind in teilweise unterschiedlicher Weise bemüht, die kürzeren Fristen für Erfüllungsansprüche nach dem geltenden § 196 sowie für Gewährleistungsansprüche auch auf diese Ansprüche anzuwenden. Beispielhaft für die daraus resultierende Problematik soll hier nur darauf hingewiesen werden, dass nach der Rechtsprechung auch auf positiver Forderungsverletzung beruhende Schadensersatzansprüche, sofern der Schaden auf einem Mangel der Kaufsache beruht, der kürzeren Verjährung des bisherigen § 477 unterliegen (vgl BGHZ 60,9, 12; 66,315, 317; BGH, NJW 1973,276), während im Werkvertragsrecht die kürzere Verjährung des bisherigen § 638 für Ansprüche aus positiver Forderungsverletzung nicht gilt (vgl BGHZ 35,130, 132; 87,239; BGH, NJW 1983,2439). Für Ansprüche, die nach dem Entwurf einheitlich als Ansprüche aus Pflichtverletzung behandelt werden sollen, gelten demnach im geltenden Recht unterschiedliche Verjährungsfristen von sechs Monaten bis 30 Jahren, wenn man einmal von der kürzeren Verjährungsfrist von nur sechs Wochen für die Gewährleistungsansprüche aus Viehkauf absieht.
Ansprüche aus der Rückabwicklung von Verträgen sind gegenwärtig nicht einheitlich geregelt. Maßgebend ist auch hier die Anspruchsgrundlage. Für schuldrechtliche Ansprüche aus planmäßiger Rückabwicklung, insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen, gilt die 30-jährige Verjährungsfrist. Die Verjährungsfrist des bisherigen § 197 greift für verzinsliche, ratenweise zu tilgende Darlehen ein. Eine Sonderregelung stellt die Verjährungsfrist von sechs Monaten für Ersatzansprüche des Vermieters nach § 558 dar, die auch für das Pacht- (§ 581 Abs.2) und das Leihverhältnis (§ 606) gilt.
Für Ansprüche aus unplanmäßiger Rückabwicklung, etwa wegen Unwirksamkeit des Vertrags oder nach Ausübung eines Rücktrittsrechts, gilt ebenfalls grundsätzlich die dreißigjährige Verjährungsfrist, da es sich hierbei vorzugsweise um Ansprüche aus §§ 812 ff oder aus §§ 346 ff handelt. Hier wird jedoch, ebenso wie oben dargestellt, die kürzere Verjährungsfrist des bisherigen § 196 angewandt, wenn ein Anspruch aus Rückabwicklung nur an die Stelle des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs tritt.
Auch für die Verjährung von Ansprüchen auf Wert-, Verwendungs- und Aufwendungsersatz ist jeweils die Anspruchsgrundlage maßgebend. Stellen sie sich als Nebenansprüche für den Erfüllungsanspruch dar, so gilt die für den Erfüllungsanspruch geltende Verjährungsfrist. Beruhen sie auf einer Pflichtverletzung, so gilt für die Verjährung jeweils die Frist, die für den daraus resultierenden Anspruch maßgebend ist, zB aus Geschäftsführung ohne Auftrag.
Unabhängig von der Verjährung der sich aus der Rückabwicklung ergebenden obligatorischen Ansprüche gilt für den Herausgabeanspruch, soweit er nach § 985 auf Eigentum gestützt wird, die dreißigjährige Verjährungsfrist des bisherigen § 195.
Der ebenso unvollständige wie heute teilweise veraltete („Lohnkutscher“, „Tagelöhner“) Katalog vertraglicher Vergütungsansprüche in dem bisherigen § 196 knüpft an die berufliche Tätigkeit des Gläubigers an. Für Gegenansprüche des Geschäftspartners fehlt es somit, abgesehen von den Gewährleistungsansprüchen, an einer Regelung der Verjährung seiner Ansprüche, so dass der bisherige § 195 zur Anwendung kommt. So verjährt der Kaufpreisanspruch eines Kaufmannes entweder in zwei oder, wenn die Ware für den Gewerbebetrieb des Käufers geliefert wurde, in vier Jahren, während der Anspruch des Käufers auf Lieferung und auf Schadensersatz wegen Nichtlieferung in 30 Jahren verjährt.
Wenn auch der Gesetzgeber in dem geltenden § 196 auf Erfüllungsansprüche abstellte, so hat zwar die Rechtsprechung, wie bereits hervorgehoben, durch die Ausdehnung dieser Vorschrift auf die an die Stelle der Erfüllungsansprüche getretenen Ersatzansprüche eine gewisse Vereinheitlichung bewirken können, ohne dadurch jedoch eine systematisch durchgängig geltende einheitliche Verjährungsfrist für Ansprüche der in dem bisherigen § 196 genannten Gläubiger zu erreichen.
Das geltende Recht weist deutliche Mängel auf. Gerade im Bereich der vertraglichen Ansprüche tritt der „fast barock zu nennende Formenreichtum“ (Peters/Zimmermann, S.187) der unterschiedlichen Verjährungsfristen in einer auch für den Fachmann, geschweige denn für den Laien, kaum überschaubaren Weise zutage. Die mit der Sechswochenfrist der Ansprüche aus Viehmängelhaftung beginnende und mit den in 30 Jahren verjährenden Ansprüchen endende Aufzählung bei MünchKomm/Feldmann, § 195 Rdnr.2 bis 13, macht dies nur allzu deutlich. Dabei erscheint bezeichnend, dass namentlich die unter die 30-Jahres-Frist fallenden Ansprüche lediglich nebeneinander, meist nur belegt mit einem Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung, aufgeführt werden, da eine systematische Einordnung auch nur in groben Umrissen unmöglich ist.
Die allgemeine Verjährungsfrist von 30 Jahren wird auch für gesetzliche Ansprüche als zu lang angesehen. Eine Frist solcher Länge setzt voraus, dass Gläubiger und vor allem der Schuldner die einschlägigen Unterlagen entsprechend lange aufbewahren. Das ist heute schlechthin nicht zu leisten. Als Mangel des geltenden Rechts gilt ferner auch insoweit die nicht hinreichend begründete Vielfalt unterschiedlicher Fristen und Anknüpfungspunkte für den Verjährungsbeginn. Insbesondere wird bemängelt, dass die Beeinträchtigung der Möglichkeit der Rechtsverfolgung durch Unkenntnis des Gläubigers von den Anspruchsvoraussetzungen bei den verschiedenen Ansprüchen ganz unterschiedliche Bedeutung hat. Im Deliktsrecht gibt es eine auf die Kenntnis des Gläubigers abstellende kurze Verjährung, während sie bei der Geschäftsführung ohne Auftrag und bei der ungerechtfertigten Bereicherung fehlt, obwohl der Gläubiger auch hier über die Anspruchsvoraussetzungen im Unklaren sein kann.
Zusammenfassend sind daher folgende entscheidende Mängel des gegenwärtig geltenden Rechts zu konstatieren:
Die Vielfalt der unterschiedlichen Verjährungsfristen zwischen 6 Wochen und 30 Jahren macht das bisherige Recht undurchschaubar.
Den geltenden Verjährungsfristen mangelt es an einer systematischen Regelung, die sich auf einheitlich tragende Gesichtspunkte zurückführen ließe.
Die bisherigen Fristen führen zu nicht vertretbaren Widersprüchen und zwingen die Rechtsprechung dazu, Aus- und Umwege zu erschließen, um zu gerechten Lösungen zu gelangen.
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Die Schuldrechtskommission hatte vorgeschlagen, das bisherige System unterschiedlicher Verjährungsfristen gänzlich aufzugeben, weil es unübersichtlich, nicht mehr aktuell und zu einem erheblichen Teil in seiner unterschiedlichen Behandlung der einzelnen Ansprüche auch sachlich nicht mehr vertretbar ist. Die Unterbrechung der Verjährung sollte weitgehend abgeschafft und durch die Hemmung ersetzt werden. Dies sollte insbesondere für die Klageerhebung gelten. Das Verjährungsmodell der Schuldrechtskommission basierte auf unterschiedlichen Verjährungsfristen für die folgenden drei Arten von Ansprüchen:
Verjährung vertraglicher Ansprüche
Verjährung gesetzlicher Ansprüche
Verjährung deliktischer Ansprüche
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Nach den Vorschlägen der Schuldrechtskommission sollten alle vertraglichen Ansprüche einheitlich nach drei Jahren verjähren. Die Verjährungsfrist sollte bis auf ein Jahr verkürzt werden können. Die Verjährungsfrist sollte grundsätzlich mit der Fälligkeit des Anspruchs beginnen; für Ansprüche auf Zahlung der vereinbarten Vergütung sollte es – wie in den meisten Fällen bereits heute – auf den Schluss des Rechnungsjahres ankommen, in dem sie fällig werden.
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Gesetzliche Ansprüche (Geschäftsführung ohne Auftrag, ungerechtfertigte Bereicherung, Eigentümer-Besitzer-Verhältnis uä) sollten in 10 Jahren verjähren.
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Ansprüche aus Delikt sollten bei Personenschäden wie bisher in drei Jahren ab Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen, spätestens aber in 30 Jahren verjähren. Für Sachschäden sollte die absolute Verjährungsfrist nicht 30, sondern 10 Jahre betragen, soweit es sich nicht um Ansprüche wegen Amtshaftung handelt.
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Für Herausgabeansprüche aus absoluten Rechten sowie für familien- und erbrechtliche Ansprüche sollte vorbehaltlich anderer Bestimmungen eine Verjährungsfrist von 30 Jahren gelten.
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Abweichend von der allgemeinen Regel sollten Mängelansprüche bei Werk- oder Kaufverträgen über ein Bauwerk ebenso wie bei Kaufverträgen über Baumaterial nicht in drei, sondern in fünf Jahren verjähren.
Abweichend von der allgemeinen Regel sollten gesetzliche Ansprüche und Ansprüche aus Delikt innerhalb der vertraglichen Verjährungsfrist verjähren, wenn sie im Zusammenhang mit dem Vertragsverhältnis entstanden sind.
Ebenfalls abweichend von der allgemeinen Regel sollten Schadensersatzansprüche wegen Personenverletzungen immer der deliktischen Verjährung unterliegen, auch
wenn sie vertraglicher Natur sind.
Die vertragliche Verjährung sollte sich bei Arglist von drei auf zehn Jahre verlängern.
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Die vorgenannten Vorschläge der Schuldrechtskommission sind auf Kritik gestoßen. Diese Kritik greift der Entwurf mit dem folgenden Modell auf:
Der Entwurf übernimmt nicht die Unterscheidung zwischen vertraglichen und nicht vertraglichen Ansprüchen. Er bleibt, wie in der Kritik gefordert (zB Haug, S.32 ff, 36 f; Mansel in: Ernst/Zimmermann S.333, 403), vielmehr bei dem bisherigen Ansatz des Bürgerlichen Gesetzbuchs: Es gibt eine regelmäßige Verjährungsfrist, die für alle Ansprüche gilt und von der in bestimmten Bereichen Abweichungen vorgesehen sind.
Die regelmäßige Verjährungsfrist soll wie im Vorschlag der Schuldrechtskommission drei Jahre betragen (§ 195 RE). Anders als im Vorschlag der Schuldrechtskommission wird sie aber an die deliktische Verjährung im bisherigen § 852 Abs.1 (vgl §§ 199, 201 KE) angeglichen. Sie beginnt also nicht mit Pflichtverletzung, wie von der Schuldrechtskommission vorgeschlagen, sondern, wie von Peters/Zimmermann (S.320 [§ 199]) befürwortet, mit Kenntnis oder, insoweit von § 852 Abs.1 etwas abweichend, grob fahrlässiger Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen (§ 199 Abs.1 Nr.2 RE). Dies entspricht den Forderungen der Kritik an dem Modell der Schuldrechtskommission (Mansel aaO S.404; Haug, S.59 ff; Eidenmüller, JZ 2001,283, 285).
Auch für die Mängelansprüche hatte die Schuldrechtskommission eine Frist von drei Jahren vorgeschlagen, die zwar nicht mit Pflichtverletzung, wohl aber mit dem sehr nahe dabei liegenden Zeitpunkt der Zurverfügungstellung der Sache beginnen sollte (§§ 195 Abs.1, 196 Abs.4 KE). Diese Frist erscheint bei Ansprüchen aus Sachmängeln als zu lang und soll auf 2 Jahre verkürzt werden (§ 438 Abs.1 Nr.3 RE). Dies betrifft aber nicht nur die verschuldensunabhängigen (so die Forderung von Eidenmüller, JZ 2001,283, 285), sondern alle Mängelansprüche.
Wie die Schuldrechtskommission (§ 195 Abs.3 KE) schlägt der Entwurf für fehlerhafte Einbauteile eine Verjährungsfrist von fünf Jahren vor. Bauhandwerker haften stets innerhalb der fünf Jahre dauernden Verjährungsfrist für ein mangelhaftes Bauwerk, können aber von ihren Verkäufern nur 6 Monate Gewährleistung beanspruchen. Der Entwurf vermeidet diese Falle, indem für solche fehlerhaften Bauteile eine Verjährungsfrist von fünf Jahren vorgesehen wird (§ 438 Abs.1 Nr.2 RE). Dieser Vorschlag wird von der Praxis und dem Schrifttum befürwortet. Handwerker und Bauindustrie befürworten ihn ebenfalls. Dagegen würden die Händler es zwar vorziehen, auf eine solche Regelung zu verzichten; sie akzeptieren diese aber wegen ihres unbestreitbaren Gerechtigkeitsgehalts.
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Das Modell des Entwurfs knüpft damit an das Verjährungsmodell der Principles of European Contract Law an, die die Kommission für Europäisches Vertragsrecht – nach ihrem Vorsitzenden auch als Lando-Kommission bezeichnet – im Februar 2001 verabschiedet hat (deutsche Übersetzung abgedruckt ZEuP 2001 S.400 ff). Das darin vorgeschlagene Modell sieht eine regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren vor, die gehemmt ist, solange der Gläubiger die Person des Schuldners oder die Umstände, auf denen sein Anspruch beruht nicht kennt und vernünftigerweise nicht kennen kann (Artikel 17:102 und 17:105). Sie werden von Zimmermann wie folgt bewertet (ZEuP 2001,217, 220):
„Die Grundregeln des Europäischen Verjährungsrechts (die sich übrigens nicht auf das Vertragsrecht beschränken, sondern das Schuldrecht insgesamt erfassen) gehen von der Erkenntnis aus, dass ein möglichst einheitlicher Verjährungsbeginn der Schlüssel zu einem möglichst einheitlichen Verjährungsrecht ist. Eine derartige Einheitlichkeit kann nur auf der Basis des Kenntnis- oder Erkennbarkeitskriteriums erreicht werden (unabhängig davon, ob dieses Kriterium tatsächlich den Verjährungsbeginn bestimmt oder – so die Europäischen Grundregeln – eine Anlaufhemmung darstellt …). Dann (und nur dann) ist auch eine weitgehend einheitliche Frist von drei Jahren sinnvoll. Dies entspricht auch der internationalen Entwicklung, die, berücksichtigt man die Neuregelungen und Reformvorschläge der vergangenen einhundert Jahre, im Wesentlichen durch drei Trends gekennzeichnet ist: Verkürzung der Fristen, Vereinheitlichung der Fristen und Aufstieg des Erkennbarkeitskriteriums für den Verjährungsbeginn.“
Dieser Analyse folgt der Entwurf. Peters/Zimmermann hatten in ihrem Gutachten zur Überarbeitung des Schuldrechts aus dem Jahre 1981 eine regelmäßige Verjährungsfrist von zwei Jahren – gleichfalls in Kombination mit dem Kenntnis- oder Erkennbarkeitskriterium – vorgeschlagen (S.315 f dort: § 195 Abs.1 und § 199 Satz 1). Sie hatten aber schon dort eine dreijährige Verjährungsfrist als Alternative zur zweijährigen Verjährungsfrist anerkannt (S.298). Das wird heute allgemein so gesehen.
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Die Neufassung des Verjährungsrechts, deren Grundzüge bereits in der Allgemeinen Begründung dargestellt wurden, bringt die ersatzlose Aufhebung einiger Vorschriften des bisherigen Verjährungsrechts mit sich. Die größte Zahl der in Abschnitt 5 aufgenommenen Vorschriften enthält jedoch Regelungen, die sich bereits im bisherigen Verjährungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden und nun zum Teil unter anderer Paragraphenbezeichnung bzw zusammengefasst oder mit einer prägnanteren sprachlichen Fassung erscheinen. Von einer ersatzlosen Aufhebung sind im Verjährungsrecht die folgenden Vorschriften betroffen: Zur Aufhebung der bisherigen §§ 196 und 197 Die bisherigen §§ 196 und 197 betreffen Sonderfälle der kurzen Verjährung, die von der langen regelmäßigen Verjährungsfrist des bisherigen § 195 (30 Jahre) abweichen. Nachdem diese regelmäßige Verjährungsfrist für alle Fälle auf drei Jahre reduziert worden ist, entfällt ein Bedürfnis für Regelungen, wie sie in den bisherigen §§ 196 und 197 enthalten waren, wenn auch nach wie vor eine Sonderregelung für die wiederkehrenden Leistungen (bisheriger § 197) in § 197 Abs.2 RE erforderlich ist.
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Auf die beiden Vorschriften soll künftig verzichtet werden. Sie betreffen den Verjährungsbeginn bei Kündigung und Anfechtung. Gemäß dem bisherigen § 199 beginnt die Verjährung eines Anspruchs, der von einer Kündigung abhängig ist, in dem Zeitpunkt, in dem die Kündigung zulässig ist, also nicht erst mit der Fälligkeit des Anspruchs (vgl bisheriger § 198 Satz 1 gegenüber § 199 Abs.1 Nr.1 und § 200 Satz 1 RE), die nicht vor der Erklärung der Kündigung eintritt. In ähnlicher Weise bestimmt der bisherige § 200, dass die Verjährung der durch eine Anfechtung ausgelösten Ansprüche mit dem Zeitpunkt beginnt, von welchem an die Anfechtung zulässig ist.
Beide Vorschriften sind nicht nur entbehrlich, sondern ließen sich nur rechtfertigen, wenn vergleichbare Fälle mit einbezogen würden, vor allem der Hauptfall einer möglichen Verzögerung des Verjährungsbeginns, nämlich der Fall der Erteilung einer Rechnung für die vereinbarte Vergütung, auf den die genannten Bestimmungen nach hM nicht anzuwenden sind (BGHZ 55, 340, 344; BGH, NJW 1982, 930, 931; BGH, NJW-RR 1987, 237, 239; Palandt/Heinrichs §§ 199, 200 Rdnr.2). Aufschiebend bedingte oder von einem Anfangstermin abhängige Ansprüche verjähren deshalb erst mit Eintritt der Bedingung oder des Anfangstermins, während verhaltene Ansprüche, die jederzeit, aber nur auf Verlangen des Berechtigten zu erfüllen sind, sofort fällig sind und damit auch sofort zu verjähren beginnen.
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Nach dem bisherigen § 201 beginnt die kurze Verjährung der in zwei Jahren verjährenden Ansprüche von Kaufleuten, Handwerkern, Gastwirten, Sachverständigen usw und der in vier Jahren verjährenden Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen nicht mit dem „normalen“ Verjährungsbeginn, sondern erst mit dem jeweiligen Schluss des Jahres.
Sinn dieser Regelung war es, den Betroffenen eine dauernde Kontrolle des Fristablaufs zu ersparen. Hinzukam, dass seinerzeit viele Rechnungen, die unterjährig erteilt wurden, erst am Jahresende beglichen wurden (Peters/Zimmermann, S.77, 119). Eine solche Regelung ist anderen Rechtsordnungen fremd (Zimmermann, JuS 1984, 409, 418) und in der Sache fragwürdig (Haug, S.56 f.). Das Abstellen auf das Ende des Fälligkeitsjahres führt dazu, dass je nach dem frühen oder späten Eintritt der Fälligkeit im Jahr dem einen Gläubiger eine Verlängerung der Verjährungsfrist von einem Jahr zugute kommt, wohingegen der andere Gläubiger keinen Vorteil davon hat. Diesen Vorteil sollen nur Gläubiger bestimmter Entgeltforderungen erhalten, andere Gläubiger von Geldforderungen nicht. Ein sachlicher Grund hierfür ist nicht ersichtlich. Die früher maßgeblichen Gesichtspunkte bestehen jedenfalls heute nicht mehr. Im Zeitalter der elektronischen Buchführung und Fristenkontrolle ist die Überwachung des Entgelteingangs kein Problem mehr; oft ist das Geschäftsjahr auch gar nicht mehr das Kalenderjahr (Krebs, DB Beilage 14/2000, S.4/5). Entgeltforderungen werden schon angesichts der sonst entstehenden Vorfinanzierungskosten so früh wie möglich geltend gemacht und auch nicht mehr durchweg erst am Jahresende beglichen. Durch das moderne Mahnverfahren ist die Geltendmachung einer Forderung auch stark vereinfacht worden. Schließlich soll die Verjährung für den Großteil der Entgeltforderungen, für die die Ultimoverjährung bisher galt, auch um ein Jahr verlängert werden, was etwaige praktische Schwierigkeiten ausgleicht. Hinzukommt, dass die Erleichterung auch sehr begrenzt ist. Alle anderen Fristen im Zusammenhang mit den Entgeltforderungen, insbesondere Zinsfristen, werden nämlich nicht hinausgeschoben. Für jede Forderungen laufen daher unterschiedliche Fristen, was die Abrechnung nicht erleichtert, sondern erschwert. Deshalb haben Peters/Zimmermann in ihrem Gutachten zum Verjährungsrecht die ersatzlose Aufhebung dieser überholten Bestimmung gefordert. Die Schuldrechtskommission hat sich dem nicht anzuschließen vermocht (Bericht S.58, 59). Dies hat überzeugende Kritik gefunden (Haug, S. 56, 57; Mansel in: Ernst/Zimmermann, S. 333 ff., 390). Dieser soll Rechnung getragen werden. Mit der Aufhebung des bisherigen § 201 werden Gerichte und Rechtsanwälte, aber auch die Gläubiger selbst von dieser Belastungsspitze zu Jahresschluss befreit.
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Nach dem bisherigen § 219 stehen rechtskräftige Vorbehaltsurteile nach den §§ 320 und 599 ZPO zum einen dem rechtskräftigen Urteil im Sinne des bisherigen § 211 Abs.1 gleich. Damit soll klargestellt werden, dass die nach bisherigem Recht durch die Erhebung der Klage bewirkte Unterbrechung bis zum Erlass des Vorbehaltsurteils und nicht noch bis zum Abschluss eines Nachverfahrens andauert. Auf diese Klarstellung kann verzichtet werden. Dass es hinsichtlich des Endes der Unterbrechungswirkung – nach dem Recht des Entwurfs hinsichtlich des Endes der Hemmungswirkung – allein auf den Eintritt der formellen Rechtskraft des Vorbehaltsurteils ankommt und nicht auf die erst mit dem Abschluss des Nachverfahrens eintretende materielle Rechtskraft, dürfte sich von selbst verstehen. Zum anderen stehen nach dem bisherigen § 219 die durch Vorbehaltsurteil rechtskräftig festgestellten Ansprüche hinsichtlich der 30-jährigen Verjährungsfrist nach dem bisherigen § 218 Abs.1 den rechtskräftig festgestellten Ansprüchen gleich. Hinsichtlich der Verjährungsfrist spielen Fragen der formellen Rechtskraft keine Rolle, so dass diesbezüglich die Vorschrift entbehrlich erscheint. Auch die Schuldrechtskommission sieht in ihrem Bericht keine Verwendung für den bisherigen § 219, ebenso Peters/Zimmermann, S.326.
(Siehe BGB-E, BT-Drucksache Nr.14-6040, S.98-100)
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Stellungnahme des Bundesrates |
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Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, in welcher Weise sichergestellt werden kann, dass die Neugestaltung des Verjährungsrechts nicht auf die im Entwurf zur Änderung vorgesehenen Vorschriften beschränkt bleibt, sondern dass alle Verjährungsvorschriften, auch außerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuchs, und die sachlich damit zusammenhängenden Fristenregelungen im erforderlichen Umfang mit der Neuregelung harmonisiert werden.
(Siehe BGB-RE, BT-Drucksache Nr.14/6857, Anlage 2, S.6)
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Gegenäußerung der Bundesregierung |
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Die Bundesregierung stimmt dem Bundesrat in seiner Einschätzung zu, dass auch die Verjährungsvorschriften in den zahlreichen Sondergesetzen daraufhin überprüft werden müssen, ob sie durch die regelmäßige Verjährungsfrist ersetzt werden können oder ob Bedarf für eine abweichende Verjährungsregelung besteht und wie dieser Bedarf an das neue Fristenschema angeglichen werden kann. Die in Betracht kommenden Vorschriften sind aber sehr heterogen. Deshalb hat sich die Bundesregierung dazu entschlossen, zunächst das System der Verjährungsfristen des Bürgerlichen Gesetzbuchs neu zu ordnen und in einem zweiten gesetzgeberischen Schritt die übrigen Fristen zu überprüfen und ggf anzupassen.
(Siehe BGB-RE, BT-Drucksache Nr.14/6857, Anlage 3, S.42)
§§§
Vorbem zu §§ 195-197 | [ ] |
Saar-Daten-Bank (SaDaBa) - Frisierte Gesetzestexte - © H-G Schmolke 1998-2005
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