zu Art.3 Abs.2   GG   (3)  
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Gleichberechtigung (Absatz 2 Satz 1)

  1. Zur Gleichberechtigung der Frau gehört, daß sie die Möglichkeit hat, mit gleichen rechtlichen Chancen marktwirtschaftliches Einkommen zu erzielen wie jeder männliche Staatsbürger. (vgl BVerfG, B, 17.01.57, - 1_BvL_4/54 - Steuersplitting - BVerfGE_6,55 = www.DFR/BVerfGE)

  2. Art.3 Abs.2 GG ist eine echte Rechtsnorm. Er enthält wie Art.3 Abs.3 GG eine Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes. (vgl BVerfG, U, 18.12.53, - 1_BvL_106/53 - Gleichberechtigung - BVerfGE_3,225 = www.DFR/BVerfGE)

  3. Seit dem Ablauf der in Art.117 Abs.1 zweiter Halbsatz GG gesetzten Frist sind Mann und Frau auch im Bereich von Ehe und Familie gleichberechtigt. (vgl BVerfG, U, 18.12.53, - 1_BvL_106/53 - Gleichberechtigung - BVerfGE_3,225 = www.DFR/BVerfGE)

  4. Der Versorgungsausgleich zwischen geschiedenen Ehegatten (§ 1587 Abs.1 Satz 1 iVm § 1587a Abs.1 BGB) ist als Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art.14 Abs.1 Satz 2 GG durch Art 6 Abs.1 GG und Art 3 Abs.2 GG gerechtfertigt. (vgl BVerfG, U, 28.02.80, - 1_BvL_17/77 - Versorgungsausgleich - BVerfGE_53,257 -313 = www.DFR/BVerfGE)

  5. 6) Art.6 Abs.1 GG in Verbindung mit Art.3 Abs.2 GG gebietet, dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung einer Ausweisung auch die eigenen Interessen des deutschen Ehepartners gegenüberzustellen. (vgl BVerfG, B, 18.07.73, - 1_BvR_23/73 - Ausländerausweisung - BVerfGE_35,382 = www.DFR/BVerfGE)

  6. Der über das Diskriminierungsverbot des Art.3 Abs.3 GG hinausgehende Regelungsgehalt des Art.3 Abs.2 GG besteht darin, daß er ein Gleichberechtigungsgebot aufstellt und dieses auch auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erstreckt. (vgl BVerfG, U, 28.01.92, - 1_BvR_1025/82 - Nachtarbeitsverbot - BVerfGE_85,191 -214 = NBerfGA_Nr.95 = www.DFR/BVerfGE)

  7. Die Strafvorschriften gegen die männliche Homosexualität (§§ 175 f StGB) verstoßen nicht gegen den speziellen Gleichheitssatz der Abs.2 und 3 des Art.3 GG, weil der biologische Geschlechtsunterschied den Sachverhalt hier so entscheidend prägt, daß etwa vergleichbare Elemente daneben vollkommen zurücktreten. (vgl BVerfG, U, 10.05.57, - 1_BvR_550/52 - Homosexuelle - BVerfGE_6,389 = www.DFR/BVerfGE)

  8. Es ist mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Männern und Frauen (Art.3 Abs.2 GG) nicht vereinbar, daß nach § 4 Abs.1 Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz das eheliche Kind eines deutschen Vaters und einer ausländischen Mutter stets die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt, das eheliche Kind ein deutschen Mutter und eines ausländischen Vaters aber nur dann, wenn es sonst staatenlos sein würde. (vgl BVerfG, B, 21.05.74, - 1_BvL_22/71 - Abkömmlinge - BVerfGE_37,217 = www.DFR/BVerfGE)

  9. § 611a BGB ist danach im Lichte des Art.3 Abs.2 GG so auszulegen und anzuwenden, daß Arbeitsuchende bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses wirksam vor Benachteiligung wegen des Geschlechts geschützt werden. (vgl BVerfG, B, 16.11.93, - 1_BvR_258/86 - § 611a BGB - BVerfGE_89,276 = www.DFR/BVerfGE)

  10. Art.3 Abs.2 GG gebietet, die Arbeit der Frau als Mutter, Hausfrau und Mithelfende mit ihrem tatsächlichen Wert als Unterhaltsleistung zu berücksichtigen; dieses Gebot war vom Tage nach der Verkündung des Grundgesetzes an für den Gesetzgeber verbindlich. (vgl BVerfG, U, 24.07.63, - 1_BvL_30_57 - Waisenrente - BVerfGE_17,1 = www.DFR/BVerfGE)

  11. Die erschwerende Voraussetzung der Witwerrente gegenüber der Witwenrente in § 43 nF AVG (überwiegendes Bestreiten des Unterhalts der Familie durch die verstorbene Ehefrau) ist mit Art.3 Abs.2 und 3 GG vereinbar. (vgl BVerfG, U, 24.07.63, - 1_BvL_30_57 - Waisenrente - BVerfGE_17,1 = www.DFR/BVerfGE)

  12. Die erschwerende Voraussetzung der Waisenrente und des Kinderzuschusses in § 44 Abs.2 nF AVG und § 1262 Abs.5 nF RVO allein für die Kinder von Ehefrauen (überwiegende Unterhaltsleistung der Mutter) ist mit Art.3 Abs.2 und 3 und mit Art.6 Abs.1 GG unvereinbar. (vgl BVerfG, U, 24.07.63, - 1_BvL_30_57 - Waisenrente - BVerfGE_17,1 = www.DFR/BVerfGE)

  13. Zur Gleichwertigkeit von Familien- und Erwerbsarbeit bei der Bemessung nachehelichen Unterhalts. (vgl BVerfG, B, 05.02.02, - 1_BvR_105/95 - Familienarbeit - BVerfGE_105,1 = www.bverfg.de)

  14. § 141 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 1. Juni 1962 (Gesetz- und Verordnungsblatt S.272) verletzt Artikel 3 Abs.2 und 3 des Grundgesetzes und war deshalb nichtig, soweit er den Anspruch des beim Tod der Beamtin in ehehlicher Gemeinschaft lebenden Witwers auf Witwergeld dem Grunde und der Höhe nach vom Bestehen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs des Witwers gegen seine verstorbene Ehefrau abhängig machte. (vgl BVerfG, B, 12.03.75, - 2_BvL_10/74 - Witwergeld - BVerfGE_39,196 -205 )

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Förderungsgebot (Absatz 2 Satz 2)

  1. Der über das Diskriminierungsverbot des Art.3 Abs.3 GG hinausgehende Regelungsgehalt des Art.3 Abs.2 GG besteht darin, daß er ein Gleichberechtigungsgebot aufstellt und dieses auch auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erstreckt. (vgl BVerfG, U, 28.01.92, - 1_BvR_1025/82 - Nachtarbeitsverbot - BVerfGE_85,191 -214 = NBerfGA_Nr.95 = www.DFR/BVerfGE)

  2. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, allen seit dem 1.April 1953 geborenen ehelichen Kindern deutscher Mütter, die bisher vom Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt ausgeschlossen waren, einen Weg zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu eröffnen. (vgl BVerfG, B, 21.05.74, - 1_BvL_22/71 - Abkömmlinge - BVerfGE_37,217 = www.DFR/BVerfGE)

  3. Der Senat der Freien Hansestadt Bremen hat einen Einschätzungsspielraum, ob Frauen bei höher bewerteten Stellen im bremischen öffentlichen Dienst benachteiligt sind. Geht er sachbezogenen und nachvollziehbaren Erwägungen für seine Feststellung aus, sind die Gerichte hieran gebunden. Ist von einer de-facto-Benachteiligung von Frauen bei höher bewerteten Stellen im öffentlichen Dienst auszugehen, dürfen nach Maßgabe des objektiven Gehaltes des Art.3 Abs.2 und 3 GG kompensatorische Maßnahmen in bestimmten Grenzen zugunsten von Frauen getroffen werden, wenn eine gleiche Qualifikation der Bewerber vorliegt. Der Grundsatz der Einstellung und Beförderung nach Qualifikation hat verfassungsrechtlichen Vorrang. Die Prüfung der Qualifikation gebietet dem Dienstherrn, alle einschlägigen Erkenntnisquellen für eine sachgerechte Ermittlung der geeignesten Bewerber zu nutzen. Hierfür kommen primär die aktuellen dienstlichen Beurteilungen in Betracht, aber auch andere Leistungs- und eignungsbezogene Kriterien wie frühere dienstliche Beurteilungen, Ergebnisse abgelegter Prüfungen, Zusatzqualifikationen und spezielle Berufserfahrungen. Kommt der Dienstherr ausnahmsweise im Rahmen seines Beurteilungsspielraumes zu einer gleichen Qualifikationsbeurteilung von männlichen und weiblichen Bewerber, muß eine Abwägungsentscheidung im Einzelfall vorgenommen werden. Ist die soziale Ausgangslage für einen männlichen Bewerber und eine weibliche Bewerberin gleich oder spricht sie für die Frau, darf sich in einem solchen Fall die weibliche Bewerberin auf eine in der Frauenförderrichtlinie gergelte Bevorzugungsmaxime zu ihren Gunsten als einen insoweit das Ermessen im Wege der Selbstbindung einschränkenden Grundsatz berufen. Macht lediglich der männliche Konkurrent besondere soziale Gesichtspunkte geltend, kann der Dienstherr nach Abwägung und Prüfung sowohl eine rechtmäßige Entscheidung zugunsten des Mannes als auch zugunsten der Frau treffen. Kennzeichnen außergewöhnliche soziale Umstände die Situation des Mannes oder ist eine Bevorzugung aufgrund anderer Regelung geboten (z.B. nach dem Schwerbehindertenrecht), wird die Einstellungs- oder Beförderungsentscheidung regelmäßig zugunsten des männlichen Bewerbers ausfallen müssen. Verfassungsrechtlich unzulässig wäre es, wenn durch eine Verwaltungsrichtlinie vorgegeben wäre, daß Frauen bei gleicher Qualifikation wie Männer zwingend vorgezogen werden müssen. Art.4 Abs.1 des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau in Verbindung mit dem Gesetz zu diesem Übereinkommen vom 25.04.85 (BGBl II 85,647) enthält eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die in der Frauenförderrichtlinie vorgesehene Quotenregelung zugunsten von Frauen bei gleicher Qualifikation im Rahmen der durch Art.3 GG gesetzten Grenzen. Die Bevorzugungsleitlinie zugunsten von Frauen bei bestehender faktischer Benachteiligung verstößt nicht gegen die Fürsorgepflicht als verfassungsrechtlich geschützten hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums. (vgl. VG Bremen, U 26.11.87 - 3 A 392/86 -, NJW 88,3224 -3228)

  4. Die durch eine Öffnungsklausel zugunsten männlicher Mitbewerber eingeschränkte Quotenregelung in § 13 des Saarländischen Landesgleichstellungsgesetzes ist mit europäischem Recht vereinbar und bundesrechtskonform wohl so auszulegen, daß sie lediglich einen Ausgleich individueller oder gruppentypischer Nachteile von Frauen bewirkt. (vgl OVG Saarl, B, 18.05.99, - 1_W_16/98 - Frauenquote - SKZ_99,277/23 (L) = NVwZ-RR_00,31 -35 = SörS-Nr.99.099)

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