Motive | zu § 7 | G-10 |
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Begründung des Entwurfs G-10 (14/5655) |
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§ 7 enthält alle Übermittlungstatbestände im Rahmen der strategischen Fernmeldekontrolle und zeichnet damit gedanklich die Behandlung personenbezogener Daten im Anschluss an ihre Erhebung nach.
Gegenstand der Übermittlung sind in erster Linie diejenigen Daten, die entsprechend dem Zweck der jeweiligen Anordnung erhoben wurden. Bezieht die Anordnung sich beispielsweise auf die internationale Verbreitung von Kriegswaffen (§ 5 Abs.1 Satz 3 Nr.3), werden die erlangten Informationen regelmäßig Sachverhalte betreffen, bei denen es in der Tat um die Verbreitung von Kriegswaffen geht. Das ist durch die Technik der Wortbankabfrage vorgegeben: Gemäß § 5 Abs.2 müssen die in die Wortbank eingestellten Suchbegriffe geeignet und bestimmt sein, Sachverhalte zu dem in der Anordnung bezeichneten Gefahrenbereich aufzuklären. Ausnahmsweise kann es allerdings vorkommen, dass eine Telekommunikation, in der Suchbegriffe einer Anordnung getroffen wurden, zu dem einschlägigen Gefahrenbereich unergiebig ist und stattdessen einen Sachverhalt offenbart, der auf eine ganz andere Gefahr oder Rechtsverletzung hinweist.
Beispielsweise mag der bekannt werdende Sachverhalt den Verdacht auf eine sonstige, schwere Straftat begründen. Dann wäre es nicht hinnehmbar, wenn die erlangten Daten gemäß der Grundregel des § 6 Abs.1 Satz 2 gelöscht werden müssten. Deshalb schafft § 7 ein differenzierendes System, innerhalb dessen auch Zufallsfunde übermittelt werden dürfen.
Die Neufassung der Vorschrift stellt im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts klar, dass die Übermittlung nach § 12 BND-Gesetz nur zu den in § 5 Abs. 1 Satz 3 genannten Erhebungszwecken erfolgen darf (vgl. BVerfGE 100, 313, 387 f.).
§ 3 Abs.3, 5 G 10 geltender Fassung regelt Übermittlungen an Verfassungsschutzbehörden bisher nicht gesondert, sondern im allgemeinen Zusammenhang aller Übermittlungen, die der Bundesnachrichtendienst an verschiedene Behörden des Bundes und der Länder vornehmen darf. Absatz 2 unterscheidet nunmehr die beiden folgenden Situationen: Gewinnt der Bundesnachrichtendienst aus der strategischen Fernmeldekontrolle Erkenntnisse über terroristische Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, darf er diese Erkenntnisse den Verfassungsschutzbehörden auf der Grundlage tatsächlicher Anhaltspunkte übermitteln. Diese niedrige Übermittlungsschwelle rechtfertigt sich daraus, dass der Erhebungszweck des § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 gerade auf die Gewinnung solcher Erkenntnisse gerichtet ist. Eine höhere Schwelle besteht, wenn die strategische Fernmeldekontrolle Hinweise über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht erbringt.
Hier erfordert die Übermittlung einen durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht. Da nämlich die strategische Fernmeldekontrolle nicht dazu dient, sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten aufzuklären, ist die Weitergabe entsprechender Zufallserkenntnisse stets mit einer Zweckänderung verbunden.
Die Vorschrift normiert die Voraussetzungen, unter denen personenbezogene Daten an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) übermittelt werden dürfen. Wie die bisherigen Erfahrungen zeigen, kann die strategische Fernmeldekontrolle wertvolle Informationen über Versuche liefern, in Deutschland Kriegswaffen oder sonstige Waren zu beschaffen, die der Ausfuhrkontrolle unterliegen. Entsprechende Lieferanfragen gehen von Institutionen aus, die dem Bundesnachrichtendienst als Beschaffungsorganisationen ausländischer Rüstungsprogramme bekannt sind.
Doch kann die gleiche Kenntnis nicht von einem Unternehmen erwartet werden, das Ziel des Beschaffungsversuchs ist. Häufig treten bei der Anfrage, ob bestimmte Güter geliefert werden könnten, Tarnfirmen oder Strohmänner auf. Wenn der Bundesnachrichtendienst das BAFA unterrichten kann, welchen Beschaffungsversuch er beobachtet hat, ist es in der Lage, das betroffene deutsche Unternehmen zu warnen. Ein solches Verfahren wird mit anderweitigen nachrichtendienstlichen Erkenntnissen bereits seit längerem erfolgreich praktiziert. Es führt in aller Regel dazu, dass die Beschaffung rechtzeitig verhindert werden kann. Immer wieder zeigt sich, dass die betroffenen deutschen Unternehmen erst durch den gegebenen Hinweis erkennen können, wer sich hinter dem Kaufinteressenten verbirgt und welche Verwendungsabsichten er mutmaßlich verfolgt.
Erkenntnisse aus der strategischen Fernmeldekontrolle ließen sich bisher nicht für Warnhinweise des BAFA verwerten, sondern blieben ungenutzt. § 3 Abs.3, 5 G 10 geltender Fassung gestattet nämlich dem Bundesnachrichtendienst die Übermittlung personenbezogener Daten nur zum Zwecke der Verhinderung, Aufklärung oder Verfolgung von Straftaten. Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz oder das Außenwirtschaftsgesetz sind zwar strafbar, doch erfüllt die bloße Lieferanfrage einer Beschaffungsorganisation nicht die Voraussetzungen einer Straftat.
Deshalb löst sich der neue § 7 Abs.3 vom Erfordernis der Straftat. Er gestattet die Übermittlung bei tatsächlichen Anhaltspunkten für die Annahme, dass das BAFA Teilnehmer am Außenwirtschaftsverkehr über Umstände aufklären muss, die für die Einhaltung von Beschränkungen des Außenwirtschaftsverkehrs von Bedeutung sind.
Daneben ist die Übermittlung möglich, wenn das BAFA sie in einem Verfahren zur Erteilung einer ausfuhrrechtlichen Genehmigung oder zur Unterrichtung von Teilnehmern am Außenwirtschaftsverkehr benötigt, soweit die Unterrichtung die Ausfuhr genehmigungspflichtig macht. Letzteres ist der Fall bei Artikel 4 Abs.1 der Verordnung (EG) Nr.1334/ 2000 des Rates vom 22.Juni 2000 über eine Gemeinschaftsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr von Gütern und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck (ABl.EG Nr.L 159 S.1). Güter mit doppeltem Verwendungszweck, sog dual-use-Güter, sind nicht schon ihrer Natur nach rüstungsrelevant, sondern werden es durch ihren konkret beabsichtigten Einsatz, den der deutsche Hersteller nicht von vornherein erkennen kann. Hat aber, gegebenenfalls durch Hinweis des Bundesnachrichtendienstes, das BAFA Anhaltspunkte Anhaltspunkte für einen militärischen Verwendungszweck, kann es den Hersteller hiervon unterrichten und löst damit eine außenwirtschaftliche Genehmigungspflicht aus.
Absatz 4 regelt unter Berücksichtigung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts die Übermittlung der aus der strategischen Überwachung gewonnenen personenbezogenen Daten zum Zwecke der Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Weiterleitung der Daten zu diesen Zwecken grundsätzlich für zulässig erachtet. Es hat jedoch beanstandet, dass § 3 Abs.3 des bisherigen G 10 für die Verhütung von Straftaten einerseits und für die Verfolgung von Straftaten andererseits einheitlich eine relativ niedrige Übermiftlungsschwelle vorsieht, nämlich das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte ausreichen lässt (BVerfGE 100,313, 388 ff.). Im Einzelnen hat es hierzu Folgendes festgestellt:
Da im Falle der Strafverfolgung die Verletzung des Rechtsguts bereits eingetreten sei und es nunmehr um die Sanktion gehe, sei es nicht gerechtfertigt, die Übermittlungsschwelle unter diejenige abzusenken, welche auch sonst bei der Strafverfolgung für Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis nach § 100a StPO gelte (aaO, 394). Das bedeutet, dass in diesem Bereich Übermittlungen generell nur bei einem auf bestimmten Tatsachen basierenden Tatverdacht zulässig sind. Auch soweit es um die Verhinderung von Straftaten gehe, werde die Regelung den grundrechtlich geschützten Interessen nicht gerecht. Zusammengenommen führten die Umstände, dass als Verdachtsbasis tatsächliche Anhaltspunkte ausreichten, dass bereits an das Planungsstadium angeknüpft werde und dass auch minderschwere Straftaten einbezogen würden, zu einer deutlichen Unausgewogenheit zu Lasten der betroffenen Grundrechte. Für die Herstellung eines verfassungsmäßigen Zustands hat das Gericht dem Gesetzgeber insoweit zwei mögliche Wege aufgezeigt. Wolle man an der niedrigen Übermittlungsschwelle und der Anknüpfung bereits an das Planungsstadium festhalten, müsse der Straftatenkatalog weiter beschränkt werden. Solle hingegen der bisherige Straftatenkatalog beibehalten werden, seien höhere Anforderungen an die Sicherheit der Prognose zu stellen (aaO, 395).
Hiervon ausgehend sieht der Entwurf nunmehr eine in mehrfacher Hinsicht differenzierende Regelung vor. Danach dürfen zur Verfolgung von Straftaten die Daten gemäß Absatz 4 Satz 2 generell nur übermittelt werden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht auf Begehung einer der in Satz 1 genannten Straftaten begründen. Entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts wird damit die hohe Übermittlungsschwelle des § 100a StPO übernommen. Soweit es um die Verhinderung von Straftaten geht, hält der Entwurf zwar grundsätzlich an dem bisherigen Katalog fest, unterscheidet hinsichtlich der Übermittlungsschwelle jedoch nunmehr zwischen zwei Gruppen von Straftaten.
Bei den in Satz 1 Nr.1 genannten Straftaten genügt die bisherige Verdachtsschwelle der „tatsächlichen Anhaltspunkte“. Es handelt sich hierbei durchweg um Straftaten, welche die in § 5 Abs.1 Satz 3 angesprochenen Gefahren- bereiche berühren und damit in enger Beziehung zu den eigentlichen Erhebungszwecken stehen. Hieraus rechtfertigt sich auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten eine niedrigere Übermittlungsschwelle. Gewinnt der BND im Rahmen seiner strategischen Überwachung beispielsweise Anhaltspunkte für die Planung oder Vorbereitung von Straftaten aus dem Bereich des Terrorismus oder der Proliferation, soll er diese an die zuständigen Behörden weitergeben dürfen, auch wenn sich die Erkenntnisse noch nicht zu „bestimmten Tatsachen“ verdichtet haben. Die Beschränkung auf Straftaten, die in enger Beziehung zu den Erhebungszwecken stehen, führt insoweit entsprechend den verfassungsgerichtlichen Vorgaben zugleich zu einer deutlichen Reduzierung gegenüber dem bisherigen Straftatenkatalog. Für die übrigen, in Satz 1 Nr.2 genannten Straftaten soll dagegen die hohe Übermittlungsschwelle der „bestimmten Tatsachen“ gelten, wie sie auch für Übermittlungen zur Strafverfolgung vorgesehen ist. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass diese Erkenntnisse den Charakter von „Zufallsfunden“ haben, dh nicht in Beziehung zu den eigentlichen Erhebungszwecken stehen. Der Straftatenkatalog der Nummer 2 entspricht, soweit die Straftaten nicht bereits in die Nummer 1 aufgenommen wurden, dabei im Wesentlichen dem bisherigen Katalog des § 3 Abs.3 G 10; insbesondere sind auch die übrigen im bisherigen § 2 Abs. 1 Satz 1 G 10 (jetzt § 3 Abs.1 Satz 1) genannten Straftaten übernommen worden. Die Vorschrift stellt somit einerseits sicher, dass die Übermittlung von „Zufallserkenntnissen“ zur Verhinderung von Straftaten, die besonders bedeutende Rechtsgüter gefährden, auch weiterhin möglich bleibt. Andererseits entspricht es dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot, die Weitergabe derartiger Daten erst und nur dann zuzulassen, wenn bereits eine sichere Tatsachenbasis für den Verdacht erreicht ist.
Die Vorschrift stellt im Übrigen ausdrücklich klar, dass Daten zum Zwecke der Verhinderung von Straftaten nur an die mit (präventiv-)polizeilichen Aufgaben, d. h. mit Aufgaben der Gefahrenabwehr im engeren Sinne betrauten Behörden übermittelt werden dürfen.
Absatz 5 setzt die Anforderungen um, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 100, 313, 385 f.) für den Umgang mit personenbezogenen Daten auf Seiten des Empfängers aufgestellt hat. Die Vorschrift enthält Zweckbindungs-, Löschungs- und Protokollierungsregelungen, die der vergleichbaren Vorschrift des § 4 Abs.4 entsprechen.
Die Vorschrift enthält die gleiche strenge Zweckbindung wie § 4 Abs.5 für die Individualkontrolle. Die Bezugnahme auf § 4 Abs.1 Satz 2 und 3 dieses Gesetzes betrifft die Löschungs- und Protokollierungsverpflichtung, wenn Daten weder für eigene noch für Übermittlungszwecke benötigt werden.
(Siehe BGB-E, BT-Drucksache Nr.14/5655, S.17)
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