Motive | zu § 3 | G-10 |
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Begründung des Entwurfs G-10 (14/5655) |
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Die Vorschrift enthält wie bisher in der Form eines abschließenden Kataloges die Straftatbestände, zu deren Aufklärung und Verhinderung die Nachrichtendienste zu Maßnahmen der Einzelüberwachung berechtigt sind. Insofern enthält die Vorschrift die entscheidenden Konkretisierungen der Grundnorm des § 1 Abs.1 Nr.1 für Maßnahmen, die sich gegen bestimmte Einzelpersonen richten. Die Voraussetzungen der Vorschrift sind abschließend.
Die Vorschriften enthalten redaktionell angepasst die Straftatbestände in ihrer bisherigen Fassung.
Nummer 6 ist in der Novelle gegenüber der bisherigen Fassung des G 10 in zweifacher Hinsicht erweitert worden. Zunächst ist der Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB) eingefügt worden. Dies entspricht einem dringenden Bedürfnis der Praxis. Durch volksverhetzende Handlungen wird der öffentliche Friede gestört, die Menschenwürde von Minderheiten verletzt, werden Hassgefühle geweckt und ein gewaltförderndes Klima begünstigt. Gerade in jüngster Zeit muss die Zunahme solcher Straftaten Besorgnis erwecken. Es ist deshalb nur konsequent, auch § 130 StGB in die Kasuistik des G 10 aufzunehmen. Die Vorschrift setzt eine Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens voraus. Im Übrigen gelten, wie eingangs der Vorschrift des § 3 Abs.1 bestimmt, die Schwellen des § 1 Abs.1 Nr.1 G 10 auch hier. Es muss deshalb aus der Straftat eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes resultieren. Die Neufassung der Nummer 6 entspricht schließlich auch dem Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 11. Juni 1999 zur Intensivierung der Bekämpfung rechtsextremistisch oder fremdenfeindlich motivierter Straftaten.
Eine weitere Änderung betrifft § 129a StGB. Diese im Jahre 1978 eingefügte Bestimmung als Spezialtatbestand und Auffangklausel für die Bekämpfung des Terrorismus hat sich bewährt. Sie setzt allerdings eine feste Vereinigung von Straftätern voraus, d. h. es muss sich um auf gewisse Dauer angelegte Zusammenschlüsse handeln, in denen sich der Einzelne dem Willen der Gesamtheit unterordnet. Nach der jetzigen Rechtslage kommen G 10-Maßnahmen gegen Einzeltäter oder Kleingruppen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, nicht in Betracht.
Eine weitere Änderung betrifft § 129a StGB. Diese im Jahre 1978 eingefügte Bestimmung als Spezialtatbestand und Auffangklausel für die Bekämpfung des Terrorismus hat sich bewährt. Sie setzt allerdings eine feste Vereinigung von Straftätern voraus, d. h. es muss sich um auf gewisse Dauer angelegte Zusammenschlüsse handeln, in denen sich der Einzelne dem Willen der Gesamtheit unterordnet. Nach der jetzigen Rechtslage kommen G 10-Maßnahmen gegen Einzeltäter oder Kleingruppen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, nicht in Betracht.
Insbesondere aufgrund der amorphen und diffusen Strukturen im militanten Rechtsextremismus, aber auch in der gewaltbereiten linksextremistischen – vornehmlich autonomen – Szene ist bei Hinweisen auf die mögliche Planung schwerer Straftaten die Erwirkung einer G 10-Maßnahme derzeit daher nur möglich, wenn die Begehung dieser Taten innerhalb einer Personengruppe mit einem Mindestmaß an geordneter Struktur diskutiert wird.
Militante extremistische Gruppierungen erfüllen aber oftmals nicht die Merkmale einer Vereinigung. Einzelne Zusammenschlüsse weisen nur geringe Organisationsstrukturen auf. Häufig liegen daher Anhaltspunkte für eine Einbindung des Verdächtigen in eine Vereinigung zunächst nicht vor. Eine G 10-Beobachtung wäre allerdings in diesen Fällen dringend erforderlich, da durch eine solche Maßnahme Hinweise auf Vorbereitung und Zielrichtung der Straftat erlangt werden können. Dies gilt gleichermaßen für die Beobachtung extremistischer Einzeltäter, die ohne jeden organisatorischen Zusammenhang handeln.
Die Aufnahme der in Satz 1 Nr. 6 Buchstabe b ausdrücklich genannten Straftatbestände ist aus folgenden Gründen erforderlich:
§§ 211, 212 StGB
Aus der Vergangenheit gibt es mehrere Beispiele für die
Begehung von Mord- bzw. Totschlagsdelikten durch
rechtsextremistische Einzeltäter, so etwa
das Bombenattentat im September 1980 auf dem Oktoberfest in München,
der mit Tötungsabsicht erfolgte Schusswaffenanschlag im Februar 1997 auf einen politischen Gegner in Berlin.
In diesem Zusammenhang ist auch auf die durch rechtsextremistische Einzeltäter begangenen ausländerfeindlichen Brandanschläge mit Todesopfern in den 90er Jahren hinzuweisen (z. B. Mölln 1992, Solingen 1993). Die in jüngster Vergangenheit zunehmenden Waffen- und Sprengstofffunde bei Rechtsextremisten zeigen in Anbetracht der erheblichen Gewaltbereitschaft der Szene, dass z. B. mit Sprengstoff- oder Schusswaffenanschlägen durch rechtsextremistische Einzeltäter oder aus Kleingruppen gerechnet werden muss, wobei der Tod bzw. schwerste Verletzungen der Opfer gezielt herbeigeführt, zumindest aber in Kauf genommen werden.
§§ 239a und 239b StGB
Erpresserischer Menschenraub und insbesondere Geiselnahme
haben deutsche und ausländische linksextremistische
Terroristen (RAF, palästinensische Terrororganisationen,
PKK) wiederholt zur Durchsetzung ihrer
politischen Ziele verübt. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen
muss davon ausgegangen werden, dass auch Einzeltäter,
die extremistischen oder terroristischen ausländischen
Gruppierungen nahe stehen, ohne diesen
anzugehören, bei politischen Krisensituationen in ihrem
Heimatland emotionalisiert solche Straftaten gegen in
Deutschland ansässige ausländische Personen planen
und begehen werden, die sie als politische Gegner betrachten.
§§ 306 bis 306c StGB
Gewaltbereite Rechtsextremisten haben in den Jahren
1995 bis 1999 188 Brandanschläge verübt. Oftmals haben
sie dabei den Tod oder schwerste Verletzungen von
Menschen in Kauf genommen. Im selben Zeitraum haben
militante Linksextremisten 371 Brandstiftungsdelikte
begangen, die häufig zu Schäden in Millionenhöhe
führten. Wenngleich ein Teil dieser Taten aus Gruppen
heraus begangen wurden oder begangen sein dürften, ist
angesichts der diffusen Strukturen im rechts- und linksextremistischen
Lager davon auszugehen, dass auch Einzeltäter
oder kleinere Gruppen derartige Delikte im Zusammenhang
mit ihrem politischen Kampf gegen das
„System“ in der Vergangenheit begangen haben bzw.
künftig begehen werden. Aktuell wird dies dadurch belegt,
dass der Brandanschlag auf die Synagoge in Düsseldorf
am 3.Oktober 2000 offenbar von zwei einzelnen
Tätern begangen wurde, die keiner festen extremistischen
Struktur angehören.
§ 308 Abs.1 bis 3 StGB
Es ist zu erwarten, dass extremistische Einzeltäter oder
Kleingruppen, die nicht die Merkmale einer terroristischen
Vereinigung aufweisen, solche Delikte begehen.
Entsprechende Fälle aus der Vergangenheit belegen
diese Gefahr; auf das Oktoberfest-Attentat im September
1980 ist insofern hinzuweisen, aber auch auf die
Serie von Sprengstoffanschlägen der lediglich aus zwei
Linksextremisten bestehenden „Antiimperialistischen
Zelle“ (AIZ) in den Jahren 1994/95 u. a. auf Wohnhäuser
von Bundestagsabgeordneten.
§ 315 Abs.3 StGB
In den Jahren 1995 bis 1999 haben militante Linksextremisten
über 50 gefährliche Eingriffe in den Bahnverkehr
durch den Einsatz von Hakenkrallen und Wurfankern sowie
das Untergraben von Gleiskörpern im Zusammenhang
mit den Castor-Transporten verübt. Insbesondere
angesichts der Tatsache, dass diese Delikte kaum Logistik
erfordern und dass sich zahlreiche lose linksextremistische
Strukturen am Kampf gegen die Kernenergie beteiligen,
ist davon auszugehen, dass auch Einzeltäter
oder Kleingruppen solche Straftaten in der Vergangenheit
begangen haben bzw. zukünftig begehen werden.
§ 316b Abs.3 StGB
Im Rahmen der Anti-AKW-Kampagne haben linksextremistische
Gewalttäter in den Jahren 1995 bis 1996 sechs
Anschläge auf Strommasten verübt, die zum Teil zu einer
erheblichen Beeinträchtigung der Stromversorgung
der Bevölkerung führten und beträchtliche Schäden verursachten.
Mit der Begehung solcher Taten durch Einzeltäter
oder kleinere Gruppen ist auch künftig zu rechnen.
Auf die Ausführungen zu den §§ 306 bis 306c und
315 Abs. 3 StGB wird verwiesen.
§ 316c Abs.1, 3 StGB
Die Aufnahme dieser Vorschrift in den G 10-Katalog ist
erforderlich, da nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden
ständig mit extremistisch motivierten Anschlägen
auf bzw. Entführungen von Luftfahrzeugen gerechnet
werden muss. In der Vergangenheit hat es bereits eine
Reihe von Flugzeugentführungen durch Einzeltäter gegeben,
die zumindest auch aus politischen bzw. extremistischen
Motiven handelten. Insbesondere bei einer
aufgeheizten politischen Atmosphäre ist damit zu rechnen,
dass Einzelpersonen oder Kleingruppen, die extremistisch-
terroristischen ausländischen Vereinigungen
nahe stehen, derartige Taten in Betracht ziehen.
Die Bestimmung ist unverändert.
Die Sätze 1 und 2 des Absatzes 2 sind gegenüber der bisherigen Textfassung unverändert. Satz 3 konkretisiert die Voraussetzungen für die Einbeziehung von Sendungen in G 10- Maßnahmen. Die Regelung befand sich bisher in § 6 Abs. 2 und ist wegen des Zusammenhangs hierher übernommen worden. Satz 4 ist identisch mit dem ursprünglichen § 2 Abs. 2 Satz 3. Er sieht eine Ausnahme vom Kreis der Betroffenen zugunsten von Abgeordneten vor. Die Sätze 4 und 5 des bisherigen § 2 Abs. 2 sind wegen fehlender praktischer Relevanz gestrichen worden.
(Siehe BGB-E, BT-Drucksache Nr.14/5655, S.14 f)
§§§
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