Motive | zu § 474 Neufassung | BGB |
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Begründung des Entwurfs SchuldR-ModG (14/6040) |
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In der ersten Vorschrift dieses neuen Untertitels ist der Anwendungsbereich der nachfolgenden Bestimmungen über den Verbrauchsgüterkauf geregelt. Der persönliche Anwendungsbereich entspricht weitgehend dem der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Diese betrifft Kaufverträge zwischen einem Verkäufer, der im Rahmen seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit Verbrauchsgüter verkauft (Artikel 1 Abs. 2 Buchstabe c, und einem Verbraucher als Käufer. Unter einem Verbraucher versteht Artikel 1 Abs. 2 Buchstabe a der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie jede natürliche Person, die Verbrauchsgüter zu einem Zweck kauft, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.
Für die in einer einleitenden Bestimmung zum Verbrauchsgüterkauf notwendigen Definitionen der betroffenen Personen kann nun auf die mit dem Fernabsatzgesetz in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügten §§ 13 und 14 Bezug genommen werden. Nach § 13 ist Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck vornimmt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Diese Definition deckt sich mit derjenigen in Artikel 1 Abs. 2 Buchstabe a der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nahezu vollständig, weicht allerdings in einem Punkt hiervon ab: Anders als nach der Richtlinie nimmt § 13 nur die selbständige berufliche Tätigkeit aus dem Verbraucherbegriff aus. Das ist sachlich gerechtfertigt. Die Erwähnung der beruflichen neben der gewerblichen Tätigkeit hat in erster Linie den Zweck, auch die freien Berufe zu erfassen, die traditionell nicht als Gewerbe angesehen werden (Rechtsanwälte, Steuerberater usw.). Es sollten aber nicht die Personen aus dem Verbraucherbegriff ausgenommen werden, die als abhängig Beschäftigte eine Sache zu einem Zweck kaufen, der (auch) ihrer beruflichen Tätigkeit dient, z. B. der Lehrer, der sich einen Computer anschafft, um damit Klassenarbeiten zu entwerfen, oder der Angestellte, der eine Kaffeemaschine für sein Büro kauft. Das gilt auch für die Rechtsbeziehungen des Arbeitnehmers zu seinem Arbeitgeber. Solche Fälle sind nicht mit denjenigen vergleichbar, in denen selbständig als Unternehmer am Wirtschaftsleben Beteiligte Verträge abschließen. Sie sollen deshalb den besonderen Vorschriften über Verbrauchergeschäfte unterstellt werden.
Mit Artikel 1 Abs. 2 Buchstabe a der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist dies vereinbar. Es wird damit nämlich gegenüber der Richtlinie der Verbraucherbegriff ausgedehnt, also ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher im Sinne des Artikels 8 Abs. 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie erreicht. Unternehmer ist spiegelbildlich dazu gemäß § 14 Abs. 1 eine Person, die bei Vornahme eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Dies entspricht – mit der oben bereits behandelten zulässigen Erweiterung – der Definition des Verkäufers in Artikel 1 Abs. 2 Buchstabe c der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Die §§ 474 ff. RE finden mithin keine Anwendung bei Kaufverträgen von Unternehmern oder Verbrauchern untereinander oder dann, wenn ein Verbraucher eine Sache an einen Unternehmer verkauft.
Der sachliche Anwendungsbereich der nachfolgenden Vorschriften betrifft nur den Kauf beweglicher Sachen. Es entspricht Artikel 1 Abs. 2 Buchstabe b der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, dass der Kauf von Grundstücken nicht geregelt werden soll. Allerdings enthält diese Bestimmung einige Ausnahmen vom Begriff der Verbrauchsgüter: Sachen, die auf Grund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder anderen gerichtlichen Maßnahmen verkauft werden, Wasser und Gas, sofern nicht in begrenztem Volumen oder bestimmter Menge abgefüllt, sowie Strom.
Für Sachen, die auf Grund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen verkauft werden, braucht gesetzlich in § 474 RE keine Ausnahme vom Verbrauchsgüterbegriff vorgesehen zu werden. Hier schließt § 806 ZPO ohnehin die Gewährleistungsansprüche des Erwerbers aus, so dass die nachfolgenden Vorschriften für diesen Bereich keine Rolle spielen. Im Übrigen müssen Sachen nach dem Sachbegriff des § 90 im Raum abgrenzbar sein, vor allem durch Fassung in einem Behältnis. Sachen sind daher z. B. nicht freie Luft und fließendes Wasser (Palandt/Heinrichs, § 90 Rdnr. 1). Jedenfalls mit der Abfüllung in ein begrenztes Volumen oder in einer bestimmten Menge, die Artikel 1 Abs. 2 Buchstabe b der Richtlinie anspricht, werden Wasser und Gas zu (beweglichen) Sachen, so dass – der Richtlinie gemäß – die nachfolgenden Vorschriften anzuwenden sind. Elektrizität ist nach dem Verständnis des Bürgerlichen Gesetzbuchs keine Sache und also – ebenso wie nach der Richtlinie – vom Anwendungsbereich der besonderen Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf ausgenommen.
Es bleibt daher insoweit bei den bisherigen Verordnungen über die Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit Elektrizität, Gas und Wasser. Dies dürfte auch für die Verordnung über die Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit Fernwärme gelten. Fernwärme ist zwar in der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht ausdrücklich erwähnt, aber ein Aggregatzustand von Wasser.
§ 474 Abs. 1 RE spricht von einer „ergänzenden Anwendung“ der folgenden Vorschriften. Für den Verbrauchsgüterkauf gelten deshalb zunächst und vor allem die vorangehenden Untertitel 1 und 2 (§§ 433 bis 473 RE). § 474 Abs. 2 RE macht hiervon eine Ausnahme. Die Vorschrift des § 446 RE, die den Gefahrübergang beim Versendungskauf betrifft, soll auf Verbrauchsgüterkaufverträge keine Anwendung finden. Nach § 446 RE (dem bisherigen § 447) geht die Gefahr beim Versendungskauf bereits dann auf den Käufer über, wenn der Verkäufer die Sache der Transportperson übergibt. § 474 Abs. 2 RE hat zur Folge, dass der in § 445 RE niedergelegte Grundsatz (Gefahrübergang mit Übergabe bzw. Annahmeverzug) künftig auch dann gilt, wenn der Verkäufer die Sache an den Käufer versandt und sie zu diesem Zweck einem Spediteur oder Frachtführer übergeben hat. Das bedeutet, dass auch in diesem Fall die Gefahr erst dann auf den Käufer übergeht, wenn er den Besitz an der Sache erlangt hat.
Für dieses Ergebnis spricht zunächst die grundsätzliche Erwägung, dass das Risiko des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung der Ware von der Vertragspartei getragen werden sollte, die eher als die andere imstande ist, dieses Risiko abzuwenden oder zu verringern oder Vorsorge gegen die Schadensfolgen eines Untergangs oder einer Verschlechterung der Ware zu treffen. Das ist regelmäßig der Verkäufer, weil er über die Art und den Weg der Beförderung entscheiden, den Beförderer auswählen und die Ware auf Grund seiner Vertragsbeziehungen zu ihm noch während ihrer Beförderung umdisponieren kann. Vor allem ist der Verkäufer besser als der Käufer in der Lage, das Beförderungsrisiko in dem nach Sachlage gebotenen Umfang unter Versicherungsschutz zu bringen. Das Auseinanderfallen von demjenigen, der vertragliche Ansprüche wegen einer Beschädigung der Sache beim Transport hat (Verkäufer), und demjenigen, der aus einer solchen Beschä- digung den Schaden erleidet, weil er die Gefahr trägt (Käufer), hat zu im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht vorgesehenen dogmatischen Konstruktionen Anlass gegeben, da sich diese Fälle mit den Mitteln des geltenden Rechts nicht zufriedenstellend lösen lassen (sog. „Schadensliquidation im Drittinteresse“). Wenn die aufgeworfenen Probleme mit dem durch das Transportrechtsreformgesetz vom 25. Juni 1998 (BGBl. I S. 1588) neu gefassten § 421 Abs. 1 Satz 2 HGB auch entschärft sein dürften, sprechen doch die einer gewerblichen Beförderung zugrunde liegenden Vertragsbeziehungen dafür, dass die Sache auf Gefahr des Verkäufers reisen sollte. Dann besteht eine vertragliche Haftung auf Schadensersatz in dem Verhältnis, in dem ein Vertrag geschlossen wurde, nämlich im Verhältnis Verkäufer – Transportperson.
Soweit es um den Kauf durch einen Verbraucher geht, entspricht es heute auch der Verkehrsauffassung, dass die Ware im Falle ihrer Versendung auf Gefahr des Verkäufers reist. Wer als Privatmann zur Lieferung in seine Wohnung Waren bei einem Versandhändler oder Möbel in einem Kaufhaus kauft, geht davon aus, dass er den Kaufpreis nur dann zu bezahlen braucht, wenn die Ware bei ihm eingetroffen ist. Diese Auffassung wird auch von den Verkäufern geteilt, weil es in den genannten Fällen praktisch nicht vorkommt, dass der Verkäufer auf Bezahlung der unterwegs verlorengegangenen oder beschädigten Ware beharrt und dem Käufer gemäß dem bisherigen § 281 (jetzt § 285 RE) lediglich die Ansprüche abtritt, die ihm gegen seinen Versicherer oder auf Grund der sog. Drittschadensliquidation gegen den Beförderer zustehen.
Die Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 446 RE hat auch den weiteren Vorteil, dass bei einer großen Zahl von Versendungskäufen eine Reihe von Streitfragen gegenstandslos werden, die sich an die Auslegung dieser Vorschrift knüpfen. Sie betreffen etwa die Frage, ob die Bestimmung nur im Falle der Versendung durch selbständige Dritte oder auch bei der Versendung durch eigene Leute des Verkäufers anzuwenden ist und ob die Vorschrift auch den Fall der Versendung innerhalb derselben politischen Gemeinde und ferner den Fall erfasst, in dem die Ware von einem Ort aus versandt worden ist, der nicht der Erfüllungsort (oder ein anderer vereinbarter Ort) ist. Schließlich wird auch Streit darüber vermieden, ob die Ware im Einzelfall als „auf Verlangen des Käufers“ versandt anzusehen ist, ob sie schon vor der Aushändigung an die Transportperson mangelhaft war oder sich erst danach „verschlechtert“ hat und ob der Untergang oder die Verschlechterung der Ware während ihrer Beförderung auf einem Zufall oder auf einem Verschulden des Verkäufers beruht. Gerade die Notwendigkeit eines besonderen Verlangens des Käufers auf Versendung belegt, dass § 446 RE jedenfalls bei dem Kauf durch einen Verbraucher der Rechtswirklichkeit kaum noch entspricht.
In den weitaus meisten Fällen, die beim Verbrauchsgüterkauf im täglichen Leben unter den bisherigen § 447 gefasst werden, ist ein Verkäufer beteiligt, der ausschließlich als Versandhändler tätig ist, ohne eine Möglichkeit für den Käufer vorzusehen, die gekaufte Sache selbst abzuholen. In diesen Fällen des Versandhandels bleibt dem Käufer gar nichts anderes übrig, als den Versand durch den Verkäufer hinzunehmen. Das besondere „Verlangen des Käufers“, das die Grundlage für einen vorzeitigen Gefahrübergang bildet, bleibt in diesen Fällen nicht selten reine Fiktion.
Gerade dieser Gesichtspunkt zeigt, dass jedenfalls Verbrauchsgüterkaufverträge von dem Anwendungsbereich des § 446 RE ausgenommen werden sollten.
Obwohl die soeben aufgeführten Bedenken gegen § 446 RE zum Teil grundsätzlicher Art sind, wird doch für den Verkehr unter Unternehmern eine Beibehaltung der Vorschrift als zweckmäßig angesehen und entspricht auch internationalen Standards (vgl. Artikel 67 UN-Kaufrecht). Bei Verbrauchsgüterkaufverträgen kommen jedoch die aufgezeigten weiteren Gesichtspunkte hinzu, so dass jedenfalls insoweit § 446 RE nicht angewendet werden sollte.
§§§
(Siehe BGB-E, BT-Drucksache Nr.14/6040, S.242 ff)
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