RsprS zu § 242 BGB
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I. Allgemeines

 

  1. Hat ein bedeutendes wirtschaftliches Unternehmen beim Abschluß eines der notariellen Form bedürftigen Vertrags mit einem früheren Angestellten diesen unter Einsatz seines Gewichts und seines Ansehens sowie durch den Hinweis, daß es einen privatschriftlichen Vertrag einem notariellen als gleichwertig anzusehen pflege, zum Absehen von der Einhaltung der notariellen Form veranlaßt, dann stellt seine spätere Berufung auf die Formnichtigkeit eine unzulässige Rechtsausübung dar. (vgl BGH, U 27.10.67, - 5_ZR_153/64 - Formnichtigkeit, BGHZ_48,396 -400 = NJW_68,39 -43 = MDR_68,136 -37 = BB_67,1355 = JZ_68,67


  2. Ist der Auftrag zur Ersteigerung eines Grundstücks unter dem Gesichtspunkt einer Erwerbspflicht des Auftraggebers nach § 313 BGB formbedürftig, so kann die Berufung des Beauftragten auf den Formmangel wegen dieser Erwerbspflicht des Auftraggebers gegen Treu und Glauben verstoßen. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos; vielmehr bedarf es jeweils einer wertenden Betrachtung sämtlicher Umstände des Einzelfalls, bei der nicht nur die berechtigten Interessen des Auftraggebers, sondern auch diejenigen des Beauftragten zu berücksichtigen sind. (vgl BGH, Grundstücksersteigerung, NJW_96,1960


  3. Die Berücksichtigung der Formnichtigkeit eines Vertrages ist nicht schon allein deshalb mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbar, weil der Vertragspartner, zu dessen Gunsten sich die Formnichtigkeit auswirkt, bei Vertragsabschluß - in Unkenntnis der Bedeutung seines Verhaltens für die Gültigkeit des Vertrages - veranlaßt hat, daß eine Vereinbarung, die in den nach § 313 BGB beurkundungspflichtigen Vertrag hätte aufgenommen werden müssen, nicht mitbeurkundet worden ist. (vgl BGH, U 10.06.77, - 5_ZR_99/75 - Kaufvertrag-Bezugnahme, NJW_77,2072 = DRsp-ROM Nr.1997/7860


  4. Kannten beide Parteien den Formmangel, so entspricht es ständiger Rechtsprechung, daß § 242 BGB einer Berufung auf den Formmangel nicht entgegensteht (BGH, WM_65,1113; NJW_61,1167; JR_74,19). (vgl OLG Hamm, U 16.11.87, - 17_U_72/87 - Formmangel, BauR_88,742 -44


  5. Tritt der Haftpflichtversicherer mit einem Haftpflichtgläubiger in Regulierungsverhandlungen ein gibt er in deren Verlauf zu erkennen, daß der den Haftpflichtanspruch nur mit materiellen Einwendungen bekämpfen werde, kann die spätere Erhebung der Verjährungseinrede auch dann als unzulässige Rechtsausübung anzusehen sein, wenn der Versicherte im Zeitpunkt der Regulierungsverhandlungen (noch) nicht zur Vertretung des Haftpflichtigen bevollmächtigt war. (vgl. BGH, U 05.03.81 - 4a ZR 196/80 - Verjährungseinrede, NJW 81,2243 -44)


  6. Die Zivilgerichte müssen - insbesondere bei der Konkretisierung und Anwendung von Generalklauseln wie § 138 und § 242 BGB - die grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie in Art.2 Abs.1 beachten. Daraus ergibt sich ihre Pflicht zur Inhaltskontrolle von Verträgen, die einen der beiden Vertragspartner ungewöhnlich stark belasten und das Ergebnis strukturell ungleicher Verhandlungsstärke sind. (vgl. BVerfG, B 19.10.93 - 1 BvR 567/89 - Bürgschaft, NJW 94,36 -39)


  7. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Haftungsübernahmen naher Angehöriger sind auch im Bereich öffentlich geförderter Darlehen anwendbar. Auch dann, wenn die Mithaftung des nahen Angehörigen wirksam begründet wurde, kann der Kreditgeber nach § 242 BGB im Einzelfall gehindert sein, den Angehörigen in Anspruch zu nehmen. (vgl. OLG Kobl, U 16.06.97 - 12 U 1028/96 - Mithaftung, Ko-OLGR 97,313)

§§§

 

II. Architektenvertrag

  1. Führt ein Auftragnehmer den fehlerhaften Plan eines Architekten aus, obwohl er genau erkennt, daß der Planungsfehler mit Sicherheit zu einem Mangel des Bauwerks führen muß, und ohne den Auftraggeber selbst vorher darauf hingewiesen zu haben, so kann er sich nach Treu und Glauben gegenüber dem Auftraggeber auf ein mitwirkendes Verschulden des Architekten als Erfüllungsgehilfen des Auftraggebers (§§ 254, 278) nicht berufen. (vgl. BGH, U 18.01.73 - 7 ZR 88/70 - Plan-fehlerhafter, NJW 73,518 -19)


  2. Ist ein Baumangel unter anderem auf fehlerhafte Planung zurückzuführen, so muß regelmäßig auch der Hauptunternehmer gegenüber seinem Subunternehmer für das Planungsverschulden des Architekten seines Auftraggebers (mit)einstehen (im Anschluß an Senat, NJW 84,1676, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 90,344). (vgl. BGH, U 23.10.86 - 7 ZR 267/85 - Kiesnester, NJW 87,644 -45)


  3. Architektenverträge mit katholischen Kirchengemeinden bedürfen gemäß § 21 Abs.2 des Vermögensverwaltungsgesetzes vom 24.07.1924 zur ihrer Wirksamkeit der Genehmigung der bischoflichen Behörde. Kannten beide Parteien den Formmangel, so entspricht es ständiger Rechtsprechung, daß § 242 BGB einer Berufung auf den Formmangel nicht entgegensteht (BGH, WM 65,1113; NJW 61,1167; JR 74,19). Bei formungültigen Verträgen kommt ein Anspruch aus Verschulden beim Vertragsabschluß nur in Betracht, wenn Mitglieder des Kirchenvorstandes mitgeteilt hätten, die Genehmigung liege vor oder es sei mit ihr zu rechnen. Es ist anerkannt, daß mündlich vereinbart werden kann, daß ein Architekt unentgeltlich Vorarbeiten vornimmt, um dem Bauherr eine Entscheidung zu ermöglichen, ob er ein Bauvorhaben durchgeführt und aus diesem Grund erst später den Architekten umfassend beauftragt (vgl BGH BauR 67,454 = ZfBR 87,187 ). (vgl. OLG Hamm, U 16.11.87 - 17 U 72/87 - Formmangel, BauR 88,742 -44)


  4. Erteilt ein Architekt nach der HOAI eine Schlußrechnung, so liegt darin regelmäßig die Erklärung, daß er seine Leistung abschließend berechnet habe. Eine Nachforderung zur Schlußrechnung stellt nicht stets ein treuwidriges Verhalten nach § 242 BGB dar. Es müssen in jedem Einzelfall die Interessen des Architekten und die des Auftraggebers umfassend geprüft und gegeneinander abgewogen werden (Einschränkunden zu Senat, Urteil vom 06.05.85 - 7 ZR 320/84 = WM 85,1002 = BauR 85,582 = ZfBR 85,222 = NJW-RR 86,18 und zu Senat, Urteil vom 01.03.90 - 7 ZR 132/89 = WM 90,1324 = BauR 90,382 = ZfBR 90,189 = NJW-RR 90,725). (vgl. BGH, U 05.11.92 - 7 ZR 52/91 - Schlußrechnung, BGBZ 120,133)


  5. Ein Architekt ist nur dann an eine unwirksame, die Mindestsätze unterschreitende Schlußrechnung gebunden, wenn er diese Abrechnung trotz der Kenntnis der Mindestpreisbestimmungen vornimmt. Ist der Architekt an seine unwirksame Schlußrechnung nicht gebunden, so steht ihm nach Treu und Glauben gegen den Bauherrn ein Anspruch auf Auskunft über die Baukosten und auf Vorlage von Rechnungskopien zu, wenn der Architekt mangels Kenntnis der anrechenbaren Kosten nicht in der Lage ist, eine prüffähige Rechnung zu erstellen, und der Bauherr ihm unschwer die erforderliche Auskunft erteilen kann. (vgl. OLG Frankf, U 10.03.93 - 15 U 194/91 - Pauschalpreisvereinbarung, BauR 93,497 -99 = NJW-RR 94,405 -06)


  6. Im Fall eines abgebrochenen Bauvorhabens oder einer vorzeitigen Beendigung des Bauvertrages schuldet der Bauherr dem Architekten Auskunft über anrechenbare Kosten für die Honorarberechnung. Allerdings ist der Bauherr nicht verpflichtet, die Kostenfeststellung oder den Kostenanschlag selbst vorzunehmen bzw im Rahmen des Auskunftsanspruchs erstellen zu lassen. Er muß jedoch dem Architekten eine geordnete Zusammenstellung der Baukosten nebst Belegen übergeben, nach der dieser selbst in die Lage versetzt wird, die für die Honorarberechnung erforderliche Kostenfeststellung vorzunehmen. Der Architekt ist nach Treu und Glauben nicht an die Schlußrechnung gebunden, wenn der Auftraggeber die Prüffähigkeit der Schlußrechnung rügt. (vgl. KG Berlin, U 02.12.94 - 7 U 5651 - Beendigung vorzeitige, BauR 95,434 = MDR 95,257 = NJW-RR 95,536 -37)


  7. Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Auftraggebers darauf, daß die Schlußrechnung des Architekten eine abschließende Berechnung des Honorars darstellt, kann sich daraus ergeben, daß der Architekt von sich aus ohne Einflußnahme des Auftraggebers einen Preisnachlaß angeboten hatte, daß er an dem Objekt sehr interessiert war. Eine Vereinbarung über die Pauschalierung der Höhe der ersparten Aufwendungen eines Architekten für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Auftrags benachteiligt die Vertragsparteien nicht in unangemessener Art und Weise. Eine Umplanung fällt nicht unter den Begriff der "besonderen Leistung" im Sinne von HOAI § 5 Abs.4, wenn der Architekt, der erst ab Leistungsphase V (Ausführungsplanung) beauftragt ist, zusätzlich damit beauftrag wird, bestimmte Teilbereiche umzuplanen. (vgl. OLG Hamm, U 13.06.96 - 21 U 72/93 - Umplanung, OLG-Rp Hamm 1996, 232-233 (ST))


  8. Ein Architekt ist nicht schon deshalb unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens daran gehindert, eine Nachforderung zur Schlußrechnung geltend zu machen, weil der Auftraggeber die mangelnde Prüffähigkeit der Schlußrechnung nicht alsbald, sondern erst im Prozeß rügt. (vgl BGH, U 19.02.98, - 7_ZR_236/96 - Koppelungsverbot, ZfIR_98,277


  9. Ist der Architekt an seine unwirksame Schlußrechnung nicht gebunden, so steht ihm nach Treu und Glauben gegen den Bauherrn ein Anspruch auf Auskunft über die Baukosten und auf Vorlage von Rechnungskopien zu, wenn der Architekt mangels Kenntnis der anrechenbaren Kosten nicht in der Lage ist, eine prüffähige Rechnung zu erstellen, und der Bauherr ihm unschwer die erforderliche Auskunft erteilen kann. (vgl OLG Frankf, U 10.03.93, - 15_U_194/91 - Pauschalpreisvereinbarung, BauR_93,497 -99 = NJW-RR_94,405 -06


  10. Der Architekt ist nach Treu und Glauben nicht an die Schlußrechnung gebunden, wenn der Auftraggeber die Prüffähigkeit der Schlußrechnung rügt. (vgl KG Berlin, U 02.12.94, - 7_U_5651 - Beendigung vorzeitige, BauR_95,434 = MDR_95,257 = NJW-RR_95,536 -37

§§§

III. Sonstige Verträge

  1. Verlangt der Besteller nach Abnahme des Werkes außerprozessual die Beseitigung eines Mangels und muß er sich dabei an deren Kosten (in Höhe von "Sowieso-Kosten" oder einer Mitverursachungsquote) beteiligen, so kann der nachbesserungsbereite Unternehmer nach Treu und Glauben vorweg weder Zahlung noch Zusage eines Kostenzuschusses verlangen, sondern lediglich Sicherheitsleistung in angemessener Höhe. (vgl BGH, U 22.03.84, - 7_ZR_50/82 - Sowieso-Kosten, BGHZ_90,344 -54


  2. Das Risiko der Zweckverfehlung eines Grundstückskaufvertrags trägt der Käufer auch dann, wenn es sich um einen Landkreis handlet, der auf dem gekauften Gelände Ersatzparkplätze für den Betrieb der Verkäuferin einrichten wollte, und diese ihren Betrieb schon 2 1/2 Jahre später schließt; die Anwendung der Grundsätze eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage kommt nicht in Betracht. (vgl BGH, U 26.09.97, - 5_ZR_186/97 - Betriebsparkplätze, NJW-RR_98,589


  3. Ist der Erwerb eines Grundstücks rechtlich oder tatsächlich nur durch den Nachweis oder die Vermittlung eines Maklers möglich und macht der Makler den Erwerb des Grundstücks von einem Auftrag an einen Architekten abhängig, dann verstößt der mit einem Architekten geschlossene Vertrag gegen das Koppelungsverbot des Mietrechtsverbesserungsgesetzes. (vgl BGH, U 19.02.98, - 7_ZR_236/96 - Koppelungsverbot, ZfIR_98,277

§§§

III. Baurechtliches Nachbarrecht

  1. Wer geltend macht, durch eine Baugenehmigung, die ihm zwar nicht vorschriftsmäßig bekanntgegeben worden ist, von der er aber in anderer Weise sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, in seinen Rechten verletzt zu verliert nach Maßgabe der im Urteil BVerwGE 44,294 = JuS 74,806 Nr.14 aufgestellten Grundsätze seine Anfechtungsbefugnis, wenn er nicht innerhalb der Frist des § 70 iV mit § 58 Abs.2 VwGO Widerspruch einlegt; dies gilt nicht nur für den unmittelbaren Grenznachbarn. Im Einzelfall sind für den Verlust der Anfechtungsbefugnis des Nachbarn des Nachbarn nach dem Grundsatz von Treu und Glauben die jeweiligen Umstände und Gegebenheiten auf beiden Seiten des nachbarlichen Gemeindschaftsverhältnisses maßgebend. Richtet sich ein Normenkontrollantrag gegen Festsetzungen eines Bebauungplans, zu deren Verwirklichung schon eine unanfechtbare Genehmigung erteilt worden ist, so fehlt dem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Antragsteller dadurch, daß der Bebauungsplan für nichtig erklärt wird, seine Rechtsstellung derzeit nicht verbessern kann. (vgl. BVerwG, B 28.08.87 - 4 N 3/86 - Stadtteilpark + Bolzplatz, JuS 88,576 = NJW 88,839 = DÖV 88,32 = NVwZ 88,348 =)


  2. Materielle Abwehrrechte des Nachbarn können zu einem früheren Zeitpunkt verwirkt sein als entsprechende Verfahrensrechte. (vgl. BVerwG, B 09.08.90 - 4 B 95/90 - Verwirkung, BauR 91,73)


  3. Es verstößt gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben, wenn ein Nachbar im Baugenehmigungsverfahren Einwendungen erhebt und Rechtsmittel einlegt, obwohl er sich in einer privatrechtlichen Vereinbarung mit dem Vorhaben einverstanden erklärt hat. (vgl. VGH BW, U 09.11.90 - 8 S 1714/90 - Vereinbarung-privatrechtl, VBlBW 91,218)


  4. Der für die Verwirkung eines materiellen Rechte (hier: nachbarliches Abwehrrecht gegen ein Bauvorhaben) maßgebliche Zeitraum der Untätigkeit des Berechtigten ist deutlich länger zu bemessen als die Zeit, die dem Berechtigten gemäß den im Regelfall geltenden verfahrensrechtlichen Rechtsbehelfsfristen für die Geltendmachung seines Rechts eingeräumt ist. Auch eine längere Untätigkeit des Nachbarn führt dann nicht zum Verlust des Abwehrrechts durch Verwirkung, wenn der Bauherr eine Baugenehmigung schon zuvor im wesentlichen Umfang sofort ausgenutzt hat, ohne dazu durch das Verhalten des Nachbarn veranlaßt worden ist. (vgl. BVerwG, U 16.05.91 - 4 C 4/89 - Nachbarklage-Verwirkung, NVwZ 91,1182 = NJW 92,1123 (L) = VBlBW 92,134 = BayVBl 91,726 = UPR 91,345)


  5. Der Senat schließt sich auch für auf Landesrecht beruhende nachbarliche Abwehrrechte der Rechtsauffassung des BVerwG (U 16.05.91 - 4 C 4/89, NVwZ 91,1182 ) an daß der für die Verwirkung eines materiellen Rechte maßgebliche Zeitraum der Untätigkeit des berechtigten Nachbarn deutlich länger zu bemessen ist als die Zeit, die dem Berechtigten gemäß den im Regelfall geltenden verfahrensrechtlichen Rechtsbehelfsfristen für die Geltendmachung seines Rechts eingeräumt ist, und daß auch eine längere Untätigkeit dann nicht zum Verlust des Abwehrrechtes führt, wenn die Baugenehmigung im wesentlichen Umfang sofort ausgenutzt worden ist, ohne daß der Bauherr dazu durch das Verhalten des Nachbarn veranlaßt worden ist. Gestattet ein Nachbar in Kenntnis des Vorhabens des Bauherrn, für die Durchführung von Arbeiten zur Herstellung des Vorhabens ein Grundstück in Anspruch zu nehmen (hier: Pumpen von Fertigbeton über das Grundstück), so handelt er wegen widersprüchlichen Verhaltens treuwidrig (venire contra factum proprium), wenn er später Nachbarwiderspruch gegen das Vorhaben einlegt. Bei im Bebauungsplan zwingend festgestzten Doppelhausbauweise muß ein rückwärtiger Anbau auch dann nicht im Sinne von § 6 Abs.1 S.2 lit.a Bau= NW nach Planungsrecht an die Grenze gebaut werden, wenn die im Bebauungsplan festgesetzte rückwärtige Baugrenze für eine Errichtung des Anbaus mit Grenzabstand keinen Raum läßt. Eine für ein Abwehrrecht wegen Verletzung von Abstandsflächenbestimmungen ausreichende faktische Beeinträchtigung des Nachbarn ist bereits dann gegeben, wenn sich das rechtswidrige Vorhaben spürbar negativ auf die künftigen Nutzungsmöglichkeiten des Nachbargrundstückes auswirkt, auch wenn die im Zeitpunkt der Errichtung des Vorhabens tatsächlich ausgeübt Nutzung noch nicht beeinträchtigt ist. (vgl. OVG NW, U 09.04.92 - 7 A 1521/90 - Doppelhaus, BauR 92,753 = NWVBl 92,434)


  6. Wird ein Grundstück in Kenntnis eines bestimmten Bauvorhabens des Käufers verkauft, so hat der Verkäufer dadurch in der Regel sein Einverständnis mit diesem Bauvorhaben schlüssig erklärt, so daß er dagegen Baunachbarrechte nicht mehr geltend machen kann. Eine solche konkludente Einwilligung kann aber nicht weitergehen als die ausdrückliche Zustimmung. (vgl. OVG Bautzen, U 10.06.96 - 1 S 134/96 - Nachbareinwilligung, NVwZ-RR 97,694 (L))


  7. Erklärt ein Nachbar im Rahmen eines Zivilprozesses, er erhebe keine Einwendungen gegen ein bestimmtes Bauvorhaben, so kann ein gleichwohl erhobener Widerspruch gegen die für dieses Vorhaben erteilte Baugenehmigung unter dem Gesichtspunkt des "venire contra factum proprium" unzulässig sein (im Anschluß an Beschluß des Senats vom 14.03.83, BRS 40 Nr.209 - S.461). Eine Baugenehmigung geht von einer technisch einwandfreien, den Regeln der Baukunst entsprechenden Bauausführung aus. Sofern durch eine mangelhafte, den einschlägigen technischen Normen zuwiderlaufende Bauausführung öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt werden, hat dies ebensowenig wie eine von der Genehmigung abweichende Bauausführung Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung. (vgl. OVG Saarl, E 28.05.96 - 2 R 24/95 - Abweichende Bauausführung, Juris)

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