zu 75.024 | Abgeordnetendiäten |
| BVerfG, SU, 05.11.75, 2_BvR_193/74
BVerfGE_40,296 = www.dfr/BVerfGE
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Tz-1 |
Ausnahmsweise wurde die Begründung dieses Urteil im Volltext veröffentlich, da es bisher im Saarland nicht allgemein
bekannt ist. Obwohl das Teilurteil des BVerfG in dieser Verfassungsbewerdesache vom 21.01.75 (BVerfGE_38,326 ff =
Nr.75.001) im Volltext in der Saarländischen Kommunalzeitung (SKZ_75,220
-221) veröffentlicht wurde, wurde das wesentlich bedeutungsvollere Schlussurteil, das eine Vielzahl
von saarländischen Normen für nichtig erklärte, nicht im Saarland veröffentlicht oder im sonstigen saarländischem
Schrifttum erwähnt.
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Tz-2 | Es wundert deshalb wenig, dass 15 Jahre später in der Pensionsaffaire-Lafontaine in Fernsehsendungen lautstark verkündet wurde, es sei alles mit rechten Dingen zugegangen.
Wäre vorstehendes Urteil allgemein bekannt gewesen, wäre es mit Sicherheit nicht zu solchen Äußerungen hoher Regierungsvertreter gekommen.
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Tz-3 | Der Aufsatz des damaligen Staatsekretärs Dr. Roland Rixecker "Der Versorgungstatus kommunaler Wahlbeamter mit Parlamentsmandat und Regierungsamt" (SKZ_92,186 ff) zitiert
zwar vorstehendes Urteil, setzt sich aber in keiner Weise mit ihm auseinander und zieht eine an den Grundsatzentscheidungen dieses Urteils orientierte verfassungskonforme Auslegung des einfachrechtlichen Beamtenrechts nicht in Betracht. Selbst wenn man den Aufsatz mehrmals gelesen hat, ist er kaum zu verstehen. Ich halte in für ein Meisterstück von Vernebelungstechnik. Beamtenrechtliche Wahrheitspflichten gelten wohl nicht für Staatssekretäre, wenn es darum geht sich beim Ministerpräsidenten ins rechte Licht zu rücken.
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Tz-4 | Obwohl der damals amtierende Justizminister des Saarlandes den Beschwerdeführer in dieser Verfassunsbeschwerde anwaltlich vertreten hat, und damit in Regierungskreisen das
Urteil mit Sicherheit bekannt war, ist es zu unberechtigten Pensionszahlungen gekommen, die zurückgezahlt werden mussten.
Dieses Beispiel zeigt in aller Klarheit, welche Bedeutung die allgemeine Verbreitung verfassungsrechtlicher
Grundsatzentscheidungen in der freiheitlich rechtsstaatlichen Demokratie zukommt. Wäre
dieses Urteil im Volke gegenwärtig, wäre es mit Sicherheit nicht zu diesen nicht berechtigten Zahlungen und den öffentlichen Rechtmäßigkeitsbekundungen gekommen. Als ich sie hörte, habe ich mich für meine Juristenkollegen geschämt.
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Tz-5 | Nur wenn verfassungsrechtliche Grundsatzentscheidungen nicht nur in der juristischen Fachpresse veröffentlicht werden,
sonder allgemein verbreitet werden, kann das Demokratieprinzip funktionieren. Erfährt das Volk
nichts von dem verfassungswidrigen Handeln des Parlaments oder der Regierung, kann es dieses Wissen auch nicht in
seine Wahlentscheidung einfließen lassen. Kann die Verbreitung des Wissens verhindert werden, besteht immer
die Gefahr, dass das aus eigennützigen Gründen auch getan wird, wie das konkrete Beispiel zeigt. |
(HG Schmolke) |