Aufsätze | Schmolke | |
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Mit der Feminisierung der Gesetzessprache, verliert der Gesetzgeber den Blick für das Wesentliche. So heißt es z.B. in § 56 Abs.1 "Die Bauherrin oder der Bauherr hat zur Vorbereitung und Überwachung und Ausführung eines genehmigungsbedürftigen Bauvorhabens und eines Bauvorhabens nach § 66 eine Entwurfsverfasserin oder einen Entwurfsverfasser, Unternehmen und eine Bauleiterin oder einen Bauleiter zu benennen." |
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Wie diese Beispiel zeigt setzt die Nennung der Funktionsbegriffe in weiblicher und männlicher Form durch die Wiederholung markante Schwerpunkte und läßt die eigentliche gesetzliche Regelung in den Hintergrund treten. Die Gesetzestexte, die sich bisher schon nicht durch besondere Verständlichkeit ausgezeichnet haben, werden zusätzlich aufgebläht und in ihrer Lesbarkeit noch einmal verschlechtert (1). Sie verlieren sprachliche Prägnanz und werden im Hinblick auf den konkreten Regelungsgegenstand für fremde Zwecke mißbraucht. |
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Radbruch forderte für die Gesetzessprache eine rigoristische Askese der Ausdrucksmittel, eine stoische Wortkargheit, eine nüchterne Armut, damit die unübertreffliche Erhabenheit des kategorischen Imperativs und das selbstsichere Machtbewußtsein des befehlenden Staates zum Ausdruck komme (2). Goldene Regel für die Gesetzessprache ist nach Müller, daß das Gesetz ein und dasselbe Wort stets nur in einem einzigen Sinne und für denselben Begriff stets nur ein einziges Wort verwendet (3). |
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Diese Vorgaben beachtend hat der Gesetzgeber bisher die Berufs- und Funktionsbegriffe wie Aufsteller, Entwurfsverfasser, Architekt usw als geschlechtsneutrale Variablen verwandt. Die Funktion steht im Vordergrund der gesetzlichen Regelung. Ob eine Frau oder ein Mann den technischen Nachweis erstellt hat, ist im Hinblick auf den Regelungsgehalt unerheblich. Ein solches Vorgehen entspricht auch dem allgemeinen Sprachgefühl (4) und ermöglicht eine prägnante Ausdrucksweise. Bei der Feminisierung der Funktionsbegriffe handelt es sich demgegenüber um eine typische Überdifferenzierung vor der allenthalben gewarnt wird (5). Der Gesetzgeber verläßt den sprachlichen Weg der Tugend und geriert sich als besonders frauenemanzipatorisch und gleitet damit ins politisch Manipulative ab. |
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Seltsamerweise hält der Gesetzgeber dabei weibliche Begriffe für geeignet, die verpönten männlichen Begriffe zu ersetzen. So wurde z.B. der Begriff "der Nachbar nicht etwa durch "die Nachbarin oder der Nachbar sondern durch "die Nachbarschaft" und "der öffentliche Bauherr" nicht durch die "öffentliche Bauherrin oder der öffentliche Bauherr" sondern durch "die öffentliche Bauherrschaft" ersetzt. Abgesehen von den Begriffsunterschieden zwischen den Begriffen Nachbar und Nachbarschaft auf die bereits hingewiesen wurde, erscheint dieser Begriffsaustausch wenig systemgerecht. Man kann sich dabei des Eindrucks nicht erwehren, daß es lediglich darum ging, in möglichst vielen Fällen das persönliche Fürwort "er" durch "sie" zu ersetzten. Da das Gesetz die Begriffe Bauherrin und Bauherr ebenfalls verwendet, setzt sich der öffentliche Bauherr durch den neuen Begriff vom normalen Bauherrn ab und wird gewissermaßen überhöht. Da auch der öffentliche Bauherr sich an die öffentlichen Vorschriften halten muß, widerspricht diese Begriffsdifferenzierung der Vorgabe, daß für denselben Begriff möglichst immer dasselbe Wort verwendet wird. |
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Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist weniger ein Problem der den Gleichheitssatz verletzenden gesetzlichen Regelungen, als ein gesellschaftliches Problem. Wyduckel (6) hat darauf hingewiesen, daß für die Lösung politischer oder gesellschaftlicher Probleme rechtliche Regelungen nicht immer den besten und zweckmäßigsten Weg darstellen. Gesetzgeberische Maßnahmen sollten demzufolge nur dann anvisiert werden, wenn das zur Debatte stehende Problem anderweitig nicht gelöst werden kann. Durch die Verwendung männlicher Funktionsbegriffe in Gesetzen, fühlen sich aber die wenigsten Frauen in ihrer Gleichberechtigung verletzt und wird eher von tatsächlichen Benachteiligungen abgelenkt. Das wahre gesellschaftliche Problem, liegt in der mangelnden Anerkennung der Leistungen bei der Kindererziehung und der Hausarbeit durch die Gesellschaft und in der durch diese Tätigkeit häufig bedingten finanziellen Abhängigkeit der Frau vom Mann. Obwohl sich bereits vor über 35 Jahren die Rechtswissenschaft mit diesem Problem befaßt hat (7), ist bis heute - wenn man von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub einmal absieht - nichts entscheidendes passiert. Lafontaine (8) weist darauf hin, daß die bürgerlich-industrielle Gesellschaft Trennungslinien, Ausgrenzungen und extrem polarisierende Geschlechterrollen in einem nie dagewesenen und für Frauen höchst nachteiligen Ausmaß geschaffen hat. In der auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Wettbewerbsgesellschaft hat die Frau aufgrund ihrer biologisch bedingten höheren Ausfallzeiten einen geringeren Warenwert. Ihr singuläres Kapital Kinder zu gebären, und damit einen unabdingbaren Beitrag für den Erhalt der Gesellschaft und des Staates zu leisten, findet bisher nicht die ihr in dieser Hinsicht gebotene gesellschaftliche und finanzielle Anerkennung. Dahn (9) leitet daraus die Forderung ab "Gleicher Lohn für weniger Arbeit". In dieser Hinsicht gibt es noch Regelungsdefizite. Das Hauptproblem ist aber nicht die Gesetzessprache, sondern die gesellschaftlichen Anerkennungsdefizite der Erziehungs- und Hausarbeit. Das wird einem sehr schnell klar, wenn man sich einmal mit Frauen aus den neuen Bundesländern unterhält, die in ihrem Gesellschaftssystem in wesentlich größerem Umfang gleichberechtigt waren und bei denen die angeblichen Probleme westlicher Frauenrechtlerinnen auf weitgehendes Unverständnis stoßen. Interessant sind die Erfahrungen, die Wagner(10) machte, als er als Westdeutscher auf eine Professorenstelle in Ostdeutschland berufen wurde. Zur der Feminisierung der Sprache im Alltag machte er folgende Ausführungen: |
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"Die aus dem Westen importierten Lehrenden und auch ich waren entsetzt, als die Studentinnen von sich beinahe ausschließlich in männlicher Form sprachen. Drei Frauen sprachen von sich als "drei Mann hoch"; bezeichneten sich als "Studenten", waren "Kindergärtner", "Erzieher" und wollten "Sozialarbeiter" werden. Auch mich irritierte dieser Sprachgebrauch. Ich spürte dabei immer einen kleinen Schreck, so als ob ich mich nach einer mißbilligenden oder strafenden Instanz umblicken müßte. Denn ich hatte im Verlauf von über zwanzig Jahren durch Einsicht, aber auch durch Druck gelernt, meinen Sprachgebrauch als patriarchalisch bis chauvinistisch zu erkennen, und war sehr darum bemüht, ihn zu verbessern. An dem kleinen Schreck konnte ich ablesen, daß ich dabei ein wenig in Pawlowscher Weise konditioniert war und nicht nur aus Einsicht reagierte. Ich war mehrfach in Liebesbeziehungen und noch häufiger in Kneipengesprächen gerügt und beschimpft worden. Ich hatte das immer als sehr unangenehm empfunden.
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Die Studierenden erfüllten in den Hausarbeiten die von uns gemachten Auflagen, weigerten sich aber meist, ihre Alltagssprache zu verändem. Oft hatte ich den Eindruck, daß insbesondere die Studentinnen die männliche Form sogar demonstrativ einsetzten, als ob sie damit ihre Ost-Identität verteidigen wollten und sich freuten, daß wir uns ärgerten. Der Verdacht, daß es ein Kulturkampf war, bestätigte sich in einer Veranstaltung mit dem Titel "Wie sind wir geworden, was wir sind?" Dort sammelten wir Urteile, die wir über die jeweilige andere Seite aufgrund eigener Erfahrungen hegten. Eine Aussage, die allgemeine Zustimmung fand, war.- Die Wessis machen zuviel "Gedöns" um das Frausein. In Gesprächen kam heraus, daß die Ostfrauen der Ansicht waren, sie hätten viel mehr wirkliche Emanzipation, an gleichberechtigter Teilhabe an der Gesellschaft erreicht, hätten sozusagen "ihren Mann gestanden", und dies drücke sich eben auch in ihrer Sprach aus, in der sie demonstrieren, daß sie in gleicher Funktion und gleicher Leistung wie die Männer in der Gesellschaft gestanden hätten. Daß nun die Westfrauen, die zum Teil nie richtig gearbeitet hätten, daherkämen und ihnen zeigen wollten, was es heiße, einen richtige Frau zu sein, fänden sie empörend, zumal jetzt, in einer Situation, in der die Frau im Osten miterleben müßten, wie sie selbst auf den Status der Westfrauen zurückgestutzt würden. Mit diesem ewigen "Innen" würde der Unterschied zwischen den Geschlechtern in Bereichen, in denen er gar keine Rolle spiele, erst recht betont. Die Westfrauen, die sich nie auch nur einen Bruchteil der gesellschaftlichen Beteiligung der DDR-Frauen erarbeitet hätten, würden vor dem wirklichen gesellschaftlichen Herausforderungen auf das symbolische Terrain der Sprache ausweichen und sich dort billige Ersatzerfolge holen. Jetzt soll dasselbe mit den Ostfrauen geschehen: Zurück an Heim und Herd, raus aus der Arbeit und dafür als Trost überall Innen. Nein das würden sie sich nicht gefallen lassen. Es war eine erbitterte Aussprache.... "
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9 |
Diese Erfahrung deckt sich mit meiner eigenen, wonach im allgemeinen Sprachgebrauch die Feminisierung der Gesetzessprache auf weitgehendes Unverständnis stößt und das selbst bei Frauen. Die Gesetzessprache soll und muß aber konservierend, beharrend, bewahrend und unflexibel sein (11), wenn sie ihrer Aufgabe gerecht werden will. Dieser Vorgabe wird die Feminisierung der Gesetzessprache nicht gerecht. Es ist wohl ein Kennzeichen unserer Zeit, daß für den Gesetzgeber die Erfüllung tagespolitischer Gruppeninteressen wichtiger ist, als die Erfüllung der selbstgesetzten Zielvorgaben. Man hatte sich doch vorgenommen, das Baurecht zu vereinfachen. Da man die Normgerechtigkeit, die Klarheit und Übersichtlichkeit der Norm aus dem Auge verloren hat, ist das Gegenteil herausgekommen. Ursache ist das falsche Bemühen um im konkreten Fall auch noch aufgabenfremde angebliche Einzelfallgerechtigkeit. Die Gesetzessprache wird nicht mehr zur Übermittlung konkreter Regelungsinhalte eingesetzt, sondern zur politischen Demonstration mißbraucht. |
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Fußnoten |
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so auch Ortloff, Die Entwicklung des Bauordnungsrechts NVwZ 95,436 Fußnote 7
vgl. Radbruch, Einführung in die Rechtswissenschaft, 10.Aufl., Stuttgart, 1961, Seite 47
vgl. Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, Köln u.a. 1961
so sieht Rost, Der Bibliothekar, Wien, Köln 1990 S.9, die Berufsbezeichnung Bibliothekar als ambivalentes Substantiv, was er mit dem Beispiel begründet, daß die Anrede "Frau Doktorin" sprachlich verwehrt sei.
vgl Sendler, Mehr Gesetze, weniger Rechtsgewährung?, DVBI 95,978 (981)
vgl. Wyduckel, Gesetzgebungslehre und Gesetzgebungstechnik Aktueller Stand und künftige Entwicklungstendenzen, DVBl.82,1175 (1178)
vgl. z.B. die Entschlließung des Deutschen Frauenrates vom 13.11.70 über die eigentständige soziale Sicherung der Frau mit den Thesen von Schneider-Danwitz und Zacher, Informationen für die Frau, 1970 Nr.11/12 S.8 ff, sowie Zacher, Die soziale Sicherung der Hausfrau, Ehefrau und Mutter, Die neue Ordnung 1971, S.1 -20
vgl Lafontaine, Die Gesellschaft der Zukunft, Hamburg, 1988, Seite 211 f.
vgl. Dahn, Westwärts und nichts vergessen - Vom Unbehagen in der Einheit, Berlin, 1996, S.160
vgl. Wagner, Kulturschock Deutschland, Hamburg, 1996 S.111 ff
vgl. Herles in Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (Herausgeber), Praxis der Gesetzgebung, Regensburg, 1984, S.156 (160)
so in Bayern (Art.70 BayBauO) und in Nordrhein-Westfalen (§ 67 LBONW)
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